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Eine Hexe mit einer Mission. Ein Jäger mit einem Geheimnis. Vertrauen ist tödlich. Sophia Verlaine ist eine Strega, eine Hexe, die mit ihrem Zirkel in Portland im Verborgenen lebt. Als gnadenlose Hexenjäger, die sogenannten Hunter, Sophias Familie auf der Hochzeit ihrer Schwester angreifen, schwört sie Rache. Getarnt als Jägerin infiltriert sie die Reihen der Hunter und gewinnt das Vertrauen des undurchsichtigen Benson Gray. Doch je näher sie ihrem Ziel kommt, desto eher droht ihre Tarnung aufzufliegen. Inmitten von Kämpfen und Verrat muss Sophia entscheiden, wem ihre Loyalität wirklich gilt – ihrer Familie oder dem Mann, den sie eigentlich vernichten wollte. Tropes: X forbidden love X dark military setting X enemies to lust to enemies X secret identity X witch x hunter Die »Darkest Reign«-Reihe: Band 1: Darkest Reign – Im Bann der Hexe Band 2: Darkest Reign – Im Schatten des Jägers
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Veröffentlichungsjahr: 2025
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»Darkest Reign – Im Bann der Hexe« enthält Themen, die belasten können. Deshalb findest du am Ende dieses Buchs eine Inhaltswarnung. Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch.
© Piper Verlag GmbH, München 2025
Redaktion: Wiebke Bach
Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)
Illustration: @jacqueillustrates / [email protected] / Jacqueline Brianne
Kapitelvignette: Freepik
Covergestaltung: Guter Punkt, München
Coverabbildung: Bilder unter Lizenzierung von Adobestock und iStock/Getty Images genutzt
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Cover & Impressum
Abbildung
Widmung
Motto
Im Fallen
SOPHIA
Vor sieben Jahren
1
Eine Mission
SOPHIA
2
Das wahre Monster
SOPHIA
3
Schlächter von Pearl
SOPHIA
4
Einzige Rebellion
BENSON
5
Donnergrollen
SOPHIA
6
Ich will dich
SOPHIA
7
Meine Rekrutin
BENSON
8
Vernichtung
SOPHIA
9
Grimassen einer Toten
SOPHIA
10
Verheerendes Beben
SOPHIA
11
Außer Thornfield
BENSON
12
Strikt professionell
SOPHIA
13
Gnade walten lassen
SOPHIA
14
Showdown
SOPHIA
15
Metallstrega
SOPHIA
16
Fest. Besitzergreifend. Meins.
SOPHIA
17
Mein Untergang
BENSON
18
Im Fegefeuer
SOPHIA
19
Obsessive Nymphomanin
SOPHIA
20
Ins offene Messer
SOPHIA
21
Finsternis
BENSON
22
Höllenfeuer
SOPHIA
23
Sylvan Highlands
SOPHIA
24
Ein Unikat
SOPHIA
25
Unsere Grabschicht
SOPHIA
26
Mein verräterisches Herz
SOPHIA
27
Meine Nemesis
BENSON
28
Schicksal besiegeln
BENSON
29
Blut und Tod
SOPHIA
30
Mit harschen Worten
SOPHIA
31
Wie wahr diese Worte
SOPHIA
32
Die Beute
SOPHIA
33
Lebenslange Gefangenschaft
SOPHIA
34
Spiel mit dem Tod
BENSON
35
Inszeniert
BENSON
36
Das falsche Herz
SOPHIA
37
Die Klinge
SOPHIA
38
Hargraves und Woody
SOPHIA
39
Feinde
SOPHIA
40
Misserfolg
SOPHIA
DANKSAGUNG
Inhaltswarnung
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Für die Enemies-to-Lovers-Fans – wir wissen, was kommt, und wir lieben jede Sekunde davon.
»Er hatte mich mit seiner Sanftheit zugrunde gerichtet.«
Blut tropfte von meinem Daumen auf die weiße Rose. Ich hatte einen Stachel übersehen. Eilig drückte ich die Wunde an meinen Mund und saugte daran, während ich mit der anderen Hand weiterhin den Rosenstängel umfasst hielt. Magie wallte in mir auf, weil ich Ablenkung brauchte. Ich hätte sie unterdrücken können, doch ich hieß sie willkommen. Bilder fluteten meinen Verstand. Erinnerungen der Rose. Der verschwommene Anblick einer Gärtnerin, die mit einer Schere sorgsam die Rose abtrennte, um sie in einen Blecheimer zu stellen. Das klimatisierte Innere eines Vans und schließlich der helle Glanz der Hochzeitslocation meiner Schwester.
Ich ließ die Rose im selben Moment los, da ich meinen eigenen Blick in dem ovalen und in Gold eingefassten Wandspiegel auffing. Im ansonsten leeren Flur hatte ich ihn gestern erst selbst angebracht. Die Hexenrunen erschienen auf meinem Gesicht und leuchteten rot, ehe sie verblassten und endgültig verschwanden. Auch meine Augen hellten sich wieder zu einem deutlich gewöhnlicheren Grün auf, als es das Rot noch vor wenigen Sekunden gewesen war. So blieb das einzig Extraordinäre an meiner Gestalt mein dunkelblaues Haar, das ich heute zu einem Zopf geflochten und mit Freesien geschmückt hatte. Mein Hexenmal. Eine Abgrenzung von normalen Menschen, das sich bei Strega im Laufe der Teenagerzeit festsetzte. Bei mir war es blaues Haar, bei meiner Schwester Marina war die rechte Pupille milchig weiß. Mom wuchsen zwei kleine schwarze Hörner aus der Stirn, und Dads Lippen wurden in der Mitte von einem schwarzen senkrechten Strich geteilt, als hätte er ihn sich tätowieren lassen. Doch nein, all die unterschiedlichen Male waren eine Manifestation unserer Andersartigkeit. Wir waren Strega, und wir waren stolz darauf, keine Menschen zu sein.
Selbst wenn wir dafür gejagt wurden.
Mich abwendend betrachtete ich meinen Daumen. Er blutete nicht länger. Die Wunde war kaum noch sichtbar. Die Rose steckte ich wieder hinter das rote Stoffband an der Wand, das mit Nägeln befestigt war. Es ließ den Stein weniger karg wirken. Danach klopfte ich an der robusten Tür neben mir an. Das Metall ließ das Geräusch hoch und unnatürlich klingen. Ich hörte Marinas gedämpfte Stimme, ehe ich eintrat.
Es tat mir immer noch leid, dass ihre Hochzeit mit Micah in einer heruntergekommenen Fabrikhalle stattfinden musste. Wegen Sicherheitsbedenken hatten wir die ursprüngliche Location, einen richtigen Ballsaal, kurzfristig ändern müssen. Doch Strega waren schon lange nicht mehr sicher, und Hunter lauerten überall.
»Wow, du siehst wunderschön aus«, sagte ich anstelle einer Begrüßung. Sofort wurde mein Blick von ihr angezogen, obwohl ich den kargen Raum durchaus bemerkt hatte. Wir hatten am Morgen in aller Eile bloß mit Nadeln ein paar Stofftücher aufgehängt und Rosen und Laternen verteilt, um die nackten Wände zu verhüllen. Doch es blieb ein kläglicher Versuch, die Location in einen märchenhaften Ort zu verwandeln. Als hätten wir aus einem Frosch einen Prinzen machen können. Manche Dinge gab es eben nur in Geschichten.
Marina wäre aber nicht Marina gewesen, wenn sie sich von so etwas hätte die Laune verderben lassen.
»Das Korsett sitzt zu eng«, stöhnte sie. Sie stand auf einem kleinen, kreisrunden Podest und betrachtete sich in einem hohen Spiegel.
»Ist das nicht die primäre Eigenschaft eines Korsetts?« Ich verdrehte die Augen.
»Kannst du nicht zumindest heute nett zu deiner älteren Schwester sein, Sophia?«, fragte Mom mit einem Lächeln. Sie meinte es nicht so.
Okay. Vielleicht zu … neunzig Prozent. Alles in allem verstanden wir uns ausgesprochen gut. Marina und ich. Sogar so gut, dass ich mich nicht nur für sie freute, sondern auch traurig war, dass sie von zu Hause ausziehen würde.
Sie war erst zwanzig und ich sechzehn. Meiner Meinung nach hätten wir noch ewig lang Zeit gehabt, uns zu verlieben und zu heiraten. Doch nicht Marina. Nein. Sie hatte Micah gesehen, und damit war das Schicksal besiegelt gewesen.
»Ich überleg’s mir mal«, murmelte ich, ehe ich mich auf den Hocker neben Mom setzte. So wie ich trug sie ein blassblaues Kleid, das ihr schwarzes Haar blau schimmern ließ. Fast so, als würde sie mein Hexenmal teilen. Ihre Hörner standen jedoch deutlich hervor. In einer geschlossenen Gesellschaft wie dieser hier konnte sie sich unverhüllt zeigen. Und das, obwohl Micah ein Mensch war. Marina hatte ihn vor einem halben Jahr in unser Geheimnis eingeweiht, und zu meiner Überraschung war er nicht schreiend davongelaufen. »Aber du bist eine Strega, Marina, mach dir das Korsett doch so, wie du es haben willst.« Ich konnte den leicht verbitterten Unterton nicht unterdrücken. Er hatte sich wie immer ohne meine direkte Absicht hineingeschlichen.
