New Normal Marketing - Ruben Mosblech - E-Book

New Normal Marketing E-Book

Ruben Mosblech

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Beschreibung

In einem hochdynamischen und komplexen Umfeld steht insbesondere das Marketing vor sich ständig wandelnden Anforderungen. Wie kann es Trends erkennen und agieren, um nicht den Anschluss zu verlieren und neue Wettbewerbsvorteile für zukünftiges Wachstum zu entwickeln? Ruben Mosblech, Lucas Sauberschwarz, Sebastian Vieregg und Lysander Weiß beleuchten, welche Fähigkeiten eine resiliente Marketingorganisation benötigt, um in Zeiten hoher Unsicherheit erfolgreich zu sein. Anhand wissenschaftlich fundierter Methoden, direkt anwendbarer Tools und zahlreicher Praxisbeispiele werden Marketing- und Unternehmensverantwortliche dazu befähigt, Lücken und Potenziale in der eigenen Marketingorganisation zu analysieren und zu adressieren. Damit nimmt das Marketing eine kritische Rolle für den zukünftigen Erfolg des Unternehmens ein und wird zum Vorreiter einer resilienten Organisation. Inhalte: - Unsicherheit als Herausforderung und Chance für Marketingorganisationen - Resilienz als Antwort auf hohe Unsicherheit & Dynamik im Geschäftsumfeld - Dynamische Fähigkeiten für eine resiliente Marketingorganisation - Konkrete Stellhebel zur Etablierung und Anwendung dynamischer Fähigkeiten - Veränderung der Marketingorganisation hin zu dauerhafter Anpassungsfähigkeit - Zahlreiche Praxiskommentare  aus führenden UnternehmenDie digitale und kostenfreie Ergänzung zu Ihrem Buch auf myBook+: - Zugriff auf ergänzende Materialien und Inhalte - E-Book direkt online lesen im Browser - Persönliche Fachbibliothek mit Ihren BüchernJetzt nutzen auf mybookplus.de.

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Inhaltsverzeichnis

InhaltsverzeichnisHinweis zum UrheberrechtmyBook+ImpressumAbbildungsverzeichnis1 Die transformative Kraft der Unsicherheit1.1 Dauerhafter Wandel – eines der prägendsten Merkmale unserer Zeit1.2 Die transformative Dynamik der Digitalisierung1.3 Quo vadis Marketing? Künstliche Intelligenz und Automatisierung2 Resilienz als Antwort auf Unsicherheit2.1 Unternehmerische Resilienz in Zeiten der Unsicherheit2.2 Resilientes Marketing dank organisationaler Agilität2.3 Dynamische Fähigkeiten als Basis für ein resilientes Marketing2.3.1 SCOPING: Raus aus dem Schatten!2.3.2 CONFIGURING: Wo wir sind, ist vorne!2.3.3 SENSING: Licht ins Dunkel bringen!2.3.4 SEIZING: Nicht lange fackeln!2.3.5 TRANSFORMING: Jetzt aber los!3 Organisatorisches Design einer resilienten Marketingorganisation3.1 Definierter strategischer Handlungsrahmen für ein resilientes Marketing3.1.1 Vision und Mission: Alles klar – oder nicht?3.1.2 Die Marke: Fels in der Brandung der Unsicherheit3.1.2.1 Der »Zero Moment of Truth«3.1.2.2 Primäre Markenelemente als Träger der expliziten und faktenbezogenen Botschaft3.1.2.3 Sekundäre Elemente als Determinanten einer impliziten und emotionalen Botschaft3.1.3 Strategische Ziele: spezifiziert für das Marketing3.2 Agile Steuerung des Marketingportfolios3.2.1 Das Entscheidungsparadox3.2.2 Effektive Entscheidungen bei hoher Unsicherheit3.2.3 Von linearer zu agiler Steuerung3.2.4 Gemeinsames Zielsystem als Grundlage zur agilen Steuerung3.2.5 Entwicklung eines strategischen Entscheidungsframeworks3.2.6 Dynamische Priorisierung und Ressourcenallokation3.2.7 Systematischer Steuerungsprozess3.2.8 Einführung und Anwendung des agilen Steuerungssystems3.3 Systematische Methoden und Prozesse für einen reibungslosen Ablauf3.3.1 Marketing trifft Innovation3.3.2 Systematischer Entwicklungsprozess für neue Marketingaktivitäten3.3.2.1 Focus – Welche Entwicklungen gibt es und wie können diese erschlossen werden?3.3.2.2 Discover – Welche Bedürfnisse sind relevant, unzureichend befriedigt und können adressiert werden?3.3.2.3 Design – Welche Marketingaktivitäten sind möglich und können die Ziele erreichen?3.3.2.4 Incubate – Welche ausgewählten Marketingaktivitäten sind attraktiv, wirtschaftlich, umsetzbar und nachhaltig?3.3.2.5 Implement – Wie können die Marketingaktivitäten für den maximalen Effekt effizient umgesetzt und skaliert werden?3.3.3 Skalierung und dauerhafte Optimierung umgesetzter Marketingaktivitäten3.4 Vernetzte Strukturen und Schnittstellen im Umfeld der Organisation3.4.1 Ambidextrie: Anpassungsfähig und zielgerichtet3.4.2 Vernetzung: Interne und externe Schnittstellen3.4.2.1 Horizontale Schnittstellen mit anderen Einheiten & Funktionen im Kerngeschäft3.4.2.2 Vertikale Schnittstellen mit Management & Strategie-/Innovationsabteilung3.4.2.3 Externe Schnittstellen mit dem Ökosystem3.4.3 Agilität: Crossfunktionale Projektorganisation3.4.4 Etablierung der ambidextren, vernetzten Organisationseinheit3.5 Unterstützende Daten und IT-Systeme für das resiliente Marketing3.5.1 Konzepte und Anwendungen im digitalen Marketing3.5.1.1 Die Welt der Marketingdaten3.5.1.2 Die Verwendung von Daten3.5.1.3 IT-Infrastruktur und Datenplattform als Basis – die Customer Journey als Nordstern3.5.1.4 AdTech & MarTech3.5.2 Data Analytics und Messbarkeit im crossfunktionalen Kontext3.5.3 Ausblick: Die Zukunft des digitalen Marketings mit künstlicher Intelligenz (KI)3.6 Eine befähigende Kultur für zukunftsfähige Kompetenzen3.6.1 Skills und Kompetenzen der Zukunft3.6.2 Hard und Soft Skills für resiliente Marketingorganisationen3.6.3 CMOs im digitalen Zeitalter3.6.4 Hochleistungsumfeld für agiles Arbeiten in resilienten Marketingorganisationen3.6.4.1 Schaffung eines optimal befähigenden Arbeitsumfeldes3.6.4.2 Positive Unternehmens- und Führungskultur3.6.4.3 Effektive Zusammenarbeit4 Der Weg zur resilienten Marketingorganisation4.1 Schritt 1: Analyse4.2 Schritt 2: Design4.3 Schritt 3: Implementierung4.4 Schritt 4: Anwendung: Dauerhafter Erfolg im digitalen ZeitalterDie Kraft der ständigen Weiterentwicklung – ein AusblickDankeQuellenverzeichnisIhre Online-Inhalte zum Buch: Exklusiv für Buchkäuferinnen und Buchkäufer!Stichwortverzeichnis

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ISBN 978-3-648-17396-1

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Ruben Mosblech/Lucas Sauberschwarz/Sebastian Vieregg/Lysander Weiss

