Nie zu alt für Irish Coffee - Christian Homma - E-Book
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Nie zu alt für Irish Coffee E-Book

Christian Homma

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Beschreibung

Alte Freunde, lang gehütete Geheimnisse - und ein brandneuer Fall!

Schon zu Schulzeiten lehrten sie Verbrecher das Fürchten. Nun, nach fast vier Jahrzehnten, ermitteln sie wieder gemeinsam - mit Witz, Charme und einer gehörigen Portion Lebenserfahrung. Ihre Fälle führen die reiselustigen Hobbydetektive kreuz und quer über den Globus - wo auch immer das Abenteuer ruft.

Der dritte Fall für die VIER: Die VIER erhalten ein Hilfegesuch ihrer Freundin Claire aus Irland: Als Schüler konnten die Hobbydetektive für Claires Familie den Diebstahl einer wertvollen Madonnenstatue aufklären. Nun, fast vierzig Jahre später, ist die Statue erneut verschwunden! Doch schnell wird klar, dass Claire noch viel größere Probleme hat: Ihr Onkel Patrick ist vor kurzem bei einem Bootsunfall verstorben und jemand scheint ihre Pläne für die wunderschöne alte Whiskey-Destillerie im Familienbesitz zu sabotieren ... Ganz klar: ein Fall für die VIER! Der Trip nach Irland wird zu einer Reise in die gemeinsame Vergangenheit - doch in der Gegenwart wird es bald gefährlich ...

DAS SAGEN UNSERE LESERINNEN UND LESER:

"Fünf Freunde für Erwachsene! Ich konnte das Buch fast nicht mehr aus der Hand legen und fand es schade, als es zu Ende war." (Rebecca1980, Lesejury)

"Mit viel Witz, Charme, Spannung und Action erschaffen die Autoren wieder einmal erfolgreich ein mitreißendes und fesselndes Abenteuer, das man nur schwer aus der Hand legen kann. Ich liebe die Interaktion der vier Freunde, wie sie sich ergänzen, gegenseitig doch mal auf die Nerven gehen, aber dennoch stets versuchen, alles gemeinsam zu lösen." (Dex-aholic, lesejury)

"Das Buch ist toll geschrieben und extrem kurzweilig. Ich konnte die Geschichte einfach nicht aus der Hand legen und habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen. Wer CosyCrime und/oder Abenteuergeschichten mag, wird hier voll auf seine Kosten kommen." (NadineMaria, Lesejury)

Band 1: Nie zu alt für Casablanca - Die VIER auf mörderischer Kreuzfahrt.

Band 2: Nie zu alt für Venedig - Die VIER und der tödliche Heiltrank.

Die VIER, das sind:

V - Gero Valerius: Ehemaliger Bundeswehroffizier und strategischer Querkopf.

I - Ina-Marie: Journalistin und weltoffener Freigeist.

E - Elli : Kindergärtnerin im Vorruhestand und Expertin für Verkleidungen aller Art.

R - Rüdiger: Elektroingenieur mit einem Faible für technische Spielereien.

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.


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Seitenzahl: 433

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autoren

Über dieses Buch

Über die Autoren

Die Hauptfiguren

Titel

Impressum

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Danksagung

Karten

Irland – Südwesten

Irland – Dingle

Personenverzeichnis

Leseprobe

1

2

3

Weitere Titel der Autoren

Nie zu alt für Casablanca – Die VIER auf tödlicher Kreuzfahrt

Nie zu alt für Venedig – Die VIER und der mörderische Heiltrank

Über dieses Buch

Alte Freunde, lang gehütete Geheimnisse – und ein brandneuer Fall!

Die VIER erhalten ein Hilfegesuch ihrer Freundin Claire aus Irland: Als Schüler konnten die Hobbydetektive für Claires Familie den Diebstahl einer wertvollen Madonnenstatue aufklären. Nun, fast vierzig Jahre später, ist die Statue erneut verschwunden! Doch schnell wird klar, dass Claire noch viel größere Probleme hat: Ihr Onkel Patrick ist vor kurzem bei einem Bootsunfall verstorben und jemand scheint ihre Pläne für die wunderschöne alte Whiskey-Destillerie im Familienbesitz zu sabotieren ... Ganz klar: ein Fall für die VIER! Der Trip nach Irland wird zu einer Reise in die gemeinsame Vergangenheit – doch in der Gegenwart wird es bald gefährlich ...

Der dritte Fall für die VIER: Vier Hobbydetektive auf Verbrecherjagd – mit Witz, Charme und einer gehörigen Portion Lebenserfahrung.

Über die Autoren

Christian Homma ist promovierter Physiker, Innovationsmanager und Coach und schreibt seit seiner Kindheit Kurzgeschichten. Er liebt es, Musik zu machen und zu hören, er fotografiert und reist gerne.

Elisabeth Frank ist promovierte Neurobiologin und Bioinformatikerin. Nach fünfjähriger Forschungstätigkeit in Australien arbeitet sie an Medizinsoftware in München. Sie reist viel, macht gerne Musik und engagiert sich in Frauennetzwerken für Diversität.

https://hommaundfrank.de

Die Hauptfiguren

Die Jugenddetektivgruppe VIER findet nach fast vierzig Jahren wieder zusammen, um neue Fälle zu lösen. Die Mitglieder sind:

V – Gero Valerius Fichtinger: Ehemaliger Bundeswehroffizier und strategischer Querkopf

I – Ina-Marie von Treuenfeld: Journalistin und weltoffener Freigeist

E – Eleonora (Elli) Baumgärtner-Däubner: Kindergärtnerin im Vorruhestand und Expertin für Verkleidungen aller Art

R – Rüdiger (Kwalle) Kwalkowski: Elektroingenieur mit einem Faible für technische Spielereien

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Leselupe-Literaturagentur, Maracuja GmbH, 47669 Wachtendonk

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Ulrike Gerstner

Lektorat/Projektmanagement: Lukas Weidenbach

Covergestaltung: Guter Punkt, München www.grafic4u.de unter Verwendung von Motiven © Benjamin B / Shutterstock; World Explorers / Shutterstock; eugenesergeev/ iStock / Getty Images; ArnaPhoto/ iStock / Getty Images

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-0630-8

Dieses eBook enthält eine Leseprobe des in der Bastei Lübbe AG erscheinenden Werkes »Lady Arrington und ein Mord auf dem Laufsteg« von Charlotte Gardener

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

1

Rüdiger war zu spät. Das Handydisplay auf dem Fahrradlenker vor ihm zeigte die verbleibende Strecke. Seinen alten Schulweg kannte er auswendig, aber der Routenplaner sagte ihm, er war zu langsam. Verdammt, dann eben heute kein Sport. Mit einem Daumendruck schaltete er den E-Motor auf Turbo.

Elli liebte es zu backen. Sie hatte sich sofort an die Arbeit gemacht, nachdem Ina sie gebeten hatte, sich mit ihr und dem Rest von VIER in der Münchner Innenstadt zu treffen. Nun durchströmte der Duft von frischen Haferflockenkeksen das Haus. So viel Zeit musste sein. Aber Elli sorgte sich nicht. Die anderen würden schon auf sie warten.

Gero stand kerzengerade nahe der Wittelsbacher Brücke, von wo aus er die Umgebung optimal überblicken konnte. Er sah auf seine Funkuhr. Noch zwei Minuten und vierzig Sekunden bis zum vereinbarten Zeitpunkt, neununddreißig, achtunddreißig, ...

Ina-Marie von Treuenfeld schlenderte entspannt an der Isar entlang. Sie genoss die neu gewonnene Freiheit, seitdem sie die Ressortleitung in Berlin aufgegeben hatte und wieder hierher in ihre alte Heimat gezogen war. Heute zeigte sich die bayerische Hauptstadt von ihrer schönsten Seite und lockte Spaziergänger und Radfahrer nach draußen. Der laue Spätsommerwind rauschte durch die goldenen Kastanienbäume und trug fröhliches Kinderlachen und den Geruch von frisch Gegrilltem von den Wiesen der Isarauen zu ihr herauf. Es herrschte perfektes Biergartenwetter, aber sie würden sich nicht zum Vergnügen treffen. Ina hatte die VIER einbestellt, weil eine alte Schulfreundin um die Hilfe der Hobbydetektive gebeten hatte. Erst vor wenigen Monaten war die Gruppe nach fast vierzig Jahren wieder zusammengekommen. Seitdem hatten sie bereits Verbrecher auf einer Kreuzfahrt und durch halb Europa gejagt. Jetzt kam vielleicht ein neuer Fall hinzu.