»Du hast recht«, sagte Marina überrascht. Ihre Runen flackerten ganz sanft auf ihrem Gesicht und ihren entblößten Armen, ehe sie wieder verblassten. Sie atmete aus. »Ah, viel angenehmer.«
»Ich sehe keine Veränderung«, neckte ich sie, fügte aber aus einem Impuls heraus hinzu: »Du siehst perfekt aus.«
Vielleicht entsprang dieser der Scham, dass ich selbst an ihrem großen Tag meine eigene Eifersucht nicht in den Griff bekam. Eifersucht, dass ich mit mentaler Magie gestraft war, während sie etwas so Einfaches und Nützliches vollbringen konnte, wie ihr Korsett lockerer zu hexen. Ohne große Anstrengung. Dazu fähig, mehrere Elemente präzise zu vereinen.
»Danke, Soph.« Sie lächelte mich durch den Spiegel an. »Du siehst auch bezaubernd aus.«
»Natürlich, du hast ja die Kleider für Mom und mich selbst ausgesucht«, gab ich lachend zurück.
»Sophia«, ermahnte mich Mom mit einem Schmunzeln. Sie blickte von ihrem Smartphone auf. »Es wird Zeit, Kinder.«
»Mom, ich heirate. Ich bin kein Kind mehr«, beschwerte sich Marina.
»Für mich werdet ihr immer Kinder sein. Selbst wenn ihr eines Tages alt und runzelig seid.« Mom ging zu ihr und hauchte einen Kuss auf ihre Wange, um das Make-up nicht zu ruinieren. »Sophia, kannst du deinen Vater holen?«
»Okey dokey. Viel Glück, Marina.« Ich zog eine Grimasse.
»Du wirst mich noch vermissen, Soph. Dann bereust du, dass du mich so aufgezogen hast.«
»Das ist doch bloß ein Zeichen dafür, dass du mir fehlen wirst.« Ich lächelte. »Hab dich lieb, Marina.«
»Ich dich auch! Und schau bitte nach, dass Micah nicht umgekippt ist. Er war gestern schon so nervös.«
Kopfschüttelnd trat ich in den kalten Flur. Obwohl draußen sommerliche Temperaturen herrschten, reichte die Hitze nicht bis ins Innere der Halle. Dad zufolge war das ein Zeichen dafür, dass es hier für uns alle sicher war. Viele starke Wände. Keine unbewachten Ausgänge und ein Fluchtweg, von dem nur wir wussten. Einer, der in das undurchschaubare Shanghai-Tunnelsystem in Portland führte. Das auch jetzt noch – Jahrzehnte nach seiner Entstehung und Nutzung als Schmuggleroute – nicht gänzlich in den Plänen der Stadt erschlossen worden war. Der Name Shanghai wurde zurückgeführt auf das vermeintliche und nicht belegbare »Shanghaien« von Leuten. Es beschrieb die zwielichtige Methode, bei der meistens Männer entführt und zur Zwangsarbeit auf Schiffen gezwungen wurden. Oft mit dem Ziel Shanghai.
Das hier war also der perfekte Ort, um heimlich zweihundert Strega zu versammeln. Etwas, das in jüngster Vergangenheit unter allen Umständen vermieden worden war. Doch mit Marina hatte sich etwas verändert. Seit dem Ableben unserer letzten Königin vor zwanzig Jahren galt sie als talentierteste Strega. Aus diesem Grund und weil sie voller Herzensgüte war, sah mein Volk zu ihr auf, als wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie uns aus den Schatten führte.
Schatten, in die wir von den Huntern gedrängt wurden. Sie machten Jagd auf uns einzig, weil wir Magie wirken konnten. Wir waren keine Gefahr für Menschen. Nicht mehr. Menschliche Opfer waren schon seit mehreren Generationen verpönt. Wir wollten nur leben. Einfach leben. Das würden die Hunter allerdings niemals zulassen.
Der Geräuschpegel von zweihundert Hochzeitsgästen war nicht zu unterschätzen. Ich konnte kaum meine eigenen Gedanken hören, als ich die große Halle betrat, die von mehreren Dutzend Kerzen erhellt wurde. Das Kerzenlicht war eine hervorragende Idee gewesen, schließlich hüllte es all die schmutzigen Ecken und Kanten der Location in romantische Schatten. Wir hatten beigefarbene Stabkerzen aus dem Discounter besorgt, die fürchterlich tropften. Doch das sich auftürmende Wachs trug zur Romantik bei. Das, was nicht von den Schatten verhüllt wurde, hatten wir dann in beeindruckender Zusammenarbeit geschmückt. Insbesondere die Gewächse, nicht nur Blumen, sondern auch grüne Topfpflanzen halfen, dem Inneren ein angenehmes und vor allem nicht totes Ambiente zu verleihen.
Mehrere parallel aufgestellte Stuhlreihen ließen mittig einen Gang frei, auf dem Dad vorhin noch einen cremeweißen Teppich ausgerollt hatte. Darauf würde sich Marina in ihrem dunkelroten Kleid wie auf einer Leinwand abheben.
Es gab keine Band, doch einer meiner Cousins hatte sich bereit erklärt, die Rolle des DJs zu übernehmen. Ich nickte ihm im Vorbeigehen an seinem Pult zu, und er salutierte grinsend. Eine Anspielung auf unsere Kindheit, in der wir ständig Hunter gegen Strega gespielt hatten. Obwohl wir nicht viel mehr über die Hunter wussten, außer dass sie unseresgleichen töteten, hatten wir sie uns immer wie böse Soldaten vorgestellt.
»Dad, du sollst zu Marina und Mom«, sagte ich zu meinem Vater, der in der vordersten Reihe Platz genommen hatte. Er trug einen schwarzen Smoking mit Fliege. Sein Schnauzbart zitterte vor Aufregung, nachdem er aufgesprungen war. Dadurch wurde sein Hexenmal – der schwarze senkrechte Strich – fast vollständig verdeckt. Hektisch prüfte er die Zeit auf seiner teuren Taschenuhr.
»Oh, es ist schon so weit. Natürlich. Mein Einsatz.« Er küsste meine Stirn und eilte dann den Teppich entlang.
Ich sah ihm noch einen Moment hinterher. Nicht nur für die Gesellschaft der Strega war Marina ein Stern an dem ansonsten schwarzen Firmament, auch meine Eltern wurden von ihrem Leuchten eingefangen. Es war keine Eifersucht, die da aus mir sprach. Wenn überhaupt war ich diejenige, die am meisten davon profitierte. Da ich anders als die meisten Strega mit Mentalmagie gesegnet war, wäre ich normalerweise mit Nichtachtung gestraft worden. Einzig, weil ich Marinas jüngere Schwester war, akzeptierte man mich. Dadurch schienen die meisten die Tatsache zu ignorieren, dass ich invasive Magie wirken konnte. In unseren Kreisen wurde Elementarmagie in den Himmel gelobt, aber wehe, jemand konnte bei der Berührung eines Gegenstands Erinnerungen von anderen sehen. Jemand wie ich.
Ich musste nur etwas anfassen, und schon wallte meine Magie auf. Bilder fluteten meinen Verstand. Erinnerungen von anderen, die den Gegenstand zu irgendeiner Zeit berührt oder bei sich getragen hatten. Manchmal schwappten auch bloß einzelne Gedanken auf mich über. Intentionen. Gefühle. Nichts, das andere mit mir, einer Sechzehnjährigen, teilen wollten.
»Sophia«, sagte Gramps, der Vater meines Vaters. Er drückte mich zur Begrüßung kurz an seine kräftige Gestalt, und ich spürte, wie mich die Anspannung verließ. Gramps hatte mich nie anders behandelt. Im Gegenteil, es schien, als könnte er weniger mit Marina anfangen als mit mir, und das war wirklich einzigartig.
Gramps hatte sein langes weißgraues Haar ausnahmsweise zu einem Zopf geflochten, der zwischen seine Schulterblätter fiel. Abgesehen davon und dem langen, ebenfalls ergrauten Vollbart, sah man ihm seine zweiundsechzig Jahre kaum an. Er war rund zwanzig Zentimeter größer als ich, muskulöser als Dad und besaß einen sonnengeküssten Teint. Doch das, was im stärksten Kontrast zu seinem Alter stand, waren seine stechend grünen Augen. Gefühlt konnten sie mir bis in die Seele blicken, auch wenn er als Feuermagier nicht dazu fähig war. Zum Glück. Mom sagte oft, dass er sie Marina und mir vererbt hatte, doch ich fand meine Augen weniger einschüchternd.
»Hast du Micah gesehen?«, fragte ich ihn und blickte mich suchend um.
»Er hat die Halle gerade betreten.« Gramps räusperte sich. »Ich hoffe, du weißt, dass Marina nicht immer im Mittelpunkt stehen wird, Sophia.«
Wie so oft traf er mit seinen Worten genau ins Schwarze. »Alles gut. Ehrlich gesagt kann ich darauf verzichten, von allen begutachtet zu werden. Stell dir mal vor, sie würden sich eine Meinung über meine Haare bilden?« Ich zog eine Grimasse, während ich mit einer Hand über meinen geflochtenen Zopf strich, ohne die Freesien zu berühren. Es reichte, dass ich da in der Highschool durch musste. Diese Art von Be- und Verurteilung brauchte ich nicht auch noch in der Familie.