New Normal Marketing

1. Auflage 2024

© 2024 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg

www.haufe.de

[email protected]

Bildnachweis (Cover): ©Tiberius Hehn

Produktmanagement: Kerstin Erlich

Lektorat: Juliane Sowah

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

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Sollte dieses Buch bzw. das Online-Angebot Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte und die Verfügbarkeit keine Haftung. Wir machen uns diese Inhalte nicht zu eigen und verweisen lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Evolutionsstufen des Marketings

Abb. 2: Rumsfeld-Matrix

Abb. 3: Von reaktiven Reflexen zu proaktiven Prinzipien

Abb. 4: Komplexität/Unsicherheit-Matrix

Abb. 5: Dynamische Fähigkeiten für ein resilientes Marketing

Abb. 6: Stellhebel zur Installation einer resilienten Marketingorganisation

Abb. 7: Unternehmensvision und -mission

Abb. 8: Spannungsfeld zwischen wertgetriebenem und zweckgetriebenem Marketing

Abb. 9: Positionierung im dynamischen Umfeld

Abb. 10: Emotionale Attribute einer Marke

Abb. 11: Die zwei Konzepte von »Command and Control« (Quelle: Denning, 2013)

Abb. 12: Portfoliomatrix (Beispiel)

Abb. 13: Systematischer Steuerungsprozess

Abb. 14: Reifegrad-Modell

Abb. 15: Quadruple Diamond – systematischer Entwicklungsprozess für Marketingaktivitäten

Abb. 16: Test&Learn-Framework

Abb. 17: Korrelation von Ambidextrie und Erfolg von Organisationseinheiten

Abb. 18: Vernetzte Marketingorganisation

Abb. 19: Dual-Track-Ansatz von CarMax

Abb. 20: Crossfunktionale Projektorganisation

Abb. 21: Customer Data Platform – zentrale Orchestrierung-Analytik5

Abb. 22: 56 Skills der Zukunft

Abb. 23: Future Skills (World Economic Forum)

Abb. 24: Hochleistungsumgebung für agiles Arbeiten (Birkinshaw &Gibson, 2004)

Abb. 25: Sieben Dimensionen des optimalen Arbeitsumfelds aus »NewWorkPlaybook«

Abb. 26: Leadership Framework von Weiss

Abb. 27: Faktoren eines funktionierenden Teams (Duhigg, 2016)

Abb. 28: Phasenmodell der Transformation zur resilienten Marketingorganisation

Abb. 29: Capability Check für resiliente Marketingorganisationen

Abb. 30: Stellhebel – relevante Fragen

1 Die transformative Kraft der Unsicherheit

Die Zeiten der Selbstgewissheit sind vorbei. Was vormals für selbstverständlich gehalten wurde, verliert mehr und mehr seine Gültigkeit – an den Menschen nagt stattdessen das ungute Gefühl, dass alles irgendwie in Fluss geraten, die eigene, ­gesellschaftliche und wirtschaftliche Stabilität ein Spielball der Zeitläufe geworden ist. Eine Prognose, was die Zukunft bringen wird, erscheint unmöglich, auch eigentlich undenkbare Ereignisse werden klammheimlich mit Wahrscheinlichkeiten versehen. Unsicherheit bestimmt Alltag und Planungen. Die einen fühlen sich davon gelähmt, die anderen beflügelt und elektrisiert, entschlossen, die transformative Kraft dieser Ungewissheit zu bündeln und für sich zu nutzen.

Insbesondere seit Beginn der Digitalisierung ist unsere Welt von einer rasend schnellen Entwicklung der technologischen Möglichkeiten geprägt. In immer schnellerer Abfolge entstehen Trends, Chancen und Risiken, die mit einer Mischung aus Begierde und Skepsis Eingang in unser tägliches Leben finden.

Gleichzeitig wird es für jede Person immer schwieriger einzuschätzen, was der nächste Tag bringen wird. Vormals rational kaum für möglich gehaltene Ereignisse, die einen gewaltigen Einfluss auf das direkte persönliche Umfeld und die gesamte Welt haben, passieren in immer kürzeren Abständen: Bankenkrise, Brexit, Angriff auf Demokratien durch autokratische Machthabende, Pandemie, Krieg oder Klimakrise tragen dazu bei, dass ein globales Gefühl der Unkalkulierbarkeit – und damit der Unsicherheit – vorherrscht.

Die Welt ist von einer Dynamik und Komplexität erfasst, die jegliches Agieren unsicher erscheinen lässt. In genau dieser Unsicherheit müssen Unternehmen trotzdem Strategien erkennen und verfolgen, die ihre Kundschaft erfolgreich im Fokus halten, um am Markt relevant zu sein, Umsatz zu machen und Gewinne zu generieren. Wenn sie nicht zu der Handvoll Unternehmen gehören, denen ihr Angebot aufgrund ihrer Einzigartigkeit oder Begehrlichkeit aus den Händen gerissen wird oder zu den wenigen weiteren, die aufgrund ihrer Systemrelevanz für die Gesellschaft nicht auf die Rendite schauen, müssen Produkte und Services immer noch angepriesen und vermarktet werden.

Wie können Marketingorganisationen, die sich stets als Vorreiter in ihren Unternehmen betrachten und sich zum Ziel setzen, Trends zu gestalten und zu erkennen, verhindern, dass sie den Anschluss verlieren und sicherstellen, dass sie mit dem rasch wachsenden Tempo und der exponentiell wachsenden Komplexität mindestens Schritt halten (Kapitel 1)? Welche Fähigkeiten muss eine Marketingorganisation haben, um diese Vorreiterrolle erfolgreich auszuführen (Kapitel 2) und an welchen Stellhebeln kann sie arbeiten, um in der sich etablierenden Unsicherheit dauerhaft und weitsichtig Chancen zu erkennen und umzusetzen (Kapitel 3)? Es ist Zeit für eine Neubetrachtung des Marketings als strategisch essenzieller Bereich des Unternehmens.

Genderhinweis: In dieser Publikation wird eine geschlechtergerechte Sprache verwendet. Dort, wo das nicht möglich ist oder die Lesbarkeit stark eingeschränkt würde, gelten die gewählten personenbezogenen Bezeichnungen stets für alle Geschlechter.

1.1 Dauerhafter Wandel – eines der prägendsten Merkmale unserer Zeit

Die Marketingorganisationen der Unternehmen waren in der Vergangenheit fast ­immer für ihren Erfindungsreichtum bekannt. Gerade die Fähigkeit, relevante Entwicklungen oder Trends zu erfassen und mit smarten, kreativen Ideen und Aktivitäten zum Wohle des eigenen Geschäfts zu nutzen, haben den teils mystischen Ruf des Marketings als Avantgarde der Unternehmen beflügelt. Seit den ersten Werbeformen ist es Marketers immer wieder gelungen, sich und ihre Disziplin den Gegebenheiten der Umwelt und Märkte anzupassen und neue Evolutionsstufen zu zünden.

Dass Produkte oder Dienstleistungen besser verkauft werden können, wenn sie Kunden und Kundinnen möglichst begehrenswert vermittelt werden, ist keine neue Erkenntnis. Schließlich wurde die erste Litfaßsäule bereits 1854 aufgestellt, Plakate und Zeitungen existierten zu diesem Zeitpunkt schon und mit der Entdeckung der Elektrizität wurde bald auch die Leuchtreklame möglich. Immer neue Medien und Optionen wurden auf den noch jungen Werbemarkt geworfen, wenn auch in einem überschaubaren Tempo, welches Werbetreibenden erlaubte, mit der Geschwindigkeit der Weiterentwicklungen fertig zu werden.

