Neuanfang in der verträumten Pension in Cornwall - Angelina Bach - E-Book
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Neuanfang in der verträumten Pension in Cornwall E-Book

Angelina Bach

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Beschreibung

Elena steht vor den Trümmern ihres Lebens: Ihr Verlobter hat sie am Tag der Hochzeit sitzen gelassen, und ihren Job hat sie auch verloren. Kurzerhand flieht sie zu ihrer Tante nach Cornwall, die in einem kleinen beschaulichen Ort eine Pension betreibt.

Zwischen der rauen Atlantikküste und dem entschleunigten Dorfleben versucht Elena einen neuen Sinn in ihrem Leben zu finden. Die Herzlichkeit der Dorfbewohner gibt ihr ein Gefühl von Heimat und Geborgenheit. Besonders Damian, dem Elena auffallend oft über den Weg läuft, lässt ihr Herz höherschlagen. Doch dann taucht ihr Ex-Verlobter eines Tages in Cornwall auf und bringt Elenas mühsam neu geordnetes Leben ordentlich ins Wanken ...

Der Charme der rauen Atlantikküste, englische Gemütlichkeit, und Figuren, die einem ans Herz wachsen: Dieser Roman ist Urlaub für die Seele! Und für alle, die beim Lesen Hunger bekommen, gibt es viele köstliche Rezepte zum Nachkochen - von »Scones mit Clotted Cream« über »Lavendel-Limonade« bis zu »Sunday Roast mit Yorkshire Pudding«.

»Neuanfang in der verträumten Pension in Cornwall« ist der Auftakt der Feel-Good-Reihe rund um ein gemütliches Dorf und seine schrulligen, aber herzlichen Bewohnern.

Alle 3 Bände der Reihe:

Neuanfang in der verträumten Pension in Cornwall
Herzklopfen in der zauberhaften Teestube in Cornwall
Glücksgefühle im wunderbaren Lädchen in Cornwall


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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber dieses BuchTitelWidmungKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Bessies wundervolle Scones mit Clotted CreamKapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Shepherd’s Pie nach dem Rezept von ElenaCrumble mit Pfirsichen à la DamianKapitel 10Englisches FrühstückBaked BeansKapitel 11Jos Sunday Roast mit Yorkshire PuddingEton MessKapitel 12Lavendellimonade aus Bessies CaféKapitel 13Sandwiches zum Picknick am StrandKapitel 14Club Sandwich à la RyanKapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Gin TonicKapitel 18Kapitel 19Bangers & Mash wie im Jamaica InnNachwortDanksagungÜber die AutorinWeitere Titel der AutorinImpressum

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Über dieses Buch

Elena steht vor den Trümmern ihres Lebens: Ihr Verlobter hat sie am Tag der Hochzeit sitzen gelassen, und ihren Job hat sie auch verloren. Kurzerhand flieht sie zu ihrer Tante nach Cornwall, die in einem kleinen beschaulichen Ort eine Pension betreibt. Zwischen der rauen Atlantikküste und dem entschleunigten Dorfleben versucht sie einen neuen Sinn in ihrem Leben zu finden. Die Herzlichkeit der Dorfbewohner gibt Elena ein Gefühl von Heimat und Geborgenheit. Besonders Damian, dem Elena auffallend oft über den Weg läuft, lässt ihr Herz höherschlagen. Doch dann taucht ihr Ex-Verlobter eines Tages in Cornwall auf und bringt Elenas mühsam neu geordnetes Leben ins Wanken … Kehrt sie zurück zu ihm oder ist ihr Platz in Cornwall bei Damian?

ANGELINA BACH

Für Krisi, Carola, Patricia,Lucia, Anneka und Inge.Für Tom, Thomas, Herbert,Frieder und Martinund für Elke & Timo

Kapitel 1

Als sie das Terminal am Flughafen London-Gatwick verließ, regnete es. Wie lange Fäden fielen die Regentropfen senkrecht zu Boden. Alles war grau in grau. Die Menschen hatten die Krägen hochgestellt und duckten sich unter ihre Schirme. Mehr England-Klischee ging echt nicht.

Sie würde die Zeit hier genießen, egal wie das Wetter sein würde. Elena straffte die Schultern. Drei Wochen bei Tante Jo an der Küste. Es würden ihre drei Wochen werden.

Doch schon wieder fühlte sie, wie die Tränen hochstiegen. Nein, sie würde jetzt nicht heulen. Sie hatte genug geheult. Genug für dieses und mindestens noch zwei weitere Leben. Energisch wischte sie sich über Augen und Nase. Wo Tante Jo nur blieb?

Sie hatte sie doch abholen wollen.

Jo, die eigentlich Johanna hieß, war die Schwester von Elenas Vater und schon in den 80er-Jahren nach Großbritannien ausgewandert.

Der Taxifahrer, dessen typischer schwarzer Wagen als erster in der Schlange wartender Taxis stand, öffnete ihr die Tür, doch Elena winkte ab. Irgendwann musste Jo ja kommen. Ein Stück abseits der Taxis setzte sie sich auf ihren Koffer.

Was für eine Scheiße, dachte sie, während sie einen Streifen Kaugummi aus ihrer Tasche kramte und auswickelte.

Eigentlich sollte sie jetzt auf einer griechischen Insel in der Sonne liegen, den Kopf voller fröhlicher Gedanken und einen Ring an ihrem Finger. Diese drei Wochen hätten ihre Flitterwochen sein sollen. Stattdessen saß sie nun ohne Ring, ohne Mann und ohne Sonnenschein an einer zugigen Ecke auf dem Londoner Flughafen und wartete auf ihre Tante, bei der sie sich kurzfristig einquartiert hatte, um ihre Wunden zu lecken.

Wie hatte es überhaupt so weit kommen können? Es war doch alles gut gelaufen. Bis vor zwei Wochen, als sich ihre Pläne und Vorstellung von ihrer Zukunft plötzlich in Rauch aufgelöst hatten.

Elena zog energisch die Nase hoch. Nein, sie würde nicht heulen. Sie würde nicht wieder heulen. Sie würde …

Die Tränen liefen ihr über die Wangen.

Scheißtag. Scheißmonat. Scheißleben …

»Mach doch einer, dass das aufhört«, murmelte sie. Sie wollte nicht so ein verheultes, verzweifeltes Häuflein Elend sein. Das war doch gar nicht mehr sie!

Ein Auto bremste mit quietschenden Reifen am Bordstein und ließ eine Fontäne Wasser vor Elenas Füße spritzen. Eh sie sich versah, war Elena in eine warme, weiche Wolke aus Schafswolle, Rosen und Lavendel gehüllt. Tante Jo stand vor ihr und umarmte ihre Nichte. Ein Hauch Rosenwasserduft blieb zurück, als sie sich wieder von ihr löste.

