Never Love a Boss - Tawna Fenske - E-Book

Never Love a Boss E-Book

Tawna Fenske

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Beschreibung

Sein Image aufpolieren? Easy peasy! Ihn nicht zu küssen? Unmöglich!

PR-Spezialistin Miriam Ashley verdient ihr Geld damit, Bad Boys ein positives Image zu verpassen. Da sollte Extremsportler und CEO Jason Sanders kein Problem für sie sein. Aber schon beim ersten Blick in seine blauen Augen ist jede Professionalität vergessen, und Miriam fühlt ein Kribbeln wie nie zuvor. Dass der Kerl küssen kann wie kein anderer, macht die Sache auch nicht einfacher ...

"Extrem charmant und unglaublich sexy! Ich habe jede Minute geliebt!" RACHEL VAN DYKEN, Bestseller-Autorin

Band 2 der sexy und charmanten FIRST-IMPRESSIONS-Serie von Bestseller-Autorin Tawna Fenske

Dieser Roman ist in einer früheren Ausgabe unter dem Titel THE HANG UP erschienen.

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Seitenzahl: 321

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

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15

16

Epilog

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von Tawna Fenske bei LYX

Leseprobe

Impressum

TAWNA FENSKE

Never Love a Boss

Roman

Ins Deutsche übertragen von Birgit Herden

Zu diesem Buch

PR-Spezialistin Miriam Ashley verdient ihr Geld damit, Bad Boys ein positives Image zu verpassen. Da sollte Extremsportler und CEO Jason Sanders kein Problem für sie sein. Aber schon beim ersten Blick in seine blauen Augen ist jede Professionalität vergessen, und Miriam fühlt ein Kribbeln wie nie zuvor. Dass der Kerl küssen kann wie kein anderer, macht die Sache auch nicht einfacher … Doch kann Miriam ihr Herz einem Mann schenken, der immer wieder sein Leben mit waghalsigen Aktionen riskiert?

Dieser Roman ist in einer früheren Ausgabe unter dem Titel The Hang Up erschienen.

Für die FoPo Ho-Mädels. Ich liebe euch, ihr Süßen.

1

Miriam Ashley warf einen Blick auf ihre Cartier-Armbanduhr, während sie zum Briefkasten vor ihrem Haus lief. An der Bordsteinkante blieb sie mit einem ihrer Jimmy-Choo-Stilettos hängen, doch das brachte sie kaum aus dem Gleichgewicht.

Mich doch nicht. Sie balancierte schon auf High Heels, seit sie alt genug war, ohne Erwachsene zur Einkaufsmall zu gehen. Selbst an einem Samstagvormittag trat Miriam nur perfekt gestylt vor die Tür. Und das, obwohl sie heute gar nicht in ihre Firma First Impressions Branding & PR musste.

Miriam war immer perfekt gestylt.

Ihre Uhr zeigte Viertel nach eins, sie hatte also genug Zeit, die Post zu holen, sich einen Smoothie zu machen und dann drei aufgenommene Folgen von Project Runway zu schauen, bevor sie sich mit ihrer besten Freundin auf einen Cocktail traf. Was natürlich irgendwie auf Arbeit hinauslaufen würde, denn ihre beste Freundin war zugleich die Mitinhaberin von First Impressions. Wenn Miriam sich beeilte, dann hatte sie vielleicht sogar noch Zeit, um …

»Entschuldigung.«

Miriam sah auf, und ihr Blick fiel auf einen Obdachlosen. Zumindest nahm sie an, dass es ein Obdachloser war. Er war völlig verdreckt, von Kopf bis Fuß mit Schlamm überzogen, als hätte er unter einer Brücke im Schmutz gelegen. Armer Kerl.

»Ja?« Sie suchte nach etwas Kleingeld in ihrer Jackentasche, fand aber keines, also fasste sie den Schlüsselbund in der anderen Hand so, dass die Schlüssel zwischen den Fingerknöcheln steckten, wie sie es in einem Selbstverteidigungskurs für Frauen gelernt hatte.

Miriam war immer auf alles vorbereitet.

Doch der Typ schien sich weder auf ihren Geldbeutel noch auf ihre Brüste stürzen zu wollen. Er wirkte geradezu fröhlich. Als er lächelte, bildeten sich Risse in der Dreckschicht auf seinem Gesicht, und seine Augen – unfassbar blaue Augen – schienen zu lachen. Er sah weiß Gott nicht aus wie ein Serienkiller, aber was wusste sie schon. Es standen ja eher selten Serienkiller bei ihr vor der Tür und baten um Hilfe beim Marketing.

»Ich habe mich gefragt, ob Sie mir vielleicht helfen könnten«, sagte der Mann. Seine Stimme klang tief und samtig, wie dunkle Schokolade. Ihr Magen machte einen kleinen Hüpfer, und sie verspürte ein eigenartiges Ziehen.

»Natürlich, ich helfe gerne«, erwiderte sie. »Es gibt ein Obdachlosenheim in der Nähe, kaum einen Kilometer entfernt von hier. Von denen fährt auch ein Wagen von Park zu Park, in dem man duschen kann, und es gibt drei Mahlzeiten am Tag, aber ich schätze, das Mittagessen haben Sie verpasst, es ist ja schon nach eins.«

»Eigentlich …«

»Warten Sie!«, unterbrach sie ihn in dem verzweifelten Bemühen, behilflich zu sein. »Gerade fällt mir ein, dass ich noch etwas Sushi übrig habe, vom Abendessen gestern. Wenn Sie kurz warten, gehe ich rein und hole es.«

»Das ist sehr freundlich, aber …«

»Ach wie dumm von mir!« Sie schlug sich mit der Hand gegen die Stirn, was überraschend wehtat, da sie die blöden Schlüssel zwischen ihren Fingern vergessen hatte. »Sie hätten bestimmt lieber etwas Handfesteres, vielleicht ein Sandwich oder einen Proteinshake oder …«

»Ma’am.«

Das ließ sie verstummen. »Ma’am?« Sie sah ihn ungläubig an. »Sehe ich so alt aus?«

»Was?« Lachend schüttelte der Typ den Kopf, und Miriam war ganz verblüfft, wie sexy dieses Lachen klang.

