Nie mehr "Ladies First" - Dorothee Ebert - E-Book

Nie mehr "Ladies First" E-Book

Dorothee Ebert

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Beschreibung

Wer diesen Satz in seinem Leben noch nie gehört und/oder ausgesprochen hat, kann dieses Buch jetzt wieder zurücklegen. Für alle anderen: nein, das ist nicht der ultimative Ausdruck von Höflichkeit. Vermeintlich gut gemeinte Gesten verfestigen das traditionelle Machtgefüge eher und stehen der Gleichberechtigung unterbewusst im Wege. Das Buch ist ein humorvolles Plädoyer an alle Geschlechter, die eigenen Denkmuster zu hinterfragen und das Thema Gleichberechtigung selbst in die Hand zu nehmen.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Impressum

Originalausgabe

1. Auflage 2023

Regina Ebert Verlag, Inh. Regina Ebert,

Hebbelstr. 19, 14469 Potsdam

ISBN: 978-3-930685-33-2

Auch als Print erhältlichLektorat: TheAuthorEdit - Tiziana Olbrich

Umschlag: King Triumph - Renz Eli Cacnio

Inhalt: Dorothee Ebert, FrankfurtDieses Werk sowie alle darin enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrecht zugelassen ist, bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung.

Für Julius

Inhaltsverzeichnis

Nicht noch so ein BuchDie Sache mit dem UnterbewusstenLadies FirstWer hat die schönste Schrift?Die Sache mit den KindernZusammen aufs KloDie weibliche Form von KopfAn der BarSchicke HandtascheIrgendwas dazwischenWer im Glashaus sitztDas bisschen HaushaltDie ist ja gar keine richtige FrauBesser keine VerantwortungDas hohe Lied der DiversitätDer diskriminierte MannUnd jetzt? Was Sie mitnehmen solltenFür unsere SöhneFür unsere TöchterDankQuellenÜber die Autorin

Die Definition von Wahnsinn ist, immer das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.

Albert Einstein

Prolog

Nicht noch so ein Buch

Brauchen wir ernsthaft noch ein weiteres Buch über die armen, unterdrückten Frauen in der Arbeitswelt? Wir leben im 21. Jahrhundert und es hat doch nun wirklich jeder verstanden, dass diverse Teams erfolgreicher sind, dass kein Unternehmen auf das wertvolle Potential von 50% der arbeitenden Bevölkerung verzichten kann und dass Väter genauso gut Windeln wechseln und einkaufen können wie Mütter. Gefühlt vergeht in den meisten deutschen Unternehmen kein Tag, an dem nicht das hohe Lied der Diversität gesungen und die Gleichberechtigung von Mann und Frau proklamiert wird. Und Vorstandssitzungen, in denen stolz verkündet wurde, man habe sich eine Frauenquote von null Prozent gegeben, gehören auch schon seit Längerem der Vergangenheit an. Wir sind so weit gekommen: flexible Arbeitszeitmodelle, geteilte Elternzeiten, Mentoring-Programme für (weibliche) High-Potentials, eine Vielzahl von tollen Role Models und mehr Männer auf Elternabenden in der Schule als Frauen. Viele Unternehmen haben spezielle Förderprogramme für Frauen initiiert, in der Führungskräfteentwicklung wird penibel darauf geachtet, dass Frauen nicht diskriminiert werden, und jedes Unternehmen, das etwas auf sich hält, lobt auf seiner Homepage die Vielzahl an Betreuungsmöglichkeiten für den Nachwuchs der Mitarbeitenden.

