No need for meat - Andreas Bär Läsker - E-Book

No need for meat E-Book

Andreas Bär Läsker

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  • Herausgeber: TRIAS
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Vegan essen hat den Nimbus von Langeweile, Extremismus, Komplexität, Anstrengung, Verbissenheit, Spaßfreiheit und sozialer Ausgrenzung. Nichts davon ist wahr. Das ist alles ein ganz, ganz furchtbarer, unfassbar gigantischer, Wahnsinns-Mega-Irrtum!!! Wir alle wurden in dem Glauben erzogen, oder von der Agrar-, Lebensmittel- und Werbeindustrie dahingehend konditioniert, dass unsere Mahlzeiten um das Zentrum herum gebaut werden müssen, und das Zentrum ist nun mal ein Stück Fleisch. Das Schnitzel, der Braten, das Steak, die Bratwurst, die Frikadelle oder der Schaschlik-Spieß sind quasi das, worum sich der Rest der Ernährung zu drehen hat. Die riesige Mauer aus Fleisch, Wurst und Käse ist jedoch nur ein armseliger, kleiner Bruchteil dessen, was man als Ernährungsuniversum betrachten kann. Als Fleischesser erreichen Sie nicht einmal den Orbit, als Veganer hingegen reisen Sie durch eine intergalaktische, neue, interessante und unfassbar vielfältige Welt der Ernährung, die nicht nur um vieles größer ist als die der anderen Seite, sondern sich über Jahre hinweg selbst immer weiter potenziert. Hört sich übertrieben an? Isses aber nich'. Ich verspreche Ihnen, dass Sie exakt das erleben werden. Andreas Bär Läsker ist weder Schriftsteller noch Koch, aber vielen bekannt als Manager der Fantastischen 4. 2007 steigerte er seine Bekanntheit als DSDS-Juror. Seit Bär Läsker vegan lebt, hat er sich als kreativer Rezeptentwickler entpuppt. Jetzt können seine bislang nur im Freundeskreis beliebten Rote-Bete-Küchle endlich nachgekocht werden...

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Seitenzahl: 281

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No need for meat

Oder: Vegan ist, wenn man trotzdem lacht

Andreas Bär Läsker

150 Abbildungen

Inhaltsverzeichnis

1 Prolog

2 Und sie konnten alles außer Hochdeutsch….

3 Die Grundausbildung

4 Das Kaum-Zeit-Kontinuum

5 Die Mauer muss weg!

6 Die Droge Gewohnheit

7 Dem Würzen ist ein Kraut gewachsen

8 Unterwegs gibt’s auf die Nuss….

9 Salat Komma pflanzlich

10 Kill to grill?

11 Back to the roots….oder: Wurzel²

12 Ode an die Kartoffel

13 Och, wie süüÜÜüss!

14 Meine Quellen und meine Inspiration

15 The End

Sachverzeichnis

Impressum

1 Prolog

Mein Name ist Andreas „Bär“ Läsker.

Kaum jemand nennt mich Andreas, genau genommen drehe ich mich selten einmal um, wenn mir jemand meinen richtigen Vornamen hinterherruft. Alle nennen mich Bär. Ich habe überhaupt nichts gegen meinen richtigen Namen, aber tatsächlich hat außer meinen Eltern und meinen Schwestern diesen Namen die letzten 30 Jahre so gut wie niemand im Kontext mit mir benutzt. In letzter Zeit allerdings, ganz besonders seit ich 50 geworden bin, meinen immer mehr Leute, es sei irgendwie unseriös, mich weiterhin Bär zu nennen, und quatschen mich mit Andreas an oder….mein absoluter Horror….mit „Andi“. Hilfe. Ich bitte Euch alle inständig….nicht Andi. Ich bin einfach kein Andi. Ich habe nichts gegen Andis, ich bin einfach nur keiner. Ich bin vielleicht manchmal ein Andreas, wenn es unbedingt sein muss, aber eigentlich bin ich seit 1983 der Bär, und der möchte ich auch sehr gerne bleiben. Danke, schön, dass wir darüber kurz sprechen konnten. Als Gegenleistung für dieses Entgegenkommen, dass Ihr mich alle nie wieder Andi nennt und den Andreas nach Möglichkeit den Ämtern, Banken oder sonstigen offiziellen Institutionen überlasst, erzähle ich Euch jetzt auch allen zusammen endgültig und ein für alle Mal, wie es zu dem Spitznamen „Bär“ kam.

