Ohne Flugzeug um die Welt - Giulia Fontana - E-Book
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Ohne Flugzeug um die Welt E-Book

Giulia Fontana

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Beschreibung

Klimafreundliche Weltreise - geht das?

"Giulia, ich heirate! Willst du meine Trauzeugin sein?" Natürlich will sie - doch wie soll sie zur Hochzeit ihrer besten Freundin nach Sydney kommen, wo sie sich doch entschieden hat, nie mehr zu fliegen? Anstatt Umweltideale und Freundschaft gegeneinander auszuspielen, machen Giulia und ihr Freund Lorenz aus dem Weg einen Versuch in klimafreundlichem Reisen: Per Bus, Bahn, zu Fuß und mit dem Schiff überwinden sie nicht nur riesige Strecken, sondern auch so manches Vorurteil. Ein ganz besonderes Reiseabenteuer, das zum Nachmachen einlädt!

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Seitenzahl: 208

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autoren

Titel

Impressum

Anmerkung der Autoren

Widmung

Prolog

1

Eine völlig verrückte Idee

2

Exkurs: Die Klimakrise – was steht auf dem Spiel, und was hat das eigentlich mit dem Fliegen zu tun?

3

Telefonkonferenz-Marathon

Infobox 1

Wie umweltfreundlich sind eigentlich Frachtschiffe?

Infobox 2

Der CO

2

-Fußabdruck unserer Reise

4

Men are rich and women are beautiful

5

Dem Sonnenaufgang entgegentuckern

6

Von Zwiebeln, Jurten und Fahrradtouren auf Mongolisch

Infobox 3

Wie groß ist die No-Fly-Bewegung?

7

Welcome to China

8

Gefangen auf dem weiten Meer

9

Angekommen am Anfang

Epilog

Danksagung

Anhang

Buchtipps und Informationsseiten

Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

Über das Buch

Ohne Flugzeug um die Welt – wie soll das gehen? Als Giulia und Lorenz zur besten Freundin nach Sydney als Trauzeugen gebeten werden, stellt das ihr grünes Gewissen auf die Probe: Wollen sie, die sich für Nachhaltigkeit und gegen Flugemissionen engagieren und schon lange nicht mehr fliegen, eine Ausnahme machen? Viel interessanter ist es doch, kreativ zu werden! Die beiden Studierenden fahren mit Zug & Schiff um den Globus – ein Reiseabenteuer, bei dem der Weg zum Erlebnis wird …

Über die Autoren

Giulia Fontana (27) und Lorenz Keyßer (23), studieren beide in Zürich Umweltnaturwissenschaften. In vielen Projekten engagieren sie sich für eine sozial-ökologische Transformation. So haben sie unter anderem die Sustainability Week Switzerland mitgegründet und waren im Vorstand der Nachhaltigkeitswoche Zürich aktiv. Beide haben vor mehreren Jahren entschieden, nicht mehr zu fliegen, und bereuen diesen Schritt nicht. Über ihre Reise haben sie auch für ihre Universität im Blog berichtet.

Giulia Fontana | Lorenz Keyßer

OHNEFLUGZEUGUM DIEWELT

KLIMABEWUSSTUNTERWEGSUND GLÜCKLICH

Originalausgabe

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Angela Kuepper, München

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München unter Verwendung eines Motivs von © Daniel Maximilian Timken und Sebastian James Woodhouse

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-8652-3

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Anmerkung der Autoren

Die Schilderungen in diesem Buch beruhen auf unserer Reise, die wir 2018/2019 unternommen haben. Zum Schutz der Rechte der Personen haben wir bis auf wenige Ausnahmen, die uns explizit die -Erlaubnis dazu erteilt haben, sämtliche Namen verändert. In diesem Buch haben wir versucht, möglichst auf Geschlechtsspezifizierungen zu verzichten oder männliche und weibliche Ausdrucksformen zu verwenden. Uns ist bewusst, dass dieses Vorgehen Menschen jenseits der Zweigeschlechtlichkeit zum Teil nicht -berücksichtigt. Dennoch wollen wir ausdrücklich betonen, dass dabei immer alle Geschlechter mitgemeint sind.