Für mich selbst war das Thema Gleichberechtigung jahrelang nicht relevant. „Wir leben im 21. Jahrhundert! Wir haben doch wirklich dringendere Probleme (Stichwort Klimawandel und so). Wer will denn ernsthaft noch über Diskriminierung am Arbeitsplatz sprechen?“

Laut Marion Knaths spürt Frau vor allem zum Start ihrer Karriere von diesem Thema so gut wie gar nichts und fühlt sich endlich vollkommen gleichberechtigt.1 Auf gar keinen Fall möchte man als „Feministin“ oder „Emanze“ bezeichnet werden. Allein wie das klingt. Und was sollen die Männer nur denken? Feministinnen sind doch bestimmt die Frauen, die nicht richtig performen und ihre Schwäche hinter irgendwelchen Pseudo-Gleichberechtigungsdebatten verstecken. Zu denen möchte man bestimmt nicht gehören. Soooo schlimm ist es dann ja auch wieder nicht.

Und doch ist der Blick in die Führungsetagen aus weiblicher Sicht immer noch ernüchternd. Weniger als 15% beträgt der Frauenanteil an der Spitze deutscher Unternehmen und der Deutsche Bundestag hat gerade mal knapp 35% weibliche Mitglieder.2 Alles nur eine Frage der Zeit? Müssen wir einfach nur Geduld haben und dann kommt der „female shift“ von ganz allein?

Ich glaube nicht! Denn wenn es nur ein demographisches Thema wäre, dann müssten wir längst weiter sein. Wir alle kennen die Statistiken, die uns jedes Jahr aufs Neue wieder zeigen, dass mehr als 50% der Hochschulabsolventen weiblich sind. Die Studentinnen haben im Schnitt die besseren Noten und bringen alle wichtigen Kompetenzen mit, um unsere transformatorischen Zeiten zu meistern.3 Und dennoch ändert sich in den obersten Führungsetagen so wenig. Warum?

Macht der Gewohnheit!

Alle genannten Maßnahmen – von Kinderbetreuung, über Mentorenprogramme bis hin zu Role Models – sind wichtig und richtig. Aber sie gehen nicht tief genug. Im wahrsten Sinne des Wortes müssen wir tiefer – viel tiefer. Dahin, wo man mit Logik und Verstand nicht mehr weiterkommt. Wir müssen uns der größten Macht des menschlichen Seins stellen, wenn wir wirklich eine Veränderung herbeiführen wollen. Und diese Macht ist leider nicht sichtbar. Sie lässt sich auf keiner Hochglanzkampagne zum Frauentag ablichten und steht auch in keinem noch so renommierten Podcast Rede und Antwort. Ihre Existenz ist den meisten Menschen gänzlich unbewusst. Und doch bestimmt sie den Großteil unseres Handels. Die Macht unserer Gewohnheiten – die Macht unserer unterbewussten Handlungen.

Wir müssen die Ursachen (und auch die Lösungen) in unserem Unterbewusstsein suchen!

Zahlreiche Studien kommen zum Ergebnis, dass wir zum überwiegenden Teil nach angeborenen, vererbten oder erlernten Mustern agieren. Allein aus Effizienzgründen schaltet unser Gehirn den Großteil des Tages auf Autopilot und steuert uns so einigermaßen sicher durch die turbulenten Zeiten. Das ist für viele Handlungen sehr ratsam und energiesparend. Es führt allerdings auch dazu, dass wir schnell auf Basis erlernter Stereotypen entscheiden – und oft auch fehlentscheiden. Das gilt für unseren Alltag und für unser Berufsleben. Allerdings sprechen die meisten Unternehmen lieber über konkrete Maßnahmen und offensichtliche Missstände. Sie gehen in der Lösungsfindung selten unter die Oberfläche des Bewussten.

Dieses Buch hat es sich zur Aufgabe gemacht, tiefer zu bohren. Unterbewusste Muster an die Oberfläche zu bringen und für die Diskussion sichtbar und adressierbar zu machen. Denn einen unbekannten Gegner kann man nur schwer bekämpfen.

