4,99 €
Anna kehrt aus Hamburg zurück in ihre neue Heimat in der Toskana. Doch die Idylle im schönen Fontenaia hält nicht lange an. Ein Brand zerstört die Lagerhalle der örtlichen Olivenöl-Kooperative, ein mysteriöser Knopf führt zu brisanten Verdächtigungen und eine anonyme E-Mail gefährdet den Ruf von Commissario Vico Martinelli.
ÜBER DIE SERIE
»Vino, Mord und Bella Italia!« ist eine gemütliche Italien-Krimi-Serie mit Schauplatz Toskana. In dem malerischen Städtchen Fontenaia erbt Anna Wagner nicht nur die alte Villa ihrer Nonna, sondern stolpert auch über den ein oder anderen Mord. Sehr zum Missfallen des Commissario Vico Martinelli, der es überhaupt nicht leiden kann, wenn sich eine Amateurin in seine Fälle einmischt. Doch schon bald hat Anna viele neue Freunde in dem Ort gefunden, die ihr bei der Spurensuchen und der Jagd auf Verbrecher tapfer zur Seite stehen.
Wer Italien und die Toskana liebt, bei Krimis gerne selbst miträtselt und La Dolce Vita zu genießen weiß, wird von dieser Serie begeistert sein.
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 205
Veröffentlichungsjahr: 2025
Liebe Leserin, lieber Leser,
vielen Dank, dass du dich für ein Buch von beTHRILLED entschieden hast. Damit du mit jedem unserer Krimis und Thriller spannende Lesestunden genießen kannst, haben wir die Bücher in unserem Programm sorgfältig ausgewählt und lektoriert.
Wir freuen uns, wenn du Teil der beTHRILLED-Community werden und dich mit uns und anderen Krimi-Fans austauschen möchtest. Du findest uns unter be-thrilled.de oder auf Instagram und Facebook.
Du möchtest nie wieder neue Bücher aus unserem Programm, Gewinnspiele und Preis-Aktionen verpassen? Dann melde dich auf be-thrilled.de/newsletter für unseren kostenlosen Newsletter an.
Spannende Lesestunden und viel Spaß beim Miträtseln!
Dein beTHRILLED-Team
Melde dich hier für unseren Newsletter an:
Anna kehrt aus Hamburg zurück in ihre neue Heimat in der Toskana. Doch die Idylle im schönen Fontenaia hält nicht lange an. Ein Brand zerstört die Lagerhalle der örtlichen Olivenöl-Kooperative, ein mysteriöser Knopf führt zu brisanten Verdächtigungen und eine anonyme E-Mail gefährdet den Ruf von Commissario Vico Martinelli.
Während das Dorf fieberhaft eine große Olivenölverkostung vorbereitet, versucht Anna alles, um Licht ins Dunkel zu bringen. Und schon bald verdichten sich die Hinweise, dass unter der glänzenden Oberfläche der Oliven-Kooperative Neid und Misstrauen brodeln …
»Vino, Mord und Bella Italia!« ist eine gemütliche Italien-Krimi-Serie mit Schauplatz Toskana. In dem malerischen Städtchen Fontenaia erbt Anna Wagner nicht nur die alte Villa ihrer Nonna, sondern stolpert auch über den ein oder anderen Mord. Sehr zum Missfallen des Commissario Vico Martinelli, der es überhaupt nicht leiden kann, wenn sich eine Amateurin in seine Fälle einmischt. Doch schon bald hat Anna viele neue Freunde in dem Ort gefunden, die ihr bei der Spurensuchen und der Jagd auf Verbrecher tapfer zur Seite stehen.
Anna atmete tief den vertrauten Geruch von Pinien und sonnenwarmem Boden ein. Der laue Herbstwind blies Anna durch das geöffnete Seitenfenster um die Nase, als der Taxifahrer seinen Wagen die letzten Meter zum Haus ihrer Großeltern empor lenkte. Vier Wochen Hamburg hatten ihr gutgetan, aber jetzt kribbelte es in ihrem Bauch vor Vorfreude auf ihr toskanisches Zuhause.