»Das wirst du schon aushalten«, sagte Gramps bloß, ehe Micah uns erreichte. Gramps nickte ihm zu und setzte sich dann schweigend auf einen Stuhl in der ersten Reihe.
»Hey, Kleine.« Micah drückte mich kurz an seine Seite. Er war einen Kopf größer als ich und muskulös, wenn auch eher drahtig als breit. »Hast du Marina gesehen? Natürlich hast du sie gesehen. Du bist ja ihre Schwester und …«
»Okay, okay, beruhig dich«, bat ich ihn lachend. »Marina ist wunderschön und anwesend. Du bist … okay und anwesend. Alles wird gut.«
»Hey!«, beschwerte er sich humorvoll und lächelte schief, sodass sein Grübchen zu sehen war. »Nur okay?«
»Sorry, für die Komplimente musst du zu Marina.« Zur Überraschung aller hatte sich Micah ziemlich schnell von dem Schock erholt, dass es Hexen gab. Wahrscheinlich war er so in Marina verliebt, dass er auch kein Problem damit gehabt hätte, wenn sie ihm gestanden hätte, dass wir alle um Mitternacht Kumbaya sangen und tanzten. »Es geht gleich los. Wir sollten uns besser aufstellen.«
Im gleichen Moment positionierte sich Corinne vorne zwischen die beiden Messingstehleuchten. Sie würde die Zeremonie abhalten, wie sie es schon Dutzende Male zuvor für die meisten Paare getan hatte. Ich wusste nicht mal, ob es in Portland noch jemanden unter den Strega gab, der dazu befähigt gewesen wäre.
Micah stellte sich mir gegenüber auf die rechte Seite. Mit einer Hand fuhr er sich durch sein kurz rasiertes schwarzes Haar, ehe er seinen hellgrauen Schal richtete. Panisch fiel mir auf, dass ich den Blumenstrauß vergessen hatte. Doch schon wurde mir das Hortensienbündel von meiner Mutter gereicht. Nachsichtig sah sie mich an.
»Sorry«, formte ich lautlos mit dem Mund.
Mom setzte sich neben Gramps, als die Musik einsetzte, für die sich Micah und Marina entschieden hatten. Irgendein Stück aus dem Reign-Soundtrack. Romantisch, kitschig, perfekt.
Die Anwesenden verstummten, während sie aufstanden, um der Braut Ehre zu erweisen. Nur wenige Augenblicke später wurde die hintere Tür von zwei Kindern – entfernte Verwandte – aufgezogen. Ein Raunen ging durch die Menge, als Marina am Arm unseres Dads reingeführt wurde. Sie sah mit ihrem blonden, geflochtenen Haar noch schöner aus als vor wenigen Minuten. Wie war das möglich?
Ich warf einen Blick auf Micah, der die Augen nicht von ihr abwenden konnte. In seinem cremefarbenen Anzug mit dem Schal, der seine Augen betonte, passte er zu Marinas Erscheinung wie die Faust aufs Auge oder so. Ich hatte noch nie eine außerordentlich romantische oder poetische Ader besessen.
Schließlich näherte sich uns Marina, und ich konnte erkennen, dass auch sie von der Liebe, die sie für Micah empfand, überwältigt wurde. Mein Herz schlug schneller und schneller, als wollte es den Empfindungen entfliehen. Ich fragte mich im hintersten Winkel meines Seins, wie es wohl wäre, so stark zu fühlen. So viel für eine andere Person zu empfinden, die nicht mit einem selbst verwandt war.
Dann wurde mit einem Mal ebenjenes Sein vollkommen und unwiderruflich erschüttert.
Das Erste, was ich wahrnahm, waren etliche Explosionen im Raum – wie durch Rauchbomben verursacht. Das gehörte definitiv nicht zur Zeremonie. Dichter Qualm breitete sich aus und stach in meiner Nase. Rufe wurden laut, doch noch klangen sie irritiert und verwirrt. Nicht ängstlich, nein. Die Angst kam zusammen mit den Dutzenden Huntern, die es durch unsere Schutzbanne geschafft hatten. Schwarze kampftaktische Kleidung, mit Tüchern verhüllte Gesichter und überall Waffen.
Ich war wie erstarrt. Sie kamen aus allen Richtungen. Seilten sich von den Fenstern an der Decke ab und stoben durch drei der vier Türen der Halle. Das Geschrei wurde so laut, dass es in meinen Ohren schmerzte.
»Soph! Sophia!«, rief Mom, doch ich konnte sie in dem Rauch nicht erkennen. Ihre Stimme zu hören, gab mir aber die Kraft, mich aus meiner Versteinerung zu lösen.
Ich stolperte über einen Körper, als ich versuchte, zu Marina zu gelangen. Der Qualm umhüllte mich. Meine Knie trafen auf Corinnes Beine, wie ich einen Moment später erkannte. Meine Sicht reichte gerade so aus, dass ich ihre schwarze Robe erkennen konnte.
»Corinne!«, rief ich und schüttelte sie, nachdem ich von ihr abgerückt war. »Corinne!«
Ich ertastete ihr Gesicht, nur um meine Fingerspitzen in ihr Blut zu tauchen. Sie rührte sich nicht. Corinne war tot. Ihr Herz schlug nicht. Stille echote in ihrem Brustkorb.
»Nein. O Mondgöttin«, wisperte ich, während alles um mich herum unterging.
Ich spürte das Knistern von Magie. Hörte das Knirschen von Feuer und Metall. Mein Volk wehrte sich, aber schon jetzt wirkte der Verlust dieses hinterlistigen Angriffs immens.
Tränen schossen mir in die Augen.
Marina.
Mom.
Dad.
Gramps.
Und dann stand ich einem von ihnen gegenüber. Einem Hunter. Da er ein Tuch vor Mund und Nase trug, konnte ich nur die braunen Augen erkennen, um die herum sich kleine Fältchen gegraben hatten. Er trug eine Schutzweste über der dunkelblauen Uniform, und in seinen Händen hielt er ein geriffeltes Messer gegen mich gerichtet.
Er wird mich töten, schoss es mir durch den Kopf. Wahrscheinlich erwartete er einen intensiven magischen Angriff von mir, doch ich wusste nicht, wie. Ich hatte keine Ahnung.
In der Sekunde, in der er sich auf mich stürzte, setzte jedoch mein Überlebensinstinkt ein. Magie wallte von ganz tief in mir drin auf, und ich konnte sehen, wie die Runen auf meinen Armen erschienen und aufleuchteten. Ich konnte weder Feuer noch Metall wirken, aber ich konnte mir selbst Kraft verleihen. Und so packte ich den Hunter an den Unterarmen, bevor die Messerspitze sich in meine Brust bohren konnte.
Er riss die Augen auf. Jedoch erlaubte ich uns beiden keine Zeit zum Durchatmen. Ich drehte seine Hände und stieß die Waffe in seinen eigenen Hals, noch bevor ich realisierte, was ich da tat. Blut spritzte und quoll dann auf meine Hände über. Erschrocken löste ich meinen Griff und stolperte zurück. Wieder Corinnes Körper. Dieses Mal hielt ich mich aber auf den Beinen.
Der Rauch war durchlässiger geworden.
Nicht über das Geschehen nachdenken.
Ich musste in dem Chaos meine Familie finden. Ich musste …
»Sophia!« Es dauerte einen Moment, ehe ich Gramps zwischen den umgeworfenen Stühlen fand. Sein Zopf hatte sich aufgelöst, und Strähnen seines Haars hingen ihm wirr in die Stirn. Blutspritzer zierten seine Schläfe und … Ich schluckte, ehe ich auf ihn zueilte. Die Freesien fielen in mein Gesicht, und ich riss sie mir ungeduldig aus den Haaren.
Nachdem ich Gramps erreicht hatte, kümmerte ich mich darum, die Blutung an seinem Oberschenkel zu stoppen. Ich riss den Stoff meines Rocks auseinander und presste ihn darauf. Gramps verzog das Gesicht, während um uns herum die Kämpfe weitergingen.
»Wir müssen hier weg«, sagte er. »Zum Fluchtweg.«
»Aber Mom und Dad und Marina und …«, schluchzte ich. Mit dem blutigen Handrücken wischte ich mir über die tränenden Augen.
»Sie sind …« Er schluckte schwer.
»Nein.« Ich weigerte mich, das zu glauben. Irgendwo mussten sie sein. Lebendig. »Ich werde sie finden und …«
»Sophia, sieh mich an. Sieh mich an!« Ich konnte der Autorität in seiner Stimme nicht entfliehen und gehorchte. »Wir können nichts für sie tun. Für niemanden. Entweder retten sie sich selbst, oder sie versuchen, uns zu retten und begeben sich dadurch in Gefahr. Willst du das?«
Ich schüttelte den Kopf. Er hatte recht. Natürlich hatte er das. Doch wie sollte ich einen Schritt ohne sie tun?
»Aber wenn sie unsere Hilfe brauchen …«, wandte ich ein, als eine Hitzewand auf uns zukam. Gramps hob eine Hand, und seine Runen erschienen. Die Temperatur sackte ab, war nicht länger tödlich.
»Solange der Rauch da ist, haben wir eine Chance, Sophia.«
Ich blickte von seinem schmerzverzerrten Gesicht nach oben und um mich herum. Er hatte recht. Wie durch ein Wunder war niemand anderes auf uns aufmerksam geworden. Und dann sah ich Marina. Sie blickte direkt in das Auge ihrer Kontrahentin, als diese zustach. In ihren Bauch. In ihre Brust.
