Night of Shadows and Flames – Die Ewige Nacht - Laura Labas - E-Book
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Night of Shadows and Flames – Die Ewige Nacht E-Book

Laura Labas

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Beschreibung

In Wimborne bricht die Ewige Nacht herein: Während die Tage immer kürzer werden, schleichen grausame Geschöpfe aus dem finsteren Wald, und die Fae hören den Ruf ihres dunklen Königs. Hexen fürchten aufgrund der lang andauernden Nächte um ihr Leben. Der charismatische König der Fae zwingt die junge Hexe Billie, eine magische Verbindung mit ihm einzugehen. Während der gut aussehende Vampir Tian versucht, sie zu retten, wird Billie von widersprüchlichen Gefühlen geplagt. Um zu überleben und den Hexen von Wimborne eine Zukunft zu ermöglichen, muss sie entscheiden, wem sie vertrauen kann.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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© Piper Verlag GmbH, München 2024

Redaktion: Wiebke Bach

Karten: Stephanie Gauger | Guter Punkt, München

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Guter Punkt, München

Coverabbildung: Stephanie Gauger, Guter Punkt München unter Verwendung von Motiven von iStock / Getty Images Plus und AdobeStock

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Inhalte fremder Webseiten, auf die in diesem Buch (etwa durch Links) hingewiesen wird, macht sich der Verlag nicht zu eigen. Eine Haftung dafür übernimmt der Verlag nicht.

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

Karte von Wimborne

Karte von Westwend

Prolog

Jamie

Vorher

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Für alle Träumenden,

die sich von meinen Worten in

fantastische Welten tragen lassen.

Danke!

Prolog

Jamie

Vorher

Jamie war kein Vampir. Etwas, das ihm längst hätte klar sein sollen. Schließlich war sein Vater ein Vampir, was das beste Beispiel für einen dieser Art war, und Jamie gehörte ganz offensichtlich nicht dazu. Gegen diese Erkenntnis hatte er sich jedoch lange Zeit gesträubt. Weil er dazugehören wollte.

Sein Vater hatte ihn als Säugling gefunden und bei sich aufgenommen. Jemand hatte Jamie vor dem riesigen magischen Palast ausgesetzt und ihn seinem Schicksal überlassen. Hin und wieder, wenn Jamie ungehorsam gewesen war, hatte sein Vater ihm damit gedroht, das zu tun, was er längst hätte tun sollen: ihn ertränken wie einen räudigen Köter.

Jamie hatte rasch gelernt, seinen Ungehorsam zu verschleiern. Denn gehorsam zu werden wäre unmöglich gewesen.

Nachdem ihm klar geworden war, dass er ein Blutfae und kein Vampir war, erkannte er auch recht bald danach, dass er keinem vertrauen konnte. Weder dem seltsamen Bediensteten mit der finsteren Aura noch dem Boten, der als Einziger den Palast verließ. Abgesehen von Jamie selbst natürlich, aber das wusste niemand.

Heute Nacht war sein Vater damit beschäftigt, sich die Neuigkeiten aus der anderen Welt anzuhören und Strategien zu entwickeln. Etwas, bei dem Jamies Anwesenheit unerwünscht war. Obwohl dies etwas gewesen wäre, das ihn interessiert hätte. Doch er wurde von allem ferngehalten, was auch nur im Entferntesten mit der anderen Welt zu tun hatte.

Immerhin konnte er die Stunden nutzen, die sein Vater nicht mit Adleraugen über ihn wachte, um sich im Anblick des Nachthimmels zu verlieren. Es war eine der wenigen Nächte, in denen Rosa und Lila in das Schwarz des Himmels flossen. Die Andeutung einer Sonne, von der Jamie bloß gelesen, die er aber nie gesehen hatte.

Er kletterte flink von seinem Turmfenster nach oben an der bröckeligen Steinfassade entlang, die genug Halt für seine Fußspitzen und Hände bot. Mehr als tausend Mal war er diesen Weg hochgekraxelt und mindestens genauso oft hatte er sich geschworen, eines Tages frei zu sein.

Es war nicht so, als würde er seinen Vater nicht respektieren. Im Gegensatz zu ihm wollte Jamie jedoch mehr als das hier. Mehr als diesen Palast. Er wollte alles sehen.

Mühelos erreichte er die Attika des Spitzdaches und zog sich daran hoch. Mit ausgestreckten Armen, um sein Gleichgewicht zu bewahren, balancierte er am Abgrund entlang, bis er den dunkel angelaufenen, grotesk anmutenden Wasserspeier erreicht hatte. Dahinter legte Jamie sich hin, sodass er seine Sohlen an dem steinernen Körper abstützen konnte. Andernfalls würde er direkt hinabschlittern und das würde erhebliche Strafen nach sich ziehen. Blutige Strafen. Schmerzhafte Strafen.

Die Hände verschränkte er hinter seinem Schädel, ehe er in den Himmel hinaufsah und die Farbenpracht bewunderte. Schönheit, die es in diesem verfluchten Palast zuhauf geben sollte, die er jedoch nicht finden konnte.

Hier oben spürte er die Einsamkeit am stärksten. Wenn er die unzähligen Stunden mit seinem Vater als Lehrer durchlebte, konnte er das Gefühl ignorieren. Es war wie ein Fass, bei dem sein Vater vorübergehend einen Deckel draufdrückte. Doch sobald Jamie allein war, setzte sich das Wasser darin zur Wehr und drückte den Deckel auf. Alles in ihm wurde überschwemmt.

Aber wenn er wie jetzt den Himmel betrachtete und die unzähligen Sterne, den vollen großen Mond … dann dachte er an ein Volk, das so sein musste wie er. Lebendig. Atmend. Blutend.

Nicht wie sein Vater. Tot. Kalt. Allein.

Er wollte diese Welt sehen, von der er ferngehalten wurde. Seit achtzehn Jahren war er ein Gefangener dieses Anwesens. Sollte sein Leben hier beginnen und hier enden?

Langsam legte er die Hände vor seine Augen, bis er nunmehr durch eine ganz kleine Lücke sehen konnte. Und in dieser Lücke fand er den allerletzten Stern.

Der Stern seiner Hoffnung. So strahlend hell, dass er nichts anderes mehr wahrnehmen konnte außer diesen. Solange er seinen Stern hatte, würde sich alles fügen.

Solange der allerletzte Stern funkelte, war Jamie glücklich.

»Jamie? Mach die Tür auf!«, rief der Bedienstete seines Vaters.

Jamie brach der Schweiß aus, was fast nie geschah. Seine Körpertemperatur war im besten Fall moderat zu nennen. Doch auf Ungehorsam folgte Strafe und er …

Noch während er hinabstieg, wurde die Tür gewaltsam aufgebrochen. Holz splitterte und barst. Es war nicht das erste Mal, dass dies geschah, und an das letzte Mal hegte Jamie dunkle Erinnerungen.

Er war zu spät. Stand im offenen Fenster, als der Mann mit dem zerfurchten Gesicht im Türrahmen ein wölfisches Grinsen aufsetzte.

»Bitte …«, flehte Jamie, bevor er sich auf die Zunge biss.

Wenn es etwas gab, das sein Vater noch mehr hasste, dann war es, wenn er bettelte.

Ein paar Minuten später fand sich Jamie zitternd im Garten seines Vaters wieder. Es war nicht kalt, trotzdem bekam er das Beben seiner Gliedmaßen nicht unter Kontrolle. Hemd und Schuhe hatte er bereits ausgezogen, wie es von ihm erwartet wurde.

Sein gesamter Körper stand unter Spannung. Er wusste genau, welche Qualen auf ihn zukamen.

Jamie wünschte sich, er würde vergessen. Wenn er sich nicht erinnern könnte, wäre das Kommende nur halb so schlimm.

Doch das Vergessen war ihm nicht vergönnt.

Der treue Diener seines Vaters stand neben ihm. Ein Leuchten in den Augen, das ihm sagte, wie sehr er es genoss, Jamie bei seinem Ungehorsam erwischt zu haben.

Jamie war zu gut darin geworden, sich zu verstecken. Den guten Sohn zu spielen. Gleichzeitig hatte er in seiner Vorsicht nachgelassen. Jetzt musste er dafür bezahlen.

»Jamie«, hörte er die Stimme seines Vaters und jäh brach das Beben ab. Jede Zelle seines Körpers fürchtete sich vor dem Vampir, der ihn gefunden und mit Blut und Schlägen aufgezogen hatte.

»Vater, ich wollte bloß …«

Er hob eine dunkelbraune beringte Hand. Stille. Mehr brauchte es nicht. Wenn Jamie nicht gehorchte, würde es noch schlimmer werden. Er presste die Lippen zusammen, um sich von weiteren Ausflüchten abzuhalten. Vielleicht auch, um nicht zu weinen. Denn das wäre katastrophal. Das war das Schlimmste, was Jamie tun könnte.

»Die Geißel?«, fragte der Vampir fast gelangweilt und streckte eine Hand aus.

Jamie zögerte nicht und legte das Folterinstrument in die wartende makellose Hand.

»Ich habe einen Knochen hinzugefügt«, murmelte er.