Schon von Weitem erblickte sie den groß gewachsenen Mann mit dem weißen Bürstenhaarschnitt. Gero Valerius Fichtinger stand in Habachtstellung da und ließ seinen prüfenden Blick abwechselnd über die beiden Straßenseiten und seine Armbanduhr wandern. Der ehemalige Bundeswehrstratege hatte eine diebische Freude daran, diverse Übungen für das Fitness-‍, Anschleich- und Tarn-Training der Bande auszuarbeiten. Mal sehen, wie aufmerksam er selbst war. Sie schlüpfte ins Gebüsch und pirschte sich geräuschlos an.

»Hallo Gero. Was für ein schöner Tag heute.« Ina begann direkt hinter dessen Rücken zu sprechen.

»Wenigstens eine ist pünktlich.« Der Angesprochene zuckte nicht einmal mit der Wimper.

»Ich habe dich erschreckt«, sagte Ina, bemüht, ihr Vorhaben klarzustellen.

»Nicht im Geringsten. Ich habe deinen hennaroten Lockenkopf schon lange durch das Grün leuchten gesehen.«

»Wird Zeit, dass ich mal wieder die Haarfarbe ändere«, entgegnete Ina schmollend.

Eine Fahrradglocke läutete und Rüdiger bremste scharf vor ihnen ab. »Auf die Minute pünktlich!«, strahlte er und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Glatze.

»Das sieht meine Uhr aber anders ...«

»Hallo Kwalle«, unterbrach Ina. »Schön, dass du da bist. Cooles Rad.«

Rüdiger Kwalkowski – seinen Spitznamen Kwalle verwendeten nur Ina und Elli – war Elektroingenieur und wartete stets mit den verrücktesten technischen Spielereien für ihre Verbrecherjagd auf. Er grinste bei Inas Kompliment. »Das neueste auf dem Markt mit einem extrastarken Rahmenakku.«

»Ts, ts«, machte Gero. »Was dich nicht herausfordert, ändert dich auch nicht. Das ist von dem Fitnesscoach ...«

»Eigentlich hatte ich eher mit dem Gedanken gespielt, eine elektrische Zuckerwattemaschine auf meinem Gepäckträger zu montieren.«

Ina seufzte. Sie würde sich nie an die Sticheleien der beiden gewöhnen.

Elli und Claire überquerten lachend die Straße. Die Mittfünfzigerinnen hätten unterschiedlicher nicht sein können. Ellis blonde Dauerwelle leuchtete in der Sonne und ihr weit geschnittenes Kleid mit Blumenmuster schmeichelte ihrer drallen Form. Die braunhaarige Claire trug eine enge Jeans und ein Shirt mit modischem Aufdruck, was sie deutlich jünger wirken ließ.

»Wir haben uns in der U-Bahn getroffen. Unglaublich, dass wir uns fast vierzig Jahre nicht gesehen haben.« Eleonora Baumgärtner-Däubner war bester Laune. Sie war Kindergärtnerin im Vorruhestand und die Expertin für Verkleidungen aller Art. Das Comeback der VIER hatte neuen Schwung in ihr Leben gebracht und ihre Reiselaune und Abenteuerlust wiedererweckt.

»Du hast also einen Fall für uns, Claire?« Wie immer verschwendete Gero keine Zeit mit überflüssigen Begrüßungsfloskeln.

»Erst einmal schön, euch zu sehen. Es ist so lange her!« Claire umarmte Ina und Rüdiger. Nur Gero blieb bei einem steifen Handschlag, was Claire mit einem nachsichtigen Lächeln quittierte. Auch sie konnte sich noch sehr gut an den verschrobenen Querkopf ihrer Jugend erinnern. »Danke fürs Kommen. Lasst uns zur Wohnung meiner Eltern rübergehen. Dann versteht ihr, warum ich euch hergebeten habe.«

Nach wenigen Minuten hatten sie das Haus erreicht.

»Die Madonnenstatue ist wieder verschwunden.« Rüdiger deutete auf die Hausfassade mit der gähnend leeren Nische unter dem kleinen Schutzdach. »Darum geht es also!«

»Wie lange ist es her, dass wir die Diebe der Madonna verfolgt haben? Vierzig Jahre?« Elli war so erstaunt wie die anderen.

»Einundvierzig Jahre und vier Monate, um genau zu sein«, korrigierte Gero geistesabwesend.

»Das gute Stück aus Irland zurückzuholen, war damals fast eine Weltreise.«

München, 1978

Die Neuntklässler Elli, Ina und Rüdiger standen mit ihren Rädern vor dem Haus mit der gestohlenen Madonnenstatue.

»Und ich bin mir sicher, Onkel Patrick hat sie geklaut.« Claire hatte die Fäuste in den Hüften gestemmt und blickte auf die leere Nische an der Hauswand. Sie hatte die drei während der großen Pause über den Streit zwischen ihrer Mutter Anne und dem Onkel informiert. Um den Tatort persönlich zu begutachten, war die Detektivgruppe REI – ein aus den Anfangsbuchstaben ihrer Vornamen gebildetes Kürzel – gleich nach der Schule zu Claires elterlicher Wohnung gefahren.

»Und wieso denkst du, dass Patrick sie mitgenommen hat?« Rüdiger hatte sein Notizbuch gezückt und fertigte bereits eine Skizze der Hausfassade an.

»Er wollte sie wohl als Beschützerin für die Destillerie.«

»Wer ist diese Distilleri?«, fragte Rüdiger. »Die Frau könnte verdächtig sein!« Nach dem Umzug von Polen nach Bayern hatten ihm seine Eltern einen möglichst deutschen Namen in den Pass eintragen lassen. Sie selbst sprachen zu Hause jedoch nur Polnisch, und er hatte oftmals noch Schwierigkeiten mit seltenen Wörtern.

Claire lachte. »In einer Destillerie brennt man Whiskey. Und meine Familie in Irland macht den besten der Welt. Aber gerade läuft es nicht so rund, weshalb es oft Streit gibt. Die gestohlene Statue macht es nicht besser.«

Ina boxte ihrer Freundin spielerisch gegen den Arm. »Keine Sorge. Das kriegen wir schon hin. Wir holen das Stück für deine Mama zurück.« Ina mochte Claires Mutter sehr gerne. Anne hieß sie immer willkommen. Auch wenn es keiner wusste: Dort war Inas Unterschlupf, wenn ihr Vater zu Hause einen seiner cholerischen Anfälle hatte. »Jetzt brauchen wir nur noch einen Weg, wie wir nach Irland kommen.«

Rüdiger ließ seinen Block nach unten sacken. »Da bin ich dann wohl raus. Auf die Insel muss man fliegen, und das können sich meine Eltern in hundert Jahren nicht leisten.«

Elli war bestürzt. Ermittlungen ohne Rüdiger? REI waren nicht vollständig ohne ihn. »Das muss doch irgendwie gehen. Wir verkleiden uns einfach als Fluglotsen und schmuggeln uns an Bord.« Obwohl sie für ihre Detektivgruppe schon die fantasiereichsten Maskeraden gezaubert hatte, klang das nicht nach dem schlüssigsten Plan.

»Keine schlechte Idee, Elli.« Ina tippte sich an die Lippen. »Das mit dem Kostümieren könnte funktionieren. Aber nicht als Fluglosten, sondern als Schulmusikgruppe. Wofür sind wir denn auf einem musischen Gymnasium?«

»Wie meinst du das?«

»Wir haben doch bald Osterferien. Vielleicht können wir als Ensemble in Dingle und Umgebung ein paar Auftritte geben?«

»Tolle Idee!«, rief Claire. »Wir machen Onkel Patrick zum Gastvater, dann könnt ihr dort direkt ermitteln. Auf der Destillerie wohnen auch noch Edward und seine Tochter Aeryn. Die ist fast so alt wie wir und spielt die irische Flöte.«

»Ausgezeichnet.« Ina blickte in die Ferne. »Hm, ich überlege, ob wir diesen Gero Valerius mitnehmen sollten. Er will bei uns mitmachen, seitdem er letztes Jahr in die Klasse gekommen ist.«

»Ausgerechnet?«, maulte Elli. »Der ist doch total abgedreht.«

»Aber er hat Qualitäten, die wir brauchen können. Lasst mich mal machen.« Sie grinste von einem Ohr zum anderen.

Wenige Wochen später waren sie als Musikensemble getarnt zur Verbrecherjagd auf die irische Halbinsel Dingle gefahren. Für Rüdiger hatten Geros reiche Eltern ein Stipendium erfunden, und so waren sie das erste Mal als Quartett auf Ermittlungsreise.