Mitte des vergangenen Jahrhunderts nahm die Geschichte des Marketings signifikant Fahrt auf. In der Phase nach dem Zweiten Weltkrieg standen noch das Produkt und seine Eigenschaften im Mittelpunkt der Vermarktung. Es genügte den Marketers, die 4 P – Produkt, Preis, Platzierung und Promotion – in einen sinnhaften strategischen Kontext zu setzen, um eine Marketingstrategie zu entwickeln. Die Bewerbung des Produktes fand quasi unter Verzicht auf eine Analyse der tiefergehenden Wünsche der ZielgruppenZielgruppe statt. Solange die einzig verfügbare Dosenmilch – wie im Werbeprospekt des Lebensmitteleinzelhandels versprochen – am richtigen Regalplatz für einen vernünftigen Preis zur Verfügung stand, nahm man den Abverkauf als quasi unvermeidlich an. Das Verständnis der Zielgruppen erschöpfte sich vielfach in der Kenntnis der demografischen Merkmale, die lediglich grundlegendste Segmentierungen beispielsweise nach Alter und Geschlecht zuließen.

Diese sehr produktzentrierte Vermarktungsphase konnte nur so lange erfolgreich sein, bis immer mehr – beziehungsweise überhaupt – Wettbewerb unter intensiv konkurrierenden Anbietenden stattfand und an Härte und Intensität zunahm. Die steigende mediale Transparenz der Produkteigenschaften verlangte nach einer Emotionalisierung des Markenauftritts. Die bessere Kenntnis des Wettbewerbs und des Angebots durch mündige und besser informierte Kundschaft erforderte ein tieferes Verständnis der Motivationen, Einstellungen und Bedürfnisse. Marken begannen sich also für die Menschen hinter »der Kundschaft« zu interessieren, kreatives Marketing wurde zu einem wichtigen Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb. Die Soziodemografie begann in den 1970er-Jahren die soziale Lage und Einstellungen zu erfassen und legte einen besonderen Fokus auf die Sinus-Milieus, die seit den frühen 1980er-Jahren immer mehr Beachtung fanden. Die großen Werbeagenturen als zentrale Quelle der Kreativität in der Werbung standen zu dieser Zeit in voller Blüte.

Wenn in der ersten Phase des Marketings das Produkt im Mittelpunkt der Bemühungen zur Vermarktung stand, geriet nun die MarkeMarke und deren Entwicklung selbst in den Fokus der Marketers, um Käufer für die eigenen Produkte zu begeistern und sie aufgrund des eigenen Images zu binden. Marken wurden mit Attributen aufgeladen, um Entscheidungen in einer Welt der Multioptionalität mit immer weiter steigendem Angebot einfacher zu machen und für sich selbst zu beeinflussen. Dabei war die Marke nicht mehr nur Unternehmenslogo und die Kommunikation des Zwecks der Geschäftstätigkeit. Stattdessen war das ultimative Ziel, einen Gesamteindruck der Marke bei den Menschen entstehen zu lassen, die die angebotenen Produkte und Dienstleistungen noch begehrlicher werden lassen sollten. Neben dem eigentlichen Zweck der Marke und der relativen Positionierung des angebotenen Portfolios im Wettbewerbsumfeld gewann die Definition und Ansprache der ZielgruppeZielgruppen und deren Bedürfnisse, Wünsche und Insights immer mehr an Bedeutung. Zudem wurde die Käuferschaft zunehmend seziert, auch in deren Kontext konnte es verschiedene Charaktere – Personas – geben, die mitgedacht werden mussten.

Neben diesen expliziten Elementen für die Markendefinition flossen aber nun auch sekundäre, implizite Elemente in den Markenbildungsprozess mit ein, die die Art und Weise des Auftritts, die Tonalität und Inhalte der Kommunikation wie auch die Werte und Haltung der Marke als Ganzes für die Empfangenden der Botschaften spürbar machen sollten: Markencharakter, -werte und -treiber sind seitdem Bestandteil der vielen vorhandenen Modelle zur Markendefinition. Insgesamt wurde so eine Marke oder ein Markenimage produziert und kommuniziert, das von Verbrauchenden als glaubwürdig, authentisch und begehrlich wahrgenommen werden sollte, um so dem Unternehmen einen nachhaltigen Vorteil im Wettbewerb zu verschaffen. Da eine Marke nicht über Nacht entstand, sondern es viele Jahre dauern und Geld kosten konnte, ist die Marken-DNA bis heute der heilige Gral der Marketingfunktion im Unternehmen. Die Übersetzung der von den Marketers definierten Marke und ihrer Strategie in ­passende Kommunikationsmittel war und ist ungeachtet der jeweils aktuell verfügbaren oder angesagten Medien der ultimative Daseinszweck einer Marketingfunktion.

Nach dem Aufstieg des Fernsehens zum Massenmedium dauerte es in Deutschland bis Mitte der 1980er-Jahre, bis mit den Sendelizenzen für RTL und SAT.1 wieder mehr Bewegung in den Werbemarkt kam. Private TV-Sender finanzierten sich über Werbeeinnahmen und machten auch nicht davor halt, dafür Filme an den spannendsten oder unmöglichsten Stellen zu unterbrechen. In immer neuen Sendern konnten Zielgruppen je nach Verhalten und Vorlieben gezielt mit Werbung angesprochen werden. Marketers richteten sich bei der Suche nach dem sinnvollsten Mix an Mediaagenturen, um die größtmögliche und vermeintlich effektivste und effizienteste Reichweite unter den definierten Zielgruppen für das verfügbare Budget zu erreichen. Zuschauende waren nicht mehr dazu verurteilt, das Programm nur dreier Sender zu konsumieren, die Wahlfreiheit fand an der Fernbedienung Einzug. Neue Sendeformate wurden produziert, ganze Sender komplett auf Kommerz und Abverkauf ohne jeglichen Anspruch an die intellektuelle Qualität der Inhalte ausgerichtet.

Die »Above-the-Line«-Medien – im Wesentlichen TV, Radio, Print und Out-of-Home (Außenwerbung) – waren für die ehrgeizigen Marketers der strahlendsten Konsumgüterunternehmen das relevante und prestigeträchtigste Handlungsfeld, das A und O. In hochrangig besetzten Meetings mit den beauftragten renommierten Werbeagenturen wurde das Hochamt der Marketingverantwortlichen der großen Konsumgüterhersteller wie Procter & Gamble, L’Oréal, Mars oder Beiersdorf zelebriert. Dann saßen sich die Marketing- und Kreativchefs und -chefinnen von Industrie und Agentur gegenüber und diskutierten, interpretierten und verhandelten über Inhalte, Ideen und Product Values. Das »Gespür« dafür, »was gut beim Kunden ankommt«, war ein wesentliches Entscheidungskriterium.

