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Johannes Willms

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Beschreibung

Napoleon - schon der Name ist bis heute Inbegriff von Ruhm und historischer Größe. Nur selten in der Weltgeschichte hat ein Mensch in so kurzer Zeit so viel erobert und so viel verspielt. Johannes Willms, der große Kenner der Epoche und Napoleon-Biograph, fasst in diesem kritischen Porträt noch einmal den Aufstieg und Fall des Ausnahmemenschen zusammen, der erst Frankreich und dann Europa beherrschte, vom Revolutionsgeneral zum Despoten wurde und am Ende nach der Schlacht von Waterloo in der Verbannung starb.

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Johannes Willms

NAPOLEON

C.H.Beck

Zum Buch

Napoleon Bonaparte gehört zu den herausragenden Gestalten der Weltgeschichte. Im Übergang von der alten Welt des Ancien Régime zur neuen Welt nach der Französischen Revolution nimmt er eine Schlüsselrolle ein. Zugleich fasziniert er bis heute durch seinen Ruhm als siegreicher Feldherr und durch seinen kometenhaften Aufstieg und Fall. Johannes Willms, einer der großen Kenner der Epoche, fasst in diesem eleganten Band die wichtigsten Stationen von Napoleons Leben, seine Leistungen und verhängnisvollen Schwächen prägnant zusammen.

Über den Autor

Johannes Willms war Feuilletonchef und Kulturkorrespondent der «Süddeutschen Zeitung» in Paris. Er hat zahlreiche Werke zur Geschichte Frankreichs vorgelegt, darunter eine vielgerühmte Biographie Napoleons sowie u.a. «Tugend und Terror. Geschichte der Französischen Revolution» (2014), «Waterloo. Napoleons letzte Schlacht» (2015) und zuletzt «Mirabeau oder die Morgenröte der Revolution» (2017).

Inhalt

Vorwort

I. Der Aufstieg

Korsika

Soldat der Revolution

Politik ist das Schicksal

Auf Umwegen zur Macht

II. An der Macht

Ein neues Regime und eine neue Ordnung

Krieg und Frieden

Von Bonaparte zu Napoleon

Der Kaiser

Der Sacre d’Austerlitz

III. Das Europa Napoleons

Der Rheinbund

Das Ende Preußens

Der Grand Empire

Götzendämmerung

Ende mit Schrecken

Die Agonie

Napoleon heute

Zeittafel

Literaturverzeichnis

Quellenwerke

Wissenschaftliche Darstellungen

Bildnachweis

Personenregister

Kopf General Bonapartes. Vorderseite der Medaille von Raymond Gayrard (1796).

Vorwort

Zahlreiche kluge Menschen haben kluge Einsichten über Napoleon formuliert. Einer von ihnen, ein Zeitgenosse, der in des Kaisers Diensten gestanden hatte, schrieb 1817 im Bericht über einen Aufenthalt in Italien im Jahr 1811: «Was mich anbelangt, so bin ich davon überzeugt, dass Bonaparte über keinerlei politisches Talent verfügte; andernfalls hätte er nicht nur in Italien eine freiheitliche Verfassung gestiftet, sondern überall, und statt der illegitimen Könige wie auch er einer war, hätte er diese aus den jeweils herrschenden Familien ausgesucht. Auf längere Sicht hätten ihn die Völker für diese Wohltat bewundert.» (Stendhal, Rome Naples et Florence en 1817, in: Voyages en Italie, (ed.) V. del Litto, Paris 1973, 143)