»Und am Ende hat Gero den Dieben in einem heroischen Kampf die Madonna entrissen!« Elli schien noch immer voller Ehrfurcht. »Daraufhin haben wir die VIER gegründet.«

Gero winkte ab. »Claire ist sicher nicht an den alten Geschichten interessiert. Ich möchte über den neuen Fall reden!«

Claire lachte. »Das war schon echt verrückt damals! Lasst uns in die Wohnung hochgehen. Da quatscht es sich besser.«

»Ist es deinem Vater recht, wenn wir alle bei ihm einfallen?«, zögerte Elli.

Ein Schatten huschte über Claires Gesicht. »Der ist nicht da, und das ist gut so.«

Im Wohnzimmer von Claires elterlichem Zuhause war die Luft mit kaltem Zigarettenrauch geschwängert. Als Kind war Ina nach der Schule oft mit ihrer Freundin hergekommen. Die gemütliche Münchner Altbauwohnung war dann vom Duft köstlichen Essens oder Gebackenem erfüllt gewesen. Claires Mutter Anne, die frisch verheiratet mit dem Deutschen Hans Schubert nach München gezogen war, hatte sie mit ihrem feinen irischen Akzent stets willkommen geheißen. Inzwischen sah alles etwas abgewohnt aus. Die Möbel waren abgenutzt und der Teppich teilweise durchgescheuert.

Gero öffnete als Erstes demonstrativ die Balkontür.

Claire war Inas Blick durch den Raum gefolgt. »Seit Mum vor sieben Jahre gestorben ist, hat Dad nichts mehr an der Wohnung gemacht. Meine kleine Schwester Kate und ich helfen gelegentlich beim Saubermachen, aber ...« Sie deutete mit einer hilflosen Geste um sich. »... viel bringt es nicht.« Sie holte Gläser und eine Karaffe Wasser aus der Küche und stellte sie auf den niedrigen Tisch vor dem Fernseher.

Elli legte ihre Keksdose und regenbogenfarbene Servietten daneben. Der frische Plätzchenduft war ein angenehmer Gegenpol zur muffigen Luft.

Ina und Claire nahmen auf den Couchsesseln Platz. Elli setzte sich neben Rüdiger auf das abgewetzte Sofa. Gero stand halb auf dem Balkon und wandte den Kopf zum Luftholen nach draußen.

»Also dann erzähl mal«, forderte Rüdiger auf, nachdem er sich ein Stück Gebäck gegönnt hatte.

Claire schaute in die Runde. »Fangen wir mit der Madonna an. Vor zwei Wochen war sie noch da. Als ich gestern nach dem Rechten sehen wollte, war die Nische leer.«

»Ist es deinem Vater nicht aufgefallen?« Elli war überrascht.

Claire schnaubte. »Er sagt, er wisse von nichts und hätte nicht darauf geachtet. Und jetzt kommen wir zu meinem Problem und warum ich euch und nicht die Polizei einschalten will.«

Eine dumpfe Stimme tönte vom Balkon. Gero hatte sich ein Tuch um den Mund gebunden. »Ich vermute, du redest von der Spielsucht deines Vaters?«

Alle blickten verblüfft zu der vermummten Gestalt in der Balkontür.

Claire schaute hilflos zu Ina, die laut stöhnte. »Gero, ich versteh dich kaum. Leg bitte diese lächerliche Cowboymaskerade ab. Von dem bisschen Zigarettenrauch wirst du nicht an Lungenkrebs verenden.«

Gero machte eine Geste, die man als »sicher ist sicher« interpretieren konnte, und behielt das Tuch über seinem Gesicht.

»Woher weißt du, dass mein Vater spielt?« Claire presste die Lippen zusammen. »Ich habe niemandem davon erzählt.«

Gero zeigte auf verschiedene Punkte im Raum. »Leere Fächer und Vitrinen, billige Zigaretten, Bierflaschen vom Discounter.«

Ina erinnerte sich an das Vorzeigeregal mit den prachtvollen Porzellanfiguren. Mittlerweile glich es mit den drei übrig gebliebenen Exemplaren einem zahnlosen Lächeln.

»Gut kombiniert, Nick Knatterton.« Rüdiger war sichtlich erstaunt.

»Danke. Zugegebenermaßen sind die zerrissenen Wettquittungen im Aschenbecher auf dem Balkon aber am vielsagendsten. Um genau zu sein, sind es sechsundzwanzig mit dem Datum dieses Monats. Wenn du nicht die ganze Zeit Plätzchen essen würdest, hättest du es vielleicht sogar selbst erkannt.«

»Wieso musst du immer ...«

Elli war aufgestanden und hatte eine der Figuren in die Hand genommen. »Das ist der Mezzetino aus der Commedia dell›Arte«, rief sie entzückt. »Mit einem Archäologieprofessor als Ehemann lernt man auch viel über Kunst«, fügte sie fast entschuldigend hinzu. »Wir haben mehrere Stücke Nymphenburger Porzellan daheim. Das hier ist aber nur ein Imitat« – sie prüfte den Boden der Figur und nickte – »das Original würde sicher über tausend Euro kosten.«

»Du liegst vollkommen richtig«, pflichtete ihr Claire bei. »Wäre sie mehr wert, hätte mein Vater sie längst verpfändet oder verkauft. Ich fürchte, er hat weitere Schulden angehäuft. Entweder ist die Madonna also gestohlen worden, oder er hat mich belogen und sie zu Geld gemacht.«

»Und wenn er das hat, willst du ihm die Peinlichkeit ersparen, das vor der Polizei zugeben zu müssen?«

Claire nickte.

Elli war guter Dinge. »Dann ist das genau der richtige Fall für VIER!«

»Wir müssen also nur herausfinden, ob dein Vater dahintersteckt oder jemand anderes«, murmelte Rüdiger. »Damals war dein irischer Onkel Patrick unser Hauptverdächtiger. Wir konnten ihm den Diebstahl zwar nicht nachweisen, aber ich glaube immer noch, dass er seine Finger im Spiel hatte. Könnte er dahinterstecken?«

»Ich musste auch gleich an die alte Geschichte denken. Aber diesmal war er es ganz sicher nicht.« Claires Stimme war leise geworden, und ihre Augen glänzten feucht. »Onkel Patrick ist tot.«

Ina war fassungslos. Vor zwei Jahren hatte sie ihren Gastvater aus Schulzeiten zuletzt besucht. Sie war zu dieser Zeit noch Redakteurin in Berlin gewesen und hatte einen Artikel über Star-Wars-Tourismus auf der irischen Insel Skellig Michael für sich beansprucht. Dazu recherchierte sie entlang der Panoramaküstenstraße Ring of Kerry. Von dort waren es nur wenige Autostunden zu der unbekannteren, aber mindestens genauso schönen Halbinsel Dingle, der Heimat ihrer Freunde. Patrick war mit dem Alter noch mürrischer geworden, für seine fast achtzig Jahre erschien er ihr jedoch ausgesprochen lebensfroh und rüstig gewesen zu sein. »Oh, Claire, das tut mir so leid. War er krank?«

Die Halb-Irin ließ die Schultern fallen. »Nein, es war ein Unfall. Mein Onkel ist vor etwas mehr als zwei Wochen mit seinem kleinen Fischerboot in Dingle gestartet. Er liebte es, stundenlang auf dem Meer zu treiben und zu angeln. Störrisch wie er war, hatte er den für diesen Tag angekündigten Sturm ignoriert und ist hinausgefahren. Die Wasserpolizei konnte nur noch sein Fischerboot bergen. Es trieb kieloben etwa einen Kilometer vor der Küste. Drei Tage lang haben sie seine Leiche gesucht. Da die See dort aber fast einhundert Meter tief ist, hatte niemand viel Hoffnung auf Erfolg. Bis heute gab es nicht einmal eine vernünftige Beerdigung.« Sie senkte den Kopf.

»Das muss furchtbar für dich sein.« Elli drückte Claires Arm, Ina und Rüdiger sprachen ihr Mitgefühl aus.

»Tote stehlen nicht«, hielt Gero korrekt fest, schob aber nach Inas bösem Blick eine Beileidsbezeugung hinterher.

»Wie geht es nun mit der Destillerie weiter?«, wollte Ina wissen.

»Es gibt sie noch?«, rief Rüdiger begeistert, ehe Claire antworten konnte. »Ich hatte angenommen, sie wäre untergegangen wie viele andere irische Brennereien.«

Ina lächelte. Nach dem tragischen Krebstod seiner Frau Sonja hatte Rüdiger sein Leben neu sortiert. Gelegentlich trug er wieder seine alten Metal-Shirts und gönnte sich ein Gläschen guten Whiskeys. Sich daran zu berauschen, wäre für den Genusstrinker allerdings eine Sünde gewesen.

