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Die Energiewirtschaft steht vor zahlreichen Herausforderungen - von der Gestaltung des Energiemarktes über die Integration Integration neuer Technologien bis hin zur Veränderung der Zusammenarbeit. Die agile Management-OKR bietet eine Lösung. In diesem Handbuch von Ellen Duwe und Matthias Meischner erfahren Sie, wie Sie strategische Ziele in hierarchischen, sicherheitsbewussten und stark regulierten Branchen wie der Energiewirtschaft erfolgreich umsetzen können. Vier konkrete Fallbeispiele dienen Ihnen als Leitfaden und unterstützen Sie bei der eigenständigen Umsetzung von Veränderungen bei unterschiedlichen Teamkonstellationen und -größen. Abschließend beleuchtet das Buch aktuelle Trends und wagt einen Ausblick auf zukünftige Herausforderungen der Branche. Inhalte: - Regulatorik, Kennzahlen und Marktdesign als typische "Innovationshemmer" - Veränderungsdruck und typische Innovationsdynamiken in stark regulierten Branchen - Die systemische Organisation in der Energiewirtschaft - Typische »Personas« und wie sie mit Zielen umgehen - Mit motivierenden Zielen zu neuen Ufern - OKR: Funktion, Grenzen und Abwandlungsmöglichkeiten in Unternehmen der Energiewirtschaft - Leitfragen und Umsetzungsguide: Wann ist OKR das passende Werkzeug, um Ziele zu erreichen?Die digitale und kostenfreie Ergänzung zu Ihrem Buch auf myBook+: - Zugriff auf ergänzende Materialien und Inhalte - E-Book direkt online lesen im Browser - Persönliche Fachbibliothek mit Ihren BüchernJetzt nutzen auf mybookplus.de.
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Seitenzahl: 337
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Ellen Duwe/Matthias Meischner
OKR in der Energiewirtschaft
1. Auflage 2023
© 2024 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
www.haufe.de
Bildnachweis (Cover): © iStock, alphaspirit
Produktmanagement: Jürgen Fischer
Lektorat: Helmut Haunreiter
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Abb. 1: Das energiepolitische Zieldreieck
Abb. 2: Gesetzeskarte für das Energieversorgungssystem in Deutschland
Abb. 3: Überblick über verschiedene Rollen für die MarktkommunikationEnergiemarkt, Marktkommunikation im Deutschen EnergiemarktEnergiemarkt (eigene Darstellung)
Abb. 4: Netzbetrieb in Deutschland (Next KraftwerkeEnergiemarkt, Kraftwerk, 2016)
Abb. 5: LiberalisierungEnergiemarkt, Liberalisierung des deutschen Energiemarktes (Next-Kraftwerke, 2023)
Abb. 6: Voraussetzungen, die für das Gelingen eines Change-Prozesses elementar sind
Abb. 7: OKR in a Nutshell
Abb. 8: AmbidextrieAmbidextrie-Check
Abb. 9: Der Wirkungszusammenhang von den 3 Ebenen Ziele (1), Struktur & Kultur (2) und zwischenmenschliche Zusammenarbeit (3)
Abb. 10: Beispielhafte Agenda Rollenworkshop
Abb. 11: Kernunterschiede von Matrix- und Netzwerkorganisationen
Abb. 12: Kurve emotionaler Teamzustände bei VeränderungenVeränderung
Abb. 13: TagesgeschäftTagesgeschäft in OKROKR bearbeiten? Es kommt darauf an!
Abb. 14: Das Können-Dürfen-Wollen-Ermöglichen-Modell (Grannemann, 2010)
Abb. 15: Die Auswertung des Können-Dürfen-Wollen-Ermöglichen-Modells (Grannemann 2010)
Abb. 16: Beeinflussbarkeit von Aufgaben mittels des Circle of Influence strukturieren
Abb. 17: Voraussetzung und Resultat von OKR: Eigenverantwortung, Lösungsorientierung, TransparenzTransparenz und Teamfokus
Abb. 18: Übersicht VisionOKR, Vision, MissionOKR, Mission, Ziele und Maßnahmen
Abb. 19: Beispiele für starke Unternehmensvisionen (Google, 2023), (SAP, 2023), (Jerry’s, 2023), (München, 2023)
Abb. 20: Bildlich dargestellter Zusammenhang von VisionOKR, Vision, MissionOKR, Mission und Zielen
Abb. 21: Gesamtprozess OKR in einem Team
Abb. 22: Prozess zur Einbeziehung der Teams in die strategische Zieldefinition
Abb. 23: Pestel-Einflussfaktoren
Abb. 24: Möglichkeiten, wie ZielideenZielidee in den Jahreszielen berücksichtigt werden
Abb. 25: Übersicht über den OKR-ZyklusOKR, OKR-Zyklus
Abb. 26: Ableitung der Objectives und Key Results und Ausrichtung zwischen Teams
Abb. 27: Bewertung der Einflussmöglichkeiten durch die Rollen
Abb. 28: OKR – Arten der MessbarkeitOKR, Messbarkeit
Abb. 29: OKR arbeitet mit beeinflussbaren Kennzahlen
Abb. 30: Beispielgliederung einer OKROKR-RetrospektiveOKR, OKR-Retrospektive
Abb. 31: Auswirkungen der Zusammenarbeit von Asset ManagementNetzbetreiber, Asset Management und Asset ServiceNetzbetreiber, Asset Service auf die Unternehmensstrategie eines EnergieversorgersEnergieversorger (Walther & Drescher, 2014)
Abb. 32: OKR-Definition zwischen Asset Management, Schaltmeistern und Schaltmonteuren
Abb. 33: Vorbereitung des OKR-Plannings in der Runde der Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter
Abb. 34: Anpassung der OKROKR-Eventstruktur
Abb. 35: Erstellung Moal Picture (in Anlehnung an das Purpose TurnierPurpose Turnier)
Abb. 36: OKR-Einführung auf Ebene der Geschäftsführung und der Bereichsleitungen