In einem Brief an Thomas Mann vom 29. November 1936, in dem er sich auf dessen Joseph-Roman bezieht, urteilte Sigmund Freud über Napoleon: «Er war Korse, ein zweiter Sohn in einer Schar von Geschwistern. Der älteste der Brüder von ihm hieß – Josef, und dieser Umstand wurde, wie sich nun einmal Zufälliges und Notwendiges im Menschenleben verketten, schicksalhaft für ihn. (…) Der ältere Bruder ist der natürliche Rivale, ihm bringt der kleinere eine elementare, unergründlich tiefe Feindseligkeit entgegen (…). Josef zu beseitigen, sich an seine Stelle zu setzen, selbst Josef zu werden, muss die stärkste Gefühlsregung des kleinen Kindes Napoleon gewesen sein. Es ist merkwürdig (…): gerade so exzessive, infantile Regungen neigen dazu, ins Gegenteil umzuschlagen. Aus dem gehassten Rivalen wird ein geliebter. So auch bei Napoleon. (…) Der Urhass war also überkompensiert worden, aber die damals entfesselte Aggression wartete nur darauf, auf andere Objekte verschoben zu werden. Hunderttausende gleichgültiger Individuen werden dafür büßen, dass der kleine Wüterich seinen ersten Feind verschont hat.»

Verglichen damit sehr knapp ist das verblüffende Fazit, das Jacques Bainville am Ende seiner großen und durchaus bewundernden Napoleon-Biographie von 1931 gibt, die in Frankreich als ein Klassiker des Genres gilt, der immer wieder aufgelegt wird: «Außer für den Ruhm, außer für die Kunst wäre es vermutlich besser gewesen, er hätte nicht gelebt.»

Was an dieser Feststellung verstört, wird allenfalls durch den Umstand gemildert, dass sie wie das Echo einer Aussage anmutet, mit der Bonaparte als Erster Consul der Französischen Republik Auskunft darüber gab, welche Bedeutung er sich selber zumesse. Im Fructidor An IX (August-September 1801) bei Stanislas de Girardin in Ermenonville unweit von Paris gelegen zu Besuch weilend, besichtigte er das im Schlosspark gelegene Grab, in dem Jean-Jacques Rousseau nach seinem Tod 1778 beigesetzt worden war. Beim Anblick dieses nach dem Vorbild eines griechischen Tempels gestalteten Monuments bemerkte er zu seinem Gastgeber: «Für die Ruhe Frankreichs wäre es weitaus besser gewesen, wenn es diesen Mann nicht gegeben hätte. – Und warum, Bürger Consul? – Er ist es gewesen, der die Französische Revolution vorbereitet hat. – Ich glaube, Bürger Consul, dass Sie keine Veranlassung haben, sich über die Revolution zu beklagen. – Eh bien, die Zukunft wird Aufschluss geben, ob es für die Ruhe der Welt nicht besser gewesen wäre, wenn es weder Rousseau noch mich gegeben hätte.» (Journal et souvenirs, discours et opinions de Stanislas Girardin, Paris 1828, III, 190)

I. Der Aufstieg

Korsika

Korsika diente der europäischen Aufklärung als Projektionsfläche für gesellschaftspolitische Entwürfe. Den Anstoß dazu hatte Rousseau mit dem «Contrat Social» 1762 gegeben, in dem er die Insel als das einzige Land in Europa charakterisierte, das ideale Voraussetzungen für einen aus freien Stücken geschlossenen Gesellschaftsvertrag biete. Der Beweis sei die Hartnäckigkeit, mit der sich die Korsen für ihre Freiheit einsetzten.

Rousseau bezog sich damit auf die seit dem Mittelalter andauernden Kämpfe, mit denen sich die Inselbewohner der Republik Genua zu erwehren suchten. Das war seit je das Schicksal Korsikas, aber keinem Angreifer gelang es, sich die Insel zu unterwerfen und deren archaische Gesellschaftsordnung zu «normalisieren». Die verdankte ihre Stabilität dem Umstand, dass der Boden überwiegend Gemeindeeigentum der Dörfer war. Der Versuch der Genuesen, diese Allmende in Privateigentum umzuwandeln, provozierte 1729 den korsischen Aufstand, der die genuesische Herrschaft auf einige Küstenorte beschränkte. 1735 verabschiedete eine korsische Repräsentativversammlung eine erste geschriebene Verfassung, die 1755 vom korsischen Nationalhelden Pasquale Paoli nach den Maßgaben Montesquieus revidiert wurde. Korsika erhielt damit als erstes Land überhaupt eine repräsentativ verfasste Regierung, die Gewaltenteilung, persönliche Freiheit, gesetzliche Gleichheit garantierte.

