Nett sein und trotzdem gewinnen - Michael Dell - E-Book

Nett sein und trotzdem gewinnen E-Book

Michael Dell

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Beschreibung

Das Leben eines Gründers und die Schicksalsjahre seines Technologiekonzerns Im Badezimmer seines Studentenwohnheims legte Michael Dell den Grundstein für Dell Technologies Inc., eines der größten Technologieunternehmen der USA. Er schuf einen Weltkonzern aus dem Nichts, um den er oft kämpfen musste: bei der Gründung, dem Erhalt und 30 Jahre später, auf dem Höhepunkt seines Erfolgs, um das Überleben seines PC-Unternehmens in einer sich immer schneller transformierenden Branche. Michael Dell berichtet ehrlich und oft mit einer Prise Humor von den Höhen und Tiefen seines Wegs zum Erfolg, vom Aufstieg seines Unternehmens und seiner persönlichen Entwicklung vom Gründer zu der Führungskraft, die das Unternehmen in der Krise so dringend brauchte. Er zeigt: Letztlich geht es immer um die Menschen und ihr Potenzial.

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Seitenzahl: 513

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Michael Dell

Nett sein und trotzdem gewinnen

Übersetzung aus dem Englischen von Jordan Wegberg

»Das ist ein Buch für Gründer, Unternehmer und Träumer!«SATYA NADELLA

Michael Dell

Nett sein und trotzdem gewinnen

Mein Weg vom Gründer zum CEO

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2022

© 2022 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Türkenstraße 89

D-80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

© der Originalausgabe by Michael Dell

Die englische Originalausgabe erschien 2021 bei Portfolio, einem Imprint der Penguin Publishing Group, einer Abteilung von Penguin Random House LLC unter dem Titel Play nice but win.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Jordan Wegberg

Redaktion: Marijke Leege-Topp

Umschlaggestaltung: Marc Fischer

Umschlagabbildung: Dustin Cohen

Satz: ZeroSoft, Timisoara

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

eBook by tool-e-byte

ISBN Print 978-3-86881-869-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96267-379-6

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96267-380-2

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Für Mama, die mir beigebracht hat, stets neugierig zu sein.Für Papa, den Gründer des Gründers.Und für Susan, auf immer und ewig die Liebe meines Lebens.

Eine Firma ist ein lebender Organismus; sie muss sich immer wieder häuten. Methoden müssen sich verändern. Der Fokus muss sich verändern. Werte müssen sich verändern. Die Gesamtsumme dieser Veränderungen ist Transformation.

Andy Grove

INHALT

Stimmen zum Buch

Teil 1: Abschied von der Börse

1 Gegenwind

2 Andere Orte

3 Börsenausstieg

4 Start me up

5 Mr. Denali

6 Ein junger Mann in Eile

7 Das Ende ist nahe?

8 Auf und davon

9 Erlösung

Teil 2: Zurück an die Börse

10 Wachstum und andere Gefahren

11 Körper und Seele

12 Project Emerald

13 Harry You und der Gedankenblitz

14 Zettabytes und Moonshots

Danksagung

Über den Autor

Anhang

Stimmen zum Buch

»In diesem äußerst offenherzigen Buch voller aufschlussreicher Geschichten zeigt Michael Dell, wie eng seine persönliche Entwicklung an den Aufbau des Unternehmens geknüpft war, das er in seinem College-Wohnheim gegründet hat. Es ist eine rasante Erzählung darüber, wie ein Unternehmen an die Börse geht, privatisiert wird und schließlich wieder an die Börse geht, in ständigem Kampf gegen schillernde Persönlichkeiten wie Carl Icahn. Dell bietet nicht nur eine Fülle von geschäftlichen Einblicken, sondern etwas noch Wichtigeres: Er zeigt, wie entscheidend Neugier und Wertvorstellungen sowohl für den persönlichen als auch für den unternehmerischen Erfolg sind. Das ist eine Lektion, die er von seinen starken Eltern gelernt hat und mit seiner Frau in der gemeinsamen Arbeit für ihre Stiftung teilt, die Kindern bessere Chancen gibt. Das Ergebnis ist ein spannendes, erkenntnisreiches und wertvolles Buch.«

Walter Isaacson, Autor des Bestsellers The Code Breaker

»Michael Dell führt uns in die reale Welt des Aufbaus und der Verwandlung eines Imperiums, und er beschreibt Gespräche und Verhandlungen mit zentralen Playern so lebendig, dass man das Gesamtbild erkennen kann. Ein tolles Geschenk für alle, die sich auf demselben Weg befinden.«

Ray Dalio, Gründer von Bridgewater Associates und Autor von Principles: Life and Work

»Nett sein und trotzdem gewinnen ist genau richtig. Ausnahme-Unternehmer wie Michael Dell haben die Welt unter großem Druck, aber auch mit großem Erfolg verändert. Michael sagt uns in diesem ehrfurchtgebietenden Narrativ des Notwendigen, wie man erfolgreich sein und seinen Werten treu bleiben kann.«

Eric Schmidt, Mitgründer von Schmidt Futures und früherer CEO und Vorstandsmitglied von Google

»Michael Dell ist ein Ausnahme-Leader, der seine Firma durch das Gleichgewicht von innovativer Strategie und konsistenten Werten auf einen langfristigen Erfolgskurs gebracht hat. In Nett sein und trotzdem gewinnen erinnert er uns daran, dass Mut und Überzeugung die Schlüssel zum transformativen Wandel in jeder Organisation sind.«

Indra Nooyi, früheres Vorstandsmitglied und CEO von PepsiCo und Autorin von My Life in Full

»Viele haben tolle Geschäftsideen. Entrepreneure ziehen sie durch. Das ist die Geschichte von Michael Dell, dessen Buch uns mitnimmt auf eine fesselnde Reise vom Wohnheim der University of Texas zur Vorstandsetage einer der weltweit größten Technologiefirmen. Es ist eine Geschichte über Weitblick und Beharrlichkeit, die jeder angehende Entrepreneur lesen sollte.«

Sir Richard Branson

»Das ist Dell direkt. Mit erkenntnisreicher Offenheit und Humor erzählt Michael Dell seine Geschichte, die seines Kultunternehmens und des Mutes, der notwendig ist, um in der weiterhin wachsenden Technologiebranche zu bestehen. Dies ist ein Buch für Entrepreneure, Führungskräfte und Träumer.«

Satya Nadella, CEO von Microsoft

»Michael Dells Weg ist Teil der historischen Struktur des amerikanischen Business. Seine Geschichte zahlreicher Transformationen im Laufe der Jahrzehnte bietet Erkenntnisse für Führungskräfte auf jeder Ebene, vom Entrepreneur bis zum CEO.«

Howard Schultz, Mitgründer der Schultz Family Foundation, ehemaliges Vorstandsmitglied und CEO von Starbucks

»Mit seltener Freimütigkeit und Erkenntnis erzählt Michael von seinem unglaublichen Weg als Gründer und CEO eines der ikonenhaftesten und meistbewunderten Technologieunternehmen. Es ist die ungeschminkte Geschichte von einem der größten Entrepreneure der Welt, einem Visionär mit beispielloser Entschlossenheit und Hingabe, der durch Mitgefühl und Integrität führt.«

Marc Benioff, Vorstandsvorsitzender und CEO von Salesforce

»Wie Michael Dell gern sagt: Leben heißt, einen Schlag einstecken, zu Boden gehen, wieder aufstehen und weiterkämpfen. Nett sein und trotzdem gewinnen ist ebenso sehr eine Geschichte über Resilienz wie über das Business. Michael spricht offen über die Rückschläge und Herausforderungen, mit denen er in seinem Privatleben und in seiner Karriere konfrontiert wurde. Die Lektionen, die er dadurch gelernt hat, sind wichtig für jeden, der eine Führungsposition anstrebt.«

Sheryl Sandberg, COO von Meta Platforms und Autorin von Lean In und Option B

»Nett sein und trotzdem gewinnen ist ein autobiografischer Thriller, und Michael Dell ist der Gangster-Held – niemals auf der Suche nach einer Auseinandersetzung, aber wenn er dann mal in eine verwickelt ist, genießt er sie. Indem er Tyrannen, Übernahmen und Sackgassen austrickst, kann Michael unermüdlich das Produkt schützen, transformieren und erweitern, an dem er als Teenager herumgebastelt und aus dem er das multinationale Unternehmen entwickelt hat, das Dell heute ist. Michael gewinnt fortgesetzt, nicht indem er Schlupflöcher ausfindig macht, sondern immer, indem er die Regeln zu seinem Vorteil nutzt. Nett sein und trotzdem gewinnen ist ein Zaubertrick und die abenteuerliche Reise eines Umhang tragenden Kreuzritters.«

Matthew McConaughey, Oscar-Preisträger und Autor des Bestsellers Greenlights

»Nett sein und trotzdem gewinnen gehört auf die Liste der großen Memoiren des digitalen Zeitalters. Der stillste der Entrepreneure, die das moderne Computerbusiness begründet haben, erzählt endlich seine Geschichte.«

Malcolm Gladwell, Moderator des Podcasts Revisionist History

»Dies ist die Saga, wie einer der großen Gründer unserer Zeit sein Unternehmen schuf, erweiterte, zurückeroberte und verjüngte. Michael Dells Unternehmergeist ist ansteckend und seine Hintergrundstorys sind voller wichtiger Lektionen über Führung, Zusammenarbeit, Wettbewerb und Innovation.«

Adam Grant, Autor des Nr.-1-Bestsellers der New York Times Think Again und Moderator des TED-Podcasts Work Life

»In seinem neuen Buch Nett sein und trotzdem gewinnen zeichnet Michael Dell ein beeindruckendes Porträt seines Lebens – die frühen Jahre, die Hindernisse und Herausforderungen, die Erfolge und Triumphe. Das gedankenvolle und erkenntnisreiche Buch gibt einen Einblick, was nötig ist, um ein guter Leader zu werden – und, was noch wichtiger ist, ein guter Mensch.«

Jamie Dimon, Vorstandsmitglied und CEO von JP Morgan Chase

»Dieses Buch gewährt unglaubliche Einblicke in das wahre Leben eines Gründers und in die schwierige Arbeit, ein Unternehmen zum Wachstum zu führen. Michael Dell ist nicht nur Innovator, sondern auch Führungskraft, und in Nett sein und trotzdem gewinnen zeigt er, was wirklich nötig ist, um die Zukunft aufzubauen.«

Marc Andreessen, Mitgründer von Netscape und Andreessen Horowitz

TEIL 1Abschied von der Börse

1Gegenwind

Ich saß mit Carl Icahn und seiner Frau an ihrem Abendbrottisch und aß Mrs. Icahns Hackbraten. Es war ein schöner Frühlingsabend, Mittwoch, der 29. Mai 2013, und Carl Icahn versuchte, mir meine Firma wegzunehmen.