Die Geißel war eine kleine Peitsche mit einem soliden Holzgriff und vier Lederriemen, so lang wie sein Unterarm. Mit jeder Ungehorsamkeit wurde an ihnen etwas Neues aufgezogen, um ihm Verstand einzubläuen. Stücke aus Blei, Kugeln, Widerhaken aus Eisen und scharfe Knochenteile.

»Immerhin etwas, das ich dir nicht mehr beibringen muss, hm? Du weißt, dass mir das kein Vergnügen bereitet, Jamie. Ich wünschte mir, du würdest gehorchen. Dreh dich um.« Jamie tat wie geheißen. Es fiel ihm schwer, seine Sohlen zu heben. Trotzdem, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Wie Dutzende Male zuvor hielt er sich an dem Pfahl vor ihm fest. Das einzige Zugeständnis seines Vaters, damit er aufrecht stehen bleiben konnte. Selbst wenn seine Beine den Dienst versagten. »Wie viele Hiebe waren es beim letzten Mal, Fend?«

»Siebenundsiebzig, mein Meister«, antwortete Fend.

Jamie biss die Zähne zusammen. Siebenundsiebzig? Letztes Mal waren es höchstens sechzig gewesen.

Sein Vater hielt inne, als würde er bloß darauf warten, dass Jamie versuchte, sich vor der Strafe zu drücken. Mit aller Macht hielt Jamie an seiner Selbstbeherrschung fest. Er hatte achtzehn Jahre überlebt, er würde weiter überleben.

»Dann sollen es heute achtzig sein.«

Jamie hörte das Zischen der Lederriemen einen Moment bevor sie auf seine Haut prallten. Sofort riss ihm der Widerhaken etwas zwischen seinen Schulterblättern auf. Warmes Blut rann bis zum Bund seiner Hose hinab. Es passierte noch mal und noch mal, bis Jamie so weit von sich selbst entfernt war, dass er nicht mal mehr die Zahlen hören konnte, die Fend ausstieß. Seine Konzentration galt allein der Aufgabe, nicht hinzufallen. Selbst als seine Hose kein Blut mehr aufsaugen konnte. Selbst als sich eine Lache um seine nackten Füße bildete. Selbst als von seinem Rücken nur noch eine Kraterlandschaft übrig war.

Erst, als sein Vater um ihn herumging und sich neben den Pfahl stellte, gestattete er sich, einen tiefen Atemzug zu tun.

»Nimm es.«

Jamie war fast davon überzeugt, dass seine Hände am Pfahl festgeklebt waren. Anders konnte er sich nicht erklären, warum es so schwer war, sie zu lösen. Schweiß rann ihm in Strömen von den Schläfen, bis es ihm endlich gelang, die blutbesudelte Geißel anzunehmen. Sofort glitt sie ihm aus den steifen Fingern und landete in der Lache.

Wie versteinert blickte Jamie sein Missgeschick an.

Die aufkommende Stille ploppte in seinen Ohren. War so laut. Unmöglich laut.

Sein Vater bückte sich, um die Geißel aufzuheben und sie ihm erneut zu reichen. Dieses Mal ließ er sie nicht fallen.

»Lass uns darüber hinwegsehen«, sagte der Vampir beinahe freudig. So hatte Jamie ihn selten gehört. »Denn ab heute beginnt deine richtige Ausbildung, Jamie. Bald schon wirst du deinem Vater gute Dienste leisten können. Freust du dich?«

»Sehr«, sagte Jamie, aber nur ein Krächzen löste sich aus seiner Kehle.

Er war zwar kein Vampir, doch auch er würde wieder heilen. Sein Rücken würde nie wieder so werden, wie er einmal gewesen war, aber er würde stärker werden. Härter werden. Kälter werden.

Wie sein Vater.

Er würde alles tun. Nur um dieser Folter endgültig zu entkommen.

»Fend, kümmere dich um ihn. In einer Stunde will ich ihn im Saal sehen.«

Jamie beobachtete, wie sein Vater aus seinem Sichtfeld verschwand. Er zählte die Sekunden. Erst als er sicher war, dass er mit Fend allein war, fiel er auf die Knie. Ein Stöhnen entfloh seinen aufgebissenen Lippen. Die Kraft floss aus ihm hervor und er landete auf der Seite. In seinem eigenen Blut liegend starrte er in den Himmel. Auf der Suche nach dem letzten Stern.

Das wäre nicht sein Ende. Dafür würde er sorgen.

1. Kapitel

Es war bitterkalt und dunkel. Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit man mich in diesen beschissenen Raum gesperrt hatte. Kerker traf wohl eher zu. Es gab keine Fenster und nur eine Tür, die fest verschlossen worden war.

Ich hatte mich an der kahlen Steinwand entlanggetastet, bis ich die Tür erfühlt hatte. Aber sie wollte weder meinem Ziehen noch Drücken nachgeben. Auch meiner neu erwachten Magie widersetzte sie sich. Ich spürte sie in mir brüllen. Gleichzeitig fiel es mir schwer, mich genug zu konzentrieren, um sie für mich zu nutzen. Eine magische Mauer hielt mich außerdem davon ab, meine Magie auszuschöpfen.

Wahrscheinlich waren Kerker wie diese hier für Hexen und Hexer kreiert worden, bevor ihnen die kleinen Stäbchen unter die Haut implantiert werden konnten. So eines hatte auch ich getragen, nachdem Tian mich ersteigert hatte.

Seufzend lehnte ich mich an die Wand und ließ meine Gedanken schweifen. Es gab nichts, das ich sonst tun konnte. Jamie, der, wie ich nun wusste, ein Blutfae war, hatte sich mit mir verbunden, wodurch jeder von uns mächtiger geworden war. Doch das war nicht alles. Unsere Leben waren nunmehr miteinander verknüpft. Ich spürte seine Präsenz und hörte manchmal auch seine Gedanken in meinem eigenen Kopf. Als würde er direkt neben mir stehen und mit mir reden. Es gab kein Entkommen.

Weder körperlich noch mental.

Nachdem ich das Bewusstsein verloren hatte, weil mich die Konvergenz übermannt hatte, war ich an diesem Ort aufgewacht. Es wunderte mich nicht, dass Jamie die Notwendigkeit gesehen hatte, mich einzusperren. So, wie ich seine Gedanken spüren konnte, konnte er das vermutlich auch bei meinen. Für ihn war es kein Geheimnis, dass ich bei der erstbesten Gelegenheit fliehen würde. Das wiederum wollte er nicht zulassen, weil er mich mochte. Ich hatte nie etwas Lächerlicheres gehört.

Es schadet dir selbst, nichts zu essen, sagte Jamie in meinen Gedanken.

Ich presste die Hände auf die Ohren, als würde ihn das davon abhalten, in meinen Verstand einzudringen.

Die Wahrheit war, dass ich ihm durch meine zunehmende Schwäche immer weniger entgegenzusetzen hatte. Mein Magen knurrte längst nicht mehr vor Hunger, doch meine Muskeln fühlten sich schwach und zittrig an. Er hatte recht. Ich schwächte mich durch meine Weigerung zu essen selbst. Andererseits wollte ich auf irgendeine Weise gegen diese Behandlung protestieren und was sonst blieb mir übrig?

Ich ließ seinen Kommentar ins Leere gleiten, bevor ich mit einer Hand Obambos Stein umfasste. Seit wir eingesperrt waren, hatte er sich nicht blicken lassen. Vielleicht wurde auch die Magie des Wohnsteins, seiner momentanen Energiequelle, unterdrückt. Trotzdem spendete mir seine Anwesenheit Trost.

Obwohl ich längst jegliches Zeitgefühl verloren hatte, wusste ich, dass Kit, die Kirke, mittlerweile wieder zu dem Wohnwagen meiner Tanten zurückgekehrt war. Ich war sicher, dass sie allen mitgeteilt hatte, wie naiv ich gewesen war, mich auf ein Treffen mit Jamie einzulassen. Hätte ich gewusst, dass eine Konvergenz zwischen Hexe und Blutfae auch möglich war, hätte ich klüger gehandelt. Es wäre mir bestimmt gelungen, das Mottentattoo von meiner Haut zu kratzen, damit Jamie mich nicht mehr rufen konnte.

Trotzdem … Ich konnte nicht alle Schuld von mir weisen. Ein Teil von mir hatte Jamie sehen wollen.

Ein Teil von mir hatte Ja gesagt.

Ich hasste mich selbst dafür.

Sollte ich fliehen können, würde ich mich sofort um das Tattoo kümmern. Ich wollte nichts mehr mit Jamie und seinen Plänen zu tun haben. Er hatte mich lange genug an der Nase herumgeführt. Erst als Moth, eine Identität, deren Zweck ich immer noch nicht ganz begreifen konnte, und dann als Jamie, Tians besten Freund mimend, nur um ihm bei der erstbesten Gelegenheit in den Rücken zu fallen.

»Wir haben uns in eine echte Zwickmühle manövriert«, murmelte ich zu Obambo, der mich in seiner Quelle eingesperrt vielleicht hören konnte.

Ich bin wieder da, sagte Jamie in meinem Verstand. Es tut mir leid, dass wir deine Magie nicht zusammen erkunden konnten.

Meinst du das ernst? Ich wollte nicht mit ihm reden, aber meine Fassungslosigkeit hatte ihre Grenze erreicht. Erst verbindest du dich mit mir, dann haust du ab und sperrst mich tagelang in einem Kerker ein? Und das tut dir leid?