Daten wurden zwar herangezogen, um die eigenen Argumente zu belegen, deren überschaubare Vielfalt und Verfügbarkeit machte daraus abgeleitete relevante Erkenntnisse jedoch eher selten. Qualitative Marktforschung war eine wesentliche Erkenntnisquelle, Fokusgruppen oder Concept&Use-Tests lieferten zweifelhafte Informationen, die mangels ausreichender Stichprobengröße mit reichlich Vorsicht genossen werden mussten – beziehungsweise hätten werden müssen. In mehreren Abstimmungsschleifen trieb man die Entwicklung von Werbemitteln voran – ein Prozess, der angesichts der relativ großen Summen für die Drehs an exotischen Orten oder neuesten technischen Gimmicks in den Spots heute ziemlich abenteuerlich ­erscheinen. Ein gesundes Misstrauen der Finanzfunktionen innerhalb der Unternehmen gegenüber Marketingkampagnen war die Folge. War der Dreh in Südafrika wirklich die sinnvollste Alternative und musste es tatsächlich unbedingt diese (teure) Schauspielerin als Testimonial sein? Diese aufkommende skeptische Grundhaltung der Marketingfunktion gegenüber hält teils bis heute noch in etablierten Unternehmen an.

Mit immer intensiverem Wettbewerb in immer gesättigteren Märkten wurde die Neukundenakquise zu einem teuren Unterfangen. Der Grenznutzen von weiteren Werbespots für Aufmerksamkeit sowie Brand- und Imagepflege wurde in Frage gestellt. Ständig steigende Opportunitätskosten rückten so die Beziehungspflege zur ­bestehenden Kundschaft in den Fokus der Marketers. Diese Aufgabe des Beziehungsmanagements wurde unter dem Begriff des Customer Relationship Management (CRM)Customer Relationship Management (CRM) ein wichtiges Anliegen, um das Marketing effizienter und kostengünstiger aufzustellen. Dabei war das CRM noch in den 1990er-Jahren eher verpönt und nicht selten in einer eigenen, meist vertriebsnahen Unterabteilung zusammengefasst. Statt Kreativität war die trockene Analyse von Daten gefragt, die auch noch mühsam aus unterschiedlichsten Quellen zusammengesucht werden mussten. Nichts ging auf Knopfdruck. Ab Ende der 1990er-Jahre wurden verschiedene Quellen wie Abverkaufsdaten oder Informationen aus Interaktionen, die früher in separaten Datenbanken verstreut lagen, von Softwarelösungen für das CRM zusammengefasst, um Zielgruppen präziser zu segmentieren und in der Vermarktung besser ansteuern zu können.

Seitdem hat die Digitalisierung immer neue Informationsquellen wie auch Absatzkanäle eröffnet, die im Marketing-Mix und im Budget berücksichtigt werden müssen. Wann genau die DigitalisierungDigitalisierung im Marketing zur dominierenden Größe geworden ist, ist schwer zu bestimmen. Die erste Werbung auf Facebook oder YouTube lässt sich auf die Jahre 2006 und 2007 datieren. Bereits zu Beginn des Jahrtausends revolutionierte Google den Markt für Internetsuche, der zuvor von Webportalen wie Yahoo, MSN und Lycos dominiert wurde. Googles minimalistisches Design und die algorithmische Bewertung setzten den Grundstein für einen kometenhaften Aufstieg. Dank des PageRank-Algorithmus, der die Verlinkungsstruktur im Internet berücksichtigt hat, konnte Google nicht nur eine verbesserte Benutzererfahrung bieten, sondern auch signifikant bessere Suchergebnisse erzielen. Heute bestimmt Google mit etwa drei Milliarden Suchanfragen pro Tag den weltweiten Suchmaschinenmarkt. Das Beispiel zeigt: Die Reichweite und Dominanz der größten Internetplayer und Vermarktungsplattformen macht diese heute zwangsläufig zu einem zentralen Aufgabenfeld der Marketingorganisationen. Die gigantische Flut an Daten, die Marketers heute zur Verfügung stehen, machen kosten- und kennzahlenorientiertes Performance-MarketingPerformance-Marketing erst möglich! Dabei steht im Fokus, messbare Ergebnisse und konkrete Leistungskennzahlen zu ­erzielen und sämtliche Bemühungen und Budgets auf diejenigen Kanäle zu fokussieren, die nachweislich positive Ergebnisse erzielen. Dies wird durch die Auswertung von Daten und Kennzahlen ermöglicht, die in digitalen Marketingkampagnen gesammelt werden. Allerdings ist dies nur ein Aspekt der tiefgreifenden Veränderungen, die die Dynamik der Digitalisierung mit sich bringt.

Abb. 1:

Evolutionsstufen des Marketings

Kommentar Christoph Weber, CMO Bitburger Braugruppe

»Die Rolle des Marketings ist wichtig, vielleicht ist sie die strategischste Rolle im Unternehmen überhaupt. Während andere Abteilungen oftmals an kurzfristigen KPIs bemessen werden, ist die Anforderung an das Marketingteam, die mittel- bis langfristigen Wachstumspläne für die Marken des Unternehmens zu entwickeln. Diese langfristige Perspektive sollte alle Wachstumshebel des Marketing Mixes betrachten, um langfristig Marktanteile zu gewinnen und die Markenstärke zu steigern«, konstatiert Christoph Weber, CMO der Bitburger Braugruppe, der im Anschluss an eine 15-jährige Karriere bei Mars erst vor kurzem zu Bitburger gewechselt ist.

»Unternehmen, die in der Vergangenheit früh das Potenzial neuer Plattformen erkannt und ihr Marketing darauf ausgerichtet haben, haben darüber langfristig Wettbewerbsvorteil aufbauen können. Das war schon in den 1950er-Jahren so, als Procter & Gamble, Kraft und Unilever das Potenzial des Mediums Fernsehen früher erkannt haben als andere – die Verbrauchenden haben das Fernsehen damals schneller angenommen als Unternehmen es für sich als Werbekanal entdeckt haben. Diese drei Unternehmen waren dann Vorreiter der ersten FMCG-Unternehmen (Anm.: Fast Moving Consumer Goods), die über Fernsehwerbung Brand Building betrieben haben. Dieser Wettbewerbsvorteil hat viele Jahre gehalten. Das Ganze hat sich dann 2007 mit der Einführung des iPhones de facto wiederholt: die ›Consumer Adoption‹ war viel schneller als das Investment der Unternehmen in Mobile-First Advertising. Es gab keine Evidenzen für die Effektivität der neuen Plattform als Werbekanal. Bei den Marketingverantwortlichen hat der Mut gefehlt, weil evidenzbasiertes Marketing ein gut etablierter Standard war. Der Impact von TV-Werbung war messbar und nachvollziehbar – das galt am Anfang für Internetplattformen wie beispielsweise Facebook und Instagram nicht. Wieder waren einige wenige Unternehmen schneller und mutiger als andere und haben zuerst investiert und die neue Chance ergriffen!«

Eine Marketingorganisation, die den Erfordernissen von hoher Dynamik bei großer Unsicherheit gerecht wird, braucht deshalb auch die Fähigkeit, neue Chancen zu identifizieren und zu ergreifen. Auch die Anforderungen und Rollenbeschreibungen in den Marketingabteilungen haben sich im Zuge der technologischen Weiterentwicklung an die neuen Gegebenheiten gewandelt.

»Vor dem Aufkommen des Internets war der Brand Manager bei den etablierten Konsumgüterunternehmen immer so eine Art Mini-Geschäftsführer und Marketing eine eher generalistische, ziemlich gut planbare Aufgabe. Mit dem kontinuierlichen Aufkommen neuer Medien und Plattformen gab es dann auf einmal die Notwendigkeit, ständig neue Kompetenzen und neues Know-how aufzubauen. Das verlangt einen neuen Typus an Manager und eine neue Agilität der Organisation. Mit der Digitalisierung hat man sich zum Beispiel auf mehr Spezialisierung besonnen, digitale Einheiten wurden gegründet. Der Trend ging dahin, wenige Generalisten und viele Spezialisten zu haben – sowohl in den internen Teams, als auch bei den Agenturen. Nicht mehr das eine Team, das alles macht, sondern viele kleine spezialisierte Teams.«

Für die zukünftige Befähigung zum CMO, so Christoph Weber, sei es deshalb wichtig, zwischen verschiedenen Aufgaben im Marketing zu wechseln, neue Erfahrungen zu machen und Fähigkeiten zu erlernen, die ein möglichst umfassendes Bild davon geben, was die Marke braucht und verlangt und wie die Strategie exekutiert werden kann.

