Neues verkehrswissenschaftliches Journal NVJ - Ausgabe 10 - Zifu Chu - E-Book

Neues verkehrswissenschaftliches Journal NVJ - Ausgabe 10 E-Book

Zifu Chu

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Beschreibung

Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der realitätsnahen Modellierung des Eisenbahnbetriebs bei der Nutzung der simulativen Methode. Die Beibehaltung des Betriebsprogramms als Randbedingung der Modellbildung wird diskutiert. Darüber hinaus wird durch die explizite Betrachtung der transienten Phase in der Simulation ein entscheidender Effekt, der bei der Modellierung des Eisenbahnbetriebs bislang nur unzureichend berücksichtigt worden ist, untersucht. Die Wirkungen der transienten Phase auf die unterschiedlichen Kenngrößen werden in dieser Arbeit einbezogen. Durch die Umsetzung der Erkenntnisse in den gegenwärtig genutzten Werkzeugen zur Leistungsuntersuchung werden die Genauigkeit und Aussagekraft der Untersuchungsergebnisse erhöht.

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Seitenzahl: 152

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Vorwort

Bei Leistungsuntersuchungen im spurgeführten Verkehr wird der Zusammenhang zwischen einer bestimmten Ausgestaltung der Infrastruktur, einem darauf bezogenen Betriebsprogramm und der dabei zu erreichenden Betriebsqualität betrachtet. Aufgrund der Komplexität derartiger Betrachtungen war dies zunächst nur für sehr überschaubare Bereiche praktisch umsetzbar oder durch modelltheoretische Vereinfachungen, die eine analytische Berechnung ermöglichten. Mit zunehmender Entwicklung der Rechentechnik wurden auf bedienungstheoretischen Grundsätzen beruhende Simulationsverfahren immer interessanter, da mit ihnen der tatsächliche, eigentlich deterministische Betriebsablauf mit seinen vielfältigen stochastischen Einflüssen hinreichend genau abbildbar wurde. Die Wartezeitfunktion bildet den funktionalen Zusammenhang einer zunehmenden gegenseitigen Behinderung der Züge bei steigender Belastung ab und ist damit eine ganz wesentliche Grundlage für Leistungsuntersuchungen. Zu Beginn der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde die Wartezeitfunktion erstmals modelltheoretisch durch Hertel und Ludwig beschrieben. Im Verlauf der praxisbezogenen Anwendung und eisenbahnbetriebswissenschaftlicher Untersuchungen wurde dieser Modellansatz kontinuierlich weiterentwickelt und ist heute Stand der Forschung auf diesem Gebiet.

Die vorliegende Dissertation ist im Zusammenhang mit dem DFG-Projekt „Direkte experimentelle Bestimmung der maximalen Leistungsfähigkeit bei Leistungsuntersuchungen im spurgeführten Verkehr“, an dem Herr Chu maßgebend beteiligt war, entstanden und befasst sich mit der modelltheoretischen Vervollkommnung bei der Bestimmung der Wartezeitfunktion.

Wesentliches Forschungsergebnis der vorliegenden Arbeit ist die Weiterentwicklung der mathematischen Beschreibung der Wartezeitfunktion unter Berücksichtigung der transienten Phase in der Simulation bei Beibehaltung der Struktur des Betriebsprogramms. Die Ansätze der Simulationsverfahren orientieren sich oftmals an allgemeinen Markov-Modellen und setzen deshalb voraus, dass sich die Simulation im Betrachtungszeitraum in der stationären Phase befindet. Verschiedene praxisorientierte Leistungsuntersuchungen haben jedoch gezeigt, dass diese Bedingung nur in seltenen Fällen tatsächlich erreicht wird. Dementsprechend musste mit großem Aufwand und geeigneter Bemessung von Vor- und Nachlaufzeiten für die eigentliche Simulation bislang situationsspezifisch ein quasi-stationärer Zustand geschaffen werden. Eine weitere Bedingung für die Belastbarkeit der Ergebnisse von Leistungsuntersuchungen ist die Beibehaltung der Struktur des Betriebsprogramms auch bei einer Verdichtung bzw. Ausdünnung. Es bedurfte bisher einer großen Erfahrung, um auch bei unterschiedlichen Verdichtungsstrategien eine annähernd gleiche Struktur des Betriebsprogramms empirisch beizubehalten. Mit der in dieser Arbeit vorgeschlagenen Modellerweiterung auf der Grundlage einer systematischen auf mathematischem Nachweis beruhenden Einbeziehung wesentlicher Rahmenbedingungen wird die einheitliche Anwendung von Simulationsmethoden bei Leistungsuntersuchungen nicht nur vereinfacht, sondern deren Aussagekraft auch signifikant verbessert.