Das Taxi kam im Hof knirschend zum Stehen, Anna bedankte sich und gab ein großzügiges Trinkgeld. Sie stieg aus, streckte sich – und verharrte ungläubig in ihrer Bewegung. Auf einer Holzleiter, die an der Hauswand lehnte, balancierte Loris und strich konzentriert den letzten Fensterladen in einem leuchtenden Gelb. Die olivgrüne Cargohose des Handwerkers war mit Farbklecksen übersät, und auch in seinem wuscheligen Haar glitzerten ein paar bunte Tupfer in der Herbstsonne.
»Fata mia, du bist wieder da.« Tameo sprintete auf sie zu, dicht gefolgt von einem aufgeregt bellenden Peppo. Der Nachbarsjunge schlang seine Arme um ihre Taille, während der Hund Anna umkreiste und mit dem Schwanz wedelte wie mit einem Propeller.
Loris drehte sich auf der Leiter um und sein warmes Lächeln ließ seine Grübchen aufblitzen. »Du bist zu früh dran, Anna. Ich wollte gerade den letzten Pinselstrich machen«, rief er ihr zu. Loris wischte sich hastig die Hände an seiner Hose ab und kletterte die Leiter herunter. Anna stand noch immer einfach da und starrte die Fensterläden an. Wo vorher abblätterndes schlichtes Braun gewesen war, leuchteten ihr jetzt alle Farben des Regenbogens entgegen. Knallrot, Orange, Gelb, Grün, ein traumhaftes Türkis – ihre Lieblingsfarbe –, Blau und Violett.
»Bellissimo, oder?« Tameo strahlte übers ganze Gesicht. »Jede Farbe erzählt eine Geschichte«, fuhr Tameo begeistert fort. »Gelb ist die Sonne, Blau das Meer, Grün sind natürlich die Olivenbäume …«
Anna grinste glücklich. Im Zuge der Renovierungsarbeiten hatte sie Loris gebeten, die Fensterläden am Haus ihrer verstorbenen Nonna neu zu streichen. Doch sie hatte sich für keine Farbe entscheiden können. Also hatte Loris ihr eine Überraschung versprochen. Und vor dieser stand sie nun und konnte ihr Glück kaum fassen. Die kräftigen Töne bildeten einen wunderschönen Kontrast zu den alten Steinmauern und den Terrakotta-Dachziegeln und verliehen dem Häuschen einen zauberhaften Charme, als wäre es geradewegs aus einem Märchenbuch entsprungen.
»Es ist perfekt!«, rief sie aus und schloss Loris in eine feste Umarmung, ohne sich um die Flecken auf seinem Shirt zu kümmern. Als sie sich voneinander lösten, waren ihre Gesichter nur eine Handbreit voneinander entfernt.
»Dein Haus- und Hofhandwerker, stets zu deinen Diensten«, sagte er und machte die Andeutung einer Verbeugung.
Tameo zupfte an Annas Bluse. »Wir haben die ganze letzte Woche daran gearbeitet. Ich durfte sogar mitmachen.« Er zog sie von Loris weg und führte sie zu einem der unteren Fensterläden. »Schau!« Mit wedelndem Finger deutete er auf die darauf gemalte kleine weiße Figur, die etwas in der Hand hielt, das einen Fächer aus bunten Linien ausspuckte. »Erkennst du es?«
Anna klatschte in die Hände. »Eine Fee mit Zauberstab? Und sie versprüht Regenbogenmagie über das Haus.«
»Sì, sì!« Tameo hüpfte aufgeregt von einem Bein aufs andere. »Das bist du! Loris hat gesagt, ich soll ganz vorsichtig malen, damit es schön wird. Ich hab dreimal neu angefangen.« Er kratzte sich verlegen am Kopf. »Die Flügel sind ein bisschen schief geworden.«
»Die Flügel sind perfekt«, sagte Anna und strich ihm über sein wuscheliges Haar. »Weißt du was? Jetzt ist es wirklich mein Zuhause. Ein Haus mit einer eigenen Schutzfee kann nur Glück bringen.«
»Davvero?« Tameos Augen leuchteten. »Dann musst du allerdings auch richtig zaubern.«
»Ich werde mir Mühe geben«, sagte Anna lachend. »Am besten, ich fange gleich damit an. Aber du darfst nicht schauen.« Tameo nickte eifrig, und sie öffnete ihre Tasche, wo sie das Geschenk für ihren kleinen Kameraden eingepackt hatte. »Sim sala bim«, sagte sie.