Es war ein echt surrealer Moment, und das in mehreren Hinsichten.

Dieser Maiabend war ziemlich genau der Mittelpunkt eines neunmonatigen Dramas, in dem mir das Personal-Computer-Unternehmen, das ich 1984 im Erstsemester-Wohnheim an der Universität Texas gegründet hatte und das meinen Namen trug, mit dem zur Seite geneigten E und allem, fast entglitt – und sich dann für immer veränderte, während ich mich mit ihm veränderte.

Diese Geschichte möchte ich Ihnen gern erzählen, zusammen mit ein paar weiteren.

Das Jahr 2005 schien voller Verheißungen für Dell Inc. Abgesehen vom kurzen Aufleuchten des Dotcom-Booms fünf Jahre zuvor – einer Kurskorrektur, die nicht nur uns betraf, sondern Technologieunternehmen quer durch die Bank – erfreute Dell sich seit 20 Jahren eines praktisch ununterbrochenen Zuwachses der Umsätze, der Gewinne und des Cashflow. Im Januar 2005 lag unser Anteil an verkauften PCs bei robusten 18,2 Prozent. Im Februar bezeichnete Fortune uns als die beliebteste Firma Amerikas. »Dell floriert in einer Branche, die rein technisch gesehen möglicherweise im schlechtesten Zustand ist«, schrieben sie. »Seine Gewinne in diesem gebeutelten Business sind 2004 auf 15 Prozent hochgeschossen, ein Umstand, den Dell wie langweilige Routine aussehen lässt. Und jetzt ist es der erste PC-Hersteller, der den Titel des beliebtesten Unternehmens in Amerika trägt, seit der Original-,PC‘-Hersteller IBM sich 1986 ausgeloggt hat.«

Doch im September sah die Sache schon anders aus. Ganz anders. Obwohl unsere Gewinne im zweiten Quartal auf 28 Prozent gestiegen waren, lag der Gesamtumsatz einige Hundert Millionen Dollar unter den Erwartungen. Wir kämpften, schrieb die New York Times, »mit derselben Frage wie andere reife Technologieunternehmen, die mal zu den Überfliegern der Neunziger gehörten: Wie kann man die Umsätze steigern, wenn man bereits so groß ist?« Ein Bestandteil dieses Problems war die Tatsache, dass PCs und Laptops, die rund 60 Prozent unserer Verkäufe ausmachten, nicht mehr die sprudelnde Gewinnquelle früherer Zeiten waren. Da die Preise im Laufe des Jahres gesunken waren, mussten wir wesentlich mehr PCs verkaufen, um nur allein die Umsätze des Vorjahres zu erreichen.

In einem Interview mit der Times gab unser CEO Kevin Rollins sich selbst die Schuld für das Versäumnis. »Ehrlich gesagt ist es uns nicht gut gelungen, die Verkaufspreise im Griff zu behalten«, sagte er – besonders bei den Geräten, die direkt an den Endverbraucher verkauft wurden.

Ja, Sie haben richtig gelesen, das war kein Tippfehler. Kevin Rollins war in jenem Herbst CEO von Dell Inc., nicht ich. Ich hatte den Posten im Juli 2004 geräumt und Kevin hatte ihn übernommen – obwohl das nicht ganz das richtige Wort dafür ist. Ich blieb Vorsitzender und wir beide führten die Firma weiterhin gemeinsam, wie wir das schon seit zehn Jahren taten; mit Ausnahme unserer Titel änderte sich nicht viel.

Wenn also jemanden die Schuld an diesem Umsatzverlust traf, so trug ich sie mit. Doch Ende 2005 wurde schnell deutlich, dass die Rückgänge nichts Unübliches waren: Dell erhielt massiven Gegenwind. Zum einen wurden unsere Mitbewerber cleverer. Unternehmen wie Hewlett-Packard, Acer und Lenovo, die wir mit unserem Build-to-Order-Modell immer bezwungen hatten, waren in ihre Höhlen zurückgekehrt und hatten ausgetüftelt, wie sie viele unserer Lieferketten-Innovationen kopieren konnten. Unterdessen hatte das Build-to-Order selbst, das so effektiv die zahlreichen Kombinationen und Verknüpfungen von Desktop-Computern berücksichtigte, seine Vorteilsposition verloren, denn der Branchenschwerpunkt hatte sich von Desktops zu den weniger leicht modifizierbaren Notebooks verlagert. Die Kunden begannen sich mehr auf Dienstleistungen und Lösungen zu konzentrieren, weil ein Wertewandel vom grundlegenden Kundenprodukt, dem PC und den damit zusammenhängenden Peripheriegeräten, hin zu Software, Servern und Rechenzentren erfolgt war.

Wir brauchten ein bisschen länger, als uns lieb war, um das alles herauszufinden. Und dann gab es noch einen Dell-Vorteil, der sich allmählich in einen Nachteil verwandelte: Einige Jahre lang hatten wir dem Gewinn Vorrang gegenüber Wachstum und Aktienkursen eingeräumt, doch der Erfolg eines Unternehmens ist immer ein Gleichgewicht zwischen allen dreien. In den 2000er-Jahren waren unsere Gewinne stark, doch nun brachen unsere Aktienwerte weg. Und das kann eine heikle Angelegenheit sein.

Wir mussten neue Kapazitäten aufbauen, wir mussten in neue Geschäftsfelder investieren und wir mussten rasch handeln.

Im Jahr 2007 kehrte ich als CEO zurück – sowohl ein symbolischer als auch ein praktischer Akt – und wir starteten eine große Fusions- und Übernahmeinitiative, die mit dem Kauf des Datenspeicherunternehmens Equal Logic für 1,4 Milliarden Dollar begann. Die Finanzkrise von 2008 durchkreuzte unsere Pläne vorübergehend, aber im darauffolgenden Jahr setzten wir das Programm wieder in Gang und kauften Perot Systems (für 3,9 Milliarden Dollar). 2010 legten wir richtig los, erwarben Datenspeicherungs-, Systemmanagement-, Cloud- und Softwareunternehmen wie Compellent, Boomi, Exanet, InSite One, KACE, Ocarina Networks und Scalent.

Zur Abrundung unserer Firmenkapazitäten kauften wir 2011 noch Secureworks, RNA Networks und Force10 Networks. Und 2012 nahmen wir weitere große Akquisitionen in Sachen Software und Sicherheit vor, darunter Quest Software, Sonic WALL und Credant Technologies. Das Steuerjahr 2012 bescherte Dell Umsätze, Einnahmen, ein Betriebsergebnis, einen Cashflow und Aktienerträge in nie da gewesener Höhe.

Vielleicht war das die Ruhe vor dem Sturm.

Doch unterdessen lief bei Dell keineswegs alles rund. Wir hatten erfolglos versucht, auf den Smartphone- und Tablet-Markt vorzustoßen. Wir hatten sogar etwas erfunden, das seinerzeit als »Phablet« bekannt war – ein fünf Zoll großes Android-Gerät namens Streak. Es erwies sich nicht gerade als Kassenschlager. (Im Übrigen ging ein Großteil des Gewinns an Google.)

Bis 2012 lagen die Einbußen beim PC-Verkauf im zweistelligen Bereich, unsere Aktienwerte fielen kontinuierlich weiter – bis zum Jahresende waren sie unter der schweren Last des Scheiterns von Windows 8 auf 10,5 Prozent gesunken –, und nun gingen auch die Gewinne zurück. Unsere Marktkapitalisierung war auf unter 20 Milliarden Dollar gefallen.

Ende 2012 schrumpfte unser Aktienkurs beinahe auf Pennystock-Niveau: weniger als neun Dollar, ein weiterer Sturz von dem 15- bis 17-Dollar-Niveau, das er von 2009 bis 2011 erzielt hatte. Die allgemeine Überzeugung, die im Internet ebenso wie bei CNBC und anderen Medienanstalten mit tausend Megafonen verkündet wurde, lautete, dass der PC dem Untergang geweiht sei und Dell deshalb ebenso.

Unsere Anteilseigner waren nicht glücklich, mich eingeschlossen.

Trotz unseres spektakulären Erfolgs der vergangenen Jahre – jeder, der gleich zu Anfang Dell-Aktien gekauft und daran festgehalten hatte, hatte seine Investition um 13 500 Prozent vervielfacht, das war 27-Mal so viel wie die 500 Prozent Ertrag des S&P 500 im selben Zeitraum – waren unsere Aktionäre besorgt über die Zukunft des Unternehmens. Dennoch genoss ich weiterhin ihre volle Unterstützung, im Juli 2012 wählten sie mich mit 96 Prozent der Stimmen erneut zum CEO und Vorstandsvorsitzenden von Dell.

Und ich versuchte, ihre Bedenken zu zerstreuen. »Wir sind wirklich kein PC-Unternehmen mehr«, sagte ich dem Fortune-Herausgeber Andy Serwer im Juli 2012 bei der Fortune-Brainstorm-Tech-Konferenz in Aspen. Aber Andy war nicht leicht zu überzeugen. »Ist es wirklich so, dass Sie kein PC-Unternehmen mehr sind, oder ist es eher so, dass Sie in Zukunft keines mehr sein wollen?«, fragte er mich.