Claire schüttelte den Kopf. »Patrick hat sich all die Jahre mehr schlecht als recht durchgeschlagen. In der Wirtschaftskrise der Achtziger ist die Brennerei stark verfallen. Das war nicht lange, nachdem ihr als Schulmusikgruppe dort wart. Aber er hat nie aufgegeben.« Claire wirkte stolz auf ihren Onkel. »Erinnert ihr euch an seinen alten Freund und Gutsverwalter Edward und dessen Tochter Aeryn?«

Rüdiger nickte. »Hast du ein Bild von ihr? Ich würde gerne wissen, wie sie heute aussieht.« Keiner sagte etwas, und Ina bemerkte eine leichte Röte auf dem Gesicht ihres Freundes. »Äh ... ich meine natürlich ein Foto von der Destillerie.« Und rasch fügte er noch hinzu: »Und das Geschäftskonzept interessiert mich auch, rein betriebswirtschaftlich.«

Ina war amüsiert, wie Rüdiger seine Kompetenz als Firmenmitbesitzer vorschob. Er wollte offensichtlich seine Neugier darüber überspielen, wie es Edwards ausgesprochen hübscher Tochter Aeryn inzwischen ging, in die er sich als Jugendlicher unsterblich verliebt hatte.

Claire lachte und fuhr fort. »Patrick, Edward und Aeryn haben den wirtschaftlichen Aufschwung in Irland genutzt. Mit viel Zeit, Bankkrediten und vor allem Herzblut haben sie die Destillerie renoviert und ihr neues Leben eingehaucht. Seit drei Jahren wird jetzt wieder regelmäßig gebrannt. Außerdem hat Aeryn Investoren für den weiteren Ausbau des Guts gewinnen können. Es soll eine Mischung aus Freilichtmuseum und Freizeitpark entstehen: Whiskeyverkostung und -seminare neben Streichelzoo, Kinderspielplatz und Minigolf.«

»Das hört sich spannend an.« Elli schien die Idee zu gefallen. »Und Aeryn leitet das Ganze?«

»Ja. Sie ist auf dem Gut aufgewachsen und kennt sich mit allem bestens aus. Auch wenn Aeryn unserer Familie gegenüber keine Verpflichtungen hat, hat sie ihre erfolgreiche Eventagentur aufgegeben und den Erlös daraus in die Brennerei gesteckt. Nur mit ihrem Geld und Einsatz konnten sie den Laden wieder in Schwung bringen. Im Gegenzug sollte sie beim Ableben meines Onkels die Geschäfte übernehmen und seinen Anteil von fünfzig Prozent erben. Den Rest halten Dad, meine Schwester Kate und ich. Niemand hat damit gerechnet, dass es so schnell und plötzlich passiert. «

»Das ist ja alles schön und gut«, fuhr Gero unwirsch dazwischen. »Aber können wir bitte wieder zu unserem eigentlichen Fall zurückkommen? Wir sollen schließlich deine Statue finden und keinen Whiskey brennen. Ich habe mir zwischenzeitlich eine List überlegt, mit der wir die Informationen von deinem Vater erhalten werden. Rüdiger ...«

Claires Handy summte. »Oh, das ist Aeryn. Lasst euch bitte beim Planen nicht stören.« Die alte Schulfreundin stand auf und ging zum Fenster.

Ina hörte Gero nicht zu, sondern beobachtete Claire. Deren Gesicht wurde immer ernster, während sie langsam nickte. Offensichtlich gab es schlechte Nachrichten. Sie redete schnell und mit starkem irischem Akzent.

»Das klingt nicht gut«, raunte Elli Ina zu, während Gero mit Rüdiger über dessen Teil der Aufgabe diskutierte.

Claire legte auf und kam mit grimmiger Miene zum Tisch zurück. »Noch eine Hiobsbotschaft.« Sie schüttelte den Kopf. »Die Arbeit auf der Destillerie ist wie verhext. Schon seit ein paar Wochen geschehen seltsame Unfälle auf dem Gut. Jetzt ist irgendwie Dreck vom Misthaufen des neuen Streichelzoos in den anliegenden Fluss gelangt. Deshalb muss Aeryn morgen bei einer Anhörung vor dem Kreisrat darlegen, dass ihr gesamtes Konzept keine schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt haben wird.« Claire ließ sich schwer in den Sessel fallen und schlug eine Hand an die Stirn. »Was für ein Irrsinn! Sie kämpfen seit Monaten um die Zusage der Behörden, das Land für die gewerbliche Nutzung umwidmen zu können. Es fehlte nur noch die Unterschrift des Kreisratsvorsitzenden, und jetzt steht alles erneut auf der Kippe. Und das so kurz vor der offiziellen Wiedereröffnung.«

»Das verstehe ich nicht, hattest du nicht gesagt, es wird seit einigen Jahren bereits wieder gebrannt?«, fragte Elli überrascht.

»Three years and a day«, grinste Rüdiger. »Nach dem Gesetz ist Whiskey erst als solcher zu bezeichnen, wenn er mindestens drei Jahre in einem Fass gereift ist. Und das wollt ihr jetzt feiern?«

»Ah, ich sehe, da kennt sich jemand aus«, bemerkte Claire erfreut. »Du hast vollkommen recht. Patrick, Aeryn und Edward hatten schon seit Langem für nächste Woche eine große Wiedereröffnung geplant. Neben einem Tag der offenen Tür für Anwohner und Touristen soll es abends einen eleganten Stehempfang geben. Dort wird auch der erste Whiskey aus der renovierten Destille angezapft. Das Ganze soll den offiziellen Vertretern vom Kerry County und natürlich den Investoren zeigen, dass der Cunningham-Whiskey so großartig ist wie eh und je, und es soll auch beweisen, dass Aeryns weiterführende Pläne beim Publikum ankommen. Wenn alles klappt, wird das Gut die neue Attraktion für die Halbinsel.« Claires Gesicht verfinsterte sich. »Aber seit ein paar Wochen passieren immer wieder seltsame Dinge. Jedes für sich genommen ein Zufall, aber in dieser gehäuften Form kommt es mir doch sehr eigenartig vor.«

»Wie meinst du das?« Elli nahm noch einen Keks.

»Wenn du mich fragst, versucht jemand, das Unterfangen zu sabotieren.«

»Wer sollte das tun?« Rüdiger schien entsetzt.

»Guter Punkt!«, fuhr Claire auf. »Klar ist, wenn in den nächsten Tagen etwas schief geht, sind die Sponsoren genauso schnell weg wie ein Leprechaun, den man für einen Moment aus den Augen gelassen hat.«

Ina fand den Vergleich mit dem irischen Kobold, der sein Gold am Ende des Regenbogens hortete, passend.

»Und nun hat Aeryn morgen wegen des erneuten Zwischenfalls einen Termin beim Kreisrat und ausgerechnet zur selben Zeit einen weiteren mit dem Hauptinvestor in Dublin, der auch nicht verschoben werden kann. Geht sie nicht zur Anhörung, kann sie ihre Bauvorhaben endgültig vergessen. Springt wiederum dieser Geldgeber ab, lässt sich ihr Vorhaben kaum noch realisieren, und Aeryn hätte alles verloren.«

»So schlimm wird es doch nicht sein. Whiskey erfährt gerade eine neue Blüte.« Rüdiger versuchte, Optimismus zu verbreiten.

»Stimmt, aber die drei haben über die Jahre hinweg große Schulden angehäuft, und die Rückzahlungen stehen bald an.«

»Dein Anteil wäre dann auch wertlos«, folgerte Gero.

Claire nickte. »Schön wäre das nicht, aber ich habe nur wenig Geld investiert und könnte meinen Teil schuldenfrei abstoßen. Edward und Aeryn haben ihr gesamtes Vermögen in den Aufbau gesteckt und würden alles verlieren, was sie haben.«

»Wenn ihr Vater Edward einen der Termine übernimmt, bekommt sie beide unter einen Hut.« Gero war mit seiner Kausalkette zufrieden. »Wir können uns also wieder mit dem eigentlichen Fall befassen.«

Ina wunderte sich, wieso Gero immer wieder zu dem mittlerweile längst nebensächlich gewordenen Statuenraub zurückkehrte.

Claire hatte davon offenbar nichts gemerkt. »Wenn es nur so einfach wäre. Edward hat kein Mandat.« Sie legte das Gesicht in die Hände. »Oh je, ich habe euch hergebeten, damit ihr mir einen kleinen Gefallen tut, und jetzt habe ich das Gefühl, dass wir gerade eine Psychotherapiesitzung machen. Vergesst das Ganze. Ich will euch da nicht weiter mit hineinziehen.« Sie schien sich zu einer Entscheidung durchzuringen. »Wir brechen hier ab. Ich werde morgen nach Irland fliegen. Aeryn hat mich gebeten, als Anteilseignerin den Termin mit dem Investor wahrzunehmen. Tut mir leid, ihr habt euch so viel Mühe gemacht und seid extra hierhergekommen. Lasst uns über die Statue reden, wenn ich wieder zurück bin.« Claire stand auf und griff nach den Gläsern. Gero schloss die Balkontür.