Stuttgart, im Februar 2014

Ullrich Martin

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich zuerst meinen Eltern danken. Obwohl sie in China wohnet, haben meine Eltern mich sowohl auf der finanziellen, als auch auf der geistigen Ebene unterstützt. Dem chinesische Staat danke ich für die Möglichkeit, meine Dissertation an der Universität Stuttgart zu schreiben. Der MathWorks, Inc. danke ich für die Entwicklung des nützlichen Programms "Matlab", mit dem ich schnell meine Ideen implementieren konnte.

Herrn Prof. Pachl und Herrn Jun.-Prof. Nowak danke ich für deren Funktion als Mitberichter. Für die Unterstützung und die informativen und auch kritischen Unterhaltungen der letzten Jahre, möchte ich Herrn Prof. Martin danken. Die Arbeit am Institut hat mir die Möglichkeit gegeben, meine Dissertation gedanklich vorzubereiten. Ebenfalls möchte ich mich bei ihm für die Betreuung der Dissertation im Ganzen bedanken.

Meinen damaligen und jetzigen Kolleginnen und Kollegen danke ich für die Unterstützung bei der Institutsarbeit, wodurch ich mehr Zeit für meine Dissertation hatte. Für die sprachliche Korrektur des Abstracts danke ich Jiajian Liang.

Mein besonderer Dank geht an meine Frau Jing Pang für die Unterstützung in allen Lebenslagen, die Ermutigung, sowie ihr großes Verständnis.