»Nein!«, schrie ich. »Marina!«
Sie hörte mich nicht oder sie konnte nicht mehr reagieren. Das Letzte, was ich sah, war der leere Ausdruck in ihren Augen. Dann wurde sie im Fallen von dem Rauch verschlungen, und die weibliche Hunter fixierte mich mit ihrem tödlichen Blick. Ihre Tuchmaske verrutschte, als sie von einem Hunter angerempelt wurde. Sie war ungefähr so alt wie Mom, aber umso vieles brutaler.
»Sophia!«
Gramps hatte es geschafft aufzustehen. Die Blutlache, die sich um ihn ausgebreitet hatte, sickerte jedoch als Erkenntnis in meinen Verstand. Er würde es nicht allein schaffen. Und ich hatte ihnen allen mit meiner Mentalmagie nichts zu bieten.
Ich war eine Bürde und keine Hilfe. Ein letztes Mal sah ich in die Richtung der Hunter, doch sie hatte sich in den nächsten Kampf gestürzt.
Weinend und verzweifelt stützte ich Gramps mit einem Arm um seine Mitte. Ich dachte nicht mehr nach. Konnte nicht nachdenken. Niemand sollte sich in einer Situation wie dieser hier befinden. Es war unfair. Bösartig. Gemein.
Gramps übernahm die Führung. Er war es auch, der einen der Hunter mit seinen immer schwächer züngelnden Flammen von uns fernhielt.
Kurz bevor wir die geheime Tür – unseren Fluchtweg – erreichten, bekam ich Hilfe von einem anderen Strega. Ich kannte ihn nicht, aber er hielt an und übernahm Gramps’ Gewicht. Ich öffnete die Tür hinter dem Seidenvorhang und überließ ihnen den Vortritt, während mein Blick durch die Halle schweifte.
Blut. Gewalt. Tod.
Ich blieb stehen, als weitere Strega folgten. Sie flüchteten, weil hier nur der Tod wartete. Aber ich konnte nicht. Ich konnte nicht gehen.
Auch nicht, als sich der Rauch lichtete, obwohl die Kämpfe andauerten. Der Boden bebte. Die Betonwand auf der anderen Seite bekam Risse. Glas von den Dachfenstern zersplitterte um uns herum.
Das war der Moment, als ich Mom und Dad sah. Sie lagen weit voneinander entfernt und doch einander zugewandt. Selbst im Tod liebten sie sich. Selbst im Tod konnte sie nichts trennen.
Warum …
Jemand packte meine Hand und zog mich in den kalten schwarzen Gang. Ich wehrte mich, doch andere folgten und drückten mich voran. Ein weiteres Beben.
»Die Halle stürzt ein!«, schrie jemand in mein Ohr.
»Alle in den Tunnel. Sofort!«
Ich gehorchte. Ich tat, was sie von mir wollten. Ich reagierte. Aber mein Herz war gebrochen. Mein Leben unweigerlich zerstört. Nichts würde mehr so sein wie noch an diesem scheinbar perfekten Sommermorgen.
Regen prasselte unermüdlich gegen die Scheibe. Ich saß im Taxi, das halsbrecherisch durch die grauen Straßen von Portland kurvte. Dabei hatte ich es gar nicht so eilig. Mir blieben noch ein paar Minuten Schonfrist, ehe ich mich wie ein trojanisches Pferd in die Festung des Feindes begeben musste. Und diese wollte ich auskosten.
Denn gleich würde ich entweder förmlich von Huntern auseinandergerissen werden oder – und die Chance dafür war kleiner – meine Tarnung würde nicht aufgedeckt werden, und ich müsste wochenlang verhüllen, wer und was ich war. Die vergangenen sieben Jahre Vorbereitung und Mühe würden sich auszahlen, und ich würde erfolgreich den Hauptstützpunkt der Hunter infiltrieren. Wichtig war, dass ich Informationen sammelte, die den Strega nützlich wären. Damit wir uns endlich aus dem Klammergriff der Hunter befreien konnten. Wir wollten nicht länger abwarten. Wir wollten aktiv sein.
Ich konnte selbst kaum glauben, dass es endlich so weit war. Trotzdem, ich hatte mich tagtäglich auf diesen Job vorbereitet. Weil dies die einzige Lösung war. Der einzige Weg, um den Strega zu helfen. Mir selbst zu helfen, einen Teil der Schuld loszuwerden, die auf meinen Schultern lastete.
»Sind Sie sicher, dass das die richtige Adresse ist?«, fragte die Fahrerin schließlich doch. Sie trug eine Ballonmütze, weshalb ich ihre Augen durch den Rückspiegel nicht erkennen konnte. Der Schirm warf einen Schatten auf ihr Gesicht.
Ich löste meine Schläfe von der kühlen Autoscheibe, um mich umzusehen.
Wir hatten das nordwestliche Ende von St. Johns erreicht, das auf der einen Seite vom Willamette River und auf der anderen vom Columbia River eingerahmt wurde. Hier, an den Ausläufern des Seehafens von Portland, gab es nicht viel zu sehen, außer man interessierte sich für die architektonischen Feinheiten von Fabrikgebäuden.
Die Fahrerin hielt vor einem grauen Kasten, dessen Konturen im Regen verschwammen. Auch die weiße Schrift auf dem schwarzen Hintergrund des Schildes ertrank in dem gelblichen Schein der Straßenlaternen. Ich wusste aber, was darauf geschrieben stand.
FAULKNER’S HUNTING EQUIPMENT & CO
Was für ein schlechter Witz, dass die Hunter diese Fabrik als geheimen Stützpunkt nutzten. Wahrscheinlich klopften sie sich gegenseitig auf die Schultern dafür, dass sie sich einen derartigen Scherz erlaubten. Sie waren schließlich Jagende. Nur verkauften sie kein Equipment und machten nicht Jagd auf Wild, sondern auf Hexen.
»Wir sind genau richtig«, kam meine späte Antwort, während ich die Fahrt bezahlte. Sicherheitshalber hatte ich für den Weg zwei verschiedene Taxis benutzt und war zwischen den beiden Strecken noch ein gutes Stück gelaufen. Sollte meine Mission so früh schon scheitern, war es unabdinglich, keine Spuren zu hinterlassen, die zu meinem Zirkel führen würden.
Ich packte die Dufflebag und stieg in den strömenden Regen aus, der mein jetzt schwarzes Haar sofort durchweichte. Die neue Haarfarbe war nur eine minimale Veränderung im Gegensatz zu den anderen.
Als ich die Tür zuschlug, erhaschte ich einen kurzen Blick auf meine Spiegelung im Autofenster. Fast wäre ich vor Schreck zusammengezuckt. Ich hatte mich noch nicht an mein neues Gesicht gewöhnt.
Waren meine Augen vorher rund, meine Nase gerade und mein Gesicht herzförmig gewesen, so befand sich nun eine eigenartige Stärke in jeder Kante und Kurve. Ein ovales Gesicht mit einem spitzen Kinn, schmalere Lippen und eine größere, leicht schiefe Nase. Allein die Farbe meiner Augen war geblieben. Die andere Sophia, die Sophia, deren Gesicht ich magisch gestohlen hatte, besaß eine ähnliche Augenfarbe. Ein helles Blau statt meines hellen Grüns, das sich je nach Lichtverhältnissen veränderte.
Das Taxi fuhr davon, und damit verlor ich meine letzte Fluchtmöglichkeit.
Nicht, dass ich jetzt einen Rückzieher machen würde. Auf keinen Fall.
Ich hatte eine Mission, und diese würde ich bis zum Ende durchziehen.
Passend zu dem tristen Gebäude wirkte die Straße leer und verlassen. Ich wusste aber, dass hinter dem Regenschleier noch Dutzende andere Hallen in der Tiefe des Hafens verborgen waren. Doch nach unserer Kenntnis hatten sie keine Verbindung zu den Huntern. Sicher konnte ich aber erst sein, sobald ich deren Gemeinschaft infiltriert hatte und an geheime Informationen gelangt war. Ich würde alles herausfinden, was von Belang wäre.
Die Schultern straffend ging ich auf den unscheinbaren Eingang zu: eine Metalltür mit einem Schild, auf dem stand, dass ungebetene Gäste vom Gelände gejagt wurden. Überraschung!
Ich öffnete die Tür und trat in das dämmrige, aber trockene Innere. Bevor ich sie wieder schließen konnte, schlüpften zwei Gestalten mit dunklen Regenponchos hinter mir hinein. Lachend. Atemlos.
Sie wirkten seltsam glücklich, doch sofort schreckte ich vor ihnen zurück.
Hunter, schoss es mir durch den Kopf. Mein ganzes Sein wurde in Alarmbereitschaft versetzt.
Flucht. Flucht. Flucht.
Aber nein. Ich musste stehen bleiben. Sie konnten mich nicht als das erkennen, was ich war. Für sie war ich bloß eine weitere Hunter.
Mit geballten Fäusten blieb ich stehen und beobachtete sie.
Sie beachteten mich nicht weiter, weshalb ich mich sammeln konnte, ohne selbst gemustert zu werden. Ich folgte ihnen nach einem Moment zähneknirschend durch den Gang, bis wir eine Art Rezeption erreicht hatten. Hinter der halbrunden Theke saß ein Mann in den mittleren Jahren mit stylisher schwarzer Brille und Krawatte.