Elli schüttelte den Kopf »Kann die Polizei nichts gegen die Sabotagen tun?«

Claire lachte bitter. »Die Behörden sagen, Aeryn und ihr Vater würden irische Sagenwesen sehen und die Angestellten seien einfach unachtsam. Von dort ist keine Unterstützung zu erwarten.«

»Das macht nichts.« Ina hatte bereits ihren Entschluss gefasst. »Claire, wir werden dir helfen und herausfinden, wer es auf die Destillerie abgesehen hat.«

2

Rüdiger war entsetzt über Inas Aussage. Aeryn, das schöne rothaarige Mädchen von der Grünen Insel, war seine erste große Liebe gewesen. Aber so schrecklich ihre jetzigen Probleme waren, er konnte ihr nie wieder unter die Augen treten. Nicht nach der Peinlichkeit, die er ihr damals vor allen Leuten bereitet hatte. Wie sollte er das seinen Freunden sagen? Hilflos blickte er Ina an.

Gero rettete ihn. »Ausgeschlossen.« Er sagte nur dieses eine Wort.

»Wieso?« Ina schien ebenso überrascht wie der Rest der Runde. »Es sind unsere Freunde, Gero. Und sie sind in Gefahr. Nach Regel Nummer 2 ist es unsere Pflicht, ihnen zu helfen!«

Rüdiger war beeindruckt von Ina, die sich problemlos auf den richtigen Paragrafen ihres alten Regelwerks berufen konnte.

Gero schüttelte nur den Kopf. »Die Sachlage ist doch die folgende: Patrick ist ertrunken. Für ihn können wir nichts mehr tun. Die Eröffnungsfeier ist sicherlich schon lange durchgeplant. Die Unfälle in der Destillerie können genauso gut am Stress aller Beteiligten liegen. Wer sollte auch eine alte Brennerei sabotieren wollen? Ina, du kannst gerne mit Claire den morgigen Termin beim Investor wahrnehmen. Wenn Aeryn zeitgleich dem Kreisrat Rede und Antwort steht, ist auch das erledigt. Bleibt also nur noch die Statue. Nach dem, was Claire über ihren Vater erzählt hat, ist es sehr wahrscheinlich, dass er sie irgendwie zu Geld gemacht hat. Das werden Rüdiger und Elli hier in München herausfinden. Und ich muss mich morgen leider um meine Bonsais kümmern.«

Auf dem Weg zur Tür zog er den Reißverschluss seiner Lederjacke zu. »Sagt Bescheid, wenn ihr Hilfe mit der Statue braucht«

»Gero, wieso ...« Der Rest von Inas Satz wurde vom Klicken der Haustür unterbrochen. Die Journalistin drehte sich zu Elli und Rüdiger um.

»Was war das denn?« Elli hob die Augenbrauen.

»Also seid mir nicht böse. Gero war ja schon in der Schule seltsam, aber jetzt scheint er noch abgedrehter als früher.« Claire wirkte vor den Kopf gestoßen, wandte sich dann jedoch an ihre Freundin. »Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du morgen nach Irland mitkommen würdest.«

»Es ist mir ein Vergnügen.«

Claire lächelte. »Danke. Laut Aeryn ist Investor Hill ein harter Geschäftsmann.«

Ina schnippte mit den Fingern. »Den werden wir schon weichklopfen.«

Rüdiger erhob sich und ergriff rasch das Wort, bevor seine Freundin auf die Idee kommen konnte, auch ihn und Elli nach Irland mitnehmen zu wollen. »In Ordnung! Elli, lass uns morgen Hans auf den Zahn fühlen! Ich freue mich auf deine Maskerade.«

Elli nickte und grinste von einem Ohr zum anderen. Rüdiger fragte sich, womit sie ihn diesmal ausstaffieren würde.

3

Gero knipste konzentriert die unerwünschten Triebe an seinem Bonsai ab. Seine Gedanken schweiften jedoch immer wieder ab. Auch wenn die anderen den lieben Onkel Patrick für einen redlichen Menschen hielten, er wusste es besser. Bis heute hütete er das Geheimnis, dass es wirklich Claires Onkel gewesen war, der vor einundvierzig Jahren die Statue in München hatte mitgehen lassen.

Wie naiv sie damals gewesen waren. Der sonst so griesgrämige Patrick hatte sich erstaunlich schnell bereit erklärt, Gastvater für ihren Austausch als Schulmusikensemble zu sein. Mehr noch, er hatte seine Beziehungen spielen lassen und besondere Räumlichkeiten für die abendlichen Auftritte der VIER in Südirland organisiert.

Was wie eine großzügige Unterstützung wirkte, hatte ein rein egoistisches Motiv: Unter dem Ablenkungsmanöver der Konzerte waren Patrick und sein Wirtschafter Edward ungestört in den Herrschaftshäusern auf Beutezug gegangen. Gero selbst hatte sie damals auf frischer Tat ertappt und hätte sie der Polizei übergeben können. Aber die Männer hatten ihm von einem Schatz erzählt, den Patricks Onkel Brandon vor mittlerweile fast hundert Jahren versteckt haben sollte. Die Madonna und die Kunstgegenstände, die sie suchten, entschlüsselten den Fundort. Der junge Gero hatte alles geglaubt und sich zu einem Gentlemen-Agreement hinreißen lassen, das so aussah, als würde es allen Seiten helfen: Am Ende der Reise sollte er die Münchner Statue bekommen, wenn er Stillschweigen über die Diebstähle gelobte. Und über den Brand in Muckross House. Schnell schob er den Gedanken daran beiseite.

Oh, wie erwachsen er sich gefühlt hatte! Vor seinen Freunden hatte er mit einer wahnwitzigen Geschichte angegeben, wie er todesmutig den Dieben in einem abgelegenen Waldstück die Madonna abgejagt hatte. Ina, Elli und Rüdiger hatten ihn als richtiges Mitglied in ihre Detektivgruppe aufgenommen und aus REI war VIER geworden. Sie hatten sogar seinen Anfangsbuchstaben vorangestellt – aber den seines Zweitnamens Valerius, weil sie GIER alle nicht besonders gelungen fanden.

Darum durfte heute keiner erfahren, warum er Patrick seinerzeit nicht verpfiffen und, viel mehr noch, ihm geschworen hatte, nie mehr zurückzukommen. Zu viel stand auf dem Spiel: seine Ehre, die von Patrick und Edward, die VIER – und womöglich seine Freiheit, wenn jemand hinter sein zweites Geheimnis von Muckross House kam.

Und jetzt war diese verdammte Statue wieder verschwunden. Dazu kamen Patricks Tod und die seltsamen Unfälle. Das alles ließ ihm keine Ruhe.

Hatte Hans die Figur versetzt? Wenn nicht, hatte Patricks Freund und Verwalter Edward sie diesmal gestohlen? Oder gab es noch jemanden, der das wohlgehütete Geheimnis der Statue als Hinweis zu einem Schatz kannte? War Patrick deswegen vielleicht sogar ermordet worden?

Er musste unbedingt mit Edward reden und die Wahrheit über Patricks Tod, die Madonna und den Schatz herausfinden, der mit etwas Glück wertvoll genug war, die Destillerie zu retten – ganz ohne Investoren.

Nach der Unterredung bei Claire war er sofort nach Hause gefahren und hatte versucht, die Privatnummer des alten Gutsverwalters herauszufinden. Vergebens. Eine Internetrecherche und ein Anruf bei der Vermittlung in Dublin förderten lediglich die Telefonnummer der Destillerie zutage. Und dort ging schon seit Stunden niemand ans Telefon.

Gero knipste einen weiteren Trieb ab – den falschen. »Verdammt!« Wütend schlug er die Konkavzange auf den Tisch. Das wäre ein neuer, perfekt ausbalancierter Zweig geworden. Sein Chokkan – ein Bonsai mit besonders symmetrischer Wuchsform – war ruiniert!

So konnte das nicht weitergehen. Er musste etwas unternehmen. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, seinen ehemaligen Bundeswehrkameraden Frank anzurufen, der ihm noch einen Gefallen schuldete. Als erfahrener Kampfpilot besaß er auch eine private Fluglizenz. Aber würde er ihn bis nach Dingle bringen?

Eine halbe Stunde später hatte er einen anderen Weg gefunden, um vor Inas Ankunft mit Edward sprechen zu können: Um 10:35 Uhr startete ein Direktflug nach Cork. Von dort waren es nur 2:16 Stunden nach Dingle. Ina würde von Dublin aus fast doppelt so lang brauchen und hatte außerdem die Unterredung mit dem Investor.