1.2 Die transformative Dynamik der Digitalisierung

In einem Zeitalter, in dem die Flut verfügbarer und analysierbarer Daten zu einer Transparenz geführt hat, die Hypertargeting kleinster Zielgruppen ermöglicht, ist es einfach geworden, den Erfolg von Marketingaktivitäten und ihren Einfluss auf die strategischen Ziele des Unternehmens messbar zu machen. Jede Aktivität zahlt an einer Stelle des Sales Funnels auf den Unternehmenserfolg ein und kann nur durch diesen eindeutig positiven Einfluss begründet werden. Marketingaktivitäten, die in der Zeit vor Performance-Marketing auch gerne wortreich und subjektiv begründet wurden, müssen jetzt ohne Umschweife ihre Effizienz und Rentabilität in Echtzeit nachweisen.

Werbetreibende Unternehmen können sowohl rückblickende Analysen des Kundenwerts basierend auf vergangenem Einkaufsverhalten durchführen als auch zukunftsorientierte Berechnungen für den erwarteten Customer Lifetime Value (CLV)Marketingmetriken, Customer Lifetime Value (CLV) vornehmen. Dabei wird berücksichtigt, wie sich dieser auf die Gewinnmarge auswirkt.

Dank der verfügbaren Daten nimmt die Personalisierung von Produktdesign und Kommunikation zu. Verbrauchende erwarten heute Hyperpersonalisierung, Ultraconvenience, außergewöhnliche Erfahrungen, Community-Verbindungen und Nachhaltigkeit – und das alles im Idealfall subtil und den persönlichen Erwartungen an Werbung angepasst. Im B2B- und B2C-Bereich entstehen neue Vertriebskanäle, die auf Remote, Voice, Gaming und Social ausgerichtet sind. Die Rolle der traditionellen Vertriebskanäle verlagert sich in Richtung Convenience, Unterhaltung und persönlicher Kontakt für ein optimiertes Marken- und Kundenerlebnis im Einklang mit den vorgegebenen Zielen des Branding.

Die Marketingplanung wird zunehmend durch eine objektive Gestaltung und Steuerung von Kampagnen geprägt. Kreative Werbemittel können mithilfe quantitativer Tests und Daten optimiert werden, was ihre Planbarkeit erhöht. Der Erfolg von Marketingaktivitäten und -kampagnen ist dank in Echtzeit verfügbarer Performance-Kennzahlen überprüfbar und kann kontinuierlich angepasst werden. Auch das strategisch und langfristig angelegte Brand Building funktioniert dann am besten, wenn es mit den taktischen, eher kurzfristigen Anstrengungen des Performance-Marketings synchronisiert sowie ganzheitlich gedacht und konzipiert wird.

Doch bereits die Beschaffung ausreichender relevanter Daten über die Zielgruppe, die den gültigen Datenschutzrichtlinien entsprechen, stellt viele etablierte Unternehmen vor enorme organisatorische Probleme. Diese Daten müssen richtlinienkonform gesammelt und transformiert werden, um von den Spezialisten in der Marketingorganisation sinnvoll analysiert und genutzt werden zu können.

Um mit möglichst wenigen, aber relevanten Daten einen möglichst hohen Effekt auf Marke, Abverkauf oder Customer Lifetime Value zu erreichen, muss die Organisation zudem Mitarbeitende mit analytischer und strategischer Kompetenz beschäftigen, die die richtigen Fragen stellen und die Antworten richtig deuten können. Schlussendlich muss der ganze Prozess dazu führen, das Portfolio an Marketingaktivitäten möglichst flexibel anzupassen, damit das identifizierte Potenzial auch zu Abverkaufserfolgen führt. Dies ist genauso komplex, wie es klingt, und erfordert von Unternehmen ein Umdenken. Sie müssen bereit sein, Daten einen höheren Stellenwert einzuräumen, selbst wenn das bedeutet, von lang etablierten Gewohnheiten abzuweichen. Die Marketingorganisation muss befähigt und ermächtigt werden, innerhalb gewisser Freiheitsgrade autonom zu agieren, um identifizierte Chancen zum strategischen Nutzen der Gesamtorganisation verwenden zu können.

Ein Blick zu den aktuellen Stars des digitalen Marketings hilft, ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Möglichkeiten sich für Unternehmen eröffnen, wenn dieser Wandel gelingt:

So hebt die chinesische Fast Fashion-Brand Shein – ungeachtet aller berechtigten Kritik an der fehlenden Nachhaltigkeit von Fast Fashion als Geschäftsmodell – Datenanalyse und -nutzung auf ein neues Niveau!

Shein praktiziert Trenderfassung in Echtzeit. Dazu führt das Unternehmen zunehmend mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) Verhaltensanalysen bei seinen Nutzerinnen durch. Zusätzlich werden weltweite Trends eingehend analysiert – auf Basis eines Echtzeit-Monitorings zu Suchbegriffen rund um das Thema Mode. Ein weiterer Indikator dafür, wie ernst Shein das Thema Datenanalyse nimmt, ist der von Matthew Brennans inspirierte Blick auf die Stellenausschreibungen. In letzter Zeit hat das Unternehmen in Summe über 900 offene Positionen in diesem Bereich ausgeschrieben. Shein sucht im großen Stil nach Analystinnen für Marketing-, Nutzer-, Commerce- und Rohstoffdaten sowie KI-Algorithmus-Ingenieuren. Genaues Monitoring und schnelle Reaktionszeit helfen, die Produktpalette und Lagerbestände in Echtzeit anzupassen.

Auf TikTok hat der Hashtag #Shein allein 78,9 Milliarden Aufrufe (Stand 16.11.2023). Shein bietet seinen Marke, MarkenbotschafterMarkenbotschafterinnen ein Affiliate-Partnerprogramm, über das sowohl etablierte als auch aufstrebende Influencerinnen Provisionen für die Bewerbung ihrer Outfits erhalten können. Diesen User-generated Content (UGC) nutzt Shein zusätzlich in der eigenen Shopping-App. Das Unternehmen versteht die Dynamik einzelner Social-Media-Plattformen genau: Shein war unter anderem eine der ersten erfolgreichen Marken auf Pinterest und begeistert die Gen Z durch Wettbewerbe, Reels und Events, die von Markenbotschaftern inszeniert werden. Dass Shein hier viel richtig macht, ist klar – allerdings wird dem Thema Datenschutz bei Weitem nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt beziehungsweise es wird vernachlässigt. Wie die Plattform selbst mitteilte, wurden 2018 die Daten von mehr als sechs Millionen Kundinnen von Hackern erbeutet.