Vorsichtig öffnete Tameo sein rechtes Auge einen Spalt. Als er die Schachtel erblickte, schrie er entzückt auf und nahm sie hoch. »Das ist … das ist …« Er drehte die Box in alle Richtungen. »Ein Boot in einer Flasche? Ma come? Wie kommt das da rein?«
»Das ist ein Buddelschiff«, erklärte Anna, ohne den deutschen Begriff zu übersetzen. »In Hamburg gibt es viele davon. Die Stadt hat einen riesigen Hafen, weißt du? Und das hier«, sie tippte auf die Schachtel, »ist ein Bausatz, mit dem man das Schiff in die Flasche zaubern kann.«
Tameo machte große Augen und hauchte: »Fantastico!« Dann hüpfte er auf und ab, die Schachtel fest an sich gedrückt. »Können wir gleich anfangen? Per favore? Ich pass auch super gut auf die kleinen Teile auf. Und Peppo darf nicht in die Nähe, versprochen!«
Peppo bellte zustimmend, als hätte er verstanden, worum es ging.
Während Tameo begeistert die Schachtel öffnete, holte Anna ein weiteres Päckchen aus ihrer Tasche. »Und für den Künstler des Hauses habe ich auch etwas.« Sie reichte Loris ein flaches, rechteckiges Paket.
»Non dovevi«, murmelte Loris. »Das wäre doch nicht nötig gewesen.« Seine farbverschmierten Finger hinterließen kleine gelbe Abdrücke auf dem Papier.
»Ma sì«, unterbrach Tameo ihn. »Feen bringen immer die besten Geschenke. Mach schon auf!«
Vorsichtig öffnete Loris das Päckchen. Zum Vorschein kam ein großformatiger Kalender mit dem Titel »Holzkunst der Jahrhunderte«. Jede Seite zeigte beeindruckende Arbeiten aus verschiedenen Epochen, von mittelalterlichen Kirchenportalen bis zu modernen Designermöbeln, stimmungsvoll in Szene gesetzt von einem Hamburger Fotografen.
»Der Kalender hat mich sofort an dich erinnert«, sagte Anna leise. »Wegen deiner beiden Seiten – dem Handwerker und dem Künstler. Ich hoffe noch immer, dass dein Traum in Erfüllung geht und du bald nicht mehr nur Fensterläden streichst, sondern dich ganz der Holzgestaltung widmen kannst.«
Loris blätterte durch die Seiten, seine Augen leuchteten. »Diese Tür ist wunderbar. Schau dir die feine Schnitzerei an, die sich an der Holzmaserung orientiert.« Er strich ehrfurchtsvoll mit den sauberen Fingerknöcheln über das Foto.
»Kommt!«, rief Tameo und zog beide an den Händen. »Wir setzen uns da drüben hin und dann zeigt ihr mir, wie man ein Schiff in die Flasche zaubert.«
»Ihr habt auch die Bank gestrichen«, rief Anna aus, als sie das hellbraune Möbel mit den farbigen Punkten darauf erblickte.
»Wir waren so gut in Fahrt«, sagte Loris und lachte.
»Das sind Konfetti«, erklärte Tameo. »Oder ein Dalmatiner mit bunten Flecken.«
Sie setzten sich, und die von der Herbstsonne angestrahlte Fassade des Hauses wärmte Annas Rücken. Peppo rollte sich zu ihren Füßen zusammen, während ein sanfter Wind durch die silbrigen Blätter raschelte. Anna atmete tief den würzigen Duft von Pinien und frischer Farbe ein. Ihr Blick wanderte über die bunten Fensterläden zu der kleinen gemalten Fee. Ja, das war ihr Zuhause.