Wut schlug mir entgegen, doch sie galt nicht mir. So viel konnte ich entschlüsseln.

Glaub mir, es ist nicht auf meine Anweisung geschehen.

Bitte was?

Ich habe dich nicht in den Kerker sperren lassen, Billie. Jemand hat meine Abwesenheit ausgenutzt und deine Gedanken sind so unsortiert auf mich übergegangen, dass ich dich aussperren musste. Aus meinem Kopf. Das ist alles.

Dazu konnte ich nichts mehr sagen. Ich glaubte ihm für keine verdammte Sekunde.

Benimm dich, wies Jamie mich schließlich an, ein paar Sekunden bevor ich draußen Schritte vernahm.

Mit einer Hand an der feuchten Steinwand rappelte ich mich auf und bereute es sogleich, als es mir in der Dunkelheit schwindelte.

Wie viel Zeit ist vergangen?

Er schwieg einen Moment. Drei Tage. Es …

Ich hörte einen Schlüssel im Schloss, ehe die Tür aufgezogen und ich von einem warmen Lichtstrahl getroffen wurde. Meine Augen tränten und ich blinzelte heftig, ehe ich mich an das wenige Licht gewöhnt hatte.

Jemand, hatte Jamie gesagt. Wen hatte er damit gemeint? Ich hatte bisher niemanden außer seinen Leuten gesehen, die mir regelmäßig Essen gebracht hatten. Zumindest hatte ich geglaubt, dass sie ihm gehorchten.

»Mach keine Sperenzien«, wies mich eine Blutfae an, die auch bei der Konvergenz dabei gewesen war. Ihre spitzen Zähne blitzten beim Eintreten auf und sie trug ein blaues Seidenband um ihren muskulösen Oberarm. Das war das Zeichen der Blutfae, die Jamie unterstanden. Nur kurz fragte ich mich, ob es auch Blutfae gab, die ihm nicht gehorchten. Letztlich war die Antwort darauf nicht relevant für meine Situation. »Hände nach vorn.«

Da ich mich zu schwach fühlte, um mich auf irgendeine Weise zu wehren, befolgte ich ihre Anweisung, in der Hoffnung auf ein paar Stunden fernab dieser Zelle.

Mit einem endgültigen Klicken befestigte die Blutfae überraschend leichte Handschellen an meinen Gelenken und führte mich wie einen Hund an einer Kette aus dem feuchten Kerker. Immerhin spannte sie diese nicht und ließ mir genug Freiraum, damit ich mich nicht ganz so elendig fühlte. Vor allem musste ich auf jeden meiner Schritte achten, um nicht über meine eigenen schweren Füße zu stolpern.

»Sie stinkt«, sagte ein zweiter Blutfae, der neben der offenen Tür gewartet hatte. Er rümpfte auffällig die Nase.

»Würdest du nach drei Tagen hier drin auch«, pfefferte ich zurück, ohne ihm mehr als einen kurzen Blick zu gönnen.

Ich reckte das Kinn nach oben, während unsere Schritte von den kahlen Steinwänden widerhallten. Fackeln tanzten in einem Luftzug, ehe sie nach einer Kreuzung von Gaslaternen ersetzt wurden.

Nach und nach gewöhnten sich meine Augen wieder an die Helligkeit, auch wenn sich ein pochender Schmerz in meiner Stirn festsetzte. Ich fühlte jedoch lieber den Schmerz, als dass ich erneut der tristen Dunkelheit ausgesetzt würde.

Meine Gedanken rasten. Jamie hatte mit seinen Worten etwas in meiner Erinnerung in Gang gesetzt.

Ich wusste noch, wie ich eine weiche Unterlage unter mir gespürt hatte. Kurz nach der Konvergenz. Die wohltuende Wärme eines prasselnden Feuers und die Geborgenheit, die mich dazu bewegt hatten, wieder in köstliche Bewusstlosigkeit zu gleiten.

Nur um dann in Kälte geworfen zu werden. Ein hohes Lachen und ein Versprechen, geflüstert in mein Ohr von … von …

Meine Schläfen begannen zu pochen und hinderten mich daran, tiefer zu graben.

Die Blutfae führte mich durch die kargen Gänge, bis wir eine Wendeltreppe erreicht hatten. Ich wusste nicht, in welchem Gebäude wir uns befanden. Nachdem ich wieder bewusstlos geworden war, war ich erst hier unten wieder zu mir gekommen. Seitdem hatte niemand mit mir geredet. Niemand hatte mir auch nur einen Hinweis darauf gegeben, was mich erwartete.

Ich betrachtete die Blutfae und überlegte krampfhaft, ob ich sie schon mal gesehen hatte. Außerhalb von Moths Haus.

Sobald wir ganz oben angekommen waren und die Blutfae mir einen Moment gab, um wieder zu Atem zu kommen, konnte ich durch ein schmales Fenster sehen. Die Aussicht kam mir bekannt vor. Blaue und rote Dächer im Glanz einer Mondscheinnacht. Westwend. Rathausviertel.

»Warte, sind wir …«, begann ich, ehe mich die Blutfae unterbrach.

»Im Rathaus, ja«, beendete sie meinen Satz. »Weiter.«

Im Rathaus. Es sollte mich nicht überraschen. Schließlich hatte Jamie die herrschenden Vampirinnen und Vampire in einer Nacht ausgelöscht. Einzig Ellewy und Tian hatten überlebt und befanden sich gerade bei meiner Familie. Dementsprechend hatte Jamie freie Hand. Niemand würde ihn vorerst bei seiner Machtübernahme aufhalten.

Mir war immer noch nicht ganz klar, was er sich davon erhoffte, außer dass er seine Artgenossen nach Wimborne zurückholen konnte. Wo auch immer sie bisher gelebt hatten. Es gab so viel, was ich nicht wusste. Fragen, die mir nicht mal kamen, weil ich Probleme damit hatte, die neue Realität zu begreifen.

Aus einem Impuls heraus rief ich meine Magie. Dieses Mal antwortete sie mir, nur um in der nächsten Sekunde von dem Bann, der in den Handschellen lag, erstickt zu werden.

Dir wird nichts geschehen, sagte Jamie in meinem Kopf.

Verpiss dich, erwiderte ich und schloss die imaginäre Tür zwischen uns, die er viel zu leicht wieder öffnen konnte. Gerade jetzt verfluchte ich mich selbst dafür, dass ich das Essen aus falschem Stolz verweigert hatte.

Ich wurde in einen der Korridore geführt, die mit weichem Teppich ausgelegt und mit goldgerahmten Landschaftsgemälden geschmückt waren. Der Teil des Rathauses, der keine Gefangenen einschüchtern sollte.

Als ich das erste Mal mit Tian hergekommen war, war ich von der Pracht beeindruckt gewesen, und auch jetzt wurde mir wieder bewusst, wie riesig das Anwesen war. Einst hatte es den Menschen gehört, doch vor mehr als einem halben Jahrhundert hatten sich Vampirinnen und Vampire hier einquartiert und nun hatten Blutfae die Macht übernommen. Besonders das Hexenvolk hatte unter der vampirischen Herrschaft leiden müssen, weil sie uns unterdrückten. Jamie hatte mir gesagt, dass Blutfae generell keine Blutbraut oder keinen Blutbräutigam brauchten, um mächtig zu sein. Anders als ihre entfernten Verwandten, das Vampirvolk. Bedeutete dies, dass er auch unser Sklavendasein abschaffen würde? Das hatte er gesagt, oder?

Wir schritten mehrere Minuten durch verschiedene Gänge, ohne irgendwem zu begegnen, obwohl ich immer mal wieder Schritte und Gesprächsfetzen aus den angrenzenden Räumen vernahm.

Jedes Mal, wenn wir ein Fenster passierten, versuchte ich, einen weiteren Blick nach draußen zu erhaschen. Wie weit hatte sich der Wilde Wald bereits ausgebreitet? Machten die geisterhaften Reiter immer noch Jagd auf Unschuldige, um so den unersättlichen Wald mit Lebenskraft zu füttern?

Abgesehen von Dunkelheit und vereinzelten Lichtern in den Häusern konnte ich aber nichts Verräterisches entdecken. Alles wirkte ungewöhnlich ruhig dafür, dass es erst vor wenigen Tagen einen brutalen Machtwechsel gegeben hatte und die Bewohnerinnen und Bewohner von Westwend von unheimlichen Kreaturen attackiert worden waren.

Die Blutfae führten mich in einen langen Raum mit breiter Fensterfront zum weiten Garten hin. Mondschein mischte sich mit dem Licht der zwei riesigen Kronleuchter, die über einem massiven Tisch hingen. Ein Dutzend Stühle, eine Konsole aus Kirschholz und ein Kamin, in dem ein Feuer prasselte. Es erinnerte mich an den Ratssaal, in dem Jamie und Lucille den Vampirrat getötet hatten. Ob er jenen Raum absichtlich mied und nun diesen hier für Gespräche und Verhandlungen mit wem auch immer nutzte?

Er selbst wartete bereits auf mich. Ich hatte seine Anwesenheit längst durch unser Band gespürt, weshalb ich nicht überrascht war, ihn am Fenster stehen zu sehen.