Für unsere Eltern ♥

Prolog

Es ist unglaublich heiß und stickig. Schweiß fließt in Strömen von unseren Körpern. Dröhnender Maschinenlärm umgibt uns. Dadum-dadum-dadum-dadum, tönt es im schnellen Takt der mannshohen Zylinder des gigantischen Hauptmotors. Zähes, über einhundertvierzig Grad heißes Schweröl fließt durch seine Adern, mehr als vier Tonnen in der Stunde. Wir spüren die Vibrationen in jeder Faser unseres Körpers. Unsere Handschuhe sind schwarz, eingetaucht in Öl.

In unseren blauen Arbeitsanzügen stehen wir im Maschinenraum eines Frachtschiffs, dessen Route mitten durch das Ostchinesische Meer verläuft, und schrauben einen riesigen Generator auseinander. Die Muttern sitzen unglaublich fest. Lorenz verhakt zwei große Mutternschlüssel ineinander, um einen längeren Hebel zu bekommen, und braucht dennoch all seine Kraft, um sie zu lösen. Der Erste Ingenieur beugt sich lächelnd vom Generator zu uns herunter und schreit: »Ganz schön … anstrengend, was? Da braucht man … kaum noch Krafttraining …« Seine Stimme dringt gerade so durch den Gehörschutz und den Maschinenlärm, wir beide nicken fleißig und wischen uns den Schweiß von der Stirn.

Es sind verrückte Situationen wie diese, in denen wir kurz innehalten, uns ansehen und verwundert fragen, wie wir noch mal hierhergekommen sind. Waren wir nicht gerade eben noch im altbekannten Vorlesungssaal an der technischen Universität in Zürich, haben partielle Differenzialgleichungen gelöst, über eine bessere Welt philosophiert und waren todsicher, dass wir Europa für lange Zeit nicht verlassen würden?

Tja, das ist eine längere Geschichte, und sie hat an einem Ort ihren Anfang genommen, wo schon viele weltbewegende Ideen geboren wurden: zu Hause auf dem Sofa.

1 Eine völligverrückte Idee

Wir beide stecken tief im Herbstsemester 2017 der Umweltwissenschaften in Zürich. Es ist ein typischer Oktobertag: Der Himmel ist grau, es regnet und windet ein wenig. Zudem ist Sonntag – perfekt also für eine kurze Pause vom Studieren: auf dem Sofa sitzen, Tee trinken, quatschen und philosophieren. Genau dafür haben wir uns heute mit unserer Freundin Rosa verabredet. Die gemeinsame Zeit im Vorstand eines Nachhaltigkeitsprojektes hat Giulia und Rosa bereits zu Beginn ihres Studiums zusammengeschweißt. Lorenz ist ein Jahr später hinzugestoßen, als er zum Studieren nach Zürich zog. Seitdem haben wir viele Abende gemeinsam verbracht, um zu arbeiten, zu kochen und zu diskutieren.

Da klingelt es auch schon an der Tür. Wir springen auf und begrüßen Rosa. Jeder mit einer Tasse heißem Tee in der Hand, setzen wir uns ins Wohnzimmer aufs Sofa. Rosa erzählt von ihrer neuen Stelle als Englischlehrerin, und natürlich löchern wir sie wegen ihrer bevorstehenden Hochzeit mit Franz. Sie soll in Sydney stattfinden. Die beiden planen nicht einfach nur, zum Heiraten nach Australien zu gehen, sondern dorthin auszuwandern, was uns natürlich sehr traurig stimmt. Rosa ist Australierin und hat den größten Teil ihres Lebens in Sydney verbracht. Sie hat dort Familie und Freunde. Während eines Sommers verliebte sie sich in Franz, der während seines Doktorats für einen längeren Austausch in Sydney lebte. Zwei Jahre später zogen die beiden gemeinsam nach Zürich, wo Rosa ihr Masterstudium absolvierte und unsere Wege sich kreuzten.

»Hab ich euch das schon erzählt? Franz und ich haben beschlossen, die Zeremonie und das Fest im Ruderclub abzuhalten. Wir haben uns dort kennengelernt und ziemlich viel Zeit miteinander verbracht. Es ist ein wichtiger Ort für uns«, erzählt uns Rosa. Ganz nebenbei sagt sie noch: »Ach, Giulia … also, ich fände es sehr schön, wenn du meine Trauzeugin werden würdest.«

Giulia ist begeistert. Sie fühlt sich geehrt, dass Rosa sie fragt. Liebend gern möchte sie die Rolle der Trauzeugin ihrer Freundin übernehmen. Doch dies sind nicht die einzigen Gefühle, die in diesem Augenblick in ihr und Lorenz aufsteigen …

Vorfreude auf die Hochzeitsparty im sonnigen Sydney? Nebenher baden an den Traumstränden Australiens? Ein Helikopterflug über das Great Barrier Reef und danach der obligatorische Road Trip durch das Outback? Lauter Sehnsuchtsorte? Fehlanzeige.