Es war 1983, ich war im dritten Jahr professioneller Discjockey und arbeitete in einem ziemlich zwielichtigen, mehr als typischen Achtziger-Schuppen namens „Ritz“. Der Inhaber und seine tagtäglich anwesenden, Backgammon oder Würfel spielenden Zuhälterkumpels mit langer blonder Dauerwelle, Cowboystiefeln und rosa Jogginganzug (die geilste Kombi ever….unschlagbar peinlich) nebst Cartier-Panther um den Hals brachten es zusammengerechnet auf locker 120 Jahre Knast (davon acht abgesessen, 112 noch vor sich).

Zu dieser Zeit gab es in Deutschland noch kein Musikfernsehen, aber es gab in manchen Läden schon diese ersten Videobeamer mit den gekrümmten Parabolleinwänden. Und es gab eine Firma „MuVi – Music Show on Video“. Das war eine komische Klitsche, die Musikvideos zusammen mit Werbeclips auf VHS-Cassetten zusammenstellte und an Discotheken, Bistros oder sonstige, nach merkwürdigen Kriterien ausgesuchte sogenannte „Zielgruppentreffpunkte“ verschickte. Es war damals tatsächlich eine Art Privileg, im „MuVi-Verteiler“ zu sein. Man musste die Tapes binnen sechs Wochen un-be-dingt wieder zurückschicken, durfte sie natürlich nicht kopieren und bei Verlust wurde eine Gebühr von 500 oder 600 Mark fällig. So gesehen war das das frühe Off-Air-MTV, wenn man so will. Jedenfalls hatte diese Firma die totaaal großartige Werbeidee, mit kleinen Aufklebern in Form von Wolken und irgendwelchen ziemlich dummen Billo-Sprüchen darin Werbung für ihre tollen VHS-Programme zu machen. Und….wie konnte es auch anders sein, die meisten dieser Aufkleber landeten natürlich auf der obligatorischen, ca. 25 cm hohen Plexiglas-Bande rund um den Arbeitsplatz des DJ’s, die dazu diente, nicht durch eventuelle Missgeschicke mit klebrigen Getränken seitens der geschätzten, aber volltrunkenen Gäste, die sauteure Soundanlage in die damals von Prince im Vorspann von „Let’s go crazy“ besungene „Afterworld“ zu befördern. Auf einem der Aufkleber, natürlich ausgerechnet auf dem genau links neben mir am Eingang zur DJ-Kanzel, stand sinnigerweise „Hier steppt der Bär“. And the rest is history….der Inhaber des Ladens kam nach oben, sah den Aufkleber, sah mich an und sagte: „Tja….,dann bist du ja wohl der Bär“.

„Tja…., dann bist du ja wohl der Bär“

Hmpf. Ehrlich….ich habe eigentlich nur ganz kurz versucht, mich dagegen zu wehren, denn mein vorhergehender Spitzname „Putzi“ passte aufgrund stark veränderter optischer Parameter sowieso nicht mehr so richtig zu mir. Erstens trug ich schon lange nicht mehr diese vollkommen unförmige Brille mit den Gläsern, die aus Böden von alten Colaflaschen gemacht zu sein schienen, selbige aufgrund ihres unfassbaren Gewichts die Brille ständig Richtung Nasenspitze rutschen ließen, was mich jahrelang – ohne es zu bemerken – dazu veranlasste, die Brille durch ein starkes Rümpfen der Nase wieder in die richtige Position zu befördern. Dabei sah ich – nach der Meinung meines schulischen Nebensitzers Manne Erhardt – aus wie sein mümmelndes Meerschweinchen, und das hieß leider „Putzi“. Und zweitens war ich mit 1,93 m Körpergröße und knappen 160 kg Gewicht auch nicht mehr soooo wirklich putzig, sondern schon ziemlich bärig. Da sich der neue Spitzname „Bär“ in ungefähr 72 Stunden in der ganzen Stuttgarter Discoszene herumgesprochen hatte, akzeptierte ich ihn schnell als meine neue Marke in meiner neuen Heimatstadt Stuttgart. Hier war ich also….kaum 20 Jahre alt, von Beruf Discjockey, endlich dem Ludwigsburger Kleinstadtmief entkommen und bereit, die Welt zu erobern. Ich war der Bär.