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Abstract

1Einleitung

2Leistungsuntersuchungen im spurgeführten Verkehr

2.1Grundbegriffe

2.2Vorhandene Methoden

2.2.1Statistische/deterministische Methode

2.2.2Analytische Methode

2.2.3Konstruktive Methode

2.2.4Simulative Methode

2.3Bewertungsansätze

2.3.1Empirische Qualitätsmaßstäbe

2.3.2Verkehrswirtschaftlicher Qualitätsmaßstab nach Jochim

2.3.3Physikalischer Qualitätsmaßstab nach Oetting

2.3.4Streckendurchsatzleistung nach Muthmann

2.3.5Optimaler Leistungsbereich nach Hertel

2.4Wesentliche Aspekte der Modellbildung

2.5Bedarf zur methodischen Weiterentwicklung der Modellierung

3Dynamisierung der Zeitscheiben für die Fahrplanverdichtung

3.1Bedingungen bei der Fahrplanverdichtung

3.2Vorhandene Fahrplanverdichtungsalgorithmen

3.2.1Zufällige Züge einlegen

3.2.2Fahrplan komprimieren

3.3Dynamisierung von Zeitscheiben

3.3.1Dynamisierung der Zeitscheiben mit ganzzahliger Zugzahl

3.3.2Dynamisierung der Zeitscheiben mit exakter Zugzahl

3.4Schlussfolgerung und Empfehlung

4Modellierung in der simulativen Methode

4.1Modellierung mit Bedienungssystemen

4.1.1Bedienungssystem

4.1.2Modellierung

4.2Transiente Phase

4.2.1Untersuchung in der stationären Phase

4.2.2Wirkungen der transienten Phase

4.3Schlussfolgerung

5Die durchsatzbezogene Leistungsfähigkeit

5.1Vorhandene Verfahren

5.1.1Analytische Verfahren

5.1.2Simulative Verfahren

5.2Neues Verfahren mit simulativer Methode

5.2.1Grundidee

5.2.2Ablaufdes Verfahrens

5.2.3Methode zur Erkennung des Abweichungspunkts

5.3Zuschlag aufdie durchsatzbezogene Leistungsfähigkeit

5.3.1Vorhandene mathematische Form für die transiente Phase

5.3.2Einflussfaktoren

5.3.3Untersuchung mit einem einfachen Modell

5.3.4Modellfunktion für den Zuschlag

5.4Schlussfolgerung

6Modellierung der Wartezeitfunktion

6.1Vorhandene Modellfunktion

6.1.1Mathematischer Hintergrund

6.1.2Modellfunktion mit zwei Parametern

6.1.3Nachteile der vorhandenen Modellfunktion

6.2Neue Modellfunktion

6.2.1Modellfunktionen direkt mit elementaren Funktionen

6.2.2Modellfunktion mit drei Parametern

6.2.3Approximationsmethode

6.2.4Vergleich der Anpassungsfähigkeit der Modellfunktionen an weitere Daten

6.3Schlussfolgerung und Empfehlungen für die praktischen Anwendungen

7Zusammenfassung

Anhang I: Fallbeispiele

Beispiel 1

Beispiel 2

Beispiel 3

Beispiel 4

Beispiel 5

Anhang II: Genauigkeit der Methode zur Bestimmung des Abweichungspunkts zwischen Eingang- und Ausgangsbelastung

Formelzeichen

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Zusammenfassung

Hohe Investitionen beim Ausbau der Eisenbahninfrastruktur und eine begrenzte extensive Erweiterbarkeit des Netzes erzwingen eine Verbesserung der Effizienz des Bahnbetriebs, die gleichzeitig dessen steigende Qualitätsansprüche berücksichtigt. Deswegen ist die Ableitung einer optimalen Auslastung, mit der einerseits die Eisenbahninfrastruktur möglichst stark ausgenutzt wird und andererseits die Betriebsqualität das erwünschte Niveau erreicht, seit langer Zeit Forschungsgegenstand in der Eisenbahnbetriebswissenschaft. Dabei sind die simulative und die analytische Methode zwei übliche Ansätze. In der vorliegenden Arbeit wird die simulative Methode zur Bestimmung der Wartezeitfunktion sowie des optimalen Leistungsbereichs, die von [Hertel 1992] entwickelt und von [Schmidt 2009] verbessert wurde, weiterentwickelt.

Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der realitätsnahen Modellierung des Eisenbahnbetriebs bei der Nutzung der simulativen Methode. Die Beibehaltung des Betriebsprogramms als Randbedingung der Modellbildung wird diskutiert. Darüber hinaus wird durch die explizite Betrachtung der transienten Phase in der Simulation ein entscheidender Effekt, der bei der Modellierung des Eisenbahnbetriebs bislang nur unzureichend berücksichtigt worden ist, untersucht. Die Wirkungen der transienten Phase auf die unterschiedlichen Kenngrößen (durchsatzbezogene Leistungsfähigkeit sowie optimaler Leistungsbereich) werden in dieser Arbeit einbezogen. Dabei wurden wichtige neue Erkenntnisse gewonnen:

Der neu entwickelte Algorithmus "Dynamisierung der Zeitscheiben mit exakter Zugzahl" kann für die künftige Fahrplanverdichtung bei Leistungsuntersuchungen zielführend genutzt werden. Durch die "Dynamisierung der Zeitscheiben" kann nicht nur eine Zufälligkeit des Fahrplans generiert, sondern auch das als Randbedingung der Untersuchung vorgegebene Betriebsprogramm (Zugmix) beibehalten und somit eine hinreichende Ordnung des Fahrplans gewährleistet werden.

Zur Bestimmung der durchsatzbezogenen Leistungsfähigkeit wurde ein neuer Ansatz entwickelt, mit dem die Wirkungen der transienten Phase in Form eines Zuschlages berücksichtigt werden. Der Zuschlag wird anhand einer neu entwickelten Modellfunktion und der Einflussfaktoren der transienten Phase ermittelt.