Statt uns zu freuen, werden wir nachdenklich. Vor ein paar Jahren haben wir beide uns fest vorgenommen, nie mehr in ein Flugzeug zu steigen. Als Umweltstudierende beschäftigen wir uns tagtäglich mit den wissenschaftlichen Fakten rund um die Klimakrise, und diese sprechen eine überdeutliche Sprache: weiterhin steigende Treibhausgasemissionen. Tödliche Hitzewellen. Starkniederschläge. Wachsende globale Ungerechtigkeiten aufgrund der Klimaveränderungen. Artensterben … All das und noch viel mehr ist längst Realität. Und immer wieder ist es die Luftfahrt, die einen großen Anteil an der menschengemachten Klimakrise trägt und stark am Wachsen ist, allerdings nur von einer kleinen Minderheit genutzt wird. Könnte da nicht einfach ein klimafreundliches Wunderflugzeug erfunden werden, wie in regelmäßigen Abständen von der Flugindustrie angekündigt wird? Die Chancen dafür stehen im notwendigen Zeitraum und in der nötigen Größenordnung leider schlecht. Auch was die Kompensationsprojekte angeht, ist es nicht gesichert, dass sie tatsächlich die angegebenen Emissionen einsparen, besonders über den Zeitraum von mindestens hundert Jahren, die das CO2 aus dem Flug in der Luft bleibt. Zudem bewirken die Kompensationen nun wirklich keine Reduktion des Fliegens. Aber wenn wir nun einfach nicht fliegen: Würde das Flugzeug nicht auch ohne uns abheben? Doch wenn man genauer hinschaut, dann stimmt auch das nicht: Jeder Einzelne macht einen Unterschied. Insbesondere, wenn es um den dringend notwendigen Kulturwandel hin zu langsamerem Reisen geht. Natürlich braucht es noch viel mehr, aber wieso nicht im Hier und Jetzt anfangen und Teil dieser Veränderung werden?

Den schädlichen Einfluss des Fliegens auf das Klima können wir nicht einfach ignorieren, nicht einmal für die Hochzeit von Rosa und Franz. Auch wir kennen das kribbelnde Gefühl von Fernweh, doch das allein würde niemals reichen, um uns umzustimmen und auf Kosten der Mehrheit aller Menschen nach Sydney oder sonst wohin zu fliegen.

Andererseits: Reisen ist nicht nur Abenteuer. Es bedeutet auch Besuche bei Verwandten und Freunden, das Vertiefen von emotionalen Bindungen, eine Öffnung in die Welt hi-naus. Fremde Länder zeigen uns die Vielfalt an Lebenswelten auf dieser Erde und auch immer wieder, dass uns Menschen mehr verbindet als uns trennt.

All diese Gedanken kreisen in unseren Köpfen, während wir im gemütlichen Wohnzimmer in Zürich sitzen.

»Ich würde liebend gern deine Trauzeugin sein«, sagt Giulia in die Stille hinein zu Rosa. »Wer weiß, vielleicht gibt es ja irgendeine Möglichkeit, ohne Flugzeug nach Australien zu reisen.« Ein Satz, der einfach so aus dem Moment heraus fällt und aus dem nach und nach eine völlig verrückte Idee entsteht.

»Ich habe ab Sommer eigentlich keine Vorlesungen mehr, die ich besuchen muss. Ich muss zwar noch ein Praktikum machen und meine Masterarbeit schreiben … aber das kann ich eigentlich überall tun«, überlegt Giulia.

Bei Lorenz sieht es ganz ähnlich aus, bei ihm wartet die Bachelorarbeit. Zeit zu reisen hätten wir also …

»Australien ist ganz schön weit weg. Das liegt auf der anderen Seite der Welt«, sagt Lorenz. »Ohne Flugzeug – das wäre echt verrückt.«

»Aber toll wäre das schon, wenn ihr kämt«, findet Rosa.