Ich war so langsam gegangen, dass er das Gespräch mit den beiden Typen vor mir bereits beendet hatte. Sich leise unterhaltend steuerten sie einen Fahrstuhl neben der Theke an. Abgesehen davon gab es noch einen sich anschließenden Flur sowie eine Treppe, die in das obere Stockwerk führte.
»Ja?« Der Hunter – ich nahm an, dass er dazugehörte – sah mich gelangweilt über seine Brille hinweg an. Mit dem Kugelschreiber tippte er auf das Leerzeichen seiner Tastatur.
»Ich bin Sophia … Thornfield. Anna Sophia Thornfield«, sagte ich. Beinahe hätte ich ihm meinen richtigen Nachnamen genannt.
Wenn ich mich nicht zusammenriss, könnte ich die Mission direkt aufgeben!
»Ah.« Er tippte nun wirklich etwas in seinen Computer, der ein paarmal piepste, dann sah er vom Bildschirm auf mich und wieder auf den Bildschirm. Ich wusste ganz genau, dass die Täuschung funktionierte. Trotzdem wurde ich nervöser, je länger er brauchte. »Hier haben wir dich. Alles klar. Deine ID, mit der du Zugang zu den unteren Stockwerken erhältst. Begib dich auf Level Minus drei. Halte dazu die Karte an den Scanner im Fahrstuhl. Alles Weitere wird unten erklärt. Willkommen in den Staaten und viel Erfolg!«
Zum Glück war mir der Londoner Akzent in meiner Aufregung nicht abhandengekommen. Die richtige Thornfield war nämlich frisch aus England angereist. Das war einer der Hauptgründe, weshalb ich ihre Identität hatte annehmen können. Niemand aus Portland war ihr je begegnet, und das Einzige, das die Hunter von ihr besaßen, waren ihre ID und die Akte, die unsere IT-Spezialisten online abgefangen und modifiziert hatten. Es war jedoch zu heikel gewesen, ihr Foto durch meines zu ersetzen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass jemand aus England Nachforschungen anstellte, ob ich … Sophia gut angekommen war.
Meines Wissens hatte sie um Versetzung gebeten, nachdem ihr Bruder und einziger Verwandter bei einem Angriff getötet worden war. Sie war wohl von Trauer überwältigt worden. Gramps hatte sie am Flughafen abgefangen und entführt. Während sie nun in unserer Gefangenschaft war, spielte ich für sie die Hunter.
»Danke.« Ich nahm die ID-Karte an, die an einem schwarzen Schlüsselband befestigt war.
Mit steifen Gliedern und noch immer durchnässt wartete ich auf den Fahrstuhl. Zu meinem Unglück schlossen sich gleich zwei weitere Hunter an, die dem Empfangstypen bloß ein Hallo zuriefen. Sie waren also von hier.
»Du bist neu, oder?«, fragte die weibliche Hunter beim Einsteigen. »Willkommen! Mein Name ist Destry Terrell, und das ist Lysander Heath. Oder auch Lys. Er kann seinen vollen Namen nicht ausstehen.«
Lys war riesig. Seine Körpergröße an sich wirkte nicht mal ungewöhnlich, aber seine Schultern waren gefühlt viermal so breit wie meine, und ich war nicht unmuskulös. Dafür hatte Gramps gesorgt. Lys’ schiefes Lächeln und die schelmisch glänzenden Augen standen jedoch in starkem Kontrast zu seiner körperlichen Überlegenheit.
Meine Glieder kribbelten unangenehm. Während mein Verstand längst verarbeitet hatte, dass ich gerade dabei war, das Schlangennest zu betreten, hinkten meine Emotionen hinterher. Etwas, das ich besser im Griff haben sollte.
»Freut mich«, sagte Lys und streckte mir seine gigantische Pranke hin.
Ich blickte nicht herab, ehe ich mich von ihm abwandte und meine ID-Karte vor den Scanner hielt. Destry drückte auf den richtigen Knopf, als wären wir ein eingespieltes Team.
Weder sie noch Lys schienen vor den Kopf gestoßen. Anders als ich. Sie wirkten entspannt. Gelöst und frei. Wie war das möglich? Ihr Alltag bestand daraus, sich zu überlegen, wie sie die nächsten Hexen abschlachten konnten. Wo war da Platz, um sich glücklich zu fühlen?
Im Gegensatz zu Lys war Destrys Haut weiß wie Schnee. Das war jedoch nicht das Außergewöhnliche an ihr. Nein, ihr langes weißblondes Haar, das sie teilweise zu Zöpfen geflochten trug, war beeindruckend. Wäre sie eine Strega gewesen, hätte diese Farbe gut ihr Hexenmal sein können. So wie mein eigentlich blaues Haar.
»Bist nicht so redselig, hm?«, hakte Destry augenzwinkernd nach, die den Wink mit dem Zaunpfahl wohl nicht verstanden hatte. »Nervös? Sei unbesorgt, hier läuft alles ab wie bei euch sicher auch. Wo kommst du noch mal her?«
»London«, antwortete ich, nur damit sie eine Pause machte. Ich bekam Kopfschmerzen vom Zuhören. Nicht weil ihre Stimme so unangenehm war, sondern weil ich durchgehend darüber nachdenken musste, dass sie meinesgleichen tötete. Einfach so.
Bei der Mondgöttin, ich musste mich konzentrieren.
»Oh, eine Engländerin! Faszinierend.« Ich sah sie nicht an, aber ich konnte das Lächeln aus ihrer Stimme heraushören. Genervt zupfte ich an dem Gurt meiner Dufflebag, als wir endlich das richtige Stockwerk im Untergrund erreichten.
Mit einem Pling glitten die Türen auseinander und offenbarten einen nichtssagenden Flur. Graue Steinwände, Deckenstrahler und eine einzige Sicherheitstür am Ende. Kurios.
»Wenn es sich gleich komisch anfühlt, keine Sorge, das ist nur unser Magiedetektor«, sagte Lys, der die Gurte seines Rucksacks festzog. Erst jetzt bemerkte ich, dass auch Destry eine Tasche dabeihatte. Obwohl sie sich auskannten, schienen sie bisher nicht hier übernachtet zu haben.
Ich beging den Fehler, ihn und Lys beim Hinausgehen anzusehen, und er grinste zur Aufmunterung, als wären wir Freunde.
Bastard.
Auch wenn ich von dem Magiedetektor wusste, fühlte ich die Nervosität in mir aufsteigen. Abgesehen von meiner magischen Maske, die nach all den Monaten des Herumexperimentierens mit anderen Gesichtern makellos war, trug ich noch ein Medaillon. Es half mir dabei, die sogenannte Aufwallung von Magie in mir zu unterdrücken. Es geschah nicht selten, dass Strega, die emotional aufgewühlt waren, plötzlich ihre Hexenrunen offenbarten. Meine Selbstkontrolle war zwar unantastbar, doch Gramps und ich hatten nichts dem Zufall überlassen wollen. Es gab keinen Raum für Fehler. Nicht hier.
»Passiert es denn öfter, dass Strega versuchen, sich einzuschleichen?«, fragte ich möglichst beiläufig.
»Was? Strega? Nein.« Destry lachte, als sie zu mir aufschloss. »Es kommt bloß mal vor, dass wir von einem Fluch getroffen werden.«
»Oder sie versuchen, ein magisches Objekt bei uns einzuschleusen«, fügte Lys hinzu.
Als ich zu einer Erwiderung ansetzte, überkam mich ein eiskalter Schauer. Der Detektor prüfte mich und … schlug keinen Alarm.
Ich konnte mir ein triumphierendes Lächeln nur gerade so verkneifen.
Gramps hatte noch während meiner Ausbildung mit Luca, seiner rechten Hand, daran gearbeitet, eine magische Maske zu kreieren, die so perfekt saß, dass sie keine Schwingungen aufwies. Keine Spur hinterließ. Das Medaillon war die kleinste Sorge gewesen, da es tatsächlich Magie aufsaugte und verschwinden ließ. Es war ein Artefakt, das Hunter in ähnlicher Form für ihre eigenen Uniformen benutzten, weshalb ich nicht mit einem Problem gerechnet hatte.
»So, das war’s schon. Ich bin gespannt, was uns jetzt erwartet.« Weder Destry noch Lys hatten sich etwas anmerken lassen. Für sie war es alltäglich, überprüft zu werden.
»Ihr seid doch von hier, oder nicht? Wisst ihr es nicht?« Obwohl ich am liebsten geschwiegen hätte, musste ich mir einen Überblick verschaffen.
Wir hatten in der Vergangenheit für jede Information aus den Reihen der Hunter kämpfen müssen. Mein Wissen reichte lediglich bis zu dem Punkt, an dem neue Rekruten trainiert und Partnern zugeteilt wurden.
»Wir sind auch nur Rekruten«, stellte Lys nicht unhöflich klar. »Meistens werden wir von dem Regelbetrieb ferngehalten, bis wir die Ausbildung abgeschlossen haben.«
»Und unsere Vorgesetzten sind hier ziemlich zugeknöpft.« Destry lachte. »Aber zumindest ist klar, dass wir auf Herz und Nieren geprüft werden. Schauen wir mal, was das beinhaltet.«
Sie öffnete die Tür. Ich überließ ihr und Lys den Vortritt, damit sie meinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnten, falls etwas Überraschendes geschah. Natürlich würden mir für viele Situationen, in denen ich mich möglicherweise nicht für sie nachvollziehbar verhielt, Ausreden einfallen, doch es war von Vorteil, es gar nicht erst dazu kommen zu lassen.