Eine neue Modellfunktion der Wartezeitfunktion, die bei der Anpassung der Simulationsergebnisse mathematisch beherrschbar ist und ein höheres (korrigiertes) Bestimmtheitsmaß als die bisher verwendete Modellfunktion besitzt, wurde unter Berücksichtigung der Wirkungen der transienten Phase entworfen. Aus der so bestimmten Wartezeitfunktion gewinnt der optimale Leistungsbereich, der unmittelbar von der Wartezeitfunktion abhängig ist, eine höhere Genauigkeit und Aussagekraft.

In der vorliegenden Arbeit, die im Kontext des DFG-Projekts "Direkte experimentelle Bestimmung der maximalen Leistungsfähigkeit bei Leistungsuntersuchungen im spurgeführten Verkehr" [Martin & Chu 2012]1 entstand ist, wird das Verfahren zur Leistungsuntersuchung nach [Hertel 1992] methodisch weiterentwickelt. Die Umsetzung der Erkenntnisse in den gegenwärtig genutzten Werkzeugen zur Leistungsuntersuchung erhöht die Genauigkeit und Aussagekraft der Untersuchungsergebnisse gerade auch in solchen Fällen, bei denen die große Spannweite der Ergebnisse bislang zusätzlich eine aufwendige Interpretation bzw. vertiefte Betrachtungen erforderte.

1 In der vorliegenden Dissertation wird notwendigerweise auf dieselben Grundlagen zurückgegriffen, die auch im DFG-Projekt [Martin & Chu 2012], an dem der Verfasser der Dissertation maßgeblich mitgearbeitet hat, verwendet bzw. erarbeitet wurden.

Abstract

The efficiency of railway operations is forced to be improved by high investments in the development of railway infrastructure and limited space for the network extension, and simultaneously the increasing operation quality requirements should also be considered. Therefore, the determination of optimal capacity utilization has been studied as a subject of research in railway operation science for a long time, with which on one hand the railway infrastructure should be fully utilized; on the other hand the quality of operation should achieve the expected level. The simulation and analytical methods are two common approaches for the research. In this work the simulation method to determine the waiting time function and the recommended area of traffic flow is further developed, which was developed by [Hertel 1992] and improved by [Schmidt 2009].

The focus of this work is on the realistic modeling of railway operation in simulation method. The retention of operating program as a boundary condition of the modeling is discussed. In addition, a crucial effect, which is not fully considered in the modeling of railway operations, was studied. It is caused by the transient phase of simulation. The effect of the transient phase on the various characteristic variables (throughput capacity and recommended area of traffic flow) is discussed in this work. The important new findings are the followings:

For the future compressing and thinning timetables the newly developed algorithm "dynamic determination of the time slices by exact number of trains" should be used. Through the "dynamic of the time slices", not only the randomness of the timetable can be generated, but also the operating program (trains mixture), which is prescribed as a boundary condition for the research, can be best kept and the "order" in the timetable can be guaranteed.

To determine the throughput capacity, a new approach is developed, by which the effect of the transient phase in the form of supplementary will be considered. The supplementary is determined by a newly developed model function and the influencing factors of the transient phase.

A new model function of the waiting time function is developed taking into account the effect of the transient phase, which is mathematically controllable in the process of fitting the simulation data, and has a higher (adjusted) coefficient of determination than the current model function. From the determined waiting time function the recommended area of traffic flow, which is directly dependent on the waiting time function, can achieve a higher degree of accuracy and validity.

In this work, which is based on the DFG project "Direkte experimentelle Bestimmung der maximalen Leistungsfähigkeit bei Leistungsuntersuchungen im spurgeführten Verkehr" [Martin & Chu 2012], the capacity research method according to [Hertel 1992] is methodologically refined. The implementation of the findings in the currently used tools for capacity research increases the accuracy and validity of the research results, especially in cases that elaborative interpretation and in-depth consideration are required for the large range of the results.