Abb. 37: Stufenweise OKROKR-Einführung bei einem StadtwerkEnergiemarkt, Stadtwerk
Abb. 38: OKR-Einführungswege im ganzen Unternehmen
Abb. 39: Übung: Ursache-Wirkungs-Diagramm – Ishikawa-Fischgrätenmodell
Abb. 40: Erwartungen zwischen Rollen klären
Abb. 41: Gliederung einer lösungsorientierten Teamperspektive
Abb. 42: Customer JourneyCustomer Journey
Abb. 43: Vorlage »Stinky Fish« – psychologische Sicherheit aufbauen, in Anlehnung an Gustavo Razzetti
Abb. 44: Das Vier-Quadranten-Modell (Ken Wilber), Reinventing Organizations (Fréderic Laloux, 2015), Weiterentwicklung an der imuAugsburg (Stefan Enzler, Monika Luger, 2013)
Abb. 45: Der Quadrant »Strukturen, Prozesse und Produkte«
Abb. 46: Der Quadrant »Wissen, Fähigkeiten, Verhalten«
Abb. 47: Der Quadrant »Denken, Fühlen, Haltung«
Abb. 48: Der Quadrant »Werte, Kultur, Beziehung«
Tab. 1: Übersicht über die wichtigsten Marktrollen (Bundesverband der Energie- und WasserwirtschaftEnergiemarkt, Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, 2023)
Tab. 2: Typische Kennzahlen zur Steuerung des Tagesgeschäfts bei Unternehmen der Energiewirtschaft (datapine, RIB Software GmbH, 2023)
Tab. 3: Möglichkeiten des Umgangs mit FehlernFehler und Scham (Erler, 2023)
Tab. 4: Antwort von OKR auf das Vermächtnis des Industriezeitalters
Tab. 7: Merkmale der sechs Veränderungsphasen
Tab. 8: Einzel- und Teamübung – TransparenzTransparenz über Teamaufgaben schaffen
Tab. 9: Übersicht über die OKR-Events
Tab. 10: Übersicht über die Best-Practice-Beispiele
Tab. 11: Vor- und Nachteile verschiedener Rolleninhaber als OKR-Master
Tab. 12: Methodenübersicht für die OKR-Einführung und die Arbeit mit OKR
Tab. 13: Wertebeispiele
Tab. 15: Übung: Ergebnisdarstellung Ursache-Wirkungs-Diagramm nach dem Ishikawa-Fischgrätenmodell
Tab. 16: Die Phasen der Customer JourneyCustomer Journey im Detail
Tab. 17: Beispiel Ergebnis Planning PokerPlanning Poker
Wir möchten dieses Buch den Kunden der hxi GmbH sowie unseren Frollegen (Freunde und Kollegen) widmen. Die Inhalte dieses Buches fußen mehrheitlich auf unseren Erfahrungen und denen unserer Frollegen, die sie in der Rolle als Berater, Coach oder Trainer bei Unternehmen der Energiewirtschaft machen durften. Ein weiterer ganz herzlicher Dank ist an unsere Familien gerichtet, die die Erstellung dieses Buchs durch ihre verlässliche Unterstützung möglich gemacht haben.
Dieses Buch widmet sich der Zielmethode Objectives und Key Results (OKR) und ihrer Anwendbarkeit in Unternehmen in stark regulierten Branchen wie der Energiewirtschaft. Dabei geht es vor allem darum, wie die Methode OKR angepasst werden kann, um in Unternehmen, die festen, regulativen Rahmenbedingungen unterliegen, wirken zu können.
Objectives und Key Results ist ein in den frühen 2000er-Jahren in den USA über Intel und Google bekannt gewordenes Managementtool, das einen Schmerz zu heilen verspricht, den viele Führungskräfte und Mitarbeitende kennen dürften: Strategische Unternehmensziele werden Jahr für Jahr, teilweise in aufwendigen Prozessen, von den Unternehmensleitungen definiert und dann mit mehr oder minder großem Aufwand an die Mitarbeiterschaft kommuniziert.
Im nächsten Schritt finden mit jedem Mitarbeitenden individuelle Zielvereinbarungsgespräche mit der jeweiligen Führungskraft statt, bei denen es darum geht, die Mitarbeitenden zum Erreichen eines oder mehrerer von den Jahreszielen heruntergebrochenen Ziele zu verpflichten – und sie bestenfalls auch zu motivieren. Bloß funktioniert es mit der Motivation selten so, wie es sich die Unternehmensleitungen wünschen würden. Das spiegelt sich spätestens zum Ende jedes Jahres in Zielerreichungsquoten wider, die weit unter dem liegen, was sich die Unternehmensleitung erwartet hatte – sofern diese Zielerreichungsquoten zum Ende des Jahres überhaupt noch relevant sind. Denn vor unerwarteten Marktentwicklungen ist kein Unternehmen gefeit. Auch nicht Unternehmen der Energiewirtschaft. Denn auch sie können in der Regel weder den genauen Wortlaut künftiger, für den Ablauf interner Unternehmensprozesse maßgeblicher Regulierungen noch die geopolitischen Entwicklungen, die Einfluss auf die Energieversorgung haben, vorhersehen.
So kommt es auch bei Unternehmen der Energiewirtschaft häufig vor, dass die strategischen Ziele, die auf der Vorstandsklausur zum Jahresbeginn noch so sinnvoll erschienen, wenige Monate später schon überholt sind. Unglücklich, wenn die strategischen Jahresziele unterjährig durch unvorhersehbare Ereignisse an Relevanz verlieren, die Mitarbeitenden aber bereits »verzielt« wurden und nun bis Jahresende auf das Erreichen von Zielen hinarbeiten sollen, die dem Unternehmen nichts mehr nützen. Das kann, gerade wenn es mehrere Jahre in Folge zu einer solchen strategischen Fehlausrichtung kommt, dazu führen, dass die Mitarbeitenden den Sinn ihrer erbrachten Arbeit völlig infrage stellen. Motivation? Fehlanzeige. Voller Einsatz für die Zielerreichung? Ebenfalls.
Und hier, an diesem Schmerzpunkt, setzt die Zielmethode OKR an. Gemäß OKR legt die Unternehmensleitung am Anfang des Zielprozesses die strategischen Jahresziele für das neue Geschäftsjahr fest – und zwar so, dass die Ziele einen gewissen Spielraum für unvorhersehbare Entwicklungen lassen. Nach dem Verkünden der Jahresziele werden weder individuelle Zielvereinbarungsgespräche geführt noch Individualziele festgelegt, die bis zum Jahresende gelten sollen. OKR sieht stattdessen vor, dass sich jede Abteilung, je nach Größe auch jedes Team, selbstorganisiert Quartalsziele setzt, die messbar und direkt beeinflussbar sind und auf mindestens eines der Strategieziele einzahlen. OKR verknüpft damit die Arbeit der Mitarbeitenden unmittelbar mit der Unternehmensstrategie, wodurch die Sinnhaftigkeit der täglich zu leistenden Aufgaben nicht nur erhöht, sondern auch erkennbar wird.
Ändert sich unterjährig die Strategie, hat jede Abteilung bzw. jedes Team quartalsweise die Möglichkeit, ihre OKR-Teamziele an den neuen Entwicklungen auszurichten und dabei durchaus auch einmal neue, innovative Ziele zu verfolgen. Das Unternehmen kann damit auf unvorhersehbares Marktgeschehen schneller reagieren und die Mitarbeitenden erfahren eine stärkere Bindung ihrer Aufgaben an die Strategie. Das erhöht ihre Motivation zur Zielerreichung, denn sie setzen sich selbst die Teamziele und erachten sie daher aus ihrer jeweiligen Abteilungsperspektive zu Recht für sinnvoll.
Diese Vorgehensweise ist das Alleinstellungsmerkmal von OKR. In Zeiten von Fachkräftemangel und schnelllebigen Märkten – das betrifft auch die Energiemärkte – suchen Unternehmen nach Lösungen, wie sie ihre Mitarbeitenden binden, sie zu Höchstleistungen motivieren und sich gleichzeitig nachhaltig auf dem Markt behaupten können. Das wachsende Interesse an OKR ist sicher auch darauf zurückzuführen, dass die Methode all das verspricht: motivierte Mitarbeitende, Innovation und eine von der Mitarbeiterschaft getragene Strategie.
Wir, die Autoren dieses Buches, arbeiten als Trainer, Coaches und Berater für Unternehmen der Energiewirtschaft in Deutschland und haben in dieser Funktion schon viele Abteilungen und Teams bei der Einführung und der Arbeit mit OKR begleitet. Dabei fiel uns immer wieder auf, dass die Methode in der Weise, wie sie bei Intel, Google und anderen Unternehmen gelebt wird, in der Energiewirtschaft nicht umsetzbar ist. Die Ursache dafür sehen wir in den besonderen Rahmenbedingungen der Branche. Zahlreiche gesetzliche und technische Regulierungen schränken die Möglichkeiten der Mitarbeitenden schlichtweg ein, wenn es darum geht, sinnvolle und direkt beeinflussbare Ziele zu entwickeln. Nicht alles, was zum Beispiel einem Team im Netzbau sinnvoll erscheinen mag, darf rechtlich umgesetzt werden. Der Innovationsspielraum ist in stark regulierten Branchen wie der Energiewirtschaft schlichtweg geringer als bei Unternehmen, die in einem weniger stark regulierten Umfeld agieren.
Mit diesem Buch wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dass Unternehmen der Energiewirtschaft trotz einschränkender regulatorischer Rahmenbedingungen von den Vorteilen, die die Methode OKR bietet, profitieren können. Wir blicken dazu auf das Umfeld, in dem Unternehmen der Energiewirtschaft in Deutschland agieren, und befassen uns mit dem typischen Umgang dieser Unternehmen mit neuen Entwicklungen und Innovationen sowie der Rolle von Zielen für die Unternehmensstruktur und -kultur. Nach einem ausführlichen Theorieteil zu OKR behandeln wir die Anpassungsmöglichkeiten der Methode in Unternehmen der Energiewirtschaft anhand vier konkreter Best-Practice-Beispiele. Zum Abschluss des Buches wagen wir den Blick bis ins Jahr 2030, beleuchten aktuelle Trends und Herausforderungen und zeigen auf, wie Unternehmen der Energiewirtschaft diesen mit neuen Formen der Zusammenarbeit begegnen können.
In diesem Buch wird eine geschlechtergerechte Sprache verwendet. Dort, wo das nicht möglich ist oder die Lesbarkeit stark eingeschränkt würde, gelten die gewählten personenbezogenen Bezeichnungen für alle Geschlechter.