Und so schwelgen wir auf unserem Sofa in unseren Tagträumen von Australien. Wir glauben aber alle nicht daran, dass sich diese Gedankenspiele jemals in etwa Wirkliches verwandeln könnten …

2 Exkurs: Die Klimakrise –was steht auf dem Spiel,und was hat das eigentlichmit dem Fliegen zu tun?

Was bedeutet »menschengemachte Klimakrise« überhaupt?

Bei derzeit lediglich 1 Grad Celsius Erhitzung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit ist die Klimakrise bereits für sehr viele Menschen schmerzhafte Realität. So etwa in den europäischen Hitzesommern 2017, 2015, 2013, 2010 und 2003 (im Moment des Schreibens zählt auch 2018 dazu),1 die bereits Zehntausenden Menschen das Leben kosteten.2 Mit den katastrophalen Starkniederschlägen in Nigeria, anderen afrikanischen Staaten,3 Indien, Nepal und Bangladesch,4,5,6 mit Hurrikan Harvey und weiteren Wirbelstürmen.7 Mit den ausufernden Waldbränden in den USA, Australien und anderswo sowie vielen weiteren Katastrophen.8,9

All diese Ereignisse wurden durch Treibhausgase, wie CO2 aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, und deren erhitzende Wirkung auf das Klima verschlimmert, wenn nicht verursacht. Die besonders Leidtragenden? Menschen, die wenig Ressourcen haben, um sich vor solchen zum großen Teil menschengemachten Katastrophen zu schützen. Speziell betroffen sind Menschen des globalen Südens,10,11 und hier meistens Frauen, die sich besonders häufig von Subsistenzlandwirtschaft ernähren und wenige Ressourcen zur Verfügung haben.12 Zu den in hohem Ausmaß betroffenen Gruppen gehören auch indigene Bevölkerungen, beispielsweise in Australien oder Südamerika, da auch ihnen meist wenig Mittel zur Verfügung stehen. Dazu kommen viele Millionen Menschen besonders in ärmeren Ländern, die durch den Meeresspiegelanstieg ihre Heimat und Lebensgrundlage verlieren können, wie zahlreiche Inselstaaten oder auch viele asiatische Länder.13

Dieses Wissen ist alles andere als neu. Bereits in den 1970er-Jahren wurden die grundlegenden Zusammenhänge verstanden, interessanterweise besonders vom Ölkonzern ExxonMobile.14,15,16 Im Jahr 1990, da waren wir beide noch nicht einmal geboren, waren diese Erkenntnisse allgemein zugänglich, denn es erschien der erste Bericht des Weltklimarats (häufig auch »Intergovernmental Panel on Climate Change« oder kurz »IPCC« genannt). Inzwischen hat die Menschheit den Temperaturbereich des Holozäns, der mehr als zehntausendjährigen erdgeschichtlichen Epoche, in der die Menschheit ihre Landwirtschaft entwickelte und welche dadurch an diese klimatischen Bedingungen angepasst ist, verlassen – und dies in einer unglaublichen Geschwindigkeit, für die es kaum erdgeschichtliche Analoga gibt, zumindest keines, das die Menschheit miterlebt hat.17 Daher sprechen viele Forschende bereits vom Anthropozän, dem erdgeschichtlichen Zeitalter, in welchem Menschen die natürlichen geologischen Kreisläufe dominieren.18 Sollte das globale Klimaziel von 2 Grad Celsius verfehlt werden, ist die nächste Eiszeit vom Terminkalender gestrichen.19

Es findet also ein gigantisches Experiment mit unseren Lebensgrundlagen statt. Und die globalen Treibhausgasemissionen? Trotz der vielen Klimaberichte und Klimakonferenzen, wissenschaftlichen Studien und staatlichen Abkommen hat sich nichts wesentlich geändert: Sie steigen fleißig weiter an, seit 1990 um ungefähr 67 Prozent20 und mehr als verdoppelt seit 197021. Aber wer ist eigentlich für all diese klimaschädlichen Emissionen verantwortlich?

Die Klimakrise als globales Gerechtigkeitsproblem

Einerseits lässt sich sagen, dass nur hundert Konzerne – die sogenannten Carbon Majors – für 71 Prozent der Emissionen von 1988 bis 2015 verantwortlich sind.22 Das Bild wird komplexer, wenn man betrachtet, für wen diese Unternehmen produzieren bzw. wer von ihnen kauft. So sind die reichsten zehn Prozent der Menschheit für knapp die Hälfte der konsumbedingten Emissionen verantwortlich (das sind circa zwei Drittel aller Emissionen, das andere Drittel besteht aus staatlichem Konsum, Infrastruktur und internationalem Transport), während die ärmsten 50 Prozent der Menschheit nur knapp zehn Prozent dieser Emissionen ausstoßen.23 Würde man die reichsten zehn Prozent auf das Durchschnittsemissionslevel von Europa bringen (also noch immer ein deutlich zu hohes Level), würden die konsumbedingten Emissionen um ein ganzes Drittel sinken – erreichbar innerhalb kürzester Zeit, nur durch weniger Konsum einer Minderheit.24 Ein Großteil dieser reichsten zehn Prozent lebt in den Industriestaaten des globalen Nordens, welche historisch gesehen den allergrößten Anteil an den kumulativen Treibhausgasemissionen der Menschheit seit dem Beginn der Industrialisierung im achtzehnten Jahrhundert haben.25 Und hier haben Männer im Durchschnitt einen höheren Ausstoß als Frauen.26 Zusammengefasst lässt sich durch all diese Fakten die Klimakrise als ein globales Gerechtigkeitsproblem begreifen – diejenigen, die sie verursachen, werden weniger darunter leiden und können sich am besten anpassen, während diejenigen, die besonders darunter leiden und sich am wenigsten schützen können, kaum etwas dazu beigetragen haben. Daher ist es an sich auch nicht korrekt, von »menschengemacht« und »Anthropozän« zu sprechen, wenn eigentlich nur eine Minderheit aller Menschen für diese Veränderungen verantwortlich ist.

Wo stehen wir, und was können die Auswirkungen der Klimakrise sein?

Um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise zu verhindern, muss laut dem jüngsten Bericht des Weltklimarates der globale Temperaturanstieg bis 2100 auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden,27 wobei selbst dieses Ziel nicht als »sicher« bezeichnet werden kann. Beispielsweise beinhaltet ein typisches Klimaszenario des Weltklimarats eine 50-prozentige Chance, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, allerdings auch eine 33-prozentige, bei über 2 Grad Celsius, sowie eine zehnprozentige Chance, bei über 3 Grad Celsius zu landen.28 Wenn eines von zehn Flugzeugen abstürzen würde, würden wir dann in den Flieger steigen? Allein die 0,5 Grad Celsius mehr zwischen 1,5 und 2 Grad Celsius setzen Hunderte Millionen Menschen mehr tödlichen Hitzewellen und Armut aus, weihen Inselstaaten dem Untergang, zerstören Korallenriffe vollständig, von deren Versorgungsfunktion wiederum Hunderte Millionen Menschen abhängen, und erhöhen das Risiko von positiven Rückkoppelungen im Klimasystem stark.29 Positive Rückkoppelungen oder auch Kipppunkte (im Englischen als »Tipping Points« benannt) sind Veränderungen, die ab einer bestimmten Temperaturerhöhung stattfinden, danach nicht mehr aufhaltbar sind und meistens zu einer weiteren Erhitzung führen.30,31 So beispielsweise das Auftauen des Permafrosts, das Milliarden von Tonnen Methan, ein hochpotentes Treibhausgas, freisetzen kann. Auch das Abschmelzen von Eismassen der Arktis bewirkt durch den Rückzug des Eises eine erhöhte Aufnahme von Strahlung und damit Erhitzung des Klimas (der sogenannte Albedo Effekt).32 Bereits bei 2 Grad Celsius oder auch 1,5 Grad Celsius könnten wir einige dieser Punkte überschreiten – je heißer, desto höher das Risiko.33 Es existieren massive Unsicherheiten über den genauen Schwellenwert dieser Kipppunkte. Allerdings hat sich gezeigt, dass die bisherigen Modellrechnungen der Klimaforschung beispielsweise das Abschmelzen des Permafrosts stark unterschätzt haben.34,35 Zu all dem kommt, dass wir momentan eher um die 3 Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts anpeilen, und selbst das auch nur, wenn die Klimaschutzzusagen der Staaten eingehalten werden36, was fraglich ist. Unser derzeitiger Emissionspfad folgt dem schlimmsten, in der wissenschaftlichen Sprache als »worst-case« bezeichneten Klimaszenario, auch wenn es von vielen Klimaforschenden als unwahrscheinlich angesehen wird.37 Das würde uns in eine »Heißzeit« befördern mit absolut katastropha len Konsequenzen weltweit. Ganze Weltregionen könnten nahezu unbewohnbar und viele andere menschenfeindlich werden.38,39,40

Was müssten wir also für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen tun?