Mein Körper reagierte augenblicklich auf ihn, als würde er durch ihn entzündet werden. Ich hasste ihn dafür.

Meinen Körper und Jamie.

Sein blondes Haar hatte er zurückgekämmt, sodass ich sein kantiges Gesicht mit den dunklen Brauen genau erkennen konnte, als er sich zu uns umdrehte. Die Lippen presste er bei meinem Anblick missmutig aufeinander, während er die Arme vor seinem Oberkörper verschränkte.

Du siehst schlimmer aus, als ich befürchtet habe, hörte ich seinen Gedanken so klar und deutlich, als wäre er mein eigener.

»Vielen Dank auch. Du kannst dir einzig selbst die Schuld geben«, antwortete ich ihm laut.

Die Blutfae warf mir einen fragenden Blick zu. Ihr Partner war zurückgeblieben. Natürlich. Anders als mich konnte Jamie sie nicht wortlos an seinen Gedanken teilhaben lassen. Ich Glückskind.

»Lass uns allein, Resia«, bat er die Blutfae und sie gehorchte.

2. Kapitel

Jamie trat um den Tisch herum und hielt ein paar Schritte vor mir inne. Sein Blick glitt von meinen Füßen nach oben und blieb an meinem Gesicht haften. Meine Knie waren weich und mein Magen knurrte ununterbrochen. Ich fühlte mich Jamie nicht gewappnet. »Ich wollte dich nicht einsperren.«

»So was aber auch. Kann ich dir kaum abkaufen«, entgegnete ich kühl.

»Die letzten Tage waren hektisch und chaotisch. Es gab viel zu tun, und ich bin davon ausgegangen, dass du dich in dem Raum befindest, in dem ich dich zurückgelassen habe.«

»Und welcher wäre das?«

»Nicht der Kerker«, sagte er bloß, ohne meinem Blick auszuweichen. Es wirkte auf mich, als würde er all den Hass, den ich ihm entgegenschleuderte, förmlich in sich aufsaugen. Als glaubte auch er, dass er ihn verdient hatte.

»Wer war es dann?«

Überrascht hob er die Brauen. »Du glaubst mir?«

»Für den Moment will ich wissen, wer dreist genug ist, sich deiner Meinung nach gegen dich zu stellen.« Ich verzog die Mundwinkel nach unten. »Vielleicht lässt sich ja eine Partnerschaft eingehen.«

»Das wage ich zu bezweifeln.«

»Weil …?«

»Weil es Lucille gewesen ist.« Diese Schlampe hatte ich fast wieder vergessen. »Ich weiß noch nicht, wie es ihr gelungen ist, aber irgendwie hat sie meine Leute dazu gekriegt, vorübergehend ihren Willen auszuführen.«

Er sagte die Wahrheit. Ich wollte ihm nicht vertrauen, doch durch unser Band spürte ich seine Ehrlichkeit.

»Wo ist sie jetzt?«

»Ich kümmere mich um sie.«

»Ich würde das gern übernehmen.«

»Nein.« Er zögerte nicht mal.

»Warum nicht? Ist es nicht das, was du willst? Du und ich gegen alle Vampire?«

Er atmete aus und senkte das Kinn. Mit dem Zeigefinger fuhr er über die Maserung des glatt polierten Tisches.

»Sie hängt mit Tians Schicksal zusammen. Ich bin sicher, auch er will dich weit entfernt von ihr wissen.«

Ich hatte mit jeder an den Haaren herbeigezogenen Ausrede gerechnet, aber nicht mit Tian.

»Was interessiert es dich? Du wolltest ihn und mich auseinanderbringen.« Götter, dieser Kerl weckte einen Zorn in mir, der nicht gesund war. Und er selbst ließ sich nicht das Geringste anmerken.

Fast schon wünschte ich mir wieder den Jamie mit dem lässigen Lächeln herbei, der ständig einen schneidenden, aber amüsanten Kommentar parat hatte. Mit ihm wollte ich meine Zeit verbringen, nicht mit dieser Version, die unnahbar war. Die mein Feind war.

»Wir drehen uns im Kreis. Lass uns nicht darüber reden.«

»Worüber sollen wir sonst reden? Das Wetter? Die Opfer des Wilden Waldes? Unsere Konvergenz?«

Es war die erste richtige Regung, die ich von seinem Gesicht lesen konnte. Angst.

»Wie fühlst du dich?«

»Wie verdaut und ausgeschissen. Und du?« Das entlockte ihm wiederum ein Lächeln, was ich nicht beabsichtigt hatte. Genauso wenig konnte ich das Kribbeln in meiner Bauchgegend unterdrücken.

»In etwa auch so. Was das angeht, Billie, es … ich wünschte, ich hätte uns mehr Zeit geben können.« Er klaubte den Eisenschlüssel vom Tisch und näherte sich damit meinen Handschellen. Ich regte mich nicht, als er meine Hand berührte und den Schlüssel ins Schloss steckte. Die Wärme seiner Haut stand in starkem Kontrast zu meiner Kälte. Als wäre ich im Kerker zu einer Vampirin geworden.

Eine Drehung und ein Klicken später fielen die leichten Ketten und Schellen zu Boden. Ich war frei. Sofort spürte ich, wie meine Magie sich wie eine Schlange erhob, als würde sie aus einem langen Schlaf erwachen.

Macht, wie ich sie nie gekannt hatte, schoss durch meine Adern. Sie gehörte mir allein. So lange hatte ich mich nach ihr gesehnt und ausgerechnet mein Feind hatte sie mir gegeben.

Gab es noch verwirrendere Gefühle als die, die ich gerade dadurch spürte?

»Warum ich, Jamie? Warum willst du mich bei dir haben?«, fragte ich dann doch, weil ich in meiner Einsamkeit keine Antwort darauf gefunden hatte. »Ich bin bloß eine einfache Hexe, die zufällig deine Blutbraut ist.«

»Du bist mehr als das«, sagte Jamie nach einem Moment, ehe er losließ. Er beobachtete mich ganz genau. Suchte nach dem kleinsten Anzeichen dafür, dass ich ihm meine Magie entgegenschleudern würde. Doch ich wollte nicht wieder eingesperrt werden – ob in den Kerker oder anderswo –, und die Wahrscheinlichkeit, dass ich es in meinem geschwächten Zustand allein mit ihm aufnehmen konnte, war verschwindend gering. Zudem wartete Resia sicherlich direkt vor der Tür und würde mich augenblicklich einfangen. »Für mich bist du mein Anker.«

»Was?« Absolut nicht das, was ich erwartet hatte.

»Es war natürlich nicht von Beginn an so, doch je mehr ich dich und deine Stärke kennenlernen durfte, desto mehr vertraute ich dir. Ich vertraute auch mir und ich … zum ersten Mal habe ich die Stärke gefunden, in meinem eigenen Interesse zu handeln.«

»Ich komme nicht mehr ganz mit«, gab ich zu. Eines war jedoch klar: Nicht nur ich hatte die Spannungen zwischen uns gespürt.

Vor Kurzem hätte es mir noch geschmeichelt, dass jemand so Mächtiges wie Moth Interesse an mir haben könnte, jetzt bereitete es mir Sorgen.

»Mach dir keinen Kopf, wir werden bald alle Zeit der Welt haben. Wenn Blutfae und Hexen gleichgestellt sind. Wenn Vampire endlich wieder ganz unten stehen. Sie sind schwache Ausgeburten, die vergessen haben, wem sie zu dienen haben. Wozu sie kreiert worden sind.« Er hatte die Hände zu Fäusten geballt, so aufgebracht war er.

Mein Verstand arbeitete nur sehr langsam, und auch wenn ich seine Worte verstand, kam ich nicht gänzlich dahinter, was er damit sagen wollte.

»Also war alles eine Lüge?« Ich rieb mir die Handgelenke. Meine Kopfhaut juckte und ich war schmutzig und mit Blutergüssen übersät. Ich sehnte mich nach einem heißen Bad, gleichzeitig stand das auf meiner Prioritätenliste weit unter meiner Flucht. »Deine Freundschaft mit Tian? Kit und Ruglio? Das hier war dein eigentliches Ziel?«

Das hier … Als hätte ich eine Ahnung davon, wie die momentane Lage aussah.

Er blickte zur Seite und verschloss seine Gedanken vor mir. Darin war er – wenig überraschend – viel besser als ich. Als hätte er bereits Übung darin. Dabei war ich seine erste Blutbraut. Das hatte er zumindest gesagt. Auch hier musste ich ihm vertrauen. Ich wusste so gut wie nichts über Blutfae und wie viel sich veränderte, wenn sie eine Konvergenz mit einer Hexe oder einem Hexer eingingen.

»Lass uns nicht zurückblicken«, sagte er schließlich, nachdem sich sein Schweigen in die Länge gezogen hatte. Fast glaubte ich, so etwas wie Reue in seiner Stimme zu hören, doch er war durch und durch ein Schauspieler und Schwindler. »Solange Tian auf Abstand bleibt und sich nicht in meine Angelegenheiten einmischt, werde ich ihm nichts tun. Er war mir ein guter Freund und ich habe nichts gegen ihn persönlich.«

Aber gegen Vampire im Allgemeinen? Er hatte mehr preisgegeben, als ihm vermutlich klar war.

