New York Alpha (Part 17 - Epilog 1: Weihnachten) - C. M. Spoerri - E-Book

New York Alpha (Part 17 - Epilog 1: Weihnachten) E-Book

C.M. Spoerri

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Beschreibung

Ja, auch Wölfe mögen Weihnachten – und mein erstes Weihnachten als Omega ist mehr als (be)sinnlich. Nach dem Trubel der vergangenen Monate ist es einfach nur schön, das Fest der Liebe mit denjenigen zu feiern, die mir näherstehen, als jede Familie der Welt es könnte. Wie eine Bescherung à la ›New York Alpha‹ aussieht und wie Steine und Wikinger tanzen, wirst du selbst herausfinden müssen. Auf jeden Fall möchte ich dir danken. Dass du meine Geschichte erlebt hast, dass du an meiner Seite warst und dass ich einfach ICH sein durfte. Dafür teile ich auch gerne meine heißen Wölfe mit dir. :-) Jetzt bleibt mir nur noch zu sagen: Merry Christmas! Alles Liebe, deine Lena.

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Seitenzahl: 462

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Informationen zum Buch

Impressum

Kapitel 1 - Wenn Kleider sprechen

Kapitel 2 - Wenn Lippen sprechen

Kapitel 3 - Wenn Schuhe sprechen

Kapitel 4 - Nicht bereit

Kapitel 5 - Santas Weihnachtspalast

Kapitel 6 - Er ist heiß

Kapitel 7 - Bähm

Kapitel 8 - Tanz mit mir

Kapitel 9 - Zusammenreißen

Kapitel 10 - Nochmals tapfer

Kapitel 11 - Der Rainbow Room ist eröffnet!

Kapitel 12 - Das Tausendste Mal

Kapitel 13 - Perfekt

Kapitel 14 - Alpha-Stimmung

Kapitel 15 - Das Buffet ist eröffnet

Kapitel 16 - Burrata und Zaubertränke

Kapitel 17 - Locker, nicht verkrampfen

Kapitel 18 - Jetzt tanzen wir richtig

Kapitel 19 - Wiederherstellung

Kapitel 20 - Tanz mit mir, mein Herz

Kapitel 21 - Wikinger und Teufel

Kapitel 22 - Wir brauchen Alternativen

Kapitel 23 - Schokolade und blonde Kunsthändler

Kapitel 24 - Weihnachtspläne

Kapitel 25 - Nie wieder Zucker

Kapitel 26 - Krankenpfleger Dylan

Kapitel 27 - Alpha-Sorge

Kapitel 28 - Pac-Man und Beta-Kuscheln

Kapitel 29 - Heute Nacht wird anders

Kapitel 30 - Ich halte dich

Kapitel 31 - Guten Morgen

Kapitel 32 - Fluffiger Himmel und sexy Ärzte

Kapitel 33 - Rudelbrühe und DnD

Kapitel 34 - MVP und Barden

Kapitel 35 - Bitte … was?

Kapitel 36 - Willkommen im Rudel

Kapitel 37 - Wieder vorzeigbar

Kapitel 38 - Die größte, prächtigste und glitzerndste Tanne

Kapitel 39 - Wunschkugeln

Kapitel 40 - Weihnachtsbaum-Chaos

Kapitel 41 - Rudel-Wichteln

Kapitel 42 - Mmmmmmh …

Kapitel 43 - Stufe zwei

Kapitel 44 - Stufe drei

Kapitel 45 - Stufe vier

Kapitel 46 - Geschenkewahnsinn

Kapitel 47 - Wichtel-verrückt

Kapitel 48 - Weihnachtsfilm-in-Blockhüttenform

Kapitel 49 - Merry Christmas, Lena

 

C. M. Spoerri

 

 

New York Alpha

Part 17

 

 

Urban Fantasy / Omegaverse / Reverse Harem

 

 

 

 

 

 

 

New York Alpha (Part 17)

Ja, auch Wölfe mögen Weihnachten – und mein erstes Weihnachten als Omega ist mehr als (be)sinnlich. Nach dem Trubel der vergangenen Monate ist es einfach nur schön, das Fest der Liebe mit denjenigen zu feiern, die mir näherstehen, als jede Familie der Welt es könnte. Wie eine Bescherung à la ›New York Alpha‹ aussieht und wie Steine und Wikinger tanzen, wirst du selbst herausfinden müssen. Auf jeden Fall möchte ich dir danken. Dass du meine Geschichte erlebt hast, dass du an meiner Seite warst und dass ich einfach ICH sein durfte. Dafür teile ich auch gerne meine heißen Wölfe mit dir. :-) Jetzt bleibt mir nur noch zu sagen: Merry Christmas! Alles Liebe, deine Lena.

 

 

Die Autorin

C. M. Spoerri wurde 1983 geboren und lebt in der Schweiz. Sie studierte Psychologie und promovierte im Frühling 2013 in Klinischer Psychologie und Psychotherapie. Seit Ende 2014 hat sie sich jedoch voll und ganz dem Schreiben gewidmet. Ihre Fantasy-Jugendromane (›Alia-Saga‹, ›Greifen-Saga‹) wurden bereits tausendfach verkauft, zudem schreibt sie erfolgreich Liebesromane. Im Herbst 2015 gründete sie mit ihrem Mann den Sternensand Verlag.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

www.sternensand-verlag.ch

[email protected]

 

1. Auflage, Dezember 2025

© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2025

Umschlaggestaltung: Jasmin Romana Welsch

Lektorat / Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH

Satz: Sternensand Verlag GmbH

 

ISBN (epub): 978-3-03896-393-6

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

Kapitel 1 - Wenn Kleider sprechen

Helena

 

Donnerstag, 21. Dezember

 

Rot … oder weiß.

Rot … oder … weiß …

Oder doch dunkelblau?

Violett?

Grün?

Aaaah, so viele Möglichkeiten, und ich möchte heute auf der Weihnachtsgala der Rinaldi Company PERFEKT aussehen. Für mich, für ihn, für sie.

»Na, Schneewittchen, noch immer keine Entscheidung getroffen?«, ertönt hinter mir eine samtweiche Männerstimme und ich seufze frustriert.

»Warum habt ihr es immer so viel einfacher?«, brumme ich und lasse mich resigniert auf mein Himmelbett sinken.

Als ich den Kopf hebe, steht er vor mir in meinem Zimmer. Sebastian. Wie aus einem verdammten Ei gepellt in seinem Smoking, die Fliege sitzt perfekt, ER ist perfekt. Seine leicht gelockten schwarzen Haare hat er elegant nach hinten gekämmt, der Dreitagebart umschmeichelt seine attraktiven Züge wie ein natürliches Contouring und die azurblauen Augen blitzen schalkhaft, als hätten sie gerade eine Maus entdeckt, die es zu jagen gilt.

Die Maus bin ich. Eine graue, halbnackte Maus, die sich für kein Abendkleid entscheiden kann.

»Du weißt schon, dass es gefährlich ist, in einem Penthaus voller Wölfe SO rumzulaufen?«, fragt er und deutet auf meinen Körper, der nur in roter Spitzenwäsche steckt.

Wenigstens dafür konnte ich mich entscheiden.

»Erstens: Ich laufe nicht SO rum. Und zweitens: Dito«, erwidere ich und strecke ihm die Zunge raus. »Ein Wunder, dass Cam dir den Smoking noch nicht vom Körper gerissen hat.«

»Hat er.« Sebastian verschränkt die Arme vor der Brust und hebt lässig einen Mundwinkel. »Vorhin gerade. Daher falle ich jetzt nicht über dich her – dank ihm später.«

»Ihr seid solche Karnickel.« Ich seufze und lasse mich mit dem Rücken aufs Bett fallen.

»Sagt die, die’s täglich mit unserem Boss treibt«, kontert Sebastian seelenruhig und ich spüre, wie sich die Matratze neben mir bewegt, als er sich zu mir setzt. »Ich glaube, so viel Sex wie in den vergangenen Wochen hatte Adrian nicht mal in all den letzten zwei Jahrzehnten zusammen …«

Kurz darauf liegt er ebenfalls auf dem Rücken, sein Kopf direkt neben meinem.

Mein Wolf schnurrt, als er Sebastians Duft einatmet, und drückt gegen mein Bewusstsein. Chi will ihn noch näher spüren, aber ich halte ihn zurück und schicke ihn an seinen Platz. Eine Geste, die mir mittlerweile so einfach fällt wie das Atmen.

Chi murrt leise. ›Beta warm. Beta fühlen.‹

›Nicht jetzt‹, erwidere ich streng.

Ich drehe das Gesicht zu Sebastian. »Hilf mir?«

»Wobei?« Er schmunzelt. »Beim An- oder Ausziehen?«

»Anziehen, natürlich«, sage ich und Chi rollt sich schmollend auf meinem Seelenboden ein – ihm hätte Ausziehen definitiv besser gefallen. »Adrian killt mich, wenn ich in vierzig Minuten nicht in seinem Wagen sitze.«

»Adrian würde dich auch SO zur Gala mitnehmen.« Sebastian wackelt mit den Brauen.

