Night of Wolves 2 - Lena Dietrich - E-Book

Night of Wolves 2 E-Book

Lena Dietrich

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Beschreibung

Alex sinnt auf Rache für das, was seiner Gefährtin angetan wurde. Er muss sich einer Dunkelheit stellen, die schwärzer ist, als die dunkelste aller Nächte. Das Leben wie es Alex kennt, verändert sich schnell zur Hölle auf Erden, eine Hölle, aus der es keinen Ausweg gibt. Eine uralte Legende scheint der einzige Lichtblick zu sein, doch die Zeit der Dunkelheit hat gerade erst begonnen.

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Seitenzahl: 425

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Lena DietrichNight of Wolves 2-Im Schatten der Dunkelheit

Die Autorin

Lena Dietrich wurde am 09. Dezember 2000 in Halle (Saale) geboren. Bereits mit 10 Jahren begann sie Geschichten zu schreiben, veröffentlichte diese jedoch nicht. 2015 erschien ihr erstes Buch Night of Wolves-Die Nacht der Werwölfe beim tredition Verlag. 2016 folgte der zweite Band Night of Wolves-Im Schatten der Dunkelheit.

Von Lena Dietrich ist bei tredition erschienen:

Night of Wolves-Die Nacht der Werwölfe

(ISBN: 978-3-7323-5811-3)

Night of Wolves 2-Im Schatten der Dunkelheit

(ISBN: 978-3-7345-3306-8)

Für meine Tante, meine allerbeste Freundin und all die Menschen, die mich ermutigt haben, meine Träume in die Tat umzusetzen.

Lena Dietrich

Night of Wolves 2

Im Schatten der Dunkelheit

© 2016 Lena DietrichUmschlag, Illustration: Lena Dietrich

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback

ISBN: 978-3-7345-3306-8

Hardcover

ISBN: 978-3-7345-3307-5

e-Book

ISBN: 978-3-7345-3308-2

1. AuflageDas Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.

Hermann Hesse

Prolog

Vor tausenden von Jahren im Lande Arkadien. Dort lebte einst ein Herrscher von unheimlicher Arroganz und Brutalität, sein Name war Lycaon. Seine Arroganz reichte sogar so weit, dass er sich selbst dem Willen der Götter widersetzte. So kam es eines Tages, dass Lycaon den großen Zeus herausforderte. Wenn der Gott sich von ihm töten lassen würde und dann wieder auferstehe, dann würde er sich seinem Willen beugen.

Zeus sah in dieser Herausforderung keine Gefahr und willigte ein, Lycaon hatte jedoch noch ein Ass im Ärmel. Zum Henkersmahl zu dem Zeus geladen war, tötete er seinen jüngsten Sohn, während seine älteren Kinder dabei zusahen. Er servierte ihn dem Gott, dieser erkannte das Menschenfleisch und verfluchte Lycaon und seine restlichen 49 Söhne. Sie sollten sich in wolfsähnliche Kreaturen verwandeln, denn wer tötet wie ein Tier, verdient es eines zu sein. Sie sollten sich über die Welt verteilen, hatten sie Freunde oder gar eine Frau, so töteten sie sie in der Nacht des Mondes, in der sie sich nicht zu kontrollieren wussten.

Nach Jahrhunderten des Leids und Todes, zeigte Zeus Mitleid und so beschloss er, es zu beenden. Einen Fluch konnte man jedoch nicht brechen und so schuf er für die Wölfe bestimmte Partnerinnen, genannt Gefährten.

Diese Gefährten sollten die Wölfe lieben und zähmen. Einige Werwölfe blieben jedoch nicht treu und vermischten sich mit den Menschen, aus diesen Verbindungen entstanden die Gen-Träger, Menschen, die durch einen Biss zum Werwolf werden konnten.

Aus Lycaon und seinen Söhnen wurden die ersten Alphas, das Gen wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Später gründeten sich die ersten Rudel und eine Harmonie zwischen Wolf und Mensch entstand. Nun war Zeus zufrieden, doch das billigte Lycaon nicht und so tötete er seine Gefährtin.

Der Gott war erneut erzürnt über die grässlichen Taten des Werwolfs. Er ließ die Wölfe Schmerz empfinden, wenn diese ihren Gefährten etwas taten.

Die Alphas schlossen sich in verschiedenen Räten zusammen, der Rat der 12 ist nur einer von vielen auf unserer Welt. Die sogenannte Sage des Lycaon wird heute vorwiegend als Gruselgeschichte abgestempelt, nur sehr wenige kennen die Wahrheit.

1

Leben und sterben

*Alex' Sicht*

Und nun saß ich da auf dem kalten Asphalt, in den Armen den Körper meiner Gefährtin haltend.

„Alex, die Sanitäter sind da.“ James legte mir seine Hand auf die Schulter, jedoch sah ich ihn nicht an, ich starrte in ihr wunderschönes, blutverschmiertes Gesicht. „Das war alles meine Schuld, hätte ich sie gefahren, dann wäre das hier nicht passiert. Ich...“

„Alex!“ Chris unterbrach mich und kniete sich neben mir auf den Asphalt. „Die Sanitäter nehmen sie jetzt mit, sie werden tun was sie können um ihr zu helfen, dazu musst du sie aber loslassen.“

Ich reagierte nicht und starrte weiter vor mich hin. „Shaun, komm mal kurz!“, rief James, ich hörte Schritte in unsere Richtung kommen und spürte , wie mich zwei Personen nach oben zogen. Ich ließ es mit mir geschehen und starrte nun auf meine Hände, welche voller Blut waren, Sarahs Blut. In meinem Kopf hallte eine Stimme wieder. „Du bist Schuld daran Alex, du allein! Es ist nur deine Schuld!“ Sie wurde immer lauter und lauter, mein Kopf dröhnte, es fühlte sich an, als würde dieser bald platzen. „Du hättest mich retten können!“

Schweißgebadet wachte ich auf und keuchte. Ich hatte wieder nur geträumt, seit zwei Monaten ging das schon so, seit dem Angriff.

Ich verließ das Schlafzimmer und torkelte die Treppe herunter, in der Küche brannte noch Licht. Carole musste ebenfalls wach sein. „Kaffee?“, sie drehte sich fragend zu mir um.

„Ja bitte.“ Mit einem Seufzen ließ ich mich auf einem der Barhocker nieder und rieb mir die Augen. „Wann hast du das letzte Mal richtig geschlafen?“

Carole setzte sich zu mir und schob mir eine Tasse vor die Nase. „Vor zwei Monaten, denke ich. Danke!“ Sie nickte nur. „Denkst du, sie wacht wieder auf?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, zweifelsohne hoffe ich es, aber bei einer 30 prozentigen Chance bin ich mir nicht so sicher.“ Carole fuhr sich durchs Haar. „Shaun und ich wollten morgen mal ins Krankenhaus fahren, besuchst du sie morgen auch?“ Ich nickte. „Ich kann euch auch gern mitnehmen.“

Es tat weh über sie zu reden, zumal niemand wusste, ob sie aus dem Koma wieder aufwachen würde oder nicht. Ich trank einen Schluck Kaffee und spürte, wie sich die Wärme des Getränks, in meinem Körper ausbreitete. Ich dachte wieder an Sarah, an ihre wunderschönen kristallblauen Augen und an ihr Lachen.

Ein mulmiges Gefühl stieg in mir auf, was würde ich machen, wenn sie nicht wieder aufwachen würde?

Wenn sie einfach weg wäre?

Ich war mir sicher, dass ich daran zerbrechen würde. In den letzten zwei Monaten, war ich ein ganz anderer Mensch...Werwolf geworden, all das, was ich fühlte, was ich tat, was ich dachte, galt immer Sarah.

Jetzt lag sie im Koma und einen Teil von mir hatte sie mitgenommen.