»Darling, schön, dass du da bist!«, sagte sie mit einem deutlichen britischen Akzent in ihrem Deutsch. Die Jahrzehnte als Auswanderin hatten ihre Spuren hinterlassen.

»Auch wenn der Anlass kein schöner ist«, ergänzte sie und lächelte Elena aufmunternd an. »Come on, gib mir deinen Koffer.«

Jo packte Elenas großen Reisekoffer und hievte ihn zum Kofferraum. Als ihr Gepäck in dem Mini verstaut war, stieg Elena auf der Beifahrerseite ein. Ein Schwall aufgeheizter Luft kam ihr entgegen. Sie kuschelte sich in den vorgewärmten Sitz und ließ die Nasskälte des Flughafenvorplatzes hinter sich.

Tante Jo steuerte den Wagen durch das Gewirr an Straßen auf die A23 Richtung Southampton. »Die Strecke ist etwas weiter, dafür entgehen wir dem Londoner Verkehr«, erläuterte sie. »Mach’s dir bequem. Wir fahren bestimmt drei Stunden, eher dreieinhalb.«

»Danke, Jo«, sagte Elena.

»Wofür denn, Darling?« Jo warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, dann heftete sie ihren Blick wieder auf die Straße. Die Scheibenwischer des Minis schwangen rhythmisch hin und her. Jo schien die schlechte Sicht durch den unaufhörlich prasselnden Regen nicht weiter zu stören, zügig reihte sie sich in den fließenden Verkehr ein, der sich rasch auslichtete, je weiter sie sich vom Flughafen entfernten.

»Dass du mich so spontan bei dir aufnimmst«, präzisierte Elena.

»Aber das ist doch selbstverständlich. Das macht mir keine Mühe.«

»Trotzdem …« Elena seufzte. Tante Jo hatte bisher nicht weiter nachgefragt, weshalb sie plötzlich für drei Wochen bei ihr absteigen wollte. Elena hatte ihr natürlich von der geplatzten Hochzeit erzählt, die genaueren Umstände war sie ihr bislang jedoch schuldig geblieben. »Ich befürchte, dass ich keine sehr unterhaltsame Gesellschaft abgeben werde.«

»Mach dir keinen Kopf wegen mir. Ich hab dich nicht eingeladen, damit du mich unterhältst. Im Gegenteil, anscheinend ist es so, dass du die bist, die Ablenkung nötig hat. Tapetenwechsel. Oder wie auch immer.«

Eine Weile fuhren sie schweigend dahin.

Elena ließ die südenglische Landschaft auf sich wirken. Der Regen hatte nachgelassen, und die Sonne brach sogar kurz durch die tief hängenden Wolken. Das nasse Gras zu beiden Seiten der Straße wirkte fast unnatürlich frisch und üppig. Schafe standen unter einem großen Baum zusammengedrängt.

Bei Southampton bekamen sie das erste Mal Blick aufs Meer. Es war aufgewühlt. Durch den Linksverkehr und die umgekehrte Steuerung des Minis hatte Elena freie Sicht. Sie konnte die brechenden Wellen und Schaumkronen sehen. Irgendwie übte der Anblick eine beruhigende Wirkung auf sie aus. Sie atmete tief ein und aus.

Sie war verletzt. Natürlich war sie das. Es war doch auch ihr gutes Recht, verletzt zu sein, nachdem er sie quasi am Altar hatte stehen lassen. Aber zum ersten Mal seit dem Tag Null, an dem Sebastian ihr mitgeteilt hatte, dass er die Hochzeit absagen und – mehr noch, die Beziehung zu ihr beenden – wollte, hatte Elena das Gefühl, dass sie darüber hinwegkommen könnte. Nicht jetzt, nicht auf der Stelle. Aber vielleicht würde es doch irgendwann leichter werden. Mit Blick auf den Ozean fühlte sie den Kloß im Hals, der ihr seitdem die Luft abzudrücken drohte, leichter werden.

»Was möchtest du denn machen?«, fragte Jo unvermittelt.

Elena, aus ihren eigenen Gedanken gerissen, sah irritiert zu ihrer Tante hinüber. »Was?«

»I mean, ob du Pläne hast, was du während deines Aufenthalts bei mir unbedingt machen möchtest?«, präzisierte Jo.

»Ach so …« Elena überlegte einen Moment. »Weißt du, damit hab ich mich ehrlich gesagt noch gar nicht beschäftigt.«

»Na, macht ja nichts«, erwiderte Jo fröhlich. »Du sagst mir einfach, was du möchtest und wenn ich wegkann, dann begleite ich dich. Falls die Pension meine Anwesenheit braucht, finden wir sicherlich Begleitung für dich.«

Das hörte sich nicht nach dem an, was Elena so vorschwebte. Eigentlich konnte sie sich gar nicht vorstellen, dass ihr der Sinn großartig nach Sightseeing stehen könnte, schon gar nicht mit womöglich ihr wildfremden Personen, aber sie behielt ihre Vorbehalte für sich und nickte nur zu dem lieb gemeinten Angebot.

»Jetzt richtest du dich erst einmal bei mir häuslich ein. Diese Woche ist es ruhiger, ich habe keine Houses & Gardens Tour, da sind wir quasi unter uns.«

»Ich will dir keine Arbeit machen. Bitte betrachte mich nicht wie einen Pensionsgast.«

»Mach ich nicht«, versicherte Jo. »Du wirst beizeiten von mir mit eingespannt, keine Sorge. Nur momentan ist nichts zu tun. Also, in der Pension! Im Garten gibt es selbstverständlich immer Arbeit. Du kannst dich gern auch gärtnerisch einbringen, wenn du dazu Lust hast.«

Tante Jo betrieb seit vielen Jahren eine kleine Pension an der Küste Cornwalls. Daneben war ihr Garten ihre große Leidenschaft. Er genoss auch über den Ort hinaus Bekannt- und Beliebtheit, Busgruppen, die speziell auf Südenglands Gärten und Herrenhäuser ausgerichtet waren, machten regelmäßig bei ihr Station. Bisher kannte Elena Jos Garten nur von Fotos, jetzt würde sie ihn endlich mit eigenen Augen sehen. Ob sie allerdings von großer Nützlichkeit sein würde, blieb dahingestellt.

»Ich weiß nicht, wie grün mein Daumen ist«, sagte sie vorsichtig. »Nicht, dass ich dann alles zum Eingehen bringe …«

Jo lachte herzlich. »Oh dear, bloß nicht. Dann lasse ich dich besser nicht hinters Haus.« Dann wurde sie wieder ernst. »Ich will dir nichts aufzwingen. Du sollst Zeit haben für dich. Fühl dich einfach wie zu Hause.«

Den Rest der Fahrt unterhielten sie sich über das englische Wetter, Tee und die Schönheiten der Landschaft Cornwalls.