»Niemals.« Ich lache bei der Vorstellung, wie ich nur in Unterwäsche an seiner Seite vor dem ›Who's Who‹ New Yorks und den Repräsentanten der Rinaldi Company stehe. »Er hat die anderen Alphas eingeladen. Er wird mich nicht eine einzige Sekunde aus den Augen lassen.«

Sebastians Wolf grollt leise, ich kann ihn in seiner Brust hören. Ihm gefällt es nicht, dass Adrian seine Verbündeten eingeladen hat. »Ich weiß nicht, wen ich von den dreien am wenigsten mag«, knurrt er. »Stone, Romano oder Hansen. Aber ich glaube, es ist Stone oder Hansen. Romano hat wenigstens nicht mit dir gepoppt.«

Ich schließe die Lider und schüttle schmunzelnd den Kopf. »Raven Stone auch nicht. Also … nicht richtig.«

»Lecken ist gleich poppen«, kommentiert Sebastian und setzt sich etwas auf.

»Du musst es ja wissen.« Ich sehe in sein Modelgesicht, das sich jetzt über mich beugt.

Chi reckt den Kopf, schnurrt ihn verliebt an und ich entlasse den Laut für ihn aus der Kehle, was Sebastians Wolf dazu bringt, ebenfalls leise zu brummen.

»Ich weiß alles übers Poppen«, flüstert er verschwörerisch, während er neckend eine meiner Haarsträhnen mit dem Zeigefinger aufwickelt. »Ich bin quasi Professor Penetratus der dritten Generation.«

Ich lache, stoße ihn spielerisch mit dem Ellbogen weg und setze mich auf. »Wenn du nicht so heiß wärst, würde ich dich jetzt vom Bett schubsen.«

»Wenn du mich vom Bett schubst, lege ich dich übers Knie.« Er zwinkert mir zu.

»Dann würde uns Adrian nachher beide übers Knie legen, weil wir definitiv zu spät wären.«

»Tja, keine Option.« Sebastian seufzt theatralisch. »Also, zurück zur Fashion-Apokalypse: Rot schreit ›Verführung‹, Weiß ist ›Unschuldig mit Subtext‹, Dunkelblau ist ›Elegante Luna‹ und Grün sagt: ›Ich kann deinen zuckenden Schwanz sehen, Alpha, aber ich tu so, als würde ich ihn ignorieren‹.«

Meine Mundwinkel zucken amüsiert. »Und Violett?«

»Violett?« Er zieht eine Braue hoch. »Das ist ›Ich weiß, was du denkst – und ja, ich hab’s absichtlich angezogen‹. Also, was soll’s heute sein, Rehchen?«

Ich beiße mir auf die Lippen. »Alles davon?«

»Mhm. Dann brauchst du ein Kleid, das lügt und gleichzeitig die Wahrheit schreit.« Er springt auf und greift mit erstaunlicher Zielstrebigkeit nach einem bordeauxroten Kleid mit Beinschlitz bis zum Himmel, das ich neben vielen anderen auf den Boden meines Zimmers gelegt habe. »Das hier. Das sagt: ›Vergöttere mich‹, während es gleichzeitig raunt ›Berühr mich nicht, wenn du leben willst‹. Genau der Vibe für einen Abend mit anderen Alphas.«

Ich nehme es vorsichtig entgegen. »Du meinst, Adrian tötet sie dann wenigstens stilvoll, wenn sie es doch tun?«

Auf Sebastians Gesicht erscheint ein breites Lächeln. »Mit Sicherheit. Wahrscheinlich mit einem silbernen Dessertlöffel, direkt am Buffet. Oder er tunkt ihre Köpfe in die Weihnachtsschorle.«

Ich schüttle gespielt dramatisch den Kopf. »Wunderbar. Ich sterbe in roter Seide. Sag wenigstens Cam, dass er meine Höschen nach meinem Ableben nicht im Netz verschachern soll.«

»Notiert.« Sebastians blaue Augen blitzen vergnügt. »Und falls du überlebst – wirst du genau mit diesem Kleid sämtliche Alphas in den Wahnsinn getrieben haben.«

Ich erhebe mich und beginne, den Traum in Bordeaux überzustreifen.

»Übrigens«, höre ich ihn hinter mir, als er mir mit dem Reißverschluss hilft. »Falls du noch jemanden brauchst, der dir später beim Ausziehen …«

»Ich schrei nach Dylan, wenn ich stecken bleibe«, unterbreche ich ihn.

»Feige. Aber okay.« Er lacht leise neben meinem Ohr. »Und bring Adrian nicht um, wenn er wieder zu lange in deinen Ausschnitt starrt. Das ist sein Coping-Mechanismus. Er hasst Weihnachtsgalas.«

»Ich auch …« Behutsam streiche ich das Kleid glatt. »Menschen …«

»Glaub mir, die Rinaldi-Weihnachtsgala wirst du lieben«, prophezeit Sebastian mir, während er seinen Blick prüfend über mich schweifen lässt und noch etwas an mir herumzupft. »Ich liebe diese Galas auf jeden Fall. Sie sind so … weihnachtlich.«

Ich schüttle amüsiert den Kopf. »Und du kannst dort mit seinen Mitarbeitern vögeln.«

»Hach ja … Angel de Flores …« Er seufzt verträumt. »Schade, dass er jetzt in festen Händen ist. Das von letztem November hätten wir definitiv sonst wiederholt.«

Normalerweise findet Adrians Gala bereits im November statt, da seine Mitarbeiter da noch weniger mit Weihnachtsplänen beschäftigt sind. Aber dieser November war … anders. Für unser Rudel. Für ihn. Für mich.

Noch immer hallt das nach, was wir zusammen erlebt haben. José ist tot. Glen ist tot. Ich bin eine Luna.

Verständlich, dass Adrian die Weihnachtsgala auf kurz vor Weihnachten verschoben hat. Ungewöhnlich für eine Firma, aber hey, Mister Rinaldi darf alles.

»Angel erzählte mir, er sei betrunken gewesen, als ihr es zusammen getrieben habt«, erinnere ich Sebastian jetzt.

Er schnaubt. »Dann war es der schönste Kontrollverlust, den er je hatte. Ich bin ein verdammtes Erlebnis.«

Ich verdrehe die Augen, aber noch ehe ich kontern kann, klopft es an der Tür, die Sebastian nur halb zugezogen hat.

»Dürfen wir stören?« Elyas’ Kopf erscheint im Türrahmen.

»Wer ist ›wir‹?«, frage ich stirnrunzelnd.

Er öffnet die Tür jetzt ganz und tritt ein – in einem Anzug, der sicher mehr gekostet hat als ein Kleinwagen, mit einem violetten Seidenschal lässig über die Schulter geworfen. Sein schwarzes Haar trägt er zu einer modernen Kurzhaarfrisur, das Lächeln auf seinem Gesicht könnte ›Lucifer-Vibes‹ nicht besser beschreiben und die dunklen Iriden blitzen auf, als er mich in dem bordeauxroten Kleid analysiert.

»Geil siehst du aus, Kleines«, bemerkt er mit einem anerkennenden Tonfall, dann deutet er hinter sich. »Hier, ich habe Verstärkung mitgebracht.«

Mein Blick fällt auf Marc, den Friseur mit der ganz besonderen Styling-Magie, der mich schon bei anderen Gelegenheiten in eine Märchenprinzessin verwandelt hat. Sein blondes Haar ist kunstvoll zerzaust, das Hemd, das er trägt, offenbar absichtlich asymmetrisch, und sein Blick aus blauen Augen wirkt so schelmisch, als hätte er gerade drei Influencer auf einer Fashion-Week geohrfeigt. Ich liebe ihn. Nein, ich VEREHRE ihn.

»Helena!«, sagt er und kommt auf mich zu, als wollte er mich umarmen und gleichzeitig umstylen. »Prinzessin meiner Pinselträume!« Er legt die Hände auf meine Schultern und mustert mich prüfend, da er bereits mitten im Arbeitsmodus steckt. »Oh … mein Gott. Bitch, das Kleid sagt: ›Zieh dich aus oder stirb‹. I love it!«

»Exakt meine Formulierung«, meint Sebastian lachend.

Marcs Blick haftet auf mir, er streicht durch mein schwarz gefärbtes Haar und zupft an ein paar Strähnen. »Was bist du wieder für ein ungeschliffener Edelstein! Aber keine Sorge, Schatz, ich habe meine Zauberhände mitgebracht.«

»Und hoffentlich auch ein Glätteisen«, murmle ich, da meine Haare heute tun, was sie wollen.

»Baby, ich hab alles, was dich nach Märchenmagie riechen lässt«, erwidert Marc mit einem breiten Lächeln.

»Ich mag ihren Geruch eigentlich«, meint Sebastian, der sich zu Elyas gesellt.

Mir ist klar, dass die beiden Betas das Zimmer nicht verlassen werden. Sie lieben es viel zu sehr, dabei zuzusehen, wie Marc aus meinem Aschenputtel-Dasein eine waschechte Disney-Attraktion in Glitzer und Feenstaub zaubert.

Der blonde Stylist zieht mich zum Schminktisch. »Okay, los geht’s. Ein bisschen mehr Drama um die Augen, ein Hauch Gold auf die Wangen … du wirst aussehen wie die verbotene Königin eines sündigen Winterreichs.«

»Ich will eigentlich nur, dass Adrian nicht hyperventiliert«, murmle ich, während ich mich auf den Stuhl setze und Marc seine Utensilien aus einem mitgebrachten Koffer kramt.