Defizitäre Frauen

Eine weitere Ursache, weshalb „Frauenförderprogramme“ oft nicht wirken, liegt in ihrem Aufbau. Die meisten gehen davon aus, dass Frauen nicht nur „gefördert“, sondern vor allem „geformt“ werden müssen. Sie sollen fit gemacht werden für die männlichen Führungsetagen und möglichst souverän in den hierarchischen Machtstrukturen bestehen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Frauen defizitär seien und man ihnen das nötige Rüstzeug erst noch mitgeben muss, damit sie es mit den Männern aufnehmen können. Dies mag über viele Jahrzehnte auch funktioniert haben, weil die Business-Welt sehr gut ohne Diversität und weiblich Arbeitskräfte auskam und bemerkenswert gewachsen ist. Doch in Zeiten, in denen sich gut ausgebildete Frauen vor Anrufen der Headhunter kaum noch retten können, ist das vermeintlich schwächere Geschlecht nicht mehr bereit, sich nach den Vorgaben der Männer zu verbiegen. Sie stimmen mit den Füßen ab, wenn sie das Gefühl beschleicht, das Mentoring-Programm diene eher zur Anpassung an die Unternehmenskultur als zur tatsächlichen Stärkung der eigenen Kompetenz und Fähigkeiten.

Da muss die Personalabteilung mal was machen!

Und noch ein Grund, warum wir seit Jahrzehnten mit der Gleichberechtigung am Arbeitsplatz nicht richtig vorankommen. Diversität ist kein Thema der Personalabteilung! Es ist ein Thema des Top-Managements und muss von allen Mitarbeiter:innen eines Unternehmens gewollt und getragen werden. Frauenförderung betrifft nicht „Frauen und irgendjemand aus HR“, sondern alle Personen im Unternehmen – vor allem auch die männlichen. Wenn Sie mehr Frauen in Ihrem Unternehmen und in Ihren Führungsetagen haben möchten, müssen Sie nicht mit den Frauen sprechen, sondern mit den Männern. Dann dürfen Sie das Thema nicht an die Personalabteilung delegieren und ein paar weibliche Role Models ins Intranet stellen, sondern müssen die unterbewussten Stereotypen Ihrer Führungsmannschaft verändern. Dieses Buch gibt das ein oder andere Beispiel dafür.

Ein Kampf gegen Windmühlen?

Oh, liebe Freunde der Logik, ich kann euch jetzt schon hören:

„Wenn doch eh fast alle unserer Handlungen unterbewusst ablaufen, dann lässt sich hier doch sowieso nichts ändern!“.

Ich muss gestehen, da ist leider viel Wahres dran. Nur das Wissen um unterbewusste Muster allein, wird die Welt nicht besser machen. Was wir über Jahrzehnte trainiert und konserviert haben, werden wir nicht eben mal nach der Lektüre eines Buches abschütteln. Unterbewusste Muster aufzudecken und einen direkten Bezug zu unseren Handlungen aufzuzeigen, hilft allerdings enorm, diese zu ändern. Um Verhaltensweise zu verbessern, müssen die Ausführenden mit ihnen konfrontiert werden. Nur so haben sie die Chance zur Selbstreflexion und damit auch zu Veränderung.

If you know better, you do better

Dieses Buch ist ein Versuch, zumindest einen Teil dieser Muster und deren Auswirkungen auf den Business-Alltag sichtbar zu machen. Nicht mehr und nicht weniger! Ich maße mir nicht an, Männer und Frauen in ihrem Verhalten ändern zu können. Jeder kann immer nur sich selbst ändern. Aber wenn jeder Leser und jede Leserin sich auch nur in einem Kapitel „irgendwie ertappt fühlt“ und ein paar Minuten über die eigenen (bislang unterbewussten) Muster nachdenkt, dann hat sich diese Sammlung von Anekdoten schon gelohnt.