Kapitel 2

»Kannst du den Sack da mitnehmen, bitte?« Ihre Tante hatte bereits beide Arme voll und ging voraus zum Gewächshaus.

Elena griff nach dem besagten Sack mit Orchideenerde und folgte ihr. Seit einer Woche wohnte Elena nun schon bei ihrer Tante Jo. Es hatte sich wie eine gute Idee angefühlt, einfach alles hinter sich zu lassen und nach England zu fliegen. Und das war es wohl auch. Zumindest merkte Elena, dass sie ganz langsam anfing, aus ihrer Starre zu erwachen.

»Stell ihn hier ab«, ordnete Jo an. »Und dann kannst du ihn gleich aufschneiden. Da drüben müsste ein Messer liegen.«

Das Messer fand Elena zwar nicht, aber eine Schere, die denselben Zweck erfüllen würde.

Elenas Tante Jo betrieb ihre kleine Pension, die schon den Eltern ihres verstorbenen Mannes gehört hatte, außerdem bewirtschaftete sie den drumherum liegenden Garten, der zu ihrem Stolz zu den schönsten englischen Landhausgärten der Region zählte. Die Pension lag in einem kleinen Cottage aus braunem Stein, die gekieste Zufahrt ließ noch wenig von dem erahnen, was sich hinter dem Haus befand. Die ganze Längsseite des Gebäudes entlang verlief an der Südseite eine Terrasse aus Naturstein, auf der die Pensionsgäste bei schönem Wetter ihr Frühstück einnehmen konnten. Entlang der Balustrade standen Kübel mit alten Sorten von Kamelien und ausladenden Palmen. Unterhalb befand sich ein Wasserbassin auf dessen Oberfläche Seerosen ihre Blätter ausstreckten. Aus drei mit Ornamenten verzierten Rohren plätscherte träge Wasser auf sie hinunter. Daran schloss sich ein Barockgarten mit exakt getrimmten kniehohen Buchsbaumhecken als Begrenzung und symmetrisch angelegten Beeten dazwischen. Hier gediehen Rosen, Lavendel, Frauenmantel, Akeleien, Fingerhut, Echinacea und noch viele andere Staudenarten. Im hinteren Bereich wurde der Garten zunehmend verwilderter. Hohe alte Bäume spendeten Schatten, und Tante Jo hatte verschiedene anheimelnde Plätzchen zum Verweilen geschaffen. Ein alter eiserner Pavillon, halb von einer Rambler-Rose überwachsen, lud zur Teestunde ein. In einer Ecke kultivierte Jo Gemüse, Kräuter und Früchte, die sie verarbeitete und ihren Pensionsgästen anbot. In einem antiken Gewächshaus zog sie die meisten ihrer Pflanzen selbst, kreuzte und veredelte sie und kümmerte sich auch um die Nachzucht alter englischer Sorten.

Außerdem standen dort auch ihre Orchideen, von denen sie gerade einige umtopfen wollte.

Elena schnitt den Sack auf. Die Orchideenerde war keine Erde im eigentlichen Sinn, sie bestand aus unterschiedlich großen Holz- und Rindenstücken.

Jo hatte bereits einige Töpfe vor sich aufgestellt und die erste Pflanze aus dem Topf genommen. Sorgfältig entfernte sie nun die alten Substratreste zwischen den fleischigen Wurzeln. Elena sah ihr dabei zu.

»Now, gib mir mal die Pflanzschere dort drüben«, wies Jo sie an.

Elena brachte ihrer Tante das gewünschte Gerät. Mit routinierten Handgriffen entfernte Jo abgestorbene Wurzeln und kürzte die längeren Ausläufer ein. Dann hielt sie Elena den neuen Topf hin, in den die Orchidee einziehen sollte.

»Mach den mal ungefähr halb voll.«

Elena schüttete von der Orchideenerde aus dem Sack in den Topf wie befohlen. Dann nahm Jo ihr den Sack ab und platzierte die Orchidee in ihrem neuen Topf. Nach und nach ließ sie weitere Stückchen des Substrats auf die Wurzeln rieseln. Dabei drehte sie den Topf immer wieder und klopfte ihn auf die Arbeitsbank, bis Wurzeln und Holzstückchen gemeinsam den Topf füllten.

»Orchideen waren früher dem Adel vorbehalten, weil sie teuer und schwierig zu züchten waren. Bis man entdeckte, dass Orchideensamen zur Keimung auf die Symbiose mit einem speziellen Pilz angewiesen sind. Jetzt kann man sie in großer Menge nachzüchten, und dank moderner Hybriden ist auch die Pflege nicht mehr so aufwendig.« Jo sprach, während sie mit ruhigen Handgriffen ihrer Arbeit nachging. »Das ist eine Miltona. Die sind ein bisschen empfindlicher als die gängige Phalaenopsis, aber mit ihrer intensiven Färbung auch eindeutig exotischer. Phalaenopsis kannst du im Gartencenter kaufen, die sind meistens auch ganz okay, wenn sie nicht allzu lange in zugigen Verkaufsflächen rumgestanden haben. Viele Leute kennen überhaupt bloß diese eine Art Orchideen. Dabei gibt es eine ganze Reihe wirklich wunderschöner Sorten. Ich züchte meine schon lange selbst.«

Sie schob die eine Pflanze beiseite und machte sich an die nächste. »Das ist eine Cattleya, eine sehr alte Sorte. Sie galt als die Königin der Orchideen und löste vor rund zweihundert Jahren den ersten Orchideenrausch aus. Die vertragen richtig viel Sonne und stehen im Sommer deshalb auch draußen. Die meisten Orchideen mögen keine direkte Sonneneinstrahlung, brauchen außerdem gleich bleibende Temperaturen um die zwanzig Grad und dürfen nicht zu sehr gegossen werden.«

»Warum haben Orchideen keine normale Erde im Topf?«, fragte Elena interessiert.

Jo antwortete, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen: »Weil Orchideen ephiphytisch wachsen. Im tropischen Regenwald besiedeln sie die höchsten Baumkronen, wo sie optimal mit Licht versorgt werden. Wasser und Nährstoffe ziehen sie aus der Luft oder speichern es bei Regenschauern in ihren Luftwurzeln. That’s why.«

Elena spazierte die Pflanztische entlang. Einen großen Teil des Gewächshauses nahmen die Orchideen ein. Jo hatte wirklich eine ganz Reihe unterschiedlicher Sorten und Farben. Auch in der Pension begegnete man den grazilen Tropenpflanzen überall. Und die meisten von ihnen blühten üppig.