Ich erinnerte ihn daran, dass wir während der letzten fünf Jahre einen maßgeblichen Geschäftswandel vollzogen hatten, hin zu End-to-End-IT-Lösungen: ein Komplettpaket für die Kunden, von Rechenzentren über Client-Systeme, Sicherheit, Softwaresystemmanagement, Datenspeicherung und Server bis zu den Netzwerken.

Ich sagte Andy, dass Dell jetzt tatsächlich in vier Geschäftsbereichen aktiv sei. Als Erstes kam das Client-Geschäft, das bei all den Vorgängen in Sachen Mobilität und Client-Virtualisierung einem Wandel unterlag, der wiederum neue Sicherheitsanforderungen mit sich brachte.

Dann waren da die Firmenrechenzentren. Ich erinnerte Andy daran, dass wir ein umfangreiches Datenspeicherungs- und Netzwerkgeschäft aufgebaut hatten, angetrieben von all jenen Akquisitionen – rund 25 in den letzten drei oder vier Jahren. Ich sagte für den Fall, dass jemand es vergessen hatte, dass ungefähr ein Drittel der Server in Nordamerika von Dell stammten. Cloud- und virtuelle Infrastrukturen waren äußerst bedeutsam für uns geworden.

Zudem gab es noch unseren Software-Geschäftsbereich, der sich um Systemmanagement und IT-Sicherheit drehte. Ich sagte, dass wir rund 29 Milliarden Sicherheitsereignisse täglich erlebten; wir schützten Werte im mehrstelligen Billionenbereich für die größten Banken und Finanzdienstleister der Welt.

Ich lenkte Andys Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass fast die Hälfte der 110 000 Beschäftigten bei Dell – nämlich 45 000 – in unserem vierten Geschäftsbereich tätig waren, den Dienstleistungen, mit denen wir Unternehmen dabei halfen, aus all jenen IT-Anforderungen Wert zu schöpfen.

»Wir stecken also mittendrin in einer der schwierigsten Herausforderungen«, sagte ich zu Andy. »Wie verbindet man ältere Anwendungen mit Cloud-Anwendungen? Wie sichert und modernisiert man IT-Umgebungen und bringt sie von Mainframes auf X86-Plattformen? Mit der Dell-Cloud lässt sich das effizienter erledigen.«

Dell war, so sagte ich voller Stolz, ein ganz anderes Unternehmen als noch vor vier oder fünf Jahren.

Andy sah etwas verwirrt aus. »Täusche ich mich oder haben Sie in Ihrem gesamten kleinen Monolog gerade PCs überhaupt nicht erwähnt?«

Selbst kluge Menschen schienen sich an diesem Thema festzuklammern.

Andy projizierte eine Umfrage an die Leinwand hinter uns: »Letztes Jahr machten Desktops und Laptops 54 Prozent der Umsätze von Dell aus, 2008 waren es noch 61 Prozent gewesen. Wie groß wird das PC-Geschäft von Dell in fünf Jahren sein?«

Mögliche Antworten waren: a) 50 bis 54 Prozent (ungefähr gleich viel wie heute), b) 40 bis 50 Prozent und c) 39 Prozent oder weniger. Weitaus die meisten Stimmen entfielen auf die letzte Option.

Die richtige Antwort lautete A.

Mit allem Respekt für seine Umfrage, sagte ich Andy, sei die Gegenüberstellung mit unseren anderen Geschäftsbereichen im Hinblick auf Umsatz und Gewinne der bessere Ansatz in Bezug auf die Frage nach unserem PC-Geschäft. Angenommen, man verkaufe PCs im Wert von einer Milliarde Dollar versus Software im Wert von einer Milliarde Dollar: Diese beiden Transaktionen hätten sehr unterschiedliche Merkmale in Bezug auf Cashflow und Marge. Das mache es so schwierig, Dell lediglich unter dem Umsatzaspekt zu betrachten. Unsere geschäftliche Mischung verändere sich fortwährend, wiederholte ich in der Hoffnung, dass die Botschaft nun ankam.

Ich glaubte leidenschaftlich an alles, was ich Andy in Aspen erzählt hatte. Und in den folgenden Tagen, Wochen und Monaten verbreitete die Business-Presse weiterhin das Narrativ, Dell sei gleich PC und der PC liege im Sterben.

Und unsere Aktien fielen weiter.

Ich gebe offen zu, dass es mich schmerzte, unsere Aktienpreise so abstürzen zu sehen. Das Unternehmen trug meinen Namen; nach meiner Familie bedeutete es mir alles. Doch mein weiseres Ich erkannte darin eine Chance für die Firma. Ich hatte 2010 ein großes Dell-Aktienpaket am freien Markt erworben im Vertrauen darauf, dass der Preis steigen würde. (Es gibt sehr strenge Regeln, wann und wie ein Insider wie ich unsere Aktien kaufen oder verkaufen kann: kurz, aber nicht zu kurz nachdem die Quartalsgewinne veröffentlicht worden sind. Überflüssig zu erwähnen, dass ich mich daran gehalten habe.) Doch es kam mir auch in den Sinn, dass unser Unternehmenswandel ohne die Tyrannei, die ständig tickende Uhr der Quartalsberichte fortgesetzt werden könnte, wenn ich – natürlich mit der Hilfe anderer – alle Aktien zurückkaufte. Der Rückzug von der Börse würde die Möglichkeit schaffen, das Unternehmenswachstum dramatisch zu beschleunigen und uns eine viel größere Wirksamkeit in der Welt verschaffen.

Denselben Gedanken hatten auch andere. Bei einer Sanford-Bernstein-Konferenz 2010 hatte mich ein Analyst namens Toni Sacconaghi gefragt, ob ich über eine Privatisierung des Unternehmens nachdächte.

»Ja«, sagte ich. Meine einsilbige Antwort hing in der Luft. Es gab Gekicher im Saal.

Sacconaghi lächelte. »Das ist knapper, als ich erwartet hatte«, sagte er. »Was wäre denn für Sie ein entscheidendes Ereignis, um das wesentlich ernsthafter in Betracht zu ziehen?«

»Kein Kommentar«, erwiderte ich und hatte das Gefühl, schon zu viel verraten zu haben. Ich lächelte zurück.

Zwei Jahre später, Ende Mai 2012 und damit anderthalb Monate vor der Aspen-Konferenz, hatte ich in unserer Hauptniederlassung im texanischen Round Rock ein Treffen mit einigen führenden Mitarbeitern von Southeastern Asset Management, einer Firma aus Memphis, die der zweitgrößte Anteilseigner (rund 130 Millionen Aktien) von Dell nach meiner Frau Susan und mir war. Diese Treffen fanden regelmäßig unmittelbar nach der Bekanntgabe der Quartalsergebnisse statt, aber dieses war anders, denn mitten in dem üblichen Palaver über Zahlen und Erwartungen teilte Staley Cates, der Chief Investment Officer von Southeastern, mir mit, er sei der Meinung, wir sollten uns von der Börse verabschieden.

»Können Sie mir das näher erläutern?«, bat ich.

»Ich melde mich bei Ihnen«, sagte Cates.

Das machte mich ehrlich gesagt nervös. Es war nicht die Idee der Privatisierung selbst, die mir Sorgen bereitete, sondern vielmehr die Tatsache, dass unser zweitgrößter Anteilseigner sie vorbrachte. Ich hatte keine Ahnung, worauf Cates hinauswollte. Offensichtlich wollte er den Wert seiner Aktien erhöhen, aber meinte er, dass ich ihn auskaufen sollte? Oder wollte er mir helfen, das Unternehmen von der Börse zu nehmen? Was meinte er? Ich ging hinüber auf die andere Seite des Gebäudes und sprach mit Larry Tu, unserem Justitiar, und Brian Gladden, unserem CFO. »Was machen wir jetzt?«, fragte ich.

»Frag ihn, wie das gehen soll«, sagte Brian. »Frag ihn, ob er ein Finanzmodell hat, das er uns vorlegen möchte.«

Ich fragte ihn also und Cates schickte mir eine einfache Tabelle, die seine Idee skizzierte. Ich leitete die Tabelle an Gladden weiter und Brian schickte sie einem ihm bekannten Banker bei einer der großen Investitionsbanken. Der Banker analysierte die Idee und sagte uns, sie tauge nichts. »Zu kompliziert, zu hohe Verschuldung; das läuft so nicht«, sagte er. »Vergessen Sie’s.«

Darum vergaßen wir es. Dann geschah etwas sehr Interessantes.

Als ich im Backstagebereich nach der Aspen-Fragerunde mein Mikrofon abnahm, kam ein Mann auf mich zu – einige Jahre jünger als ich und fit aussehend – und stellte sich vor. Sein Name sei Egon Durban, sagte er, und er arbeite für Silver Lake Partners. »Hey, ich würde mich gern mal mit Ihnen treffen wegen einer Idee von mir«, sagte er. »Ich habe ein Haus auf Hawaii ganz in der Nähe von Ihrem – können wir mal einen Termin ausmachen?«

Nun, ich werde ständig von Leuten angesprochen, und ich bin höflich, aber … ich werde ständig von Leuten angesprochen. Wenn dieser Egon Durban von einem Unternehmen gekommen wäre, von dem ich noch nie gehört hatte, hätte ich ihm gesagt: »Klar, rufen Sie in meinem Büro an«, und wir hätten nie miteinander gesprochen. Aber Silver Lake war eine große Privatkapitalgesellschaft mit ausgezeichneter Erfolgsbilanz und hervorragender technologischer Kompetenz (und ich hatte bei meinen Anfängen 1999 in ihren ersten Fonds investiert), deshalb gab ich Durban meine Mailadresse. Als ich mich über ihn informierte, fand ich heraus, dass er einer der vier Geschäftsführer von Silver Lake war.