Denn trotz aller kognitiven Verzerrungen, die unser Handeln beeinflussen, können wir Menschen sehr rational agieren. Wie sagt es Armin Falk in seinem Buch über die Schwierigkeit, ein guter Mensch zu sein, so treffend? Wir machen Fehler. Aber daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, wir seien kognitiv nicht in der Lage, das Richtige zu tun, wäre fatal.4 Insofern sind unsere unterbewussten Muster keine Ausrede, um einfach so weitermachen zu können, wie bisher.

Und noch was: Sie dürfen ruhig an einigen Stellen auch mal lachen. Oder den Kopf schütteln. Oder sich aufregen. Männer wie Frauen. Ich möchte niemanden an den Pranger stellen! Und ich habe auch kein schlechtes Bild von Männern. Ich glaube, dass den meisten die Auswirkungen ihrer Kommentare gar nicht bewusst sind. Sie wollen nicht explizit jemandem schaden oder gar verletzten. Und das Gleiche gilt für Frauen! Irgendwie sitzen wir doch alle in diesem Boot der „unterbewussten Muster“. Männer, Frauen, Junge, Alte, urbane Hipster und spießige Landeier. Es geht mir nicht um absolute Wahrheiten. Es geht mir nicht um „richtig“ oder „falsch“. Es geht darum, dem Unsichtbaren ein Gesicht und dem Unausgesprochenen eine Stimme zu geben. Und wie diese Stimme klingt, entscheiden Sie mit!

Ich wünsche eine unterhaltsame und bewusste Lektüre.

Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind, wir sehen sie, wie wir sind.

Anais Nin

Erstes Kapitel

Die Sache mit dem Unterbewussten

Eigentlich war es schon immer irgendwie klar: Der Großteil unseres Handelns läuft unbewusst ab. Unser Gehirn würde schier durchdrehen, wenn wir alle Informationen, die den ganzen Tag auf uns einprasseln, bewusst verarbeiten müssten. Stellen Sie sich einmal vor, Sie müssten jeden Atemzug kontrollieren? Sie würden buchstäblich nichts anders mehr machen! Unser Gehirn ist zum Glück so trainiert, dass es alle vitalen Funktionen unseres Körpers unbewusst überwacht, damit wir uns darum nicht (bewusst) kümmern müssen. Denn das wäre richtig viel Arbeit. Unter anderem deshalb sind Yoga, Mediation und Atemübungen so wahnsinnig effektiv zum Stressabbau: Es fordert unsere komplette Aufmerksamkeit, eine unbewusste Handlung wie das Atmen bewusst und kontrolliert durchzuführen. Versuchen Sie mal, bewusst Ihren Atem zu kontrollieren und dabei noch eine komplexe Multiplikation durchzurechnen. Unmöglich! Wir sind für diese Art des Multitaskings nicht geschaffen.

Nobelpreisträger Daniel Kahnmann legt diese Erkenntnisse über seine zwei kognitiven Systeme in diversen Arbeiten (u.a. Schnelles Denken, langsames Denken) sehr eindrucksvoll dar.5System 1 ist für alles Unbewusste und Intuitive verantwortlich. Über die Entscheidungen, die unser Gehirn im System 1 trifft, denken wir nicht nach. Sie laufen automatisch und ungesteuert ab. Wir fügen uns den Entscheidungen des System 1 ohne willentlich gegenzusteuern. Das ist sehr praktisch, weil diese Entscheidungen blitzschnell ablaufen und unseren Körper wenig Energie kosten. System 2 hingegen ist das, was man gemeinhin als „Denken“ bezeichnet. Es handelt sich um komplexere Denkprozesse, für die wir unser „Gehirn einschalten“ müssen. Während wahrscheinlich jeder Mensch, der die Grundschule geschafft hat, intuitiv 1+1 ausrechnen kann (System 1), erfordert die Multiplikation von 23x78 bei den meisten Menschen eine wahre kognitive Anstrengung (System 2). Die Lösung auf diese mathematische Aufgabe kommt nicht mal eben aus dem Effeff.