All meine Fürsorglichkeit und Freundlichkeit war an dem Tag des Angriffs verschwunden. Meine Rudelmitglieder machten den größtmöglichen Bogen um mich, denn mittlerweile war ich unberechenbar. Jeden Tag hatte ich schlechte Laune, jeden Tag ließ ich die Leute um mich, meine Wut spüren, die Wut auf diese Bestie. Wer oder was auch immer es war, ich würde es finden und zur Strecke bringen, das war ich Sarah schuldig. Vor einem Monat hatte ich angefangen alle Tierangriffe und mysteriösen Morde zu untersuchen, dabei half mir Bruce. Er hatte Mitleid gehabt, außerdem wollte er seinen Fehler von damals wieder gut machen und ich den meinen. So hatten wir beschlossen das Monster zu finden und zu töten. „Bruce kommt morgen Abend vorbei.“ Carole starrte mich erstaunt an. „Schon wieder? Er ist jetzt fast jeden Tag da.“ Ich nickte nur und nippte erneut an meiner Tasse. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Ihr wollt doch nicht schon wieder diese Bestie jagen, oder?“

Ich sah zu ihr auf und räusperte mich. „Doch genau das ist unser Plan und wenn wir es haben, dann töte ich es.“ Ihre Augen weiteten sich. Sie wusste, dass mich Sarahs Unfall verändert hatte, ich war nicht mehr derselbe und doch schien meine Aggression ihr Angst zu machen.

Der Alex von früher war verschwunden. Seufzend trank ich den letzten Schluck meines Kaffees, ehe ich aufstand und mich wieder nach oben begab.

Ich beschloss erst einmal zu duschen, bevor ich mich an meinen Schreibtisch setzen und mehr über die Bestie herausfinden würde.

Ich ließ das eiskalte Wasser auf mich niederprasseln, nachdenklich fuhr ich mir durchs Haar und ließ meinen Gefühlen freien Lauf. Äußerlich wirkte ich stark und entschlossen, doch innerlich war ich ein gebrochener Mann, gebrochen durch Verlust, Schmerz und Sehnsucht. Jetzt wusste ich, wie Bruce sich damals gefühlt haben musste, als Anna starb. Ich konnte seine Wut auf mich verstehen und auch warum er so viele Menschen tötete, warum er so war wie er war. In meinem Innern war ich genauso, verletzt durch ein Ereignis, ein einziges, welches alles verändert hatte und mir blieb nur diese eine Chance den Verantwortlichen zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen.

Ich wusste nicht, was Sarah über mich denken würde, falls sie wieder aufwachte. Was sie sagen oder tun würde, wenn sie erfuhr, dass ich keinen Deut besser als Bruce oder diese Outsider war, dass ich meine Kontrolle verloren und mich den Trieben hingegeben hatte. Niemand verstand, was in mir vorging, niemand außer Bruce. Ich drehte das Wasser ab und machte mich fertig.

2

Solange du schläfst

*Alex' Sicht*

Langsam durchquerten wir den weiß tapezierten Flur. So oft hatte ich den Weg in den letzten Monaten überwunden, so oft war ich an der fünften Tür stehengeblieben und hatte darüber nachgedacht, ob ich wirklich zu ihr gehen sollte. Jedes Mal riss ich mich zusammen und folgte dem Korridor weiter bis zum Raum 105. Schwer atmend lehnte ich mich gegen die Wand und schloss die Augen. Die Erinnerungen, welche ich mit diesem Flur verband, waren ein Teil der Schrecklichsten meines Lebens...

*2 Monate zuvor*

„Ich brauche eine neue Trage!“ Schnell stieg die Ärztin aus und zog die erste Trage aus dem Krankenwagen. „Huxley, beeilen Sie sich, wir verlieren sie sonst!“ Zwei Sanitäter betteten Sarah auf die neue Trage und rollten sie den Gang entlang. Dr. Huxley rannte ihnen entgegen. „Was ist passiert?“ Die Ärztin betrachtete ihn mit hektischen Blicken. „Ihr Name ist Sarah Daniels, wahrscheinlich ein Tierangriff. Sie hat Unmengen Blut verloren. Wunden sind tief, einige im Magenbereich, außerdem haben sich mindestens zwei Rippen in ihre Lungen gebohrt.“ Der Arzt nickte. „Bereiten sie eine Bluttransplantation vor, wir müssen sofort operieren!“ Einer der Sanitäter drehte sich fragend um.

„Was ist mit der anderen Frau?“ Huxley gab seiner Kollegin ein Zeichen, diese rannte zurück in unsere Richtung und hockte sich vor Mary. „Ms. Debury, wie fühlen sie sich?“

Mary starrte den Fußboden an und stieß ein leises Wimmern aus. „Ms. Debury! Ich bin Dr. Ellys, ich will ihnen helfen.“ Sie berührte Marys Schulter, diese zuckte zusammen und fing an zu schreien. Sie fuchtelte mit den Armen herum und trat wild um sich.

Von ihren Schreien klingelten mir die Ohren, meine Muskeln spannten sich an. Konnte diese kleine rothaarige Furie nicht einfach den Mund halten?

Danny schloss seine Arme von hinten um Mary und hielt sie somit fest. „Ich gebe ihr etwas zur Beruhigung.“, nuschelte Dr. Ellys und holte eine Spritze hervor. Ein paar Sekunden später, war Mary in einen tiefen Schlaf gesunken. Mit anderen Worten, Dr. Ellys hatte die kleine Nervensäge ruhig gestellt.

Zur Untersuchung würde sie eine Nacht im Krankenhaus bleiben, Danny schien dies zu erleichtern.

Ich jedoch verbrachte Stunden auf einem unbequemen Stuhl, während Sarah um ihr Leben kämpfte. Nach unzähligen Stunden tauchte Dr. Huxley auf dem Gang auf. Ich sprang praktisch von meinem Stuhl und lief auf ihn zu. „Wie geht es ihr?“ Sein bedrückter Gesichtsausdruck ließ jeden Funken Hoffnung aus meinem Herzen weichen. Er spielte mit dem Kugelschreiber in seiner Hand und sah dann wieder in mein nun entsetztes Gesicht.

„Sie hat die Operation überstanden, allerdings liegt sie im Koma und...“ Er stockte. „Und?“, wollte ich wissen. „Ihre Überlebenschancen stehen nicht gut, 30% würde ich sagen.“ Ich sank auf einen Stuhl hinab, mein Herz brannte wie Feuer in meiner Brust, meine Gelenke schmerzten.

„Tut mir leid...Sie sollten nach Hause fahren, es ist schon spät.“ Nach Hause fahren? Ich dachte gar nicht erst daran! Dr. Huxley verschwand wieder und ließ mich im leeren Gang des Krankenhauses zurück.

Wut machte sich in mir breit, Wut auf diese Bestie, Wut auf mich selbst. Ich fühlte mich so schuldig.

*Gegenwart*

„Gehts dir gut?“ Shauns Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Verwirrt sah ich mich um, das war nicht die Nacht des Unfalls, Gott sei Dank! Keuchend ließ ich mich auf einen Stuhl gleiten. „Geht ruhig zuerst rein, ich warte.“ Carole nickte und öffnete die Tür. Ich stützte die Arme auf meinen Oberschenkeln ab und vergrub das Gesicht in meinen Händen.

Gerade würde ich alles geben, um fünf Minuten schlafen zu können.

Wenn ich jedoch meine Augen schloss, sah ich den Unfall und ihr blutverschmiertes Gesicht vor mir. Seufzend rieb ich meine Augen und lehnte mich wieder gegen die Wand. „Sieht nach akuter Schlafstörung aus.“, meinte eine, mir all zu bekannte Stimme.

Dr. Huxley nahm neben mir Platz und betrachtete prüfend meine tiefen Augenringe. „Hat mit dem Unfall zu tun oder?“ Ich seufzte erneut und nickte leicht. Er kratzte sich am Hinterkopf und überlegte eine Weile, dann räusperte er sich und öffnete seinen Notizblock.