Morgen begann wieder ihr Halbtagsdienst auf der stazione di polizia. Sie freute sich darauf, Flavia, Marco und Vico wiederzusehen. Und heute Abend würde sie noch im Da Giovanna vorbeischauen und auch dort ihre Mitbringsel verteilen. Sie hatte die Wirtin und ihr gemütliches Lokal vermisst. Nach den aufregenden letzten Monaten hoffte Anna, dass in Fontenaia nun etwas ruhigere Zeiten anbrachen.
Während Loris und Tameo sich die Köpfe über die deutsche Bauanleitung zerbrachen, genoss Anna den friedlichen Moment.
»Flavia, bleib zurück!« Commissario Vico Martinelli packte seine junge Kollegin am Arm und zog sie von der brennenden Lagerhalle weg. Der Qualm ließ ihm die Tränen in die Augen steigen, und die Hitze des Feuers war selbst aus zwanzig Metern Entfernung noch unerträglich. Orangerote Flammen fraßen sich durch die herbstliche Nacht, als wäre der Himmel selbst in Brand geraten. Feuerwehrleute rollten zusätzliche Schläuche aus und weitere Wasserfontänen schossen auf das Gebäude und das umliegende trockene Gebüsch. Die Luft war erfüllt von beißendem Rauch und dem fernen Klang von Sirenen. Zusätzliche Einheiten waren im Anmarsch.
»Aber Vic, wenn da noch jemand drin ist.« Flavia hustete und wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht.
»Per l’amor di Dio – um Himmels willen, das ist zu gefährlich. Überlass das der vigili del fuoco. Die Feuerwehrleute sind Profis.« Vico führte Flavia über das vertrocknete Gras einige Schritte weg. »Außerdem haben die Carabinieri aus Castel Bianco hier das Sagen.«
»Ach, du und deine Hierarchie«, maulte Flavia und riss sich los.
»In Rom hatten wir öfter solche Einsätze. Ohne ordentliche Abstimmung wäre …«
»Wir sind aber nicht in Rom«, unterbrach ihn Flavia. »Hier kennt jeder jeden, und wenn uns die Kollegen aus Castel Bianco schon zu Hilfe rufen, möchte ich auch etwas tun und nicht nur die Absperrbänder ausrollen.«
Vico seufzte und blickte zur Halle. Die Feuerwehrleute kämpften gegen die Flammen an und tanzten mit ihren schwarzen Uniformen mit den hellgelben Streifen wie surreale Gestalten im Feuerschein.
»Commissario Martinelli.« Der leitende Tenente der Carabinieri kam auf sie zu.
»Wir evakuieren jetzt die Häuser im Südwesten. Falls der Wind dreht, könnte der Funkenflug in diese Richtung gelenkt werden.« Vico folgte seinem ausgestreckten Arm. »Die Schaulustigen machen mir zusätzlich Sorgen. Bitte kümmern Sie und Ihre Kollegin sich darum, dass niemand in Gefahr gerät.«
Vico nickte knapp. Die Zusammenarbeit mit Fontenaias Nachbarstadt war nicht immer einfach – zu tief saßen die Rivalitäten zwischen den beiden Orten und der polizia di stato und den carabinieri. Aber in solchen Momenten rückten alle zusammen.
Er wandte sich gerade ab, als jemand laut »Scusi, signori« schrie. Ein kleiner Mann in Chino und hellem Hemd eilte auf sie zu. »Enzo Zambon, unserem Verband gehört die Halle.« Schweißperlen standen auf seiner Stirn. »Eine Katastrophe! Übermorgen wäre hier die jährliche Prämierung … ich weiß gar nicht, was ich tun soll …« Er machte einen Schritt auf das Gebäude zu. »Haben Sie die Öle gerettet?«
Der tenente hielt ihn am Revers zurück. »Bleiben Sie hier, Signor Zambon. Wir können im Moment nur warten, bis die vigili del fuoco den Brand eingedämmt hat. Ist die Halle versichert?«
»Naturalmente. Aber all das Olivenöl darin. Es ist unersetzbar.« Zambon fuhr sich durch die schütteren Haare. Im Schein der Flammen wirkte sein Gesicht eingefallen und blass.