Das war eine Verheißung, an der sich die Korsikabegeisterung der Aufklärung umso mehr entzündete, als diese dem Trugbild unterlag, die Korsen lebten in der Unschuld des Naturzustands. Die erbitterten Vendettas wurden dabei ebenso ausgeblendet wie die abergläubische Ignoranz der Insulaner. Der falsche Zauber war jedoch schon längst geschwunden, als die Franzosen 1768 begannen, die Herrschaft über die Insel zu erobern. Das gelang ihnen mit der Schlacht von Ponte-Novo am 8. Mai 1769, als einige der korsischen Familienclans zu ihnen überliefen. Dazu gehörte auch der Clan von Carlo Bonaparte, dem die Kollaboration mit dem Sieger die beste Gewähr zu bieten versprach, die eigene Machtstellung in Ajaccio zu festigen. Diese Rechnung ging auf, denn bereits im September 1771 wurde Carlo Bonapartes Anspruch auf den Grafentitel anerkannt, was ihm ein Mandat als Abgeordneter der Adelsvertretung in der korsischen Ständeversammlung verschaffte.

Der Seitenwechsel festigte die Stellung der Bonapartes in der korsischen Gesellschaft. Dazu gehörte, dass die beiden ältesten Söhne Joseph (*7. Januar 1768) und Napoleon (*15. August 1769) in den vergleichsweise selten gewährten Genuss königlicher Stipendien für den Schulbesuch in Frankreich gelangten. Von Mitte Mai 1779 bis zum 30. Oktober 1784 bezog Napoleon die Militärschule von Brienne-le-Château in der Champagne. Dank seiner hier erworbenen mathematischen Kenntnisse wurde er im Oktober 1784 zum Kadetten für die königliche École militaire von Paris bestimmt. Hier bewies er erneut seine mathematische Begabung, so dass er schon im September 1785 die Abschlussprüfung bestand und im Rang eines Unterleutnants zum La Fère-Artillerieregiment nach Valence kommandiert wurde.

Napoleons zügige Karriere steht in einem deutlichen Kontrast zur Dauer des von ihm tatsächlich geleisteten Militärdiensts, denn alles in allem war er zwischen 1786 und 1793 nur zwei Jahre und neun Monate beim Regiment. Die übrige Zeit, fünf Jahre und neun Monate, verbrachte er mit besoldetem Müßiggang auf Korsika.

Darin verrät sich die Anhänglichkeit, die Napoleon für die Insel hegte. Auch hatte er sich in Brienne oder Paris immer in Erinnerungen an Korsika geflüchtet. Das ließ ihn sich in eine Leidenschaft hineinsteigern, die alles Französische ablehnte, alles Korsische hingegen verehrte. Bewunderung zollte er insbesondere dem nach antiken Vorbildern idealisierten Paoli. Damit öffnete sich ein innerer Zwiespalt, der mit dem Ausbruch der Französischen Revolution vergrößert wurde, der auch die korsische Frage erneut aufwarf.