»Hätte er gewusst, was du vorhast, hätte er dich nie eingelassen«, gab ich zurück. Allein der Gedanke an Tian reichte aus, um mich zur Weißglut zu treiben. Nicht weil ich wütend auf ihn war, sondern weil ich wütend für ihn war. Er hatte Jamie vertraut. »Du hast Lucille dabei geholfen, ihn zu terrorisieren! Persönlicher geht es kaum noch.« Selbst wenn sie jetzt keine gemeinsame Sache mehr machten, radierte das nicht einfach das Vergangene aus.

»Sie war aus unterschiedlichen Gründen auf meiner Seite und ihre Abneigung musste ich für den Rest in Kauf nehmen. Jetzt wird sie die Konsequenzen ihres Handelns zu spüren bekommen.« Der Ausdruck seiner grauen Augen war stürmisch. Anscheinend war er doch fähig, Gefühle zu empfinden, die er nicht so leicht dämpfen konnte. Auch wenn ich nicht sagen konnte, was genau in ihm vorging.

Ich schüttelte den Kopf. »Ich verstehe dich einfach nicht.«

»Es geht um mein Volk und es geht um mich, Billie. So wie du Vampire für Hexen getötet hast, so habe ich alles getan, um meine Familie nach Wimborne zurückzubringen.« Mit einer Hand fuhr er sich übers Gesicht. »Es ist meine Aufgabe gewesen, dies zu tun.«

»Wenn du von Anfang an geplant hast, den Vampirrat auszumerzen, warum hast du mich nicht sofort auf die Mitglieder angesetzt? Ich hätte alles getan, um Hugh zu beschützen. Ich habe alles getan.« Ein Jahr lang hatte er als Moth meine Fäden gezogen und mich dazu gebracht, Vampirinnen und Vampire zu töten.

»Mir hat die Macht gefehlt, um danach den Thron zu besteigen. Ich musste zunächst die Wilde Jagd beschwören und dann einen Weg finden, sie mit Magie zu nähren. Bis dahin war es wichtig, dem Rat Macht zu entziehen, ohne dass seine Mitglieder sofort in Alarmbereitschaft versetzt werden.« Er lachte leise. »Das war zumindest der eine Grund.«

»Was war der andere?«

»Sie haben jemandem, den ich einst kannte, in einer heiklen Situation nicht geholfen. Im Nachhinein hätte ich sie dafür am Leben lassen sollen, aber um ehrlich zu sein … je weniger Vampire, desto besser.«

Es stand für mich fest, dass sich während Jamies Plan etwas verändert hatte. Hatte Lucille nicht etwas Derartiges angedeutet? Wer fand sich noch in den Schatten lauernd?

Meine Knie zitterten mittlerweile so heftig, dass ich meinen Stolz herunterschlucken und mich setzen musste. Jamie zögerte, als müsste er eine schwerwiegende Entscheidung treffen, ehe er sich neben mich sinken ließ. Den Stuhl zog er dabei so neben den Tisch, dass er mich direkt ansehen konnte. Auch ich rückte ein Stück zur Seite.

Ich wollte nicht, dass dieses Gespräch wirkte wie das von zwei Freunden, die sich nach einem Streit aussprachen. Gleichzeitig ließ sich das Gefühl von Vertrautheit nicht ausmerzen. Ein Jahr lang hatte ich Moth gekannt, und obwohl er mir nie seine wahre Identität offenbart hatte, hatte ich gelernt, mit ihm umzugehen. Seine Antworten und Forderungen zu antizipieren.

Ein paar Wochen war Jamie an meiner Seite gewesen und ich hatte ihn mehr eingelassen, als ich vorgehabt hatte.

»Warum ich?«, zwang ich mich erneut zu fragen. »Warum hast du mich ausgewählt? Vorher, meine ich.«

»Ich habe dich und deine Familie eine Weile bei der Jagd beobachtet. Du hast mich beeindruckt. Anders als andere Jägerinnen hast du dich kaum auf deine Magie verlassen. Du hast deinen Körper und deinen Verstand gestählt, und ich war davon überzeugt, dass du jeden meiner Aufträge erfüllen würdest.«

Mich überkam ein eiskalter Schauder. Er hatte mich beobachtet? Wie lange? Wieso hatten wir nichts bemerkt?

Ich hatte mich für so clever gehalten, bis er Hugh entführt und mich damit seinem Willen gebeugt hatte.

»Das bedeutet wohl auch, dass du Hugh absichtlich zur Flucht verholfen hast?« Er nickte, sah mich aber nicht an. Mit den Fingerkuppen tippte er auf seine Knie. »Warum hast du mir nicht direkt den Auftrag gegeben, Tian zu bestehlen? Warum so kompliziert? Ich nehme an, dass du Tian zum Markt gelockt und dann auf seine Empathie gesetzt hast?«

»Du kennst Tian. Er ist sehr … misstrauisch und sein Haus ist durch Obambo geschützt. Du wärst niemals reingekommen oder wenn doch, dann zumindest niemals mehr heraus.« Er zog eine Schulter hoch. »Ich hatte vorgehabt, dich zu erstehen und dich ihm zu überlassen, aber es lief besser und schlechter, als ich geplant hatte. Besser, weil er dich aus eigenem Antrieb ersteigert hat. Denn es hat dabei geholfen, sein Misstrauen zu verringern.«

Er hatte recht. Tian hätte mich sofort durchschaut, wenn ich im Auftrag von Moth gehandelt hätte. Ich hatte nur eine Begegnung mit ihm ausgehalten, nachdem ich beschlossen hatte, ihn zu bestehlen, weil ich gewusst hatte, dass er meine Täuschung bemerken würde.

»Und warum schlechter? Du hast alles bekommen, was du wolltest.«

Der Blick, den er mir daraufhin zuwarf, hätte mich in die Knie gezwungen, wenn ich nicht bereits gesessen hätte. Sein Schmerz schoss in einem Tsunami auf mich zu und prallte gegen meinen Verstand. Gerade rechtzeitig konnte ich unsichtbare Mauern hochziehen, um nicht darin zu ertrinken.

»Du wurdest verletzt«, raunte er. »Es war nicht vorgesehen, dass die Hexenhändlerin dich … bestraft.« Er spuckte das Wort förmlich aus. »Es tut mir leid, Billie. Mehr, als ich zu sagen vermag.«

Ich schluckte und sah fort. Was auch immer in seiner Vergangenheit lag, es war schmerzhaft gewesen. Aber ich wollte nichts davon wissen.

»Wie lange hast du darauf hingearbeitet?«

Langsam erhob er sich und schritt zurück zum Fenster, von wo er nach draußen blickte. Nach kurzem Zögern stellte ich mich neben ihn. Meine Knie fühlten sich sicherer an als noch vor ein paar Minuten.

Der rechteckige Innenhof, den man von hier aus einsehen konnte, war hell erleuchtet. Rund vierzig bis fünfzig Blutfae hatten sich dort versammelt und traten in Übungskämpfen gegeneinander an. Jeder und jede von ihnen trug ein blaues Seidenband. Entweder um den Oberarm wie Resia, um die Stirn oder gut sichtbar an einem anderen Körperteil.

»Ich bin einer der ersten Blutfae, die es zurück in diese Welt geschafft haben. Ohne den Wald war ich jedoch zu schwach, um etwas zu tun.« Ich bemerkte, dass er die Hände an den Seiten zu Fäusten geballt hatte. Als eine Welle des Mitleids in mir aufsteigen wollte, unterdrückte ich sie mit aller Macht. Jamie warf mir einen neugierigen Seitenblick zu und stützte sich dann auf dem Fenstersims ab. »Es sind ein paar Jahrzehnte vergangen«, antwortete er schließlich. »Doch mit einem Ziel vor Augen vergehen sie schneller, als man erwarten würde.«

»War das dein Plan? Dein Ziel?«

Er öffnete den Mund, doch bevor er zu einer Antwort ansetzen konnte, wurden wir von Resia und zwei anderen Blutfae unterbrochen, die einen halb bewusstlosen Mann zwischen sich hereinzerrten.

Jamie wirbelte herum. Ich spürte eine Welle der Wut, die auf mich überschwappte.

»Was geht hier vor sich?«

»Entschuldigt, ich wollte sie aufhalten, aber …«, begann Resia, die einen Teil ihrer Souveränität eingebüßt hatte.

Jamie fletschte seine Fangzähne. Unwillkürlich rückte ich ein Stück von ihm ab. Er schenkte mir keinerlei Beachtung.

»Er hat sich nicht an Eure Regeln gehalten«, sagte der linke, blonde Blutfae mit einer Narbe auf dem Nasenrücken. »Wir haben ihn dabei erwischt, wie er eine Familie massakriert hat.«

Ich erstarrte. »Massakriert?«

Niemand sah in meine Richtung, als wäre ich nicht existent.

Der Beschuldigte konnte nicht mal mehr die geschwollenen Augen öffnen, so sehr war er verprügelt worden. Blut troff ihm aus diversen Wunden und ruinierte den Holzfußboden.

Das ist jetzt wirklich nicht wichtig, Billie, ermahnte ich mich selbst.

Jamie sah mich stirnrunzelnd an. Offenbar hatte er meine Gedanken aufgefangen. Selbst schuld, wenn er ihnen lauschte.