»Die vigili del fuoco tut ihr Bestes«, versuchte Flavia zu trösten, doch da krachte ein Teil des Dachs herunter und machte allen klar, dass außer einem verkohlten Gerippe nichts von der Mehrzweckhalle übrig bleiben würde. Alles, was darin lagerte, war unwiederbringlich verloren.
»Eccolo!«, durchschnitt eine barsche Stimme die Nacht. Ein großer bulliger Kerl in Jeans und Sweater stapfte auf sie zu. »Da haben wir’s! Das ist alles deine Schuld.«
Vico beobachtete, wie sich Zambons Schultern versteiften.
»Halt den Mund, Tettamanti. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für …«
»Nicht der richtige Zeitpunkt?« Der bullige Mann lachte bitter. »Wann wäre denn der richtige Zeitpunkt gewesen? Als ich dir vor sechs Monaten gesagt habe, dass wir eine Sprinkleranlage brauchen?«
»Mit welchem Geld denn?« Zambons Stimme überschlug sich, als er zu dem Mann aufblickte, der ihn um zwei Köpfe überragte. »Du weißt genau, wie es um die Kasse der Kooperative steht.«
»Signori, per favore«, versuchte der tenente zu schlichten, aber die beiden waren bereits zu sehr in ihr Wortgefecht vertieft.
Vico trat einen Schritt vor. »Meine Herren, lassen Sie uns diese Diskussion auf einen geeigneteren Zeitpunkt verschieben. Die vigili del fuoco …«
»Commissario Martinelli.« Die Stimme des tenente hatte einen scharfen Unterton. »Ich habe Ihnen eine Aufgabe zugeteilt. Kümmern Sie sich bitte um die Absperrung und die Schaulustigen. Alles andere übernehme ich.«
Vico presste kurz die Lippen zusammen, dann bedeutete er Flavia mit einem Kopfnicken den Rückzug.
Während sie sich entfernten, warf Flavia ihm einen mitfühlenden Blick zu. »Tut mir leid, Vic. Du hattest recht – mit der Hierarchie und so.«
»Tutto bene.« Er zuckte mit den Schultern, aber innerlich brodelte er. »Lass uns die Absperrung verstärken. Die Menge wird größer.«
Der Himmel über ihnen war immer noch in einen orangeroten Feuerschein getaucht. Vico blickte nachdenklich zu den aufsteigenden Rauchschwaden. In all seinen Jahren bei der Polizei hatte er gelernt, dass solche Brände selten von allein ausbrachen – und er fragte sich, ob die Funken dieses Feuers auch Fontenaia erreichten.
Nach einer erholsamen Nacht zurück im Haus ihrer Großmutter stieß Anna am nächsten Morgen schwungvoll die Tür zum Büro von Marco und Flavia auf. Sie atmete den vertrauten Geruch von Aktenordnern und Kaffee ein. »Buongiorno a tutti.«
Der Anblick des aufgeräumten Raums ließ sie mitten in der Bewegung innehalten. Keine Papierberge auf den Schreibtischen, kein einziger Krümel auf dem Boden. Sogar die traurige Zimmerpflanze in der Ecke war gegen eine neue mit frischen grünen Blättern ausgetauscht worden.
»Anna, mia cara! Schön, dass du wieder da bist.« Flavia sprang von ihrem Stuhl auf und umarmte Anna stürmisch. Als sie die junge Agente herzlich an sich drückte, stieg Anna eine seltsame Mischung von Zitrusshampoo und Lagerfeuer in die Nase.
Marco lächelte und biss geräuschvoll in eine Karotte, während er sich deutlich gemächlicher als Flavia erhob.
Anna blinzelte verwirrt. »Seit wann isst du denn Gemüse?«
»Non è un’idea – nicht meine Idee.« Marco rieb sich die Halbglatze. »Vico hat mir die Grissini verboten. Zu viele Krümel, sagt er. Als ob ein paar Brösel das Ende der Welt bedeuten.«
Anna grinste breit, während sie den liebgewonnenen älteren Polizisten ebenso herzlich umarmte. Das war typisch Vico – sein Ordnungsfanatismus kannte keine Grenzen. »Und wie ich sehe, hat der Commissario bei der Gelegenheit gleich euer ganzes Büro renoviert.« Sie machte eine ausholende Handbewegung. »Ist richtig schön geworden.«
Flavia zwinkerte Marco zu.