Neben den Orchideen zog Jo in ihrem Gewächshaus noch etliche andere Pflänzchen heran. In kleinen Töpfen aus Zellulose und Holzfasern warteten unzählige kleine Setzlinge auf ihren Umzug ins Freie.

»Du hast wirklich einen mega grünen Daumen«, stellte Elena fest.

Jo schüttelte ihre von grauen Strähnen durchzogenen Locken. »Das hat gar nichts mit grünem Daumen zu tun. Das hört sich immer so an, als ob das was Angeborenes wäre. Wenn man sich lange damit beschäftigt, gelingt einem immer mehr. Aber ich mache auch immer noch Fehler, und manchmal gehen Pflanzen kaputt, obwohl man alles richtig gemacht hat. Bad luck, das ist eben so. Aber das Handwerk dahinter kann man lernen, das ist kein Hexenwerk.«

»Wie lange machst du das hier jetzt schon mit den Pflanzen und der Pension?«

»Ich kam 1980 als Au-pair nach London. Dort habe ich mich verliebt, wir haben geheiratet und sind hierhergezogen. Also man kann sagen, ich hab dir ungefähr vierzig Jahre Gärtnern voraus.« Sie grinste schief. »Aber du bist doch nicht hergekommen, um von mir das Orchideenzüchten zu lernen, oder?«

Elena zuckte die Schultern. Ihre Finger strichen beiläufig über den metallenen Rand des großen Pflanztisches. Nein, die Gärten um Tante Jos Pension waren wunderschön, keine Frage, aber der Grund für Elenas Aufenthalt waren sie nicht.

»Dear, willst du mir nicht endlich erzählen, was eigentlich genau passiert ist?«, fragte Jo sanft. Sie zog einen Hocker heran und klopfte darauf, damit Elena sich setzte. Sie selbst setzte sich mit einem behänden Hüpfer auf den Arbeitstisch neben die umgetopften Orchideen.

»Was gibt’s da noch zu erzählen?«, fragte Elena zurück, ließ sich jedoch bereitwillig auf den angebotenen Sitzplatz fallen. »Zwischen Sebastian und mir ist es aus. Das fiel ihm gerade so rechtzeitig ein, dass wir noch nicht vorm Altar standen. Die Hochzeit war aber schon geplant, alles bestellt, alle Gäste eingeladen …« Sie seufzte tief bei dem Gedanken daran.

»Besser es fällt ihm vorher auf als hinterher«, gab Jo zu bedenken. »Wie kam es denn dazu? Gab’s keine Anzeichen?«

Elena betrachtete eingehend ihre Finger, an denen Erdspuren zu sehen waren. »Doch, möglicherweise gab es die. Aber ich wollte sie vielleicht einfach nicht sehen. Oder ich dachte, es würde sich schon geben, wenn wir erst einmal verheiratet wären.«

»Aber warum denn einen Mann heiraten, der sich gar nicht sicher ist?«

Der räumliche Abstand zwischen ihrem Hochzeitsdesaster und die beruhigende Gleichförmigkeit der Tage in Jos kleinem Universum hatten Elena schon so weit herunterkommen lassen, dass sie an die Scherben ihrer Beziehung denken konnte, ohne sofort in Tränen auszubrechen. Außerdem hatte sie Zeit gehabt, über ihren eigenen Anteil an der Trennung nachzudenken.

Elena erwiderte: »Ich wollte es eben so gern. Ich wollte unbedingt, dass das funktioniert, dass ich wohl dachte, es macht nichts, wenn er nicht überzeugt ist, ich habe Überzeugung für uns beide.«

»Und das wurde ihm zu viel«, mutmaßte Jo.

»Maybe. Ja. Es wurde ihm zu viel und zu eng, und eigentlich wollte er sich noch gar nicht festlegen.«

Jos wache Augen ruhten auf Elena. Weder sprang sie sofort auf Elenas Zug auf und verteufelte mit ihr gemeinsam den verhinderten Bräutigam, noch machte sie Elena Vorhaltungen. Das tat dieser in dem Moment gut.

Zu Hause hatte jeder irgendwie gedacht, sich auf eine Seite schlagen zu müssen. Entweder Team Elena oder Team Sebastian. Und entsprechend hatten sie wahlweise ihn oder sie zum Schuldigen in dem ganzen Schlamassel erkoren. Während ihre Eltern und Freunde sie mit Mitleid überhäuft hatten, hielten Sebastians Freunde nicht damit hinter dem Berg, dass sie der Ansicht gewesen waren, dass Elena noch nie zu ihm gepasst habe. Von beidem wollte Elena nichts mehr hören.

»Well, festgelegt hatte er sich ja bereits vor der Hochzeit. Ihr seid doch schon lange zusammen gewesen, nicht?«

Elena seufzte, jetzt drohten die Tränen doch wieder hochzukommen. »Zehn Jahre fast«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Wir kennen uns noch von der Schule. Nach zehn Jahren sollte man doch wohl annehmen, dass es keine Überraschung mehr ist, wenn ich heiraten und Kinder kriegen möchte. Ich bin fast dreißig! Wie lange dachte er, dass ich noch warten kann!«

»Daher weht also der Wind. Es ging gar nicht primär um die Hochzeit, sondern um das, was damit verbunden gewesen wäre.«

Jetzt standen Elena die Tränen wieder in den Augen. Ein Tropfen löste sich aus dem unteren Kranz ihrer Wimpern und lief ihr zusammen mit etwas Wimperntusche über die Wange. Elena ließ sie einfach laufen. »Mir war immer klar, dass ich Kinder möchte. Am liebsten gleich eine ganze Rasselbande. Was das betrifft, hab ich ihm nie etwas vorgemacht! Er wusste, dass ich mir das wünsche. Und eigentlich hatte ich mir immer vorgestellt, eine junge Mutter zu sein, eine, die den ganzen Spaß mitmacht und …« Sie brach ab, weil die Tränen jetzt wieder haltlos rannen. Trotzig wischte Elena sich über die feuchten Wangen.

Jo ließ sie weinen.

»Dass es dein innigster Wunsch ist, heißt nicht, dass es bei ihm auch so sein muss«, warf sie sanft ein. »Vielleicht dachte er, genau wie du, dass die Zeit das Problem schon lösen würde. Stattdessen hat es sich verschärft.«

Elena nickte tonlos.