Tja….,und der bin ich heute immer noch, habe vor über 20 Jahren das australische Känguru-Warnschild ein wenig grafisch umstylen lassen und trage seither dieses Bärentattoo auf meinem linken Oberarm, das sich auch im Layout dieses Buches wiederfindet.

Und ich habe diesen Spitznamen schon vor Ewigkeiten als sogenannten „Ordens- oder Künstlernamen“ in meinen Personalausweis eintragen lassen. Also, für alle, die es meines Alters wegen oder sonst einer komischen, gesellschaftlichen Konvention folgend als unseriös oder unzeitgemäß betrachten, mich Bär zu nennen….,entspannt Euch. Es ist und bleibt amtlich.

1 Haarige Zeiten mit 16

2 Alter Mitstreiter im Musikgeschäft: Hartwig Masuch

4 Mein Perso macht es offiziell: Ich bin der Bär!

Ich bin übrigens weder Schriftsteller noch bilde ich mir das ein. Ich bin auch kein ausgebildeter Koch, kein Wissenschaftler und auch kein gelernter Ernährungsexperte. Ich bin Musikmanager, Fotograf und manche Leute nennen mich Marketingtalent, manche Visionär und manche einfach nur irre. Ich habe keine Berufsausbildung, kein Studium und kein Diplom. Ich bin lediglich durch über 50 Jahre eines beruflich immer selbstständigen, bislang durchaus bewegten und extrem interessanten Lebens gegangen und habe unglaublich viel erlebt, hunderte von Jobs gemacht und sowohl mit anderen Menschen gedealt als auch mit mir selbst und mit meinem Körper. Und einige dieser Erfahrungen möchte ich in diesem Buch gerne wiedergeben, weitergeben, mitteilen, Schlüsse aus ihnen ziehen oder von Ihnen, liebe Leser, ziehen lassen.

Ich esse seit vier Jahren kein Fleisch mehr und bin seit nun knapp zwei Jahren das, was man als einen „Veganer“ bezeichnet. Und ich weiß nicht, ob ich mich jemals an diese Vokabel gewöhnen werde, aber dazu später mehr.

Jetzt wünsche ich Ihnen aber erstmal allen viel Spaß beim Schmökern, beim Lachen, Kochen, Nachdenken, beim Sich-selbst-Wiederentdecken, beim Staunen, beim Einkaufen und alles in allem dabei, sich eventuell auf eine neue, spannende Erfahrung einzulassen.

2 Und sie konnten alles außer Hochdeutsch….

oder der mit der Sprache tanzt (autobiografisch)

Ich wurde im September 1963 in Ludwigsburg am Neckar geboren. John F. Kennedy behauptete kurz davor, er sei ein Berliner und wurde kurze Zeit später erschossen. Ein Liter Normalbenzin kostete 65 Pfennig und eine Schachtel Zigaretten kaum zwei Mark. Mein Vater war Baujahr 1916 und meine Mutter 1925. Somit war meine Geburt wohl gleichzeitig mein Erstkontakt mit dem Satz „Scheiße, es funktioniert!“ (….noch?), den ich heute noch gerne ab und an, zugegebenermaßen in einem komplett anderen Kontext, benutze. Schließlich kann es durchaus auch sehr unangenehm sein, wenn man vom Erfolg vollkommen überrascht wird.

Meine Eltern hätten sicherlich mit allem gerechnet, aber nicht damit, noch mal Nachwuchs zu bekommen. Schon gar nicht männlichen Nachwuchs von initialen neun Pfund Lebendgewicht. Das Gejammer, wie anstrengend und schmerzhaft diese Geburt war, musste ich mir über Jahrzehnte anhören, gerade so, als hätte ich im Mutterleib absichtlich zu viel gegessen.