Das war am 16. Juli 2012. Gegen Nachmittag mailte Durban mir und wiederholte seine Bitte, mich auf Hawaii zu treffen, und ich leitete die Mail an meine langjährige Assistentin Stephanie Durante weiter mit der Bitte, einen Termin für ein Treffen mit Egon Durban zu machen, am 10. August in einem Strandcafé in der Nähe meines Hauses auf Hawaii.

Ich hatte keine Ahnung, warum Durban mit mir sprechen wollte. Vielleicht wollte Silver Lake eins unserer Unternehmen kaufen? Oder uns eins der ihren verkaufen? Vielleicht wollten sie, dass ich in einen ihrer neuen Fonds investierte? Es konnte aber auch ein halbes Dutzend andere Gründe haben.

Der 10. August war ein Freitag, ein herrlicher Tag auf Hawaii – okay, auf Hawaii sind alle Tage herrlich. Aber ich war gerade besonders froh, dort zu sein. Ich witzele gern, dass meine texanische Heimatstadt Austin wie die FM-Skala am Radio ist: mit einer Bandbreite von 88 bis 108 Grad Fahrenheit (was ungefähr 31 bis 42 Grad Celsius entspricht). An diesem Morgen auf der Insel wehte eine kühle Brise vom Meer herüber; die Temperatur lag bei perfekten 26 Grad. Durban und ich hätten uns ins Café setzen und dort reden können, aber warum sollte man an so einem Tag drinnen sitzen? »Lassen Sie uns einen Spaziergang machen«, sagte ich. Beim Gehen kommen mir die besten Ideen und die Umgebung tat dem keinen Abbruch. Es gab einen Spazierweg, der an der Küste entlangführte; unten am Strand brachen sich die schaumigen Wellen, blaugrün und klar wie Glas.

»Also, worum geht’s?«, fragte ich Durban, nachdem wir losmarschiert waren.

»Wir haben uns Ihr Unternehmen angeschaut und wir meinen, Sie sollten über eine Privatisierung nachdenken«, erwiderte er.

»Ach!«, sagte ich. Als wäre dies das erste Mal, dass mir diese Idee begegnete. Tatsächlich hatte ich schon oft darüber nachgedacht – besonders als die weltweite Ersparnisschwemme, die auf die Dotcom-Blase von 2000 gefolgt war, für fallende Zinssätze gesorgt hatte, was immer von Vorteil ist, wenn man Geld für Akquisitionen leiht.

»Und wir glauben, wir könnten Ihnen dabei behilflich sein«, fuhr er fort.

Da bin ich aber neugierig, drückte meine Miene aus. Ich stellte mich naiv, weil ich einen Plan hatte, ich wollte, dass er mit der Sprache herausrückte. »Ach!«, sagte ich erneut. »Tatsächlich!«

»Tatsächlich«, bekräftigte er.

»Okay«, entgegnete ich. »Dann erzählen Sie mir mal, warum Sie das für eine gute Idee halten.«

Eine Stunde lang liefen und redeten wir. Es war eine Art sokratischer Dialog, bei dem ich eine Menge Fragen stellte, wie diese Idee funktionieren (und was schiefgehen) könne, und Egon klar und freimütig antwortete, jede Möglichkeit gründlich erwägend. Ich mochte ihn auf Anhieb. Er kam mir sehr klug, zielstrebig und kühn vor. Er wusste, warum er mit mir sprechen wollte; er war sehr von der Idee überzeugt, doch er versuchte nicht, mir irgendetwas aufzuschwatzen. Er sagte nicht: »Wir, Silver Lake, sind bereit, in diesen Deal einzusteigen.« Sie hatten eine Hypothese; Durban und ich erörterten sie.

Das Erste, was er sagte, beruhte auf dem Gespräch, das ich bei der Fortune-Brainstorm-Konferenz geführt hatte, sowie auf Recherchen, die sein Unternehmen ausschließlich unter Verwendung öffentlich verfügbarer Informationen vorgenommen hatte. Silver Lake war über die Transformationsstrategie von Dell völlig im Bilde. Sie begriffen, warum wir all diese Unternehmen aufgekauft hatten. Durban sagte, er und seine Partner hätten keine Minute daran geglaubt, dass der PC dem Untergang geweiht sei – sie waren der Meinung, Personal Computer und Peripheriegeräte würden weiterhin ein wichtiger Bestandteil unserer Einnahmen sein, selbst wenn wir das Geschäft in neue Richtungen ausweiteten. Und sie glaubten an diese neuen Richtungen.

»Insofern finden wir«, sagte Egon, »dass Dell massiv unterbewertet ist.«

»Da stimme ich zu«, sagte ich. Ich hätte noch weit mehr sagen können. Tatsache war, dass ich mich auf eine Art von den Aktionären im Stich gelassen fühlte nach allem, was wir in den letzten fünf Jahren getan hatten, um die Firma neu aufzustellen, und nach allem, was wir darüber geäußert hatten. Doch das war eine emotionale Reaktion und so behielt ich sie einstweilen für mich.

Und dann war da noch die Tatsache, fuhr Durban fort, dass Dell sehr viel liquide Mittel in seiner Bilanz aufwies. Ich war mir dessen natürlich durchaus bewusst und kannte auch die Nachteile. Andererseits ist es für Technologieunternehmen nicht günstig, sich hoch zu verschulden. Ein Nettobestand mit einer hohen Liquidität wird als das Richtige betrachtet, und genau den hatten wir.

Aus kapitalstruktureller Finanzperspektive jedoch wird der Marktwert eines Unternehmens mit starker Liquidität nicht so hoch angesetzt, weil er in gewisser Weise durch die Barmittel abgeschwächt wird. Barmittel werden nicht geschätzt. Kann man sie dagegen nutzen, um Aktien zurückzukaufen, werden diese Anteile wesentlich mehr geschätzt. Das ist allerdings risikobehaftet: Die Aktienkurse können fallen und zwar aus allen möglichen unvorhersehbaren Gründen. Doch wenn man ein Unternehmen hat, das sehr beständig eine Menge Cashflow hervorbringt, könnte sich ein Aktienrückkauf als ausgezeichnete Sache entpuppen.

Und ein Buyout, sagte Durban, könne sich sogar als ganz hervorragende Sache erweisen – besonders da die Dell-Aktien so einen historischen Tiefstand verzeichneten.

Und das Sahnehäubchen war, dass die Zinssätze zu diesem Zeitpunkt zufällig sehr niedrig waren. Die Ertragskraft von Dell würde die Bereitschaft der Banken steigern, uns Kredite einzuräumen – plötzlich sprach Durban über uns –, und die geringen Zinssätze würden die Kredite schmerzfrei machen.

Wenn es aber darum ging, sämtliche Aktien von Dell zurückzukaufen, dann sprachen wir über eine sehr große Summe – im Bereich von 25 Milliarden Dollar. Dennoch sei er sicher, sagte Egon, dass Silver Lake und ich und vielleicht ein paar weitere interessierte Parteien mit Leichtigkeit das benötigte Kapital aufbringen könnten, und der Rest lasse sich problemlos leihen. Eine fremdfinanzierte Übernahme sei vorzuziehen, weil alle Beteiligten dann sehr viel weniger Barmittel aufbringen müssten – und angesichts der Profitabilität von Dell die Schulden rasch zurückzahlen könnten.

Ich fragte ihn, wie hoch der Verschuldungsgrad seiner Meinung nach sein werde. Er nannte mir eine grobe Vorstellung. Und dann bekam ich eine Vorstellung von dem Ganzen. »Meine Güte, das ist eine riesige Transaktion. Haben Sie jemals etwas so Gewaltiges gemacht?«

Hätten sie nicht, erklärte Durban, aber sie seien absolut zuversichtlich, dass es gelingen könne. Ich war fasziniert, dass eine große Privatkapitalgesellschaft diesen Vorstoß unternahm. Sollte es einen Börsenrückzug geben, so würde er nicht von Investmentbankern ausgehen, das wusste ich; er würde von einer Firma wie Silver Lake ausgehen und von jemandem wie Egon Durban. Investmentbanker sind im Wesentlichen Vermittler. Privatkapitalgesellschaften wie Blackstone, Apollo, TPG, KKR und Silver Lake dagegen investieren ihr eigenes Geld. Durban sprach davon, eigenes Kapital von Silver Lake aufzuwenden – und zwar ziemlich viel davon –, und er wollte das tun, weil er glaubte, dass seine Firma daraus einen maßgeblichen Gewinn ziehen würde.

Das ist Kapitalismus in Reinkultur.

Alles, was Durban sagte, schien mir sinnvoll. Ich mochte ihn und ich mochte Silver Lake, und ich wusste instinktiv, dass die Zeit für einen großen Schritt gekommen war. Aber es stand enorm viel auf dem Spiel, zu viel, um etwas Unüberlegtes zu tun (oder zu sagen). Zu viel, um nicht alle möglichen Wege zu erforschen: Die Privatisierung war die letzte in Betracht zu ziehende Entscheidung. Ich glaube aber auch nicht, dass Egon eine impulsive Reaktion von mir erwartet hatte. Als ich ihm sagte, ich werde über seine Worte nachdenken und mich dann bei ihm melden, erklärte er mir, dass er dafür volles Verständnis habe. Wir schüttelten einander die Hand und gingen in verschiedene Richtungen davon, um den Rest dieses wunderbaren Tages zu genießen.

Ich hatte noch einen Nachbarn auf Hawaii und ich konnte sein Haus von meinem aus sehen: George Roberts, das »R« von KKR – Kohlberg Kravis Roberts, der weltweit tätigen Investmentfirma. George und sein Co-CEO Henry Kravis waren Cousins und gemeinsam aufgewachsen – und sie waren so etwas wie die grauen Eminenzen des Privatkapitalbusiness. Sie hatten die moderne Privatkapitalfirma mehr oder weniger erfunden und sie waren zwei der Pioniere des Leveraged-Buyout gewesen: zentrale Figuren der RJR-Nabisco-Übernahme, die als Vorlage für das Buch (und den Film) Barbarians at the Gate diente.

