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Martina Küglers Werk entstand weitgehend im Verborgenen. Mit ihr ist eine geniale Zeichnerin zu entdecken. Kunstgeschichtlich wäre ihr Werk zwischen Surrealismus und Art brut anzusiedeln. Beide Tendenzen sind in ihrem Werk zu finden: impulsive Zeichnungen, die sich über alle akademischen Konventionen hinwegsetzen, und Arbeiten, die eine höchst disziplinierte, gebildete Hand verraten. Ganz introspektiv, kreist ihr Werk stets um Gefühle, wobei das Erotische ein Brennpunkt ist. Ihre somnambulen Gestalten scheinen in einen Zustand der Trance versetzt zu sein, ein Zustand, mit dem die Surrealisten experimentierten, um das Unbewusste zu erkunden. Wie in deren besten Arbeiten, so bewahren auch Martinas Arbeiten das Rätselhafte: ihren Traumcharakter. Mit Paul Klee hat sie gemeinsam, dass sie, insbesondere in den kleineren Formaten, den Ausdruck aufs Minimale kondensiert und ihn dadurch verstärkt: das Geheimnis der Poesie! Der Sammler Hans-Jürgen Döpp hat Martina Kügler über Jahrzehnte hinweg begleitet und eine erlesene Auswahl ihrer Zeichnungen für dieses Buch zusammengestellt. Mit einem Essay von Hans-Jürgen Döpp, Das gezeichnete Ich.
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Seitenzahl: 21
Veröffentlichungsjahr: 2018
Der König der Einbildungskraft
Martina Küglers kunst ist unzweideutig ein kampf ums leben.
Sie zeichne ernste gesichter, um bloßzulegen. Ihre figuren seien nackt, da kleider zu zeitgebunden seien.
namenloses leiden und intensität, destruktive kraft: ihre formal und thematisch sehr unterschiedlichen arbeiten kann ich nicht ohne erschüttert zu werden betrachten. es sind schreie, die den menschen in seiner hoffnungslosen unvollkommenheit evozieren, in seiner eigenschaft als wesen mit einem manko (ein geschlecht, opfer von gefühlsautomatismen etc.). solche zutiefst subjektiven appelle schicken jedoch nur menschen in die welt, die vor wünschen innerlich verbrennen. es gäbe sie nicht, wenn die welt ihnen jemals hätte entsprechen können. m. k. s kunst ist kommunikation -jenes vermögen, an dem es den meisten so schmerzlich gebricht.
es gibt bilder mit magnetwirkung: unmöglich,sie nicht anzublicken, wo auch immer man sich gerade im zimmer befindet. Mein qualitätskriterium …
Bernd Mattheus, Heftige Stille – andere Notizen, München 1986, S. 225 f.
Hans-J-Döpp Das gezeichnete Ich
Martina Kügler BILDTEIL
Hans-J.Döpp Eine glühende Sadophonie
Angaben zu den abgebildeten Werken
Biographie
Ausstellungen
Publikationen
Grabrede für Martina am 11. Januar 2018
- Zu den Zeichnungen von Martina Kügler –
In seinen „Spielregeln der Kunst“ beobachtet der Schriftsteller Alain einen Pianisten beim Spiel, der dafür bekannt war, dem Beethoven der letzten drei Sonaten ähnlich zu sein. „Er begann mit einem rhythmisierten Tumult, der sozusagen das Material heranschaffte, das dann geordnet und entwickelt wurde; und er endete mit jener verhaltenen Bewegung, in der selbst die Pausen zu reden anfangen, der Rhythmus sich auflöst, die Zeit entlassen wird und stillsteht“.
Vor allem Anfang steht das Tohuwabohu, das Chaos. Die Schöpfung beginnt mit dem Nichts. Für den Künstler: das Nichts des leeren, weißen Blattes.
Wiederholt sich nicht in jeder künstlerischen Kreation der Schöpfungs-akt? Wie der Gesang dem Geräusch, so entsteigt die Zeichnung dem Chaos eines „Gekritzels“.
„Ich verzeichne das Papier“, bemerkte Martina Kügler zu ihrem Arbeitsprozess. Am Anfang war der willkürliche Strich, der die Leere vernichten soll. Das Nichts wird aufgeschreckt, attackiert die Spur eines fremden Willens, und nur allzuleicht kann der Strich sich wieder ins Nichts verlieren.
Eine zufällig aufs Papier gesetzte Linie ist es häufig, die den Ausgangs-„punkt“ für Martina Küglers Zeichnungen bildet: eine willkürliche Linie, die nichts als den Willen ausdrückt, sich gegen Chaos und Leere zu behaupten. „Ich zerstöre erst einmal das Blatt“, kommentierte Martina den Prozess ihres Zeichnens. Am Anfang steht ein negatorischer Akt: die Negation des Nichts.