Zur Info: Meine Eltern kamen beide aus Thüringen („mior haddn ja nüschd“) aus dem wunderschönen kleinen vogtländischen Luftkurörtchen Ziegenrück an der Saale, und waren direkt 1945 aus der noch taufrischen „Ostzone“ rüberjemacht, allerdings zunächst nur bis nach Oberfranken. Ihre extreme Abneigung gegenüber Fernreisen war offensichtlich auch damals schon in Ansätzen vorhanden. In Oberfranken kamen dann auch meine beiden Schwestern zur Welt, die in meinen ersten Lebensjahren oft mehr zu meiner Sozialisierung im Schwabenland beigetragen haben als meine Erzeuger, die sich bis zu ihrem Tod nicht wirklich in Baden-Württemberg eingelebt haben, weder geografisch noch sprachlich.

Als mein Vater einen Job bei der legendären GdF Wüstenrot (für Nicht-Bausparer: „Gemeinschaft der Freunde“) angeboten bekam, nahm er ihn an, wohl eher nicht ahnend, sein restliches Leben im Ländle zu verbringen. Als er dann meine Mutter und meine Schwestern irgendwann nachgeholt hatte, kam dann ich zur Welt. Meine große Schwester (damals 17 Jahre) war aus irgendeinem Grund wahnsinnig stolz darauf, ihren kleinen Bruder im Third-Hand-Kinderwagen durchs triste Ludwigsburg der 60er Jahre zu schieben, meine kleine Schwester war damals eher im früheren Teenager-Alter und durfte dann mit mir ihr Kinderzimmer teilen, was in der extrem „geräumigen“ 63-qm-Neubauwohnung nun mal nicht anders möglich war. Inwieweit sie das gut fand, lässt sich heute nicht mehr so richtig verifizieren. Ihr jeden Abend abgespieltes Tonband auf einem Gerät der Firma Grundig hat jedenfalls meine musikalische Prägung nicht unmaßgeblich beeinflusst, und dafür bin ich ihr durchaus dankbar….zumindest im Nachhinein.

So viel zu meinen wirklichen „Roots“….obwohl, bleibt noch eines zu sagen: Ein Dialekt ist eben ein Dialekt. Und meine Eltern sprachen, ja, wie mag man es nennen….sicherlich würde heute jeder „sächsisch“ dazu sagen. Ich als Kind zweier Thüringer bzw. Vogtländer habe dazu natürlich eine etwas dezidiertere Meinung, aber ja….es ist am Ende schon so was in der Art oder klingt zumindest sehr, sehr ähnlich.

Das Problem war, dass man als Kind ja auch irgendwann auf die Straße rausgeht zum Spielen, und dort wurde selbstverständlich breitestes Schwäbisch gesprochen. Ich verstand schlichtweg genau nichts. Begriffe wie „a Guck“ (eine Tüte) waren mir vollkommen fremd, und ich assoziierte freestylemäßig natürlich vollkommen andere Dinge mit den mir entgegengerufenen Begriffen, was mich in gewisser Weise zu so ’ner Art Fremden machte. Ich teilte also in gewisser Hinsicht ein klitzekleines bisschen das sprachliche Schicksal der ersten in Deutschland geborenen Gastarbeiterkinder, die in der Schule oft hart mit der Sprachbarriere zu kämpfen hatten. Ich hatte den Vorteil, mich schneller an die hochdeutsche Sprache, quasi als notwendige Flucht aus dem elterlichen, nicht sonderlich beliebten Dialekt, gewöhnen zu müssen, die Gastarbeiterkinder hatten dagegen den Vorteil, parallel noch die griechische, spanische oder türkische Schule besuchen zu können.

Als Konsequenz habe ich mich, sobald ich des Lesens mächtig war, auf für mein Alter passende Literatur aller Art gestürzt und monatelang das Haus nur noch unter Zwang verlassen. Alles von „Lederstrumpf“ bis „Winnetou“ wurde verschlungen, und über Enid Blyton und Astrid Lindgren landete ich irgendwann bei Sachbüchern und Technikstories. Und bald darauf konnte ich dann auch Schwäbisch, aber das hat bis zur annähernden Perfektion echt gedauert. Ich lerne heute noch manchmal von meinem Freund Uwe Sontheimer Worte, die er immer von seiner Oma oder seiner Mutter anschleppt….,die ich noch nie gehört habe und die ich auch nicht ohne Erklärung verstehen würde.