Zuerst fiel mir der schwarze Boden auf. Er war so glänzend poliert, dass sich das elektrische Licht an der Decke genauso spiegelte wie alle Personen und Gegenstände im Raum.
Die meisten Anwesenden tummelten sich um ein Podest herum, auf dem sich ein Rednerpult neben einem großen Bildschirm befand. Auf dem Display flimmerte das Symbol der Hunter auf schwarzem Hintergrund: ein Schwert, das durch eine Krone stößt. Darunter waren ein H und ein P verbunden. »H« stand für Hunter und »P« für die Portland Division. Jede größere Division hatte ihr eigenes Symbol. Ich wusste aber, dass Portland zudem noch eine Besonderheit aufwies. Seit der Hunter Arlo Blackburn zum General aufgestiegen war, wurden die ausgebildeten Hunter zusätzlich mit einem »B« markiert.
Er und narzisstisch? Pff!
Es herrschte eine ausgelassene Energie, derer sich Destry und Lys problemlos anschlossen. Abgesehen von mir schien sich niemand fehl am Platz vorzukommen. Alle unterhielten sich angeregt und laut. Eine feste Gemeinschaft.
Ich legte meine Dufflebag zu den anderen Taschen an der blanken Wand neben dem Fahrstuhl ab, ehe ich mich zu der Gruppe begab. Ungefähr zwei Dutzend Rekruten. Männer und Frauen in gleicher Anzahl, soweit ich das beurteilen konnte. Manche trugen bereits die typischen blauschwarzen Uniformen, die meisten waren so wie ich gekleidet: Jeans, Pulli und Jacke. Vielleicht war ich nicht die Einzige, die neu hergekommen war. Natürlich nicht.
Gramps hatte mir gesagt, dass Portland mit Rekruten aufgestockt hatte im Vergleich zu den letzten Jahren. Sie wollten den Strega hier ein für alle Mal den Garaus machen.
Schön für sie.
Gut, dass ich das verhindern würde.
Ich musste die Fäuste an meinen Seiten lockern, als ich zu Destry und Lys aufschloss. Zum Glück hatten sie mich bereits als eine der Ihren akzeptiert, weshalb sie mich nicht weiter begutachteten und auch niemand um sie herum Fragen an mich stellte.
Abgesehen von den Fahrstühlen, befand sich die einzige Tür des Raums hinter dem Podest. Sie wurde geöffnet, als meine Armbanduhr genau 19 Uhr anzeigte. Die Gespräche verstummten augenblicklich. Ich merkte, wie ich mich komplett versteifte, als ich mich nun Kommandantin Blackburn gegenübersah, der Tochter des berüchtigten Generals Blackburn.
Ich schluckte. Natürlich hatte ich die Konfrontation kommen sehen. Vor ein paar Jahren hatte mir Gramps ein Foto von ihr gezeigt, und ich hatte sie wiedererkannt. Sie hatte Marina getötet. Dieses Miststück war an dem Überfall auf meine Familie beteiligt gewesen und hatte mein Leben zerstört.
Doch meine persönliche Rache musste warten.
Die Kommandantin erklomm mit tödlicher Eleganz das Podest. Sie war groß und athletisch, was durch die enge Uniform gut zur Geltung kam. Mehrere Auszeichnungen prangten auf ihrer Brusttasche. Ihr kurzes Haar hatte sie unter einer Kappe verborgen. In ihrem Gefolge befanden sich rund ein Dutzend fertig ausgebildete Hunter, ebenfalls in ihren Uniformen. Sie stellten sich hinter sie. Einer von ihnen fiel mir direkt ins Auge.
Benson Gray.
Der älteste Sohn der Kommandantin. Mein Feind. Meine Mission.
»Willkommen in der Portland Division der Hunter, Rekrutinnen und Rekruten«, begann die Kommandantin mit tiefer Stimme. Beim Sprechen ließ sie den Blick über die ungeordneten Reihen der Anwesenden schweifen. Ich atmete erst aus, als sie damit nicht an mir haften blieb. Auch sie schien ich zumindest aus der Ferne täuschen zu können. Solange ich keine Magie wirkte, würde ich nicht entdeckt werden. Das sollte nicht allzu schwer sein, oder?
»Mit großer Freude habe ich diesem Abend entgegengefiebert. Endlich können wir mit euch die stärkste und größte Division in ganz Amerika bilden. Es ist eine Premiere, dass sich so viele Hunter an einem Ort zusammenschließen, und wir haben dies zu großen Teilen General Blackburn zu verdanken. Unser General wird nicht müde, täglich daran zu arbeiten, die Welt von Strega zu befreien. Ausgeburten der Hölle, die genug Schaden angerichtet haben, indem sie Menschen für ihre Zwecke missbrauchen. Sie opfern, um noch mehr unnatürliche Macht zu erlangen. Es wird Zeit, sie auszulöschen.« Triumphierende Rufe erklangen um mich herum. Fäuste wurden in die Luft gereckt und Pfiffe ausgestoßen. Ich konnte gerade so an mich halten, nicht die Miene zu verziehen. »Dabei kommt ihr ins Spiel. Ihr seid die neue Generation, die unseren fertig ausgebildeten Huntern unter die Arme greift. Ihr werdet außerdem die Generation sein, die die Hexen in Portland vernichten wird.« Weiterer Jubel.
Ich sah wieder zu Benson Gray, der sich nicht anmerken ließ, was er von der Willkommensrede seiner Mutter hielt. Jäh hob er jedoch den Blick und fing den meinen auf. Ich hielt den Atem an, weil ich selbst auf die Distanz die Intensität darin erkannte. Wie kaltes Feuer strich sie über mich.
»Bevor es aber so weit ist, müsst ihr euch beweisen«, kam die Kommandantin zum Ende und legte ihre Hände vor ihrem Körper zusammen. »Lasst das Training beginnen.«
Mir blieb gerade genug Zeit, mich von Bensons Blick zu lösen, als sich mit einem tiefen Grollen der Boden unter mir auftat und mich verschlang.
Zu meinem eigenen Bedauern konnte ich einen spitzen Schrei nicht unterdrücken.
Auch eine über Jahre geformte Waffe, wie ich eine war, erlag in Überraschungen wie dieser ihren Instinkten.
Fuck.
Wir wurden von einem riesigen Netz aufgefangen. Zwei Dutzend Rekruten, die sich chaotisch wanden und das grobmaschige Sicherheitsnetz in Schwingung versetzten. Es hatte einen Durchmesser von mehreren Metern und gab trotz der vielen Personen nicht nach.
Ich gestattete mir einen einzigen Moment, um zu verarbeiten, dass ich nicht aufgeflogen war. Dass ich nicht festgenommen und aufgeschlitzt werden würde. Das hier war das normale Prozedere.
Was auch immer das genau für Hunter bedeutete, würde ich schon bald herausfinden.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich diejenigen, die sich bereits gefangen hatten, auf den Weg zum Rand des Netzes machten. Sie wollten vermutlich von dort runterklettern. Rund drei Meter unter uns befand sich normaler Steinboden.
Da sich jedoch alle bewegten, wurden die Rekruten immer wieder zurückgeschleudert. Ich machte mir nicht die Mühe, zu versuchen, mir einen Weg zu bahnen. Stattdessen holte ich mein Klappmesser hervor und sägte ein Loch in das Netz unter mir. Gerade groß genug, dass ich hindurchpasste, es die Spannung des restlichen Netzes aber nicht weiter beeinflusste.
Ich hangelte mich runter, und nur eine Minute nach meinem Fall – länger, als ich gebraucht hätte, um mich von einem gewöhnlichen Seil zu befreien – stand ich mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Ich verschaffte mir sofort einen Überblick, ehe weitere Gestalten neben mir auftauchten und die Sicht versperrten. In diesem Raum gab es mehrere offene Durchgänge in verschiedene Tunnelabschnitte, doch nur zwei von ihnen wiesen Hexenspuren auf. Die verräterische Schwäche von Strega.
Hexenspuren blieben eine Weile in der Luft zurück, nachdem Magie gewirkt worden war. Kleine, glitzernde Partikel, die nur von Strega und Huntern gesehen werden konnten. Für Hunter waren sie einheitlich Gold. Für mich und meinesgleichen besaßen sie unterschiedliche Nuancen. Dadurch konnten wir leider von Huntern aufgespürt werden.
Diese hier waren grün und rosa. Elementarmagie. Wind und Feuer, wenn ich mich nicht täuschte. Manchmal konnte die Nuance irreführend sein. Farbe und Element ließen sich nicht immer ganz genau zuordnen.
Ich brach in den zu mir nächstgelegenen Gang auf. Zu meinem Bedauern schlossen sich mir Destry und Lys an sowie ein weiterer Rekrut, den ich natürlich nicht kannte.
»Wow! Das kam unerwartet«, kommentierte Destry und rieb sich den Staub von der lilafarbenen Steppjacke.
»Meine Schwester hätte mich ruhig vorwarnen können«, brummte Lys.