»Hast du etwas zu deiner Verteidigung zu sagen?« Jamies Stimme klang rau und dunkel. Sämtliche Gefühle darin erstickt. Er offenbarte eine weitere Seite seiner facettenreichen Persönlichkeit. Keiner von ihnen vertraute ich.

»Ich … war durstig«, keuchte der Blutfae. »Das ist doch … der Grund, warum wir … wieder hier sind.«

Wieder hier? Woher genau kamen all die Blutfae? Wo hatten sie bisher gelebt?

Die Blutfae, die ihn an den Armen aufrecht hielten, verzogen zeitgleich angewidert das Gesicht.

»Nein. Ihr seid zurückgekommen, weil ich gnädig gewesen bin«, erwiderte Jamie ruhig.

»Wir sollten ein Exempel an ihm statuieren«, sagte Resia, die sich beruhigt hatte. »Es gibt durchaus Aufregung in unseren Reihen, wegen der … Planänderung. Das würde dem ein sofortiges Ende setzen.«

Jamie nickte. »Sorgt dafür, dass er heute Abend bereit ist. Bis dahin sperrt ihn ein.«

»Jawohl.«

Die beiden Blutfae schleppten den Täter nach draußen. Er wehrte sich, kam aber nicht gegen sie an. Ich sah ihnen hinterher und versuchte herauszufinden, was es für mich bedeutete.

Jamie wollte offenbar nicht, dass seine Blutfae wie Bestien über die menschliche Bevölkerung von Westwend herfielen. War das ein kleiner Trost? Machte es das wieder wett, dass er Hexen und Hexer für seine Zwecke ausgenutzt hatte? Wohl kaum.

»Ihr werdet für die Vorbereitungen gebraucht«, sagte Resia, nachdem die Tür hinter ihr zugefallen war. Sie sah Jamie nicht mal in die Augen, als würde sie ihn wahrlich für jemand Besseren als sich halten.

»Verstehe.« Jamie wandte sich mir zu. Er war mir so nahe, dass ich seinen Atem auf meinen Wangen spüren konnte. Ich erschauerte. »Resia wird sich um dich kümmern und für den Abend herrichten. Bring mich nicht dazu, dir wieder das Stäbchen einzusetzen. Ich fühle, was du fühlst. Du kannst mir nichts verheimlichen, Billie. Das hier wird vorerst deine letzte Chance sein, mein Vertrauen zu gewinnen. Vergib sie nicht leichtfertig.«

Ich hielt es für besser, den Mund zu halten, bevor ich ihm alle möglichen Beleidigungen an den Kopf warf. Andererseits bekam er sie wahrscheinlich ohnehin durch unser Band mit. Seine Mundwinkel zuckten als Antwort.

Nachdem er gegangen war, warf ich einen letzten Blick in den nächtlichen Hof. Noch immer waren die Übungskämpfe in vollem Gang. Vielleicht musste ich meine Strategie doch noch einmal überdenken. In dem ich mich selbst geschwächt hatte, war ich in einer schlechteren Position als zuvor. Wenn ich etwas an meiner Lage ändern wollte, musste ich klüger handeln.

»Lass uns gehen«, verkündete ich und wartete darauf, von Resia weggeführt zu werden.

3. Kapitel

Es gab einen ganzen Flügel im Rathaus, in dem sich ein Schlafzimmer ans nächste reihte. Dass man Kerker für wichtig erachtet hatte, hatte mich weitaus weniger erstaunt, als die Schlafzimmer vorzufinden. Dann wiederum hatte ich nicht gewusst, wo sich das Haus des ehemaligen Ratsvorsitzenden Crosspin befunden hatte. Möglicherweise hatte er das Rathaus nie verlassen.

Resia brachte mich zu einem dieser Schlafzimmer, in dem bereits drei Frauen warteten.

»Blutfae?«, fragte ich langsam und sie fletschten ihre Zähne. Tatsächlich waren nicht nur ihre Eckzähne spitz zulaufend wie beim Vampirvolk, sondern die oberen und unteren Schneidezähne ebenso. Immerhin hatte ich ein Merkmal entdeckt, woran ich sie erkennen konnte. Abgesehen davon interessierte mich jedoch auch, wer von ihnen stärker war. Wenn sich Vampirinnen und Vampire gegen Jamie auflehnten, hätten sie eine Chance? Schließlich hatten sie schon einmal die Blutfae erfolgreich verjagen können. Was hielt sie davon ab, es ein weiteres Mal zu tun? Und die viel wichtigere Frage: Wollte ich das? Es war leider viel schwieriger, darauf eine Antwort zu erhalten.

Während ich mich über das Essen hermachte, das man für mich vorbereitet hatte, testete ich meine wiedererlangte Magie aus. Die Blutfae ließen gerade mein Bad ein, während Resia an der Tür postiert blieb. Ihr starrer Blick war aus dem Fenster gerichtet.

Ich wagte nicht, meine Magie zum Angriff zu benutzen, weil ich nicht glaubte, eine Chance zur Flucht zu bekommen. Gleichzeitig wollte ich aber herausfinden, was sich nach der Konvergenz verändert hatte. Schließlich konnte ich nun eine tiefere Quelle der Macht ausschöpfen als zuvor.

Tatsächlich fühlte sie sich anders an, wenn ich mich auf sie konzentrierte. Sie war lebendiger und widerspenstiger. Wenn ich nach ihr greifen wollte, bekam ich sie nur kurzzeitig zu fassen. Sie wand sich wie ein Aal im tiefen Gewässer. Es war schlichtweg frustrierend, dabei wollte ich nicht mal wirklich etwas mit ihr anfangen.

Als mir schon fast schlecht war von den Rosmarinkartoffeln und dem gegrillten Fisch, ließ ich das Besteck sinken.

»Bist du bereit?«, fragte die Blutfae mit dem langen kastanienroten Haar. Sie wirkte um einige Jahre älter als ich. Ob sie sich gern um mich kümmerte oder ob sie fand, dass es unter ihrer Würde war, konnte ich nicht einschätzen.

Keine von ihnen lächelte, aber sie warfen mir genauso wenig bösartige Blicke zu. Alles in allem hielten sie ihre Gefühle sehr gut unter Kontrolle.

Wahrscheinlich war ich ihnen schlichtweg egal.

Ich versuchte, ihnen mit ebenso wenig Gefühl zu begegnen, weil sie mir letztlich nichts getan hatten. Es waren nicht sie gewesen, die mich auf Lucilles Geheiß eingesperrt hatten.

Ja, sie hielten mich jetzt fest, doch das taten sie immerhin, ohne mir wehzutun.

Ich wollte lernen, mit den kleinen Dingen zufrieden zu sein. Zu großer Hass würde mich lediglich einschränken und mir nicht dabei helfen, eine Lösung aus meiner Misere zu finden.

Ich folgte der Rothaarigen in den angrenzenden Waschraum, wo ich meine Verlegenheit zusammen mit meiner stinkenden Kleidung zu Boden warf.

»Wie lange seid ihr schon in Westwend?«, fragte ich, als die Blutfae mich am Ellbogen fasste, damit ich beim Klettern in die Messingwanne nicht umkippte. Das heiße Wasser raubte mir für einen Augenblick den Atem. Meine Haut begann angenehm zu kribbeln.

»Zwei Tage«, antwortete sie.

Ich ließ mich in die Wanne gleiten und lehnte den Kopf mit geschlossenen Augen zurück. Götter, ich hatte vergessen, wie es sich anfühlte, sauber zu sein. Die Blutfae hatten zudem eine angenehm duftende Kräutermischung ins Wasser gegeben, sodass ich schon bald nicht mehr nach menschlichen Ausscheidungen roch. Götter, segnet sie.

Es war nicht so, als würde ich meine heikle Situation vergessen, aber in einem sauberen Zustand ließ es sich besser nachdenken.

Außerdem konnte ich zum ersten Mal entspannen, weil meine Familie und Freunde in Sicherheit waren. Ja, ich selbst befand mich auf verlorenem Posten, doch das war für den Moment in Ordnung. Weil es Hugh gut ging. Er war sicher. Meine Tanten waren sicher.

Es war nicht schlimm, für ein paar Minuten nicht zu kämpfen.

»Wo seid ihr vorher gewesen?«, fragte ich.

»In der Hölle.« Da ich die Lider noch geschlossen hielt, wusste ich nicht, welche der drei mir geantwortet hatte. Ihre Worte brachten mich jedoch rasch wieder in die Gegenwart zurück.

»Hölle?« Das Hexenvolk verstand unter dem Begriff Hölle einen düsteren Ort, an dem die Seelen bösartiger Hexen und Hexer nach dem Tod wandelten und für eine Ewigkeit gefoltert wurden.

»Einst eine Heimat für andere, dann unsere Zuflucht und jetzt unsere Vergangenheit«, sagte die Rothaarige.

»Ihr seid also dorthin geflohen? Warum?« Ich hatte mir die Antwort längst zusammengereimt nach dem, was während der Ratssitzung damals besprochen worden war, aber ich wollte ihre Sicht der Dinge hören.