„Falls sie mal zu einer Sitzung vorbeikommen wollen, hier ist meine Nummer.“ Ich nickte dankend und steckte den Zettel in meine Hosentasche.

Huxley erhob sich und kümmerte sich um seine anderen Patienten. Einige Leute, die an mir vorbei liefen, betrachteten mich etwas erschrocken, einige tuschelten, ohne zu wissen, dass ich jedes Wort verstand. Ich nahm mein Handy hervor und warf einen Blick auf mein Gesicht, welches sich im Display spiegelte, ich sah wirklich schrecklich aus.

Meine Augen starrten emotionslos vor sich hin und tiefe Augenringe umrandeten diese, außerdem glich mein Gesicht dem einer Leiche, blass, kalt und tot. Mein Aussehen erinnerte mich eher an Dracula oder einen Seekranken als an einen Werwolfalpha.

Eine Tür öffnete sich, mein Beta und seine Gefährtin traten heraus und begutachteten mich besorgt. „Du kannst jetzt reingehen.“, meinte Shaun und ließ sich neben mir nieder.

Ich erhob mich und betrat den, komplett in weiß gehaltenen, Raum. Da lag sie nun, meine Gefährtin, schön wie eh und je. Mit langsamen Schritten trat ich auf das Bett zu und ließ mich auf die Kante sinken. „Hey.“ Vorsichtig, als hätte ich Angst sie zu zerbrechen, berührte ich ihre Hand. Eine Weile verharrte ich so, in der Hoffnung, sie würde ihre Augen öffnen und mir antworten. Mir ging es miserabel, mein Körper, wie auch mein Geist waren ausgelaugt. Von ihrem Anblick wurde mir warm ums Herz. Sie lag da, so still und doch so lebendig. Ihre Hand in meiner spürend, versuchte ich mich zu entspannen, dies war der einzige Ort an dem ich das konnte. Ich könnte Stunden hier verbringen und sie beobachten, nur wusste ich, dass es nichts bringen würde. Sie würde nicht aufwachen, nur weil ich neben ihr saß. Ich könnte mit ihr reden, doch wusste ich nicht, was ich sagen sollte, was ich machen oder fühlen sollte. Sanft strich ich über ihre Wange, erhob mich und verließ den Raum.

Jedes Mal hoffte ich, dass Sarah aufwachen würde, so bald ich die Tür schloss. Leider passierte nichts dergleichen, leider. Ein Schmerz durchzog mein Herz, als ich sie in dem Zimmer zurückließ.

Anfangs hatte ich Sarah jeden Tag besucht, im Laufe der Zeit verringerte sich dies jedoch und nun kam ich bloß noch einmal pro Woche. Aufmunternd klopfte mir Shaun auf die Schulter. „Alles gut?“ Ich nickte nur und verließ das Krankenhaus, ohne ein Wort zu verlieren.

Ich sollte vielleicht wirklich über eine Sitzung bei Dr. Huxley nachdenken, denn so konnte mein Leben nicht weitergehen.

Etwas später kam ich zu Hause an. Ich schlurfte zur Tür und bemerkte, dass im Wohnzimmer Licht brannte. Carole konnte es nicht sein, denn sie hatte ich, samt Shaun, an seiner Wohnung abgesetzt. Lautlos schlich ich zur Wohnzimmertür und spähte hindurch, Bruce saß auf dem Sofa und las ein Buch, das Werwolfbuch. Erleichtert verließ ich meine Deckung und betrat den beleuchteten Raum. „Ich wusste nicht, dass du so früh schon da sein würdest.“

Er sah auf und lächelte aufmunternd. „Ich war ein bisschen zu früh hier und da dachte ich, ich suche schon mal.“ Ich nickte ihm zu und setzte mich. „Was gefunden?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich habe dieses Buch drei Mal durchgelesen, das ist sinnlos. Es muss noch einen Band geben.“ Vielleicht hatte er recht, Sarah hatte in der Bibliothek dasselbe Buch gefunden, vielleicht gab es dort einen zweiten Teil. „Wir müssen in die Bibliothek.“ Seine Augenbrauen hoben sich. „Warum?“ Ich verdrehte die Augen, konnte er sich das nicht denken?

„In der Bibliothek gibt es Bücher, unter anderem auch dieses.“ Ich wies auf das Schriftstück, welches er in den Händen hielt. „Vielleicht gibt es dort einen zweiten Band.“ Bruce kappte das Buch zu und erhob sich. „Dann nichts wie los!“

Ein Lächeln umspielte mein Gesicht, irgendwie erinnerte mich diese Situation an alte Zeiten. Uns blieb jedoch keine Zeit in Erinnerungen zu schwelgen. Wir hatten schließlich etwas zu tun. Als ich den Bibliotheksschlüssel gefunden hatte, konnte es losgehen. Meine Motivation, wie auch meine Laune waren gestiegen, all die schlechten Gedanken, welche ich noch zuvor in meinem Kopf herumschwirren hatte, waren verflogen. Zuversicht machte sich in mir breit.

Nach einer halben Stunde standen wir vor der Stadtbibliothek. Erinnerungen an jenen Tag, an dem wir das Buch fanden, kamen wieder hoch und die schlechte Laune klopfte wieder an.

Ich schüttelte meinen Kopf, sodass diese Gedanken wieder verflogen. Entschlossen öffnete ich die Tür des Gebäudes und trat, nach Bruce, ein. Spinnenweben hingen an den Regalen, es war offensichtlich, dass hier seit langem niemand gewesen war. Bruce begutachtete die hinteren Regale mit den älteren Schriften, während ich mich nach einer Geheimtür oder Ähnlichem umsah. Im hinteren Teil gab es eine Wand aus Backstein, vorsichtig klopfte ich davor. „Hast du was gefunden?“, rief Bruce. „Ich bin nicht sicher, hinter der Wand scheint es hohl zu sein.“ Ich dachte nicht lange nach und trat mit voller Kraft vor die Wand. Diese stürzte in sich zusammen und offenbarte ein weiteres Bücherregal.

Einige der Bücher besaßen den selben Einband wie unser Werwolfbuch. Das mussten die nachfolgenden Bände sein. Vorsichtig zog ich eines heraus und öffnete es, es zeigte die Entstehungsgeschichte unserer Art, wie auch die der Jäger und Gen-Träger. „Ich habe sie gefunden.“

3

Von Monstern und Legenden

*Griechenland – 15 n. Chr.*

„Guten Abend der Herr! Kann ich etwas für sie tun?“ Fragend musterte der Wirt die Gestalt, welche aus der Dunkelheit auf ihn zugekommen war. „Ich brauche ein Bett für die Nacht.“ Der Wirt nickte und ließ ihn eintreten. „Zeus ist wohl mit euch, denn wie es der Zufall will, habe ich noch ein Zimmer frei.“

Der vermummte Mann war stehengeblieben und blickte nun aus dem Fenster gen Himmel. „Zeus ist niemals mit mir.“ Der Wirt schluckte, er hatte es des öfteren mit rauen Typen zu tun, meist kamen Sklavenhändler in seine Taverne oder ehemalige Schwerverbrecher. Jedoch machte ihm keiner soviel Angst wie dieser Mann. Er trug weder Waffen, noch hatte er sich bedrohlich geäußert, doch irgendetwas hatte er an sich, etwas gefährliches. „Verlangt ihr außer einer Bleibe für die Nacht noch etwas?“ Leicht nickte der Mann. „Einen Krug Wein und ein bisschen Brot und Schafskäse.“

Er entledigte sich seiner Handschuhe und setzte sich an einen freien Tisch. Auf der anderen Seite des Raumes saßen ein paar Großwildjäger, ein paar der besten Athens waren darunter. Athen war eine schöne Stadt, jedoch gab es jenseits der Meerbrücke, in Arkadien, viel schönere und prunkvollere Städte.