Als ich dann mit acht oder neun Jahren irgendwann stolz wie Bolle mit meinem Straßen-Schwäbisch zuhause angeben wollte, stand meine Mutter sofort ermahnend vor mir und hat mir mit dem „glasklaren“ Satz „Abor hiar schbrischsd du mior nisch so….hior wird nisch rumgeschwäbld“ sofort die Anwendung meiner neu erworbenen Sprach-Skills verboten. Na super. Gefangen in der Twilight-Zone zwischen Sächsisch und Schwäbisch. Fast schon ein Fall für Amnesty International.

Aus dieser Zeit stammt meine Angewohnheit, die ich heute fast schon eher als Talent ansehe, nämlich dass ich mit jedem Menschen instinktiv so zu sprechen versuche, wie er es tut. Ich wechsle in Diskussionen wie eine Art Sprachchamäleon die Dialekte, die Stimmfarbe oder sogar das Vokabular, ganz automatisch. Das klappt manchmal, manchmal ist es eher peinlich und ganz selten fühlen sich die Leute direkt verarscht. Trotzdem….danke, Mutti. Wenn wir uns irgendwann da oben wiedersehen, „bring isch dior ooch widor n Schbrudl ausn Gellor mid höch.“

Ich war also sozusagen ein Deutscher mit innerdeutschem Migrationshintergrund.

1 Bauchlage mit 1 Jahr

2 Im 70er-Nicki am DDR-Grenzpfahl

3 Ein Bild aus dicken Jamaika-Tagen

Irgendwann, Anfang der 80er Jahre, zog es mich dann endgültig nach draußen. Ich konnte die Enge der elterlichen Wohnung schon längst nicht mehr ertragen, ich wollte schon mit 15 das erste Mal ausziehen, was meine Eltern mir glücklicherweise verboten haben, denn ich wäre an diesem Projekt wohl ziemlich kläglich gescheitert. Trotzdem….es hatte Gründe, warum ich raus wollte und warum ich auch schon sehr früh mehr Zeit auf der Straße, auf meinem geliebten Fahrrad (Staiger Trento, Torpedo Dreigang) und vor allem bei Freunden verbracht habe, als zuhause.

Ich hatte einfach sehr, sehr alte Eltern, und das nicht nur biologisch oder auf dem Papier, sondern auch von ihrer gesamten Art her. Sie lebten das Leben von alten Menschen, von sehr altmodischen Menschen, verschlossen sich fast allem Neuen ganz unwillkürlich, waren kein bisschen mutig, alles wurde ewig lange überlegt, hin- und hergewälzt, um es am Ende doch nicht zu tun oder zu einem Zeitpunkt, der oft keine Relevanz mehr hatte. Ich erinnere mich an Urlaubsreisen, die mir fast den letzten Nerv geraubt haben, und das, obwohl ich erst zehn Jahre alt war, ein Alter, in dem man eigentlich seine Eltern noch bedingungslos toll findet und ihnen hinterherläuft wie ein kleines Hündchen.

Wenn ich mir überlege, was es für eine Sensation für mich war, mit ihnen nach Gran Canaria zu fliegen, zwei Premieren auf einen Streich, das erste Mal fliegen, und das erste Mal das Meer sehen….Wahnsinn! Der Flug war schon der Horror, irgendeine Seelenverkäufer-Chartermaschine der „Spantax“….Der Pilot hatte sich gefühlt einen Sport daraus gemacht, möglichst viele Luftlöcher zu finden….,aber damit nicht genug….kaum angekommen, bezogen wir ein viel zu kleines Billig-Appartement zu dritt, ich neben den Eltern in einer Art Klappbett….egal….Hauptsache jetzt sofort ans Meer! Aber nein, wir mussten uns jetzt erst mal „akklimatisieren“ und uns „orientieren“, was bedeutete, dass wir auf Geheiß meines Vaters ohne Sinn und Plan durch dieses Retorten-Urlaubsörtchen „San Agustin“ latschen mussten, obwohl wir das Meer vom Balkon aus schon sehen konnten, es lag 100 Meter weg vom Hotel, aber ich durfte einfach nicht hin. Erst am nächsten Morgen durfte ich dann netterweise mal an den Strand, um den für mich vollkommen enttäuschenden, dunklen und festen Sand dieses Strandes in Augenschein zu nehmen. Erst später, an anderen Stellen dieser Insel, kam ich dann in den Genuss von der Art von Sandstrand, wie ich ihn aus Magazinen und Filmen kannte.

Gefangen in der Twilight-Zone zwischen Sächsisch und Schwäbisch.

Die Freizeit, die meine Eltern miteinander und mit mir gemeinsam verbrachten, war für mich immer relativ absurd, unverständlich und zugegebenermaßen ziemlich….unangenehm. Das für mich als Junge vollkommen sinnlose Herumhängen bei Tante Traudel oder bei Familie Brändle war insofern turboätzend, weil ich ja quasi ein Einzelkind war, bedingt durch meine späte Geburt. Meine Schwestern haben, zumindest fühlte sich das für mich so an, in Lichtgeschwindigkeit die elterliche 63-qm-Wohnung verlassen und sofort geheiratet….und ich war dann eben dazu verdammt, mit meinen in jeder Hinsicht alten Eltern ihre ebenso alten Freunde und Bekannten zu besuchen, von denen es außerdem nicht mal allzu viele gab. Von Abwechslung konnte da auch nicht die Rede sein. Und von ein paar extrem spießigen, kriegsgeprägten, aber trotzdem politisch ziemlich weit rechts der Mitte wählenden Ehepaaren und Pseudo-Tanten betüddelt zu werden und „Was bist du schon wieder groß geworden“-Sprüche zu hören, hat mich als Kind schon nicht sonderlich beeindruckt. Naja, die Geschichte des zweiten Weltkriegs hatte ich zumindest schon vor dem Gymnasium super drauf.

Mir war mit ihnen allen im Grunde fast immer sterbenslangweilig. Und das ist aus heutiger Sicht vielleicht ein Grund für viele Dinge, die jetzt in meinem Leben vollkommen anders sind. Ich kenne heute keine Langeweile mehr. Ich habe sie vollkommen aus meinem Leben vertrieben, ganz und gar….Ich empfinde maximal etwas wie absichtliche Muße, und die genieße ich dann auch. Aber Langeweile habe ich vollkommen aus meinem Leben eliminiert, vermutlich weil ich sie auf fast traumatische Art und Weise so lange und intensiv ertragen musste. Vielleicht bin ich deswegen schon immer gerne viel unterwegs gewesen, habe mein halbes Leben lang gerne als Discjockey gearbeitet, bin Fotograf geworden, habe mich ins Entertainmentgeschäft reingefuchst und habe immer mindestens drei bis zehn heiße Projekte auf dem Entwicklungsherd.

Viele Leute, die mich kennenlernen, fragen mich, woher ich so viel über dies oder jenes weiß, oder sagen wir, warum dass ich zu so gut wie jedem Thema irgendwie meinen Senf abgebe oder abgeben kann. Gut, das liegt einerseits daran, dass ich meine große Klappe selten halten kann und lieber mal zu viel als zu wenig erzähle. Aber es liegt auch daran, dass ich sehr gerne neue Dinge erfahre, dazulerne und in mich aufsauge. Das war schon immer so….mir hat selbst der Latein-Unterricht irgendwie Spaß gemacht, im Gegensatz zu Mathematik in der Mittelstufe bei Dr. Schumm.

Ich bin, das nur nebenbei, Herrn Sperber für seinen Latein-Unterricht im Friedrich-Schiller-Gymnasium in Ludwigsburg im Nachhinein sehr dankbar dafür, dass er mir jedes Mal ein Stück Kreide an den Kopf geworfen hat, wenn ich angefangen habe zu plappern anstatt aufzupassen. Bei meiner dicken Brille konnte ja eh nichts passieren, denn er hat wirklich scharf geschossen, aber wahrscheinlich wusste er das….er wusste sowieso irgendwie alles. Und er war ein unglaublich autoritärer Arsch, aber irgendwie mochte ich ihn. Ich hab ihm jedenfalls große Teile meiner Fähigkeit zum logischen Denken zu verdanken, das man aus meiner Sicht im Gymnasium nur auf zwei Arten lernen kann, entweder durch Mathematik oder Latein. Beide Fächer trainieren die Logik hervorragend.