Der wohl spannendste Erfolgsfaktor von Shein ist die App. Von Anfang an werden die User zum häufigen Besuch der App ermuntert, etwa durch Rabatte auf die erstmalige Bestellung oder bei regelmäßigen Anmeldungen. Zusätzlich wird kommuniziert, dass täglich hunderte neue Artikel angeboten werden. Mit Bonuspunkten für bestimmte Aktionen wie tägliches Einloggen, Teilnahme an In-App-Spielen oder Hinterlassen von Bewertungen schafft Shein ein interaktives Erlebnis. Die Bewertungen helfen besonders im Mode-E-Commerce dabei, Rücksendequoten zu reduzieren. Shein lebt von seiner Community – auch in der App können Nutzende ein öffentliches Profil anlegen und Styles präsentieren. Andere Userinnen sehen beim Durchscrollen viele natürlich inszenierte Bilder und nicht nur aufwendiges und oftmals realitätsfernes Shooting-Material. Der Content-Feed schafft das, was Instagram vormacht: Die Nutzenden scrollen immer weiter, auch wenn sie vielleicht gar nichts Bestimmtes suchen. Darüber hinaus bietet die Shein App einen Mix aus Entertainment und Shopping. So können die Interessenten sich direkt in der App passende YouTube-Videos mit einer integrierten In-Video-Shoppingfunktion – also gezeigte Produkte ohne das Verlassen des Videos – ansehen (Wagner, 2021).

Man muss allerdings nicht bis nach China schauen, um auf erfolgreiche Onlineunternehmen der Fashion-Branche zu stoßen. Seit ihrem Start 2014 ist die Otto-Group-Tochter About You zu einer der erfolgreichsten Fashion-Plattformen geworden. Mit einem kundenorientierten Leitgedanken und dazu passendem – und überaus erfolgreichem – Marketing, Content-MarketingContent-Marketing hat der Hamburger Onlineshop in der Kategorie »Beste neue Marke« beim Marken-Award 2019 gewonnen.

Der Grundgedanke bei About You ist Kundenbindung durch Inspiration und Personalisierung. Individualisierte Produktvorschläge bedeuten in diesem Fall, dass unter Umständen Outfits empfohlen werden, die in erster Linie zum Geschmack der kaufwilligen Person passen und nicht den neuesten Modetrends entsprechen wie bei der Konkurrenz, sondern stattdessen den ganz persönlichen Stil bestärken. Der Shop lernt bei registrierten Nutzenden dabei aus vorherigen Käufen und dem Surfverhalten auf der Webseite. Außerdem wird der Shop-Name an den Vornamen jeder Person angeglichen. So wird ihr ein ganz persönliches Einkaufserlebnis geboten, das sie immer stärker bindet. Die Plattform soll als digitaler Einkaufsbummel und Entdeckungsreise wahrgenommen werden, um potenzielle Kundinnen ganz individuell zu erreichen und glücklich zu machen.

About You setzt auf ContentContentstrategieContent und Contentstrategie und hierbei auf die Devise »Entertainment vor Verkauf«. Der eigentliche Verkauf der Produkte kommt vorgeblich erst danach, denn Co-Gründer und CEO Tarek Müller schwört darauf, dass das Interesse an Unterhaltung einfach höher sei als das für Produkte. Besonders Influencer-Marketing hat sich als fester Bestandteil im Marketing-Mix des Onlineshops etabliert und geht weit über die üblichen Social-Media-Kanäle hinaus. Produkte werden häufiger von Menschen präsentiert, um damit Persönlichkeit und Nähe zu zeigen. Ergänzend werden je nach Werbeaussage auch klassische Werbeformate wie Plakat, TV, Radio und Print eingesetzt – zum Beispiel, wenn eine große Zielgruppe in kurzer Zeit angesprochen werden soll. Dabei wird der Content zwar CI-konform, jedoch auch immer streng plattformspezifisch produziert, um die jeweilige Zielgruppe zu aktivieren.

Da das Influencer-Marketing eine hohe Bedeutung für About You besitzt, wird bei deren Auswahl nicht nur auf Reichweite und Story Views geachtet. Die Übereinstimmung mit der Marke und Kampagne hat eine höhere Bedeutung. Eine der vielen Influencer-Kooperationen besteht zum Beispiel mit Model Lena Gercke, die bereits 2017 eine langfristige Zusammenarbeit mit dem Unternehmen eingegangen ist und mittlerweile gemeinsam das Modelabel »LeGer« gegründet hat. Diese strategisch ausgerichteten Kooperationen machen die Influencer-Marketing-Konzepte von About You bemerkenswert. Zusätzlich zu den Kampagnen hat das Unternehmen eine Plattform für Influencer namens »About You Awards« ins Leben gerufen und generiert weiteren Content für die Markenkanäle, durch zum Beispiel »All About You – das Fashion Duell«, das hauseigene »Fashion Festival« oder die Dokumentarreihe »It’s About You « mit der Band Tokio Hotel. Das Ergebnis sind tolle Events, schöne Bilder, gute Storys, ein immersives Markenerlebnis und obendrein Plattformen, die sich vermarkten lassen. Die Markenbekanntheit steigt, die Marketingkosten sinken und parallel wächst der Umsatz (content-marketing.com, 2019).

Airbnb nutzte das Erfolgsgeheimnis, als Interface Owner eine digitale Plattform bereitzustellen, die von Nutzenden aus Eigeninteresse mit Inhalten gefüllt wird. Dieser Ansatz hat die Firma zu einem Star des digitalen Zeitalters gemacht. Dabei hat auch Airbnb in den letzten Jahren Federn gelassen und gleichzeitig bewiesen, dass Resilienz und Anpassungsfähigkeit auch das Hinterfragen digitaler Marketingstrategien beinhalten kann.

Durch User-generated Content (UCG)User-generated Content hat es das Unternehmen geschafft, zu einem der größten Anbieter von Unterkünften zu werden, ohne eine einzige Immobilie zu besitzen – und so den größten Einzelposten für Fixkosten gar nicht erst entstehen zu lassen. Dabei hat Airbnb die Art und Weise, wie wir reisen und nach Unterkünften suchen, grundlegend verändert. Gestartet, als sich die Gründer ihre Miete angeblich nicht leisten konnten, vermittelt die Website heute etwa sechs Millionen Unterkünfte in 220 Ländern (Airbnb, 2023).

Die Marketingstrategie, digitaledigitale Marketingstrategie ist darauf ausgerichtet, sowohl Reisende als auch Gastgebende für die Plattform zu gewinnen. Das digitale Marketing stützt sich in erster Linie auf nutzergenerierte Bilder und Videos auf Facebook, Instagram und X (die die Städte und Objekte in ihrem Bestand hervorheben), auf Anleitungsvideos und Posts, die sich an Eigentümer und Eigentümerinnen richten, sowie auf beliebte Stadtführer. Der Instagram-Kanal von Airbnb beziehungsweise jede Kampagne verbindet Humor mit überzeugenden Bildern verschiedener Reiseziele auf der ganzen Welt und ist damit mehr als nur ein Service – er ist auch ein Reiseforum.