Der vermummte Mann hatte eine lange Reise hinter sich. Von Lykasura war er gekommen, sein Weg hatte ihn durch Tripoli und Argos bis hin nach Korinth geführt. Er hatte das Land zwischen den Meeren überquert und war letztendlich nach Athen gelangt. Erzählungen von Jägern, welche vor nichts zurück schreckten hatten ihn hierher geführt. „Hey du!“

Einer der Jäger sah zu ihm herüber, doch das interessierte ihn nicht. „Du mit dem Umhang, wir reden mit dir!“ Wieder kam keine Reaktion, der Wirt stellte die bestellte Mahlzeit vor ihm auf den Tisch und verschwand schnellstmöglich wieder hinter seiner Theke. Die Jäger wurden ungeduldig, einer von ihnen erhob sich und nahm neben dem Mann im Umhang wieder Platz. „Wer bist du?“ Der Mann sah auf und lächelte. „Niemand den du kennst, aber deine Frau und deine Kinder kennen mich...kannten mich.“ Der Jäger kniff die Augen zusammen. „Wovon redest du?“ Der andere schob den Stuhl nach hinten und lehnte sich zurück. „Du bist doch Denos oder?“ Der Jäger nickte. „Na dann wünsche ich dir eine gute Trauerzeit.“

Denos verstand nicht, was der Unbekannte meinte und so sprach er, „Ich verstehe nicht, was meint ihr?“ Ein breites Lächeln legte sich auf die Lippen des Fremden. „Ich sagte, eine schöne Trauerzeit.

Es passiert schließlich nicht jeden Tag, dass das Liebste was man hat, einfach verschwindet.“ Wut machte sich in dem Jäger breit, was hatte dieser Unbekannte seinen Liebsten angetan?

„Wo sind sie? Was habt ihr ihnen angetan?“ Die anderen Jäger hatten das Geschrei ihres Kumpanen bemerkt und sich um den Tisch des Mannes versammelt.

„Sagen wir es so, ich habe eurer Familie einen Besuch abgestattet. Ihr habt wirklich einen sehr tapferen Sohn, nunja ich habe mich auf ihn gestürzt und ihm die Eingeweide herausgerissen. Eure Frau habe ich etwas langsamer und schmerzhafter ins Land des Todes geschickt, sie hatte wirklich eine zarte Haut. Ihr hättet sehen sollen, wie sie um Gnade gebettelt hat, einfach rührend!“ Denos packte die Wut immer stärker, er sprang auf und warf den Tisch um. „Monster! Was haben sie euch getan?“ Der Fremde zuckte mit den Schultern. „Ich werde euch töten!“ Die Jäger zogen ihre Waffen und stürzten sich auf den Mann, der jedoch, stieß seine Hand mit aller Kraft in den Brustkorb des ersten Jägers und riss ihm kurzerhand sein Herz heraus. Die anderen erstarrten und wichen schnell zurück. Denos jedoch, stürzte sich erneut auf den Unbekannten und drückte ihm seine Silberklinge an die Kehle.

Die Haut, die vom Messer berührt wurde, verbrannte.

„Nicht doch! Denos ihr wollt doch nicht euren eigenen Vorfahren töten oder?“ Der Jäger erstarrte, dieser Mann war doch wahnsinnig!

„Das ist unmöglich!“ Der andere schüttelte wissend den Kopf. „Wenn ich eines auf dieser Welt gelernt habe, dann ist es, dass nichts unmöglich ist.“ Denos drückte die Klinge nur noch fester an seine Kehle, der Fremde schlug ihm in die Magengrube und stieß ihn gegen die Wand. Als Denos sich wieder aufrappelte, war der Unbekannte verschwunden. „Wo ist er hin?“ Die anderen Jäger zuckten mit den Schultern. „Denos, er ist einfach verschwunden, es ging alles so schnell.“

Er winkte ab und rief wutentbrannt: „Versammelt die anderen, ich werde diese Bestien töten und wenn es das letzte ist, was ich tue!“ Einer seiner Kumpanen beäugte ihn fragend. „Was für Bestien?“ Denos zog scharf die Luft ein, fuhr über seine Klinge und grinste rachsüchtig. „Werwölfe.“

4

Auf mein Leben

*Alex' Sicht*

„Na der ist ja schnucklig!“ Die Stimme einer jungen Frau drang an mein Ohr. In die Bar zu gehen war vielleicht eine nicht ganz so tolle Idee gewesen. Seufzend bestellte ich meinen fünften Whisky. „Hey, hast du Lust was mit mir zu trinken?“ Die junge Frau ließ sich neben mir nieder. „Bin nicht in Stimmung.“ Ich trank noch einen Schluck. „Ach komm schon!“ Langsam schüttelte ich den Kopf. Warum wollten mich heute alle auf die Palme bringen?

Gestern hatten wir nichts weiter gefunden, was uns den Standort der Bestie verraten hätte, ich würde jedoch nicht so schnell aufgeben, wir würden schon was finden. „Nur ein Drink. Wie wärst mit einem Tequila oder 'nem Pina Colada?“ Letzteres ließ mich zusammen zucken, wieso erinnerte mich alles an Sarah?

Jede Kleinigkeit rief eine Erinnerung hervor, jede verdammte Kleinigkeit. Da sie keine Anstalten machte zu gehen, drehte ich mich zu ihr um und seufzte. „Die Liebe meines Lebens liegt im Koma und niemand weiß ob sie wieder aufwacht, also lassen sie mich jetzt in Ruhe meinen Whisky trinken?“

Ihr Gesicht erstarrte. „Tut mir leid.“ Stöhnend wandte ich mich erneut meinem Getränk zu, während die Frau wieder zurück zu ihrer Freundin ging.

Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass es schon reichlich spät war, aufgrund dessen machte ich mich auf den Weg nach Hause.

Bruce wartete bereits in meinem Arbeitszimmer. Über ein Buch gebeugt saß er da und grübelte.

„Diese Tagebücher sind hoch interessant.“ Faszination spiegelte sich in seinen Augen wieder. „Hast du schon eine Ahnung von wem sie sind?“, wollte ich wissen, er schüttelte nur den Kopf. „Ich habe keine Ahnung.“ Ich lehnte mich gegen die Wand und atmete tief ein und aus, Bruce erhob sich und schloss das Buch.

„Vielleicht haben wir eine Spur.“ Meine Augen weiteten sich. „Wirklich? Das ist großartig!“ Er strich über seinen Bart und wartete eine Weile, bis er schließlich antwortete. „ Ich sagte vielleicht. Einer meiner Omegas hat etwas Unbekanntes im Wald östlich von hier gesehen.“ Ich wusste nicht ob das eine gute oder eine schlechte Nachricht war. Es konnte die Bestie sein, aber auch nur irgendein Tier. „Wir sehen uns das mal an.“ Mit diesen Worten machten wir uns auf den Weg in den Wald. Ein sanfter Lufthauch wehte mir entgegen, er trug einen Geruch mit sich, der mir bekannt war.

Es war derselbe, den ich bereits in dem Lagerhaus damals wahrgenommen hatte, eine Mischung aus Blut und Verwesung. „Es ist hier.“

Bruce rümpfte die Nase. „Riechen tut es nicht besonders gut.“ Da hatte er recht. Was roch denn bitte so sehr nach Tod? Nicht mal eine Leiche roch so schlimm.

Der Geruch verschwand langsam aus meinem Wahrnehmungsbereich. „Es bewegt sich.“, stellte Bruce fest. Ich rannte dem Geruch hinterher, als Bruce bemerkte, dass ich mich bewegt hatte, war ich bereits ein paar Meter entfernt.

Erneut sog ich die Luft ein, doch der Geruch wurde immer weniger und es dämmerte bereits.