1Einleitung

Mit fortschreitender Entwicklung der Gesellschaft werden die Menschen immer anspruchsvoller, was ihre Lebensqualität anbelangt. Infolgedessen steigt auch die Nachfrage bezüglich qualitativ hochwertiger Transportleistungen (bei Gütern sowie bei den Menschen selbst). In Deutschland besteht ein nicht vernachlässigbarer Anteil sowohl am Güterverkehr (17,23%2) als auch am Personenverkehr (7,45%) aus Schienenverkehr. Um den Anteil des Schienenverkehrs an der Verkehrsleistung zu sichern und zu erhöhen, ist die Infrastruktur auszubauen bzw. die Nutzung der vorhandenen Infrastruktur zu optimieren. Insbesondere für eine langfristige Planung müssen der Infrastrukturausbau und die Gestaltung des Betriebsprogramms so aufeinander abgestimmt werden, dass die Investitionen unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Verkehrsleistung und die erforderliche Betriebsqualität möglichst gering gehalten werden. Seit Jahrzehnten ist es Gegenstand der Eisenbahnbetriebswissenschaft den Zusammenhang zwischen Auslastung einer Infrastruktur und der erwarteten Betriebsqualität zu beschreiben, um den Eisenbahnbetrieb zu optimieren.

Ein Forschungsgegenstand bei der langfristig vorausschauenden Planung liegt in der Ungewissheit des konkreten Fahrplans. Die konventionelle simulative Methode, die auf Einfachsimulation (Fahrplansimulation) bzw. Mehrfachsimulation (Betriebssimulation) basiert, eignet sich für die vielfältigen Auswertungen eines konkreten Fahrplans. Im Vergleich dazu besitzt die analytische Methode den Vorteil, unabhängig vom detaillierten konkreten Fahrplan die Infrastruktur sowie das Betriebsprogramm untersuchen zu können. Gleichzeitig wird aber angenommen, dass die Ankunftsabstände sowie die Beförderungszeiten jeweils einer stochastischen Verteilung entsprechen. Wie [Wendler 2000] erklärt hat: „Simulative Modelle stellen punktuelle Aussagen über das Verhalten von Auslastung und Qualität zur Verfügung. Analytische Modelle bieten funktionale Beziehungen zwischen Auslastung und Qualität an.“ Anfang der 1990er Jahre wurde der optimale Leistungsbereich von [Hertel 1992] und die Wartezeitfunktion einer Eisenbahnteilstrecke von [Ludwig 1990] abgeleitet. Damit kann ein Bezug zur betrieblichen Praxis hergestellt werden. Somit wird eine Brücke zwischen beiden Ansätzen geschlagen: Mit der Simulation werden verschiedene Auslastungen und die entsprechende Qualität (Wartezeit) ermittelt, mit denen eine funktionale Beziehung zwischen Auslastung und Qualität durch die Regressionsanalyse festgelegt werden kann. Eine Beispielanwendung dieses Verfahrens mit einer Simulation wurde von Bosse in [Bosse 1994] durchgeführt. Wegen der Einschränkung der damaligen Rechnertechnik war das Verfahren schwierig in die Praxis umzusetzen. Mit der Verbesserung der Rechnertechnik, wurde im Jahr 2006 die Software PULEIV (Programm zur Untersuchung des Leistungsbereichs) vom Institut für Eisenbahn- und Verkehrswesen entwickelt [Martin et al. 2008]. Mithilfe dieser Software konnte der hohe Rechenaufwand des Verfahrens von [Hertel 1992] stark reduziert werden. In [Schmidt 2009] wurde die Umsetzung des Verfahrens in praktischen Anwendungen vorgestellt. Jedoch wurden neue Fragestellungen bei der Umsetzung des Verfahrens aufgeworfen. Dabei beeinflussen zwei Punkte die Untersuchungsergebnisse extrem stark. Es handelt sich um die Beibehaltung der Randbedingungen bei der Modellbildung des Eisenbahnbetriebs und die transiente Phase in der Simulation. In der vorliegenden Arbeit wird ein weiterentwickeltes Verfahren auf der Grundlage des Verfahrens von [Hertel 1992] unter Berücksichtigung dieser beiden entscheidenden Punkte vorgestellt.