Im Zeitraum der COVID-Pandemie hat Airbnb aber erkannt, dass man sich nicht ausschließlich auf Performance-Marketing verlassen kann, sondern auch die Marke, MarkenbildungMarkenbildung und die emotionale Kundenbindung, emotionaleKundenbindung pflegen muss. Als während der Pandemie die Investitionen in Performance-Marketing und Suchmaschinenoptimierung (Search Engine Optimization, SEO) massiv zurückgefahren und stattdessen in die Marke und PR investiert wurden, hatte das überraschenderweise keine signifikanten Auswirkungen auf die Besucherzahlen. Im Gegenteil: Das Unternehmen gibt an, dass die strategische Entscheidung hin zu Marke und PR einen spürbar positiven Einfluss auf die Kundschaft gehabt hat. Statt ausschließlich neue Umsätze über Performance-Marketing zu generieren, hat diese Kommunikation besser informierte Personen angezogen, neue Buchungen und eine höhere Kundenbindung erzeugt. Das führte schließlich zu einem Umsatzanstieg des Unternehmens in 2022 um 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr (Jefferson, 2023). Gleichzeitig bewies Airbnb während der COVID-Pandemie, dass sie über Resilienz verfügen, in dem sie nicht nur, wie bereits erwähnt, die Marketingausgaben größtenteils gestrichen, sondern auch den Trend weg vom Urbanen ins Ländliche in Lockdownzeiten bedient haben.

Wenn man über Data-driven MarketingData-driven Marketing spricht, führt fast kein Weg daran vorbei, im gleichen Atemzug auch Amazon zu nennen. Als weltweit größter Onlineeinzelhändler beherrscht Amazon wie kein anderer die Kunst, riesige Datenmengen zu seinem Vorteil zu nutzen. Dabei gelingt es nicht nur, den Umsatz zu steigern, sondern auch, den Usern außergewöhnliche und unvergessliche Erlebnisse zu bieten. Amazon ist damit zweifellos ein Vorreiter und nutzt die transformative Kraft von Big Data, um eine ganze Branche zu verändern und eine neue Ära kundenorientierter Erlebnisse einzuläuten.

Der datengetriebene Ansatz von Amazon ermöglicht beispielsweise die KI-gestützte Personalisierung des Kundenerlebnisses durch fortschrittliche Algorithmen und maschinelles Lernen. Diese Analyse von Kundenpräferenzen, Kaufverhalten und Demografie ermöglicht präzise Produktempfehlungen, die in zielgerichteten Werbekampagnen ausgespielt werden, somit die Chancen auf Conversion und Kundenbindung deutlich steigern und gleichzeitig die Shoppingerfahrung verbessern. Die Daten werden außerdem genutzt, um Preise in Echtzeit an Wettbewerber, Markttrends und Kundennachfragen anzupassen. Was sich beim ersten Lesen nachteilig für die Kundenseite anhört, kann in der Realität häufig vorteilhaft sein, da Amazon sich gleichermaßen auch niedrigeren Preisen anpasst, um den Kundinnen den Kauf auf der eigenen Webseite attraktiver zu gestalten.

Doch auch zur Optimierung der Lieferkette greift Amazon auf die gesammelten Daten zurück, um die Nachfrage für verschiedene Produkte genau vorherzusagen und Bestandsniveaus zu optimieren. Dies führt zu besserer Lagerverwaltung und effizienterer Auftragsabwicklung, was schnellere Lieferzeiten, zufriedenere Kunden und insgesamt geringere Kosten bedeutet (CEO Hangout, 2023).

Die Notwendigkeit für den Wandel erkennen, Rahmenbedingungen schaffen, Datenanalyse und Performance-Marketing anstoßen, coole Erfolgsmodelle kopieren und –zack – das ist alles, was es für den Aufbruch in die Zukunft braucht? Ja, aber vor allem nein. Die Wege, im Zeitalter der Digitalisierung erfolgreich zu sein, sind vielfältig. Es gibt keine standardisierte Blaupause, die den Erfolg der eigenen Marketingorganisation bei der Erreichung der strategischen Unternehmensziele garantiert und nur über das eigene Unternehmen gelegt und nachgebaut werden muss. Die Erfolgsfaktoren unterscheiden sich von Branche zu Branche, von Unternehmen zu Unternehmen und variieren entsprechend der jeweiligen Anforderungen der Märkte und Konsumierenden sowie der Agilität der Wettbewerber.

Die Krux ist zudem, dass eine Transformation der Marketingorganisation wie jede andere im Unternehmen Investitionen, Herausforderungen und vor allen Dingen Zeit beanspruchen wird. In einer Welt, die von exponentieller Dynamik und Komplexität geprägt ist, kann auch eine Marketingorganisation, die gerade gestern noch State of the Art war, morgen schon von vorgestern sein. Kurz: Wenn »fertig« transformiert ist, sehen die Rahmenbedingungen schon wieder ganz anders aus.

Das Telefon brauchte noch 50 Jahre, um 50 Millionen Nutzende zu erreichen, das Internet nur noch sieben Jahre… Als plakatives Beispiel für die aktuelle unkalkulierbare Dynamik reicht ein Vergleich der Entwicklung von LinkedIn, dem größten beruflichen Netzwerk der Welt, mit ChatGPT. LinkedIn erreichte die Marke von einer Million Nutzenden im Jahr 2004 etwa ein Jahr nach dem offiziellen Start. ChatGPT erreichte die berühmte erste Million im November 2022 bereits nach 5 Tagen! Auch wenn sich das Wachstum etwas zu verlangsamen scheint, wurde die Seite im April 2023 bereits von über 1,7 Milliarden Menschen genutzt (Carr, 2023).

Den kometenhaften Aufstieg von ChatGPT hat in dieser Form kaum eine Marketingorganisation kommen sehen. Umso drängender erscheint jetzt die Frage, wie man mit dem in der Mitte der Gesellschaft ankommenden neuen Thema Künstliche Intelligenz (KI), generative KI»generative KI« umgehen soll und ob und wie man die eigenen Aktivitäten dringend anpassen sollte und müsste. Und während man noch versucht, eine Antwort darauf zu finden, ist mit Threads schon wieder eine neue Social-Media Plattform aufgetaucht, die die erste Million User innerhalb von einer Stunde angezogen hat (Cardillo, 2023).

1.3 Quo vadis Marketing? Künstliche Intelligenz und Automatisierung

Auch wenn die zukünftige Entwicklung aufgrund der raschen technologischen Fortschritte und sich schnell verändernden Märkte schwer vorauszusehen ist, ist es dennoch wahrscheinlich, dass künstliche Intelligenz (KI)Künstliche Intelligenz (KI) und verstärkte Automatisierung in den kommenden Jahren eine herausragende Rolle spielen werden. Die Unternehmensberatung McKinsey betonte in einem im Mai 2023 veröffentlichten Artikel folgerichtig, dass KI-Technologie das Marketing und den Vertrieb bereits revolutioniert hat und generative KI nun verspricht, die Herangehensweise von B2B- und B2C-Unternehmen in Bezug auf Kundenerlebnisse, Produktivität und Wachstum zu verändern (Deveau, Griffin & Reis, 2023).

Die derzeit wohl bekanntesten und weltweit am häufigsten genutzten KI-Anwendungen wie der Chatbot ChatGPT von OpenAI und das Text-to-Image-Tool MidJourney des gleichnamigen Forschungsinstituts in San Francisco haben ihr volles Potenzial noch nicht einmal entfaltet. Was aber schon jetzt deutlich zu erkennen ist: Beide Anwendungen verwandeln die Art und Weise, wie Marketers ihre Aufgabe erfüllen und wie die Prozesse in der Organisation ablaufen, signifikant und sie werden zukünftig eine bedeutende Rolle als Plattform für Marketingaktivitäten spielen.