„Ich krieg diesen Mistkerl!“ Ich atmete tief durch, doch entspannen konnte ich mich nicht. Meine Wut auf dieses Monstrum überwog meine Vernunft. „Alex.“ Bruce riss mich aus meiner Starre. „Wir suchen morgen weiter.“, meinte er ruhig und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ich antwortete ihm nicht, ein Knurren verließ meine Kehle, meine Augen leuchteten. Hätte Sarah mich so gesehen, dann wäre sie wohl vor Angst davon gelaufen. „Du musst es kontrollieren.“ Bruce hatte recht, ich musste die Kontrolle über mich wiedererlangen, das war jedoch leichter gesagt als getan. Ich durfte nicht an diese Bestie denken, ich musste mich kontrollieren. Kontrolle.

Das Geräusch eines Herzschlags drang an mein Ohr und es war nicht der von Bruce. „Was ist das?“ Meine Augen wanderten durch das Dickicht des Waldes, ich konnte nichts erkennen. Bruce öffnete den Mund um etwas zu sagen, ich stoppte ihn.

Etwa hundert Meter vor uns, im Schutz der Bäume bewegte sich etwas. Bruce nahm hinter einem Baum Deckung, während ich langsam in Richtung der Kiefern schlich. Jetzt war ich noch einen Meter von der Baumgruppe entfernt. Von hinten schlich ich mich an die Gestalt heran und sprang, um es auf den Boden zu werfen. Ich landete auf ihm und warf ihn zu Boden, dann sah ich in sein Gesicht. „Chris?“ Erschrocken sah er zu mir auf. „Alex spinnst du jetzt total?“ Erstaunt darüber, dass die Gestalt Chris war, schüttelte ich den Kopf. „Ich dachte du bist das Ding, was Sarah attackiert hat.“ Er fuhr sich durchs Haar. „Tust du mir einen Gefallen und drehst dich bitte um?“ Jetzt bemerkte ich, dass er splitternackt vor mir stand, meine Augen weiteten sich. „Natürlich.“ Mit einer schwungvollen Bewegung wandte ich ihm den Rücken zu.

Als Bruce auf uns zu kam, konnte sein Blick gar nicht verwirrter sein. „Warum bist du hier Chris?“ Der Blonde musterte mich besorgt. „Wir dachten, wir helfen dir bei der Suche.“ Etwas erstaunt. Aber dennoch dankbar betrachtete ich ihn. „Wir?“, fragte Bruce. Chris wandte sich einem Baum hinter sich zu. „Schatz?“

Eine junge Frau lugte hinter dem Baum hervor. „Hallo Alex!“ Wieso halfen sie mir?

„Franziska Leighton! Das ist ja eine Überraschung!“ Bruce grinste breit. Während sie nur die Augen verdrehte. „Mit dir rede ich nicht Evans! Nichts für ungut Alex.“ Die Leightons waren noch nie ein Fan meiner Familie gewesen, allerdings galt das nicht für mich. Warum das so war, wusste ich selbst nicht. Chris räusperte sich und meldete sich somit wieder zu Wort.

„Dieses Ding war hier, allerdings ist das schon eine Weile her, es dürfte zwei Meilen Vorsprung haben.“

Er drehte seinen Kopf und nickte in Richtung Osten. „Um sie einzuholen ist es schon zu spät.“ Von ihm würde ich mich nicht aufhalten lassen. „Nein! Ich finde dieses Ding!“ Chris hielt mich am Arm fest. „Alex, denk doch mal logisch. Es bringt nichts, jetzt unnötig durch den Wald zu irren. Es ist schon spät. Lassen wir das für heute.“ Ich konnte und wollte jetzt nicht einfach aufgeben.

*9 Jahre zuvor*

„Irgendwann wirst auch du deine Gefährtin finden Alex.“ Dad sah mich lächelnd an.

Ich hoffte es. So viele Mädchen in der Highschool wollten etwas von mir, ich würdigte sie jedoch nicht eines Blickes. Ich wollte einfach nur meine Gefährtin finden und mit ihr glücklich sein.

Eins schwor ich mir, ich würde immer auf sie aufpassen und jeden der ihr etwas tat zur Rechenschaft ziehen.

5

Begegnungen

*Dannys Sicht - 6 Jahre zuvor*

„Willkommen in L.A. Mr. Martins.“ Ich lächelte dem älteren Mann entgegen und schüttelte den Kopf. „Nennen Sie mich Danny.“

Staunend stieg ich in mein Taxi. Die Straßen von Los Angeles wirkten auf einen wie mich etwas monströs und einschüchternd, zu Hause in San Marcos war alles etwas ländlicher, obwohl auch dies eine nicht gerade kleine Stadt war.

Hoffentlich würde ich hier mein neues zu Hause finden, vorausgesetzt der junge Alpha war dort, wo ich ihn vermutete. „Wohin solls gehen?“, wollte der Taxifahrer wissen. „Valley Boulevard heißt es glaube ich.“ Er hob eine Augenbraue und musterte mich von oben bis unten. „Wenn es dort ist, wo ich denke, dass es ist, dann sollten Sie wissen, dass dort nur verlassene Lagerhäuser sind. Niemand kommt da hin.“ Ein bisschen verwunderte mich das schon, aber ich hatte bereits gehört, dass der Alpha den ich suchte, etwas eigen war. „Das ist schon richtig so.“ Er nickte und fuhr los.

Je näher wir meinem Ziel kamen, desto grauer und verlassener wurde die Umgebung. Schließlich lag vor uns ein altes Industriegelände, als wir auch dies durchfuhren wurde mir etwas mulmig im Bauch. Wollte ich das wirklich, wollte ich ihm wirklich begegnen?

Der Wagen kam zum stehen, der Fahrer drehte sich nach hinten zu mir um. „Weiter fahre ich nicht.“ Hatte er etwa Angst?

„Okay! Wie viel wollen sie?“ Er tippte auf seinem Handy herum, ehe er sich erneut umdrehte und mir die Fahrtkosten vorrechnete. „Das wären dann 23$.“

Ich gab ihm das Geld und stieg aus. Gerade ging ich in Richtung Lagerhaus, als er das Fenster herunterkurbelte. „Soll ich sie hier später abholen?“ Ich blieb stehen und wandte mich ihm noch einmal zu. „Nein danke. Wenn ich das überlebe, dann fahr ich mit ihm.“ Den letzten Teil sagte ich mehr zu mir als zu ihm. Ich richtete meine Jacke, atmete tief durch und öffnete die Tür zum Lagerhaus. Dunkelheit umhüllte mich, gab es hier denn keinen Lichtschalter?

Auf einmal ging das Licht an, ein Baustrahler leuchtete in meine Augen, diese leuchteten gelb auf. „Du bist also ein Werwolf.“ Nach der Quelle der Stimme suchend, drehte ich mich um, doch aus jeder Richtung schien sie zu kommen. „Wo bist du?“, wollte ich wissen. Stille setzte ein. „Dreh dich um!“ Ich tat wie mir geheißen und starrte kurz darauf einem jungen Alpha entgegen.

Auf irgendeine Weise wirkte er bedrohlich und einschüchternd. „Mein Name ist Danny. Bi...bist du Alex...Evans?“

*Alex' Sicht - Gegenwart*

Das laute Piepen eines Kopierers drang an meine Ohren, war ich etwas eingeschlafen? Ohne einen Alptraum zu haben? Die Tür des Pausenraums wurde aufgerissen und Gordon trat ein. „Das ist jetzt nicht dein Ernst oder? Seit einem Monat hockst du jetzt fast jeden Tag auf dem Revier und wartest auf Neuigkeiten und jetzt schläfst du auch noch im Pausenraum? Hast du keine Hobbys?“ Kurz überlegte ich und zog die Augenbrauen zusammen. „Nö, eigentlich nicht.“ Er nickte verständlich. „Das habe ich befürchtet, zieh deine Jacke an, es gab einen Mord!“ Schnell sprang ich auf und rannte zur Tür. „Na dann los!“

Kurze Zeit später startete Gordon den Motor seines Wagens und fuhr los. „Weißt du schon wer die Leiche ist?“ Er sah zu mir und seufzte. „Es sind sieben Leichen.“ Klang nach der Bestie, vielleicht würde ich ja an diesem Tatort etwas finden.

