Nordseewellen und Treibholzliebe - Julia Beylouny - E-Book

Nordseewellen und Treibholzliebe E-Book

Julia Beylouny

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Beschreibung

Kann die große Liebe selbst Unwahrheiten überwinden? Die besten Freundinnen Romina und Sybille könnten unterschiedlicher nicht sein: Während Sybille mit ihren blonden Locken jeden Mann um den Finger wickelt, träumt die unscheinbare Romina insgeheim von der großen Liebe.  Als Sybille online den Dänen Magnus kennenlernt, scheint es ihr ernst zu sein. Wenig später hat dieser einen Schweißunfall und verliert vorübergehend seine Sehkraft. Er bittet Sybille, noch am gleichen Tag zu ihm ins Haus in den Dünen ins idyllische Nymindegab zu reisen, um ihm zu helfen. Die hat aber gerade erst Konzerttickets für ihre Lieblingsband gewonnen und will sich diese einmalige Chance nicht entgehen lassen. Also muss ein Plan her – und der sieht vor, dass Romina als Sybille die Sommertage an der dänischen Küste verbringt. Als Romina dort auf etwas völlig Unerwartetes stößt und Magnus bei romantischen Strandspaziergängen und Abenden vor dem Kamin obendrein ihr Herz mit jedem Tag höherschlagen lässt, muss sie eine Entscheidung treffen, bevor der ganze Schwindel auffliegt … Kann die Wahrheit warten, wenn das Herz spricht? Eine bezaubernde Sommerliebesgeschichte über Täuschung, Sehnsucht und den Mut, man selbst zu sein.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Nordseewellen und Treibholzliebe

Julia Beylouny wurde 1980 in Paderborn geboren, wo sie auch mit ihrer Familie lebt. Das geschriebene Wort hat sie von klein auf an fasziniert und in fantastische Welten entführt. Ihre ersten eigenen Schreibversuche hat sie im Alter von dreizehn Jahren in Gedichtform unternommen, später kamen Romane und Kurzgeschichten hinzu. Ihr Genre ist der Liebesroman.

Kann die große Liebe selbst Unwahrheiten überwinden?

Die besten Freundinnen Romina und Sybille könnten unterschiedlicher nicht sein: Während Sybille mit ihren blonden Locken jeden Mann um den Finger wickelt, träumt die unscheinbare Romina insgeheim von der großen Liebe. 

Als Sybille online den Dänen Magnus kennenlernt, scheint es ihr ernst zu sein. Wenig später hat dieser einen Schweißunfall und verliert vorübergehend seine Sehkraft. Er bittet Sybille, noch am gleichen Tag zu ihm ins Haus in den Dünen ins idyllische Nymindegab zu reisen, um ihm zu helfen. Die hat aber gerade erst Konzerttickets für ihre Lieblingsband gewonnen und will sich diese einmalige Chance nicht entgehen lassen. Also muss ein Plan her – und der sieht vor, dass Romina als Sybille die Sommertage an der dänischen Küste verbringt.

Als Romina dort auf etwas völlig Unerwartetes stößt und Magnus bei romantischen Strandspaziergängen und Abenden vor dem Kamin obendrein ihr Herz mit jedem Tag höherschlagen lässt, muss sie eine Entscheidung treffen, bevor der ganze Schwindel auffliegt … 

Julia Beylouny

Nordseewellen und Treibholzliebe

Ullstein

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Originalausgabe bei Ullstein eBooksUllstein eBooks  ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin März 2025© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2025Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenAutorinnenfoto: © privatE-Book powered by pepyrusISBN978-3-8437-3517-9

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Inhalt

Das Buch

Titelseite

Impressum

Prolog – Romina, 2024

Kapitel 1 – Romina, 2024

Kapitel 2 – Romina, 2024

Kapitel 3 – Elisa, 2013

Kapitel 4 – Romina, 2024

Kapitel 5 – Romina, 2024

Kapitel 6 – Elisa, 2013

Kapitel 7 – Romina, 2024

Kapitel 8 – Romina, 2024

Kapitel 9 – Romina, 2024

Kapitel 10 – Elisa, 2013

Kapitel 11 – Romina, 2024

Kapitel 12 – Romina, 2024

Kapitel 13 – Romina, 2024

Kapitel 14 – Romina, 2024

Kapitel 15 – Romina, 2024

Kapitel 16 – Romina, 2024

Kapitel 17 – Elisa, 2024

Kapitel 18 – Elisa, 2024

Kapitel 19 – Romina, 2024

Kapitel 20 – Elisa, 2024

Kapitel 21 – Romina, 2024

Kapitel 22 – Elisa, 2024

Kapitel 23 – Romina, 2024

Kapitel 24 – Elisa, 2024

Kapitel 25 – Elisa, 2024

Kapitel 26 – Romina, 2024

Kapitel 27 – Romina, 2024

Kapitel 28 – Romina, 2024

Kapitel 29 – Romina, 2024

Kapitel 30 – Romina, 2024

Kapitel 31 – Romina, 2024

Leseprobe: Küstenglück im kleinen Inselhotel

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog – Romina, 2024

Prolog – Romina, 2024

Was tue ich hier eigentlich? Mein Spiegelbild schaut mich vorwurfsvoll an. Wie konnte ich mich bloß auf so etwas einlassen?

Das ist doch gar nicht meine Art. Ich erkenne mich kaum wieder.

»So bist du nicht«, flüstere ich mir zu und versuche verzweifelt, eine Erklärung für mein Verhalten zu finden. Vielleicht hat das Bedürfnis, meiner besten Freundin helfen zu wollen, mein Urteilsvermögen außer Kraft gesetzt. Oder ist es das, was wahre Freundschaft ausmacht?

Jetzt, da ich mich selbst betrachte, mich für diesen Betrug auch noch herausputze, fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Dass es nicht richtig ist. Dass es gemein und hinterhältig ist. Dass ich im Begriff bin, jemanden bewusst zu täuschen und seine hilflose Situation auszunutzen. Und das Schlimmste daran ist: Ich kann nichts mehr dagegen tun. Meine Knie schlottern, und mir ist ganz schlecht vor Anspannung.

»Schäm dich, Romina!«, sage ich, während ich in die blauen Augen meines Spiegelbildes sehe. Widerwillig greife ich zum Mascara und schminke mich. Wieso überhaupt? Er wird mich nicht mal sehen.