Ich ging zu George rüber und nahm meinen Laptop mit. Ich klappte den Rechner auf und zeigte ihm ein paar Fakten und Zahlen in Bezug auf Dell: nur öffentlich zugängliche Informationen, keine Prognosen oder geschützten Daten. »Glaubst du, dass wir auf dieser Grundlage der Börse den Rücken kehren könnten?«, fragte ich.

George ging die Zahlen durch und stellte ein paar Fragen. »Ja, das halte ich durchaus für möglich«, sagte er. »Und wir würden dir gern dabei helfen.«

Nun, das ist ja interessant, dachte ich. Jetzt habe ich also schon zwei Personen aus führenden Privatkapitalgesellschaften, die mir sagen, dass es nicht nur möglich, sondern sehr gut möglich sei. Und das sind bloß meine Nachbarn auf Hawaii! Ich habe noch nicht mal Kontakt zu irgendjemand anderem aufgenommen – nicht zu Steve Schwarzman bei Blackstone oder David Rubenstein von Carlyle oder David Bonderman bei TPG.

Aber als Allererstes, erkannte ich augenblicklich, musste ich mit Larry Tu reden.

Am 14. August flog ich nach Austin zurück und traf mich mit Larry, der mir mit ernster Miene mitteilte, wenn ich dabei sei, einen Börsenrückzug in Angriff zu nehmen, müsse einiges geschehen. Erstens müsse ich mich mit meinen eigenen Ratschlägen zurückhalten. Einem grundlegenden Prinzip folgend könne das Unternehmen mich nicht in einem Vorhaben repräsentieren, das den eigentlichen Kern von Dell als Konzern verändern könnte – einem Vorhaben, das der Vorstand oder die Anteilseigner von Dell oder beide befürworten mochten oder nicht.

Und zweitens müsse ich dem Vorstand natürlich mitteilen, was ich beabsichtigte. Sofort.

Was den ersten Punkt anging, so rief ich Marty Lipton an, den Gründungspartner der Anwaltskanzlei Wachtell, Lipton, Rosen & Katz und einen der weltweit führenden Experten für komplexe Unternehmenstransaktionen. »Was soll ich machen?«, fragte ich.

»Als Erstes müssen Sie mit dem Vorstand reden«, sagte Marty.

»Okay, verstanden.«

»Und dann müssen Sie sich bei allem, was Sie tun, ganz genau an die Vorgaben halten«, fuhr er fort. »Ich bringe Sie mit Steve Rosenblum hier in der Firma zusammen; er kennt diesen Prozess in- und auswendig.«

Anschließend rief ich Alex Mandl an – den Vorstandsvorsitzenden des niederländischen Digitalsicherheits-Giganten Gemalto und führendes unabhängiges Mitglied des Dell-Vorstands – und erzählte ihm von meiner Idee. Ich beschrieb Staley Cates’ Vorschlag vom Juni und meine Treffen mit Durban und Roberts. Ich sagte, ich sei noch in der Findungsphase: dass ich noch nicht entschieden hätte, ob ich weitermachen wolle, aber falls ja, würde ich mich gern mit jedem verbünden, der den bestmöglichen Deal für die Aktionäre anbieten könne. Ich sagte Alex, ich brauche Zugang zu bestimmten geschützten Unternehmensinformationen, um die Machbarkeit eines Börsenrückzugs von Dell zu untersuchen. Alex sagte, er müsse den Vorstand fragen.

Dann ging alles sehr schnell. Es wäre zu umständlich gewesen, alle zwölf Vorstandsmitglieder (mit mir) kurzfristig zu einem persönlichen Treffen zusammenzutrommeln, schließlich waren das Menschen, die überall in der Welt verteilt große Unternehmen leiteten. Deshalb traf sich der Vorstand am 17. August zu einer Telefonkonferenz, und nachdem ich nun gründlich von Steve Rosenblum vorbereitet worden war, teilte ich den Mitgliedern alles mit, was ich Alex gesagt hatte, und mehr:

Dass der fundamentale Grund für meinen Wunsch, ein Übernahmeangebot für die Firma zu prüfen, in meiner Überzeugung lag, dass Dell als privates Unternehmen besser geführt werden konnte, ohne den kurzfristigen Leistungsdruck der Börsennotierung und die anderen damit einhergehenden Nachteile. (Das Verändern und Weiterentwickeln eines Geschäfts – seine Transformation – ist ein ungewisser Prozess, zu dem finanzielle Schwankungen gehören. Und Aktionäre mögen keine Ungewissheiten und Schwankungen.)Dass ich separate Vorgespräche mit George Roberts von KKR und Egon Durban von Silver Lake geführt hatte. Nur auf der Grundlage öffentlicher Informationen, so sagte ich, sei jeder der beiden überzeugt, dass sich ein für das Unternehmen und seine Anteilseigner attraktives Angebot entwickeln lasse.Dass Staley Cates von Southeastern Asset Management (SEAM) außerdem in einer Unterhaltung vor einigen Wochen angedeutet hatte, Southeastern könne daran interessiert sein, mit mir gemeinsam ein Firmenübernahmeangebot zu prüfen.Dass ich weder mit Silver Lake noch mit KKR noch mit Southeastern irgendwelche Vereinbarungen getroffen hatte, dass ich mit allen einzeln gesprochen hatte, nicht gemeinsam, und dass keinerlei vertrauliche Informationen preisgegeben worden waren.Dass ich keinen Investmentbanker eingestellt hatte und den Vorstand gegebenenfalls vorher benachrichtigen würde.Dass ich Wachtell, Lipton, Rosen & Katz darum gebeten hatte, mir in dieser Angelegenheit als persönliche Berater zur Seite zu stehen.Dass ich ohne die Kenntnis und das Einverständnis des Vorstands keine weiteren Gespräche führen und Unternehmensinformationen verwenden würde, um die Möglichkeit eines Angebots zu prüfen.Dass mir bewusst war, dass jedwede Transaktion zu einem fairen Preis stattzufinden hatte und für die Aktionäre der höchstmögliche vernünftigerweise erzielbare Preis ausgehandelt werden musste – und dass dieser Preis letztlich einer Marktprüfung unterzogen würde.Dass ich mir darüber im Klaren war, dass jeder meiner Vorschläge von den unabhängigen Vorstandsmitgliedern oder einem Sonderausschuss unabhängiger Vorstandsmitglieder geprüft und verhandelt würde und ihrer Zustimmung bedurfte, dass jeder Prozess von den unabhängigen Vorstandsmitgliedern oder einem Sonderausschuss unabhängiger Vorstandsmitglieder entschieden wurde und dass die unabhängigen Vorstandsmitglieder oder ein Sonderausschuss unabhängiger Vorstandsmitglieder sich das Recht auf unabhängige Beratung und einen unabhängigen Banker vorbehielten.Dass mein nächster Schritt mit der Genehmigung des Vorstands sei, mit Beratern und potenziellen Partnern zusammenzuarbeiten, um die Möglichkeit eines Angebots zu prüfen.Dass Larry Tu den Vorstand in puncto Vertraulichkeit, Handelsverkehr und anderen rechtlichen Angelegenheiten beraten würde.

Alex erklärte, der Vorstand müsse darüber sprechen, und dies müssten sie in meiner Abwesenheit tun.

Ich verließ das Konferenzgespräch.

Nach dem Meeting rief Mandl mich an und sagte mir, der Vorstand sei darauf vorbereitet, die Möglichkeit eines Börsenrückzugs in Erwägung zu ziehen – oder die Möglichkeit einer strategischen Alternative, die Dell aus seiner Zwickmühle befreien könnte. Zu diesem Zweck würden sie befürworten, dass ich Gespräche über ein mögliches Börsenrückzugsangebot führte. Ich rief Egon Durban und George Roberts an und gab ihnen Bescheid. Einzeln. Keiner von beiden wusste, dass ich mit dem jeweils anderen gesprochen hatte.

Staley Cates rief ich nicht an.

Es gibt sehr konkrete Regeln, was Investoren und Firmeneigentümer tun dürfen und was nicht. Wenn ein Hauptinvestor irgendwohin geht und sagt: »Hm, vielleicht sollten wir dieses Unternehmen privatisieren«, tja, dann spricht er eben einfach mit sich selbst. Aber wenn ich als größter Dell-Shareholder und Southeastern als zweitgrößter Shareholder sich trafen und darüber sprachen, konnte dies als Gruppenbildung betrachtet werden und würde somit eine Einreichung bei der Börsenaufsichtsbehörde erfordern. Diese Einreichung wiederum wäre eine öffentliche Information und Nachrichten über den potenziellen Deal wären jedermann zugänglich. Wenn solche Dinge publik werden, ehe sie unterschrieben und bekannt gegeben sind, haben sie im Allgemeinen geringere Chancen auf Verwirklichung.

Weder Silver Lake noch KKR – beide Privatkapitalgesellschaften – besaßen Anteile an Dell Inc., einem börsennotierten Unternehmen.

Wir (damit meine ich an dieser Stelle nur mich und meine juristischen Mitarbeiter bei Wachtell Lipton) vereinbarten, dass wir Kontakt zu Southeastern aufnehmen würden, wenn wir den Punkt der Unterzeichnung und Bekanntgabe eines Börsenrückzugs erreicht hatten, um zu schauen, ob sie noch interessiert waren.

Am 20. August führte der Vorstand eine weitere Telefonkonferenz durch, an der ich nicht teilnahm. Während des Meetings bildete sich auf Empfehlung von Alex Mandl ein vierköpfiges Sonderkomitee, um alle Möglichkeiten für Dell in Erwägung zu ziehen. Das Komitee bestand aus Alex und drei weiteren unabhängigen Vorstandsmitgliedern: Laura Conigliaro, Leiterin des Fachdienstleistungsunternehmens Genpact, Janet Clark, CFO der Marathon Oil Corporation, und Ken Duberstein, ehemaliger Stabschef des Weißen Hauses während der Reagan-Ära.