Als wir den Tatort betraten, wurden wir bereits vom Gerichtsmediziner erwartet. „Detective Maines, Alex, ich glaube das wollt ihr euch nicht ansehen.“ Gordon schüttelte den Kopf. „Schon gut, ist bestimmt nichts, was wir noch nicht gesehen haben.“ Der Mediziner zuckte mit den Schultern und ließ uns in die spärlich beleuchtete Lagerhalle eintreten, ich kannte diesen Ort. Es war die Lagerhalle in der ich Danny das erste Mal getroffen hatte, sechs Jahre war es jetzt her, seit der Omega mich gebeten hatte, ihn in meinem Rudel aufzunehmen.

*6 Jahre zuvor*

„Du willst also meinem Rudel beitreten?“ Zögerlich nickte der junge Werwolf. Ich setzte mich auf den kalten, grauen Fußboden des Lagerhauses und wies ihn an, dasselbe zu tun.

„Erzähl mir, warum du hier bist.“ Er überlegte kurz und fing dann an zu reden. „Vor einem Jahr war ich im Wald unterwegs, es war sonnig und angenehm warm. Ich habe mich so sehr auf die Natur konzentriert, dass ich den Wolf nicht bemerkt habe. Irgendwann habe ich ihn dann gesehen, er war wunderschön. Doch ehe ich mich versah, hatte er mich gebissen.“ Er atmete tief durch und fuhr sich durchs Haar. Am nächsten Vollmond hatte ich mich dann das erste Mal verwandelt, seitdem suche ich einen Alpha, der mich in seinem Rudel aufnimmt.“

Ein tiefes Schweigen machte sich zwischen uns breit, nach einer Weile räusperte ich mich und stand auf. „Dann ist heute wohl dein Glückstag. Willkommen in meinem Rudel Danny!“

*Gegenwart*

In letzter Zeit hatte ich Danny gekonnt ignoriert, ich gab ihm die Schuld an Sarahs Unfall. Hätte er Mary damals nicht mitgebracht, dann hätte sie nie etwas über uns erfahren und Sarah hätte sie nicht nach Hause fahren müssen. Wie des öfteren zog sich ein stechender Schmerz durch mein Herz. Ich atmete tief durch und folgte Gordon tiefer in das Gebäude.

Auf dem Boden lagen mehrere Leichen und deren Gliedmaßen, soweit ich das erkennen konnte.

Ich erkannte den Geruch, der eine gehörte der Bestie, der andere war der der Outsider. Jetzt hatten wir sie gefunden. „Sie sind schon sehr lange hier.“, meinte der Gerichtsmediziner. „Wie lange Garford?“ Gordon musterte ihn mit eindringlichen Blicken. Garford seufzte und lehnte sich gegen die Wand. „Anhand der Verwesungsmerkmale kann man erschließen, dass diese Leute schon seit über zwei oder drei Monaten tot sind.“

Ich hätte am liebsten den fauligen Geruch zur Sprache gebracht, leider roch ihn niemand so stark wie ich. „Gibt es irgendwelche Zeugen?“, wollte ich wissen. Einer der anderen Detectives räusperte sich und wies auf einen Mann, etwa Mitte 50.

„Kann ich mit ihm reden?“ Gordon beäugte mich prüfend, nickte aber dann. Als sich die Blicke des Mannes und die meinen trafen, lächelte er.

„Na wenn das mal nicht Alex Evans der Alpha ist.“ Ich schnaubte verächtlich. „Ein Outsider, ich hätte es wissen müssen.“ Lächelnd schüttelte er den Kopf.

„Mein Name ist Chester Bennington, habt ihr eine Ahnung, wer meine Brüder auf dem Gewissen hat?“ Fragend verzog ich das Gesicht. „Brüder?“ Chester seufzte. „Das ist symbolisch gemeint, wärt ihr Alphas nicht so aufgeblasene Arschlöcher, dann würden wir euch auch 'Brüder' nennen.“ Meine Muskeln spannten sich an. Als hätte er nichts bemerkt, lächelte er und sprach einfach weiter. „Wenn sie etwas rausfinden, lassen sie es mich wissen. Ach und kümmern sie sich um ihre Gefährtin.“ Was zur Hölle? Woher wusste er von Sarah? Mein Handy klingelte, ich sah kurz auf das Display und drehte mich wieder zu Chester um, doch da war niemand.

Wo war er hin? Erneut ertönte mein Klingelton, diesmal nahm ich ab. „Hallo?“ Eine Frau räusperte sich. „Mr. Evans, sie ist aufgewacht.“

6

Willkommen zurück

*Alex' Sicht*

Ich stürmte durchs Krankenhaus, unwichtig wie viele Menschen mir im Weg standen. Fast war ich am Raum 105 angekommen, als mich jemand am Arm festhielt. Es war Dr. Huxley. „Mr. Evans, es ist vielleicht besser, wenn...“ Weiter kam er nicht, denn ich hatte mich schon losgerissen und öffnete die Tür. Ihr Geruch stieg mir in die Nase, ihr wundervoller Geruch. „Sarah!“ Sie drehte ihren Kopf in meine Richtung und zog die Augenbrauen zusammen. „Das ist mein Name, aber ich fürchte sie haben sich im Zimmer geirrt.“ Was meinte sie? Erkannte sie mich etwa nicht?

Der Schmerz kam wieder in mir hoch, mein Herz fühlte sich noch viel schwerer an als zuvor. Wie konnte sie mich nicht erkennen?

„Mr. Evans, sie kann sich an nichts erinnern.“ Eine etwas kleinere Krankenschwester betrat den Raum, Sarahs Augen weiteten sich. „Was?“ Etwas geschockt fuhr ich mir durchs Haar. „Bekommen wir mal kurz fünf Minuten?“, fragte ich die Krankenschwester, diese nickte und verließ den Raum. Ich nahm mir einen Stuhl und setzte mich verkehrt herum auf ihn. Ein unangenehmes Schweigen legte sich zwischen uns. Sarah räusperte sich und zog ihre Bettdecke etwas hoch. „Also du bist bestimmt nicht mein Bruder...“ Sie hob die Augenbrauen.

„Nein, dein Bruder bin ich nicht, auch nicht irgendein Kumpel.“, antwortete ich.

Sie fuhr durch ihr Haar und lehnte sich zurück. „Das hab ich befürchtet... also sind wir ein Paar?“ Jetzt war ich derjenige, der die Augenbrauen hoch zog. „Entschuldige.“, nuschelte sie. „Die Frage ist berechtigt, schließlich kannst du dich nicht erinnern... und ja, wir sind ein Paar.“ Sie tat mir so unbeschreiblich leid, alles was wir bisher erlebt und durchgestanden hatten war vergessen. Sie wusste anscheinend nicht mal mehr, dass ich ein Werwolf war. „Und du bist...?“, fing sie wieder an. „Alex, mein Name ist Alex.“ Ohne Vorwarnung betrat Huxley den Raum. „Wann kann ich nach Hause?“ Dr. Huxley starrte auf sein Klemmbrett. „Ein paar Tage müssten wir sie noch zur Untersuchung hier behalten.

Sie sind schließlich gerade erst aus dem Koma aufgewacht.“ Ein Seufzen ihrerseits war zu hören.

„Kann er hier bleiben?“

Dabei wies sie auf mich. Ich war reichlich erstaunt über ihre Frage, schließlich konnte sie sich ja nicht an mich erinnern. „Die Besuchszeit ist aber bald vorbei.“, warf Huxley ein. Ich enthielt mich dem Gespräch. „Aber ich soll mich doch erinnern. Er kann mir helfen, da bin ich sicher.“ Der Arzt schien mit sich zu ringen und sah abwechselnd von Sarah zu mir.