Gero lehnte sich zurück. Er würde seinen Schwur brechen, aber musste man einen solchen einem Toten gegenüber überhaupt noch halten? Andererseits verlangten die gegebenen Umstände ein Vier-Augen-Gespräch mit Edward, und deshalb war seine Rückkehr nach Irland die einzige Option.

4

Ina genoss den Ausblick auf die glitzernden Wellen der Irischen See. Sie liebte es, die Welt von oben zu sehen.

»Danke noch mal fürs Mitkommen«, meinte Claire. Sie hatten es geschafft, für den Flug zwei Sitzplätze nebeneinander zu ergattern.

Ina blickte ihre Freundin an. »Das ist doch selbstverständlich. Dingle ist wie Heimkommen für mich. Ich fühle mich dann wie die Fünfzehnjährige, die sich eine Auszeit vom toxischen Elternhaus nimmt. Aber das weißt du ja, schließlich durfte ich mich früher oft genug bei euch in München verkriechen.«

Claire nickte. »Schade, dass die anderen nicht dabei sind. Dingle hat sich seit der Wirtschaftskrise richtig gemausert. Sie haben die Häuser renoviert und bunt angemalt, was sehr malerisch aussieht in all den kleinen steilen Gassen dort. Zumal es auch zunehmend mehr Touristen anlockt, was natürlich den Pubs, Hotels und den Kunsthandwerkern im Ort zugutekommt. Wirklich schade, dass die anderen nicht dabei sind.«

»Mir tut es auch leid. Elli und Kwalle kann ich ja noch verstehen. Sie sind mit Aeryn damals im Streit auseinandergegangen.« Ina zuckte mit den Schultern. »Gero ist für mich ein größeres Fragezeichen.«

»Ich fand seinen Abgang gestern ... seltsam.«

Ina schnaubte. »Du brauchst gar kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Es war eine Unverschämtheit! Ich wollte mit ihm reden. Aber er beantwortet weder meine Mailbox- noch Textnachrichten.« Sie seufzte. »Ich verstehe ihn nicht. Bisher war er Feuer und Flamme für das Aufleben der VIER gewesen.«

»Ich hatte das Gefühl, er brütet etwas aus.«

»Wehe ihm!« Ina zerknüllte ihre Serviette und stopfte sie unwirsch in den Kunststoffbecher auf dem Klapptisch. »Ich habe noch genug von seinen Eskapaden in Celje, wo er mich zum Narren gemacht hat. Wenn er noch einmal so etwas durchzieht ...« Sie wandte den Kopf zum Fenster. Claire anzubrüllen, war auch keine Lösung. Sie hoffte inständig, Gero würde dieses Mal mit offenen Karten spielen.

5

»Und was, wenn uns Hans doch noch von damals kennt?« Rüdiger hatte frühmorgens einen Videoanruf mit Elli gestartet.

Seine Freundin hielt eine Perücke und ein Sakko mit Fliege vor die Kamera. »Das habe ich dir heute Morgen schon als Tarnung herausgesucht. Ich bringe alles mit, wenn wir uns nachher bei Hans Schubert treffen. Er wird keine Ahnung haben, wer vor ihm steht.«

Als sie den Blick nicht von ihm abwendete, gab er schließlich nach und murmelte. »Von mir aus. Lass es uns durchziehen.« Er holte sich noch eine Tasse Kaffee und sprach vom Tresen weiter. »Ich habe mich die halbe Nacht hin und her gewälzt. Die Geschehnisse von damals lassen mir einfach keine Ruhe. Es scheint, als wären mit dem Diebstahl der Madonna die Geister unserer Vergangenheit wieder geweckt worden.«

»Du hast recht. Es wird Zeit, damit aufzuräumen. Für die Statue brauchen wir nicht mehr als einen halben Tag. Morgen könnten wir Ina und Claire hinterherfliegen, mit Aeryn reden und sie und Edward unterstützen.«

Rüdigers Magen rebellierte bei dem Gedanken. Das war ganz und gar nicht, was er gemeint hatte. Vielmehr wollte er seiner Freundin rücksichtsvoll mitteilen, für keine weiteren Aktionen zu haben zu sein. »Elli, ich sehe das eher wie Gero ...«

»Stimmt! Der muss natürlich auch mit. Warte, ich füge ihn zum Gespräch dazu.«

Rüdiger sah, wie Elli auf ihrem Handy herumtippte. »Wenn ich hier ...« Im nächsten Moment hatte sie aufgelegt.

Rüdiger liebte Elli wie eine Schwester und würde sich nie über sie lustig machen, aber mit Technik stand sie schlichtweg auf Kriegsfuß. Mit wenigen geübten Klicks hatte er sie wieder in der Leitung und Elli zuliebe auch Gero in die Video-Konferenz mit eingebunden. Es tutete.

»Was ist der Stand? Habt ihr die Statue schon?« Gero kam wie immer schnell zur Sache.

Elli übernahm das Reden. »Nun mal langsam. Unser Termin mit Hans ist erst in eineinhalb Stunden. Egal, wie es dort läuft, morgen werden wir nach Irland fliegen.«

Rüdiger hatte das Gefühl, in diese Entscheidung nicht eingebunden gewesen zu sein.

Elli fuhr fort. »Wie Claire schon sagte, können wir die Statue auch noch suchen, wenn wir wieder zurück sind. Und du ...«

Gero unterbrach sie. »Die Madonna hat oberste Priorität. Ina schafft das auch alleine. Wenn nicht, kann sie mich gerne zu den üblichen Sprechzeiten erreichen.«

Rüdiger verdrehte die Augen.

»Sonst noch was? Ich muss nämlich ...« Er sprach lauter, um eine Stimme im Hintergrund zu übertönen. »Bitte begeben Sie sich zu Gate H12.«

»Gero!«, riefen beide wie aus einem Mund, doch die Verbindung war schon abgebrochen.

6

Gero ärgerte sich. Er hätte den Gruppenanruf einfach ignorieren sollen. Aber der Auftrag der beiden war wichtig. Es war unerlässlich, so schnell wie möglich herauszufinden, ob die Statue wirklich gestohlen worden war oder ob Hans sie verkauft hatte. Am Münchner Flughafen war es um diese Zeit ruhig gewesen, aber ausgerechnet in diesem Moment musste sein Gate aufgerufen werden.

Das führte zum nächsten Problem: Wenn die beiden die Durchsage gehört hatten und sich hintergangen fühlten, würden sie möglicherweise den Plan fallen lassen, Hans aufzusuchen. Da das unter keinen Umständen geschehen durfte, schrieb er ihnen rasch eine Motivationsnachricht. Das würde sie sicherlich herausfordern, weiterzumachen.

Er steckte sein Handy ein und marschierte Richtung Gate. Seit mehr als vierzig Jahren hatte er die Schatzsuche als verloren angesehen. Seine Gedanken wanderten in die Vergangenheit.

Muckross House, 1978

Gero lief mit pochendem Herzen so leise er konnte den Gang entlang. Nur der Mond spendete fahles Licht in den ansonsten stockdunklen Räumen von Muckross House. Das Anwesen war 1843 im Tudor-Stil erbaut worden und lag einsam im weitläufigen Killarney National Park. Es hatte fünfundsechzig prunkvolle Zimmer – und in einem davon befanden sich die Zielobjekte.

Der Strahl der Taschenlampe irrte im Rhythmus seiner Schritte über den Boden. Um ihre Ermittlungen voranzutreiben, hatten seine Freunde und er für die Mitte des Konzerts zwei Stücke ausgewählt, bei denen er am Dudelsack nicht gebraucht wurde. Das verschaffte ihm exakt neuneinhalb Minuten für das Aufspüren von Patrick. Zehn, wenn sie langsam spielten. Muckross House war zwar eine riesige Ansammlung von Zimmern, aber relevante Kunstgegenstände gab es nur in sieben von ihnen.

Im Moment befand Gero sich im Ostflügel. An den Wänden hingen Ölgemälde in wuchtigen Goldrahmen. Erschreckt fuhr er zusammen, als eine blank polierte Ritterrüstung im Lichtschein aufblitzte. Jetzt hatte Elli sogar ihn mit ihren Geistergeschichten nervös gemacht.

Hier war Patrick jedenfalls nicht. Vielleicht im oberen Stockwerk? Dank seines eidetischen Gedächtnisses wusste Gero exakt, welche Räume er absuchen musste. Drei waren noch übrig.

Er eilte zur Treppe zurück. Auf dem golddurchwirkten roten Teppich verursachten seine Füße kein Geräusch. Er konnte die Musik hören, die nur wenige Räume weiter gespielt wurde. Sie waren schon am Ende von Bach in Ireland. Ihm blieben noch sechs Minuten, bis er wieder auftreten musste. Er ließ alle Vorsicht fahren und rannte nach oben. Aus dem ersten Zimmer auf der linken Seite hörte er Stimmen. Ancient sleeping room, 1860, stand auf einem Schild an der Wand. Gero spähte durch einen Spalt zwischen den Flügeltüren. Volltreffer!