Im Proxy Statement, das Dell letztlich bei der Börsenaufsichtsbehörde einreichen würde, stand: »Der Vorstand hat dem Sonderkomitee die umfassende und ausschließliche Vollmacht übertragen, 1.) jeden Vorschlag zur Übernahme des Unternehmens unter Beteiligung von Mr. Dell zu prüfen sowie alternative Angebote von Dritten zu erwägen, 2.) für das Sonderkomitee unabhängige Rechts- und Finanzberater hinzuzuziehen, 3.) dem Vorstand hinsichtlich solcher Transaktionsvorschläge Empfehlungen auszusprechen und 4.) andere potenzielle strategische Alternativen zu evaluieren, zu prüfen und zu berücksichtigen, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Der Vorstand hat beschlossen, keine Privatisierungstransaktion oder Alternative zu einer solchen Transaktion zu empfehlen, ohne eine vorherige zustimmende Empfehlung des Sonderkomitees einzuholen. In der Folge hat das Sonderkomitee Mr. Mandl als Vorsitzenden bestimmt.«

Am nächsten Tag, dem 21. August, kamen unsere Zahlen für das zweite Quartal des Steuerjahrs 2013 heraus (unser Steuerjahr endet am letzten Januartag, weshalb der Großteil des Steuerjahrs 2013 mit dem Kalenderjahr 2012 zusammenfiel). Die Zahlen waren nicht berauschend. Dells Umsatz im zweiten Quartal betrug 14,5 Milliarden Dollar, rund 300 Millionen Dollar weniger als Anfang Juli vorhergesagt und rund 800 Millionen Dollar weniger als Anfang Juni vorhergesagt. Daher senkten wir unsere Anteilsgewinnrichtlinie (ein schicker Begriff für Prognose) für die Erträge des Steuerjahrs 2013 von 2,13 auf 1,70 Dollar. Wir begründeten die gesunkenen Erwartungen mit dem unsicheren wirtschaftlichen Umfeld, der Wettbewerbsdynamik anderer Unternehmen und der rückläufigen Nachfrage im EUC-Geschäft – das sind die Geräte für den Endverbraucher wie Desktops, Laptops, Bildschirme und andere Peripherigeräte.

Sie können sich vorstellen, wie unser Aktienkurs darauf reagiert hat. (Interessanterweise hatten wir einen Tag nach dem Gewinnbericht unser regelmäßiges Quartalstreffen mit Southeastern Asset Management und Staley Cates erwähnte die Idee des Börsenausstiegs mit keinem Wort. Daran habe ich eine ganze Zeit lang herumgerätselt.)

Mittlerweile hielten sowohl der Vorstand als auch das Sonderkomitee Besprechungen hinter verschlossenen Türen ab. Und zwar eine Menge. Verschlossene Türen bedeutete zweierlei: Erstens hatte die Öffentlichkeit (einschließlich der Dell-Shareholder) keine Ahnung, dass sie stattfanden, und zweitens war die Tür auch für mich verschlossen. Kein Zutritt für den Gründer und CEO. Sie hätten genauso gut ein Schild an den Besprechungsraum hängen können: BLEIB DRAUßEN, MICHAEL. Ich wusste, dass all diese Meetings stattfanden, aber ich wusste weder wann noch was dabei vorging. Ich fragte mich bloß die ganze Zeit, was zum Teufel da passierte und warum alles so lange dauerte. Zwei große Privatkapitalgesellschaften standen in den Startlöchern, um diesen Deal mit mir durchzuziehen; ich war sicher, dass auch andere bereit wären. Wie kompliziert konnte das denn sein?

2Andere Orte

Anfangs war alles einfacher gewesen. Oder nicht? Vielleicht kommt es einem rückblickend immer so vor. In Wirklichkeit war mein in der Entstehung begriffenes Computerunternehmen im Herbst 1983 beinahe vorbei, bevor es überhaupt begonnen hatte – es war fast am Ende in meinem Erstsemester-Studentenzimmer, Dobie 2713, an der University of Texas in Austin. Oder genauer gesagt in einem Hotelzimmer im Hyatt Regency von Austin. Aber ich greife vor.

Zunächst ein paar Hintergrundinformationen. Ich bin ein stolzer gebürtiger Texaner, geboren und aufgewachsen in Houston. Meine ersten 14 Lebensjahre verbrachte ich mit meiner Familie – Mutter, Vater und meinen Brüdern Steven und Adam – in einem bescheidenen einstöckigen Haus auf der Grape Street 5619 in Meyerland, in einem stark jüdisch geprägten Viertel im Südwesten der Stadt. Nachdem meine Eltern etwas Geld verdient hatten, zogen wir 1979 in einen schickeren Stadtbezirk namens Memorial.

Meine Eltern Lorraine und Alex waren ehrgeizige Menschen. Sie waren in den Sechzigern von New York City nach Houston gezogen, weil mein Vater gehört hatte, dass die größte Stadt von Texas nicht nur vielfältig und gastfreundlich sei, sondern auch voller Chancen. Und das stimmte. Houston boomte. Wenn man damals in den sechziger Jahren als Arzt dort auftauchte, war die Reaktion mehr oder weniger: »Okay, wir borgen Ihnen Geld; hier ist Ihr Haus – und los geht’s.« Mein Vater arbeitete sehr viel, um seine Praxis in Gang zu bringen, und er ging klug dabei vor: Er entschied sich für Räumlichkeiten in einem Gebäude, das direkt neben der Synagoge Congregation Beth Yeshurun lag. Wer schiefe Zähne hatte und Jude war, kam mit größter Wahrscheinlichkeit zu meinem Vater, um sie sich richten zu lassen.

Neben meinem Vater hatten noch viele andere Gewerbetreibende ihre Büros in diesem Gebäude neben der Synagoge: unter anderem ein Zahnarzt, ein Versicherungsmann und ein Augenarzt, und viele davon waren ebenfalls Juden. Recht bald gelang es meinen Eltern, einen Großteil des Gebäudes zu kaufen und sie vermieteten die Räumlichkeiten an all diese anderen Leute. Nicht lange, nachdem mein Vater weitere Praxen in ganz Houston eröffnet hatte, wurde er zum wohl erfolgreichsten Kieferorthopäden der Stadt – hauptsächlich, weil er mehr arbeitete als alle anderen. Er nahm ständig Berechnungen vor, wo er seine Praxen einrichten sollte, welche Tage er in welcher verbrachte, wie er die Abläufe effizienter gestalten konnte. Konnte er in dieser Praxis einen anderen Stuhl einbauen? Brauchte er in jener eine andere Assistentin? War es sinnvoll, einen Juniorpartner mit einzubringen?

Inzwischen arbeitete seine Frau in Vollzeit als meine Mutter und die meiner Brüder und in Teilzeit für einen Immobilienmakler.

Ehrgeizige Leute.

Wenn meine Brüder und ich uns mit unseren Freunden zum Fußballspielen trafen, sagten meine Eltern immer: »Nett sein und trotzdem gewinnen.«

Meine Mutter war eine brillante Frau mit besonderen Fertigkeiten in Mathematik und Finanzwesen. Ich stelle mir gern vor, dass sie einen kleinen Teil ihres Talents und ihrer Neugierde an mich vererbt hat. Sie war tatsächlich das finanzielle Gehirn unserer Familie. Kurz nachdem sie und mein Vater nach Houston gekommen waren, begann sie, in Aktien und Immobilien zu investieren, und die Investitionen zahlten sich aus – so gut, dass sie, als ich in der Junior High School war, eine Effektenhändlerlizenz machte und Brokerin wurde, erst für E. F. Hutton, dann für Paine Webber.

Ich war der mittlere Sohn. Der zwei Jahre ältere Steven war der Kluge, strebsam und ernst. Er wurde ein sehr erfolgreicher Augenchirurg in Austin. Adam ist fünf Jahre jünger als ich und wurde eine Art Einzelkind, nachdem Steven und ich ausgezogen waren. Er war der Familienvermittler. Auch er ist äußerst intelligent und wurde ebenfalls sehr erfolgreich. Nach seinem Jurastudium befasste er sich mit Risikokapital, gründete ein, zwei Unternehmen und entwickelte dann vor ein paar Jahren eine App für die persönliche Finanzverwaltung, die von Goldman Sachs aufgekauft wurde. Er wurde in diesem Prozess zum Partner gemacht.

Eine kleine Geschichte über die drei Dell-Jungs. Es gibt eine fantastische Privatschule in Houston namens St. John’s mit sehr strengen Zulassungsbeschränkungen. Steven bewarb sich für die siebte Klasse am St. John’s und wurde angenommen. Adam ging dort in den Kindergarten. Ich bewarb mich für die vierte Klasse und wurde nicht angenommen. Eine Zeit lang war ich deshalb etwas verunsichert – ich weiß noch, wie ich dachte: Ich bin wohl nicht gut genug. Aber eigentlich machte es mir nicht so viel aus. Ich kümmerte mich einfach um meine Angelegenheiten.

Ich war ein lebhaftes Kind. Sehr lebhaft. Bei einem Probe-Abendessen für meine Hochzeit mit Susan hielt meine Mutter eine Rede, die mit den Worten begann: »Michaels Mutter zu sein war nicht leicht.« Sie lächelte dabei, und alle lachten, aber sie meinte es ernst. Sie erzählte gern die Geschichte, wie ich als Dreijähriger – ich habe keine Erinnerung daran, aber sie versichert, dass sie wahr ist – das Portemonnaie meines Vaters klaute und zum Lebensmittelladen ging, um Süßigkeiten zu kaufen. Das hätte ziemlich übel enden können. Aber stattdessen sah mich eine der Freundinnen meiner Mutter dort Süßigkeiten essen und fragte: »Wo ist denn deine Mama?«

»Weiß nicht«, sagte ich.