„Na gut, aber das ist eine Ausnahme.“ Sarah grinste breit, wie ich das vermisst hatte. Unheimlich gern hätte ich sie jetzt in den Arm genommen und sie geküsst. Dieser Schmerz war fast noch schlimmer, als sie zu verlieren. Zu wissen, dass sie lebte, dass sie da war, sich aber an nichts erinnern konnte. Wie sollte ich ihr denn bitte die Werwolfsache erklären, wie konnte ich wissen, dass sie mich nicht für verrückt halten würde? „Gut, dann helfen sie ihr, sich zu erinnern.“ Mit diesen Worten verließ Huxley wieder das Zimmer. „Du musst nicht da auf dem Stuhl sitzen bleiben.“ Irgendwie hatte sie recht, das musste ich nicht, aber hier war der Schmerz erträglicher. Momentan waren mir meine Schmerzen allerdings egal und so stand ich auf und kam zu ihr herüber. Vorsichtig ließ ich mich auf die Bettkante nieder.

Sie war so wunderschön, so perfekt und ich konnte nichts machen, außer mit ihr zu reden. „Was willst du wissen?“, fing ich an. „Erzähl mir etwas schönes, irgendetwas was wir erlebt haben.“ Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. „Da gibt es so einiges...“

*1 Jahr zuvor*

„Wo fahren wir hin?“ Ich verdrehte bloß die Augen.

„Das hast du mich in den letzten zwanzig Minuten schon gefühlte tausend Mal gefragt.

Es ist eine Überraschung.“ Etwas trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust und starrte aus dem Fenster. „Wir sind gleich da.“

Gerade war es ganz gut, dass sie kein Werwolf war, denn so konnte sie die salzige Luft des Meeres noch nicht riechen. Nach einer Weile stoppte ich den Wagen, stieg aus, umrundete ihn und öffnete Sarah die Tür. „Willkommen am Pescadero State Beach!“ Ihre Augen weiteten sich und ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. „Wow! Das ist...unbeschreiblich!“ Sie drehte sich um und legte ihre Lippen auf meine. Ich vergrub meine Finger in ihrem Haar und zog sie enger an mich. „Ich liebe dich!“ Ihre wunderschönen kristallblauen Augen fixierten meine. „Ich dich auch.“

7

Alte Zeiten

*England - 1432*

„Beeilt euch!“, rief der junge Jäger. Seine Kumpanen kämpften sich hinter ihm mit Fackeln und Schwertern bewaffnet, durchs Unterholz.

„Warum sind wir gleich noch hier?“, wollte einer der älteren wissen. „Psst, ich glaube sie sind in der Nähe!“ Sofort machte sich Stille zwischen den Männern breit. In der Siedlung war es ruhig, ein paar Lichter brannten in den einzelnen Hütten noch und eine Nachtwache machte ihren Kontrollgang.

„Brook, du kümmerst dich um den Wachmann. Isaac und Gane, ihr legt das Feuer und ich suche diesen Mistkerl!“ Brook zog sein Schwert aus der Scheide und schlich weiter in Richtung Siedlung. „August, wen suchst du eigentlich?“, fragte Gane und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich kenne seinen Namen nicht, aber einer meiner Vorfahren ist ihm schon mal begegnet.“ Er verzog das Gesicht. „Einer deiner Vorfahren?“ August nickte und sah erneut zum Dorf herüber. „Denos hat unsere Organisation gegründet, jetzt ist es an uns sein Erbe fortzuführen.“ Denos, der erste Jäger war zwar schon seit Jahrhunderten tot, aber seine Organisation existierte bis heute. „Du hast uns nicht gesagt, wer in dem Dorf lebt.“, meldete sich Isaac zu Wort.

August fuhr über die silberne Klinge seines Schwertes und seufzte. „Das spielt gerade keine Rolle. Es ist Zeit, entzündet die Häuser!“ Gane nickte und ging voran, Isaac folgte ihm leise.

Die Bäume wiegten sanft im Wind, ein Gewitter zog auf. Dunkle Wolken bildeten sich über der Siedlung nahe Maidstone. Das prasseln eines Feuers war zu vernehmen, Dachbalken brachen entzwei, Wände krachten unter dem Gewicht der Obergeschosse ein. Außer dem Lärm des Feuers herrschte Totenstille auf der Lichtung, nirgends konnte man einen Mucks hören. Nahe des Waldes standen die vier Jäger und beobachteten das Geschehen.

Noch vor einer Stunde war es nicht so leise gewesen. Vor einer Stunde konnte man laute Schreie hören, als das Feuer ausbrach. Langsam aber sicher verstummten diese jedoch.

Gane räusperte sich. „Da waren Menschen drin?“ August schüttelte den Kopf.

„Keine Menschen, Werwölfe!“ Gane wurde blass. „Du hast uns befohlen, Unschuldige bei lebendigem Leib zu verbrennen? Du bist ein Monster!“ August schüttelte langsam den Kopf. „Keiner dieser Werwölfe ist unschuldig! Sie sind die Monster! Wann verstehst du das endlich?“ Brook beäugte die beiden skeptisch. „Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?“ Wieder schüttelte August den Kopf. „Er war nicht hier.“

*Alex' Sicht- Gegenwart*

„Hast du das gelesen?“ Fragend musterte ich Bruce. „Ja hab ich, was haben sie ihnen nur angetan?“

Was in diesen Büchern stand war grausam, mehr als das. Man hatte Werwölfe bei lebendigem Leib verbrannt, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass unter ihnen auch Kinder waren. „Gehst du heute wieder zu Sarah?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Mal sehen.“ Er seufzte und lehnte sich an den Küchentresen. „Was ist mit diesem Chester? Hast du eine Ahnung welche Rolle er bei der ganzen Sache spielt?“ Ich überlegte.

Darüber hatte ich überhaupt noch nicht nachgedacht. Was wenn er unsere Bestie war?

„Bei dem Kerl bin ich mir nicht sicher, ich weiß nur, dass er ein Outsider ist und der einzige Überlebende dieses unrechtmäßigen Rudels.“ Bruces Blick erhellte sich. „Vielleicht haben wir was übersehen.“ Was sollten wir bitte übersehen haben?

Er hatte meinen fragenden Blick bemerkt und drehte sich nun zu mir. „Wenn Chester der einzige Überlebende war, warum hat er dann nicht gleich die Polizei gerufen? Er hat zwei Monate gewartet und er wusste wo die Leichen sind, der Kerl wusste wer du bist und er kannte Sarah, dann war er auch noch am Tatort!“ Diese Erkenntnis seinerseits war ein absoluter Durchbruch. So viele Zufälle konnte es nicht geben. „Dann ist er unsere Bestie.“

*Sarahs Sicht*

Eine Brise frische, kühle Luft durchströmte meine Lungen bei jedem Atemzug, den ich tätigte. Das Gras war für den Februar ungewöhnlich grün und frisch, außerdem war es angenehm warm, sodass man draußen sitzen konnte. Hier draußen fühlte man sich nicht, als wäre man im Krankenhaus, mehr glich der Garten einem Park, so still und friedlich und ich mittendrin.

„Mrs. Evans, sie sollten nicht so lang hier draußen bleiben.“ Eine junge Krankenschwester ließ sich neben mir auf der Parkbank nieder. „Eigentlich heißt es Ms. Daniels.“, stellte ich fest, sie hob eine Augenbraue. „Oh, ich dachte sie und Mr. Evans...“

Ein wenig trotzig unterbrach ich sie: „Nein. Und wenn, dann würde ich mich sowieso nicht daran erinnern.“ Nachdenklich musterte sie mich. „Gab es noch keine Fortschritte?“ Traurig schüttelte ich den Kopf. Wieder überlegte sie. „Hatten sie irgendwann einmal Haustiere?“ Gute Frage.

Ich schloss die Augen und dachte nach. „Ich habe keine Ahnung, ich erinnere mich an...“ Ich stockte. „An was?“ Sie legte mir eine Hand auf die Schulter. „Ich erinnere mich an einen schwarzen Camaro und an eine Gestalt, sie...Wer ist das?“ Ich hatte meine Augen geöffnet und starrte geradeaus. Die Schwester sah auf und folgte meinem Finger, der auf einen Mann, ungefähr Mitte fünfzig, am Ende des Gartens zeigte.

Er hatte schulterlanges Haar, einen Vollbart und trug eine Lederjacke. „Wieso fragen sie das?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Er kommt mir irgendwie bekannt vor, wer ist er?“ Sie seufzte und lehnte sich zurück. „Ich weiß nur das er Chester heißt und seit etwa zwei Monaten hier ehrenamtlich arbeitet, weiteres weiß ich jedoch nicht.“ Dankend nickte ich. Ein lauter Piepton ließ mich aufschrecken, sie nahm ihr Handy und drückte den grünen Hörer. „Okay verstehe, ja ich bring sie rein.“ Damit war wohl ich gemeint. Nachdem sie aufgelegt hatte, drehte sie sich wieder zu mir und lächelte. „Sie haben Besuch.“

Freude stieg in mir auf, zwar kannte ich die Leute, welche mich besuchten nicht, aber sie waren allesamt sehr nett.

Ich folgte der Schwester wieder ins Krankenhaus, sie führte mich durch zahlreiche Korridore bis hin zu meinem Zimmer.

Zweimal hatte ich mich schon verlaufen, was nicht gerade schwer war, wenn man bedachte wie groß das Krankenhaus war. „Und wer besucht mich heute?“, fragte ich die Pflegerin. Sie öffnete nur eine Tür und schob mich praktisch hinein, bevor sie diese wieder schloss.

„Hey Sarah!“ Eine junge Frau mit dunklem Teint trat auf mich zu und schloss mich in ihre Arme. „Ich bin Carole.“ Gerade hatte sie mich losgelassen, da befand ich mich in den Armen einer blonden Frau. „Und du bist?“ Sie lächelte. „Ich bin Cara, ich bin so froh, dass es dir gut geht.“ Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. „Also seit ihr meine Freundinnen?“ Beide nickten gleichzeitig. „Sollen wir dir irgendwas von früher erzählen?“ Ich verzog das Gesicht.

„Früher, dass klingt als wäre ich 90! Aber ja bitte.“ Cara musste grinsen und auch Carole konnte sich ein breites Lächeln nicht verkneifen. Beide warfen sich praktisch auf mein Bett. „Also was willst du wissen?“ Ich ließ mich auf einem Stuhl nieder und überlegte. „Naja, wie war mein Leben so, war ich glücklich mit Alex?“ Die Blonde lächelte. „Ihr wart ein absolutes Traumpaar, man könnte meinen, dass ihr füreinander geschaffen wärt.“ Es war schön das zu hören, trotzdem war ich traurig, mein Kopf fühlte sich leer an. Ich wollte meine Erinnerungen zurück und das schnellstmöglich.

8

Wieder zu Hause

*Alex' Sicht*

„Wie wärs wenn du mal aufstehst?“ Eine tiefe Stimme drang an mein Ohr. Ich zog mir die Bettdecke über den Kopf und vergrub mein Gesicht im Kissen. „Lass mich schlafen!“ Die Matratze senkte sich und jemand zog die Decke weg. Ich zog sie zurück. „Du musst Sarah abholen.“ Sofort sprang ich auf und fiel aus dem Bett. „Scheiße!“

Bruce hob eine Augenbraue und verschränkte seine Arme. „Du bist 20 Minuten zu spät dran.“ Entsetzt fuhr ich mir durchs Haar. Verdammt! Wie konnte ich das nur vergessen?

Schnell kramte ich meinen Autoschlüssel aus meiner Manteltasche und rannte die Treppe herunter. „Bin soweit!“, rief ich Bruce zu. Der jedoch stand nun am Treppenabsatz und schüttelte den Kopf. „An deiner Stelle würde ich mir etwas anziehen, sonst kannst du gleich im Krankenhaus bleiben, die würden dich für verrückt halten.“ Fragend musterte ich ihn. Als ich an mir herab sah, leuchtete mir allerdings ein, was er meinte. Ich trug nicht mehr als eine Boxershorts, so konnte ich Sarah keinesfalls entgegentreten.

„Gib mir fünf Minuten!“ So schnell ich konnte stürmte ich wieder nach oben, zog mich schneller als ein Blitz, um und rannte wieder zur Tür. „Kannst du mir einen Gefallen tun?“ Bruce seufzte und zuckte mit den Schultern. „Kommt drauf an.“

Ich wies in Richtung Wohnzimmer. „Kannst du die Bücher und den ganzen Werwolfkram auf den Dachboden bringen? ...Ach und etwas kochen könntest du auch noch.“

Wieder hob er nur eine Augenbraue und verschwand im Wohnzimmer. War das jetzt ein ja oder ein nein? Ich zuckte mit den Schultern und verließ das Haus, Sekunden später saß ich in meinem Auto. Ich vermisste den Camaro sehr, jedoch war ich zu dem Entschluss gekommen, dass er nur Pech gebracht hatte.

Erst gab es da den Unfall mit den Outsidern und dann den Angriff auf Sarah.

Nach dem letzten Ereignis hatte ich ihn nicht wieder reparieren lassen, er stand mit einem Totalschaden in der Garage, der Motor war immer noch zerstört, den Kühler hatte ich auch nicht wieder gefunden, außerdem befanden sich auf der Motorhaube riesige Kratzspuren, die Frontscheibe war eingedrückt und das Fenster der Fahrerseite fehlte komplett. Ihn verschrotten zu lassen, hatte ich bis jetzt nicht übers Herz gebracht, vielleicht änderte sich das ja in Zukunft. Zurzeit fuhr ich einen alten Landrover, bei dem ich jeden Tag betete, dass er überhaupt anspringen und nicht einfach den Geist aufgeben würde. Da heute mein Pechtag zu sein schien passierte genau letzteres. Ich drehte den Zündschlüssel und ein leichtes Brummen war zu hören, dann zischte es und sofort drang Qualm unter der Motorhaube hervor. Scheiße!

Stöhnend schlug ich die Tür auf und stieg aus. Als ich die Motorhaube aufriss drang nur noch mehr Qualm in mein Gesicht. Schließlich musste ich husten, jetzt hatte ich schon eine dreiviertel Stunde Verspätung, dieser Tag war echt zum kotzen. Vielleicht sollte ich mir einfach ein Taxi rufen. Schnell wählte ich die Nummer des hiesigen Taxiunternehmens und wartete, bis jemand den Anruf entgegen nahm.

Eine halbe Ewigkeit schien es zu dauern, bis es in der Leitung klickte und eine Frau sich räusperte. „Bus- und Taxiunternehmen San Jose, was kann ich für sie tun?“ Erleichtert seufzte ich. „Guten Tag, ich bräuchte ein Taxi, bitte.“ Kurz war es still, dann meldete sie sich wieder zu Wort. „Also heute sind leider keine Taxis verfügbar, ist alles schon ausgebucht.“ Das konnte doch jetzt wohl nicht wahr sein. „Lady, ihr Unternehmen hat über 50 Autos, wie kann da kein einziges verfügbar sein?!“ Sie seufzte. „Über die Hälfte unserer Wagen sind in der Werkstatt, der Rest ist heute bei einer Hochzeit. Tut mir sehr leid Mr., wir könnten ihnen frühstens in 2 Stunden eines unserer älteren Modelle zur Verfügung stellen oder...“

Weiter kam sie nicht, denn ich hatte bereits aufgelegt. Was sollte ich denn jetzt bitte machen?

Wütend schlug ich mit der Faust auf den Motor, immer und immer wieder, der Qualm wurde weniger, vielleicht sollte ich es noch einmal versuchen.

Ich setzte mich wieder hinein und drehte den Schlüssel erneut um, mit einem leicht röhrendem Geräusch sprang der Motor an. Gott sei dank!