Ich könnte Sybille die Schuld an meiner Situation zuweisen. Ja, das wäre einfach. Das würde mein Gewissen beruhigen.

Nein. Ich drehe den Mascara zu und schiebe ihn zurück ins Schränkchen. Nein, ich habe zugesagt. Aus freien Stücken. Ich hätte das nicht tun müssen. Hab ich aber.

Kapitel 1 – Romina, 2024

Ich liebe den Geruch und die Haptik von Stoffen. Das Gefühl, wenn Textilien vom Rattern und Surren meiner Nähmaschine begleitet unter der Nadel herlaufen. Wie ein Fluss aus Gewebe, der im Lichtschein durch meine Hände strömt.

Manchmal, wenn ich allein in der Schneiderei bin, schließe ich die Augen und inhaliere die Gerüche der verschiedenen Stoffe. Jedes Material erzählt eine Geschichte, bringt Erinnerungen mit sich.

Leder: herb und aromatisch. Das riecht nach Freiheit und nach Papa, an den ich mich als Kind auf sonntäglichen Motorradausflügen geschmiegt habe.

Leinen: der Duft, wenn Omas Apfelkuchen unter dem Tuch abkühlte.

Brokat und Tartan: Schottland und Whisky. Sie stehen für die schweren Vorhänge im Glasgower Nobelhotel und den angetrunkenen Kerl im Kilt, der mich im Pub geküsst hat.

Frottee: das kuschlige Spannbettlaken in kalten Winternächten, wenn ich bei meinen Cousinen übernachtet habe und Tante Mia uns aus Hörbe mit dem großen Hut oder Madita vorgelesen hat.

In solchen Momenten bin ich sicher, dass der Beruf der Schneiderin mich mehr erfüllt als alles, was ich sonst hätte tun können.

Jetzt muss ich mich aber sputen, denn es ist gleich fünf, und dann schließen wir. Ich muss noch schnell einen Knopf an einem Hemd annähen, denn der Kunde will es noch heute abholen. Er muss jeden Moment hier sein. Max Koch ist ein Stammkunde unserer Schneiderei. Allein beim Gedanken an ihn bekomme ich weiche Knie. In Windeseile suche ich nach einem passenden Vierlochknopf und weißem Garn. Dabei stelle ich mir vor, wie Max Koch in diesem Hemd aussieht. Zu welchem Anlass er es wohl trägt und ob am Stoff noch ein Hauch seines Parfums haftet. Meine Nase wäre ja prädestiniert dazu, es herauszufinden, aber … Ich schüttle den Gedanken schnell ab und nähe zügig weiter. Zu einem weißen Hemd kann er alles tragen. Eine rote Krawatte würde bei seinen pechschwarzen Haaren gigantisch aussehen. In diesem Moment bimmelt die Türglocke. Ich schaue hastig auf und bin erleichtert, dass es nur Sybille ist mit ihrem ausgelassenen »Hallöchen!«.

Seit unserer Ausbildung sind wir beste Freundinnen, obwohl wir grundverschieden sind. Sybille mit ihren langen blonden Locken, die bei jeder Bewegung wie vergoldete Sprungfedern auf und ab wippen. Im Gegensatz zu mir weiß sie ihre blauen Augen beim Flirten perfekt einzusetzen. Neben ihr komme ich mir manchmal wie ein graues Mäuschen vor.

„Hi«, begrüße ich sie.

Sybille schiebt ein Stück Leinenstoff zur Seite und setzt sich auf meinen Nähtisch. Sie zückt ihr Handy und tippt etwas. Dabei strahlt sie übers ganze Gesicht.

Im ersten Moment bin ich über ihr Verhalten verwundert, aber gleich darauf fällt mir wieder ein, dass es ja Sybille ist. Da sollte mich gar nichts mehr wundern. Ich schneide den Faden ab und glätte das Hemd. Geschafft! Jetzt kann der Kunde kommen.

Meine beste Freundin schmachtet noch immer ihr Smartphone an. Ich frage mich, wieso sie hergekommen ist. Nur um am Handy zu tippen?

»Wie geht’s denn so, und wie war dein Urlaub?«, will ich wissen. »Ich kann auch abschließen. Du hättest an deinem letzten freien Tag nicht extra vorbeikommen müssen.«

»Oh, Romina! Hab ich dir das eigentlich schon erzählt?«, fragt sie, ohne auf meine Frage oder den Kommentar einzugehen. Ihre Augen glänzen.

»Kommt drauf an, was du meinst.«

»Ich hab jemanden kennengelernt …«

Klar. Sybille lernt ständig wen kennen. Ich greife nach einem Kleiderbügel, hänge das Hemd auf und starre es sehnsüchtig an. Ach, wenn ich doch auch behaupten könnte, jemanden kennengelernt zu haben. Aber ich bemühe mich, nicht neidisch zu sein. Mann, ist das schwer! In Gedanken sehe ich Max Koch vor mir. Der gefällt mir. Ehrlich.

Wie aufs Stichwort bimmelt die Türglocke. Da ist er, gekommen, um sein Hemd abzuholen. Ich lehne mich an das Regal hinter mir, als der Duft von Pinienwäldern in meine Nase steigt. Tief inhaliere ich ihn. Ich liebe sein Lächeln, das nicht mir gilt. Seine Bernsteinaugen, die unter den schwarzen Brauen hervorstechen. Seine geheimnisvolle Ausstrahlung. Wie gut, dass Sybille gekommen ist, sonst hätte ich ganz sicher doch an dem Hemd gerochen.

Ich fürchte, ich hätte meine Nase nie wieder aus dem Stoff bekommen.

»Gu-Guten Abend«, stammle ich.

»Hallo, guten Abend.«

Er hat ein Grübchen am Kinn, das mich so verzückt, dass ich ihn auf der Stelle küssen will. Aber wie wohl jeder männliche Stammkunde dieser Schneiderei kommt auch er sicher nur wegen Sybille.

»Hi!«, ruft sie in seine Richtung, ohne vom Handy aufzusehen.

»Ist mit meinem Hemd alles in Ordnung?«, fragt er etwas verunsichert und schaut mir in die Augen.

»Klar, es duftet … äh, es ist dufte! Ich meine, es ist fertig! Wie versprochen. War ein Klacks. Wieso fragen Sie?«

»Nur so. Ich habe es ziemlich eilig und wollte sichergehen, dass alles gut ist.«

»Ist es«, versichere ich ihm, während ich nervös meine spröden Haare mit den Fingern durchkämme.