»Und irgendwann sah er keinen anderen Ausweg mehr, als die Hochzeit abzublasen und alles hinzuwerfen.« Jetzt war doch ein wenig Mitleid in Jos Stimme. »Das ist nicht besonders fair gewesen, aber ich sag es noch mal: Sei froh, dass er es noch vor der Hochzeit gemerkt hat.«

Elena schniefte geräuschvoll in ein Taschentuch. »Ja, I know. So sehe ich das inzwischen auch. Aber kannst du dir vorstellen, wie das für mich war? Ich musste gerade damit fertig werden, dass der Mann, den ich heiraten wollte, mich verlassen hatte, und dann kam noch diese ganze Organisation hinzu! Er hat mich mit dem Ganzen sitzen lassen. Ich musste die Feier absagen, die Kirche, das Essen, das Auto, die Band und all das … Hundertmal am Telefon sagen: Nein, leider findet die Hochzeit nicht statt … tut mir leid … ja, sehr kurzfristig …«

»Jetzt bist du ja hier«, sagte Jo. »Hast du alles rückabwickeln können? Oder bleibst du auch noch auf offenen Rechnungen sitzen?«

»Nein, es ist alles abgesagt und erledigt. Ich brauche jetzt einfach Abstand. Von allem. Eigentlich wollten wir gleich nach der Hochzeit in Flitterwochen fahren. Die Reise hab ich auch storniert, und stattdessen bin ich jetzt hier.«

Jo hüpfte vom Tisch. »Na siehst du. Dann lass uns jetzt das Beste daraus machen.«

»Huhu! Klopf, klopf. Jo bist du da?« Eine laute, fröhliche Frauenstimme unterbrach ihr Gespräch.

Jo rief in Richtung des Gewächshauseingangs: »Prue, hier sind wir! Come in.«

Eine pummelige Frau in einem geblümten Kleid und einer Schürze erschien zwischen den Büschen, die das Gewächshaus zum Haus hin abschirmten.

»Elena, darf ich vorstellen? Das ist Prue Archer, die Frau des Pastors. Prue, das ist meine Nichte Elena aus Deutschland«, stellte Jo die beiden Frauen einander vor.

»Oh, Elena, freut mich. Welcome to Cornwall! Sind Sie im Urlaub hier?« Die Pastorenfrau schüttelte Elena ausgiebig die Hand. Dann wandte sie sich an Jo. »Warum ich gekommen bin, Jo: Du hast nicht zufällig noch von deinen sagenhaften eingemachten Pflaumen? Ich wollte Pancakes machen und mein Theodore liebt dazu dein Pflaumenmus. Aber – Goodness! – es ist mir ausgegangen.«

Jo zog ihre Gartenhandschuhe aus und legte sie auf die Arbeitsbank. »Natürlich hab ich davon noch, Prue«, sagte sie. »Komm mit rüber ins Haus. Ich geb dir welches.«

Sie zwinkerte Elena im Vorbeigehen zu und bugsierte die Pfarrersgattin wieder aus dem Gewächshaus hinaus und den Weg entlang zum Haus. Elena blieb allein im Gewächshaus zurück.

Irgendwie hatte sie sich das alles einfacher vorgestellt. Weit weg von zu Hause, hatte sie gedacht, würde das Gefühl, vor dem Nichts zu stehen, von allein vergehen. Doch das war ein Trugschluss gewesen. Zwar gefiel es ihr sehr gut bei Tante Jo, und diese nahm sich auch liebevoll ihrer an, dennoch fühlte sie sich noch kein bisschen weniger verlassen und allein als daheim.

Was Jo gesagt hatte, stimmte. Dass sie nicht dieselben Vorstellungen von der Zukunft gehabt hatten, war schon länger zum Problem zwischen ihr und Sebastian geworden. Und zu glauben, eine Hochzeit würde daran etwas ändern, war naiv gewesen. Sie hatte ihn an sich binden wollen, um ihn endlich dazu zu bewegen, mit ihr in die Familienplanung einzusteigen. Stattdessen hatte sie ihn in die Flucht geschlagen.

Und jetzt?

Ihr dreißigster Geburtstag rückte näher und Elena hatte das Gefühl, die sprichwörtliche biologische Uhr geradezu unerträglich laut in sich ticken hören zu können. Sie kam sich vor, als habe sie die letzten zehn Jahre in eine Sache investiert, die sich einfach in Luft aufgelöst hatte. Und nun? Wieder von vorn beginnen? Bei null? Noch einmal zehn Jahre hatte sie dafür aber nicht. Dann wäre sie vierzig.

Elena legte eine Hand auf ihren Bauch, wo sie ihre Eizellen fast bildlich ungenutzt schwinden sah.

Es war bitter, aber genau genommen trauerte sie gar nicht so sehr um die zerbrochene Beziehung. Sondern um den damit verknüpften Lebenstraum, der nun wieder in weite Ferne gerückt schien.

Kapitel 3

Die erste Woche hatte Elena fast ausschließlich damit verbracht, ihre Wunden zu lecken. Sie hatte sich nur in der Pension und im Garten aufgehalten und war Tante Jo dort ein wenig zur Hand gegangen. Dann entschied Jo für sie, dass es an der Zeit war, wieder unter Menschen zu gehen.

An einem Nachmittag, als keine Gäste in der Pension zu versorgen waren, gingen die beiden in das kleine Café über den Klippen des Strandes. Elena schlenderte zum ersten Mal durch die Straßen des Dorfes. Bei ihrer Ankunft hatte sie nicht viel davon gesehen, nur den runden Kirchturm aus grobem, verwittertem Stein und die über den ganzen Hügel verstreut liegenden Häuser.

Unterwegs gab Jo Elena zu fast jedem Haus Informationen. »In dem großen Haus neben der Kirche wohnt Pastor Archer mit seiner Familie. Prue kennst du ja bereits, seine Frau. Die beiden haben sieben Kinder.«

Elena ließ den Blick an der rauen Fassade des Hauses hinauf wandern. »Holla … sieben Kinder, das ist eine Ansage«, murmelte sie, und jäh ergriff sie wieder der Schmerz ihrer Kinderlosigkeit.

Sieben Stück war vielleicht wirklich etwas viel, aber wenigstens zwei oder drei …

Jo versuchte sie mit witzigen Anekdoten aufzuheitern: »Ihre Vornamen beginnen alle mit einem A. Anne, Abigail, Amy, Allen, Archibald, Andrew und Adam, wie bei einem Hundewurf.« Tante Jo grinste. »Außerdem behaupten böse Zungen, dass unser Dorf längst keine Elementarschule mehr hätte, wenn die Archers nicht dafür gesorgt hätten, dass genügend Schüler da sind.«

Das entlockte auch Elena ein Lachen.

»Die vier Ältesten gehen inzwischen auf eine weiterführende Schule, das jüngste Kind ist noch nicht eingeschult. Und wer weiß, vielleicht kommt ja noch Baby Nummer acht …«

Elena versuchte sich an die Pfarrersfrau zu erinnern, der sie bisher nur einmal kurz begegnet war. So jung war sie ihr nicht mehr vorgekommen. Ach, anscheinend konnten alle Kinder bekommen, nur sie nicht.