»Oh, er wird hyperventilieren, Süße«, prophezeit er und zwinkert mir im Spiegel zu. »Und die anderen werden ihn um seine Begleitung beneiden.«

Elyas beugt sich an meine andere Seite und fingert an einer losen Haarsträhne herum. »Ich habe übrigens mit Cam eine Wette laufen. Fynn Hansen wird dich keine zehn Sekunden anschauen können, ohne sich auf die Zunge zu beißen.«

Ich schließe kurz die Augen und schmunzle. »Und Raven Stone?«

»Der wird nichts sagen.« Elyas’ Blick trifft meinen im Spiegel, als ich blinzle. »Aber er wird es fühlen. Zwischen seinen Beinen.«

Ich lache leise bei der Vorstellung, dann zucke ich zusammen, als die Tür förmlich auffliegt. Kein Klopfen, kein ›Stör ich?‹, denn er weiß, dass er nie stört. Nie.

Cameron.

Adrians jüngster Beta mit dem Engelsgesicht, das keine Warnung vom teuflischen Inhalt mitliefert. Die goldbraunen Augen glänzen wie frisch karamellisierter Zucker, die schwarz gefärbten Locken sitzen perfekt verwuschelt. Der schwarze Anzug, in dem er steckt, lässt ihn beinahe wie einen Geheimagenten wirken, der scheinbar kein Wässerchen trüben könnte, aber es faustdick hinter den hübschen Ohren hat.

»Ich habe gehört, du brauchst moralische Unterstützung, Baby«, verkündet er und hebt eine Champagnerflasche in die Luft. »Ich bringe Nervennahrung und gestähltes Wolfsherz für den Moment, in dem du dich fragst, ob du zu heiß für eine Gala bist. Spoiler – die Antwort ist jedes Mal: nein.«

»Du bist wie eine wandelnde Fangirl-Fantasie, Cam«, seufze ich, während Marc damit beginnt, meine Haare durchzukämmen.

»Ich weiß.« Er grinst. »Und ich lebe nur, um dich glücklich zu machen.«

Mit einem lauten ›Plopp‹ lässt er den Korken der Flasche an die Decke springen. Es sprudelt und er presst sofort die Lippen auf die Öffnung, um eine kleine Katastrophe zu verhindern.

»Keine Gläser?«, fragt Elyas, der ihn erheitert ansieht.

»Wir haben schon mehr geteilt als einen Flaschenhals, oder?«, entgegnet Cameron und leckt sich über die Lippen, ehe er schlürfend weiteren Schaum vom Champagner trinkt. Der kurze Satz hat dazu geführt, dass ein Teil des edlen Gesöffs jetzt über seine Hände rinnt.

»Du bist so ein verdammter Jungbrunnen des Chaos, Wölfchen«, murmelt Sebastian und reicht ihm ein Seidentuch vom Nachttisch, das ursprünglich dazu gedacht war, dass Adrian es mir um die Handgelenke knotet.

»Danke, Bärchen.« Cameron tupft sich die Finger ab, kommt dann wie selbstverständlich hinter mich, beugt sich über meine Schulter und hält mir die Flasche hin. »Willst du einen Schluck, Lena? Zum Mut antrinken?«

Ich nehme sie aus seiner Hand und nippe. Der Champagner ist eiskalt, prickelnd und schmeckt nach ›zu viel, zu früh, zu golden‹ – genau richtig.

Kapitel 2 - Wenn Lippen sprechen

Helena

 

»Nicht zappeln«, warnt Marc und fängt an, mein schwarz gefärbtes Haar kunstvoll einzuarbeiten.

Erst teilt er es in einzelne Partien, fixiert die Strähnen mit Clips, dann beginnt er, die oberen Längen zu glätten Nicht zu sehr, nur so, dass sie glänzen wie frisch lackierte Ebenholztafeln.

»Ich gebe dir eine sexy Opernfrisur«, erklärt er. »Halb Grace Kelly, halb Bond-Bösewichtin.«

»Das ist … viel«, bemerke ich, während ich versuche, den Kopf still zu halten und gleichzeitig Champagner aus der Flasche zu trinken. Was einem Ding der Unmöglichkeit gleichkommt.

Cameron nimmt mir die Flasche schließlich wieder aus der Hand.

»Viel ist heute das Minimum«, wirft Sebastian ein, der sich den Champagner von Cameron schnappt und selbst einen Schluck trinkt. »Du gehst gleich auf ein gesellschaftliches Massaker mit Politik, mächtigen New Yorkern und Spielchen zwischen Lachs und Kaviar. Ich hoffe, du hast unterschrieben, dass dein Kleid später als Tatwaffe zählen kann.«

»Ich notier schon mal ›Tatmotiv: Dekolleté‹ für die Polizeiaussage«, meint Elyas trocken. »Das NYPD schreibt das sonst wieder falsch.«

Marc hebt währenddessen die seitlichen Partien meiner Haare an, toupiert leicht, fixiert mit Goldstaubspray und drapiert geschickt einzelne Strähnen zu einem lockeren Knoten.

»Ich lasse ein paar kleine Löckchen in den Nacken fallen«, murmelt er hochkonzentriert. »Ein bisschen Drama, ein bisschen Unschuld. Du wirst am Ende ein Weihnachtsfilm mit FSK 18.«

»Ich liebe dich, Marc«, flüstere ich, während ich über den Spiegel sein Handwerk ehrfürchtig verfolge.

»Natürlich tust du das«, erwidert er lächelnd. »Ich habe magische Hände und verurteile dich nie für diesen Kink, der dir Bissspuren auf den Nacken zaubert.«

»Die kommen später unter einen Schal«, murmle ich und greife unwillkürlich nach den Markierungen, die Adrian mir erst vergangene Nacht noch verpasst hat, während er meinen Namen gegen die erhitzte Haut stöhnte.

Allein die Erinnerung daran lässt eine Gänsehaut durch mich rinnen.

Ich liebe ihn so verdammt sehr …

»Schade drum«, bemerkt Cameron, der sich mit der Champagnerflasche, die er von Sebastian zurückerobert hat, auf mein Bett fläzt und dabei ein wenig an einen zufriedenen Kater erinnert. »Ich mag die Bissspuren.«

Marc ist inzwischen bei meinem Gesicht angekommen. Er zieht mit sanftem Druck meine Brauen etwas hoch, prüft die Lichtverhältnisse, dann greift er zu einem Pinsel aus dem Arsenal, das er auf meinem Schminktisch ausgebreitet hat. »Schließ die Augen«, weist er mich an. »Ich gebe dir Flügelschatten – so präzise, dass ein Elfenprinz weinen würde. Und ein Hauch Bronze auf die Lider, damit’s wirkt, als würdest du lügen, wenn du sagst: ›Ich bin ganz brav‹.«

»Ich sag nie, dass ich brav bin.« Ich schmunzle und befolge seine Anweisung.

»Noch besser.« Marc beginnt mit sicherer Hand, einen goldschimmernden Lidschatten in meine Lidfalte zu blenden, wie ich sehe, als ich ein Auge öffne. »Ah-ah-ah … schhht, still halten, Schatz«, werde ich auch gleich von ihm ermahnt.

Kaum habe ich mich wieder unter Kontrolle, spüre ich die Veränderung in der Luft. Dunkelheit, gepaart mit Schatten und Finsternis. Jap, alles zusammen bedeutet: Leonardo ist im Anmarsch.

Keine drei Sekunden später betritt er mein Zimmer und ich blinzle nun doch wieder, was Marc frustriert seufzen lässt.

Aber der Anblick ist es wert. Leonardos halblanges schwarzes Haar fällt in saloppen Wellen um das kantige Gesicht, das wirkt, als wäre es aus Granit gemeißelt worden. Die dunklen Augen haben die Tiefe eines Sturms über dem Ozean – inklusive Gewitterwarnung.

»Dauert das noch lange?«, fragt er mit einer Stimme, die nach dem dunkelsten Gott der Welt klingt.

Ich will antworten, doch mein Gehirn gerät einen Moment in den Stand-by-Modus, während Chi verliebt hechelnd den Kopf hebt. ›Beta. Schön.‹

Ich stimme meinem Wolf uneingeschränkt zu.

Denn Leonardo trägt einen Smoking. Einen … verdammten Smoking. Schwarz, maßgeschneidert, sitzt wie angegossen. Die Krawatte hat er locker gebunden, als hätte er sie zwischen Tür und Spiegel angebracht. Die ersten zwei Hemdknöpfe sind offen, darunter ist die Haut gebräunt und ein Hauch seiner Tätowierung sowie der Ketten sind sichtbar.

Ich starre. Ich starre weiter. Mein Hirn hat entschieden, die Weihnachtsgala abzusagen und Leonardo zum neuen Feiertag zu erklären.

»Oh. Mein. Gott.« Marc hält mitten in der Bewegung inne und sein Pinsel schwebt gefährlich nahe an meinem Augapfel. »Leonardo Palania. Was hast du getan? Du siehst aus wie ein italienischer Mafiaboss auf einem Armani-Werbeplakat. Ich … ich fühle Dinge.«

»Ich hasse Weihnachten«, brummt Leonardo und zieht die Tür hinter sich zu, als würde er sie lieber eintreten.