»Weil der Wilde Wald dort noch existiert. Magie ist so viel wilder an diesem Ort. Ihr Hexen habt nicht mal den Hauch einer Ahnung, zu was sie fähig ist. Interessanterweise …«

»Ja?« Sie kämmte mein feuchtes Haar aus, während die zwei anderen Blutfae sich um meine eingerissenen und schmutzigen Fingernägel kümmerten. Das war der Moment, in dem mir siedend heiß einfiel, dass Obambos Stein noch in meiner Kleidung versteckt war. Ich musste unbedingt daran denken, ihn an mich zu nehmen, ehe meine Kleider entsorgt wurden. Ich bezweifelte, dass sich jemand die Mühe machte, sie zu waschen. Oder überhaupt den Drang verspürte, sie länger als notwendig anzufassen.

»Blutfae und Hexen sind enger miteinander verbunden, als es Vampire und Hexen je sein können. Du solltest dich nicht gegen die Verbindung mit Jamie wehren.« Diese Tatsache hatte er also nicht geheim halten können. Oder wollen. »Die Verbindung ist von der Natur gesegnet. Alles andere ist entgegen dieser.«

»Jamie hätte mich nicht dazu zwingen sollen«, widersprach ich. Es war einfach, meinen Anteil an dieser Verbindung zu verdrängen.

Mein wackliges Ja zu vergessen.

»Zwang ist relativ. Er hat viel für uns geopfert. Seine Einsamkeit hat ihren Tribut gefordert. Stell dich hin.« Ich gehorchte und ließ mich in ein langes Tuch wickeln, ehe ich aus der Wanne stieg. »Für uns ist Jamie der einzig wahre Retter.«

»Das sehen aber nicht alle so.« Ich hatte den Blutfae nicht vergessen, der eine ganze Familie massakriert hatte, weil er der Meinung war, dass ihm dies zustand.

»Es ist eine Umstellung«, sagte sie ausweichend. Den Kopf hielt sie gesenkt, während sie mich eincremte, als wäre ich nicht selbst dazu imstande. Ich musste an mich halten, mich nicht gegen sie zu wehren. Der Duft von Lavendel stieg mir in die Nase. »Mehrere Generationen lang sind wir im Exil gewesen und mussten um Nahrung und Macht kämpfen. Die Hölle ist kein einfacher Ort. Und für Jamie war sie noch schwieriger als für uns andere.«

»Nahrung«, echote ich nachdenklich. »Leben dort überhaupt Menschen? Ernährt ihr euch wie Vampire?«

»Grundsätzlich können wir lange Zeit ohne Blut und mit menschlicher Nahrung zurechtkommen. In der Hölle haben wir Jagd auf Kreaturen gemacht, deren Blut nährreich genug war. Wenn auch bei Weitem nicht so zufriedenstellend wie Menschen- oder Hexenblut«, erklärte die Blutfae.

Ich zog eilig die dargebotene Leinenunterwäsche und das Unterkleid an, froh, endlich wieder bekleidet zu sein. Nicht dass ein paar Minuten jetzt noch einen Unterschied gemacht hätten.

»Wenn es dort so schrecklich war, wieso seid ihr erst jetzt wieder zurückgekehrt? Es sind doch … Jahrzehnte oder Jahrhunderte vergangen, seit der Wilde Wald verschwunden ist«, überlegte ich laut. Solange die Blutfae ihr Wissen mit mir teilten, würde ich jede Sekunde ausnutzen. Es würde mir nur Vorteile verschaffen, mehr über sie zu erfahren, damit ich mir einen Plan zurechtlegen konnte. Wie genau dieser Plan aussah, war allerdings noch unklar. Gerade jetzt fühlte ich Jamies Abwesenheit in meinem Kopf, aber es wäre ein Leichtes für ihn, in meinen Verstand einzudringen.

»Niemand wusste, wie wir den Wilden Wald zurückbringen können«, sagte die Blutfae mit den dunklen, fast schwarzen Augen. Bisher hatte sie dem Gespräch nur gelauscht.

Die rothaarige Blutfae nickte. »Jamie hat einen Pakt geschlossen und dadurch ein Opfer für uns alle gebracht.«

»Pakt? Mit wem?«

Die Blutfae sahen sich kurz an. Ertappt. Als hätten sie zu viel preisgegeben. Und tatsächlich antwortete niemand mehr auf meine Fragen.

Es musste alles mit dieser unbekannten Person zusammenhängen, die bereits mehrmals in Gesprächen aufgekommen war. Doch sie blieb ein Phantom und wurde nie zu mehr als dem.

Wir schwiegen uns an, während ich in ein schwarzes Kleid mit glitzerndem Rock und besticktem Mieder stieg. Die Schnüre an meinem Rücken wurden festgezurrt, bis ich zu ersticken glaubte. Der Herzausschnitt war gewagt, und ich hätte mich normalerweise nie getraut, so viel zu zeigen.

Als ich mich im personenhohen Spiegel sah, erkannte ich mich nicht wieder. Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals etwas so Elegantes getragen zu haben. Die Kleidung, die ich bei Tian getragen hatte, kam dem Kleid zwar nahe, doch sie hatte nicht diese magische Ausstrahlung gehabt.

Der mehrlagige Rock fiel ab der Hüfte weit aus und streifte flüsternd den Boden, nachdem ich in zierliche Riemchensandalen geschlüpft war. Seide, Tüll und Spitze. Das Kleid vereinte alles, ohne aufgesetzt zu wirken. Die Ärmel waren durchsichtig und eng anliegend, ließen allerdings meine weißen, sommersprossigen Schultern frei. Meine dunkelroten Locken, die mittlerweile getrocknet waren, fielen mir über den Rücken und wurden an den Seiten mit silbernen Klammern festgesteckt.

Ich hasste es.

Ich liebte es.

So war ich nicht. Das war ich nicht und trotzdem …

Ich wollte bei meiner Familie sein. In meiner gewohnten Kleidung und mit meinem üblichen Pferdeschwanz.

Dessen war ich mir eigentlich sicher, doch warum fühlte es sich auch richtig an, hier zu sein? Mein Spiegelbild anzusehen, als wäre es jemand anderes? Eine Adlige ohne schwerwiegende Vergangenheit. Ohne Narben.

Da das Kleid keine Taschen besaß, platzierte ich Obambos Wohnstein unauffällig in meinem Ausschnitt. Die Blutfae hatten ihre Arbeit erledigt und räumten das Zimmer auf, noch während ich mich im Spiegel betrachtete.

»Was für eine Feierlichkeit ist das heute?« Tatsächlich hatte ich versucht, in Jamies Gedanken einzudringen, doch er hielt mich gekonnt auf Abstand. Deshalb musste ich auf die Gesprächsbereitschaft meiner Gesellschaft bauen.

In Zukunft müsste ich definitiv an meiner Fähigkeit arbeiten, seine Barrieren zu überwinden. Im besten Fall unbemerkt, um ihm seine Geheimnisse zu entlocken und mich vor ihm zu schützen.

»Es ist Jamies Krönung«, sagte Resia indigniert.

»Er … was?« Krönung? »Wir sind eine Republik und keine Monarchie.« Wow. Ein besseres Argument fiel mir nicht ein?

»Es ist wichtig, dass er Stärke zeigt und verhindert, dass sich Chaos ausbreitet«, verteidigte ihn Resia und sah mich streng an. »Deshalb solltest du ihm so wenig Probleme wie möglich bereiten.«

»Mir ist egal, ob er König oder Bettler ist. Ich gehöre und gehorche ihm nicht«, stellte ich klar.

»Ich verstehe nicht, wie du Lügen von dir geben kannst, während du die Wahrheit lebst.« Resias Blick bekam einen angewiderten Zug. »Ihr seid gemeinsam die höchste natürliche Verbindung miteinander eingegangen. Das, was zwischen euch ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden. Die Konvergenz ist nun ein Teil deines Seins.«

Wütend presste ich die Lippen zusammen. Sie hatte recht. Hier war ich und ließ mich wie eine Puppe ausstaffieren, während ich mich verzweifelt an die Lüge klammerte. Die Lüge, dass ich es nicht gewollt hatte.

»Manchmal lässt es sich nicht mit der Wahrheit leben«, murmelte ich.

Resia schüttelte den Kopf. Für sie war es wohl unvorstellbar, dass man so schwach sein konnte. Oder dass man nicht nach der Macht greifen wollte, die ganz klar bereitlag. »Fertig?« Da sie nicht mich ansah, hatte sie anscheinend genug von mir.

»Sie ist bereit«, antwortete die Rothaarige.

»Los geht’s«, stimmte ich aus Trotz zu, auch wenn niemand nach meiner Meinung fragte.

Während mich Resia durch das Rathaus geleitete, versuchte ich, meine Gedanken ruhig zu halten. Allein um Jamie Fügsamkeit vorzugaukeln. Ich musste mir immer wieder selbst sagen, dass ich schon ausweglosere Situationen überstanden hatte und auch mit dieser Herausforderung fertigwerden würde. Für den Moment war ich von meiner Familie getrennt, doch das würde nicht lange so bleiben. Früher oder später wären wir wiedervereint und würden diese fürchterliche Stadt endlich hinter uns lassen. Und dann für immer. Ich war mit Westwend fertig.

Zumindest sagte ich mir selbst, dass dies alles war, was ich wollte. Dass mir das Schicksal der anderen Hexen und Hexer egal wäre und mich nichts anginge.