Um die Erhitzung mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, müssen laut dem jüngsten Bericht des Weltklimarates die globalen Emissionen bis 2030 um die Hälfte sinken und bis 2050 auf netto null fallen41 – radikale, kurzfristige Senkungen. Dabei ist zu beachten, dass selbst diese radikalen Szenarien, die vom Weltklimarat nur zusammengefasst werden, alle zwischen 100 und 1000 Milliarden Tonnen sogenannte negative Emissionen aufweisen.42 »Netto null Emissionen« heißt demnach, dass die Senkungen, beispielsweise durch negative Emissionen, die menschlichen Treibhausgasemissionen ausbalancieren – dafür muss die letztendliche Verbrennung fossiler Brennstoffe nicht unbedingt aufhören. Diese negativen Emissionen werden erreicht beispielsweise durch großskalige Aufforstung oder das massenweise Anbauen von Biomasse mit anschließender Verbrennung und Verpressung des entstehenden CO2 unter die Erde.43 Letztere existiert derzeit nur in kleinen Testanlagen, mit unbewiesener Skalierbarkeit und ökonomischer Machbarkeit.44 Generell ist die zentrale Stellung dieser Technologien und deren Anwendung in planetaren Größenordnungen in den Klimaschutzszenarien hoch umstritten, da eine große Unsicherheit über ihre tatsächliche Machbarkeit sowie die zahlreichen potenziellen Nebenwirkungen herrscht.45,46,47,48 Würden wir uns heute auf die massenhafte Anwendung dieser Technologien verlassen und sich diese jedoch in ein paar Jahrzehnten als nicht machbar herausstellen, wären der Schaden und das Leid besonders für Menschen im globalen Süden sowie zukünftige Generationen massiv und unumkehrbar. Lässt man also solche spekulativen Technologien aus den Szenarien heraus, wären die kurzfristig notwendigen Reduktionen noch deutlich radikaler als ohnehin schon. Beispielsweise müsste Deutschland dann bereits bis circa 2035 auf null Emissionen kommen.49 Bezieht man die historische Verantwortung Deutschlands als starker Verschmutzer mit ein, so müsste dies bereits 2030 der Fall sein. Global sieht es ähnlich aus: Unser CO2-Budget für eine 66-prozentige Chance, unter 1,5 Grad Celsius zu bleiben, ist bei den derzeitigen globalen CO2-Emissionen in etwa acht Jahren aufgebraucht.50

Diese Zahlen implizieren radikale Veränderungen in der Art und Weise, wie Menschen in industrialisierten Ländern leben. Denn all unsere Lebensbereiche basieren noch immer zum größten Teil auf fossilen Brennstoffen, sei es, wie wir unsere Wohnungen heizen, Nahrung anbauen, von A nach B kommen oder Elektrizität herstellen.51 Um dem zu entgegnen und die CO2-Emissionen schnell zu verringern, erkennt man aus einer Vogelperspektive drei Möglichkeiten.52 Zuallererst können wir weniger konsumieren, also beispielsweise weniger oder gar nicht Auto fahren, fliegen oder tierische Nahrungsmittel essen, sowie weniger Strom verbrauchen. Dann können wir den Konsum auf weniger schädliche Alternativen verlagern, zum Beispiel auf das Fahrrad oder den öffentlichen Verkehr sowie pflanzliche Nahrungsmittel. Und zu guter Letzt können wir die Zusammensetzung des Konsums verbessern, also zum Beispiel die Energiequellen austauschen gegen erneuerbare Energien und Verbrennungs- gegen Elektroautos. Es gibt intensive Diskussionen darüber, welche dieser Kategorien überwiegen sollten oder müssen und wie die Auswirkungen davon sein werden, beispielsweise auf das Wirtschaftswachstum, gemessen im Bruttoinlandsprodukt (BIP). So ist eine Gruppe von Klimaschützenden davon überzeugt, dass das BIP schnell und stark genug vom CO2-Ausstoß »entkoppelt« werden kann.53,54 Eine solche »Entkoppelung« würde bedeuten, dass das BIP munter weiterwächst, wir also immer mehr Waren und Dienstleistungen produzieren und konsumieren, während die CO2-Emissionen massiv, im Einklang mit den Klimazielen, sinken. Der Theorie nach soll dies unter anderem durch technologische Innovation, Effizienzsteigerungen und einen signifikanten Ausbau der erneuerbaren Energien ermöglicht werden.55 Davon ist jedoch trotz dreißigjähriger Klimaschutzanstrengungen noch sehr wenig und auch nur in reichen Ländern zu spüren.56,57 Von einer anderen Gruppe werden noch zudem viele Gründe genannt, warum das aller Wahrscheinlichkeit nach bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum auch so bleiben wird und Klimaziele weiterhin verfehlt werden.58,59,60 Beispielsweise wachsen zwar global die erneuerbaren Energien in schnellem Tempo, allerdings wächst der totale Energiekonsum im Einklang mit dem Wirtschaftswachstum noch stärker und damit auch die Emissionen.61 Diese Diskussion führt dann zu der Frage, ob wir nicht viel grundsätzlicher über unsere heutige Art und Weise des Lebens62 und Wirtschaftens63 reden müssen, um der Klimakrise effektiv zu begegnen. Darauf kommen wir am Ende des Buches noch einmal kurz zurück. Also, wie wir es auch drehen, auf die eine oder andere Art müssen sich unsere Lebensweisen innerhalb kürzester Zeit drastisch verändern. Was ist nun aber die Rolle der Luftfahrt in all dem?