»Gut, was bekommen Sie?« Er zückt sein Portemonnaie, während ich das Hemd vom Bügel nehme, es ordentlich zusammenlege und ihm hinschiebe. Hoffentlich bemerkt er nicht, dass meine Finger vor Aufregung zittern.

»Oh! Lassen Sie mal, das geht aufs Haus. Ein einzelner Knopf, das ist … nicht der Rede wert.«

Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass sein Lächeln doch mir gelten könnte.

Wenig später sind Sybille und ich wieder allein im Laden. Ich nehme meine Schlüssel und gehe zur Tür. Feierabend. Mit einem Seufzen schaue ich Max Koch durchs Schaufenster nach, bis er hinter den Häuserblocks verschwindet.

»Das Licht an deiner Nähmaschine ist noch an«, bemerkt Sybille. »Und da liegen Stoffe auf dem Tisch, die solltest du besser zusammenfalten und ins Regal packen.«

Max Kochs Geruch hängt noch immer in der Luft. Dieses Parfum ist einzigartig. Ich würde es unter Tausenden sofort erkennen. Ich bilde mir gern ein, dass er meinetwegen herkommt. Denn ganz sicher mag er Frauen mit schmalen Lippen, Schlupflidern und langweilig herabhängenden schwarzen Haaren. Er sieht nämlich nicht wie alle anderen Männer nur das Äußere, sondern erkennt die innere, wahre Schönheit eines Menschen.

»Erde an Romina!«

»Hm?«

Ich schaue mich nach Sybille um. Hat sie mich gerade ausgelacht, oder grinst sie noch immer wegen ihrer neuen Onlinebekanntschaft?

»Ich spreche jetzt mal kurz als Inhaberin dieser Schneiderei und als deine Chefin. Nicht als Freundin, okay?«, sagt sie mit plötzlich ernstem Ton.

»Okay.«

»Wenn du neuerdings jedem Kunden die Kosten erlässt, kann ich dich bald nicht mehr bezahlen, alles klar?«

»Ich … jedem Kunden? Das war nur ein Knopf!«

Sybille schaut mich sehr ernst an, nur um dann einen Lachanfall zu bekommen. »Sprich ihn doch endlich mal an!«

»Was? Wen denn?«

»Glaubst du, ich bin blöd? Also ewig wird der bestimmt nicht frei sein.«

»Worauf soll ich ihn denn ansprechen? Etwa auf den Knopf?«

Sybille prustet und schwingt sich vom Nähtisch.

»Dir kann man nicht helfen.«

»Ach, der hat doch eh kein Interesse an mir. Erzähl mir lieber von deinem Neuen.«

Darin ist sie Profi. Im Kennenlernen und Chatten und Speed-Daten und – leider auch im Enttäuschtwerden.

Sybille seufzt selig.

»Diesmal ist es der Richtige, da bin ich ganz sicher.«

Auch das höre ich nicht zum ersten Mal.

Ich knipse das Licht an meiner Maschine aus, falte die Stoffe und schiebe sie ins Regal. Dann begleite ich Sybille aus der Tür.

»Er heißt Magnus und ist Däne.«

»Däne also. Freut mich für dich. Alles Gute, Bille!«

»Danke. Wir schreiben echt viel. Er hat einen grandiosen Humor!«

»Ich muss jetzt zuschließen, sonst bekomme ich Stress mit meiner Chefin. Die kennt da keine Gnade, weißt du.«

»Hey!« Sie packt mich an den Schultern. »Wenn ich mal ein Date mit ihm hab, dann kommst du mit. Du und der Koch! Was meinst du? Ein Viererdate!«

Diesmal pruste ich unvermittelt los.

»Du hattest noch kein Date mit ihm?«, will ich wissen.

Der Schlüssel bringt das Schloss zum Klicken.

»Nein!« Sybille quiekt. »Ist das nicht aufregend?! Ich hab ihn erst vor Kurzem über die Lovebirds-App kennengelernt. Er lebt halt in Dänemark, da haben wir noch keinen Termin gefunden. Ich meine, er arbeitet, ich arbeite. Aber das macht es doch nur interessanter, findest du nicht?«

»Er könnte jemand anders sein, als er vorgibt zu sein«, gebe ich zu bedenken. »Manchmal sind die Menschen, die man zu kennen glaubt, nicht die, für die man sie hält.«

»Spinnst du jetzt?! Oder bist du eifersüchtig?«

»Kannst du das Gebiet, in dem du Lovebirds suchst, denn nicht eingrenzen?«, frage ich schnell. »Wieso suchst du jemanden in Dänemark? Und wenn es klappt? Ziehst du dann weg? Darf ich deinen Laden übernehmen? Okay, hey, es soll schön sein in Skandinavien! Mach’s gut und – wo muss ich unterschreiben?«

»Hahaha! Sehr witzig!«

»Dating-Apps und Hemdknöpfe.« Ich kicke einen Kiesel. »Zwei seltsame Angelegenheiten.«

»Hemdknöpfe?«

»Ach vergiss es.«

»Hey?« Sybille lächelt und streicht mir über den Arm. »Ich ziehe doch gar nicht weg. Und wenn, dann bist du die Erste, die es erfährt. Dann ließe sich bestimmt auch über den Laden reden. Aber bis es so weit ist, entspann dich mal!« Ihr Handy piept. Sie macht keine Anstalten, sich auf den Nachhauseweg zu begeben. Stattdessen strahlt sie wieder übers ganze Gesicht, während sie auf ihr Display schielt.

»Ach, Romina«, säuselt sie. »Ich bin gerade einfach so verliebt! Wann hast du dich zum letzten Mal mit jemandem getroffen? In der Schule? Auf der Abiparty? Während der Ausbildung?«

»Bist du morgen früh wieder da?«, frage ich, um von diesem Thema abzulenken.

»Ja«, antwortet sie. »Heute war mein letzter Urlaubstag. Leider.«

»Wieso hast du die freie Zeit nicht genutzt, um nach Dänemark zu fahren? Du hättest diesen Magnus treffen können.«

Keine Antwort. Nur dieser Blick, den ich so oft bei ihr bemerke, wenn es darum geht, eine Beziehung ernsthaft in Angriff zu nehmen. Ich verstehe. Sie hält Magnus hin. Ich weiß, dass Sybille die Männer immer auf Abstand hält, wenn sie glaubt, es könnte zu fest werden. Meine beste Freundin leidet unter Bindungsängsten. Ich erwidere ihr Lächeln von vorhin und streiche ebenfalls über ihren Arm.

»Okay«, sage ich und deute auf meine Haustür, die sich direkt neben der Tür zur Schneiderei befindet. Als Sybille sich selbstständig gemacht und mir die Stelle angeboten hat, habe ich die Wohnung obendrüber gemietet. »Ich geh jetzt hoch. Wir sehen uns dann morgen.«

»Ja, wir sehen uns morgen«, antwortet sie. »Lass dich umarmen, beste Freundin, und schlaf nachher gut. Ich freu mich aufs Arbeiten und auf dich!«

»Das tue ich auch! Gute Nacht, Bille!«

»Ich hab sie! Ich hab sie tatsächlich! Schau her!«, schreit Sybille euphorisch, als sie am nächsten Morgen in den Laden stürmt. »Ich kann’s nicht glauben! Ich hab sie!«

Ich schaue von meiner Nähmaschine auf. Fast hätte ich mich an den Stecknadeln verschluckt, die ich zum Fixieren von Nähten benutze und gern zwischen meinen Lippen aufbewahre.

»Was hast du?«, frage ich, nachdem ich die Nadeln aus dem Mund genommen habe.

»Mann, die Karten natürlich!«

»Welche Karten?«

»Die Karten!«

Im Vorbeigehen wirft Sybille ihre Strickjacke auf den Garderobenständer. Der gerät ein wenig ins Wanken. Sogar für ihn scheint das am frühen Morgen schon zu viel Energie zu sein. Die Wangen meiner Freundin sind vor Aufregung hochrot, ihre Augen leuchten, und die Locken hüpfen theatralisch im Takt. Sybille stützt sich auf meinem Tisch ab und schaut, als müsste die ganze Welt wissen, von welchen Karten sie spricht.

»Welche Karten?«, wiederhole ich.

»Gratulier mir zuerst!«

»Ich gratuliere dir von Herzen.«

»Ich bin so ein Glückspilz!«

»Sybille!«

Langsam nervt es. Meine Freundin tanzt durch den Laden. »Erinnerst du dich daran, dass ich an diesem Gewinnspiel teilgenommen habe?«

»Nein.« »Ich habe auf Friendbook einen Post meiner Lieblingsband kommentiert.« Sie keucht.

»Sprichst du von den Purple Needles?«

»Ja! Wenigstens erinnerst du dich daran, dass ich Fan der ersten Stunde bin.«

Das weiß ich tatsächlich. Sybille liebt diese Rockband. Einige ihrer Songs gefallen auch mir. Ob meine Freundin allerdings zunächst Fan des Namens der Band und danach erst ihrer Lieder gewesen ist, kann ich nicht sagen.

»… und stell dir vor, unter allen Kommentaren wurden Konzertkarten verlost! Und es haben Tausende kommentiert, Romina! Tau-sen-de!«

Jetzt dämmert es mir. Ich reiße die Augen auf.

»Du hast die Konzertkarten gewonnen? Und fliegst nach L.A., um die Needles zu sehen?«

Sie rüttelt an meinem Tisch. »Sie kommen her! Hast du das gehört? Für ein einziges Konzert kommen sie im Rahmen ihrer Europatour her! Kannst du dir das vorstellen, Süße? Ich gehe auf ein Needles-Konzert hier bei uns! Für lau!«

Jetzt springe ich auf, um Sybille in die Arme zu hüpfen.

»Oh, wow, das ist unfassbar! Ich freu mich für dich! Wann findet das Konzert statt? Und hast du eine Karte gewonnen oder mehrere?«

Sybille drückt mich so fest an sich, dass ich kaum Luft bekomme. Dann kreischt sie in mein Ohr: »In ein paar Tagen schon, am Freitag! Ich wusste ja, dass sie herkommen, aber kaum dass der Termin stand, gab es nirgends mehr Tickets. Wer hätte denn gedacht, dass ich bei der Verlosung auf Friendbook eine Chance hab? Man sollte einfach nur seinen Lieblingssong in die Kommentare schreiben und dann – hab ich gewonnen! Mit Baby, I’m Yours!«

Mein Ohr tut weh, und ich ersticke beinahe. Schnell löse ich mich aus ihren Armen.

»Ich hab leider nur eine Karte, sonst hätte ich dich mitgenommen. Bist du traurig?«

»Ach Quatsch«, rufe ich. »Ich mag zwar einige Songs, aber ich muss nicht unbedingt auf ein Konzert von denen.«

»Oh Mann, ich muss erst mal shoppen. Was ziehe ich bloß an? Das ist ein Open Air. Wie soll denn das Wetter am Wochenende werden? Ich muss für alles gewappnet sein.«

Sie zückt ihr Handy und öffnet eine Wetter-App. Schmunzelnd beobachte ich, wie sie wegen ihres Outfits und des Wetters grübelt. Ich freu mich wirklich für Sybille, dass sie dieses Ticket gewonnen hat, und setze mich wieder an die Nähmaschine, um mich um einen Hosensaum zu kümmern.

»Sonne und bis zu dreiundzwanzig Grad«, verkündet meine Freundin. »Das ist perfekt!«

»Ja, das klingt echt nach den besten Voraussetzungen. Ich übernehme gern deine Kunden für den Tag.«

»Oh, nein, wie süß ist das denn!«, unterbricht sie mich.

Ein Blick in ihre Richtung genügt, um zu wissen, dass sie nicht von meinem Angebot spricht. Sie tippt in ihr Handy.

»Es ist Magnus. Er freut sich total für mich und erzählt gerade, dass er mich mit einem Needles-Konzert überraschen wollte, aber auch keine Tickets mehr bekommen hat. Ist das nicht lieb von ihm?«

»Ja, wirklich lieb.«

Okay, es kann mir auch egal sein, was Sybille wegen ihrer Kunden vorhat. Ich muss mich wirklich um die Hose kümmern. Die ist für eine Abifeier bestimmt und muss dringend gekürzt werden. Ich entferne die Stecknadeln und vertiefe mich in die Arbeit. Plötzlich erscheint Max’ Gesicht vor meinem inneren Auge. Mit ihm würde ich gern mal auf ein Konzert gehen. Ganz egal von welcher Gruppe. Ich schiebe den Gedanken beiseite und konzentriere mich auf das Nähen. Auf welche Musik er wohl steht?

»Sag mal, war das ernst gemeint?«, fragt Sybille nach einer Weile in die Stille.

»Was denn?«

»Dass du meine Arbeit übernehmen willst.«

»Klar.«

»Romina … Du bist unbezahlbar.«

»Ich weiß.«

Meine Freundin verschwindet im Hinterraum, der vom Kundenbereich aus nicht einsehbar ist. Ich sehe Sybille jedoch, denn es gibt keine Tür und das Gebäude ist offen geschnitten. Ich höre, dass sie ihren Rechner hochfährt, um den Papierkram zu machen. Dabei summt sie vor sich hin.

»Oh Shit«, kommt es plötzlich aus dem Hinterraum. Das Summen ist verstummt.

»Alles okay bei dir?«, will ich wissen.

»Am Wochenende ist die Stoffmesse in Hamburg … Das hab ich ja komplett vergessen! Da wollte ich eigentlich hin. Aber jetzt ist das mit dem Konzert.«

Zwischendurch klingt es, als führte Sybille Selbstgespräche. Seit sie wieder jemanden kennengelernt hat, ist sie völlig verpeilt. Wie schafft sie es bloß, einen Laden am Laufen zu halten? Sie hat wirklich mehr Glück als Verstand. Ich halte in meiner Arbeit inne und denke nach.

»Ich könnte zur Messe fahren«, schlage ich vor.

»Du würdest für mich nach Hamburg fahren?« Sybille schaut um die Ecke. Ihre Augen strahlen. »Das würde mir sehr helfen, Romina. Dein Geschmack, was Stoffe angeht, ist tausendmal besser als meiner. Du hast da immer so ein Gespür für den nächsten Trend. Was meine Kunden angeht, da muss ich wohl im Voraus ein paar Überstunden machen. Vor allem für Frau Beier. Ihr Brautkleid soll bis dahin geändert werden. Aber das krieg ich schon rechtzeitig hin.«

Sybille klingt wegen der Stoffmesse erleichtert. Der Gedanke, nach Hamburg zu fahren, gefällt mir.

»Du bist ein Schatz!«, ruft meine Freundin. »Hast was gut bei mir!«

Ich grinse. Ihr Wort in Gottes Ohr.

Kurze Zeit später ist die Hose fertig. Die Abifeier kann kommen. Ich streiche den Stoff glatt und hänge ihn über einen Bügel. Twill uni, marineblau. War sicher nicht billig.

Während ich mich einem neuen Teil widme, schaue ich hin und wieder zu Sybille rüber. Von wegen Papierkram: Sie stiert unaufhörlich auf ihr Handy.

»Wie alt ist dein Typ eigentlich?«, frage ich.

»Ach, nur ein paar Jahre älter als wir, dreißig.«

»Und, habt ihr wenigstens mal telefoniert oder plant ein Treffen?«

»Telefoniert, ja, aber erst einmal und nur ganz kurz. Ein Treffen noch nicht so wirklich.«

»Schickt ihr euch Fotos?«

Sie kichert.

»Keine Details, okay? Na ja, wir sehen ja unsere Profilbilder. Obwohl er da ständig nur irgendwelches Treibgut oder den Strand drin hat. Er lebt so idyllisch«, schwärmt sie.

»Da, wo andere Urlaub machen«, antworte ich. »Wir sind in meiner Kindheit fast jeden Sommer in Dänemark gewesen. Wie heißt der Ort, an dem er wohnt? Und ein Foto von ihm musst du mir auch unbedingt zeigen«, dränge ich.

»Gar nicht neugierig, was?«

Ich lege den zu ändernden Faltenrock zurecht und suche das passende Garn heraus.

»Ich will nur wissen, ob er wie deine bisherigen Typen aussieht. Die waren gestylter als ich, hatten gezupfte Augenbrauen oder gefärbte Bärte.«

»Da muss ich dich enttäuschen«, antwortet meine Freundin. »Magnus ist so gar nicht mein Beuteschema.«

Die Türglocke unterbricht uns. Kundschaft. Ich lächle und begrüße den jungen Mann.

»Hi, Sie wollen sicher Ihre Hose abholen.«

Kapitel 2 – Romina, 2024

Bis zur Mitte der Woche verläuft alles unspektakulär. Wenn keine Änderungen vorzunehmen sind, nähe ich Babymützchen, Halstücher für die Mamas oder Kochschürzen zum Verkauf.

Ich mag peppige Farben und probiere gern mit den Stoffen herum. Ohne zu prahlen, kann ich Sybille zustimmen, dass ich hier den besseren Geschmack von uns beiden habe. Oder dass ich Trends vorhersehe.

Dafür hat meine Freundin das ganze Zeug mit der Buchhaltung drauf. Das sind für mich böhmische Dörfer.

Ich freue mich riesig auf Hamburg, auf die Messe und neue Inspirationen. Ich habe nur eine Sorge: Da Sybille die Messe verpennt hat, bin ich viel zu spät dran, und es gibt keine günstigen Unterkünfte mehr. Während ich also das Netz für Hamburg durchforste, tut Sybille dasselbe für Frankfurt, wo das Konzert stattfindet.

Ich lächle, wenn ich sehe, wie glücklich sie ist und wie sie dem Event entgegenfiebert. Ihr ist eingefallen, dass sie Verwandtschaft in Kriftel hat. Die möchte sie bei der Gelegenheit mal wieder besuchen. Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

»Wieso übernachtest du nicht einfach bei der Familie?«, frage ich.

»Ich will denen keine Umstände machen«, gesteht sie. »Im Hotel bin ich unabhängiger.«

Das Wetter verspricht am Wochenende wirklich schön zu werden. Sogar im hohen Norden. Der Frühling ist jetzt nicht mehr aufzuhalten.

Dann passiert es. Am Mittwochnachmittag, gegen 15:20 Uhr.

Sybille und ich sitzen beide noch im Laden und haben zu tun, aber für die Kundschaft ist mittwochs nur bis vierzehn Uhr geöffnet.

»Nein, nein, nein, nein!«, ruft Sybille.

Eine Verzweiflung in der Stimme, als hätte sie sich gerade ein Fass Tinte über ihre hellblaue Gucci-Bluse gekippt. Wie ein Blitz springt sie auf. Ihr rollbarer Schreibtischstuhl saust durch den Raum und knallt gegen den Heizkörper.

»Bitte nicht! Bitte, bitte nicht! Tu mir das nicht an!«

Sie heult und rauft sich die goldenen Sprungfeder-Locken.

»Was ist los?«, frage ich, ernsthaft besorgt.

»Magnus …«, stammelt sie. »Er hat … Er hat sich …«

»Hat er Schluss gemacht?«

»Nein!«

»Bille, jetzt sag doch was!«

»Ich will zum Konzert«, weint sie wie ein trotziges Kind. »Ich hab mich so drauf gefreut!«

Immer wieder hält sie sich das Handy ans Ohr und hört Sprachnachrichten ab.

»Ich hab gerade dieses Hotel gebucht und kann es nicht stornieren! Ich fahre nach Frankfurt!«

»Sybille!« Ich werde lauter. »Was ist denn mit Magnus?«

Sie wischt sich Tränen aus den Augen. So aufgelöst habe ich sie zuletzt gesehen, als Pierre mit dieser Eisverkäuferin nach Italien verschwunden ist.

»Er hat sich verletzt …«, rückt sie mit zittriger Stimme heraus.

»Oje, ist es schlimm?«

»Bei der Arbeit … Er hat an einem Teil geschweißt und dann … Was tu ich denn bloß? Romina, was soll ich denn jetzt machen? Es ist doch alles geplant …«

Ich gehe zu ihr und lege ihr den Arm um die Schultern.

»Hey, jetzt beruhig dich erst mal. Wie schlimm ist seine Verletzung denn?«

»Ich weiß es nicht …«, wimmert sie. »Er hat sich an den Augen verletzt …«

Ich erschrecke. Die Augen. Das klingt übel.

»Ist er im Krankenhaus?«

»Im Moment noch in der Augenklinik … Er hat eine … Eine … Irgend so ein Zungenbrecher.«

Sybille lässt die Sprachnachricht laut abspielen. Zum ersten Mal höre ich Magnus’ Stimme. Ich staune, wie gut er Deutsch spricht. Ich habe meine Freundin nie gefragt, ob sie auf Englisch kommunizieren. Er sagt etwas wie Keratokonjunktivitis Photoelectrica. Eine Verblitzung beim Schweißen. Zudem hat er kleine Fremdkörper in die Augen bekommen.

»Wieso hat er denn keine Schutzbrille getragen?«, ruft Sybille. »Mit den Augen ist nicht zu spaßen, weiß er das denn nicht? Hoffentlich wird alles wieder gut … Romina, ich bin ganz durcheinander. Wieso muss das ausgerechnet jetzt passieren? Wenn ich mich schon mal auf was freue.«

»Bestimmt gibt es gute Gründe dafür, wieso er keine Schutzbrille getragen hat. Und so eine Verblitzung ist ganz sicher behandelbar«, versuche ich sie zu beruhigen. »Aber was hat das alles mit deiner Hotelbuchung in Frankfurt zu tun? Wieso bist du so durcheinander?«

»Er will, dass ich zu ihm komme!«, schimpft sie. »Er braucht die nächste Zeit Hilfe im Alltag. Ich soll ihn zur Nachkontrolle zum Augenarzt fahren, und er findet, es sei eine gute Gelegenheit, sich zu treffen. Hallo? Soll ich auch noch für ihn kochen? Hat er keine Mama oder Freunde?«

»Bille …« Im ersten Moment weiß ich nicht, wie ich es sagen soll. Ihre heftige Reaktion macht mich sprachlos.

»Was?«

»Das ist ein riesiger Vertrauensbeweis. Ich meine, er braucht dich jetzt. Er will dich an seiner Seite haben. Es geht ihm schlecht. Was ist falsch daran?«

»Wir sind nicht verheiratet.«

»Natürlich nicht. Darum geht es doch gar nicht.« Ich ahne, worum es geht. Sie hat Angst, zu ihm zu fahren. Angst davor, dass diese – meiner Meinung nach bewusst gewählte – Fernbeziehung plötzlich ganz nah an sie herankommt. Arme Sybille! »Hey«, starte ich einen neuen Versuch, ihr Trost und Mut zuzusprechen.

Aber sie wendet sich ab, läuft zur Heizung und lässt sich in ihren Schreibtischstuhl fallen.

»Ist dieses Konzert denn wirklich so wichtig für dich?«, frage ich und hocke mich neben sie. »Wichtiger als Magnus? Seit Tagen schwärmst du von ihm. Und jetzt willst du nicht zu ihm fahren?«

»Die Needles kommen nie wieder hierher!«, zischt sie. »Nie wieder. Kapierst du das? Magnus läuft mir nicht weg! Außerdem kann ich mit Kranken nicht umgehen. Ich weiß einfach nicht, was ich mit ihm anfangen soll, wenn er nichts sehen kann.«

Ich schlucke und stehe auf. Wow! Das ist nicht die Sybille, die ich kenne. Sie schaut mich an und wickelt dabei einzelne Locken um ihren Zeigefinger. Ihre Augen sind ganz rot und verquollen.

»Fahr du doch hin.«

»Pfff!«, mache ich und zeige ihr einen Vogel.

Plötzlich hellt sich ihr Gesicht auf.

»Nein, ernsthaft. Würdest du … Würdest du das für mich machen? Zu ihm fahren? Und … na ja, dich als mich ausgeben? Er sieht dich doch sowieso nicht. Unsere Stimmen sind megaähnlich, ich kann dir alles über ihn erzählen, was du wissen musst. Und bevor er sein Augenlicht zurückhat, bist du längst wieder weg. Oh, bitte, Romina, du würdest mir das Leben retten! Ich flehe dich an! Ich kann zum Konzert, und du bekommst sogar bezahlten Urlaub dafür. Ich zahle! Alles. Spritgeld, Essen, was immer du brauchst.«

»Du hast sie wohl nicht mehr alle!«

»Bitte, lass mich nicht im Stich. Komm schon, was ist denn dabei? Er wird umsorgt, und alle sind glücklich.«

»Ich fahre zur Messe nach Hamburg, schon vergessen?«

»Ach, wir können die Stoffe auch über den Händler beziehen. Der hat direkt nach der Messe dasselbe Zeug im Sortiment.«

Mir fehlen die Worte. Sybille hat dagegen Hunderte parat. Sie redet auf mich ein wie ein Wasserfall. Ich weiß, dass ich ablehnen muss. Dass ich Nein sagen muss, weil diese Idee nicht nur völlig absurd ist, sondern auch unmoralisch, hinterhältig und gemein. Sybille ist egoistisch! Es geht ihr nur um das dämliche Konzert. Magnus tut mir leid. Er hat so etwas nicht verdient.

Und doch … Irgendwas ist in mir, das Ja sagen will. Der Reiz des Verbotenen ist mit einem Mal übermächtig. Die Stimme dieses Mannes, sein dänischer Akzent, die Art, wie er Sybille um Hilfe gebeten hat. Aus irgendeinem Grund bin ich schwach. Ich weiß, dass ich Nein sagen muss. Aber ich bin so schwach. Ich sehne mich danach, von jemandem so bemerkt zu werden wie Sybille. Einmal in ihre Haut zu schlüpfen und das Gefühl zu haben, gesehen zu werden. Von einem Mann. Nur dieses eine Mal will ich nicht unscheinbar sein.

Sybille ist offenbar nicht in der Lage, Opfer für eine Beziehung zu bringen. Oder sich überhaupt auf was Ernstes einzulassen. Trotzdem ist es falsch.

»Okay«, entfährt es mir. »Ich mach’s.«

»Was? Wirklich?« Sybille springt auf. »Du bist ein Schatz!« Sie klebt bereits an meinem Hals. »Oh Mann, du bist echt die beste Freundin, die man haben kann, Romina! Das vergess ich dir nie.«

»Sybille, warte! Ich meine, nein, ich kann das nicht machen. Das ist völlig grotesk!«

Sie greift zum Handy, legt den Zeigefinger an die Lippen, um mich zum Schweigen zu bringen. Mein Mund steht weit offen.

»Hey, Magnus. Es tut mir so leid, was dir passiert ist«, spricht sie eine Sprachnachricht auf. »Ich komme natürlich sofort zu dir. Packe sofort meine Koffer.«

»Nein!«, flüstere ich. Ich mache eine den Hals durchschneidende Geste, aber Sybille zwinkert mir nur zu.

»Ich denke, dass ich gegen zweiundzwanzig Uhr in Nymindegab sein kann. Soll ich direkt zu deinem Haus kommen oder dich aus der Klinik abholen? Und mach dir keine Sorgen wegen des Konzerts. Es gibt sicher noch mal eine Gelegenheit, die Band zu sehen … Ich schenke das Ticket meiner besten Freundin Romina. Sie wird sich freuen!«

Abgesendet. Ich bin vor Entsetzen gelähmt.

»Spinnst du?!«, motze ich. »Ich habe Nein gesagt! Wie kannst du ihn so anlügen?«

»Hast du nicht. Du hast nicht Nein gesagt. Du hast Okay gesagt. Okay, ich mach’s. Hab ich klar und deutlich gehört.«

»Her mit dem Ticket!«, fordere ich. »Du willst es mir schenken. Das habe ich gehört!«

»Vergiss es. Nicht in hundert Jahren.«

Sie zückt ihr Portemonnaie und legt mir zweihundert Euro in die Hand. »Sollte erst mal reichen, oder? Wenn du mehr brauchst, sag einfach Bescheid.«

Mir steht schon wieder der Mund offen. Das ist doch nicht wahr! Ich träume das sicher nur.

»Es wird gut gehen«, redet Sybille beruhigend auf mich ein. Ihrem überzeugten Gesichtsausdruck nach glaubt sie selber daran. »Wenn es einen Menschen gibt, dem ich in dieser Sache zu tausend Prozent vertraue, dann bist du das, Romina. Du hast ein Herz aus Gold, du bist empathisch, liebevoll und führsorglich. Ich vertraue dir Magnus an. Es sind doch nur zwei oder drei Tage, dann ist er wieder auf dem Damm.«

»Aber wir belügen und betrügen ihn. Das kann nicht gut enden. Was, wenn er etwas bemerkt? Wenn ich mich verrate oder er doch plötzlich wieder sehen kann, bevor ich verschwunden bin? Er wird dich hassen und Schluss machen. Und mich wird er auch verachten. Du könntest ihn durch diese Aktion für immer verlieren. Ist es dir das wert?«

»Das wird nicht passieren«, versichert sie mir. »Wir müssen einfach positiv denken.«

Damit schiebt sie mich zur Tür.

»Du musst jetzt deine Koffer packen. Hey, freu dich doch. Du kommst mal wieder nach Dänemark! Alte Kindheitserinnerungen und so. Und du tust noch was Gutes.«

»Tu ich nicht.«

»Los jetzt. Du hast eine fünfstündige Autofahrt vor dir. Ich koch dir ‘ne Kanne Kaffee. Dann komm ich rauf, helfe beim Packen und geb dir ein paar Infos.«

Ich verlasse gerade mit einem sehr schlechten Gewissen mein Badezimmer, als die Wohnungstür klappert. Sybille betritt summend den Hausflur. Wie kann sie unter diesen Umständen so gute Laune haben?

»Wieso spricht Magnus Deutsch?«, höre ich mich fragen, anstatt wegen der geplanten Reise weiter zu protestieren.

»Oh, wow, du siehst toll aus!«, ruft meine Freundin in einer Tonlage, dass ich ihr glaube.

»Danke. Also, wieso spricht er unsere Sprache?«

»Er hat Kunst studiert. In Flensburg«, erklärt sie und stellt die Kaffeekanne auf meinen Küchentisch. »Hast du schon gepackt? Kann ich was helfen?«

»Kannst du. Und zwar Karteikarten basteln.« Ich raufe meine frisch gewaschenen Haare. »Bille, ich weiß doch gar nichts über ihn. Wir werden auffliegen!«

»Na ja, du weißt schon mal, dass er in Flensburg Kunst studiert hat.« Sie findet das alles wohl lustig. »Hey, so viel weiß ich auch noch nicht. Wir kennen uns doch gerade mal ein paar Wochen. Haben die meiste Zeit rumgealbert, geflirtet und so was.«

»Wo wir bei meinem Fachgebiet wären«, erwähne ich, und hieve meinen großen Koffer vom Schrank.

»Also.« Sybille schmeißt sich auf mein Sofa, lehnt sich zurück und überlegt. »Er ist dreißig Jahre alt, lebt in diesem kleinen Ort Nymindegab und macht irgendwas mit Treibgut. Keine Ahnung, so richtig nachgefragt hab ich nicht.«

Ich öffne meinen Schrank und werfe wahllos Klamotten in den Koffer. Von jedem ein bisschen. Ich bin viel zu nervös.

Der Gedanke, ein Date mit dem Flirt meiner besten Freundin zu haben, verwirrt mich. Dass es obendrein die Idee meiner besten Freundin war, verwirrt mich noch mehr. Was tu ich hier bloß?

»Weißt du von irgendwelchen Freunden, Familienverhältnissen, vorherigen Beziehungen? Hat er Kinder? Ist er geschieden? Wo wurde er geboren?«

»Hm.« Sybille überschlägt die Beine. »Gute Fragen. Ich habe keine Ahnung.«

»Ist das dein Ernst?« Ich stemme die Hände in die Hüften. »Worüber redet ihr eigentlich die ganze Zeit?«

»Ich glaube, über mich!« Sie kichert.

»Oh Mann, bitte sag, dass das nicht wahr ist.«

»Wieso? Wir lernen uns halt kennen, und da fangen wir bei mir an.«

»Weiß er etwas über dich, was ich nicht weiß, Bille?«

Meine Freundin macht große Augen und richtet sich auf.

»Äh … das kann ich mir nicht vorstellen. Hör zu, mach einfach ein bisschen Small Talk mit ihm. Über seine Augen, den Unfall, das Wetter, die Schneiderei. Dann kann gar nichts schiefgehen. Ihr müsst ja nichts Tiefgründiges bereden.«

Ich seufze. Wie Sybille es sagt, klingt es so einfach. Hoffentlich ist es das auch.

Ich hatte keine Ahnung, dass Verrat sich so schrecklich anfühlt. Zwanghaft überlege ich, ob ich je zuvor etwas derart Verwerfliches getan habe. Nein. Habe ich nicht.

Ich erinnere mich, dass ich mal ein Guinnessglas aus dem Pub mitgehen habe lassen. Herrje, das war’s dann auch schon mit meiner kriminellen Laufbahn. Das hier – das hier ist viel, viel schlimmer als ein geklautes Glas.

Ob es Sybille gleichermaßen quält? Wie kann sie ein Konzert über einen Menschen oder über den Beginn einer großen Liebe stellen? Ich begreife es nicht.

Ich begreife nicht mal mich selbst. Nun, jetzt habe ich fünf Stunden Zeit, mir darüber klar zu werden. Mich dafür zu schämen, mich in so eine Lage versetzt zu haben. Die ersten fünfzehn Kilometer heule ich, dass mir die Tränen in Bächen über die Wangen strömen. An einer Ampel starre ich stur geradeaus, um von den Fahrern neben mir nicht angeglotzt zu werden. Die müssen ja denken, ich fahre zu einer Beerdigung.

Vielleicht ist es das auch. Das Begräbnis meines Gewissens. So fühlt es sich zumindest an. Mein Magen ist schwer wie Blei, mein Herz schmerzt. Alles in mir ist gegen diese Reise. Aber es ist zu spät. Ich muss mir einen Plan zurechtlegen.

»Hallo, Magnus. Es tut mir leid, aber ich bin nicht Sybille. Sie hat sich so unfassbar auf dieses Konzert gefreut, dass sie es nicht übers Herz bringen konnte, mir die Karte zu überlassen. Ich bin Romina. Ihre beste Freundin. Bitte sei ihr nicht böse. Sie ist nicht gut in solchen Dingen. Sie hat Panik davor, eingeengt zu werden, also: Hier bin ich. Lass uns ein bisschen Small Talk übers Wetter halten, und ehe du sehen kannst, dass ich keine hübschen Locken habe, bin ich längst wieder weg.«

Das könnte klappen. Das ist ein guter Plan. Ich werde einfach ehrlich zu ihm sein. Ich werde ihn nicht anlügen. Aber ich muss. Ich darf meiner Freundin nicht in den Rücken fallen. Ich schreie und trommle mit den Fäusten auf das Lenkrad ein. Versehentlich treffe ich dabei die Hupe und ernte einen bösen Blick des Mannes in dem Porsche, der neben mir an der Ampel steht.

Dann geht es endlich auf die A7. Freie, ampellose Fahrt bis zur Grenze. Ich hoffe, der Elbtunnel ist um diese Zeit nicht allzu verstopft. Baustellen en masse erwarten mich, und ich hoffe, dass ich mich nach meiner Ankunft gleich in ein Bett verkriechen und Magnus aus dem Weg gehen kann, sobald ich da bin. Romina, was hast du da bloß wieder angestellt?

Mein Handy klingelt. Es ist Sybille.

»Hey«, ertönt ihre Stimme aus der Freisprechanlage. »Ist alles okay bei dir?«

Nein!

»Ja klar. Bin jetzt auf der Autobahn.«

»Danke noch mal. Ich weiß, es ist irgendwie ‘ne Scheißaktion. Aber ich … keine Ahnung. Du verstehst mich doch, oder?«

Nein!

»Ein bisschen.«

Sie schweigt. Ich wische mir letzte Tränen aus den Augen. Meine Lippen sind ganz wund vom Weinen und vom Draufrumkauen.

»Und wenn wir ihm einfach die Wahrheit sagen, Bille?«, schlage ich vor.

»Ich glaube, dazu ist es jetzt zu spät … Vielleicht hätten wir das wirklich von Anfang an tun sollen«, gesteht sie sich ein. »Aber jetzt denkt er, ich sei auf dem Weg zu ihm, und du gehst zum Konzert. Wie blöd wäre es, alles umzudrehen?«

Blöd, aber ehrlich!

»Keine Ahnung.«

»Tut mir leid, dass ich dich da reingezogen hab, Romina.«

Sie scheint es wirklich zu bereuen. Wenigstens das.

»Ich weiß, dass ich jetzt in diesem Auto sitzen sollte und nicht du. Wären es nicht seine Augen … Ich meine, er sieht dich doch nicht mal. Ich muss einfach mal raus und den Kopf abschalten. Das Konzert ist da genau das Richtige. Ich weiß nicht, ob Magnus das verstehen würde. Dazu kennen wir uns noch zu wenig.«