München, im Januar 2024
Ellen Duwe
Matthias Meischner
Die Energiewirtschaft stand zuletzt – und steht auch immer noch – vor einer Reihe von Herausforderungen, die mit dem Design des Energiemarktes beginnen und mit dem Bedarf an und der Integration von neuen Technologien nicht enden. Dieses Buch möchte einen Beitrag zur Diskussion leisten, wie die Energiewirtschaft in Deutschland auch in Zukunft ihrem Kernauftrag – nämlich laut § 1 EnergiewirtschaftsgesetzEnergiewirtschaftsgesetz (EnWGEnWG), die VersorgungssicherheitVersorgungssicherheit, WirtschaftlichkeitWirtschaftlichkeit und UmweltverträglichkeitUmweltverträglichkeit herzustellen – gerecht werden kann.1
Wir, die Autoren dieses Buches, sind in den Rollen Trainer, Coach oder Berater laufend bei Unternehmen der Energiewirtschaft in Deutschland im Einsatz. Unserer Einschätzung nach ist der größte Stellhebel, den Unternehmen der Energiewirtschaft im Sinne ihrer Zukunftssicherheit bedienen können, die Einbeziehung ihrer Mitarbeitenden in die strategische Planung und in die Umsetzung der Strategie. In einem komplexen Marktgefüge können Unternehmen sowohl VersorgungssicherheitVersorgungssicherheit, WirtschaftlichkeitWirtschaftlichkeit als auch Umweltverträglichkeit nur ermöglichen, wenn sie bei der Planung und Ausführung neuer Dienstleistungen und Angebote die Expertise ihrer Mitarbeitenden konsequent einbeziehen. Die Methode »Objectives und Key Results«, kurz OKR, ermöglicht genau das: die partizipative Strategieplanung und die systematische und iterative, das heißt die laufend an die Marktbedingungen angepasste, Umsetzung der Strategie unter Einbeziehung aller Mitarbeitenden.
Die Inhalte dieses Buches basieren auf unserem UmweltverträglichkeitErfahrungsschatz, den wir während unserer Tätigkeit gewonnen haben: Wir haben bei zahlreichen Netzbetreibern, Energieversorgern und Start-ups der Energiewirtschaft im Auftrag des Managements oder einer Bereichs- bzw. Abteilungsleitung die Methode OKR im Training vermittelt, als Coaches die Einführung von OKR in einem Team oder im ganzen Unternehmen begleitet oder Teams dabei beraten, wenn sie die Einführung von OKR selbst in die Hand nehmen wollten.
Dabei haben wir wiederholt die Erfahrung gemacht, dass die Methode OKR, so wie sie im Lehrbuch steht, bei Unternehmen der Energiewirtschaft nicht eins zu eins umsetzbar ist. Im Kern liegt dies darin begründet, dass die agile Methode OKR unternehmenskulturelle und -strukturelle Vorbedingungen braucht, damit die Anwendung gelingt. So sollte ein Team, das mit OKR seine strategischen Ziele planen und deren Erreichen verfolgen will, einen offenen und konstruktiven Umgang mit Fehlern pflegen, stark auf Selbstorganisation setzen und geübt darin sein, neue Ideen und Lösungsansätze in einem geschützten Raum zu testen. Unserer Einschätzung nach sind diese Eigenschaften bei Unternehmen der Energiewirtschaft selten ausgeprägt. Stattdessen dominieren eine Null-Fehler-Toleranz, eine Abneigung gegenüber Experimenten mit unsicherem Ausgang und eine nur punktuell ausgeprägte Selbstorganisation innerhalb fester hierarchischer Strukturen. Mit Blick auf den Kernauftrag der Energiewirtschaft laut § 1 EnWG ist es aus Sicht der Mitarbeitenden auch sinnvoll, Fehler und Unsicherheiten um jeden Preis vermeiden zu wollen. Wer will schon den Blackout ganzer Landstriche oder Städte durch technische oder wirtschaftliche Planungsfehler riskieren oder einen Kraftwerksunfall mitverantworten? Richtig: niemand.
Der große, gesamtgesellschaftlich relevante Kernauftrag der Energiewirtschaft bedingt eine Unternehmenskultur, zu der eine Methode wie OKR eigentlich gar nicht passt. Und gleichzeitig stellt der Markt Unternehmen der Energiewirtschaft vor Herausforderungen, die nur durch die stärkere Einbeziehung und Verantwortungsübernahme der Mitarbeitenden, einen lösungsorientierten Umgang mit Fehlern und mit dem Eingehen bewusster, kontrollierter Wagnisse zu meistern sind. Anders gesagt: Wenn die Unternehmen der Energiewirtschaft ihrem Kernauftrag auch in Zukunft gerecht werden wollen, dann müssen sie die Art und Weise verändern, wie sie an dessen Erfüllung arbeiten.
Die Arbeit mit OKR ist für viele Unternehmen ein erster Schritt hin zu dieser veränderten Arbeitskultur. Unsere Auftraggebenden entscheiden sich häufig für die Arbeit mit der Zielmethode OKR, weil sie zum Erreichen der unternehmensweiten Ziele eine starke, motivierende Vision zum Ausgangspunkt macht. Bei OKR steht die Vision, der Kernauftrag, am Anfang. An ihr können sich die vom Management definierten strategischen Jahresziele ausrichten, was sie für die Mitarbeitenden nachvollziehbar macht. Die Teams sollen mit OKR dazu befähigt werden, selbstorganisiert ihre in der Regel quartalsweisen Ziele von den strategischen Jahreszielen abzuleiten und in Eigenverantwortung nachzuverfolgen. Kurz gesagt nutzt OKR den Kernauftrag der Energiewirtschaft, um daran – unter Einbeziehung der Mitarbeitenden – die Jahres- und Quartalsziele des ganzen Unternehmens auszurichten.
Damit werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen – der Kernauftrag bleibt trotz sich wandelnder Marktbedingungen im Fokus allen Handelns, aber die Art des Handelns der Mitarbeitenden wird durch OKR neu strukturiert. Nicht mehr nur das Management macht Zielvorgaben und stellt die Zielerreichung sicher, sondern auch die Mitarbeitenden sind sowohl in die Zieldefinition als auch in die Diskussion darüber, wie die Ziele erreicht werden können, aktiv eingebunden.