KI und maschinelles Lernen (ML)Künstliche Intelligenz (KI), maschinelles Lernen (ML) haben dem Marketing bereits vor ChatGPT erste Wege eröffnet, mit »alten« Fragestellungen umzugehen. Aber erst jetzt – mit der Weiterentwicklung zu generativer KI und der Öffnung für die breite Masse – sind die tatsächlichen Auswirkungen für klassische Tätigkeiten im Marketing zu erahnen. KI übersteigt menschliche Fähigkeiten bei der Umsetzung bestimmter Aufgaben wie beispielsweise der Textgenerierung für Social Media Posts oder der Produktion fotorealistischer Abbildungen, die als Basis für Bildmotive dienen können, um die hohe Frequenz der Produktion von Bildmaterial für Kanäle wie Instagram zu erleichtern. KI kann zudem dabei helfen, unterschiedliche Kampagnenmotive, Layouts oder Ansprache der User durch A/B-Tests zu optimieren und so die Effizienz der Kommunikation weiter erhöhen. Jeder Marketer stellt künftig quasi seine eigene Beratung und Kreation auf Knopfdruck zu einem Bruchteil der bisherigen Kosten zur Verfügung – was dann auch die Frage nach einem nachhaltigen Geschäftsmodell von (Marketing-)Beratungen und Kreativagenturen in der Zukunft aufwirft.

Was lässt sich aus dem Beispiel KI schließen? Auf jeden Fall die Gewissheit, dass sich immer wieder neue Technologien verbreiten werden, die die beschriebene exponentielle Entwicklung von Dynamik und Komplexität eher zunehmend verschärfen, als dass sie beherrschbar werden. Das Unsicherheit, Zeitalter der UnsicherheitZeitalter der Unsicherheit ist also das New NormalNew Normal, in dem sich Menschen, Unternehmen und Marketingorganisationen zurechtfinden werden müssen: Ereignisse mit ursprünglich geringer Eintrittswahrscheinlichkeit und gleichzeitig hoher Auswirkung und dynamische technologische Entwicklungen sind fortan die Regel, mit der wir konfrontiert werden, und nicht mehr nur erstaunliche Ausnahmen. Einmalige Transformationen bringen im Unternehmen nichts mehr, um der unaufhaltsamen Entstehung neuer Fähigkeitslücken entgegenzuwirken. Stattdessen sind unternehmerische und organisatorische Resilienz Grundbedingung für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der Gesamtorganisation – und eine nächste Evolution der Marketingfunktion als Reaktion darauf unabdingbar.

Aber wie kann das gelingen? Welche Fähigkeiten braucht eine Marketingorganisation, um in dieser dynamischen und komplexen Umwelt – dem New Normal – erfolgreich zu sein? Und was bedeutet es eigentlich aufzubrechen, um die nächste Evolutionsstufe im Marketing zu erreichen und eine »resiliente Marketingorganisation« zu schaffen? Eine widerstandsfähige Marketingorganisation zeichnet sich durch eine hohe und stets neu nachgewiesene Anpassungsfähigkeit und Flexibilität an sich verändernde Bedingungen aus. Dies basiert auf ihrer Fähigkeit, Risiken und Chancen frühzeitig zu erkennen und bei Bedarf dank ihrer hohen organisationalen Agilität zu adressieren. Im Gegensatz zu statischeren Organisationsformen benötigt eine resiliente Marketingorganisation somit keine punktuelle Transformation zum Übergang von einer in eine nächste (und nächste) statische Organisationsform mehr, sondern befindet sich dauerhaft in einem Zustand der kontinuierlichen Adaption an die Dynamik der Umwelt.

2 Resilienz als Antwort auf Unsicherheit

ResilienzDer Wandel der Welt ist nichts Neues und es gab auch lange vor dem Zeitalter der Digitalisierung für Unternehmen signifikante Veränderungen. Allein im letzten Jahrhundert mussten Unternehmen so folgenreiche Ereignisse wie die Erfindung des Fernsehens, Radios und Internets absorbieren und die strukturellen Veränderungen aufgrund der Globalisierung verdauen, um nur einige disruptive Ereignisse und Entwicklungen zu nennen. Ist die im ersten Kapitel beschriebene »essenzielle Herausforderung« für das Marketing durch Wandel, Dynamik, Komplexität und hohe Unsicherheit dann wirklich etwas Neues? Oder doch vielleicht nur der nächste Versuch der Marketers, aufgrund von Schwierigkeiten bei der Anpassung an neue Gegebenheiten oder aus Furcht vor dem eigenen Bedeutungsverlust Nebelkerzen zu zünden und alten Wein in neuen Schläuchen zu präsentieren? Schließlich verdienen Beratungen und Agenturen nichts, wenn alles so läuft wie immer…

Einen nicht von der Hand zu weisenden Unterschied gibt es zweifellos: Die im letzten Abschnitt genannten großen Veränderungen der Vergangenheit, so herausfordernd sie zweifellos waren, kamen für Unternehmen an der heutigen Dynamik gemessen doch in vergleichsweise gemächlicher Geschwindigkeit daher und konnten in der Regel gut gemeistert werden. Die unternehmerische Reaktion konnte ausreichend strategisch durchdacht, detailliert geplant und penibel durchgeführt werden – und das, ohne dass die Welt während der Entscheidungsfindung ein signifikant anderes Gesicht bekommen hätte. Heute sieht das vollkommen anders aus. Es gibt nicht nur weiterhin sehr bedeutsame Ereignisse und Neuerungen, sondern auch enorm zahlreiche, die ihre Wirkung noch viel schneller entfalten, als dies im Vergleich zum 20. Jahrhundert der Fall war. Das hängt vor allem damit zusammen, dass sich im Zeitalter der Digitalisierung Informationen, Daten und Technologien deutlich schneller und weiter verbreiten, sodass der Zugang zu Neuerungen faktisch allen offensteht, ubiquitär und damit unwiderruflich demokratisiert worden ist. Selbst eine Wochenendausgabe der New York Times enthält heute mehr Informationen, als einer durchschnittlichen Person in der Weltstadt London im 17. Jahrhundert während ihres ganzen Lebens begegnet sind (Horne III & Orr, 2011).

Solange der Informationszugang nicht – wie in autokratischen Gesellschaften aus politischen Gründen – künstlich eingeschränkt ist, kommen also Ideen, Meinungen oder Innovationen viel schneller in der breiten Masse an. Die Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen oder die Verbreitung irgendwie noch steuern zu können, wird für das einzelne Unternehmen immer schwieriger. Stattdessen lassen Geschwindigkeit und lebhafte Dynamik keine Zeit für langatmige Planung oder übertrieben sorgsame Entwicklung. Organisationen werden zum Spielball der Ereignisse. Prominente Beispiele dafür, wie große, etablierte Unternehmen von der technologischen Entwicklung in ihren Bereichen überrollt wurden, gibt es genug – man muss nur an Nokias verpasste Reaktion auf die Entwicklung des Smartphones erinnern oder Kodaks Verschlafen der digitalen Revolution. Kein Wunder also, dass die Lebenserwartung der weltweit größten Unternehmen mittlerweile bei unter 20 Jahren liegt (Barton, 2013).

Die Welt kann wegen dieser schnellen und tiefgreifenden Veränderungen nicht mehr wie früher als komplexes, aber relativ stabiles Gebilde verstanden werden. Die Wissenschaft beschreibt stattdessen schon seit einigen Jahrzehnten die Welt als in einem konstanten Wandel, der nicht mehr planbar, evolutionär oder vorhersehbar ist. Organisationen sind mit zahlreichen Risiken und Unsicherheiten konfrontiert, die die Zukunft immer unkalkulierbarer werden lassen. Der ehemalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat dies in seiner Aussage zu möglichen Massenvernichtungswaffen im Irak auf bekannte Art und Weise definiert: