Nr. 91/92 - Lauren Elkin - E-Book

Nr. 91/92 E-Book

Lauren Elkin

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Beschreibung

• Ein Liebesbrief an Paris und eine Meditation darüber, wie es sich in zwei Jahrzehnten verändert hat - von der Autorin von »Flâneuse: Frauen erobern die Stadt«

Als Flâneuse feierte Lauren Elkin die Spaziergängerin in der Stadt und zeigte, wie das ziellose Flanieren durch New York, Tokio, Venedig – vor allem aber Paris – die Seele belebt und den Geist fokussiert. In ihrem neuen Buch »Nr. 91/92« wird sie mit einem in iPhone-Notizen geschriebenen Liebesbrief an Paris ein Teil der pendelnden Masse im Bus. Ihr Ziel: Die Welt durch den Bildschirm ihres Telefons zu beobachten, statt ihr Telefon zu benutzen, um von der Welt abzulenken. Von Gedanken über Virginia Woolf und Georges Perec bis hin zu ihren ersten Eindrücken nach den Terroranschlägen von 2015 hinterfragt ihr Tagebuch die Grenzen zwischen Zusammengehörigkeit und Getrenntsein und zwischen Alltäglichem und Ereignisreichem, während sie Energie und Esprit einer besonderen Stadt und ihrer Menschen einfängt.

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Seitenzahl: 61

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Zum Buch

Von der Autorin von »Flâneuse: Frauen erobern die Stadt«:

Ein Liebesbrief an Paris – festgehalten auf dem iPhone während der täglichen Fahrten mit dem Bus.

Als Flâneuse feierte Lauren Elkin die Spaziergängerin in der Stadt und zeigte, wie das ziellose Flanieren durch New York, Tokio, Venedig – vor allem aber Paris – die Seele belebt und den Geist fokussiert. In ihrem neuen Buch »Nr. 91/92« wird sie mit einem in iPhone-Notizen geschriebenen Liebesbrief an Paris ein Teil der pendelnden Masse im Bus. Ihr Ziel: Die Welt durch den Bildschirm ihres Telefons zu beobachten, statt ihr Telefon zu benutzen, um von der Welt abzulenken. Von Gedanken über Virginia Woolf und Georges Perec bis hin zu ihren ersten Eindrücken nach den Terroranschlägen von 2015 hinterfragt ihr Tagebuch die Grenzen zwischen Zusammengehörigkeit und Getrenntsein und zwischen Alltäglichem und Ereignisreichem, während sie Energie und Esprit einer besonderen Stadt und ihrer Menschen einfängt.

»Ich liebe dieses Buch. Ich liebe seine Ehrlichkeit, seine Ungeduld, seine Zärtlichkeit, seine Gereiztheit, seinen Humor.« Claire-Louise Bennett

Zur Autorin

LAUREN ELKIN, geboren in New York, ist Autorin von »Flâneuse. Frauen erobern die Stadt«, Essayistin und Übersetzerin. Sie schreibt unter anderem für die New York Times Book Review, den Guardian und die Times Literary Supplement. Nachdem sie die USA verlassen und die Straßen von London, Venedig, Tokio und Hong Kong, wie Hemingway immer ausgestattet mit Stift und Papier, erobert hat, zog sie nach Paris. Heute lebt sie mit ihrer Familie in London.

LAUREN ELKIN

Nr. 91/92

Ein Pariser Tagebuch

Aus dem Englischen von Hanne Reinhardt

Die englische Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel »No. 91/92. A Diary of a Year on the Bus« bei semiotext(e), South Pasadena.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Deutsche Erstveröffentlichung Januar 2023

btb Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Copyright © 2021 Lauren Elkin. All rights reserved.

Zitiert wird nach: Georges Perec, Versuch, einen Platz in Paris zu erfassen,übersetzt von Tobias Scheffel, Libelle Verlag, 2010

Umschlaggestaltung: semper smile, München

unter Verwendung eines Umschlagmotivs von © Bridgeman Images/Christie’s Images

Redaktion: Dr. Tatjana Michaelis

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

Klü · Herstellung: sc

ISBN 978-3-641-29572-1V001www.btb-verlag.de

www.facebook.com/btbverlag

für bunny & für s.

Der Autobus erscheint mir wie eine immense Photographiermaschine, ein wunderbares Stativ, auf dem man einen imaginären Apparat befestigen könnte, ein drehbares, dynamisches Stativ.

Hervé Guibert, Phantom-Bild

De l’autobus, je regarde Paris.

Georges Perec, Versuch, einen Platz in Paris zu erfassen

Die folgenden Einträge sind in der Notes-App auf einem gelben iPhone 5c entstanden, über einen Zeitraum von sieben Monaten hinweg, zwischen September 2014 und Mai 2015, während ich in Paris mit dem 91er und dann dem 92er-Bus zur Universität fuhr, wo ich zweimal die Woche unterrichtete, und gelegentlich auch während anderer Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Ziel war, die Welt durch das Display meines Telefons zu betrachten, anstatt mein Telefon dazu zu benutzen, mich von der Welt abzulenken. Unterwegs habe ich viel darüber nachgedacht, wie Menschen zusammenleben und wie sie im Alltag mit traumatischen Erlebnissen umgehen.