Nachdem wir unzählige Treppenstufen nach unten gestiegen waren, wurde die unheimliche Stille, die im oberen Stockwerk geherrscht hatte, von Streichmusik und Stimmengewirr durchbrochen. Beides wurde lauter, je näher wir dem großen Ballsaal kamen. Ich war beeindruckt davon, was Jamie in so kurzer Zeit bewerkstelligt hatte.

Andererseits hatte er viel Vorlauf gehabt, um all das vorzubereiten. Wie die Blutfae gesagt hatten. Das Wichtigste war, Chaos zu unterbinden, um Menschen und allerlei Wesen Sicherheit zu geben und die damit einhergehende Folgsamkeit zu erreichen. Alles, damit Jamie als neuer Herrscher anerkannt werden würde. Dennoch fragte ich mich, ob das so einfach zu bewerkstelligen war, wie er es sich vorstellte. Nur weil er die vampirische Ratsversammlung vernichtet und durch mich hochrangige Vampirinnen und Vampire aus dem Weg geräumt hatte, hieß das noch lange nicht, dass sich ihm alle beugten.

Als ich den Ballsaal mit Resia an meiner Seite betrat, wurde mir keinerlei Beachtung geschenkt. Es waren mehrere Dutzend Personen anwesend, ohne dass ich sagen konnte, ob es sich ausschließlich um Blutfae handelte. Es war gut möglich, dass sich Menschen oder Hexen und Hexer oder andere Geschöpfe hier befanden. Vielleicht hatten sich bereits Vampirinnen und Vampire ergeben. Ich war drei Tage eingesperrt gewesen und hatte durch meine Verbindung zu Jamie nur einzelne Informationsfetzen aufgeschnappt.

Die Absätze meiner Sandalen klackerten auf dem blank polierten schwarzen Marmorboden, der mit goldenen Adern durchsetzt war. Riesige Kronleuchter hingen auf unterschiedlichen Höhen von der stuckverzierten Decke herab und tauchten die Anwesenden in warmes Licht, das von den Spiegeln an den Wänden zwischen den Fenstern reflektiert wurde. Das Streichquartett war in der linken Ecke platziert worden. Die Musiker wirkten nervös, was in mir den Gedanken aufkommen ließ, dass es sich bei ihnen nicht um Blutfae handelte. Wahrscheinlich waren sie gezwungen worden, heute Abend anlässlich der Krönung zu spielen.

Krönung. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann es das letzte Mal einen König in Wimborne gegeben hatte. So ganz wollte ich mich nicht damit abfinden. Andererseits wäre dies wohl kaum schlimmer als alles zuvor, oder? Für das Hexenvolk war jede Veränderung besser als Vampire und Vampirinnen an der Spitze.

Resia führte mich ganz ans Ende des Saals. Am weitesten vom Thron entfernt, der auf einer Erhöhung stand. War dieser speziell für Jamie angefertigt worden? Soweit ich das von meiner Position aus beurteilen konnte, war er aus massivem, schwarz lackiertem Holz gefertigt worden. Schnörkel, die an Efeu erinnerten, rankten sich an den Kanten entlang und liefen an dem Rückenteil spitz zu. Die Armlehnen endeten in Angst einflößenden Fresken von Bestien.

Niemand näherte sich dem Thron, als wäre ein unsichtbarer Bannkreis darum gezogen worden. Auch wenn sich einzelne Blutfae gegen seine Gesetze auflehnten, schien Jamie größtenteils Respekt entgegengebracht zu werden.

Ich verschränkte die Hände vor meinem Körper und versuchte mich zu entspannen. Resia bekam nach ein paar Minuten Gesellschaft von zwei männlichen Blutfae, die ebenfalls ein Auge auf mich haben sollten. Jamie hatte sie beauftragt, und was Jamie wollte, bekam er.

Rückblickend hatte ich geglaubt, dass ich mich nicht schlechter fühlen konnte als während meines Sklavinnendaseins. Jetzt wurde ich eines Besseren belehrt. Ich hatte mich noch nie so einsam und verlassen gefühlt wie in dieser Nacht. Und das Schlimmste war, alles war meine eigene Schuld.

4. Kapitel

Das Streichquartett setzte zu einem ruhigeren Stück an, als Jamie mit einem Gefolge bestehend aus sechs weiblichen und männlichen Blutfae den Saal betrat. Auch er war herausgeputzt und hatte seine schwarze Kleidung gegen welche aus blauem Brokat getauscht. Dazu trug er einen Samtumhang, der vorne von einer goldenen Schnalle zusammengehalten wurde. Die Gäste hielten gefühlt den Atem an, als er durch die Menge schritt, die ihm bereitwillig Platz machte.

Einerseits konnte ich sehen, was sie sahen. Einen Ehrfurcht gebietenden und gut aussehenden Anführer, der Respekt verlangte und Souveränität ausstrahlte. Andererseits wusste ich um seine List und Täuschung. Niemand würde allerdings etwas auf meine Meinung geben, und schon gar keine Blutfae, die ihr Leben lang im Exil verbracht hatten. Ich konnte mir nicht mal ausmalen, was sie erlebt hatten, doch es war deutlich, dass es sie verzweifelt nach einem neuen Leben verlangte.

Natürlich war ich noch nie Zeugin einer Krönung gewesen und ich konnte nicht sagen, dass ich übermäßig hohe Erwartungen gehegt hatte. Trotzdem war ich überrascht, als sich Jamie die Krone selbst aufsetzte. Hatte sie in der Schatzkammer gelegen oder hatte ein Schmied in den letzten Tagen rund um die Uhr daran gearbeitet? Es war ein schönes Schmuckstück aus Gold mit Zacken und eingesetzten Rubinen. Florale Gebilde, die sich darumwanden.

Nachdem Jamie auf dem Thron Platz genommen hatte, ließ er seinen Blick über die Menge schweifen. Das Schweigen dehnte sich in die Länge und die Spannung nahm zu. Selbst die sanften Melodien der Streichinstrumente kamen nicht dagegen an.

»Mein starkes und mutiges Volk«, begann er mit dröhnender Stimme, wie ich sie noch nie von ihm gehört hatte. Überhaupt wirkte er wie ein Fremder auf mich, was er prinzipiell auch war. Selbstbewusst, mächtig. Weder der schelmische Jamie noch der düstere Moth. »Fast zwei Jahrhunderte des Leids sind vergangen. Der Hoffnungslosigkeit und der Angst davor, niemals mehr in unsere Heimat zurückkehren zu können. All das ist mit diesem neuen Anfang vorbei. Viele haben bereits den Weg zurück gefunden, mehr noch werden meinem, nein, unserem Ruf folgen!«

Jubel brandete auf, was mich erschreckte. Die Gäste waren bis dahin so zurückhaltend gewesen, dass ich nicht mit dieser Euphorie gerechnet hatte. Ich machte jedoch vereinzelt Personen aus, die nicht mit in das Geschrei einstimmten. Waren das Jamies Gegner?

»Bevor es morgen weiter darangeht, uns in unserer Heimat zurechtzufinden, verlange ich eines von euch in dieser Nacht: Amüsiert euch und genießt den Sieg!«

Weiterer Jubel. Gläser klirrten gegeneinander und die Musiker stimmten ein fröhlicheres Stück an.

Du siehst wunderschön aus, hörte ich Jamie in meinem Kopf sagen, während er vom Thron stieg. Die Gäste wandten sich wieder einander zu und manche schwangen gar das Tanzbein. Wein und Blut flossen in Strömen. Einzig meine drei Leibwachen schienen gegen Spaß gefeit zu sein.

Glaubst du wirklich, es bedeutet mir etwas, so was von dir zu hören? Dann bist du weiter von der Realität entfernt, als ich ohnehin schon gedacht habe.

Meinst du nicht, dass du übertreibst? Er schüttelte hier und dort Hände, klopfte jemandem auf den Rücken und nickte einer anderen Blutfae zu. Gleichzeitig reduzierte er die Distanz zu mir, bis er mich letztlich erreicht hatte.

»Du hast mich getäuscht, manipuliert und ausgenutzt. Es hat vielleicht einen kurzen Moment gegeben, in dem wir Freunde hätten sein können, aber das ist jetzt vorbei«, stellte ich klar, als wir uns direkt gegenüberstanden. Aus der Nähe sah die Krone noch beeindruckender aus. Meine Finger zuckten unter dem Impuls, sie ihm vom Haupt zu schlagen.

Seine Mundwinkel hoben sich amüsiert. Ob wegen meiner Worte oder meiner Gedanken konnte ich nicht sagen.

Ich hasste es. Als würde er ein Geheimnis kennen, das uns beide betraf und in das er mich nicht einweihte.

»Auf einen Tanz.« Er griff bereits nach meinen Händen, doch ich entzog sie ihm und wich einen Schritt zurück.

»Ich kann nicht tanzen.«

»Und ich kann es gut genug für uns beide.«

Ich ließ mich überreden, weil es besser war, mit ihm zu sprechen, als nichts zu tun.

Er positionierte meine linke Hand auf seiner Schulter und nahm die rechte in seine eigene linke. Mit der anderen umfasste er meine Taille und drückte mich damit enger an sich heran.

»Ich habe davon geträumt, dich nochmals zu kosten«, gestand er, als er mit den Lippen viel zu nah an meinen entblößten Hals kam.