Da ich mit Mathe aber nie etwas anfangen konnte (mir reicht heute noch der Satz des Pythagoras, um beim Berechnen irgendwelcher Fotohintergründe nicht zu viel oder zu wenig Stoff oder Teppich zu kaufen, mehr hab ich eh nie verstanden oder sagen wir….verstehen wollen), und weil mir die reine Theorie einfach keinen Spaß macht, habe ich mich glücklicherweise ab der siebten Klasse für Latein und erst danach on top noch für Französisch entschieden und somit den naturwissenschaftlichen Zug rechtzeitig verlassen. Insofern eine gute Entscheidung, weil mein sprachliches Talent mein mathematisches Verständnis um Längen schlägt und weil sich Latein als Logiktrainer mindestens genauso gut eignet, aber a.) mehr Spaß macht und b.) vielseitigere Anwendungsgebiete für mich auftat. Außerdem hat mich an Latein immer fasziniert, dass es für fast jedes Wort entweder einen Bezug in die Gegenwart gibt oder einen geschichtlichen Bezug auf die ollen Römer in der Vergangenheit. Aber es bleibt so gut wie nichts unbegründet, was mir sehr entgegenkommt, denn ich hasse es, auf die Frage „Warum….“ keine oder keine mir ausreichende Antwort zu bekommen. Ich war auch, soweit ich mich erinnern kann, ein ganz furchtbares „Warum-Kind“ und habe meine arme Mutter mit meiner permanenten Fragerei wohl regelmäßig zur Weißglut gebracht. Sie nannte mich schon sehr früh immer „Pedant“, ein Wort das ursprünglich positiver gemeint war, als es meine Mutter mir gegenüber anwendete. Na ja, sie hat es sicher nicht so gemeint.

Und ich war immer ein dickes Kind. Aus den neun Pfund Geburtsgewicht wurden schnell mehr. Sehr viel mehr. Ich war die fleischgewordene Klischee-Übererfüllung des anfangs pummeligen, später dicken, unsportlichen Typen mit der hässlichen Brille und den komischen Klamotten. Wenn ich mich heute durch amerikanische Teeniefilme zappe….es gibt in jedem von diesen Filmen einen wie mich damals.

Und wenn ich mich ganz stark konzentriere und mich erinnere, ist Ernährung seit meinen frühesten Tagen eigentlich immer ein….nein das bestimmende Thema meines Lebens gewesen. Iss dies nicht, iss jenes nicht….das macht dick. Meine Eltern hatten keine Ahnung von gesunder Ernährung, aber wirklich keinen blassesten Schimmer. Sie versuchten trotzdem auf ihre Art immer, mir immer wieder klarzumachen, dass ich mich gesund ernähren sollte. Nicht ganz so einfach für einen 8–16-Jährigen in einem winzigen Haushalt, mit einer Mutter, die weder besonders gern noch besonders gut kochte. Ich habe sehr früh angefangen, mir mein Essen irgendwie selbst zu besorgen, zu kochen, zu backen oder sonst wie an die Mahlzeiten zu kommen, die mir schmeckten und die ich für richtig hielt.