Wissenschaftler:innen sind sich mittlerweile einig, dass nur in sehr wenigen Fällen ein System völlig autark funktioniert. Die meisten Abläufe in unserem Gehirn sind so komplex, dass es beider Systeme bedarf. Aber die grundsätzliche Unterscheidung zwischen den beiden Funktionsweisen hilft, um besser zu verstehen, wie wir ticken – und vor allem, wie wir den Großteil unserer Entscheidungen treffen.

Die meisten unserer Handlungen laufen unbewusst ab – also maßgeblich aus dem System 1 – und sichern damit unser tägliches Überleben. Versuchen Sie mal ab dem Aufwachen, Ihre Handlungen bewusst zu entscheiden: Stehe ich jetzt auf oder in 10 Sekunden? Werfe ich die Decke nach rechts oder links? Linker Fuß zuerst oder der rechte? Ein Schritt, noch ein Schritt, noch ein Schritt – jetzt eher nach rechts oder links mit dem Fuß? Und dabei das Atmen nicht vergessen. Ich bin mir sicher, dass Sie schon fix und fertig sind bis Sie Ihren ersten Kaffee in der Hand halten. Eine sehr gute Übung, um uns diese unterbewussten Mechanismen immer mal wieder zu vergegenwärtigen, ist es z.B. die Zahnbürste beim Putzen mal in die andere Hand zu nehmen oder das Brot mit der anderen Hand zu schneiden. Sollte ja eigentlich kein Problem sein. Aber auf einmal wird eine so nebensächliche Sache richtig anstrengend.

Ob es sich bei den Handlungen übrigens um unbewusste oder unterbewusste Aktionen handelt, ist gar nicht so leicht abgrenzbar. Im Lexikon der Psychologie6 wird das Unterbewusstsein als die Bewusstseinsebene angesehen, deren Inhalte nicht bewusst sind, die aber durch Reflexion bewusst gemacht werden können. Über das Zähneputzen denken wir meist nicht nach – wir könnten es aber. Im Gegensatz dazu ist das Unbewusste durch reine Reflexion nicht zugänglich. Also scheint das Unterbewusste eher etwas Gedankliches zu sein, während das Unbewusste eher biologisch erscheint. Eine saubere Abgrenzung, die über jeden Zweifel erhaben ist, scheint es aber derzeit nicht zu geben. Ich überlasse die Auseinandersetzung hierüber denjenigen, die sich damit auskennen, und nutze für dieses Buch die Begriffe weitestgehend synonym. Wichtig ist mir nur, dass wir über den Teil unserer unterbewussten Reaktionen sprechen, den man anhand von Reflexion verändern kann. Sonst wäre jede weitere Zeile dieses Buchs Zeitverschwendung. Wir sprechen über den Teil, der bei uns allen erstmal unterbewusst abläuft und über den wir uns nie Gedanken machen. Aber mit dem richtigen Reiz von außen – einem Buch, einem Gespräch oder einem Film – setzt sich auf einmal ein Prozess in unserem Gehirn in Gange, der uns zum Nachdenken bringt. Was bis eben noch nicht da schien, wird uns auf einmal bewusst. Und wenn wir von etwas erstmal Kenntnis erlangt haben, dann können wir es nicht mehr ignorieren. Und genau darauf baut mein Buch: Wenn Sie die ganzen Geschichten erstmal gelesen haben, die alle auf wahren Begebenheiten oder Erlebnissen basieren, dann können Sie diese für absurd oder überzogen halten – aber Sie können sie nicht mehr übersehen.

Ihr Gehirn wird beginnen, mehr und mehr darüber nachzudenken. Und das ist der entscheidende Punkt. Denn per se ist unser Gehirn stark darauf trainiert, immer wieder Abkürzungen zu nehmen und auf gewohnte Muster zurückzugreifen, um weiter zu funktionieren. Diese sind entweder genetisch bzw. biologisch bedingt, um z.B. unseren Körper am Leben zu erhalten, oder speisen sich aus unseren Erfahrungen. Seit unserer frühsten Kindheit sammeln wir ständig Erfahrungswerte, die uns helfen, Entscheidungen intuitiver und somit schneller zu treffen. Wer das erste Mal auf der Fahrerseite eines Autos saß und merkte, wie sich das Auto beim Betätigen des Gaspedals in Bewegung setzte, der war bestimmt überwältig, beängstigt und ganz sicher hochkonzentriert, um bei der – ungeheuren – Geschwindigkeit von 20 km/h niemanden zu verletzen. Nach ein paar Jahren ist dieses Gefühl gänzlich verschwunden und wir erleben Autofahren als etwas sehr Intuitives, das oft ganz nebenbei abläuft. Haben Sie sich jemals dabei ertappt, ins Auto ein- und irgendwann auf der Arbeit ausgestiegen zu sein – ohne wirklich zu wissen, wie Sie hingekommen sind? Da war im wahrsten Sinne des Wortes Ihr unterbewusster Autopilot am Steuer.

So weit, so gut. Während in den meisten Fällen, unser Unterbewusstsein uns sicher und einigermaßen unbeschadet durch den Alltag bringt, sorgt es auch dafür, dass wir viele Teile unseres Handelns nicht mehr hinterfragen. Wir greifen in unseren Entscheidungen auf bekannte Muster zurück, um nicht ständig Energie für die Bewertung von Situa-tionen und Menschen aufbringen zu müssen. Was beim Autofahren, Kochen, Bearbeiten von E-Mails und Sporttreiben sehr nützlich ist, hindert uns zugleich in neuen Situationen, eine objektive Bewertung vorzunehmen. Unser Unterbewusstsein sucht binnen Bruchteilen einer Sekunde immer nach Analogien oder Erfahrungen aus der Vergangenheit, die auf die neue Situation angewendet werden können. Das spart unheimlich viel Energie und lässt uns weiterhin schnelle (intuitive) Entscheidungen treffen. Es birgt aber auch den Nachteil, dass wir immer auf Basis unserer unterbewussten Vorprägungen entscheiden – auch wenn diese vielleicht „in Schieflage“ geraten sind. In der Psychologie spricht man hier vom sogenannten Unconscious Bias – also eine Art „unterbewusste Verzerrung“ der Realität. Anstatt unsere Antworten, Meinungen oder unser Handeln bewusst zu reflektieren, entscheiden wir auf Basis verschiedener Biases. Und wir alle haben sie.

Ich denke, also verzerre ich!

Das ist zutiefst menschlich. Nochmal: Unser Gehirn würde durchdrehen, wenn es nicht auf Schubladen, Stereotype oder Klischees zurückgreifen könnte. Für unser unterbewusstes Denken sind diese impliziten Assoziationen wichtige Hilfestellungen, um eigene oder erlernte Erfahrungen schnell in die Praxis umzusetzen.

Diese kognitiven Befangenheiten können sehr vielfältig sein. Bustor Benson hat über 200 verschiedene Biases zusammengetragen und ist sich sicher, dass die Liste noch lange nicht vollständig ist.7 Wir werden in diesem Buch unterschiedliche Biases aufdecken und adressieren. Hier nun mal ein kleiner Vorgeschmack, um das eigene Verständnis für kognitive Verzerrungen zu schärfen:

Soziale Erwünschtheit (Social Bias) trifft uns alle in der ein oder anderen Situation. Wir kennen die Normen und Werte der Gesellschaft, unseres Arbeitgebers oder unserer Familie und versuchen ganz natürlich, unsere Antworten und unser Handeln daran auszurichten. Nicht zwingend, weil wir daran glauben, sondern vielmehr, weil wie versuchen „dazuzugehören“ und „ins System zu passen“.

---ENDE DER LESEPROBE---