»Sie hat die Ausbildung abgebrochen und studiert jetzt weiter Medizin«, erklärte Destry mir und dem unbekannten Rekruten, der immerhin die Klappe hielt. »Aber gute Idee, das Netz durchzuschneiden. Ich wollte schon über diverse Rücken klettern.«
Ich machte ein unbestimmtes Geräusch. Ernsthaft? Wie sollten sie jemals Hunter werden, wenn sie sich nicht mal jetzt zusammenreißen konnten?
Es wäre mir peinlich, von ihnen getötet zu werden.
»Du bist Cole, oder?«, fragte Destry den Vierten im Bunde, der eine Fackel von der Halterung am Anfang des dunklen Gangs löste. Natürlich hatte ich sie bemerkt … und direkt als unnütz erkannt.
»Was guckst du so?«, brummte Cole aggressiv in meine Richtung, anstatt Destry zu antworten.
Offensichtlich hatte ich meine Mimik nicht unter Kontrolle gehabt. Mein Fehler. Ich atmete tief durch.
Ich wollte sie nicht alle abweisen, doch ich wollte auch keine Freunde machen. Es gab nur eine Person, die wichtig war. Lys und Destry und Cole waren Rekruten wie ich. Frischlinge. Sie besaßen keinerlei für mich relevante Informationen.
Nein, es war nötig, mich zu beweisen. Den gewiss Zuschauenden zu zeigen, dass ich stark und unnachgiebig war. Zäh im Angesicht der Gefahr.
»Wenn du denkst, dass sie es uns so einfach machen, nur zu«, forderte ich ihn ernst auf.
»Niemand hat dich um deinen Input gebeten«, zischte er und stapfte an mir vorbei.
Ich verdrehte die Augen. Es kam mir nicht ungelegen, dass er die Führung übernahm. Welche Fallen auch auf uns warteten, er würde sie als Erster aktivieren und hoffentlich auch als Erster darunter leiden.
Bedauerlicherweise wurden meine Befürchtungen nur wenige Minuten später, nachdem wir bereits um mehrere Ecke gebogen waren, bestätigt. Ein heftiger Luftzug blies die Fackel aus. Wir befanden uns in undurchdringlicher Dunkelheit.
Nun, fast. Uns blieb immer noch die Magiespur. Rosa und grün glitzernd.
Sie reichte mir aus, um mich zu orientieren. Coles Flamme hatte mir zumindest erlaubt, die vorausliegende Weggabelung bereits wahrzunehmen.
»Der Wind beeinflusst die Magiespur«, kommentierte Lys, und er hatte nicht unrecht.
Sie hatte sich geteilt. Die rosafarbene Spur führte nach links und die grüne nach rechts. Die Hunter konnten die Farben jedoch nicht unterscheiden, weshalb sie verwirrter waren als ich.
Sie begannen, laut zu diskutieren, während der künstlich kreierte Wind stärker wurde. Ich grübelte einen Moment darüber nach, ehe ich mich für Grün entschied. Besser war, ich sah mich einer Windstrega gegenüber als einer Feuerstrega. Generell konnten Strega alle Arten von Magie wirken – bis zu einem gewissen Grad –, doch es gab Bereiche, in denen sich die unterschiedlichen Talente zeigten. Ich war überaus begabt in der Mentalmagie, könnte aber unter keinen Umständen eine Flamme aus dem Nichts kreieren. Nicht so wie Gramps.
»Was tust du? Warum gehst du da lang?« Destry schien ehrlich interessiert. Ihr weißblondes Haar wirkte fast wie eine Fackel in der Dunkelheit. Ich hasste, dass es mir gefiel.
Schnaubend ging ich weiter.
Es war mir egal. Sollten sie mir folgen oder nicht, das lag nicht in meiner Verantwortung.
Mit einer Hand an der rauen Wand ging ich voran.
Leider waren sie unfähig, eigenständig zu diskutieren und eine Entscheidung unabhängig von mir zu treffen, und setzten sich ebenfalls in Bewegung. Ich hoffte bloß, dass mir niemand in den Rücken lief. Mein Herz war bereits überstrapaziert und hielt keine weitere Konfrontation aus. Nicht bevor ich mich einer Strega gegenübersah.
Denn das würde mir bevorstehen.
Gramps hatte mich darauf vorbereitet, damit ich nicht zögerte. Ich dürfte meine Tarnung unter keinen Umständen auffliegen lassen.
Die Dunkelheit drückte auf meine Augen, und meine Lunge fühlte sich zusammengepresst an, obwohl es hier unten nicht an Sauerstoff mangelte. Es war die einsetzende Panik, der ich aber keinen weiteren Raum geben würde.
Panik hatte ich schon lange nicht mehr gespürt. Das war mir ausgetrieben worden. Ich musste mich auf meine Stärke besinnen. Auf den Vorteil, dass ich genau wusste, was zu tun war. Mehr noch als die Rekrutin und die Rekruten, die mir wie Entenküken folgten. Blöd nur für sie, dass ich sie bei der erstbesten Gelegenheit den Raubtieren zum Fraß vorwerfen würde.
»Was ist das?«
»Regen?«, schlug Lys seiner Freundin vor.
»Warum sollte es hier drinnen regnen?«, entgegnete Cole indigniert, ehe niemand mehr die Wahrheit bestreiten konnte. Die Hunter waren innovativer und technisch versierter, als ich geglaubt hatte.
Denn es regnete tatsächlich. Kalte Tropfen klatschten auf meinen Scheitel und meine Wangen. Doch das verschlechterte die Sicht nicht weiter, weil ich bis auf die Magie ohnehin nichts sehen konnte. Endlich fand ich den Startpunkt der Magiespur. Immerhin etwas, das mich vor der Finsternis rettete.
Hier war eine Strega gewesen, die sehr viel Magie gewirkt hatte.
Ich hockte mich hin und fuhr mit den Fingerspitzen durch die grünen Partikel. Sie waberten um meine Hand herum, ehe ein Teil von ihnen vom Regen weggespült wurde.
Innerlich zog ich mich weiter zurück, als ich ein gefaltetes Netz aus meiner Jackentasche holte. Es war in diesem Zustand nicht größer als ein Taschentuch, doch ausgebreitet umfasste es den gesamten Durchmesser des Gangs. Die typische Falle, die Hunter meinesgleichen stellte. Es war nicht schwer gewesen, an so ein Netz zu kommen.
Schwer war es hingegen, es auseinanderzufalten, ohne wie eine blutige Anfängerin auszusehen. Meine Hände zitterten, weil ich nicht tun wollte, was ich tun musste.
»Lass mich helfen«, befahl Destry zu meiner Überraschung.
Auch ihre Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, und mit dem schwachen Schein der Magiespur hatte sie meine Anstrengung erkennen können.
Mit geübten Bewegungen breitete sie das engmaschige Netz zusammen mit Lys und mir aus. Wir befestigten die Ecken an den rauen Felskanten, sodass es sich über den gesamten Weg spannte, aber in der Dunkelheit nicht sichtbar war. Jeder, der kopflos flüchtete, würde sich darin verfangen.
»Ich hätte das auch allein gekonnt«, sagte ich spitz, weil es mir nicht passte, die Hilfe meiner Feinde anzunehmen. Selbst wenn sie nicht wussten, dass wir auf gegensätzlichen Seiten standen.
»Natürlich, aber zusammen geht es schneller, oder?« Destry ging nicht auf meinen schnippischen Tonfall ein, was mich verlegen machte.
Ich sollte mir zumindest Mühe geben, etwas umgänglicher zu sein. Ja, ich hatte nicht vor, mich mit ihnen anzufreunden, aber ich sollte sie auch nicht gegen mich aufbringen. Selbst wenn ich nicht sie beeindrucken musste, sondern Benson.
Der Boden wurde rutschiger und matschiger. Ich war nicht die Einzige, die um ihr Gleichgewicht kämpfen musste. Die Hunter hatten sich alle Mühe gegeben, einen Parcours wie diesen herzustellen, um die Fähigkeiten der Rekruten zu testen.
Um herauszufinden, wie gut sie dazu in der Lage wären, Strega zu töten.
Dabei wussten sie nicht, dass ich das wahre Monster unter ihnen war.
*
Im Anschluss blieb uns nur, uns auf die Lauer zu legen. Das gestaltete sich schwierig. Schließlich gab es auf den ersten Blick keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Die Dunkelheit war Freund und Feind.
»Hier gibt es nichts«, murrte Cole.
»Wenn du das denkst, kannst du dich ja einfach in den Dreck hocken«, zischte ich, weil er mir auf die Nerven ging. Dabei waren diese bereits bis zum Zerreißen angespannt.
Ich hörte seine Antwort nicht mehr, weil das Rauschen des Regens die Distanz zwischen uns füllte. Mit einer Hand tastete ich mich erneut an der Wand entlang. Erst zurück und dann nach vorne. Was die anderen taten, war mir einerlei. Dann endlich fand ich die Öffnung im Stein, nach der ich gesucht hatte.
Sofort quetschte ich mich in den Alkoven und fand dadurch einen quergeschnittenen Schlitz, durch den ich einen guten Blick auf die Magiespur hatte. Das Netz, einmal richtig angebracht, konnte nicht mehr gesehen werden. Deshalb konnten wir Strega uns auch so schlecht dagegen schützen.
Die anderen drei folgten mir.
»Woher hast du das gewusst?«, fragte Destry voller Faszination.
Sie und Lys quetschten sich an mir vorbei, Cole blieb beim Eingang stehen. Das passte mir nicht, weil er dadurch als Erster in den Gang käme. Doch ich konnte mich nicht dazu überwinden, mich mit ihm anzulegen. Es war die Kraft nicht wert.