»Du bist Weihnachten«, erwidert Elyas trocken. »Zumindest der Teil mit ›einsam wacht‹ und ›stillen Nächten‹, die nach Mordgedanken schreien.«

Leonardo ignoriert ihn, sein Blick bleibt an mir hängen – oder eher: an meinem Kleid. Dann an meinem Gesicht. Und dann an der Stelle, wo Marc gerade mit einem feinen Pinsel den Highlighter aufgetragen hat.

»Muss das sein?«, fragt er und deutet auf den Schminktisch. »Sie sieht aus wie ein Clown.«

»Ja«, erwidern wir alle gleichzeitig.

Leonardo seufzt und bleibt stehen. Direkt neben mir.

Die Wärme seiner Präsenz kriecht durch meine Haut wie Glut, obwohl er sich keinen Zoll bewegt. Chi ist mittlerweile auf allen vier Pfoten und scharrt, will sich an ihn drücken. Ich halte ihn zurück.

»Ich glaube, sie sabbert gleich«, bemerkt Cameron grinsend.

»Ich sabbere nicht«, murmle ich schnell. »Ich … bewundere nur den Textilfall. Sehr gelungen.«

»Natürlich tust du das«, brummt Leonardo mit einem dicken Hauch von Ironie.

»Du bist so ein verdammter Grinch.« Sebastian reicht ihm die Champagnerflasche, die er mittlerweile wieder von Cameron erhalten hat. »Hier, gönn dir. Vielleicht wirkt’s gegen chronische Misogynie und schlechte Laune. Oder zaubert dir wenigstens einen Anflug von ›Ich liebe meine Lena‹ in die düstere Miene.«

Leonardo nimmt den Champagner und trinkt ohne Kommentar.

Marc setzt derweil seine Arbeit fort und ich halte still, als er einen perfekten Lidstrich zaubert. Zumindest körperlich halte ich still. Meine Gedanken sind bei Leonardo, der viel zu nah neben mir steht. Sein Blick auf mir ist … schwer. Prüfend. Urteilsvoll. Besorgniserregend scharf.

Chi schnurrt vor Vergnügen. Er liebt das.

Und ich … leider auch.

»Ich hoffe, du erinnerst dich an den Verhaltenskodex für Galas mit … mächtigen Leuten«, sagt er so beiläufig, wie andere sagen würden ›Hast du den Müll schon rausgebracht?‹.

»Welchen Teil genau?«, frage ich unschuldig, derweil Marc mir mit flüssigem Eyeliner einen weiteren Wing verpasst, der vermutlich als Waffe zugelassen werden könnte. Anschließend klebt er falsche Wimpern auf, die meinen Blick dramatischer öffnen als jeder Opernvorhang eine Bühne, wie er vor sich hin murmelt.

Leonardo beugt sich etwas näher zu mir. »Alle.« Seine Stimme ist todernst, die dunklen Augen bohren sich in mich. »Kein Alleingang. Kein Abdriften. Kein Drink von Fremden. Kein Klobesuch ohne Begleitung. Kein Gespräch mit jemandem, der dich ›nur kurz sprechen will‹.«

»Klingt nach einem richtig spaßigen Abend«, kommentiere ich zynisch.

Marcs Augen funkeln vergnügt. »Ich liebe es, wenn ihr so geheimnisvoll redet. Ich stell mir vor, ihr seid eine Undercover-Eliteeinheit mit sehr gutem Modegeschmack.«

»Fast«, kommt es von Elyas, der Leonardo die Champagnerflasche abnimmt und selbst einen Schluck trinkt.

»Wir sind eher eine dysfunktionale Therapiegruppe mit … sehr scharfen Zähnen«, ergänzt Sebastian.

Leonardo fährt unbeirrt fort, während seine Aufmerksamkeit auf meinem Spiegelbild ruht. »Wenn du nicht mehr weißt, wo einer von uns ist – bleib stehen. Nicht weitergehen. Nicht nachdenken. Nicht mutig sein. Such Blickkontakt. Jemand wird in deiner Nähe sein.«

»Ich bin kein Kind«, brumme ich und verschränke leider gerade trotzig wie ein Teenager die Arme vor der Brust. Die Geste fällt mir zu spät auf, jetzt ist’s auch egal.

»Nein«, sagt Leonardo ruhig und seine Augen ruhen auf mir wie zwei dunkle Felsen, die mich niederdrücken wollen. »Aber du bist auch nicht unverwundbar.«

Seine Worte treffen mich mitten in die Seele. Ich weiß, dass sie keine Warnung sind, sondern eine Versicherung. Eine Absicherung. Ein stilles ›Ich bin da. Auch wenn ich aussehe, als hätte ich dich zum Fressen gern – wortwörtlich‹.

»Nicht reden, während ich den Lippenstift auftrage«, weist Marc mich an und tupft mit einem Pinsel eine Farbe auf meine Lippen, die aussieht wie zarte Rosenblätter in der Abendsonne.

»Wow«, haucht Sebastian ehrfürchtig und lehnt sich mit verschränkten Armen gegen die Kommode. »Diese Lippen sprechen allein durch den Farbton! Sie sagen jetzt: ›Ich esse dich nicht – ich lasse dich darum betteln‹.«

»Ich sehe ein ›Betreten auf eigene Gefahr‹«, murmelt Cameron mit einem lasziven Funkeln in den Augen. »Oder ein ›Ich kann zärtlich sein. Mit Zunge. Ganz langsam‹.«

»Für mich sagen die Lippen: ›Ich bin ein Kunstwerk. Don’t touch oder ich hol meinen sexy Anwalt‹«, ergänzt Elyas schmunzelnd und reicht Sebastian wieder die Champagnerflasche.

Marc seufzt theatralisch, ohne von seiner Arbeit aufzusehen. »Kann bitte jemand ein Handtuch holen? Ich glaube, euer Sabber tropft gleich auf meine Kunst.«

Leonardo schnaubt und ignoriert den Stylisten. »Ihre Lippen sagen: ›Ich werde heute Abend jemanden ruinieren‹. Wahrscheinlich mehrere Leute. Und wir müssen dann die Drecksarbeit machen.«

»Ich hab gehört, du liebst Drecksarbeit«, entgegne ich, als Marc den Pinsel kurz absetzt.

Leonardos Blick trifft im Spiegel auf meinen und schlagartig kippt die Stimmung. Er sagt nichts, ich auch nicht. Aber zwischen uns vibriert etwas. Etwas Dunkles, Unausgesprochenes. Eine Welle aus Schutz, Besitzanspruch und Dingen, für die es keine Sprache gibt. Nur Blicke und Instinkt.

Chi legt die Ohren an. ›Beta-Sturm.‹

»Sie ist fertig!«, verkündet Marc in diesem Moment mit einem triumphierenden Lächeln. Er scheint überhaupt nichts mitzubekommen von dem, was zwischen Leonardo und mir gerade läuft.

Die anderen drei Betas schon, ich spüre die Wölfe von Sebastian, Cameron und Elyas, die nervös herumtigern, bereit, mich zu beschützen, sollte Leonardo seinen eigenen Wolf nicht mehr an der Leine behalten können. Auch Chi knurrt warnend.

»Ladies und Gentlemen«, flötet Marc ungeniert weiter. »Ich präsentiere Ihnen: Helena, Königin der Weihnachts-Nacht!«

Der Applaus bleibt aus – zumindest für zwei Sekunden, dann atme ich tief durch und schenke ihm ein Lächeln über den Spiegel. »Danke, Marc. Du hast wieder mal Wunder gewirkt.«

Meine Worte entspannen die Situation, ich merke, wie sich die Wölfe von Sebastian, Cameron und Elyas schütteln und hinlegen. Zur Sicherheit schicke ich noch rasch ein wenig meiner Luna-Kräfte über sie, damit sie Leonardo nicht anknurren. Dessen Wolf hat sich ebenfalls hingesetzt und leckt über seine Pfoten, als hätte er nicht gerade beinahe einen Kleinkrieg im Rudel heraufbeschworen. Ich kann ihn sehen, ohne ihn zu sehen. Er ist in meinen Gedanken und dort sehr, sehr präsent.

Marc strahlt, verbeugt sich leicht und beginnt dann, seine Pinsel, Tuben und Tiegel mit geübten Griffen zurück in seinen Koffer zu sortieren.

»Ich lasse euch jetzt allein«, meint er. »Bevor ich noch anfange, einem von euch die Lippen zu machen. Wobei … Sebastian? Du wärst ein Traum in Kirschrot.«

»Ich bin eher der Typ: ›Bissspuren statt Lippenstift‹, sorry.« Sebastian grinst, aber es mutet wie ein Zähnefletschen an, da seine Aufmerksamkeit immer noch hauptsächlich auf Leonardo und dessen Wolf liegt.

»Schade.« Mac klimpert mit den Wimpern, ehe er mir einen letzten prüfenden Blick zuwirft. »Aber du, meine Liebe, wirst heute Abend Lichterketten in Männerhirne werfen. Zieh hohe Schuhe an. Und wenn einer frech wird – schau einfach zu Leonardo, der wird das regeln.«

»Oder wir machen das«, murmelt Elyas.

Cameron erhebt sich und nimmt die Champagnerflasche aus Sebastians Händen. »Wir sind wie drei Bodyguards und ein Dämon.«

»Und du bist?« Sebastian hebt eine Augenbraue.

»Der hübsche Sidekick mit überraschend vielen Kampftechniken«, erwidert Cameron, ehe er nochmals einen großen Schluck Champagner trinkt und diesen beinahe über seinen Anzug schüttet.