Nur einen Haken hat die Sache: Angesichts der für Unternehmen der Energiewirtschaft typischen Unternehmenskultur lässt sich die Methode OKR nicht so einführen, wie es in vielen OKR-Lehrbüchern beschrieben ist. Damit die Methode in Unternehmen der Energiewirtschaft den gewünschten Effekt hat, ist es unserer Erfahrung nach notwendig, sie leicht, manchmal auch stark zu modifizieren. Das vorliegende Buch beantwortet die Frage, wie die aus dem agilen Kontext stammende Ziel- und Kommunikationsstruktur OKROKR in Unternehmen angewendet werden kann, deren Struktur weniger agil und stattdessen stark durch RegulierungenRegulierungen wie Gesetze und Verordnung, durch Kennzahlen und durch einen FokusFokus auf fehlerfreie Abläufe geprägt ist.
»Wir sind zu langsam für unsere KundenKunden«, »Junge Talente gehen lieber zu anderen Firmen«, »Unsere Leute sind allesamt gut bezahlte Experten und trotzdem liegen wir weit unter unserem Umsatzziel« – Sätze wie diese hören wir oft. Im Kern beklagen sie Unternehmensstrukturen und kulturelle Prozesse, die andere Ziele bedienen als jene, für die das Unternehmen öffentlich antritt. Und wer kennt es nicht: Eigentlich geht es darum, eine Lösung für einen Kunden fertigzustellen, aber anstatt ihre Energie in die zeitnahe Fertigstellung der Lösung investieren zu können, verlieren die Beteiligten viel Kraft in internen MeetingsMeetings und Abstimmungsrunden, was ihren FokusFokus auf die Lösung verwässert. Plötzlich ist es nicht mehr die Kundenlösung, die die Mitarbeitenden gedanklich primär beschäftigt, sondern die Vorbereitung der Vorstandspräsentation zum aktuellen Status der Kundenlösung; oder der Konflikt mit dem Nachbarteam, das wieder einmal nicht das Zwischenergebnis geliefert hat, das man erwartet hatte.
Managementvorgaben, Missverständnisse oder auch Machtkämpfe sind klassische Energiefresser. Sie lenken den Fokus weg vom eigentlichen Ziel hin zu Nebenschauplätzen, die diesem Ziel nicht dienen und den Mitarbeitenden selten Befriedigung bringen. Manche Managementvorgaben sind unerlässlich, beispielsweise dann, wenn es um Sicherheitsvorkehrungen geht oder um die Einhaltung normierter Standards. Aber die Regulatorik allein ist kein Grund, nicht effizient auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten.
In jeder Branche, ob nun stark reguliert oder nicht, ist KommunikationKommunikation der Schlüssel zum Erfolg und zugleich der größte Fallstrick jedes Projektes. Denn überall dort, wo Menschen zusammenarbeiten, geschieht Kommunikation auf mehr als nur einer Ebene. Der Psychologe und Kommunikationsspezialist Friedemann Schulz von ThunSchulz von Thun, Friedmann teilt die zwischenmenschliche Kommunikation in vier Ebenen ein, auf denen wir Botschaften aufnehmen können:
Die Sachebene, auf der wir eine Information rein ihrem Sachinhalt nach auswerten: »Es ist kalt draußen«,
die Appellebene, auf der wir die kommunizierte Information als Aufforderung interpretieren: »Zieh eine Jacke an«,
die Beziehungsebene, auf der der Empfangende die kommunizierten Inhalte auf sich selbst bezieht: »Allein wirst du nicht die richtige Entscheidung treffen«
und die Selbstoffenbarungsebene, in der wir der sendenden Person der Nachricht eine Selbstaussage unterstellen: »Ich bin um Deine Gesundheit besorgt.« (Schulz von Thun 1995, S. 50).
Bei vier Kommunikationsebenen ist das Potenzial hoch, dass eine Botschaft anders aufgefasst wird als es der Urheber beabsichtigt hatte. KommunikationKommunikation ist daher eine wichtige Stellschraube für ein funktionierendes Miteinander von Menschen.
Im Hinblick auf die Führung von Mitarbeitenden heißt das: Die Grundlage für erfolgreiche Führung von Mitarbeitenden in einem System (Unternehmen) ist die ständige Kommunikation untereinander. Entscheidend über den Erfolg von Führung ist der Aufbau einer vertrauensvollen Umgebung zwischen den Hierarchieebenen innerhalb einer Organisation. Das Dilemma der Kommunikation beschrieb der österreichische Verhaltensforscher, Ökonom und Nobelpreisträger Konrad Lorenz bereits. Darin heißt es: »Gedacht heißt nicht immer gesagt, gesagt heißt nicht immer richtig gehört, gehört heißt nicht immer richtig verstanden, verstanden heißt nicht immer einverstanden, einverstanden heißt nicht immer angewendet, angewendet heißt noch lange nicht beibehalten.« (Lorenz & Lucht, 2016, S. 6).
Die Arbeit an guter und unmissverständlicher Kommunikation ist nie abgeschlossen. Die Reflexion über die Art und Weise der organisationsinternen Kommunikation hilft, Missverständnisse, Machtkämpfe und Konflikte abzubauen und zu verhindern. Mittels einer unmissverständlichen Kommunikation gelingt es uns auch, den FokusFokus der Mitarbeitenden auf das gemeinsame Ziel der Organisation zu lenken. Damit der Zielfokus auf das TagesgeschäftTagesgeschäft gerichtet bleibt, bedarf es aber zusätzlich einer Kommunikationsstruktur, also eines speziellen Rhythmus, der vorgibt, welche Personen über welche Inhalte in welcher Regelmäßigkeit kommunizieren. Solche strukturellen Vorgaben finden sich auch in der agilen Zielmethode OKR.