Patrick und Edward kauerten gerade über einem Bild, das sie auf den Boden gelegt hatten. Neben ihnen flackerte eine Petroleumlampe. Gero knipste sein Licht aus und stieß die Tür auf. Als Patrick das Geräusch hörte, schoss er hoch. »Was machst du denn hier? Musst du nicht Dudelsack spielen? Hau lieber wieder ab, Kleiner!«

Gero betrat den Raum und ging zum Angriff über. »Habe ich's mir doch gedacht. Ihr nutzt uns für einen Beutezug aus.«

»Es ist nicht so ... wie es aussieht«, stammelte Patrick. »Ich kann es dir jetzt nicht erklären. Die Zeit drängt.«

Natürlich tat sie das. Gero musste in ein paar Minuten wieder auf der Bühne sein. Er fragte sich, wie Patrick das Gemälde aus dem Haus schmuggeln wollte. Es maß sicherlich über einen Meter in der Diagonalen.

»Sagt mir, was hier los ist, sonst hole ich die Polizei.«

Patrick befeuchtete sich die Lippen. Sein Blick flog hin und her. Suchte er einen Ausweg? Der schmächtige Gero stellte sich breitbeinig vor die Tür, um den Fluchtweg zu versperren.

»Du kannst nicht die Garda rufen. Alles wäre verloren!« Patricks Gutsverwalter Edward verwendete den irischen Begriff.

»Es liegt ganz an euch.«

»Also gut ... aber du darfst es niemals jemandem verraten. Das muss unser Geheimnis bleiben«, gab Patrick nach.

Gero nickte.

»Ich bin auf der Suche nach einem bestimmten Gemälde, das einmal meinem Vater William Cunningham gehört hatte. Nach seinem Tod war ich gezwungen, große Teile des Erbes zu verkaufen, um die Destillerie zu retten. Und ich glaube, wir sind endlich fündig geworden.« Als wäre damit alles gesagt, widmete er sich wieder dem am Boden liegenden Bild. Es zeigte die Landschaft rund um Dingle. Gero meinte sogar, die Gebäude der Brennerei darauf zu erkennen.

»Und weiter?!« Gero konnte sich auf Patricks Worte keinen Reim machen.

Patricks Kopf wackelte hin und her. Offenbar kostete es ihn viel Mühe, sich zu einer Erklärung durchzuringen. »Es bildet zusammen mit Annes Statue und weiteren Figuren eine Schatzkarte.«

»Was?«

»Mein Onkel hat wohl Gold vergraben. Seine Schnitzereien weisen den Weg. Wenn wir alle Teile verbinden, können wir mit dem Schatz die Destillerie vor dem Untergang bewahren!«

Gero kombinierte schnell und war fasziniert. »Das Gemälde ist die Karte, die Figuren eine Art Anzeiger. Deshalb hast du Annes Statue gestohlen. Warum hast du uns nicht eingeweiht? Rätsel sind unsere Spezialität!«

Patrick schüttelte heftig den Kopf. »Je weniger Leute davon wissen, desto besser.«

Edward zuckte mit den Schultern. »Er scheint ein schlaues Bürschchen zu sein. Vielleicht kann er uns mit der Madonna helfen.«

Nach ein paar Sekunden hatte Patrick sich entschieden. »In Ordnung: Wenn du uns nicht an die Garda verpfeifst, darfst du dir die Statue nach einem Hinweis ansehen. Wir haben bisher nichts daran entdeckt. Sollten wir die falsche Figur mitgenommen haben« – das war ganz klar eine Beschönigung für ›gestohlen‹ –, »kannst du sie von mir aus ›wiederfinden‹ und vor deinen Freunden toll dastehen. Das ist es doch, was du willst, oder?«

Patrick hatte ins Schwarze getroffen. Wenn Gero die Statue fand und sie sie Anne wiederbringen konnten, würden ihn die anderen endlich vollends als Mitglied von REI akzeptieren. Er kaute auf seiner Unterlippe herum. Von unten brandete Applaus auf. Ihm blieben nur noch Sekunden.

»In Ordnung. Machen wir es so.«

»Schwöre mir, dass du keiner Menschenseele davon erzählst und niemals zurückkommst, um den Schatz selbst zu suchen.«

Gero war bereits gefangen in seinem Wunsch nach Anerkennung und stimmte allem zu.

Patrick wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Sehr gut, Junge. Das war die richtige Entscheidung. Und nun hilf mir, das Bild umzudrehen. Vielleicht finden wir etwas auf der Rückseite. Edward, pass bitte auf, dass niemand hereinkommt.«

Gero, der so schnell wie möglich wieder nach unten musste, klemmte sich die Taschenlampe unter den Arm und bückte sich, um mit Patrick zusammen das Gemälde behutsam hochzustemmen. Es war schwerer als erwartet.

Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig: Von unten erklang das Schlagen einer Tür, Edward rief etwas, der schon sichtlich mitgenommene Patrick erschrak und ließ das Bild los. Gero, der mit einer solchen Reaktion nicht gerechnet hatte, musste ein Bein heben, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und stieß dabei die Petroleumlampe um, die auf dem Boden stand.

Noch ehe sie reagieren konnten, war die brennbare Flüssigkeit ausgelaufen und hatte sich entzündet. Ein Vorhang fing Feuer. Binnen Sekunden hatten sich die Flammen in die trockenen alten Stoffe gefressen und leckten auf der Suche nach weiterem Futter gierig nach oben.

»Raus hier!«, schrie Gero und zerrte Patrick hoch, der verzweifelt versuchte, mit seiner Jacke das brennende Petroleum von dem Bild zu wischen.

Die blauen Lichter der Fire Brigade zuckten durch die Nacht. Fast ein Dutzend Wagen waren angerückt, um das Feuer zu bekämpfen, das offenbar in einem Zimmer des oberen Stockwerks des alten Herrschaftssitzes ausgebrochen war.

Die meisten Gäste standen bibbernd in der abendlichen Kälte. Sie hatten keine Zeit gehabt, sich ihre Garderobe aus der Eingangshalle zu holen. Entsetzte Gesichter blickten hinüber zu den orangefarbenen Flammen, die sich gnadenlos durch das jahrhundertealte Holz fraßen. Gero konnte weder Patrick noch Edward irgendwo erkennen. Er selbst war nach dem Ertönen des Alarms die Treppe hinuntergerannt und hatte sich möglichst unauffällig unter die anderen Teilnehmer des Musikabends gemischt. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und sah sich auf der Suche nach seinen Freunden um. Sie standen in einigem Abstand unter einem Baum.

Gero ging schweren Herzens zu ihnen hinüber.

»Alles in Ordnung mit dir?« Elli schien besorgt. »Du bist ganz blass. Hier, ich habe deinen Dudelsack gerettet.« Sie hielt ihm das Instrument hin, das er wortlos nahm.

»Hast du gesehen, was passiert ist? Steckt Patrick dahinter?«, wollte Ina wissen.

Anstatt zu antworten, schaute Gero mit zusammengepressten Lippen hinüber zu Muckross House, dessen unersetzliches Interieur nun Opfer der Flammen wurde. Niemand durfte jemals davon erfahren, dass er das Feuer verursacht hatte.

Eine Durchsage der Stewardess riss Gero aus seinen Gedanken. Mit der Vernichtung des Gemäldes hatten die beiden Iren resigniert und den Schatz verloren gegeben. Hatten sie sich geirrt? Hoffentlich konnte Edward Licht ins Dunkel bringen.

7

Eure Aufgabe: Erfahrt den Verbleib der Madonna. Ihr habt 4 h Zeit. Für das erfolgreiche Abschließen erhaltet ihr 12 Punkte, 15 wenn ihr es in 2 h schafft.

Rüdiger legte das Handy wütend zur Seite. Er hatte das aufgerufene Gate sofort geprüft. Dort stand eine Maschine fertig zum Abflug nach Cork. Also nicht genug damit, dass Gero hinter ihrem Rücken nach Irland reiste, nun kamen auch noch Befehle per App! Wahrscheinlich dachte er, die Nachricht würde sie motivieren. Das konnte er vergessen, nachdem der Idiot schon wieder im Alleingang losmarschiert war. Außerdem waren zwölf Punkte lächerlich ...

Als Jugendliche hatten sie in ihrem Hauptquartier eine Tafel geführt mit den Punkteständen der VIER. Jeden Monat kürte Gero den Sieger – nicht selten sich selbst. Bis heute hatte Rüdiger seinen Freund im Verdacht, die Zahlen so hinzudrehen, dass Gero die meisten Punkte bekam.