Elyas nimmt ihm die Flasche wieder aus der Hand, um selbst zu trinken. »An deinen Kampftechniken gibt es definitiv noch einiges zu feilen.«

»Wir werden einfach immer zu schnell abgelenkt«, meint Cameron und zwinkert ihm zu. »Tja, das ist das Problem bei einem so attraktiven Trainer.«

Elyas schnaubt belustigt und trinkt gleich nochmals.

Marc schnappt sich indes seine Tasche und küsst flüchtig die Luft neben meiner Wange. »Du rockst das, Babe. Und wenn nicht, ruf mich an. Ich komme mit Glitzer oder einem Baseballschläger. In Pink natürlich.«

»Danke, Marc«, wiederhole ich und lächle.

Kaum ist er aus der Tür verschwunden, verändert sich die Atmosphäre wieder, als hätte jemand das Rampenlicht gelöscht. Ich bin jetzt umgeben von vier Beta-Wölfen, die mich mit goldenen Augen mustern, als wäre ich heute Abend ihre Beute.

Kapitel 3 - Wenn Schuhe sprechen

Helena

 

Sebastian tritt näher und betrachtet mich mit einem Blick, der ziemlich eindeutig das Verlangen seines Wolfes widerspiegelt. »Weißt du, du solltest das Kleid nachher unbedingt anlassen. Also … während es bis zu deinem Bauch hochgeschoben ist.«

»Er meint damit: Reißverschluss nach unten, nicht nach oben, sobald wir zurück im Penthaus sind«, kommentiert Cameron und seine Augen funkeln. »Ich könnte das auch übernehmen. Oder dir Champagner in den Bauchnabel gießen. Oder beides.«

»Oder du hältst einfach die Klappe, bevor Adrian dir den Kopf abreißt«, knurrt Leonardo.

»Würde er nie«, erwidert Cameron selbstsicher. »Er wäre zu beschäftigt damit, Helena mit Blicken auszuziehen.«

Ich will etwas sagen, aber Chi wedelt mit dem Schwanz und schmiegt sich an mein Bewusstsein.

›Schutz. Rudel. Rudel gut‹, flüstert er mir zu.

Ich streiche ihm imaginär über den Kopf. ›Ich weiß, Chi. Ich weiß.‹

Elyas reicht mir den Champagner. »Ich hoffe, dein Lippenstift ist kussfest. Sollen wir’s testen?«

Ich lache leise. »Nein, das überlasse ich nachher dem Boss.«

Dann trinke ich einen Schluck und merke, dass nichts vom Lippenstift an der Flaschenöffnung hängen bleibt. Marc hat echt an alles gedacht.

Sebastian nimmt die Flasche entgegen, reicht sie Leonardo und zieht mich am Arm auf die Beine. »Du brauchst noch Schuhe. Und eine Tasche, ehe wir runter zum Rest der sexy Meute gehen.«

»Die Frage ist: silbern oder schwarz«, überlegt Elyas laut und mustert mich von oben bis unten, als hätte er ein unfertiges Kunstwerk vor sich, dem er noch den letzten Schliff verpassen will.

»Silbern«, sagt Cameron sofort. »Das reflektiert das Licht, sieht sündhaft aus und passt perfekt zu ihrem Augenaufschlag.«

»Schwarz«, kommt es von Sebastian. »Klassisch. Zeitlos. Passt zu Leonardo.«

»Was zur Hölle hat das mit mir zu tun?«, fragt der düstere Beta in einem Tonfall, als würde er gleich jemanden für Modeverbrechen exekutieren. Er stellt den beinahe leeren Champagner auf den Schminktisch.

»Sie sieht in Schwarz genauso gefährlich aus wie du im Smoking«, erwidert Sebastian seelenruhig. »Ich nenn das: optische Drohung im Partnerlook.«

»Ich habe übrigens auch eine Meinung«, werfe ich ein, werde aber vollständig ignoriert.

»Was ist mit dunkelgrün?«, fragt Cameron plötzlich.

Alle drehen sich zu ihm. Fassungslos.

»Was?!« Er hebt die Hände. »Ich frag ja nur! Würde den Weihnachtsgeist präsentieren. Wegen rot, grün … Ach, vergesst es.«

»Gut. Schuhe zuerst«, bestimmt Elyas und öffnet den Schrank, in dem ich meine Gala Heels aufgereiht habe. Die Auswahl ist in den vergangenen Wochen erheblich angestiegen, seit ich ein Rinaldi-Gehalt bekomme.

»Ich kann das alleine«, murmle ich, doch da ist es schon zu spät.

Cameron schnappt sich einen silbernen High Heel und hält ihn wie ein wertvolles Artefakt hoch. »Sieh ihn dir an. Dieser Schuh sagt: ›Ich trete dich – aber mit Stil‹.«

»Und mit Knöcheltod-Garantie«, murmelt Leonardo.

Cameron überhört ihn ungeniert und kniet sich zu mir, stellt den Schuh neben meinen linken Fuß.

»Wenn jemand sie zum Stolpern bringt, bringen wir ihn um«, bemerkt Sebastian, der sich jetzt auf meine andere Seite begibt und einen schwarzen High Heel neben mir platziert. »Schwarz. Leder. Dieser Schuh sagt: ›Ich bin eine Luna. Also verschwinde, und atme meine Luft nicht weiter‹.«

»Ich brauche keine Schuhe, die sprechen«, brumme ich, werde jedoch erneut ignoriert.

»Ziehen wir ihr einfach beide an und schauen, welcher besser aussieht«, schlägt Elyas grinsend vor.

Und plötzlich bin ich kein Mensch mehr, ich bin eine Anziehpuppe.

Cameron hält meinen Knöchel, streift mir den silbernen High Heel über, allerdings mit einer Zärtlichkeit, als wäre ich ein zerbrechliches Porzellanwesen. Was fast schon wieder seltsam rührend ist.

Ich balanciere genervt auf dem Absatz, Leonardo stützt mich dankbarerweise.

Sebastian macht es auf der rechten Seite genauso. Nur mit einem anzüglichen Blick zu mir hoch, der eindeutig weniger Porzellan und mehr ›Striptease in Zeitlupe‹ suggeriert.

»So. Und jetzt geh ein paar Schritte«, weist mich Cameron feierlich an.

»Ich bin kein Model!«, protestiere ich.

»Heute schon«, erwidert er ungerührt.

Mit einem theatralischen Seufzen und Leonardos stützenden Händen gehe ich zwei Schritte, während Elyas, Cameron und Sebastian mich mit der Konzentration einer Heidi-Klum-Jury betrachten.

Chi legt den Kopf schief und gibt ebenfalls seinen Senf dazu. ›Linker Schuh schöner. Funkelt.‹

»Silbern«, beschließt Cameron und Elyas nickt.

»Schwarz«, erwidert Leonardo – natürlich.

Sebastian zuckt mit den Schultern. »Ich bin jetzt für barfuß. Aber was weiß ich schon.«

»Silbern bleibt dran«, sage ich, bevor noch jemand auf die Idee kommt, die Tasche ebenfalls mit einer Punktetafel zu bewerten.

Leider zu spät …

»Gut, dann zur nächsten Entscheidung: Tasche«, meint Elyas in eben dem Moment und holt eine silberne Clutch sowie eine silberne Box Bag aus dem Schrank.

»Warum?«, frage ich.

»Weil du eine brauchst, um irgendetwas vorzutäuschen, das wie Kontrolle aussieht«, antwortet Leonardo, der gerade meinen schwarzen Heel mit dem silbernen tauscht. Ich halte mich dafür an seiner Schulter fest.

»Und für Lippenstift. Und Pfefferspray«, ergänzt Cameron.

»Und falls du jemandem eine Ohrfeige geben willst, ohne die Hand zu benutzen«, fügt Sebastian hinzu.

»Nein, ich meinte: Warum müssen wir jetzt auch noch über die Tasche diskutieren?«, präzisiere ich und setze den Fuß ab, da Leonardo fertig ist und sich aufrichtet. »Die Wahl des High Heels steht: silbern. Also silberne Tasche. Ob Clutch oder Box Bag, ist doch scheißeg…«

Den Rest des Wortes nuschle ich gegen Sebastians Hand, die er mir über den Mund gelegt hat.

»Schhhht, nicht den Modegott verägern«, murmelt er in mein Ohr.

Und natürlich folgt nun der Startschuss zum Fachgespräch auf Boutique-Niveau für meine persönliche Jury aus testosterongeladenen, übereifrigen Betas.

»Also«, beginnt Elyas und hält beide Taschen nebeneinander. »Silber und Silber sind nicht gleich. Das hier ist kühles Mondlicht – das da eher Weihnachtsbaumschimmer. Seht ihr den Unterschied? Frappant!«

»Oh ja«, bestätigt Sebastian todernst, der immerhin seine Hand von meinem Mund weggenommen hat. »Die Clutch links sagt: ›Ich bin ein gefährlicher, aber eleganter Engel‹, während die Box Bag rechts sagt: ›Ich hab Champagner verschüttet und tue jetzt so, als wär’s Absicht‹.«

»Hmmm … die Clutch sagt: ›Ich bin zart, edel und gefährlich – trag mich, und Männer fallen dir zu Füßen, weil sie glauben, du brauchst Schutz‹«, fährt Cameron in Lehrer-Manier fort. »Und die Box Bag sagt: ›Ich brauche keine Aufmerksamkeit – ich bin die Konsequenz‹. Sie ist nicht zum Flirten da, sondern um Grenzen zu setzen. Die Clutch lockt, doch die Box Bag befiehlt.«

»Ich finde, sie braucht eine Tasche, die nichts sagt«, brummt Leonardo.