Wir verstehen OKROKR, Definition als eine Kommunikationsstruktur, die dabei helfen soll, die Brücke zwischen dem angestrebten Arbeitsergebnis (= was) und dem Prozess, wie dieses Ergebnis erreicht werden kann (= wie) zu bilden. Dadurch soll die Anschlussfähigkeit von Inhalten (etwa in Form von Aufgaben und Maßnahmen) zwischen verschiedenen Akteuren eines Systems sichergestellt werden. Oder anders gesagt: Wer mit OKR arbeitet, spricht häufig und regelmäßig über die eigenen Ziele, den FortschrittFortschritt bei der Zielerreichung und den eigenen Beitrag zum Zielfortschritt. Die Kommunikation über diese Themen wird durch das OKR-Framework strukturiert, was Organisationen dazu befähigen kann, auf veränderte Rahmenbedingungen frühzeitig zu reagieren und bisher unbekannte Einflussfaktoren für die Zielerreichung zu identifizieren bzw. bekannte Faktoren zielgerichtet zu steuern. Gerade die letzten Jahrzehnte waren geprägt von einem sich immer schneller verändernden Umfeld, wodurch es immer schwieriger wurde, langfristig (das heißt über mehrere Jahre) vorgegebene Ziele authentisch zu erreichen (s. Kapitel 2.1.2).
OKR bezieht die vier Ebenen von Friedemann Schulz von ThunSchulz von Thun, Friedmann ein, indem der Schwerpunkt auf die KommunikationKommunikation auf der Sachebene gelegt wird. Da wir aber nie nur sachlich sprechen und zuhören, sieht OKR die Reflexion der Beziehungs-, Selbstoffenbarungs- und Appellebene in einem speziellen Format vor: der sogenannten Retrospektive. Die Retrospektive findet im Rahmen regelmäßiger Meetings statt. In ihnen sollen Mitarbeitende alle Befindlichkeiten besprechen können, die nichts mit der reinen Sachlichkeit der Zielerreichung zu tun haben. Der Versuch, die Sachlichkeit explizit von interpretierten Befindlichkeiten zu trennen, kommt aus der agilen Arbeitsweise ScrumScrum. Dort gibt es Meetings zur Retrospektive, die der Besprechung all der Themen vorbehalten sind, die die Qualität der zwischenmenschlichen Zusammenarbeit betreffen.
Halten wir also fest: OKROKR, Potenzial ermöglicht den Mitarbeitenden, ihren FokusFokus auf die Unternehmens- und gegebenfalls Teamziele zu richten, da die vorgegebenen Strukturen so ausgerichtet sind, dass alle nicht fachlichen »Ablenkungen« von diesen Zielen ausgeklammert werden und die KommunikationKommunikation rein auf die fachlich relevanten Inhalte beschränkt ist. Gleichzeitig bieten die Strukturen den Teams aber auch die Möglichkeit, sich mit den eigenen Zielen und Prozessen zur Zielerreichung fortlaufend auseinanderzusetzen (Details dazu finden Sie in Kapitel 3.1). Diese Reflexion ist hilfreich, um eine kontinuierliche Optimierung der eigenen Zielarbeit zu ermöglichen.
Damit ist es allerdings noch nicht getan und wir würden der OKR-Struktur auch Unrecht tun, wenn wir die Beschreibung ihrer Wirkweise hiermit beenden würden.
OKR regelt nicht nur, wann wir auf welcher Ebene sprechen (fachlich vs. zwischenmenschlich), sondern auch, wie wir über die fachlichen Inhalte sprechen. Analog zum ScrumScrum setzt OKR auf WerteWerte wie Selbstverpflichtung (Commitment), Mut, Offenheit, Fokus und Respekt (Schwaber & Sutherland, 2020) und fügt sogar noch einige weitere Werte wie TransparenzTransparenz und eine gemeinsame Ausrichtung (Alignment) hinzu. Unserer Erfahrung nach gelingt es dann, den Fokus auf die gemeinsamen Ziele zu richten und die Kommunikation von fachlichen und zwischenmenschlichen Inhalten zu trennen, wenn diese Werte unter den Mitarbeitenden gelebt werden – unabhängig davon, ob eine Organisation nach Scrum oder OKR arbeitet. Wenn Mitarbeitende eine Selbstverpflichtung gegenüber dem eigenen Zuständigkeits- und Kompetenzbereich wahrnehmen, wenn sie den Mut und die Offenheit mitbringen, neue Gedanken zum Erreichen oder Abweichen von Zielen respektvoll anzusprechen, dann ist die Wahrscheinlichkeit für eine effizient arbeitende Organisation mit exzellenten Ergebnissen und motivierter Belegschaft sehr hoch.
Nur: Wie gelingt es, dass WerteWerte wie Mut, Offenheit und Selbstverpflichtung von möglichst allen Mitarbeitenden gelebt werden? Wenn es genügen würde, im Bewerbungsverfahren die Kandidaten einfach danach auszuwählen, wie weit ihre eigenen Werte zu denen des Unternehmens passen, dann wären Arbeitsstrukturen wie OKR vermutlich weitaus weniger gefragt. Aber selbst wenn die persönlichen Werte der Mitarbeitenden passen, genügt das noch nicht dafür, dass diese Werte kollektiv am Arbeitsplatz gelebt werden. Die gemeinsamen Werte sind Teil der Unternehmenskultur. Wir definieren Unternehmenskultur in Anlehnung an Clifford GeertzGeertz, Clifford als ein Netz aus Bedeutungen, das von allen Mitgliedern eines Unternehmens gewoben und getragen wird.
Welche Werte am Arbeitsplatz gelebt werden, hängt also davon ab, was im Unternehmen als bedeutungsvoll gilt. Zwar können Werte eines potenziellen Mitarbeitenden im Rahmen eines Recruitingprozesses frühzeitig abgefragt und mit den bestehenden Unternehmenswerten (soweit diese definiert sind) abgeglichen werden. Jedoch werden manche Werte an das eigene Arbeitsumfeld auch erst im Laufe der Zeit deutlich. Mögliche Dissonanzen des eigenen Wertekonstrukts und der Werte einer Organisation können immer zum Vorschein kommen. Oft beobachten wir in solchen Fällen eine (schleichende) Anlehnung der eigenen Werte an die des Unternehmens. Diese Werte spiegeln jedoch nicht die eigene Realität der betroffenen Person wieder. In Extremfällen verlässt die Person die Organisation wider.