Die Wichtigkeit der Luftfahrt

Die Luftfahrtindustrie macht zurzeit etwa 2,4 Prozent aller globalen jährlichen Emissionen aus fossilen Brennstoffen aus.64 Klingt nach wenig? Ist es aber nicht. Zum Vergleich: Dies sind nur etwas weniger als die jährlichen Emissionen von Spanien, Polen und Großbritannien zusammen.65 Zudem fehlt bei diesen 2,4 Prozent noch die sogenannte Nicht-CO2-Klimawirkung der Luftfahrt, verursacht durch Kondensstreifen- sowie Ozon- und Wolkenbildung66 (meist berechnet in CO2-Äquivalenten, daher sprechen wir im Folgenden nur von CO2). Diese zusätzliche Klimawirkung ist zwischen ein bis drei Mal so hoch wie nur durch das ausgestoßene CO2.67 Demnach hat Fliegen eher mindestens einen Anteil an der Erhitzung von 5 Prozent.68 Sollten sich die derzeitigen Wachstumsprojektionen von 4,3 Prozent pro Jahr für diesen Sektor bewahrheiten, die totalen Emissionen aber sinken, wird der Anteil der Luftfahrt innerhalb weniger Jahre auf ganze 22 Prozent ansteigen.69 Solch ein Anstieg ist inkompatibel mit dem oben gezeichneten Absenkungspfad für 1,5 Grad Celsius.70,71

Dazu kommt noch, dass es global betrachtet ein immenses Privileg ist, jemals ein Flugzeug von innen gesehen zu haben – nur weniger als zehn Prozent aller Menschen können dies von sich sagen.72,73 Selbst innerhalb der Industriestaaten zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: Beispielsweise sind in Großbritannien knapp 15 Prozent der Bevölkerung für 70 Prozent der Flüge verantwortlich, während die Hälfte der Bevölkerung weniger als einmal pro Jahr fliegt.74

Für die Menschen, die fliegen, ist dies mit hoher Wahrscheinlichkeit der dominierende Faktor in ihrem CO2-Fußabdruck.75,76,77 Bereits ein Flug von Berlin nach Sydney würde zwischen drei und fünf Tonnen CO2 ausstoßen.78,79 Der große Unsicherheitsbereich kommt primär durch die Nicht-CO2-Klimawirkungen der Luftfahrt zustande. Drei bis fünf Tonnen sind mehr, als durch ein ganzes Jahr vegan oder ohne Auto zu leben eingespart werden würde.80 Das sind natürlich alles ebenfalls wichtige Dinge; sie dienen hier lediglich als Vergleich und sollen nicht gegen das Fliegen ausgespielt werden. Für eine Vielfliegernation wie die Schweiz macht das Fliegen ganze 18 Prozent der gesamten Emissionen aus.81 Bei prominenten Personen, die einen überdurchschnittlichen Einfluss auf soziale Normen haben, ist das Vielfliegen enorm ausgeprägt. Bill Gates zum Beispiel produzierte ganze 1600 Tonnen (!) CO2 alleine durch das Fliegen im Jahr 2017 (und dies sogar ohne Berücksichtigung der Nicht-CO2-Klimawirkung, verglichen mit fünf Tonnen CO2 als den momentanen Weltdurchschnitt für allen Konsum, inklusive Fliegen).82 In der Flugindustrie kristallisiert sich also der bereits benannte Gerechtigkeitskonflikt besonders stark heraus: Eine Minderheit lebt auf Kosten der Mehrheit. Dabei scheint es interessant, dass es häufig die Vielfliegenden sind, die sich als besonders umweltbewusst und progressiv einschätzen.83 Allerdings kann dies damit erklärt werden, dass das Flugverhalten sehr stark vom Einkommen bestimmt wird und diese Gruppe häufig zu den Besserverdienenden gehört.84 Auch in der Wissenschaft fliegen Klimaforschende sehr viel,85 was häufig vom akademischen Umfeld gefordert und gefördert wird.86