Danke!

Diesen Gedanken revidiere ich allerdings direkt, als er fortfährt.

»Dann gibt es wenigstens einen Teil an ihr, der nicht schon vor dem ersten Gespräch bettelt: ›Friss mich – ich bin neu hier‹ oder ›Ich habe keine Ahnung, was ich hier tue – aber hey, sehen wir mal, wie lange ich überlebe‹.«

»Ich hasse euch alle«, murmle ich, während ich versuche, Sebastian die Clutch abzunehmen. Was natürlich nicht klappt, weil Cameron sie mir gleich wieder aus der Hand windet wie ein aufdringlicher Personal Shopper.

»Ich bin für die hier«, ruft er und hält eine andere glitzernde Version in die Höhe. »Die schreit ›Ich bin schön, gefährlich und du darfst mich nicht mal anschauen‹.«

»Dann solltest du sie selbst tragen, das klingt nach dir«, bemerkt Elyas trocken.

»Ich brauche keine Handtasche, die schreit!«, protestiere ich und versuche erneut, nach der Clutch zu greifen, die jetzt bei Elyas ist, da Cameron sie ihm zugeworfen hat.

»Dann hättest du schwarze Schuhe anziehen müssen«, erwidert Sebastian mit einem Grinsen.

»Ich? Ihr habt mir diese silbernen Dinger an die Füße getackert!«, erwidere ich aufgebracht und versuche nicht zu stolpern, während ich auf den Künstler-Beta zustürme.

»Nur zu deinem Besten«, kontert Elyas und hebt die Clutch so weit in die Höhe, dass ich unmöglich rankomme, wenn ich nicht an ihm hochklettern will.

Mit diesem Kleid … keine Chance.

›Chi?‹, frage ich verzweifelt in meinem Kopf.

›Wölfe wählerisch. Du hübsch‹, kommt es von meinem Wolf.

»Gib mir die Clutch!«, sage ich in energischem Luna-Tonfall zu Elyas. »Oder ich werde nie wieder einen Fuß in dein Zimmer setzen!«

»Oho, jetzt fährt sie die harten Geschütze auf«, sagt Cameron lachend.

»Das würde ich natürlich nicht riskieren wollen.« Elyas schenkt mir sein Lucifer-Grinsen und erbarmt sich endlich, drückt mir die silberne Clutch in die ausgestreckten Hände.

»Gut«, meint Sebastian und sieht mich noch einmal prüfend an, ehe er eine Bewegung mit den Fingern macht, als sei er ein Künstler vor einem fertigen Gemälde. »Sie ist bereit.«

»Bereit, ein paar Herzen zu brechen«, ergänzt Cameron.

»Bereit, ein paar Alpha-Köpfe zu verdrehen«, fügt Elyas hinzu.

»Bereit, den ganzen Abend in unserer verdammten Nähe zu bleiben und sich an den Kodex zu halten«, raunt Leonardo, dessen Blick sich in mich brennt.

Er hält inzwischen einen passenden bordeauxroten Seidenschal in den Händen, den er um meine Schultern drapiert und damit Adrians Markierungen verbirgt.

Ich seufze. Laut und dramatisch, während ich mein Handy in die Clutch stopfe. Zusammen mit ein paar anderen Utensilien, die ich unter anderem aus meiner normalen Handtasche hole. Taschentücher, ein Puderdöschen mit Spiegel, ein matter Lippenstift in exakt der Farbe, die ich gerade trage – Marc wäre stolz auf mich –, ein winziger Kamm und Kaugummi (ohne Alpha-Pheromone, just saying!).

Die Betas schauen mir dabei so interessiert zu, als würden sie gleich wetten wollen, was ich zuerst benutze, oder bei einem Krimidinner sitzen und jedes Objekt für potenziell tödlich halten.

Ich schüttle leicht den Kopf über ihr Verhalten.

Aber innerlich … schmilzt mein Herz.

Ich hasse sie.

Ich liebe sie.

Ich hasse, wie sie mich bemuttern.

Ich liebe, wie sie mich verehren.

Dann bin ich halt ihre Anziehpuppe, aber ich bin gleichzeitig ihr Mittelpunkt. Ihr Rudelherz. Und für diesen Moment lasse ich mir das gefallen. Weil ich es selbst mag. Würde ich ihnen natürlich niemals sagen.

Es reicht, dass Chi mit dem Schwanz wedelt und die vier Männer verliebt anhechelt.

Sie können es sehen, da bin ich mir sicher.

Kapitel 4 - Nicht bereit

Helena

 

Ich spüre die vier Betas regelrecht hinter mir, ihren Stolz, ihre Liebe, ihre Bewunderung, als ich ihnen voran durch den Gang zur Wendeltreppe gehe, die nach unten ins Wohnzimmer führt.

Und ich spüre IHN. Dort unten, wie er auf mich wartet. Neben seinem ersten Beta, dessen ruhige Schwingungen beinahe anmuten, als wäre er selbst ein mächtiger Omega.

Als ich das Treppengeländer erreiche, trifft mein Blick auf dunkle Augen, die zu mir hochschauen. Und auf einen Mann, der mein Herz gleichermaßen zum Stillstehen und zum Rasen bringt: Adrian Rinaldi.

Der schönste, imposanteste, verführerischste und gleichzeitig begehrenswerteste Alpha der Welt.

Und er ist meins …

Er trägt ebenfalls einen schwarzen Smoking wie Leonardo und Sebastian. Nur sieht bei ihm das Kleidungsstück nicht wie Designerware aus, sondern wie ein verdammter Alpha-Schwur, der in dunklen Stoff gewoben wurde. Seine Schultern werden durch den Schnitt noch breiter, die Taille noch stärker betont.

Mir stockt kurz der Atem, als ich ihn dort unten auf mich warten sehe. Er wirkt, als hätte er sich auf mich vorbereitet. Nicht auf den Abend. Nicht auf die Gala mit anderen Wölfen. Nur auf mich.

Meine Hand greift nach dem Geländer. Langsam steige ich die Stufen der Wendeltreppe hinab und spüre seine Blicke auf mir, als würde er mir das Kleid allein mit Gedanken vom Leib reißen wollen.

Sein Wolf ist präsent, er glüht goldfarben in seinen Augen, als ich die unterste Etage erreicht habe und auf ihn zugehe. Ich höre ihn lüstern grollen und Adrian unterdrückt den Laut nicht, lässt ihn vielmehr durch den Raum vibrieren. Er stellt mir die Nackenhärchen auf und ich bin froh, die Beta-Präsenz in meinem Rücken zu spüren. Sie halten mich, erden mich, stützen mich, während ich auf den Alpha zuschreite.

Seine Schultern straffen sich, als ich näherkomme – minimal, fast unmerklich, doch ich fühle es. Sehe es. Jeder Muskel unter diesem sündhaft teuren Stoff ist angespannt. Seine Miene bleibt undurchdringlich wie eine Festungsmauer, aber seine Augen … sie flackern wie Gold, das gerade im Schmelzofen gegossen wird.

Sie wandern über mein Gesicht, meinen Hals, meine Lippen, den Ausschnitt.

Er sagt nichts, keine Begrüßung. Nur dieses tiefe, dunkle Grollen, das seine Kehle verlässt.

Und so geladen, dass Chi in mir vor Erregung fiept. ›Er will uns. Jetzt. Sofort.‹

Ich weiß. Ich fühle es selbst.

Mein Wolf zieht sich aufgeregt in mir zusammen und drückt sich gegen meine Rippen, als wollte er mir zeigen, wie reizvoll es wäre, einfach vor dem Alpha in die Knie zu sinken und die Lippen an seinen Schritt zu pressen.

Ich bleibe stehen. Eine Armlänge vor ihm.

Adrian sieht mich an, als wäre ich nicht seine Assistentin, nicht sein Besitz, nicht einmal seine Partnerin – sondern seine Göttin.

Er hebt langsam die Hand, berührt mit zwei Fingern mein Kinn. Die Geste ist so leicht, dass sie mehr in meinen Gedanken als auf meiner Haut geschieht. Aber sie reicht aus, um meine Knie weich zu machen. Sein Daumen streicht über meine Unterlippe, prüft den Lippenstift, als wollte er sicherstellen, dass er standhält.

Dann sagt er leise, so tief, dass ich es mehr fühle als höre: »Ich habe gehofft, dass du ein Kleid wie dieses trägst.«

Meine Lippen öffnen sich leicht, ich weiß gar nicht, was ich überhaupt sagen soll. Oder kann.

Muss ich auch nicht, denn er zieht mich an sich. Mit einer Bewegung, die so bestimmt und flüssig ist, dass nur einer sie beherrscht: Adrian Rinaldi.

Seine Hand liegt auf meinem unteren Rücken, die andere an meinem Nacken. Meine Lider schließen sich automatisch.

Und dann … küsst er mich. Nicht schnell oder wild, sondern tief, langsam und besitzergreifend.