Die vorliegende Arbeit basiert auf dem DFG Projekt [Martin & Chu 2012], in dem die Leistungsuntersuchungen mit der simulativen Methode weiter entwickelt werden. In Kapitel 2 werden die zugrundliegenden Begriffe sowie die vorhandenen Methoden und Auswertungsansätze einer Leistungsuntersuchung – einem wichtigen Teilgebiet der Eisenbahnbetriebswissenschaft überblicksartig vorgestellt. Vornehmlich wird die Leistungsuntersuchung mit der simulativen Methode dargestellt. Die Offenen Fragen, die in dieser Arbeit zu beantworten sind, werden identifiziert und abgegrenzt. In den Kapiteln 3 bis 6 wird der Kern dieser Arbeit behandelt. In Kapitel 3 wird die Beibehaltung der Randbedingungen der Modellbildung bei Leistungsuntersuchungen mit der simulativen Methode diskutiert. In Kapitel 4 bis 6 werden die Wirkungen der transienten Phase in der Simulation auf die durchsatzbezogene Leistungsfähigkeit sowie die Wartezeitfunktion analysiert. Alle Erkenntnisse werden mit Fallbeispielen verdeutlicht, die in Kapitel 6 und im Anhang I: Fallbeispiele dargestellt sind.

2 Statistisches Bundesamt 2012: Beförderungsleistung von Güterverkehr in 2010 beträgt 107 [Mrd.tkm]. Beförderungsleistung von Personenverkehr in 2010 beträgt 84 [Mrd.pkm].

2Leistungsuntersuchungen im spurgeführten Verkehr

In diesem Kapitel wird der Stand der Forschung bei Leistungsuntersuchungen in der Eisenbahnbetriebswissenschaft zusammengefasst. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Begriffsdefinition zu. Dies schafft Klarheit in der folgenden fachlichen Diskussion. Deswegen werden zunächst in Abschnitt 2.1 die Grundbegriffe der Leistungsuntersuchung gegeneinander abgegrenzt. Abschnitt 2.2 gibt einen Überblick über die zurzeit vorhandenen Methoden für Leistungsuntersuchungen. Die gelieferten Ergebnisse dieser Methoden sind Kenngrößen für Leistungsuntersuchungen, die sich auf [DB Netz AG 2008] beziehen und darüber hinaus gehen. Zusätzlich zu den Kenngrößen ist die Qualitätsaussage immer eine wichtige Schlussfolgerung für die Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen; deshalb wurden verschiedene Bewertungsansätze entworfen, die im Abschnitt 2.3 dargestellt werden.

2.1 Grundbegriffe

In der Eisenbahnbetriebswissenschaft sind die Betriebsleistung und die (Betriebs-) Qualität für Eisenbahnverkehrs- und Eisenbahninfrastrukturunternehmen nach wie vor von großem Interesse. Die Betriebsleistung wird häufig durch die Anzahl der Züge pro Zeiteinheit (Belastung) im entsprechenden System repräsentiert. Die Betriebsqualität bezieht sich meistens auf die Verspätungen (Wartezeiten) im Betrieb. Im Allgemeinen ist die Betriebsleistung umgekehrt proportional zu der Qualität. Je mehr Züge im System (innerhalb eines bestimmten Zeitraumes) fahren und sich somit gegenseitig zunehmend behindern, desto schlechter wird die Qualität. Dieser Zusammenhang wird als Leistungsverhalten bezeichnet und ist von der Eisenbahnbetriebsanlage (Netzstruktur) sowie dem Betriebsprogramm (Fahrplan) abhängig. Dazu ist die Leistungsfähigkeit zu bestimmen, die der Betriebsleistung auf einer bestimmten Eisenbahnbetriebsanlage mit einem bestimmten Betriebsprogramm entspricht. Für verschiedene Zwecke wird die Leistungsfähigkeit in der Literatur unterschiedlich definiert. Einige wichtige Definitionen werden zum besseren Verständnis dieser Arbeit aufgeführt:

Der

Fahrplan

ist die "vorausschauende Festlegung des Fahrtverlaufs der Züge hinsichtlich Verkehrstage, Fahrzeiten, Geschwindigkeit und zu benutzender Fahrwege" [Pachl 2011].