Also brachte sie mich nach Hause, aber mir war klar, dass ich etwas Böses getan hatte, deshalb vergrub ich das Portemonnaie im Garten. Der Gärtner fand es dort eine Woche später.

Mit sechs Jahren war ich einmal über irgendetwas total aufgeregt, rannte durchs ganze Haus und krachte mitten durch eine Fensterscheibe, wobei ich mir übel das Bein aufschnitt. Es war alles voller Blut. Ich weiß noch, dass ich meine Mutter fragte, ob ich jetzt Ärger bekäme. Papa war nicht zu Hause, deshalb fuhr ein Nachbar, der auch Arzt war, mich ins Krankenhaus, während Mama mit mir auf dem Rücksitz saß, mein Bein hielt und mir sagte, ich solle wach bleiben. Ich musste einen Monat lang mit dem Rollstuhl zur Schule fahren.

Noch eine Geschichte: Einmal saß ich vor 20 Jahren gerade in meinem Büro bei der Arbeit, als meine Assistentin hereinkam und sagte, eine Frau wolle mich sprechen, die behaupte, meine Lehrerin aus der ersten Klasse zu sein. Nun gab (und gibt) es leider eine Menge Trickbetrüger und Menschen von zweifelhaftem Ruf, die alles behaupten würden, nur um einen Termin zu bekommen – die große Mehrheit der Leute, die angeben, erst gestern mit mir gesprochen zu haben auf einem Kontinent, auf dem ich gar nicht war, sind einfach Schwätzer. (Übrigens, das funktioniert niemals.)

Jedenfalls bat ich meine Assistentin, die Frau nach ihrem Namen zu fragen. Sie kehrte zurück und sagte: »Mrs. Watson.« Das war tatsächlich der Name meiner Lehrerin in der ersten Klasse. Wir machten also einen Termin. Mrs. Watson fragte, ob sie eine Freundin mitbringen könne. Ich sagte, klar. Und so kam meine Grundschullehrerin, die jetzt in einer Seniorenwohnanlage in Austin lebte, mit einer ihrer Freundinnen in mein Büro. Sie waren beide um die 80. Während wir über alte Zeiten an der Woodland Hall School plauderten und ich nach über 30 Jahren wieder ihre Stimme hörte, konnte ich mich an nichts anderes erinnern als an: »Michael, setz dich hin! Michael, setz dich hin!« Ich brachte es nicht über mich, ihr das zu sagen.

Ich hatte eine unerschöpfliche Energie und war immer in alle Richtungen gleichzeitig unterwegs. Als ich in der zweiten oder dritten Klasse war, schickten meine Eltern mich zu Dr. Pesikoff, einen Kinderpsychiater. Ich weiß noch, dass ich mit ihm Tischkicker spielte und Puzzles legte. Später fragte ich Mama und Papa, warum sie mich dorthin geschickt hatten, und sie sagten, sie seien nicht recht schlau aus mir geworden. (Ich war zudem Stotterer; ungefähr zur gleichen Zeit schickte meine Mutter mich auch zu einem Logopäden.) Die Rückmeldung von Dr. Pesikoff lautete: »Der Junge ist gesund.« Er sorgte sich eher, dass meine Eltern mit meiner ganzen Neugierde nicht zurechtkamen.

Ich war extrem neugierig, vielleicht am meisten von allen Familienmitgliedern. Es war eine Eigenschaft, die meine Eltern wirklich bei uns allen bestärkten. Viele Unterfangen, für die andere Kinder womöglich bestraft worden wären, quittierten sie nur mit einem Lächeln. Meine Brüder und ich nahmen ständig alle möglichen Haushaltsgegenstände auseinander, um herauszufinden, wie sie funktionierten. Meine Spezialität war alles Elektronische – Telefone, Fernseher, Radios. Meist setzte ich sie anschließend wieder zusammen.

Meine Eltern interessierten sich nicht für Sport; wir saßen am Wochenende nicht herum, um uns Spiele anzusehen. Wenn meine Mutter und mein Vater sich unterhielten, war das kein Klatsch oder Geplauder. Sie diskutierten andauernd über wirtschaftliche Themen: Was machte die Federal Reserve? Wie verhielten sich der Ölpreis, die Zinssätze, die Wechselkurse und der Aktienmarkt? Wir hatten Forbes, Fortune und Barron’s zu Hause; wir guckten gern Louis Rukeysers Wall Street Week. Schon bevor meine Mutter als Aktienbrokerin zu arbeiten begann, besaß sie diese riesigen Value-Line-Bücher mit Seite um Seite Informationen über einzelne Firmen. Ich saugte das alles in mich auf.

Houston war in den siebziger Jahren eine florierende Stadt, überall wurden Neubauten errichtet. Wenn meine Familie und ich den Loop 610 entlangfuhren, schaute ich manchmal aus dem Fenster auf all die glänzenden neuen Gebäude mit Fahnenmasten davor und dachte mir, eines Tages würde ich auch ein Unternehmen leiten und draußen Fahnenmasten aufstellen lassen. Ich wusste zwar nicht, was für ein Unternehmen das wäre, aber von so etwas träumte ich.

Wie man sich vorstellen kann, war ich kein sportliches Kind. Ich sammelte Briefmarken und Baseballkarten; Hank Aaron war einer meiner frühen Helden, aber bald bestanden meine Helden eher aus Geschäftsleuten, besonders Unternehmern, die den Status quo infrage stellten und Firmen aus dem Nichts aufbauten – Leute wie Charles Schwab, Fred Smith (FedEx), Ted Turner und William McGowan (MCI). Ich las über sie in Business-Zeitschriften und verfolgte den kometenhaften Aufstieg ihrer Aktien.

Meine wahren Leidenschaften waren Business, Wissenschaften und Mathe. Eine meiner frühesten Erinnerungen ist meine Faszination für eine altmodische Victor-Rechenmaschine, die mein Vater besaß, so eine mit Handhebel. Ich liebte das satte metallische »Chink«, wenn man den Hebel drehte, und die Zahlenreihen, die sie auf ihre kleine Papierrolle druckte. Als ich in der dritten Klasse war, bekam ich einen elektronischen Taschenrechner von National Semiconductor, ein großer Schritt von der Victor. Ich war fasziniert von den komplizierten Problemen, die dieses kleine Gerät lösen konnte. In der Siebten war ich dann in einem Mathe-Leistungskurs und gut genug in diesem Fach, dass die Lehrerin, Mrs. Darby, mich in den exklusiven Number Sense Club einlud. Und bei einem der Clubtreffen im Klassenzimmer tauchte eines Tages ein neues Gerät auf: ein Computer-Fernschreiber-Terminal.

Eigentlich war das kein Computer – es hatte weder Festplatte noch Bildschirm, nur eine Tastatur. Aber die anderen Schüler im Club und ich entdeckten, dass man darauf mathematische Gleichungen oder sehr einfache Programme tippen und sie an irgendeinen Zentralrechner schicken konnte, und dann kam die Antwort zurück. Das war die coolste Sache, die ich je gesehen hatte.

Meistens fuhr ich mit dem Rad zur Schule. Auf halber Strecke lag der RadioShack. Dieses mittlerweile verschwundene landesweite Elektronikgeschäft bot eine kurze Zeit lang nicht nur Polizeiscanner, ferngesteuerte Modellflugzeuge und Helme mit Sirenen an, sondern baute und verkaufte auch mehr Personal Computer als jedes andere Unternehmen auf der Welt. Der TRS-80 war ihr Pioniergerät. Auf meinem Heimweg von der Schule hielt ich immer dort an, um mit ihrem Bildschirmmodell herumzuspielen. Ich blieb so lange, bis sie mich rauswarfen.

Es waren die Anfänge des Mikroprozessoren-Zeitalters und natürlich wollte ich unbedingt einen eigenen Computer haben. In Mrs. Darbys Kurs hatte ich von Byte gehört, dieser Zeitschrift über Mikrocomputer und Mikroprozessoren. Ich abonnierte sie, las jede Ausgabe von der ersten bis zur letzten Seite und fing dann wieder von vorne an. Einmal gab es einen Beitrag des Apple-Mitgründers Steve Wozniak über den bevorstehenden zweiten Eintritt der Firma in den Personal-Computer-Markt mit dem Apple II. »Für mich muss ein Personal Computer klein, zuverlässig, leicht bedienbar und preiswert sein«, schrieb Wozniak.

Er hatte meine volle Aufmerksamkeit.

Im nächsten Absatz folgte eine ausführliche technische Beschreibung des Apple II. Anders als der TRS-80 (und der Commodore PET 2001, der dritte große Mitspieler auf dem nagelneuen Personal-Computer-Markt) werde das neue Apple-Gerät einen Farbbildschirm haben. Und anders als der Apple I, fuhr Wozniak fort, verfüge der Apple II über »mehr Speicherkapazität, einen Read-only-Memory(ROM)-BASIC-Interpreter, Farbvideo- sowie Punkt- und Zeichengrafikdatenverarbeitung und eine erweiterte Systemsoftware.« Ganz zu schweigen von (optionalen) Spielkonsolen.

So einen musste ich haben.

Ich bettelte, flehte und bedrängte meine Eltern, mich einen kaufen zu lassen. Der Listenpreis lag bei heftigen 1298 Dollar – in heutigem Geld sind das rund 5000 Dollar –, aber das Schöne war (wie ich meine Mutter und meinen Vater erinnerte), dass ich ihn mit meinen eigenen Ersparnissen bezahlen konnte.

Wie konnte es sein, dass ein 13-Jähriger so viel Geld herumliegen hatte?

Unternehmerisches Denken war für meine Familie das tägliche Brot. Ich fand früh heraus, dass ich gern Geld verdiente: Ich fand es lustig! Also ging ich arbeiten. Frühzeitig. In den Sommerferien arbeitete ich, wenn ich nicht in einem Camp war, in der kieferorthopädischen Praxis meines Vaters. Ich sterilisierte die Instrumente und half dabei, die Räumlichkeiten für all die täglichen Patienten vorzubereiten. Es machte mir Freude, mit Papa zur Arbeit zu gehen und zu sehen, wie vielen Patienten er half: Einige Fälle waren echt schwierig. Seine Arbeit war extrem präzise – er ging sehr wissenschaftlich an seine Tätigkeit heran, machte Berechnungen, plante und prüfte, um sicherzustellen, dass jeder Patient die bestmöglichen Resultate erhielt.