»Statt hier zu schuften, hätten wir auch eher Dienstschluss machen können«, maulte der und verzog sich wieder hinter seinen Schreibtisch.
»Vielleicht kann ich deine Laune etwas heben«, sagte Anna verschwörerisch und grub ihre Hand in die mitgebrachte Jutetasche. Sie angelte eine hellblaue Metallschachtel heraus und überreiche sie feierlich dem schmollenden Marco. »Original Hamburger Kemm’sche Kuchen.«
Marco richtete sich mit großen Augen auf und warf das letzte Stück Karotte mit einem abschätzigen Blick in den Papierkorb. Er öffnete die Blechdose und zog einen der Gebäckbeutel heraus. »Da kann Vico protestieren, so viel er will. Es wäre ein Verbrechen, ein hochoffizielles Geschenk nicht zu würdigen.« Mit einem seligen Lächeln riss er die Verpackung auf und biss in die Hamburger Köstlichkeit. »Mhm, die passen noch besser zum Espresso aus unserer tollen neuen Maschine als die cantuccini meiner Maria.« Er griff sich gleich einen Nachschlag, verharrte aber in der Bewegung und schaute die beiden Kolleginnen mit großen Augen an. »Wenn ihr das meiner Frau sagt, sind wir alle drei geliefert!«
Anna lachte lauthals auf und wandte sich an Flavia. »Und für dich habe ich handgemachte Bonsche.«
»Bon-ce«, wiederholte Flavia fragend und nahm den Beutel mit Süßigkeiten in die Hand.
»Mit Kaffeegeschmack. Die magst du doch am liebsten.«
»Grazie mille«, sagte Flavia und steckte sich eins der verzierten Bonbons in den Mund. Sie grinste. »Wir sollten dich öfter nach Hamburg schicken. Wie war es in Deutschland?«
Anna dachte an die angenehmen Tage in ihrem alten Zuhause. »Mama und Malte«, begann sie, als die Tür aufflog und Vico eintrat. Marco wischte hastig die Keksbrösel vom Schreibtisch.
»Ah, Anna. Schön, dass du wieder da bist.« Vicos Stimme klang sanft, aber distanziert. »Kommst du bitte kurz mit?« Vicos sonst so akkurate Frisur war leicht verwuschelt und er hatte dunkle Schatten unter seinen Augen.
»Certo.« Anna räusperte sich und folgte ihm.
In seinem Büro herrschte die gewohnte penible Ordnung. Auf dem wuchtigen, blank polierten Schreitisch standen die Fahnen von Stadt, Region und Italien. An den Wänden hingen neben dem gerahmten Wappen der polizia di stato mehrere Abbildungen von ehemaligen Staatsoberhäuptern. Das Büro seiner Kollegen hatte Vico verschönert, doch sein eigenes Zimmer sah noch immer so karg und düster aus, wie sein Vorgänger es hinterlassen hatte. Aber warum sollte Vico es sich hier auch gemütlich machen? Nach seiner abgesessenen Strafversetzung würde er wieder nach Rom zurückkehren.
Vico schloss die Tür hinter Anna und bedeutete ihr, auf dem Besucherstuhl Platz zu nehmen.
»Es gibt da etwas, das ich mit dir besprechen muss.« Er setzte sich ihr gegenüber, seine dunklen Augen musterten sie ernst. »Du erinnerst dich an die Vermutung bezüglich eines Maulwurfs in unseren Reihen?«
Anna nickte und schluckte schwer. Die Sache hatte ihr keine Ruhe gelassen, selbst in Hamburg nicht. Wer auf der stazione di polizia leitete seit mehreren Monaten Dienstgeheimnisse und Ermittlungsstände an die Presse weiter? Und warum?