»Intuition«, antwortete ich leise. Immerhin wurden wir jetzt vor dem Regen geschützt, auch wenn die Kälte immer noch schmerzhaft in meine Haut biss.
»Das hätten wir uns auch denken können, Destry«, sagte Lys. »Sie erproben scheinbar an uns, ob wir über Geduld verfügen. Nicht nur Können. Wenn Hunter Strega jagen, müssen sie manchmal tagelang ausharren. Sie hätten uns nicht ohne Optionen gelassen.«
»Ja, wahrscheinlich.« Ich spürte Destrys Seitenblick. »Glaubt ihr, wir werden wirklich auf eine Strega treffen?«
Gab es denn eine Alternative? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie all diese Dramatik in Gang setzten, nur um dann vor dem entscheidenden Moment einen Rückzieher zu machen.
»Natürlich.« Lys blickte konzentriert nach draußen. »Sie haben uns in den letzten Monaten genug geschont.«
»Ihr trainiert erst seit ein paar Monaten?«, fragte ich, ehe ich mir die Neugier verkneifen konnte.
»Mehr oder weniger. Wir haben vorher noch studiert und nebenbei natürlich das Standardtraining absolviert, das jeder neue Rekrut durchlaufen muss«, antwortete Destry. »Bei euch ist es ähnlich, oder? Dass man sich nach der Ausbildung entscheiden muss, ob man den Weg der Jagd einschlägt?«
Ich nickte bloß. Sie bestätigte die Informationen, die Gramps zusammengetragen hatte. Das bestärkte mich und schenkte mir Sicherheit.
Danach gab es nicht mehr viel zu reden. Wir zitterten schweigend. Hauptsächlich jedenfalls. Cole war der Einzige, der hin und wieder einen Fluch ausstieß. Nach ungefähr einer Stunde – es war schwer, die Zeit genau einzuschätzen – platzte ihm der Kragen.
»Ich weiß nicht, warum ich euch gefolgt bin! Wahrscheinlich sind alle anderen längst beim Essen versammelt. Ich gehe!«, rief er ungehalten und quetschte sich durch den Spalt. Vermutlich hatte er von Anfang an nicht vorgehabt, bis zum Schluss auszuharren. Hätte er meinen Instinkten vertraut, hätte er sich hinter mich gestellt, damit ich die Erste wäre, die angegriffen werden würde.
So war er selbst schuld, dass er von der Windstrega attackiert wurde.
Vielleicht hätte ich ihn gewarnt, wenn ich ihr Herannahen bemerkt hätte. Vielleicht auch nicht.
Sie tauchte unvermittelt hinter ihm auf. Ihre Hexenrunen glühten auf ihrem Gesicht und ihren bloßen Armen auf. Auch ihre Augen leuchteten rot, als sie Cole mit ihrer Windmagie packte und gegen die gegenüberliegende Wand schleuderte. Er kam mit dem Kopf voran auf. Das Geräusch, als sein Schädel am Stein zerplatzte, ging mir durch Mark und Bein.
Ich hatte die Brutalität der Hunter vor sieben Jahren nicht vergessen. Noch heute wurde ich jede Nacht davon heimgesucht. Deshalb hegte ich auch kein Mitleid mit Cole. Allerdings bedeutete das nicht, dass ich immun gegen Brutalität dieser Art war. Selbst wenn sie von meinesgleichen kam.
»O Gott«, hörte ich Destry flüstern, die so wie ich das Geschehen durch den Schlitz hatte beobachten können. Das Licht der Runen und der neuen Spur half, die Situation grob zu erfassen, selbst wenn ich das nicht unbedingt wollte.
Ich wartete, bis die Strega heftig atmend weiterging, weil sie uns andere nicht bemerkt hatte. Ihr leuchtender Blick war noch immer auf Cole gerichtet. Ich hatte ihr Gesicht nur kurz in der von der Magiespur erhellten Dunkelheit betrachten können, aber es reichte nicht aus, um sagen zu können, ob ich ihr jemals begegnet war. Vielleicht war sie in meinem Zirkel gewesen. Vielleicht hatte ich vor ihrer Gefangenschaft zusammen mit ihr an einem Tisch gesessen.
Das war nicht entscheidend.
Das Leben der Einzelnen ist unwichtig, wenn das Leben aller auf dem Spiel steht, hatte mir Gramps eingebläut. Daran würde ich mich halten.
Ich schlüpfte in dem Moment aus dem Versteck, als sich die Strega im Netz verfing. Jetzt, da ich auf der anderen Seite des Kampfes stand als sonst, wirkte es fast schon kläglich, sie bei der Anstrengung zu beobachten, sich daraus zu befreien.
Destry und Lys folgten in den regnerischen Tunnel, der nunmehr von Millionen Partikeln erhellt wurde. Ausreichend, damit ich sagen konnte, dass ich der Strega tatsächlich einst begegnet war.
Es traf mich mehr, als es nach meiner intensiven Vorbereitung sollte.
So sehr, dass ich innehielt, während mich die Panik ergriff, dass meine Tarnung jeden Moment auffliegen könnte. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe ich mich daran erinnerte, dass ich ein anderes Gesicht trug. Ich war nicht länger Sophia Verlaine, die Mentalstrega. Ich war Anna Sophia Thornfield, eine Hunter.
Ich schaltete meine Gefühle aus. Nicht, dass das wirklich zu hundert Prozent funktionierte, aber es war besser, als mit der vollen Wucht meiner Emotionen konfrontiert zu sein.
Lys und Destry mussten über Coles leblosen Körper steigen, als sie sich der wütenden Strega näherten. Ich hielt ihnen zugute, dass sie nicht weiter bei ihm verweilten. Immerhin dieses Maß an Professionalität besaßen sie.
Die Magie der Strega wurde von dem Netz gedämpft, das sie versuchte, von sich zu reißen. Doch je mehr sie sich bewegte, desto enger zog es sich.
Es war jedoch nicht unkaputtbar. Nicht für immer reißfest.
»Was sollen wir tun?«, fragte Lys.
»War das nicht unsere Aufgabe? Die Strega einfangen?«, überlegte Destry laut. »Vielleicht sind wir durchgefallen wegen … wegen … ihm.«
»Glaubt ihr wirklich, dass sie es uns so einfach machen? Ich schätze, unsere Kampffähigkeiten sollen erprobt werden.« Der Regen ließ nach, sodass ich nicht mehr die Augen zukneifen musste. Ich lehnte mich neben den Schlitz in der Wand und wartete auf das Kommende. Es gab keinen Grund zur Eile. Jetzt, da ich all meine Gefühle in eine Kiste gestopft hatte, war ich frei zu tun, was getan werden musste.
Während Lys und Destry noch hin und her überlegten, ob das, was ich sagte, stimmen könnte, befreite sich die Strega. Bevor sie die Hunter jedoch attackieren konnte, reagierten diese. Zeitgleich griffen sie die Strega mit roher Gewalt an, sodass ihre Konzentration gestört wurde. Sie konnte in ihrem von der Gefangenschaft geschwächten Zustand nicht beides gleichzeitig tun, angreifen und sich verteidigen.
Ich beobachtete Hunter und Strega, ohne einzugreifen. Dabei registrierte ich sowohl die Stärken als auch Schwächen beider Parteien innerhalb weniger Augenblicke. Auch das hatte ich dem Training der letzten Jahre zu verdanken.
Eigentlich hätten Lys und Destry die Kontrolle nicht verlieren sollen. Sie hätten zusammenarbeiten und die Strega fertigmachen sollen. Sie war längst nicht mehr in der Lage, sich anständig zu verteidigen. Ihr blieben einzig ihre Instinkte. Und die reichten aus, die Hunter in ihrem Anflug von Arroganz zu übervorteilen.
Während sie mit Fäusten auf sie einschlugen, anstatt sich darauf zu konzentrieren, sie festzunehmen, setzte sie in einem unbeobachteten Moment ihre Magie ein. Als sie auf dem schlammigen Boden lag, bewegte sie ihre Hand. Einmal nur. Lys wurde von der starken Bö erwischt. Er prallte heftig gegen Destry, der geradewegs das gleiche Schicksal drohte, das Cole getroffen hatte.
Innerlich seufzend preschte ich vor und stieß beide unsanft zu Boden, bevor sie Kontakt mit der Wand machen konnte. Ich rappelte mich noch vor ihnen auf, wirbelte herum und begegnete nunmehr der anderen Strega ohne ein Hindernis zwischen uns.
Sie war nicht ich.
Ich war nicht sie.
Hier und heute begegneten wir uns als Feindinnen.
Langsam atmete ich aus, dann wich ich ihrer Bö aus, indem ich mit den Knien über den nassen Boden rutschte. Wasser spritzte. Ich erreichte sie, noch ehe sie ihren Angriff abbrechen konnte. In der Sekunde, als ihr entsetzter Blick auf meinen traf, sprang ich nach oben. Mit einer fließenden Bewegung zog ich das Messer, das an meinem Gürtel befestigt war. Die Klinge glänzte im Regen und in der Magiespur. Ohne den Blick von ihrem Hals zu nehmen, schlitzte ich der Strega die Kehle auf. Haut. Sehnen. Fleisch. Blut, das in einem Strahl auf mein Gesicht traf.