Ich habe immer schon gerne gebacken, es hat mich irgendwie fasziniert, wie man ein paar Sachen zusammenrührt und daraus in weniger als einer Stunde ein Kuchen oder ein Tortenboden wird. Eines Tages, meine Mutter war außer Haus wegen ihres Halbtags-Jobs, beschloss ich, eine doppelstöckige Crèmetorte in Angriff zu nehmen. Dazu brauchte ich natürlich sämtliche im Haus vorrätigen Eier, so an die zwölf Stück. Die beiden Bisquit-Tortenböden wurden sensationell gut, fluffig und locker, wie ein Bisquit eben sein muss. Die Crème hat auch irgendwie funktioniert, also es hat alles in allem geklappt. Als meine Mutter nach Hause kam und das Schlachtfeld sah, das mal ihre Küche war, gab’s erst mal ziemlichen Ärger. Als sie die Torte sah, war sie allerdings stark beeindruckt. Als sie ein Stück probierte, war sie komplett geflasht von meinen Bisquit: „Wie hast du den denn so locker und leicht hinbekommen?“ Ich zeigte auf das Rezept, das ich in ihrem eigenen, in Altdeutscher Schrift handgeschriebenen Rezeptbuch gelesen hatte (ich konnte dieses altdeutsch ganz gut entziffern, weil meine Oma, Baujahr 1896, nur so schrieb) und verwies darauf, den Teig genau nach dieser Anweisung gemacht zu haben. Antwort: „Ja bist du denn wahnsinnig? Du kannst doch nicht für zwei Tortenböden zwölf Eier verschwenden?“ Öhm….doch? Es steht so im Rezept und außerdem wäre die Torte sonst nicht so gut geworden….und außerdem, häh? Zwölf Eier? Ein Ei kostete damals vielleicht acht Pfennig oder so. Na ja….das mit den Torten hatte sich dann irgendwie schnell erledigt, meine Leidenschaft fürs Backen wich irgendwann der fürs Kochen und meine Mutter erzählte noch jahrelang allen davon, was ich für einen tollen Bisquitteig machen kann, allerdings eben mit sehr viel Eiern….und dann sei das ja andererseits auch wieder keine Kunst. Aha. Vielleicht merken Sie gerade, warum mir, direkt nach der Verbannung jeglicher Langeweile, Logik sehr wichtig wurde in meinem Leben. Logik war einfach das Gegenteil von meiner Mutter. Logik wurde mein persönlicher Punk.

Logik wurde mein persönlicher Punk.

Mein Vater konnte nicht kochen. Er konnte, glaube ich, nicht mal den Herd anmachen. Ich bin der festen Meinung, mein Vater wäre lieber einen heldenhaften Hungertod gestorben, als sich mal selbst eine Stulle zu schmieren oder einen Salat zu machen.

Dies führte irgendwann zu meinen ersten Kochversuchen, ich muss so um die neun oder zehn Jahre alt gewesen sein. Meine Mutter war wegen einer ihrer Kropfoperationen für zwei Wochen im Krankenhaus, und ich war mit meinem Vater allein. Da mein Vater sich aus unerfindlichen Gründen strikt weigerte, in der Betriebskantine zu essen (ich vermute, er wollte das Geld sparen), kam er trotzdem jeden Mittag nach Hause. Aber da war ja nur ich. Und aus Mitleid mit meinem offensichtlich hungernden Vater begann ich zu kochen. Das reduzierte sich zwar auf Spiegeleier mit Brot, mal so, mal so gewürzt und ab und zu so was Ähnliches wie einen Salat, aber er aß es. Und ich war stolz wie Oskar, dass ich mit meinen überirdischen Kochkünsten (so kam es mir jedenfalls vor) in der Lage war, meinen kurz vor der Rente befindlichen Vater vor dem sicheren Hungertod zu bewahren. Die Story, wie heldenhaft ich meinen Vater bei seinem harten Schicksal, zwei Wochen lang Strohwitwer zu sein, unterstützt hatte, machte in meiner todlangweiligen Verwandtschaft und dem sonstigen „Damals im Krieg“-Haufen schnell die Runde und ich bekam tatsächlich Respekt. Für zwei Wochen Spiegeleier mit Paprikapulver, Toastbrot und grünem Salat.

Ich war ein Held. Dick, unsportlich, hässlich, aber ein Held. Wahnsinn.

3 Die Grundausbildung

Ist das tote Fleisch verschwunden, kommt Leben in die Küche!

In der täglichen Küchen-Praxis unterscheidet sich vegane Ernährung auf den ersten Blick nicht von irgendeiner anderen Ernährungsform, würde man zunächst meinen. Das stimmt aus meiner Sicht aber nur bedingt. Essen ist nicht gleich Essen. In meiner Küche hat sich unglaublich viel getan, seit ich mich vegan ernähre. In allererster Linie hat man es natürlich mit weniger schnell verderblichen Lebensmitteln zu tun und es wird irgendwie deutlich ruhiger und interessanter in der Küche.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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