Ist es von Bedeutung, wenn sich einzelne Mitarbeitende für ihren Zuständigkeitsbereich stark machen und zum Beispiel neue Ideen auch einmal gegen die Meinung der Vorgesetzten aussprechen? Oder wird der individuelle Einsatz eines Mitarbeiters wenig honoriert, womöglich sogar noch durch Mehrarbeit bestraft? Im letzteren Fall sendet das Verhalten der Organisation das Signal, dass Mut und Offenheit nicht von Bedeutung sind. Die Mitarbeitenden, die dies erkennen, werden künftig andere Werte in ihrer Arbeit betonen, zum Beispiel Akzeptanz und Folgsamkeit.
Wie kann es einer Organisation gelingen, Einfluss darauf zu nehmen, welche WerteWerte von ihren Mitarbeitenden gelebt werden? OKR ist ein guter Ansatzpunkt, wenn ein Team seine Zusammenarbeit stärker auf Werte und Ziele ausrichten möchte. Denn die Kernfunktion von OKR ist es, den Mitarbeitenden die Struktur zu geben, mittels derer sie eigene Ideen entwickeln und umsetzen können. Aus dieser Kernfunktion heraus fördert OKR Werte wie InnovationInnovation, Autonomie, Selbstständigkeit, Exzellenz, Weitblick und viele weitere.
Die Arbeit mit OKROKR, Arbeit mit fördert also gewisse WerteWerte, während sie andere in den Hintergrund der Zusammenarbeit treten lässt. Gefördert werden die Werte, die der Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen dienen. Bezogen auf einen Arbeitskontext dienen diese Ideen dann typischerweise dazu, Probleme einer definierten Zielgruppe durch die Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen zu lösen. Die Crux liegt nicht darin, neue Ideen zu finden, sondern ein konkretes Wertversprechen für die potenziellen Zielgruppen zu kreieren und diese Ideen dann zu realisieren.
Für diese Umsetzung einer Idee bedarf es der passenden Expertisen im Team sowie des gemeinsamen FokusFokus der Experten auf die Umsetzung der Idee. Darüber hinaus bedarf es einer Methode, die sicherstellt, dass keiner diesen Fokus aus den Augen verliert. Es ist daher ebenso wichtig, dem Team die notwendige Zeit, um eine Idee umsetzen, zur Verfügung zu stellen, wie auch ein gemeinsames Verständnis im Hinblick auf die Umsetzung der Idee.
Oft erleben wir bei unserer Arbeit mit OKR bei unseren Kunden ein kurzfristiges Commitment zu gemeinsam definierten und priorisierten Zielen. Im Laufe der Arbeit an den Zielen wird das Team aber meist schon kurzfristig mit neuen Aufgaben konfrontiert, die es abzuarbeiten gilt. Diese neuen Aufgaben vermitteln oft das Gefühl einer »Dringlichkeit« gegenüber den zuvor priorisierten Zielen. Eine solche Entwicklung ist nach unserer Erfahrung natürlich und (wahrscheinlich) auch nie ganz vermeidbar. Aber eine klar strukturierte Zielmethode wie OKR und jemand – zumeist ein OKR Master –, der das jeweilige Team unbefangen methodisch begleitet, helfen dabei, immer wieder den Blick auf das gemeinsam Beschlossene zu legen, zu reflektieren, ob kurzfristige Abweichungen davon den übergeordneten Zielen entgegenstehen, und zusammen eine Entscheidung darüber zu treffen (und gegebenenfalls an Dritte zu kommunizieren). Teams mit einer starken Ausprägung des Wertes »Fokus« fällt diese Art der Abstrahierung von kurzfristigen Veränderungen oft leicht, weshalb die Förderung dieses Wertes im Zusammenspiel mit der Anwendung der OKR-Methode sehr hilfreich ist.
Nein zu sagen ist in einem stark regulierten Kontext schlichtweg nicht immer möglich. Aber doch oft genug! Allerdings haben gesetzliche Vorgaben oder die strategische Reaktion des Unternehmens auf gravierende marktwirtschaftliche VeränderungenVeränderung (wie zum Beispiel die energiepolitischen Auswirkungen des Ukrainekrieges) Priorität und können den Fokus eines Teams durchaus auch unterjährig verändern. Solche Strategieveränderungen sind stets dann angebracht, wenn der Erfolg des Unternehmens andernfalls gefährdet wäre. Diese großen VeränderungenVeränderung der strategischen Ausrichtung stellen auch in regulierten Branchen die Ausnahme dar. Viele oftmals als ganz dringlich kommunizierten Strategieänderungen dienen nicht der Erfolgssicherung des Unternehmens, sondern sind vielmehr Zeugnis fehlender oder missverständlicher Abstimmungen auf der Managementebene.
Für die erfolgreiche Arbeit an den eigenen Zielen braucht es also eine oder besser mehrere Personen, die das Team darin unterstützen, ihren Fokus konstant auf diese Ziele auszurichten. Für manche Organisationen bedeutet die Arbeit mit OKR gerade dann eine große Umstellung, wenn sie Werte in den Vordergrund stellt, die bisher nicht im Unternehmen gelebt werden. Dieses Buch erklärt Schritt für Schritt, wie diese Transformation gelingen kann.
Im folgenden Kapitel 1.1 betrachten wir den Status quo des Energiemarktes: Vor welchen Fragen stehen Unternehmen der Energiewirtschaft im Jahr 2024? Wie flexibel können sie auf diese Herausforderungen reagieren angesichts der Gesetze, Verordnungen und Regeln, die den Markt engmaschig strukturieren? Und wie ist der EnergiemarktEnergiemarkt, wie wir ihn heute in Deutschland kennen, entstanden? Diese Informationen zum deutschen Energiemarkt bieten uns den Hintergrund, vor dem wir die Frage beantworten: Wie lässt sich OKR in Unternehmen der Energiewirtschaft anwenden?