»Wir haben noch immer keine Spur«, beantwortete Vico ihre unausgesprochene Frage. Seine Finger trommelten leise auf der Schreibtischplatte. »Jemand gibt weiterhin Informationen nach außen, die nur Insider kennen können. Und ich fürchte, der Lagerhallenbrand in Castel Bianco wird ihm die nächste Gelegenheit bieten.«
Anna musterte Vico. Er saß kerzengerade auf seinem Stuhl und hatte die Schultern angespannt nach oben gezogen. Da brodelte mehr in ihm, und sie ahnte, was Vico noch nicht auszusprechen wagte. Sie half ihm.
»Du hast Bedenken, dass Marco oder Flavia …«, begann Anna.
»Nein. Ja. Mamma mia!«, rief Vico hastig und schüttelte den Kopf. »Ich möchte ihnen vertrauen. Aber genau das ist das Problem. Wenn ich sie nicht gründlich überprüfe, könnte man mir Befangenheit vorwerfen.«
Anna verstand. Vico war aus Rom in die Provinz versetzt worden, weil er angeblich Beweise gefälscht hatte, aber Vico wollte mit niemandem über die Vorfälle von damals sprechen. Zu allem Überfluss war er schon mittendrin, auch in Fontenaia für Aufruhr zu sorgen: Er verdächtigte seinen Amtsvorgänger Commissario Santori, sich seine Dienstzeit mit Korruption und Begünstigungen vergoldet haben. Wenn er nicht aufpasst, brachte ihm das die nächste Verbannung ein. »Ich verstehe, Vico. Aber wie willst du beweisen, dass sie unschuldig sind, ohne sie offiziell zu verdächtigen?«
»Indem man stattdessen den Schuldigen findet.« Vico stand auf und tigerte hinter seinem Schreibtisch auf und ab.
»Und wer genau ist man?«, fragte sie und glaubte, die Antwort bereits zu kennen.
Er seufzte. »Du natürlich. Anna, ich weiß, das ist eine große Bitte.« Er stützte die Hände auf den Schreibtisch. »Aber du hast einen anderen Blick auf die Dinge. Außerdem vertrauen dir die Menschen hier.«
Anders als mir, lag unausgesprochen in der Luft. Anna spürte einen Stich des Mitgefühls. Auch nach den vielen Monaten und dem guten Teamwork fühlte sich Vico offensichtlich noch immer wie ein Außenseiter in Fontenaia. »Ja, das tun sie«, antwortete sie nachdenklich und schüttelte dann entschlossen den Kopf. »Und gerade deswegen kann ich ihr Vertrauen nicht missbrauchen.« Sie verschränkte demonstrativ die Arme.
Vico hob die Hände. »Du sollst ja niemanden belügen oder ausnutzen.« Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und schaute ihr dann tief in die Augen. »Du bist die Einzige, der ich noch vertrauen kann. Ich brauche deine Hilfe.«
Anna schluckte. Solche geheimen Ermittlungen konnten ganz schön nach hinten losgehen. Wenn Flavia und Marco herausfanden, dass sie sie heimlich ausspionierte, war ihre kollegiale Freundschaft vorbei. Allerdings musste sie Vico zustimmen. Welche Alternative gab es, um ihre Kollegen von jedem Verdacht reinzuwaschen?
Sie nickte seufzend. »In Ordnung. Ich kümmere mich darum.«
»Discretamente. Unauffällig«, bat er unnötigerweise.
»Naturalmente.«
»Wo bleibt ihr beiden denn?« Flavia hatte unaufgefordert ihren Kopf in den Raum gesteckt. Anna fing Vicos Blick auf. Offensichtlich fragte er sich auch gerade, wie viel Flavia von den letzten Sätzen gehört hatte.
»Wir kommen.« Vico ging zur Tür und bedeutete Anna mit einer Geste, ihm zu folgen.
Zu ihrer Überraschung folgte Vico Flavia und Marco nicht in deren Büro, sondern in die entgegengesetzte Richtung. Vor der Abstellkammer, die Anna in den ersten Arbeitswochen auf der stazione di polizia als Büro gedient hatte, blieb er stehen und zog einen Schlüssel aus der Tasche. Das war neu – bisher hatte die Tür nicht einmal ein Schloss gehabt.