Dieses akademische Jahr hat nationale und persönliche Trauer mit sich gebracht: Die Anschläge auf Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt Hyper Cacher wurden verübt, ein paar Monate später hatte ich eine Fehlgeburt. Am schwersten war es zu begreifen, wie das Alltägliche sich in einem einzigen Augenblick in ein Ereignis verwandeln kann. Dass so etwas jedem von uns in jedem Moment passieren kann, rief in mir eine manchmal lähmende Angst hervor, vor allem nach den Anschlägen vom 13. November, die sich nach Ende dieses Projektes ereigneten, aber meine Lektüre des Textes rückblickend beeinflussen. Auf das tägliche Protokoll einer Zeit zurückzuschauen, in der du noch nicht wusstest, dass etwas Gewaltiges auf dich zukam, kann eine genauso unheimliche Erfahrung sein wie die Erinnerung an die Sache selbst; der Alltag rückt in ein gefährliches Licht, während du dachtest, einfach deinen Geschäften nachzugehen.

Wenn das Ereignis dann eintritt, flüchten wir uns auf Twitter, machen den Fernseher an oder aktualisieren wie wild unseren Newsfeed, auf der Suche nach mehr als den offiziellen Nachrichten, irgendeinem abseitigen Detail, das uns hilft zu verstehen. Es braucht Zeit, die eigentlichen Gründe zu erkennen, zu einem Narrativ zu gelangen. Aber in den Tagen danach verweilt das Ereignis in einem speziellen Raum der Unfassbarkeit.

Mit der Zeit verflicht sich das Ereignis mit dem Alltag. Menschen, denen wir im Bus begegnen, waren vielleicht im Bataclan oder kennen jemanden, der dort gewesen ist; die Frau in der Ecke hatte vielleicht letzten Monat eine Fehlgeburt. Andere Menschen sind ein gewaltiges Rätsel. Wir können nicht mit einem Rechtsklick ihre Geschichte runterladen. Wir wissen nicht, wo sie herkommen oder wo sie hingehen. Doch dass sie ein Stück Weg gemeinsam zurücklegen, während sie einander kameradschaftlich ignorieren, scheint von größter Bedeutung.

Ich denke, das ist es, was man Gemeinschaft nennt.

Einige Anmerkungen:

Der 91er fährt von der Bastille zur Gare Montparnasse (und zurück). Der 92er fährt von der Gare Montparnasse zur Porte de Champerret (und zurück).

Ich steige in Port Royal - Berthollet ein, an der Place du 18 Juin 1940 um und an der École Militaire aus (und fahre den gleichen Weg wieder zurück).

Falls nicht anders angegeben, bedeutet morgens zwischen 8:10 und 8:40 Uhr. Nachmittags ist zwischen 13:00 und 17:00 Uhr, je nach Tag.

Tippfehler und Auslassungen wurden beibehalten, wo sie nicht zu sehr störten, andere wurden der Klarheit wegen korrigiert.

erstes Semester

22.9.2014

Montagmorgen

Zu früh es ist zu früh ich hasse es, frühmorgens zu unterrichten ich sollte das bleiben lassen. Auch nach einem schnellen Kaffee aus der Nespresso-Maschine bin ich immer noch nicht ganz ich selbst. Ich habe einen Fensterplatz im Bus bekommen. Lehne meinen Kopf gegen die Scheibe und konzentriere mich auf alles mit gedruckten Wörtern darauf. Die Karte mit der Route des 91er Busses, wie er den Boulevard Montparnasse entlangkriecht. Ein Plakat, das einen Streik ankündigt und daraus folgende Busumleitungen. Ermutigungen, keine Drohungen, sein Ticket zu entwerten. Ich sehe mich unter meinen Mitreisenden um. Sie scheinen alle ihre Tickets entwertet zu haben, starren ganz gelassen auf die Bildschirme ihrer Telefone, kleine blaue Lichtquellen, die in der dichten Dunkelheit des Morgens aufglühen. Tippend und wischend, tippend und wischend.

Ein Plakat der RATP rät:

Ihr Telefon ist wertvoll. Andere mögen Sie darum beneiden. Passen Sie auf, wenn Sie es in der Öffentlichkeit benutzen.

Ich blicke runter auf mein eigenes Telefon. Es ist wertvoll (es war teuer). Ich werde den Rat befolgen. Ich werde aufpassen. Ich werde in öffentlichen Verkehrsmitteln ganz bewusst darauf achten. Ich werde mein Handy benutzen, um die Welt um mich herum zu betrachten, all die Dinge die ich verpassen würde, wenn ich es benutzte, wie ich es immer getan habe, wie alle es tun. Ich werde das Telefon benutzen, um mich umzusehen, nicht runter auf den Bildschirm. Anstatt Bilder zu schießen, die bei anderen im Morgen-Feed auftauchen, will ich alles um mich herum wahrnehmen. Keine Stilübung, sondern eine Achtsamkeitsübung.