Rüdiger hatte Elli nach ihrem Telefonat unmissverständlich klargemacht, unter diesen Umständen nicht mehr zu Hans zu fahren. Für ihn war die ganze Geschichte gestorben.

Er widmete sich wieder seinem Lötkolben. Seine neueste Idee war zudem wesentlich spannender und würde den Internetradio-Toaster locker in den Schatten stellen. Er setzte gerade behutsam die heiße Spitze an das Beinchen des Kondensators, als sein Telefon »Probier's mal mit Gemütlichkeit« spielte. Er hatte jedem der VIER eine eigene Melodie zugeordnet, damit er sofort wusste, wer bei ihm anrief. Dieses Lied gehörte zu Elli, die ihn oft an den gutmütigen Bären Balu aus dem Dschungelbuch erinnerte.

Ohne den Blick von der Leiterplatte zu nehmen, tippte er auf das Handy. »Hallo Elli, was gibt's?«

»Hast du Geros Nachricht nicht bekommen?«

»Doch, natürlich, Elli.«

»Und was machen wir jetzt? Vier Stunden ist nicht viel Zeit.«

»Gar nichts. Wir machen gar nichts.« Er legte den Lötkolben zur Seite und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Werkbank. »Elli, lass es gut sein. Nur weil Gero mal wieder eines seiner Hirngespinste ausbrütet, müssen wir nicht sofort springen. Außerdem soll er mit seiner Geheimniskrämerei aufhören. Wenn er sich erklärt und nett ›bitte‹ sagt, überlege ich es mir vielleicht noch mal. Befehlen folge ich grundsätzlich nicht. Er braucht sich nicht einbilden, den Soldaten ...«

»Rüdiger! Es geht hier nicht um dich und deine Animositäten gegenüber Gero. Es geht um Claire und unsere Freunde in Irland.«

Unsere Freunde ... Für ihn fühlte es sich nicht so an. Was Rüdiger betraf, war die Akte »Grüne Insel« bereits seit vielen Jahrzehnten geschlossen. »Elli, Irland hat doch mit dem heutigen Madonnenraub überhaupt nichts zu tun.«

»Ach ja? Und warum fliegt Gero dann dorthin? Wir können helfen, also tun wir das auch. Wir treffen uns in einer Stunde bei Hans.«

8

Der Dublin International Airport mutete mehr wie ein Regionalflughafen an. Kaum hatten Ina und Claire den Flieger verlassen, waren sie von Grün und Orange umgeben, und das Air-Lingus-Kleeblatt war allgegenwärtig. Ina schmunzelte, als sie die unaussprechlichen gälischen Übersetzungen auf den Schildern las. Sie liebte Sprachen und würde irgendwann auch dieser Herr werden.

»Sprichst du noch Irisch?«

»Cuir ort do chóta.« Claire lachte. »Zieh deinen Mantel an. Den Satz habe ich am häufigsten von meiner Mutter auf unseren Besuchen hier gehört. Natürlich gefolgt von ›Ta se ag cuir baisteach‹ – es regnet. Alles Vorurteile. So schlecht ist das Wetter hier gar nicht.«

»Es schüttet gerade«, stellte Ina trocken fest.

»Ach, das ist nur ein kurzer Schauer, höchstens Stufe zwölf von zwanzig irischen Regenarten«, grinste Claire. »Bis wir unseren Mietwagen haben, scheint die Sonne.«

Claire sollte recht behalten. Im warmen Sonnenschein manövrierte ihre Freundin den Twingo geschickt im Linksverkehr zwischen den unzähligen Doppeldeckerbussen durch die Innenstadt von Dublin. Ina liebte kleine schnelle Autos. Der Münchner Tourist hinter ihnen am Mietwagenschalter hatte sie angesichts des mickrigen Gefährts aufgezogen. Er würde seine Wahl – den großen SUV – allerdings bereuen, sobald er auf die erste enge und von Mauern und dornigem Gestrüpp gesäumte Dorfstraße einbog.

Ina sah sich um. Auch die Hauptstadt Irlands hatte sich in den letzten Jahren herausgeputzt. Die Iren waren stolz auf ihr Land, und die Nationalfarben grüßten, wohin das Auge blickte. Gerne erinnerte Ina sich an ihre Zeit in der historischen Innenstadt und die Einkehr in so manchem Pub. An jeder Ecke konnte man sie finden, farbenfroh gestrichen, geschmückt mit Balkonkästen voller bunter Blumen und mit Live-Musik und singendem Publikum, das bis auf die Straße zu hören war.

Sie bogen Richtung Bankenviertel ab. Als sie den Fluss Liffey überquerten, deutete Claire auf ein modernes Gebäude direkt an dessen Ufer. Marmor- und Glasfassaden strahlten ihnen entgegen, die für den Sitz eines reichen und damit wichtigen Investors sprachen.

Wenig später saßen sie in einem klimatisierten Gebäude der Tylor-Hill-Investment-Company dem Eigentümer persönlich gegenüber. Er trug einen dunklen Anzug, Designerschuhe und ein aufdringlich herbes Eau de Toilette.

»Wie ich sehe, hat Mrs O'Leary diesmal eine Vertretung geschickt. Ist meine Investition nicht mehr so bedeutend?« Sein amerikanischer Akzent war sogar für Ina unverkennbar.

»Durchaus nicht, Mr Hill. Wir sind dafür extra aus Deutschland angereist. Als Anteilseignerin spreche ich in unser aller Interesse.« Claire strahlte eine große Sicherheit aus. Durch ihre Arbeit als Leiterin einer Modehausfiliale war sie offensichtlich gewohnt, Verhandlungen zu führen.

»Nun, dann ist ja gut. Auch wenn ich das hier lieber mit der Geschäftsführerin persönlich besprochen hätte.« Hill schob Claire einen Umschlag zu. »Ich werde nicht länger als Geldgeber zur Verfügung stehen.«

Claire wirkte ebenso überrascht wie Ina es war.

»Mir sind einige Zwischenfälle zu Ohren gekommen, die für die Unfähigkeit Mrs O'Learys sprechen, ein derartiges Unternehmen ordentlich zu führen.«

Im Vorfeld hatten die drei Frauen schon diskutiert, wie sie damit umgehen würden, sollte Hill auf die Unfälle anspielen. Entsprechend erklärte Claire ruhig und gefasst. »Mr Hill, was Sie als Zwischenfälle titulieren ...«

»Geben Sie sich keine Mühe. Sie werden mich auch mit Engelszungen nicht umstimmen können. Ich schlage Ihnen daher einen Deal vor, der allen Seiten am dienlichsten ist: Die Company wird ihr Gut käuflich erwerben. Wir kommen Ihnen sogar entgegen und verpflichten uns, die Ideen Ihrer Freundin mit diesem kleinen Vergnügungspark rund um die Destillerie zu verwirklichen. Alles, was Sie noch tun müssen, ist die Unterschrift durch den Kreisrat für die Umsetzung einzuholen. Aber wenn ich das richtig verstanden habe, steckt Mrs O'Leary dazu gerade mitten in den Verhandlungen.«

Claire war sprachlos und wusste nichts dazu zu sagen.

Ina sprang ihr zur Seite. »Woher kommt Ihr Interesse am Erwerb der Brennerei? Ein Investment birgt zwar Potenzial, aber ein Kauf bringt für Sie doch viel mehr Mühen?«

»Gut erkannt, Mrs ...«

»von Treuenfeld«, ergänzte Ina.

»Es ist ganz einfach: Wir haben die nötige Erfahrung, einen solchen Betrieb zum Laufen zu bringen. Auch ich möchte Dingle aufblühen sehen, und mit der Kompetenz meiner Firma wird es so kommen.« Er legte eine aufgeschlagene Mappe vor Claire. »Alle Anteilseigner brauchen nur hier zu unterschreiben.«

»Machen Sie sich nicht die Mühe, Mr Hill.« Ihre Freundin unterbrach den Banker. »Wir verkaufen nicht. Sie können immer noch gerne als Investor in Aeryns Konzept einsteigen. Dessen Erfolg werden Sie nächste Woche bei der großen Neueröffnungsfeier erleben. Ich hoffe, Sie haben die Einladung erhalten.«

Ina war angetan von Claires Klarheit.

Hill brauchte einige Sekunden, bis er schließlich mit grimmigem Gesichtsausdruck nickte. »Wie Sie möchten. Mein Angebot gilt für die nächsten zweiundsiebzig Stunden.« Er blickte sie von oben herab an. »Zögern Sie nicht zu lange. Womöglich ist es das beste Angebot, das Sie erhalten werden.«