»Chiudi gli occhi«, befahl er.
Wie geheißen schloss Anna die Augen und hörte das Klicken des Schlosses. Sie zuckte zusammen, als sie Vicos warme Hand auf ihrem Rücken spürte und er sie sanft in den Raum schob. Der vertraute Geruch von altem Papier und Staub war einem frischen Duft nach Zitrone gewichen.
»Jetzt kannst du schauen.«
Anna öffnete die Augen, und ihr Herz machte einen Sprung, als im selben Moment alle laut »Sorpresa!« riefen. Und eine Überraschung war es tatsächlich: Das verstaubte Regal war verschwunden. Stattdessen stand ein eleganter Schreibtisch aus hellem Holz unter dem winzigen, aber sauber geputzten Fenster, durch das die Morgensonne hereinfiel. Eine nagelneue Schreibtischlampe wartete darauf, eingeschaltet zu werden. Auf der glänzenden Tischplatte stand eine üppige Grünlilie in einem terrakottafarbenen Topf.
»Die Pflanze war Marcos Idee«, gab Vico zu.
»Jedes Büro braucht etwas Lebendiges«, pflichtete Marco bei.
Anna strich über die glatte Holzoberfläche des Schreibtisches. »Das ist … das ist …« Ihr fehlten die Worte.
»… lange überfällig«, ergänzte Flavia den Satz.
»Sei il migliore – ihr seid die Besten!« Anna klatschte in die Hände und fiel erst Flavia, dann Marco um den Hals. Im nächsten Augenblick stand sie verlegen vor Vico. Nach einem peinlichen Moment der Stille, streckte er ihr die Hand entgegen.
»Gern geschehen«, sagte er und räusperte sich. »Du bist jetzt ein Teil unseres Teams.«
Flavia gab Anna einen Fistbump. »Compagni di viaggio! – Reisegefährten auf dem unendlichen Ozean der Verbrechen.«
Anna blickte zu Vico und spürte das Gewicht ihres Geheimnisses. Was, wenn sie der Sturm war, der das Schiff zum Kentern brachte?
»Martinelli!« Vico fuhr herum, als die Stimme des Bürgermeisters wie eine Kirchenglocke durch den Gang der stazione dröhnte. »Wo stecken Sie denn?«
Il Cicciones feistes Gesicht war so rot, als hätte er soeben einen Vierhundert-Meter-Lauf absolviert. Er wedelte mit einer Zeitung in der Luft, als er zu ihnen ins Büro marschierte.
Vico straffte sich und trat dem Bürgermeister entgegen. »Signor Franco, was kann ich für Sie tun?«
»Was soll dieser Schwachsinn hier?« Massimo Franco wedelte mit der Zeitung aus Castel Bianco vor Vicos Gesicht. »Eine Warnung ignoriert? Ist das wahr, Martinelli?«
Vicos Nackenhaare stellten sich auf. »Welche Warnung?«, fragte er.
»Warten Sie, ich lese es Ihnen gern vor!« Der Bürgermeister zerriss die Zeitung fast beim Aufschlagen. Seine Wangen glühten rot unter dem Dreitage-Bart.
»In der Nacht zum Montag wurde unsere geschätzte – dass ich nicht lache – Stadt Castel Bianco Opfer eines heimtückischen Brandanschlags. Die historische Lagerhalle … bla, bla, bla … ein Raub der Flammen. Das Schockierende …« Nun betonte Franco jedes Wort: »Die Polizei im Nachbardorf – wie oft habe ich denen schon gesagt, dass wir eine città sind!?– hatte offenbar bereits Tage zuvor Hinweise auf einen möglichen Anschlag.
Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautete, erhielt Commissario Vico Martinellieine anonyme E-Mail mit eindeutigen Warnungen. Diese wurden jedoch, typisch für die dilettantische Arbeit der Fontenaia-Polizei, schlichtweg ignoriert. Vielleicht wurde Martinelli ja nicht grundlos aus Rom strafversetzt …