Als wollte er mich mit diesem Kuss markieren, noch bevor er mich der Öffentlichkeit präsentiert. Als würde er mir damit ein Versprechen geben: Ich bin dein, aber du bist zuerst meins.

Ich höre ein leises, ehrfürchtiges Raunen der Betas hinter mir – oder ich bilde es mir bloß ein. Denn in diesem Moment gibt es nur zwei Dinge in meinem Universum: Adrians Lippen und mein Herz, das in seinem Takt schlägt.

Er löst sich erst, als meine Fingerspitzen nach seinem Revers greifen. Nur ein Atemzug trennt uns.

Während ich die Augen öffne, betrachtet er mich, als sei ich ein gottverdammtes Wunder.

»Du bist definitiv mehr bereit als ich«, murmelt er an meinen Lippen.

»Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher«, flüstere ich und lege ihm die Hände in den Nacken, drücke mich noch stärker an ihn.

»Du siehst bezaubernd aus, chérie«, höre ich Dylan, der neben uns tritt.

Adrian lässt mich los, aber seine Hand liegt weiterhin auf meiner Taille, als würde er seinen Besitz nicht teilen wollen.

»Danke«, antworte ich und schaue zu dem Hünen hinauf, der in seinem Anzug etwas verloren wirkt.

Ich weiß, dass er Anzüge hasst und sie nur anzieht, wenn er muss. So wie heute Abend. Denn es gibt einen Dresscode auf der Gala, der Biker-Shirts und Jeans ausschließt. Doch die Piercings in Augenbraue, Nase und Ohr hat Dylan trotzdem drin gelassen. Sie schenken ihm etwas Verwegenes.

»Du siehst auch gut aus«, ergänze ich mit einem leichten Lächeln und hebe die Hand, streiche ihm kurz über die breite Brust.

Er schmunzelt und seine grünbraunen Iriden funkeln warm auf mich herab.

»So, nachdem jeder jedem gesagt hat, wie fantastisch er aussieht, können wir los, oder?«, fragt Cameron hinter mir.

Ich lächle und schmiege mich an den Alpha, der mich daraufhin noch fester packt.

»Du scheinst es kaum erwarten zu können, in dieses Haifischbecken zu springen, mein hübscher Engel«, bemerke ich an den jüngsten Beta gerichtet.

»Ach, ich hab Schwimmen gelernt«, winkt dieser ab. »Auch mit Haifischen. Sie hinterlassen ein paar Narben, aber keine gebrochenen Flügel.«

Unwillkürlich muss ich an seinen ehemaligen Alpha Devin Sanders denken, der ihn so grausam gefoltert hat, und schließe eine Sekunde lang die Augen, um die Bilder zu verscheuchen.

Der verrottet jetzt irgendwo im Wald. Nicht mehr unser Problem. Nie wieder.

»Gehen wir«, sagt Adrian an meiner Seite und zieht mich zum Fahrstuhl.

Ich folge ihm und merke, wie mein Herz abermals schneller zu schlagen beginnt. Nicht seinetwegen, sondern wegen ihnen … den drei Alphas, die auf der Gala auf uns warten werden. Also vor allem wegen zwei davon, die ich seit jenem verhängnisvollen Nachmittag bei der Jagdhütte beim Saranac Lake nicht mehr gesehen habe.

Fynn Hansen, der mich für mein ganz persönliches Horrorvideo gefesselt und zum Kommen gebracht hat – und Raven Stone, der mir fünf Stunden lang im Flugzeug nach Las Vegas seine Essenz gab, um mich von der Hitze zu befreien. Ich habe an seiner Schlange gelutscht wie eine Verdurstende in der Wüste. Nein, das ist nicht metaphorisch gemeint, denn er hat wirklich eine Schlange da unten tätowiert …

Scheiße noch mal … Ich bin nicht bereit.

Dennoch folge ich meinem Alpha in den Lift, als dieser mit einem ›Pling‹ ankommt.

Die Türen öffnen sich lautlos und geben den Blick auf die glänzende Metallkabine frei, die wie ein Portal in eine andere Welt wirkt – in eine, in der Politik, Macht und Rangordnungen herrschen. In der man als Omega nicht blinzeln darf, ohne dass ein Alpha etwas hineininterpretiert.

Adrian ist dicht an meiner Seite, seine Hand wie auf meiner Taille festgeklebt. Dylan stellt sich auf meine andere Seite, groß, warm und schweigsam.

Leonardo tritt als Nächster ein, sein prüfender Blick scannt mich noch einmal kurz, ehe er Sebastian und Elyas etwas Platz macht. Cameron zwinkert mir frech zu und lehnt sich an die Wand.

Ich stehe in ihrer Mitte, spüre die Präsenz ihrer Wölfe um mich wie ein Mantel aus Kraft und Loyalität.

Chi schmachtet in mir. ›Rudel. Da. Stark.‹

›Ja‹, flüstere ich zurück.

Ich fühle es so sehr, dass mir fast die Tränen kommen. Die Rudeldynamik um mich herum. Und ich … bin ihr Herzstück, das sie mit allem beschützen, was sie haben. Wenngleich sie mir gerade glitzernde High Heels und ein bordeauxrotes Kleid angezogen haben, das wie eine Rudel-Flagge wirkt.

Niemand spricht, als der Lift sanft nach unten fährt und ich ihre Schwingungen in mich aufnehme.

Sebastians charmanten Leichtsinn, der in Wahrheit messerscharf beobachtet.

Elyas’ gelassene Eleganz, die sich wie Seide um eine Klinge legt.

Camerons Leuchten, das in seiner Dunkelheit strahlt, bereit, mich sofort zu verteidigen, sollte es notwendig sein.

Dylans ruhiger Fels, auf dem mein innerer Sturm verschnaufen darf, nur, um in verruchte Versprechen gelockt zu werden, die er auf Französisch in mein Ohr knurrt.

Leonardos wachsamer Schatten, der alles sieht, bevor es geschieht.

Und Adrian … mein Alpha, das Feuer in meinem Herzen.

Ich hebe den Kopf und schaue zu ihm hoch. Er erwidert den Blick und ich registriere die Liebe, mit der er mich betrachtet. Die keine Worte braucht, nur Nähe.

Nur das hier.

Egal, was auf dieser Gala passiert, ich werde nicht allein sein. Nie. Denn ich habe sie alle. Und ich werde für sie brennen. Wie eine verdammte Luna.

Kapitel 5 - Santas Weihnachtspalast

Helena

 

»Scheiße, Adrian …«, flüstere ich, als wir eine halbe Stunde später aus einem weiteren Aufzug treten.

Zunächst dachte ich, die Gala findet im Firmengebäude der ›Rinaldi Company‹ statt, wurde aber eines Besseren belehrt. Wir fuhren mit Adrians Auto und Dylans Truck nämlich nicht zur Wall Street, sondern zum Rockefeller Center.

Und jetzt … treten wir aus der 65. Etage dieses Wolkenkratzers in eine wahre Märchenwelt aus Weihnachtslichtern und glitzernden Zimtstangen.

Ich klammere mich unwillkürlich fester an den Arm meines Alphas, bei dem ich mich untergehakt habe, während ich staunend den Empfangsbereich betrachte.

Die Luft duftet nach Tannenzweigen, Gewürznelken und einem Hauch Champagner. Leise Pianomusik mit Weihnachtsliedern erfüllt das Foyer. Ein dicker, dunkelroter Teppich mit goldenen Fäden schluckt meine Schritte, als wir langsam vorwärtsgehen. Über uns wölbt sich eine Decke mit eingelassenem Lichtspiel, das aussieht wie ein Nachthimmel mit fallendem Schnee. Winzige Lichtpunkte schweben in wellenförmigen Bewegungen den Wänden entlang, als wäre das hier ein lebendiger Traum.

Zu meiner Linken befindet sich ein gläsernes Empfangspult mit dezent lächelndem Personal in maßgeschneiderten Anzügen – jeder von ihnen trägt ein Namensschild mit dem Logo von Adrians Firma. Sie begrüßen uns mit einem höflichen Nicken und ich spüre, wie ihre Blicke an Adrian haften bleiben – ehrfürchtig, fast schon devot.

Rechts von mir zeigen bodentiefe Fenster auf Manhattan. Ein atemberaubendes Lichtermeer, das bis an den Horizont reicht. Die ganze Stadt liegt uns zu Füßen.

Der Empfangsbereich selbst ist großzügig und die Rundsäulen aus dunklem Marmor tragen goldene Schleifen mit Tannenzweigen. Mittendrin steht ein über zwei Meter hoher, kunstvoll geschmückter Weihnachtsbaum, der nicht nach Supermarkt aussieht, sondern nach Parfümwerbung. Statt kitschiger Kugeln hängen daran kleine Glaskristalle, vergoldete Federn, leuchtende Sterne und Zimtstangen, die in sanften Spiralen zwischen den Zweigen eingearbeitet wurden. Die Lichterkette, die rundherum angebracht ist, ist warmweiß, keine Spur von grellem LED-Geblinke. Alles wirkt … teuer. Stilvoll und verdammt unwirklich.