Jo schlug die Straße an der Friedhofsmauer entlang ein. Sie passierten einen kleinen Laden, der frisches Obst und Gemüse in Kisten draußen stehen hatte.

»Das ist der Feinkostladen von TJ«, erzählte Jo. »Die beste Adresse für Frischwaren aller Art – nach meinem Garten, versteht sich.«

»Hier kennt echt jeder jeden, oder?«, fragte Elena und überlegte sich gleichzeitig, ob sie das wollte. Solange das eigene Leben halbwegs in geordneten Bahnen verlief, war das vielleicht ganz schön, aber was, wenn es richtig Probleme gab? Wollte man dann immer noch, dass die Nachbarn alles mitbekamen, alles wussten und sich über alles das Maul zerrissen?

Jo warf ihr einen amüsierten Seitenblick zu. »Das ist überall so in kleinen Orten. Dass man sich kennt, heißt ja nicht zwangsläufig, dass man auch seine ganze Freizeit zusammen verbringen muss oder alle in alles einbeziehen. Believe me, damals, als ich plötzlich und unerwartet zur Witwe wurde und mit der Pension und dem allen allein dastand, da war ich sehr froh darum, dass ich Leute hatte, die einfach mit angepackt haben. Das ist das Schöne am Dorfleben: Heute helf ich dir, weil morgen schon kann ich in Not sein, und dann hilfst du mir.«

Elena zuckte die Achseln. »Ach, ich weiß nicht, ob das überall so ist … Ich habe mich nach der Trennung von Sebastian furchtbar alleingelassen gefühlt mit allem. Da war niemand, der mal gefragt hat: Wie geht’s dir jetzt damit? Kommst du klar?«

Jo legte ihren Arm um ihre Nichte. »Sure, ich mache das«, sagte sie liebevoll. »Und du wirst sehen, bald wirst du ganz hervorragend klarkommen ohne den Kerl. Das ist auch nicht der Einzige, weißt du? Andere Mütter haben auch hübsche Söhne.«

»Das ist der älteste Spruch überhaupt«, schnaubte Elena, jedoch ohne ernsthaft böse auf ihre Tante zu sein.

»Du bist doch so eine alte Schlagertante«, grinste Jo. »Wie wär’s dann mit: Liebeskummer lohnt sich nicht?« Den Titel des alten Schlagers unterlegte sie beim Sprechen mit der bekannten Melodie.

Elena war ihr Faible für deutschen Schlager schon oft ein wenig peinlich gewesen, auch diese Leidenschaft hatten Sebastian und sie nicht geteilt. Aber sie stand eben auf diese oft watteweiche Musik und ihre simplen Botschaften. Und gerade für Liebeskranke hatte dieses Genre einen schier unerschöpflichen Vorrat an Herzschmerz-Titel. Deshalb lief ihre bevorzugte Musik auch schon die ganze Zeit bei Elena rauf und runter. Es war ihr nicht verborgen geblieben, dass Jo dem ebenfalls wenig abgewinnen konnte.

Jetzt hob sie selbstbewusst das Kinn und sagte: »Fair enough, mach dich nur lustig über mich. Ich hör das halt gern! Die Welt ist schon scheußlich genug, da muss ich nicht auch noch Musik hören, die dröhnt und kreischt.«

Jo nickte beschwichtigend. »Ist ja in Ordnung. Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Komm, da vorn ist es!«

Sie bogen in einen sandigen Weg ein, passierten die Abzweigung zum Strand und fanden sich bald am Rand der Klippen, die steil zum Strand hin abfielen, wieder. Am Ausläufer der Klippen stand ein etwas windschiefes Haus mit einer breiten Veranda, auf der Tische und Stühle und Sonnenschirme standen. Die einzige Teestube am Ort.

»Bei Bessie hat man einen herrlichen Ausblick über die Bucht, und sie macht einen traumhaften Apple-Pie«, verriet Jo und stapfte querfeldein über das borstige Gras zur Veranda hin.

Elena folgte ihr, war jedoch von der Aussicht abgelenkt. Am Himmel türmten sich dicke Wolken, die eigentlich nach Regen aussahen, doch dazwischen brach die Sonne hervor und malte glitzernde silbrige Streifen auf das aufgewühlte Meer. Möwen krächzten über ihnen und jagten sich am Himmel herum. Unter ihnen, wo die Wellen sich schäumend kräuselten, versuchten sich ein paar Touristen am Windsurfen. Zwei kleine Hunde sausten kläffend über den Strand. Ein Mann mit dichtem Bart und wuscheligem Haar lehnte scheinbar unbeteiligt an einem Bretterverschlag, auf dem »Ryan’s Surfing Paradise« stand.

Weil Elena stehengeblieben war, kehrte Jo zu ihr zurück und folgte mit den Augen ihrem Blick hinunter in die Bucht. »Das da unten ist Ryan«, sagte sie. »Den wirst du wohl oder übel auch bald kennenlernen. Spätestens, wenn die nächste Houses & Gardens Tour hier Station macht.«

»Den schließt du wohl nicht mit ein, wenn du sagst, dass du dankbar bist für deine hilfsbereiten Nachbarn?«, fragte Elena provozierend. Sie hatte den genervten Unterton nicht überhört, mit dem Jo von diesem Ryan sprach.

»Nein, ach, so schlimm ist er auch wieder nicht«, beteuerte die. »Ein Sonderling eben. Aber sind wir das nicht alle, irgendwie?«

Elena beobachtete, wie die Hunde an den nackten Beinen des Mannes hochsprangen.

»Betreibt der hier eine Surfschule? Was hast du dann mit ihm zu tun?«

»Er betreibt die Surfschule und dass Jamaica Inn. Das ist ein Pub, eigentlich sogar ein recht traditionsreiches, aber er hat einen karibischen Albtraum daraus gemacht. Ryans Pub hat auch Zimmer, und er und ich vermieten regelmäßig an die Cornwall Houses & Gardens Tours. Das sind Busgruppen, die die Küste entlangfahren und sich besonders schöne alte Herrenhäuser und Gartenanlagen anschauen. Mein Garten gehört auch zu ihrem Programm. Wenn sie hier übernachten, bleibt ein Teil der Gäste bei mir und ein Teil bei Ryan.«

Elena nickte. Also war Ryan so etwas wie Jos Konkurrent. Deshalb mochte sie ihn nicht, vermutete Elena. Sie riss sich von der Strandszene los und steuerte die Veranda an.

Die Bucht lief zu einer felsigen Landzunge aus. Ein Leuchtturm markierte deren Ende. Elena dachte, dass es sicherlich schlechtere Orte für einen Urlaubsaufenthalt gab. Vielleicht sollte sie sich aufraffen und ein wenig die Gegend erkunden, wenn sie schon einmal hier war.