Einen ersten Anstoß bot am 30. November 1789 die Aufhebung des Besatzungsstatuts für Korsika. Damit unterlagen die Bewohner der Insel derselben Verfassungsnorm wie alle anderen Franzosen. Gleichzeitig wurde eine Amnestie erlassen, dank der Paoli im April 1790 als gefeierter Freiheitsheld aus dem Exil zurückkehrte. Sein Eintreffen fiel mit dem großen Umbruch in der Verwaltungsorganisation des Landes zusammen, die von der Nationalversammlung im Dezember 1789 beschlossen worden war: die Ersetzung der bislang strikten Zentralisierung Frankreichs durch Einführung dezentraler Strukturen, die eine hierarchische Verwaltungsgliederung vorsahen. Frankreich wurde in 83 Verwaltungsbezirke, die Departements, unterteilt, von denen Korsika eines darstellte. Die Departements wurden jeweils wieder in Distrikte und Gemeinden untergliedert, die für Korsika neun respektive sechs dieser nachrangigen Verwaltungseinheiten vorsahen, von denen jede als Leitungsorgan eine gewählte Versammlung erhielt, deren Beschlüsse durch ebenfalls gewählte Funktionäre ausgeführt wurden. Auch die Positionen von Richtern sowie die Offizierschargen der Nationalgarden wurden durch Wahlen besetzt.

Vor dem Hintergrund der ausgeprägten Clanstrukturen, die das gesellschaftliche Miteinander auf Korsika seit Jahrhunderten prägten, war diese Verwaltungsreform nichts weniger als eine Revolution, die mit einer Neuaufteilung von Macht und Einfluss verknüpft war. Jeder erfolgreiche Bewerber für eines der Ämter versprach das Prestige des eigenen Clans zu mehren. Nach korsischer Sitte waren die Wahlen also begleitet von erbitterten Machtkämpfen, die nicht nur mit Lügen und Versprechungen, sondern auch mit manifesten Drohungen für Leib und Leben der Mitbewerber bestritten wurden.

Ein weiterer Aspekt dieser «Verwaltungsrevolution» war es, dass Hoffnungen auf eine korsische Selbstverwaltung geweckt wurden. Das kam vor allem dem Ansehen Paolis zugute, der seit seiner triumphalen Rückkehr aus dem Londoner Exil als Prinzipal des korsischen «Bauerntheaters» fungierte. In dieser Rolle sah er sich durch seine Bestallung als königlicher Gouverneur der Insel und Oberbefehlshaber der korsischen Nationalgarde auch offiziell bestätigt. Paoli avancierte damit erneut zur Führungsfigur der Korsen, um deren Gunst alle Familienclans der Insel buhlten.

Das befeuerte auch den Ehrgeiz Napoleons, seinem Idol Paoli näherzukommen. Im April 1792 setzte er alles daran, als einer von vier Mitbewerbern zum stellvertretenden Bataillonskommandeur der Nationalgarde von Ajaccio gewählt zu werden. Diesen Erfolg verdankte er besonders ruchlosen Methoden, um seinen schärfsten Konkurrenten Mathieu Pozzo di Borgo aus dem Rennen zu werfen. Napoleons Triumph erwies sich jedoch rasch als trügerisch, denn er besiegelte den Bruch und die Todfeindschaft zwischen den Clans der Bonaparte und der Pozzo di Borgo, die bislang einvernehmlich die Geschicke der Gesellschaft von Ajaccio bestimmt hatten.

Die Folge dieses Zerwürfnisses war, dass Joseph Bonaparte stets von dem rund fünf Jahre älteren Charles André Pozzo di Borgo der Rang abgelaufen wurde. Paoli war aber gerissen genug, dafür zu sorgen, den Bonaparte-Clan nicht völlig vor den Kopf zu stoßen, weshalb Joseph 1791 in den Conseil Général der Insel gewählt wurde und auch einen der vier Sitze im Direktorium des Departement erhielt, der ihm zuvor noch verwehrt worden war. Ein Jahr später war es allerdings auch mit dieser Rücksichtnahme vorbei, denn bei den Wahlen zum Konvent im Oktober 1792 war Joseph erneut durchgefallen, was sich diesmal die Anhänger Paolis zu Nutze machten, um ihn auch aus dem Direktorium des Departements zu verdrängen.