Wo wir gerade bei der Forschung sind, wäre es bei all diesen Problemen des Fliegens nicht möglich, eine Art »grünes« Fliegen zu entwickeln?

Kann man das Flugproblem technologisch lösen?

Um weiterhin die globale Luftfahrt am Leben zu erhalten, werden viele Hoffnungen in technologische Lösungen des Flugproblems gesetzt.87 Nicht zuletzt von der Flugindustrie selbst, aber auch von ökologisch orientierten Menschen.88 Doch die Chancen dafür, zumindest im nötigen Maßstab und zum nötigen Zeitpunkt, stehen schlecht.89,90,91

Grundsätzlich gibt es drei Ansatzpunkte für Emissions-reduktionen. Einmal kann die Flugtechnik effizienter gestaltet werden, zum Beispiel durch aerodynamische Außenhäute oder spezielles Flügeldesign.92 Dadurch wurden in der Vergangenheit starke Effizienzsteigerungen erreicht. Allerdings sind diese Gewinne im gleichen Zeitraum durch das Wachstum des Flugsektors massiv überkompensiert worden93 – ein Phänomen, das unter dem Namen »Rebound-Effekt« wohlbekannt ist.94 Zweitens können Flugrouten besser geplant und an die Wetterbedingungen angepasst werden, wodurch primär die oben beschriebenen Nicht-CO2-Wirkungen, wie zum Beispiel durch Kondensstreifen, verringert werden sollen. Allerdings gibt es bei solchen Änderungen hohe Barrieren, wie etwa die bereits sehr starke Belastung der Lufträume, sowie die nötige internationale Koordination und Probleme bei der Vorhersage der Wetterbedingungen.95 Zu guter Letzt können die Antriebstechnik geändert und Treibstoffe ausgetauscht werden. Hier werden zum Beispiel häufig elektrische Flugzeuge genannt. Allerdings sind diese Jahrzehnte von der Marktreife entfernt – Batterien haben schlicht eine zu geringe Energiedichte96 und noch dazu ihre ganz eigenen Umweltprobleme.97 Vielversprechender scheinen Bio-Treibstoffe zu sein – also flüssige Treibstoffe, die aus nachwachsenden Rohstoffen wie Ölpflanzen, Holz oder Algen gewonnen werden und Kerosin ersetzen sollen.98 Aber auch hier gibt es bei genauerer Betrachtung ernsthafte Probleme: Bio-Treibstoffe werden ebenfalls von anderen Sektoren als Klimaschutzoption eingeplant, wie beispielsweise der Schifffahrt,99 haben jedoch in großskaliger Nutzung viele potenzielle Risiken und Nebenwirkungen: Konkurrenz zu Nahrungsmittelanbau, weiterer Schaden an Ökosystemen, Waldzerstörung sowie Schäden an Boden und Wasser.100,101 Zudem würden die Nicht-CO2-Klimawirkungen kaum verringert werden.102 Ähnliche Probleme treffen auf synthetische Treibstoffe zu, hergestellt aus Sonnenlicht oder Strom, Wasser und CO2. Sie sind noch teuer und werden nur in kleinen Testanlagen103 unter hohem Flächen- und Ressourcenverbrauch104 hergestellt. Es ist zudem unwahrscheinlich, dass die Nicht-CO2-Klimawirkungen substanziell verringert werden.105 Zu guter Letzt müsste für einen klimaneutralen Betrieb der gesamte Lebenszyklus des Treibstoffs CO2