Im Camp Ramah in Wisconsin (da war ich mit zehn und mit elf) entdeckte ich, dass die Camp-Bibliothek das Wall Street Journal abonniert hatte. Dort hielt ich mich gern auf und blätterte mich durch die Seiten des Journal, um die Preise der Aktien zu prüfen, in die ich investiert hatte, sowie die von Gold, Silber und Devisen, mit denen ich spekulierte.

Kein Witz.

Mit zwölf bekam ich einen Job im nahe gelegenen China-Restaurant »Four Seasons« (das in keinerlei Verbindung zur gleichnamigen Hotelkette steht). Ich begann als Tellerwäscher und stieg dann zum Wasserverteiler auf, der die Gläser der Gäste füllte. Offenbar war ich darin so gut, dass ich zum Assistenten des Oberkellners befördert wurde – sie steckten mich in einen schicken Anzug und ich platzierte die Gäste. Ich habe vergessen, wie viel ich dort verdiente, wahrscheinlich ein, zwei Dollar pro Stunde. Damals kam mir das wie eine Menge Geld vor.

Und dann wollte es eine Fügung des Schicksals, dass ich regelrecht abgeworben wurde von einem benachbarten mexikanischen Restaurant, »Los Tios«. Ich vermute, jemand aus dem »Los Tios« hatte eines Abends im »Four Seasons« gegessen und gedacht, dass ich mich beim Kellnern recht ordentlich anstellte. Sie boten mir einen höheren Stundenlohn und ich nahm an.

Einmal fuhr während meiner Schicht beim »Los Tios« ein Auto vor: die Einwanderungspolizei. Alle meine Kollegen machten sich aus dem Staub – sie hasteten schneller durch die Hintertür hinaus, als ich gucken konnte. Ich blieb als Einziger übrig. Die Polizisten kamen herein und ich sagte: »Guten Tag, meine Herren. Darf ich Ihnen einen Tisch anbieten?«

»Nein, wir wollen sehen, wer hier arbeitet«, sagten sie sehr ernst.

»Tja, jetzt gerade bin ich der Einzige«, erklärte ich ihnen.

Sie starrten mich an. »Wirklich? Du bist der Einzige, der hier arbeitet?« Einer von ihnen ging hinten nachschauen. Nichts.

»Ja, bloß ich«, sagte ich. »Was darf ich Ihnen bringen?« Wohlgemerkt, ich war zwölf.

In meinen Klamotten hing ein starker Geruch von meinen Restaurant-Jobs, wenn ich nach Hause kam. Manchmal ließ meine Mutter mich schon in der Einfahrt alles ausziehen, damit sie mich mit einem Schlauch abspritzen konnte, ehe ich ins Haus durfte.

Ich hatte auch einen Job in einem Münzen- und Schmuckgeschäft, wo ich die Preise von Goldmünzen aushandelte, die hier ge- und verkauft wurden: Der Inhaber gab mir einen Anteil von jedem Geschäftsvorgang. Und ich sammelte nicht nur Briefmarken, ich verkaufte auch welche, bei den Briefmarkenauktionen, die ich als Kind oft besuchte – bis ich erkannte, dass die Auktionatoren einen Anteil der Erträge einbehielten. Warum nicht den Vermittler weglassen?, dachte ich mir. Ich überredete einige meiner Freunde, mir ihre Briefmarken auf Kommission zu geben, und tippte dann auf einer Schreibmaschine mit einem Finger einen zwölfseitigen Katalog, der ihre und meine Marken aufführte. Dann schaltete ich eine Anzeige in Linn’s Stamp News mit dem Titel »Dells Briefmarken« und versandte fotokopierte Kataloge an jeden, der sich darauf meldete. Ich verkaufte haufenweise Marken und machte einen ziemlich guten Reibach.

Somit hatte ich einiges Geld angehäuft. Und schließlich gaben meine Eltern meinem Betteln und Flehen nach. Zu meinem 14. Geburtstag hatte ich die Erlaubnis, fast 1300 Dollar meiner hart verdienten Ersparnisse von der Bank zu nehmen und einen Apple II zu bestellen. Ich war vor Aufregung ganz aus dem Häuschen, während ich auf seine Ankunft wartete – die Tage fühlten sich wie Wochen an. Dann erhielt ich einen Anruf von UPS, dass der Computer angekommen sei, aber aus irgendeinem Grund in der örtlichen Verteilstelle festhing. Die Auslieferung würde noch etwas dauern, keiner sagte, wie lange genau. Das war nicht hinnehmbar. Ich brachte meinen Vater dazu, mich hinzufahren, um ihn abzuholen. Als wir zurückkehrten, hatte das Auto kaum in der Auffahrt gehalten, da sprang ich schon heraus, sorgfältig die kostbare Fracht tragend, schleppte sie in mein Zimmer, packte den wunderschönen Computer aus – er roch sogar herrlich – und nahm ihn augenblicklich auseinander, um zu sehen, wie er funktionierte.

Meine Eltern waren entsetzt. Und wütend. Aber – so dachte ich, ohne es laut zu sagen – wie konnte man denn etwas verstehen, wenn man es nicht auseinandernahm? Ob zusammengebaut oder zerlegt, der Apple II war etwas Wunderbares. Und eine der wunderbaren Sachen daran war seine offengelegte Bauweise: Jeder Schaltkreis hatte seinen eigenen besonderen Chip, sodass man mit diesen Schaltkreisen spielen und sie modifizieren konnte. Man konnte das BIOS umprogrammieren (das Basic Input/Output System: das Programm auf einem Chip im Motherboard, das alle anderen Geräte innerhalb des Computers steuerte) und aufrüsten.

Das ist irre, dachte ich. Ich kann meinen eigenen Computer programmieren.

Und da war noch mehr. Vor dem Internet-Zeitalter, vor Compu-Serve oder Prodigy oder AOL, gab es das sogenannte Computerized Bulletin Board System (CBBS): Mithilfe eines Hayes-Modems (einer damals nagelneuen Erfindung) konnte man sich einwählen und mit Menschen im ganzen Land kommunizieren – lernen und schwatzen und spielen. Das kam mir unheimlich verlockend vor, deshalb kaufte ich ein Modem und richtete selbst ein Bulletin Board ein. Aber es ging natürlich nicht, dass meine Mutter oder mein Vater ans Telefon gingen und statt des Freizeichens einen Modemton hörten, deshalb fand ich es absolut logisch, bei Southwestern Bell anzurufen und sie um die Installation eines zweiten Telefonanschlusses im Haus zu bitten.

Zu meinem Glück waren meine Eltern eher amüsiert als sauer.

Es sprach sich schnell herum, dass ich Ahnung von Computern hatte. Bald gab ich den Kindern der Nachbarschaft Nachhilfe darin, wie sie am meisten aus ihren Apple-II-Geräten herausholen konnten. Das wurde ein recht lukratives Nebengeschäft. Ich trat auch HAAUG bei, der Houston Area Apple User Group – Hunderte von Technik-Nerds, die sich ein-, zweimal im Monat in einer örtlichen Bibliothek trafen, um über Upgrades zu sprechen, mit Zubehörteilen zu handeln und Geschichten auszutauschen. Mit diesen Jungs (es waren fast nur Jungs) verbrachte ich viel Zeit und erhielt alle möglichen Anregungen, wie ich meinen Apple II modifizieren konnte. HAAUG versandte auch einen am Nadeldrucker erstellten monatlichen Newsletter mit wichtigen Informationen wie der folgenden:

Eins der preiswertesten (und von daher überraschend wenig bekannten) Zubehörteile für den APPLE II ist das Programmer’s Aid #1. Das PA#1 ist ein einzelner 2K-Byte-ROM-Chip, der in die D0-Steckbuchse des APPLE gesteckt wird. Er enthält eine »Bibliothek« von Programmen, die geübte BASIC-Nutzer häufig brauchen, auf die sie aber nicht immer leicht zugreifen können …

Ich ging total in der Sache auf. Bei den Gruppentreffen lernte ich einen Computertechniker um die 30 kennen, einen echt klugen, technisch begabten Burschen. Ich dachte: Okay, ich hefte mich mal an seine Fersen und schaue, was ich lernen kann.

Und gemeinsam brachten wir etwas echt Cooles hervor.

Damals arbeiteten Entwickler an Software für den Apple II. Das Problem war: Wenn sie eine Kopie der Software verkauft hatten, kopierte jeder sie und sie verdienten kein Geld daran. Man brauchte nichts weiter als zwei Floppy-Disk-Laufwerke: In eins schob man die Software und in das andere eine leere Diskette, dann gab man »Copy« in die Befehlszeile ein. Bildungsanbieter gehörten zu den schlimmsten Raubkopierern – sie waren der Meinung: Wir sind doch Bildungsanbieter, deshalb sollten wir wirklich nicht für die Software bezahlen müssen.

Mein Technikerfreund und ich erfanden also einen Kopierschutz. Jede Floppy-Disk hatte eine bestimmte Anzahl von Spuren – ich glaube, es waren 35. Wir fanden heraus, wie man die Software so programmieren konnte, dass sie einige Daten auf eine Halbspur schrieb, die sich zwischen den Spuren befand. Wenn man das Kopierprogramm ausführte, kopierte es nur die Daten, die auf den Spuren waren, nicht die dazwischen. Ergebnis: keine Kopie. Wir verkauften das einer Reihe von Firmen, die Lernsoftware anboten. Eine Zeit lang war das ein nettes kleines Geschäft und wir kamen gut klar.

Dann las ich, dass Steve Jobs nach Houston kommen sollte, um vor unserer Gruppe eine Rede zu halten.