Ein paar elegant gekleidete Gäste stehen bereits in Grüppchen zusammen, allesamt in Anzügen, Smokings oder bodenlangen Kleidern, die mehr Haut zeigen als verbergen. Ich erkenne einige aus dem Büro: Broker, Assistenten, Vorstandsmitglieder, Senior Advisors, Sponsoren. Sie wirken makellos, als hätten sie heute Morgen eine Schönheitsoperation gebucht und wären anschließend direkt vom Spa hierher gebeamt worden. Ein paar Journalisten stehen mit Kameras herum und fangen besonders schöne Kleider und Blicke ein.

Super, die Boulevard-Presse ist auch wieder am Start. War ja klar, bei einer Rinaldi-Gala.

Ein Kellner in schwarzem Frack reicht Adrian und mir je ein Champagnerglas mit einer dezenten Verbeugung. Ich nehme es mechanisch entgegen, ohne wirklich zu realisieren, was ich tue. Meine Sinne sind überflutet – von Licht, Glanz, Glitzer, Duft … und von Adrian, der neben mir steht, als hätte er diese Welt hier nur erschaffen, um mich darin leuchten zu sehen.

Plötzlich wird mir klar, wie wir auf die Gäste wirken müssen. Ich beim großen Boss untergehakt wie seine …

Scheiße!

So schnell ich kann, will ich mich von Adrian lösen, aber er legt seine Hand auf meine, drückt sie zurück auf seinen Unterarm.

»Adrian …«, flüstere ich hektisch, als uns bereits die ersten Blicke seiner Mitarbeiter treffen.

Ich spüre, wie sich der gesamte Raum subtil auf uns ausrichtet – wie ein Magnet, dem niemand entkommen kann. Ich bin nicht nur seine Assistentin. Nicht mehr. Nicht heute Abend. Nicht, wenn ich in diesem Kleid an seinem Arm durch einen Raum voller Angestellter, Geschäftspartner und Journalisten schreite.

»Lass es«, murmelt er, ohne die Lippen richtig zu bewegen. »Sie sollen sehen, was mir gehört.«

Himmel …

Mein Herz schlägt wie wild, während ich versuche, meine Miene unter Kontrolle zu halten, und schnell einen Schluck Champagner trinke. Dafür ernte ich direkt einen bösen Blick meines Alphas, da ich nicht vorher mit ihm angestoßen habe.

Tja, da muss er jetzt durch. Ich auch.

»Wow«, flüstert Cameron hinter mir ehrfürchtig – wobei sein Tonfall eher einem Reality-TV-Kommentator gleicht. »Ich dachte, wir gehen auf eine Gala, nicht in Santas Weihnachtspalast.«

»Der Weihnachtsbaum hat bestimmt eine eigene American-Express-Black-Card«, meint Sebastian und mustert den Baum mit Kennerblick, als hätte er ihn selbst geschmückt.

»Die Zimtstangen sind echt«, murmelt Elyas in fast andächtigem Tonfall. Ich glaube, er inhaliert sie innerlich gerade wie Räucherstäbchen.

Leonardo knurrt den Baum an wie seinen persönlichen Endgegner. Oder jemanden, der ihm eine Ex ausgespannt hat.

Nur Dylan bleibt unerschütterlich wie immer – der Hünen-Beta mit Nerven aus Granit. Sein Blick scannt die Umgebung, sein Kiefer ist angespannt. Ich bin mir sicher, dass er jede Person in diesem Raum in weniger als drei Sekunden kampfunfähig machen könnte. Inklusive des Baums und der Journalisten.

»Werden wir hier feiern?«, flüstere ich Adrian zu.

»Nein. Im Ballsaal. Er wird später eröffnet«, erklärt er und deutet zu einer noch verschlossenen Doppeltür.

Anschließend führt er mich auf das erste Grüppchen zu, um seine Mitarbeiter zu begrüßen.

»Mister Rinaldi, was für eine schöne Gala!«, ruft ein junger Mann aus der Buchhaltung, der offensichtlich hofft, heute zum ersten Mal überhaupt von seinem Boss bemerkt zu werden.

Adrian nickt knapp sein CEO-Nicken, aber er lässt mich keine Sekunde los.

Die nächste Mitarbeiterin, Clarissa aus dem Legal-Team, starrt mich an, als hätte ich ihr soeben den Heiligenschein gestohlen.

Adrian neigt kurz den Kopf, als wir sie passieren. »Clarissa. Schönen Abend, Sie sehen bezaubernd aus.«

»Danke, Sir«, haucht sie, dann wandern ihre Augen wieder zu mir und hängen da fest. In ihrem Blick lese ich ein stummes ›Was zur Hölle‹, doch sie lächelt, wenngleich gequält.

Ich lächle zurück. Breiter, als ich müsste, während Chi mit dem Schwanz wedelt. ›Guck, wir auch schön. Und Alpha sagt: meins.‹

Ein paar Schritte weiter begrüßt Adrian zwei Mitarbeiter aus der Investmentabteilung.

»Gentlemen. Wie läuft die Performance?«, fragt er mit seiner üblichen seelenruhig-aber-drohenden Chefstimme.

Die Männer antworten nervös, lachen zu laut und nicken zu heftig. Ich merke, wie ihre Blicke immer wieder zu mir huschen. Zu meinem Ausschnitt. Meiner Hand, die weiterhin auf Adrians Arm liegt.

Spätestens jetzt dürfte allen also klar sein, dass Adrian und mich mehr verbindet als ein Boss-Assistentin-Verhältnis. Das hier ist ein Statement – in Rinaldi-Manier.

Phu, ich freue mich nicht darauf, wenn die Gerüchteküche nach dem Betriebsurlaub richtig zu brodeln beginnt und ich das Zentrum des Tuschelns sein werde. Morgen haben wir frei und danach ist die Rinaldi Company eineinhalb Wochen im Winterschlaf – Adrian ist echt ein toller Chef, der seinen Mitarbeitern diese kleine Pause gönnt, obwohl das in Amerika nicht die Regel darstellt.

By the way: Ich habe mit Cameron eine Wette laufen, dass Workaholic Adrian die eineinhalb Wochen ohne Arbeit NIEMALS durchziehen wird. Meine Prognose: Er wird am Weihnachtsmorgen trotzdem vor dem Laptop sitzen, hält am 29. Dezember ein Zoom-Meeting mit einem Emir in Katar, kontrolliert am 1. Januar persönlich die Umsatzlisten, ruft Angel ›nur kurz‹ an, um ›etwas nachzufragen‹, und verfasst am 2. Januar ein internes Memo über die Budgetziele des neuen Jahres.

Ich habe offiziell in dieser Zeit die Erlaubnis, auszuschlafen, Plätzchen zu backen und den Alpha zu reiten. Doch ab 4. Januar geht’s auch für mich weiter. Und dann … wird die Hölle los sein.

Aber okay … da muss ich wohl oder übel durch. Mir war klar, dass wir nicht ewig verbergen können, was wir füreinander sind. Wenngleich wahrscheinlich kein EINZIGER in diesem Raum je erahnen wird, wie viel mehr das hier noch bedeutet. Na gut, bis auf die Alphas, die … Wo sind sie eigentlich?

Ich sehe mich suchend um, während ich an Adrians Seite weiter durch das Foyer schreite.

Kein Raven, kein Fynn, kein Gabriel.

»Na, wenigstens wissen jetzt alle, wer beim nächsten Betriebsessen nicht mehr am Tisch der Einsamen sitzen wird«, murmelt Sebastian leise hinter mir.

Cameron lacht. »Oh bitte, die Tischordnung ist sowieso nur eine Farce. Jeder weiß, wer die Plätze vergibt – und wessen Schoß am begehrtesten ist.« Er grinst Adrian zu, nippt an seinem Glas und hebt eine Augenbraue. »Ganz ehrlich, Boss? Die Hälfte der Leute hier würde sich freiwillig in deinen Aktenschrank einsperren lassen, wenn sie damit nur fünf Minuten mit dir auf dem Chefparkett bekämen.«

Sebastian schnaubt. »Und die andere Hälfte würde dafür ein Loft in Tribeca verpfänden. Einschließlich Clarissa da hinten, die dich anstarrt, als wärst du ihre letzte Gehaltsabrechnung vor der Kündigung.«

Ich verschlucke mich fast an meinem Champagner.

»Ich liebe diesen Ort«, flüstert Elyas andächtig, der inzwischen direkt neben mir steht. »Es ist wie ein barockes Gemälde von Macht und Dekadenz. Nur mit besserer Beleuchtung. Ich geh mal da rüber, da scheint es Häppchen zu geben.« Damit mischt er sich unter die Gäste.

Leonardo knurrt etwas, das wie ›Kitschporno‹ klingt, und verzieht sich demonstrativ in Richtung Fensterfront. Dylan steht mittlerweile ebenfalls abseits und beobachtet die Menschen, ihre Bewegungen, ihre Blickachsen. Und mich. Immer wieder mich.

Kapitel 6 - Er ist heiß

Helena

 

Ein lauter, glockenheller Ausruf durchschneidet mit einem Mal das Stimmengewirr im Foyer und zieht meine Aufmerksamkeit auf sich.

»Oh. MEIN. Gott. Ist das etwa echter Zimt?!«

Ich drehe mich um – und unwillkürlich erscheint ein Lächeln auf meinen Lippen, als ich einen hübschen, blonden Mann in einem Samtblazer sehe, der ihm erstaunlich gut steht, obwohl er aussieht, als hätte ihn die Weihnachtsdeko höchstpersönlich geküsst.