Hör auf, den Obdachlosen anzuglotzen. Außerdem sagte er gerade etwas. Pass auf.

»… wollte nur höflich sein«, sagte er und rieb sich mit der Hand übers Kinn und die dreckverschmierten Bartstoppeln. »Ich bin neu in der Gegend und hab’s wohl noch nicht so drauf, wie man hier redet, aber ›Ma’am‹ erschien mir höflicher als ›he du‹ oder ›Baby‹ oder ›Hübsche‹ … obwohl Sie das sind. Hübsch, meine ich. Ach was – wunderschön.«

»Ich …« Sie fühlte, wie sie rot wurde, und fragte sich kurz, ob er ihr wohl Honig ums Maul schmierte, damit er sie dann umso leichter ausrauben konnte. Im gleichen Augenblick schämte sie sich für den Gedanken. Im letzten Jahr hatte sie für den guten Zweck eine Marketingkampagne für ein Obdachlosenheim entwickelt und wusste daher, dass die meisten der Bedürftigen gar nicht kriminell oder verkommen waren. Es waren ganz normale Menschen, die einfach Pech gehabt hatten.

»Das tut mir leid«, sagte sie zu ihm. »Das muss echt hart sein, in einer neuen Gegend obdachlos zu sein, so ohne Freunde oder Familie, die einem helfen können.«

»Obdachlos?« Er sah sie an und hob eine Augenbraue, woraufhin der Dreck in seinem Gesicht noch mehr Risse bekam. »Ich bin nicht obdachlos. Ich habe gerade ein Haus hier in dieser Straße gekauft. Zwei Blocks weiter – das blaue Doppelhaus mit den weißen Fensterläden.«

Er deutete auf einen schattigen, von Bäumen gesäumten Abschnitt des Wohnviertels, und sie erinnerte sich, dort vor ein paar Wochen ein glänzendes »Verkauft«-Schild gesehen zu haben. Sie sah sich den Mann noch einmal an. Okay, bei genauerer Betrachtung trug er teure Laufschuhe und ziemlich angesagte Designer-Sportklamotten, auch wenn die völlig verdreckt waren. Was zur Hölle hatte das zu bedeuten?

»Ich bin gerade den Tough Mudder gerannt«, erklärte er und beantwortete damit ihre stumme Frage. »Sie wissen doch, das große Rennen mit den ganzen Schlammgruben und Hindernissen?«

»Ach, richtig«, nickte Miriam, und endlich fiel bei ihr der Groschen, zumal der Typ sich auch noch umdrehte und ihr die schlammüberzogene Startnummer zeigte, die auf seinen Rücken gesteckt war. Jedenfalls nahm sie an, dass es sich um so etwas handelte – ihr Blick war nach unten gewandert und weidete sich an dem beeindruckendsten Po, den sie je gesehen hatte.

Obwohl auch der mit Schlamm überzogen war.

Noch bevor sie den Blick lösen konnte, drehte der Typ sich wieder zu ihr um. Und so starrte sie ihm für einen peinlichen Moment auf den Schritt.

Auch sehr beeindruckend.

Im Geiste gab sie sich eine Ohrfeige und sah ihm wieder in die Augen. »Und warum laufen Sie dann hier wie ein überdimensionaler Schokoriegel durch die Gegend? Gibt es beim Zieleinlauf keine Duschen oder so was?«

Er grinste, und seine strahlend weißen Zähne bildeten einen deutlichen Kontrast zu dem dreckigen Gesicht. »Nur Wasserschläuche. Mit echt kaltem Wasser. Da hab ich mir gedacht, wo ich nur drei Kilometer entfernt von der Rennstrecke wohne, könnte ich zum Aufwärmen hinlaufen, danach zum Abkühlen zurück und dann zu Hause gleich unter die warme Dusche springen.«

»Verstehe«, sagte Miriam, die kaum fassen konnte, dass jemand freiwillig sechs Kilometer rannte, zusätzlich zu dem, was auch immer er im eigentlichen Wettkampf zurücklegte. Und das taten Menschen wirklich freiwillig?

»Die Sache ist die«, fuhr der Mann fort, »ich habe unterwegs irgendwo meinen Schlüssel verloren, und jetzt komme ich nicht rechtzeitig in mein Haus und unter eine Dusche, um es zu einem Arzttermin zu schaffen.«

Nun überkam sie Mitgefühl, oder vielleicht war es auch Furcht. Wohl eher Furcht. Wann immer von Ärzten, Krankenhäusern oder irgendetwas Medizinischem die Rede war, überfielen sie schlimme Erinnerungen, wurde sie geradezu panisch.

»Sie müssen zum Arzt?«, fragte sie.

»Der Termin ist um zwei. Bitte, ich müsste nur Ihr Telefon benutzen, um einen Schlüsseldienst zu rufen. Dann bin ich Ihnen wieder aus den Füßen, versprochen.«

Sie blickte erst zu ihm, dann zurück zum Haus. Ihr Telefon lag auf dem Tisch beim Eingang, und gleich rechts davon ging es zum Gästebadezimmer, in dem es eine Dusche gab – der Typ konnte sie benutzen, ohne viel mehr als einen Meter weit in ihr Haus zu treten. Normalerweise würde sie es sich zweimal überlegen, ehe sie einen fremden Mann hineinließ, doch dieser Mann hatte etwas an sich, was sie ihre Einstellung überdenken ließ. Zur Not konnte sie sich ja mit einem Küchenmesser bewaffnen und es ihm in den Bauch rammen, falls die Situation brenzlig würde.

Sie zögerte, sah sich den Mann noch einmal an.

»Ich heiße übrigens Jason«, sagte er, und sein Lächeln wurde ein wenig breiter. »Jason Sanders. Ich würde Ihnen die Hand geben, aber ich will Sie nicht dreckig machen.«

»Miriam.« Im Geiste fügte sie höflich und rücksichtsvoll zu der Liste seiner Eigenschaften hinzu. Sein Blick war freundlich, er drückte sich gewählt aus, und überhaupt war er einfach süß.

Das denkt wahrscheinlich jedes Opfer eines Serienkillers, kurz bevor er sie mit ihrer eigenen Strumpfhose erwürgt.

Aber sie trug keine Strumpfhosen, und sie hatte eine Schwäche für freundliche, gut gebaute, blauäugige und unrasierte Männer in Not.

»Wissen Sie was?«, sagte sie und drehte sich zu ihrer Eingangstür um. »Kommen Sie mit.«

»Mit wohin?«

»In mein Haus. Sie können hier nicht so dreckig rumstehen.«

Er hob eine Augenbraue, woraufhin der getrocknete Schlamm von seiner Stirn rieselte. »Wäre es Ihnen lieber, wenn ich dreckig in Ihrem Haus stehe?«

Und wie, signalisierte ihre Libido, doch sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich meine, ich habe eine Dusche im Gästebad, gleich neben dem Eingang. Sie können den Schlüsseldienst anrufen und sich dann waschen, während Sie auf ihn warten.«

»Das ist echt nett.« Er schien zu zögern. »Haben Sie keine Angst, dass ich ein verrückter Mörder sein könnte?«

»Sie scheinen keine Waffen zu haben, wobei … durchsucht hab ich Sie ja noch nicht.«

»Tun Sie sich keinen Zwang an …« Er hob die Arme, und beim Anblick seiner gut definierten Muskeln rann ihr ein wohliger Schauer über den Rücken, doch sie riss sich zusammen und wandte sich dem Haus zu.

»Das glaub ich Ihnen auch so.«

»Danke.« Er nahm die Arme runter und grinste sie breit an. »Echt nett von Ihnen.«

»Nicht wirklich. Beim Anblick Ihrer dreckigen Fingernägel wird mir ganz anders. Ich tu das nur aus egoistischen Gründen.«

»Na dann«, sagte er in ihrem Rücken, als sie sich auf den Weg machte.

Sie hätte schwören können, ihn lachen zu hören, während er ihr folgte.

Jason rieb sich die letzten Wassertropfen mit dem flauschigen grünen Handtuch ab, das ihm die Frau gegeben hatte, und überprüfte es dann auf Schmutzspuren. Er hatte auch sorgfältig darauf geachtet, keinen Dreck in der Dusche zu hinterlassen – nicht angesichts der makellos weißen Fließen und den Reihen teuer aussehender Badeprodukte in den Einbauregalen.

Wer immer diese Frau war, sie musste Anteile an einer Edeldrogerie besitzen.

Miriam, rief er sich in Erinnerung und ließ sich den Namen wie ein Sahnebonbon auf der Zunge zergehen. Sie hatte sich ihm als Miriam vorgestellt, und auch wenn sie ziemlich nervös wirkte, glaubte er nicht, dass sie ihm einen falschen Namen genannt hatte. Sie sah aus wie eine Miriam, mit diesen blitzenden grünen Augen und den schimmernden dunklen Locken, sie sich sicher herrlich weich anfühlten. Sie war gebaut wie ein Pin-up-Girl aus den 1950ern, herrliche Kurven und volle Lippen, die praktisch darum bettelten, hart geküsst zu werden.

Hör auf mit solchen Gedanken.

Er blickte auf die Uhr an der Wand. Es war schon halb zwei, und er musste sich beeilen, um es rechtzeitig zum Krankenhaus zu schaffen. Sein fünfjähriger Neffe Henry hatte seinen dritten Termin bei dem neuen Kinderonkologen. Seit letztem Freitag befand sich Henry in partieller Remission, doch sie waren noch nicht überm Berg.

Natürlich würde Jasons Schwester Ellie bei ihm sein, schließlich war Henry ihr Sohn. Doch auch Jason wollte dort sein. Musste dort sein. Aus dem Grund waren sie ja alle in die Stadt gezogen, damit Henry die besten medizinischen Einrichtungen und Ärzte zur Verfügung standen. Damit Ellie oder er jederzeit bei dem Jungen sein konnten, anstatt ihn einem Babysitter oder einer Kindertagesstätte anzuvertrauen. Diese frühe Phase der Remission war für die ganze Familie eine entscheidende Zeit, und Jasons neuer Job machte es möglich, dass sich rund um die Uhr einer von ihnen um Henry kümmern konnte.

Jason trocknete sich fertig ab, dann faltete er das Handtuch sorgfältig zusammen und legte es auf das Board. Halt, nein. Das schien nicht richtig. Vielleicht sollte er es aufhängen? Oder es Miriam direkt geben, damit sie es in die Wäsche tun konnte?

Superidee, du Blödmann. Reich der umwerfenden Fremden das Handtuch, mit dem du dir gerade die Eier abgetrocknet hast.

Während er noch über das Handtuch nachdachte, ging hinter ihm die Tür auf. Er fuhr herum und sah – eine Katze?

»Fuzzy, nein! Oh mein Gott, komm zurück!«

Bevor Jason noch nach dem Handtuch greifen oder auch nur seinen Schritt mit der Hand bedecken konnte, tauchte Miriam in der Tür auf. Sie wirkte hektisch und angespannt, und er erstarrte bei ihrem Anblick.

Auch Miriam erstarrte. Ihre Wangen färbten sich leuchtend rot, und als Jason sah, wie ihr Blick nach unten wanderte, fiel ihm wieder ein, warum er nach dem Handtuch hatte greifen wollen.

»Oh, hallo.« Er nahm nun das Handtuch vom Board. Vermutlich hätte er sich etwas schneller bewegen sollen, doch angesichts ihres Gesichtsausdrucks, wie sie so dastand und den Blick nicht von seinem Schritt losreißen konnte, hatte er es plötzlich nicht mehr eilig. Besonders schamhaft war er noch nie gewesen, allerdings war er auch noch nie von einer so wunderschönen Frau so unverhohlen angestarrt worden.

»Danke für die Dusche«, sagte er.

»Was …« Als er das Handtuch entfaltete, es um seine Hüften wickelte und feststeckte, schien sie aus einer Art Trance zu erwachen.

Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, und ihr Blick wanderte von seinem Schritt zu seinem Gesicht. »Das tut mir so leid!«

Mit erhobener Augenbraue blickte er sie an. »Na, ich weiß ja nicht so recht, was ich davon halten soll, wenn mir eine Frau auf mein Teil guckt und dann ›Das tut mir so leid‹ sagt.«

Ihre Wangen wurden noch etwas röter, aber sie lachte und fuhr sich mit den Fingern durch die glänzenden Locken. »Es tut mir leid, dass ich hier so reingeplatzt bin, nicht für das, was unter dem Handtuch ist. Da ist definitiv nichts drunter, was einem leidtun könnte.« Sie räusperte sich. »Wobei ich gar nicht geschaut habe. Mir ist gar nicht aufgefallen, ob das nun echt beeindruckend war oder …« Sie schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab. »Ich sollte wohl besser nichts mehr sagen.«

Wie diese wunderschöne Frau mit roten Wangen und völlig durcheinander vor ihm in der Tür stand, kamen ihm mindestens ein Dutzend Ideen, was er abgesehen von Reden gerne mit ihr getan hätte, doch er begnügte sich damit, sein nasses Haar mit den Fingern zu entwirren. »Das nehm ich mal als Kompliment.«

»Mein Kater«, sagte sie plötzlich und suchte das Badezimmer mit den Augen ab. »Ich fasse es nicht, dass er das getan hat.«

Der flauschige weiße Stubentiger hatte sich auf dem Toilettendeckel niedergelassen und kratzte sich gelangweilt mit einer Pfote hinterm Ohr. Miriam stürzte vor und griff nach ihm, und der warme, seidige Ärmel ihrer Bluse streifte kurz Jasons Arm. Er trat zur Seite, und dieses Mal wandte sie sorgsam den Blick ab.

Wie schade.

»Böser Kater«, schimpfte sie, als sie das weiße Bündel hochnahm. »Böser, böser Kater.«

Der Kater sah ziemlich zufrieden aus, als Miriam ihn sich an die Brust drückte, und zum ersten Mal in seinem Leben empfand Jason Eifersucht auf eine Katze. Wieder ging Miriam an ihm vorbei, den Blick dieses Mal auf ihr eigenwilliges Haustier gerichtet.

»Entschuldigen Sie bitte.« In der Tür drehte sie sich noch einmal um und sah ihm in die Augen. »Das ist eine schlechte Angewohnheit von ihm, dass er Türen aufstößt, wenn sie nicht richtig verriegelt sind.«

»In dem Fall entschuldige ich mich dafür, dass ich nicht abgeschlossen habe«, sagte er. »Mein Fehler.«

»Das ist nicht Ihr Fehler. Das Haus ist schon älter, es gibt viele Türen, die nicht richtig schließen.« Ihr Blick wanderte kurz zu seiner Brust und blieb dort für eine Sekunde hängen, bevor er wieder zu seinem Gesicht zurückkehrte.

»Meine Güte, Sie sind echt in Form.«

Er lachte. »Danke. Und danke für die Kleidung zum Wechseln.« Er nickte zu dem Stapel mit der blauen OP-Kleidung hinüber, den sie ihm vorhin überreicht hatte, und Miriam folgte seinem Blick. Ihre Augen schienen an Glanz zu verlieren, als sie den blauen Stoff einen Moment lang ansah.

»Kein Problem«, sagte sie schließlich, nun mit leiserer Stimme. »Die gehören meinem Dad. Gehörten meinem Dad. Er ist Arzt. War Arzt.« Miriam schüttelte den Kopf und griff den Kater fester. »Er ist letztes Jahr gestorben. Hoffentlich passen sie. Er hatte ungefähr Ihre Größe.«

Bei dem wehmütigen Tonfall hätte Jason am liebsten die Hand nach ihr ausgestreckt, griff aber stattdessen nach der OP-Kleidung. »Das tut mir leid«, sagte er. Ihm fiel nichts ein, was er sonst hätte sagen können, doch das schien genug zu sein.

»Danke.« Miriam nickte. »Ich lasse Sie jetzt mal allein, damit Sie sich anziehen können. Rufen Sie, wenn Sie etwas brauchen.«

Den Kater auf einer Hüfte balancierend, zog sie die Tür hinter sich zu. Jason ließ das Handtuch fallen, zog die OP-Sachen an und blickte noch einmal auf die Uhr. Am liebsten wäre er den ganzen Tag hiergeblieben, um seine umwerfende Nachbarin besser kennenzulernen – diese Frau mit den Killerkurven, dem neugierigen Kater und so sinnlichen Augen, dass er sie am liebsten zurückgerufen und ihr gezeigt hätte, wie wenig ihn ihr offenkundiges Interesse an seiner Anatomie beleidigt hatte.

Um ehrlich zu sein, törnte ihn das ziemlich an.

Was sie vermutlich bemerkt hatte, so lange, wie ihr Blick dort verweilt hatte. Aber egal.

Im Moment gab es für ihn Dringenderes als hübsche brünette Frauen, die ihre Blicke nicht bei sich behalten konnten. Wie zum Beispiel die Tatsache, dass er nicht zu spät zu Henrys Termin kommen wollte.

Oder die Tatsache, dass er am Montag in einem völlig neuen Job anfing. Heilige Scheiße, er konnte es noch immer nicht glauben. Jason Sanders, CEO von Amerikas zweigrößtem Anbieter von Sportartikeln.

Natürlich war er kein Neuling in der Branche. Das Management von Urban Trax war ziemlich beeindruckt gewesen von seinem eigenen Unternehmen für Abenteuertouren, das er vor zehn Jahren aufgebaut hatte. Und er besaß sicherlich auch das Know-how, um ein großes Unternehmen wie Urban Trax zu leiten.

Allerdings hatte er noch nie einen Job gehabt, bei dem man andere Schuhe als Trekkingstiefel tragen musste.

Jason zog sich den OP-Kittel über den Kopf, der zu seiner Erleichterung gut passte. Miriam hatte seine Größe gut eingeschätzt. Er griff nach der Plastiktüte, in der sich seine schlammverschmierten Klamotten und Schuhe befanden, dann zog er die Badezimmertür auf und ging ins Wohnzimmer hinüber.

Miriam saß auf dem Sofa und streichelte mit einer Hand den Kater, während sie durch ein Modemagazin blätterte. Sie blickte auf, als er hereinkam, und er spürte, wie eine Hitzewelle durch seinen Körper lief.

»Der Schlüsseldienst hat gerade angerufen«, sagte sie. »Er wird in fünf Minuten da sein, sollte also als bei Ihrem Haus eintreffen, wenn Sie kommen.«

»Perfekt«, sagte er. »Noch mal danke für die Dusche. Und für die Kleider. Ich wasche sie und bringe sie später in der Woche zurück.«

»Nicht nötig. Behalten Sie sie. Als Willkommensgeschenk unter Nachbarn oder so.«

»Das ist mal was anderes als Kuchen oder Kekse.«

Sie lachte. »Ich bin nicht die große Bäckerin, mit den OP-Sachen haben Sie es besser getroffen.«

Bei dem Stichwort hätte er sie am liebsten gefragt, ob sie ihm nicht eines ihrer Lieblingsrestaurants zeigen wollte und er sie vielleicht zum Abendessen einladen durfte.

Dafür hast du keine Zeit, rief er sich in Erinnerung. Du musst dich um Henry und Ellie kümmern, damit hast du alle Hände voll zu tun. Keine Ablenkungen.

Richtig. Er räusperte sich. »Noch mal danke. Ernsthaft, Sie haben mir heute den Arsch gerettet.«

»Keine Ursache, ich bin froh, dass ich helfen konnte. Ich hasse es, schmutzig zu sein.«

Wieder verbiss er sich eine anzügliche Bemerkung – bei einer Frau, die von Kopf bis Fuß so blitzsauber und herausgeputzt aussah, wäre das sicher nicht gut angekommen. Andererseits, der lange Blick auf sein bestes Stück war nicht zu übersehen gewesen.

»Ich muss los.« Er wandte sich zur Tür. »War schön, Sie kennenzulernen.«

»Gleichfalls«, stimmte sie zu. »Viel Glück mit allem.«

»Danke. Nett von Ihnen.«

»Vielleicht sehen wir uns ja mal hier in der Gegend.«

»Vielleicht«, stimmte er zu, ziemlich sicher, dass er sie nie wieder sehen würde.

Schade eigentlich.

Miriam strich sich mit den Händen über ihren Bleistiftrock, als sie am Montagmorgen in den Pausenraum von First Impressions trat. Ihre beste Freundin Holly stand schon an der Kaffeemaschine. Die Mitinhaberin der PR-Firma hatte einen verträumten Gesichtsausdruck.

»Lass mich raten«, sagte Miriam, als sie ihrer Freundin einen leichten Stoß versetzte, um an den Kaffee zu gelangen. »Dein heißer neuer Ehemann hat dir entweder multiple Orgasmen verschafft oder dir mal wieder seine tollen Sandwiches mit Würstchen gezaubert.«

»Beides«, gab Holly zu und grinste noch etwas breiter, als sie mit einer gelben Kaffeetasse in der Hand zur Seite trat.

»Na, in jedem Fall hast du die Wurst bekommen.« Miriam nahm sich eine leuchtend rote Tasse und ließ Kaffee einlaufen. »Bist du bereit für dieses Meeting?«

»Mehr bereit geht nicht. Übrigens, die neuen Konzepte, die du für den Sunstone-Account entwickelt hast, sind toll.«

»Danke.« Miriam nahm einen Schluck Kaffee und lehnte sich neben Holly gegen die Theke. »Igitt. Ist das entkoffeinierter?«

»Tut mir leid. Der normale war aus. Ich hole nach der Arbeit neuen.«

»Nein, montags hast du doch immer mit dem heißen McNerdy deinen Date-Abend.« Sie pustete auf ihren Kaffee und nahm noch einen Schluck, während sie den Gang hinunter zum Konferenzzimmer spähte. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir mit der ganzen Markenentwicklung von vorne anfangen müssen, nur weil Urban Trax einen neuen CEO bekommen hat.«

»Na, das kannst du ihnen nicht wirklich zum Vorwurf machen, nachdem der alte CEO wegen Veruntreuung gefeuert wurde. Würdest du solche Altlasten mitschleppen wollen?«

»Da hast du recht. Aber trotzdem, das waren verdammt gute Logos, die ich entworfen habe.«

Holly zuckte mit den Schultern und nahm sich die Zuckerdose. »Dir wird etwas noch Besseres einfallen. Ich glaube an dich.« Sie verrührte den Zucker in ihrem Kaffee, und Miriam wünschte sich mindestens zum tausendsten Mal, sie hätte den Stoffwechsel ihrer Freundin. Während Holly schlank und grazil wie ein edles Rennpferd wirkte, schien Miriam nur aus Kurven zu bestehen. Sie hatte nicht wirklich Übergewicht, sie war einfach nur …

»Supersexy«, sagte Holly und schreckte Miriam aus ihren Gedanken auf.

»Was?«

»Die Bluse, die du trägst. Die ist echt supersexy.«

Miriam lachte. »Danke. Die ist von Emilio Pucci.«

»Keine Ahnung, was das bedeutet, aber ich würde sie nur zu gerne mal anfassen.«

»Tu dir keinen Zwang an.«

Holly kicherte und strich über einen Ärmel. »Echt toll. Apropos, gibt’s was Neues von deinem nackten Nachbarn?«

»Nicht, seit er sich mit einem Müllbeutel voller Klamotten davongemacht hat«, antwortete sie. »Ich betrachte das als meine gute Tat des Wochenendes.«

»Das gibt’s auch nur in deiner Welt, dass es als gute Tat zählt, wenn man einem Mann auf sein Teil starrt.«

»Kannst mich gerne Mutter Teresa nennen.« Miriams Augen glitzerten, als sie noch einen Schluck Kaffee nahm. »Hey, ich könnte meinen Kater die Straße runterschicken, vielleicht stößt er ja seine Haustür auf und ich kann noch einmal einen Blick auf die Pracht werfen.«

»Du hast echt einen toll erzogenen Kater.« Holly lachte.

»Der weiß, was Mama mag.« Miriam warf einen Blick auf die Uhr. Sie hatten noch zwei Minuten. Neben der Liebe zu gutem Wein und innovativem Marketing teilten sie und Holly auch einen Hang zur Pünktlichkeit. »Sollen wir reingehen und mit der Präsentation beginnen?«

»Ja. Die ganze Führungsriege von Urban Trax sitzt schon im Konferenzraum. Lucy hat sie reingeführt und mit Muffins und Kaffee versorgt.«

»Na dann, Showtime.« Miriam stellte die Tasse ab und glättete noch einmal ihren Rock. Dann streckte sie die Hand aus, um eine lose Strähne in Hollys Chignon zu stecken. »Die neuen Strähnen sehen toll aus. Hat Frederick die gemacht?«

»Hat er. Danke für den Tipp.« Holly strahlte, ihre Wangen glühten förmlich.

Miriam schlug sich die Hand vor den Mund. »Echt jetzt?«

Holly blinzelte. »Was denn?«

»Entkoffeinierter Kaffee? Eine Miene wie ein Katze, die gerade eine Schüssel Sahne aufgeschleckt hat?« Lachend schüttelte Miriam den Kopf. »Du bist schwanger!«

»Sssch!« Holly blickte sich um, dann lächelte sie und beugte sich weiter vor. »Ich bin noch nicht sicher«, flüsterte sie. »Ich habe noch keinen Schwangerschaftstest gemacht, aber ich bin fünf Tage drüber, und wir haben es schon irgendwie drauf angelegt …«

»Herzlich Glückwunsch!« Miriam schloss Holly in die Arme, wobei sie darauf achtete, nicht ihr Outfit zu zerknittern. Prioritäten. »Ich weiß ja, dass du immer die ganze Nummer wolltest – den sexy Ehemann, die Traumkarriere und ein Rudel kleiner Monster.« Miriam löste sich von ihrer Freundin und strahlte sie an.

»Es ist noch nicht sicher, also sag niemandem was«, bat Holly. »Ich fass es nicht, dass du es erraten hast.«

»Du bist so leicht zu durchschauen«, sagte Miriam. »Du wirst Mama, da bin ich mir sicher.« Sie grinste und nahm noch einmal ihre Tasse. Sie verspürte einen kleinen Stich des Neides in der Magengegend, was einfach nur dumm war. Sie selbst war immer unentschlossen gewesen, was Kinder betraf. Wenn sie ehrlich war, versetzten kleine Kinder sie in Angst und Schrecken.

Vor allem aber freute sie sich riesig für ihre beste Freundin. »Dann mal los«, sagte sie. »Lass uns reingehen und diesen Urban-Trax-Typen zeigen, was wir draufhaben.«

»Gott helfe ihnen.«

Miriam wandte sich ab und schritt auf den Konferenzraum zu. Sie fühlte sich zuversichtlich, hatte alles unter Kontrolle, so wie eigentlich immer, wenn es um die Arbeit ging. Zwar war sie keine Expertin für Outdoor-Ausrüstung, doch mit Markenentwicklung kannte sie sich aus, und sie wusste genau, was Urban Trax als Unternehmen brauchte – neue Energie, ein paar Ecken und Kanten, einen Stoß Leidenschaft.

Im Geiste entwarf sie bereits Anzeigen und Texte, in ihrem Kopf brodelte es schon vor Ideen für eine Werbekampagne im Fernsehen. Ein bisschen Understatement, ein bisschen Provokation, dazu einen Hauch Sex-Appeal und eine ordentliche Portion authentischer Wildnis. Der sexy urbane Holzfäller, der sein Bier in der Szenekneipe trank.

Ja, das war es. Die Kampagne würde die Vorstellung vermitteln, dass jeder Mann mit Urban-Trax-Produkten ein erfüllteres, besseres Leben hatte und außerdem mindestens acht Zentimeter größer ausgestattet war als der Durchschnittstyp.

Als Miriam die Tür zum Konferenzraum aufstieß, ging ihr bereits eine Radiowerbung durch den Kopf. Sie trat zwei Schritte in den Raum hinein …

… und blieb wie angewurzelt stehen.

Da, am Kopf des Tisches, saß jemand, dem der Sex-Appeal, die authentische Wildnis und der provokante sexy Holzfäller praktisch aus allen Poren strömte.

Und da sie ihn vor zwei Tagen nackt in ihrem Badezimmer gesehen hatte, konnte es auch über die zusätzlichen Zentimeter keine Diskussion geben.

»Jason Sanders …«, krächzte sie.

2

Sprachlos starrte Jason die heiße Frau mit den dunklen Locken an, deren Dusche er kürzlich mit seinem schlammbeschmierten Körper besudelt hatte. Das wortlose Anstarren wäre ihm peinlich gewesen, wenn sie nicht genau das Gleiche getan hätte.

Und wenn nicht sein Hirn von der Erinnerung geflutet worden wäre, wie sie ihm mit unverhohlener Begierde auf den Schritt gestarrt hatte.

»Äh, Miriam?«

Beim Klang der Stimme hinter ihr fuhr sie zusammen, und so gelang es ihm, die Trance abzuschütteln. Auch Miriam schien sich wieder zu fangen. Eine schlanke Frau mit dunklem, zurückgestecktem Haar gab ihr einen sanften Schub, der sie ins Zimmer beförderte.

Jason schenkte beiden ein Lächeln, dann stand er zur Begrüßung auf. »Hallo«, sagte er und streckte über den Tisch hinweg die Hand aus, um die hinzugekommene Frau zu begrüßen. Dann reichte er Miriam die Hand, die er vermutlich etwas zu lange drückte. Die Berührung fühlte sich gut an, weich und warm, und es widerstrebte ihm, ihre Hand loszulassen.

»Ich bin Jason Sanders, der neue CEO bei Urban Trax«, stellte er sich vor, obwohl sie seinen Namen gerade laut ausgesprochen hatte. Allerdings war ihr seine Position bei Urban Trax ganz offensichtlich neu, und vielleicht wollte sie so tun, als würde sie seinen Namen nur aus den Unterlagen für das Meeting kennen. Er konnte verstehen, wenn sie das cool angehen wollte. »Ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen«, fügte er hinzu.

Miriam starrte ihn an, als hätte er gerade verkündet, mit einem Hängegleiter vom Dach des Gebäudes starten zu wollen. Was eigentlich keine schlechte Idee wäre. Die Winde hier waren perfekt, er hatte keine Strommasten gesehen, er musste nur seine Ausrüstung raufschaffen, um …

»Miriam«, platzte sie heraus. »Miriam Ashley. Ich bin eine der Inhaberinnen von First Impressions.«

Die schlanke Brünette mit der Hochsteckfrisur warf ihr einen seltsamen Blick zu, dann wandte sie sich an Jason. »Und ich bin Holly Colvin, die andere Eigentümerin. Mit Ihren Kollegen haben wir die letzten Monate ja schon zusammengearbeitet, und ich freue mich, Sie endlich kennenzulernen.«

»Die Freude ist ganz meinerseits«, erwiderte Jason und gab sich im Geiste eine Ohrfeige dafür, dass er so schleimig klang. Er hielt noch immer Miriams Hand, wodurch er vermutlich nicht wie der souveräne Chef mit tadellosen Manieren rüberkam.

Er ließ sie los und setzte sich wieder hin, dann fiel ihm auf, dass er der Einzige war, der saß. Die anderen Manager waren höflich stehen geblieben und warteten wie anständige Gentlemen darauf, dass die Damen Platz nahmen. Er wollte sich gerade wieder erheben, als seine Kollegen sich hinzusetzen begannen, und plötzlich wirkte das Ganze wie eine unfreiwillige Reise nach Jerusalem.

Ein paar Kollegen aus dem Management blickten ihn erwartungsvoll an, und er fragte sich, ob er bei dem Meeting die Leitung übernehmen oder nur daran teilnehmen sollte. Das war etwas anderes als eine Schneeschuhtour, wo er genau wusste, was er zu tun hatte – sich um die Planung und die Ausrüstung kümmern und dann die ganze Truppe raus in die Wildnis führen.

Das hier war ein anderes Terrain. Das merkte er schon daran, dass er der Einzige am Tisch war, der nicht einen Laptop, ein Tablet, einen Notizblock oder etwas Ähnliches mitgebracht hatte. Na super. Wie zur Hölle hätte er wissen können, dass er sich hier Notizen machen sollte?

Er blickte zu Miriam hinüber, die ihn mit einem seltsamen Gesichtsausdruck ansah. Mit den Augen deutete sie auf die Mitte des Tischs, und für einen kurzen Moment hoffte er schon, sie würde ihm dadurch ihre Sehnsucht nach einem Stelldichein zwischen den Tischbeinen signalisieren.

Doch dann wurde ihm klar, dass sie seine Aufmerksamkeit auf einen Korb lenken wollte, gefüllt mit Notizblöcken mit dem First-Impressions-Logo und einem Haufen Kugelschreiber. Dankbar nickte ihr Jason kurz zu und griff nach einem Stift sowie einem Block mit rotem Einband. Er schlug ihn auf, etwas ahnungslos, was er hineinschreiben sollte.

»Warum fangen wir nicht mit einer kleinen Kennenlernrunde an?«, schlug Holly vor und schenkte allen am Tisch ein Lächeln. »Jason, da Sie das neueste Mitglied im Team sind, würden wir furchtbar gerne hören, wie Sie zu Urban Trax gestoßen sind.«

»Aber gerne.« Er glättete sein Jackett, zu dem ihn seine Schwester genötigt hatte. Es fühlte sich steif und viel zu heiß an, aber jetzt, wo er sah, wie sich die anderen ausstaffiert hatten, war er froh darum. Der Marketingleiter neben ihm nickte ihm aufmunternd zu.

»Okay, also, während der letzten zehn Jahre habe ich ein Unternehmen für Abenteuertouren geleitet, es heißt Adrenaline Rush«, erklärte Jason. »Wir bieten alles an, von Bungeespringen und Wildwassertouren mit dem Kajak bis zu zahmeren Sachen wie Schneeschuhwanderungen und Ziplining.«

»Mister Sanders hat das Unternehmen selbst gegründet«, rühmte ihn der Marketingleiter, und Jason machte sich im Geiste eine Notiz, dem Typ einer Gehaltserhöhung zu geben. Pete? Pete Marshall, so hieß er. Er sprach noch immer, also hielt Jason den Mund und ließ Pete seine Loblieder singen. »Unter Mister Sanders’ Führung ist das Unternehmen von einem kleinen Drei-Mann-Start-up zu einer Marke geworden, die mit sechshundert Angestellten und zwölf Zweigstellen in acht der westlichen Bundesstaaten operiert.«

»Das war ausschlaggebend, warum ihm die Firma die Leitung übertragen hat«, fügte Rex Rutherford, der Finanzdirektor, vom anderen Ende des Tischs hinzu. »Wir haben ja schon darüber geredet – der Aktienkurs von Urban Trax ist während der letzten beiden Jahre erheblich abgesackt. Unsere Hoffnung ist es, dass Mister Sanders der Firma neue Impulse gibt.«

Der Operation Manager – war das Darrin Johnson? – nickte ihm knapp zu. »Wir sind zuversichtlich, dass ihm das gelingen wird.«

»Da haben Sie verdammt recht«, bestätigte Jason, bevor ihm in den Sinn kam, dass er sein erstes Meeting vielleicht besser nicht mit derben Ausdrücken eröffnen sollte. Niemand schien daran Anstoß zu nehmen, doch sie sahen ihn alle an, als wäre er eine Art seltsamer Vogel, der gerade in den Raum geflattert war und bei dem sie sich noch nicht sicher waren, ob er sich artig auf einen Zweig setzen oder auf den Tisch kacken würde.

Und vielleicht strich er auch besser gleich Ausdrücke wie »kacken« aus seinem Wortschatz.

Er sah wieder Miriam an, in der Hoffnung, dass sie ihn vielleicht vor sich selbst retten konnte. Sie schenkte ihm ein Lächeln, bei dem er sich unwillkürlich fragte, wie es sich anfühlen würde, mit den Händen über ihren nackten Körper zu fahren, und dann versuchte er sich daran zu erinnern, worüber sie zur Hölle gerade geredet hatten.

»Also, Mister Sanders«, hob sie an, doch Jason unterbrach sie.

»Gibt es eine Chance, dass ihr Leute mich vielleicht Jason nennen könntet?«, fragte er. »Wenn Sie ›Mister Sanders‹ sagen, dann schaue ich mich automatisch nach meinem Vater um, ob der mir vielleicht gleich den Hintern versohlt, weil ich eine Zeltstange verloren oder das Schneemobil geschrottet habe oder sonst was. Bitte, nennen Sie mich Jason.« Er lächelte in die Runde, um zu zeigen, dass er es nicht böse meinte.

Alle blickten ihn leicht verwirrt an.

Alle außer Miriam, die ihn ebenfalls anlächelte und an einem Stift herumspielte, worauf ihm durch den Kopf schoss, was sie wohl sonst mit diesen Händen anstellen konnte.

»Jason.« Sie hielt Blickkontakt, während sie mit qualvoller Langsamkeit den Stift zwischen den Fingern hin und her rollte. »Hatten Sie schon eine Gelegenheit, sich ein paar der Konzepte anzuschauen, die First Impressions vor Ihrer Ankunft mit dem Urban-Trax-Management entwickelt hat?«

»Hab ich«, sagte er und nickte leicht, während er seinerseits den Blick hielt.

»Und?«

Jason räusperte sich und fragte sich, ob er offen seine Meinung sagen sollte oder sich an seinem ersten Tag vielleicht besser zurückhielt.

Die haben dich angeheuert, damit du deine Meinung sagst, du Trottel. Da fängst du am besten gleich damit an.

»Wenn ich ehrlich bin«, sagte er, »finde ich sie scheiße.«

Miriam starrte ihn an. »Wie bitte?«

»Nicht die Arbeit selbst«, sagte er und verfluchte sich insgeheim, dass er sich wie ein Arschloch aufführte. Du lieber Himmel, das hätte er auch etwas höflicher rüberbringen können.

Aber es musste gesagt werden, also konnte er das Unvermeidliche auch gleich übernehmen.

»Hören Sie, es ist klar, dass First Impressions phänomenale Arbeit leistet«, sagte er. »Ich stelle hier nicht das Talent oder die Fähigkeiten von irgendjemand infrage.«

»Was stellen Sie denn dann infrage?« Miriams Tonfall war überraschend beherrscht, und sie wirkte nicht verärgert, was er mal als gutes Zeichen wertete. Nur ein leichtes Funkeln sah er in ihren Augen. Vermutlich der Stolz auf ihre Arbeit, was er gut nachfühlen konnte.

»Ich bin mir sicher, Sie haben exakt das geliefert, worum Sie das Management von Urban Trax gebeten hat«, sagte er. »Und ich bin mir sicher, andere Anbieter von Outdoor-Artikeln wären davon begeistert. Verdammt, wahrscheinlich war auch Urban Trax begeistert.«

»Waren Sie«, bestätigte ihm Miriam, die ihn immer noch unverwandt ansah.

»Das ist auch nur gerechtfertigt. Aber die Kampagne erscheint mir ein bisschen zu … ich weiß nicht … versnobt. Meine Kollegen können mich korrigieren, wenn ich falschliege, aber ich wurde doch angeheuert, um den Laden ein bisschen aufzumischen.«

Dem Marketingleiter war sichtlich unwohl, doch er nickte. »Wir würden das lieber als ›vom Status quo abweichen‹ bezeichnen.«

»Von mir aus.« Jason rieb sich über das Kinn, was ihm in Erinnerung rief, dass er heute Morgen vergessen hatte, sich zu rasieren. Und am Morgen davor. Und am Morgen davor.

»Also, wenn ich das richtig verstehe«, sagte Miriam, »dann hätten Sie anstelle der gefälligen Kampagne, die Urban Trax bisher nach dem Motto ›Hätten-Sie-nicht-auch-gerne-einen-Millionen-Dollar-Rucksack‹ gefahren ist, gerne etwas, das ein bisschen dreckiger ist.«

»Dreckiger«, wiederholte Jason, und seine Gedanken gerieten kurz auf Abwege. »Ja, so könnte man es ausdrücken.«

Miriam nickte, den Blick immer noch auf ihn gerichtet. »Ich stimme Ihnen zu.«

Jason blinzelte. »Ach, wirklich?«

»Ja.« Sie legte den Stift beiseite und stützte sich auf der Tischplatte ab. »Tatsächlich haben wir, wie sich Ihre Kollegen vielleicht erinnern können, bei unserem ersten Meeting im Oktober etwas in der Art vorgeschlagen.«

Am Rand seines Gesichtsfelds nahm Jason wahr, wie die Manager auf ihren Stühlen herumrutschten, doch er blickte weiterhin Miriam an.

»Haben Sie den Vorschlag noch?«, fragte er.

»Haben wir«, erwiderte Miriam. »Damals, zu Beginn unserer Arbeit, habe ich ein paar neue Logos und Anzeigenkonzepte skizziert, die ich problemlos noch mal raussuchen könnte.«

Ein unbehagliches Raunen ging durch den Raum, und Jason blickte sich in seinem Managementteam um. Der Finanzdirektor runzelte die Stirn und zappelte so nervös herum, dass Jason sich schon fragte, ob dem kleinen Frettchen irgendwelches Ungeziefer in den Arsch gekrabbelt war.

Mit einem Räuspern wandte sich der Mann an Holly. »Das Meeting ist doch vertraulich, oder?«

»Natürlich, Rex«, antwortete sie, ohne mit der Wimper zu zucken. »Alle unsere Meetings sind vertraulich. Möchten Sie uns etwas sagen?«

Rex klappte seinen Laptop zu und sah mit strenger Miene in die Runde. »Lassen Sie uns nicht um den heißen Brei herumreden. Seit drei Quartalen hat Urban Trax massive finanzielle Verluste erlitten, und nach dem ganzen Skandal wegen der Veruntreuung sind unsere Aktien ziemlich in den Keller gegangen.«

»Es tut mir leid, das zu hören«, sagte Holly.

Miriam faltete die Hände auf dem Tisch und sah ein bisschen so aus, als wollte sie jemanden schlagen.

Jason konnte es ihr nachfühlen.

Rex fuhr mit seiner Rede fort. »Der Vorstand bereitet sich darauf vor, im nächsten Quartal zweihundert Stellen zu streichen, wenn wir das Ruder nicht herumreißen können. Das ist vielleicht keine gute Zeit für wilde Experimente mit der Marke.«

Jason öffnete schon den Mund, um dem Mann zu sagen, er solle seinen Kopf aus dem Arsch ziehen, doch Miriam kam ihm zuvor. »Bei allem Respekt, Sir, das ist genau der richtige Zeitpunkt für ein Rebranding. Die Firma braucht frisches Blut, neue Ideen, neue Ansätze. Ein Signal an Ihre Kunden, dass hier etwas passiert.«