Die Teestube war genauso einmalig wie seine Betreiberin. Bessie entpuppte sich als eine fröhliche Mittdreißigerin mit dem britischsten Äußeren, das sich nur denken ließ: Sie war blass und sommersprossig und hatte cayennepfefferrote Haare, die sie zu einem langen Zopf geflochten trug. Sie schüttelte Elena überschwänglich beide Hände und überschüttete sie mit Höflichkeitsfloskeln und Fragen, bis Elena beinahe schwindlig war.

Im Inneren der Teestube befand sich die breite Theke, einige weitere Sitzgelegenheiten für schlechte Witterung und, was aber viel augenfälliger war, allerhand Kunstobjekte und Gemälde. Wie sich herausstellte, fertigte Bessie die selbst an und benutzte ihren Laden als Galerie.

»Bessie ist wahnsinnig kreativ«, betonte Jo und führte Elena herum, damit sie alle Ausstellungsstücke sehen konnte. »Sie kann sticken, stricken, häkeln, knüpfen und weben, außerdem malt sie und bildhauert, klebt und schmiedet …«

Sie blieben vor einer Skulptur aus Holz und Seilen stehen, die unverkennbar den alten Leuchtturm abbildete, den sie draußen gesehen hatten. Bessie, die den beiden gefolgt war, erklärte: »Das Holz und die Taue habe ich am Strand aufgesammelt. Wenn Treibgut angespült wird, gibt Ryan mir immer gleich Bescheid, damit ich mir für meine Objekte holen kann, was ich brauche.«

Bessie hatte Ryan gegenüber offenbar weniger Vorbehalte, aber sie konkurrierte wahrscheinlich einfach auch nicht so stark mit ihm, mutmaßte Elena.

Jo und sie suchten sich Kuchen an der Theke aus und bestellten Tee bei Bessie, dann gingen sie wieder auf die Veranda hinaus. Jo steuerte einen Tisch direkt an der Balustrade an, wo sie den unverstellten Blick auf den Ärmelkanal und die Bucht genießen konnten.

Die Surfer hatten aufgegeben und ihre Bretter Ryan zurückgebracht. Gerade schloss er den Schuppen ab, der ihm als Lager diente und scheuchte dann seine beiden Hunde zum Auto. Er fuhr einen Pick-up mit bunter Lackierung an den Seiten.

Elena beobachtete ihn, wie er die Hunde auf den Beifahrersitz hob und dann selbst auf der Fahrerseite einstieg. Die Reifen gruben sich in den lockeren Kies, dann fuhr der Wagen die Straße hinauf aus ihrem Blickfeld.

Jetzt lag der Strand einsam da. Der Wind hatte aufgefrischt und trieb die Wellen vor sich her. Elena zog ihre Strickjacke enger um ihre Schultern.

»Ist dir kalt?«, fragte Jo, die eine Softshell-Jacke trug und ihre lockigen Haare von einem karierten Stirnband in Schach halten ließ.

»Geht schon«, erwiderte Elena. Die Aussicht war zu schön, als dass sie wegen ein wenig Gänsehaut ins Haus hätte gehen wollen. »Schön hast du’s hier«, sagte sie denn auch laut.

»Ja. Ich hab mich hier eigentlich sofort wohlgefühlt. Als junge Frau war London aufregend für mich und ich freute mich immer, wenn sich später die Gelegenheit ergab, wieder einmal in die Stadt zu fahren. Aber je älter ich werde, umso zufriedener bin ich hier.«

Jo hatte den viel gerühmten Apple-Pie aus Bessies Vitrine ausgesucht und stach sich nun mit der Gabel ein Stück davon ab. Elena halbierte einen Scone. Auf diese typisch britische Leckerei hatte sie sich schon länger gefreut. Sie bestrich die eine Seite des mürben Brötchens mit der Clotted Cream, einer Art festem Rahm aus roher Kuhmilch, und garnierte das Ganze mit einem Kleks Erdbeermarmelade aus einem kleinen Glasschälchen. Genießerisch schloss sie die Augen, als sie den ersten Bissen davon nahm.

»Von wegen, die britische Küche hätte nichts zu bieten, was?«, witzelte Jo.

»Also Kuchen können die Briten auf jeden Fall!«, bestätigte Elena mit vollem Mund.

Die Terrasse war fast leer, nur an einem anderen Tisch saß ein Pärchen und studierte Reiseführer. Bessie hatte nicht viel zu tun und gesellte sich zu Elena und Jo.

»Deine Tante ist hier die gute Seele im Dorf«, verriet sie Elena. »Man kann einfach mit allem zu ihr kommen, sie weiß immer Rat.«

Jo lachte schallend. »Ach, hör doch auf. Das stimmt gar nicht. Wenn jemand für alles eine Lösung weiß, dann vielleicht Damian. Seit er sich letzte Woche den Boiler in meiner Küche angeschaut hat, heizt der wieder wie ein Neuer!«

»Das stimmt«, erwiderte Bessie ernst. »Damian ist ein Schatz! Bei mir hat er den Dachfirst repariert, den der Wind fast abgerissen hatte. Er kann einfach alles!«

»Ganz deiner Meinung, was wären wir ohne ihn?«

Elena sah amüsiert von einer zur anderen, wie sich die beiden Frauen gegenseitig mit Lobhuldigungen übertrumpften. Schließlich warf sie ein: »Dieser Damian muss ja ein Wunderknabe sein. Von wem sprecht ihr da überhaupt?«

»Oh no, sag bloß, du hast deiner Nichte Damian noch gar nicht vorgestellt?« Bessie fasste sich in gespieltem Entsetzen an die Kehle. »Das ist ja eine fast unverzeihliche Nachlässigkeit!«

Elena gluckste vor unterdrücktem Lachen.

»In der Tat, das habe ich«, stellte Jo fest. »Ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte.« Sie wandte sich Elena zu. »Weißt du, Elena, das ganze Dorf hier würde schon nicht mehr stehen, wenn Damian nicht wäre. Er kann wirklich alles: elektrische Leitungen verlegen, Wände verputzen und streichen, Böden verlegen, Dächer abdichten, Möbel reparieren und elektronische Geräte, dieses Teufelszeug, die kann er auch dazu bringen, dass sie tun, was man von ihnen will! Mein Drucker, was der mich Nerven gekostet hat! Jetzt hat Damian ihn sich einmal gründlich vorgeknöpft, und nun läuft das Ding wie ein Uhrwerk.«

Elena lachte herzlich bei der Beschreibung. »Muss ja ein toller Typ sein.«

»Das ist er definitiv. Aber du wirst sicher noch selbst die Gelegenheit bekommen, ihn kennenzulernen.« Jo schob sich das letzte Stückchen ihres Kuchens in den Mund und leckte sich genüsslich über die Lippen. »Für deinen Apple-Pie würde ich glatt morden.«

»Musst du nicht«, beeilte Bessie sich zu versichern. »Ich mach den auch so. Und du kannst jederzeit herkommen und welchen haben. Hast dich rar gemacht in letzter Zeit!«

Jo nickte schuldbewusst. »That’s right. Ich gelobe Besserung! Na, und mein Besuch hier braucht auch ein wenig Abwechslung. Immer nur mit mir alter Frau in der Pension zu hocken, das ist doch nichts.«

Bessie wandte sich wieder an Elena. »Wie lange bleibst du denn?«

Die zuckte die Schultern. »Weiß ich noch nicht. Erst mal drei Wochen und dann … mal sehen …«

»Zieht dich nicht nach Hause, wie?« Bessie hatte einen wissenden Ausdruck in den Augen.

»Nee, momentan nicht so …«

»Da bist du bei uns genau richtig!« Schon lachte Bessie wieder über das ganze sommersprossige Gesicht. »Glaub mir, hier wird dir so schnell nicht langweilig. Warum gehst du nicht mal runter zu Ryan und probierst dich am Surfen?«

An Jos gerunzelter Stirn ließ sich ablesen, dass sie von dem Vorschlag wenig hielt. Elena beeilte sich zu sagen: »Ich glaube, das ist nichts für mich. Aber danke, ich find’s schön hier. Langeweile kommt auf jeden Fall keine auf.«

»Und wenn doch, dann bist du hier immer willkommen!« Bessie legte ihr vertrauensvoll die Hand auf die Schulter und strahlte sie an, dass Elena gar nicht anders konnte, als zurückzulächeln.

Eigentlich war sie Fremden gegenüber immer erst etwas zurückhaltend, doch Bessies einnehmendes Wesen, ließ ihr gar keine Gelegenheit, schüchtern zu sein. Sie zwinkerte Elena und Jo noch einmal fröhlich zu, dann ging sie zu dem anderen Tisch hinüber und schaute dort nach dem Rechten.

»Die ist nett«, stellte Elena fest, als sie mit ihrer Tante wieder allein am Tisch war.

»Yeah, ist sie. Bessie hatte es auch nicht leicht. Sie hat früh geheiratet und war dann in einer lieblosen Ehe gefangen. Als sie es vor einigen Jahren schaffte, sich zu trennen, war das ihr Befreiungsschlag. Mit der Teestube hier hat sie sich einen Traum erfüllt. Sie ist so ein lieber Mensch, dazu begabt, eine richtige Künstlerin, sie hat es einfach verdient, glücklich zu sein.«

Elenas Blick wanderte zu der Frau zurück, die jetzt herzlich mit den beiden Touristen quatschte und ihnen Ausflugstipps gab. »Und ist sie dann allein geblieben? Oder gibt es wieder jemanden in ihrem Leben?«

»Weiß ich ehrlich gesagt nicht«, räumte Jo ein. »Zumindest hat sie niemanden Offiziellen. Aber es braucht ja auch nicht immer unbedingt einen Partner zum Glücklichsein, oder?«

Elena dachte, dass eine Beziehung für sie schon dazugehörte. Sie war eigentlich noch nie wirklich längere Zeit allein gewesen. Aber offenbar gab es Menschen, die damit weniger Probleme hatten. »Du bist ja auch allein glücklich. Oder Tante Jo?«

Sie lachte. »Oh hell yeah! Wirklich Elena, kannst du dir mich bei einem Date vorstellen? Nein. Das ist vorbei. Und ich weine diesen Zeiten auch nicht nach. Ich hatte eine lange, in weiten Strecken sehr glückliche Ehe, aber das ist vorbei. Ich hab mir das nicht ausgesucht, aber unglücklich bin ich deswegen heute auch nicht mehr. Es kommt eben so, wie es kommt.« Als sie in Elenas skeptische Miene blickte, fügte sie noch an: »Du bist ja noch jung! Da kommt schon noch einer, wart’s ab. Dein Sebastian ist ja nicht der letzte Mann auf Gottes Erdball!«

Und wenn er der letzte war, der sich für sie interessiert hatte? Aber das sagte Elena lieber nicht laut.

Nachdem sie ihren Tee ausgetrunken und den Kuchen gegessen hatten, schlenderten die beiden an den Klippen entlang und folgten dem verschlungenen Pfad zum Strand hinunter. Der Wind jagte Wolken über den Himmel, deren Schatten sich auf dem Kies spiegelten. Wo die Sonnenstrahlen durch das Grau brachen, zauberten sie Glitzern auf die Wellen. Weit draußen konnten sie ein paar Containerschiffe erahnen.

»Hast du jemals überlegt, wieder nach Deutschland zurückzugehen?«, fragte Elena unvermittelt.

Jo blieb stehen und sah sie an. »Nein, hab ich nicht. Ich bin jetzt hier zu Hause. Nach so langer Zeit fort, würde ich mir dort wie eine Fremde vorkommen.«

Elena hielt den Blick über die Bucht gerichtet. »Manchmal denke ich, ich sollte einfach auch weggehen. Also ich meine, für ganz, nicht nur in Urlaub.«

»Du kannst hierbleiben, solange du willst«, bot Jo ohne zu zögern an. »Wenn du bei mir leben willst, bist du herzlich willkommen. Nur weglaufen solltest du nicht. Das bringt nichts. Wenn du nur hierbleiben willst, damit du dich dort nicht mit deinen Ängsten konfrontieren musst, dann ist es besser, du gehst zurück. You know, man kann vor sich selbst nicht weglaufen.«

»Wahrscheinlich hat Sebastian längst eine andere«, murmelte Elena.

»Wie kommst du darauf?«

»Diese Melina hat sicher nur darauf gewartet, dass er frei wird. Sie hat ja schon früher keine Gelegenheit ausgelassen, um mir zu zeigen, dass sie viel besser zu Sebastian passen würde als ich.« Elena zog ihre Jacke enger um sich und verschränkte die Arme vor der Brust, doch die Kälte, die sie plötzlich fühlte, kam nicht vom Wind.

Jo bückte sich nach einem flachen Stein und ließ ihn über das Wasser springen. »Ist das nicht egal?«, warf sie ein. »Ob nun Melina, Maria, Susanne oder Annegret. Früher oder später wird er sich wieder binden, und das ist sein gutes Recht. Ihr seid nicht mehr zusammen. Was spielt es jetzt noch für eine Rolle? Er hat dir sehr wehgetan, aber umso mehr solltest du dich auf dich besinnen und keine Gedanken mehr daran verschwenden, was er tut.«

»Das sagt sich so leicht …«