In [DB Netz AG 2008] ist das

Betriebsprogramm

definiert als "die datenmäßige Beschreibung aller Informationen zu betrieblichen Vorgängen und zu den Eigenschaften der an diesen Vorgängen beteiligten Beförderungseinheiten." In dieser Arbeit bezieht sich ein "grobes Betriebsprogramm" auf einen

Zugmix,

der die Informationen über den Modellzug der Zuglaufgruppe und das Verhältnis der Zugzahl jeder Zuglaufgruppe beinhaltet (siehe

Abbildung 1

).

Abbildung 1: Zusammenhang zwischen konkretem Fahrplan und grobem Betriebsprogramm

Die

Leistungsanforderung / Belastung

bedeutet die „Anzahl der Zugtrassen oder Zuglagen im Untersuchungszeitraum, die für Leistungsuntersuchungen im Betrachtungsraum zu berücksichtigen sind.“ [DB Netz AG 2008]

Die

praktische Leistungsfähigkeit

ist nach [DB Netz AG 2008] „die unter Einhaltung bestimmter Qualitätsgrenzen ermittelte fahrbare Zugzahl“

Die

theoretische Leistungsfähigkeit

wird in [DB Netz AG 2008] definiert als „die in einem Netzelement durch die Organisation des Zugbetriebes im Prozess der Fahrplanerstellung auf dessen betrieblicher Infrastruktur maximal verarbeitbare Anzahl von Zug- und Rangierbewegungen in einem bestimmten Untersuchungszeitraum, wobei das Verhältnis der Zugfolgefälle untereinander dem der Ermittlung unterstellten Belastung entspricht.“

Die

Nennleistung,

wie sie in [DB Netz AG 2008] definiert ist, „ist die in einem Netzelement durch die Organisation des Zugbetriebes auf dessen betrieblicher Infrastruktur, bei vorgegebener Struktur des Betriebsprogramms, während des Betriebsablaufes mit einer definierten Qualität und bei wirtschaftlich optimaler Auslastung unter Wahrung von aufgaben- und streckenstandardspezifischen Nutzungsvorgaben verarbeitbare Anzahl von Zug- und Rangierbewegungen in einem bestimmten Untersuchungszeitraum, wobei das Verhältnis der Zugfolgefälle untereinander dem der Ermittlung unterstellten Belastung entspricht.“ Diese Definition und die Definition von [Jochim 1999] stimmen überein.

Unter

Nutzungsgrad / Auslastungsgrad

einer Leistungsfähigkeit (z.B. praktische oder theoretische Leistungsfähigkeit) versteht man den tatsächlich genutzten Anteil der Leistungsfähigkeit. (In [DB Netz AG 2008] entspricht der Nutzungsgrad der Nennleistung „dem durch die Leistungsanforderungen genutzten Anteil der Nennleistung.“)

Die

maximale Leistungsfähigkeit

ist ein theoretischer Wert, der im Betriebsablauf unbegrenzte Stauerscheinungen zulässt, und hat keinen Qualitätsbezug. Sie entspricht dem „Vermögen einer Betriebsanlage, eine bestimmte Leistung unter Annahme unbeschränkter Leistungsanforderungen mit einer gegebenen Struktur (z. B. Zugmix) zu erzielen.“ [Arbeitsgruppe "Leistungsuntersuchungen Bahnanlagen" 1994]

Der

Leistungsbereich

stellt nach [DB Netz AG 2008] den Bereich dar, „in dem für Leistungsanforderungen eine ausreichende Wirtschaftlichkeit und eine hinreichende Qualität erwartet werden kann“.

Unter dem

optimalen Leistungsbereich