Kapitel 1.2 setzt sich dann mit den Innovationsdynamiken auseinander, die für Unternehmen stark regulierter Branchen typisch sind, und beantwortet die Frage, wie InnovationInnovation trotz starrer Prozesse und klarer Regelungen gelingen kann – im Kleinen nämlich, dafür aber überall im Unternehmen. Hier bewegen wir uns bereits stärker in Richtung OKR, indem wir untersuchen, wie die Entwicklung neuer Ideen in Unternehmen der Energiewirtschaft grundsätzlich funktioniert, auch ohne eine Methode wie OKR zum Einsatz zu bringen.
1 Der genaue Wortlaut des § 1 EnWG und damit der Auftrag an die Energiewirtschaft lautet: »… eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente, umweltverträgliche und treibhausgasneutrale leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität, Gas und Wasserstoff, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht …« herzustellen (Justiz, 2023).
Obwohl sämtliche Anzeichen darauf hindeuten, dass der Energieverbrauch der deutschen Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten weiterhin deutlich zunehmen wird, kann daraus nicht automatisch geschlossen werden, dass die bestehenden Unternehmen im Energiesektor kontinuierlich gefragt sein werden. Denn der EnergiemarktEnergiemarkt funktioniert anders als die Märkte der sozialen Marktwirtschaft. Zwar ist StromStrom in vielen Fällen de facto unersetzlich und kann zudem nur über spezielle Netzleitungen in einer Art Monopolinfrastruktur transportiert werden. Aber dennoch steigt seit der Marktliberalisierung der Wettbewerb auf dem Energiemarkt stetig an – sowohl auf Seiten der Erzeugung und Speicherung mithilfe erneuerbarer Energiequellen und neuer Technologien als auch auf Seiten des Energievertriebs, wo Unternehmen, die teils agiler arbeiten als alteingesessene Energieversorger, ihre KundenKunden mit schnellen Antwortzeiten und hochdigitalen Prozessen bedienen.
Aber der EnergiemarktEnergiemarkt wäre nicht so interessant, wenn er nicht zugleich so komplex wäre. Dieses Kapitel beleuchtet die für Energiewirtschaft aktuell geltenden Herausforderungen, wirft einen kurzen Blick auf die typischen Kennzahlen und den sehr umfangreichen regulatorischen Rahmen, der die Branche umspannt, und endet mit einer Herleitung der heutigen Marktsituation aus der Geschichte. Denn alles hängt zusammen. Die aktuellen Herausforderungen des Energiemarktes haben ihren Ursprung in der Historie und der Gesetzgebung. Die für die Energiebranche typische Dichte an Gesetzen und Verordnungen sowie ein Set gängiger Kennzahlen, das die VersorgungssicherheitVersorgungssicherheit und WirtschaftlichkeitWirtschaftlichkeit der Unternehmen in den Vordergrund stellt, betonen den Zwiespalt, in dem sich die Unternehmen bewegen: zwischen Daseinsvorsorge (Versorgung mit Strom, GasGas, Wasser und Wärme) und Katastrophenvermeidung (Verhinderung der Versorgungsunterbrechung und all ihrer Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft).
Unternehmen der Energiewirtschaft können ihre Innovationskraft aus genau diesem scheinbaren Gegensatz ziehen, wenn sie die Spannung zwischen beiden Polen nutzen und interne Strukturen und Innovationsprozesse danach auszurichten wissen. OKR kann gerade in diesem Spannungsfeld zum Einsatz kommen, indem es eine Kommunikationsstruktur ermöglicht, die das Wissen der Mitarbeitenden konsequent an den Bedürfnissen der Kunden ausrichtet und die Mitarbeitenden damit kontinuierlich der Kernfrage aussetzt: »Wie können wir Versorgungssicherheit garantieren und dabei Neues wagen?«
EnergiemarktBereits im Herbst 2021 kam es zu reduzierten Erdgaslieferungen aus Russland, was unter anderem in Deutschland zu einer knapperen Versorgungssituation führte, die sich mit der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022 dramatisch verschlimmert hat. Der daraus resultierende Anstieg der Gaspreise wiederum führte dazu, dass auch Großhandelsstrompreise Rekordwerte erreichten, da gasbetriebene KraftwerkeEnergiemarkt, Kraftwerk oft am Ende der Merit-Order2 stehen und somit den Großhandelspreis festlegen (Grenzkraftwerk).
Im Jahr 2021 lagen die Großhandels-Futures für niederländisches TTF-ErdgasGas, Erdgas, bereits etwa drei Mal höher als der Durchschnittswert, der in den Jahren 2018 bis 2020 herrschte. Im Jahr 2022 waren sie drei Mal höher als der Durchschnitt von 2021 (und somit neun Mal höher als in den Jahren 2018 bis 2020). Die Gaspreise schwankten im Jahr 2022 insbesondere ab der zweiten Jahreshälfte stark, da unterschiedliche Marktbewertungen im Hinblick auf Gaslagerbestände, erwartbare Wintertemperaturen und die Fähigkeit der Verbraucher, den Verbrauch zu reduzieren, entstanden. Ebenso stiegen die Großhandelsstrompreise von 2018 bis 2021 im Durchschnitt um das 4,5-Fache. Dieser Schnitt bezog sich auf den Zeitraum zwischen Oktober 2021 und September 2022 (Agora Energiewende, 2023).
Angesichts dieser Lage haben alle Stromkunden, private wie industrielle, extreme Anstiege in ihren Stromrechnungen erlebt. Während Haushalte sich Sorgen um Energiearmut machen und Unternehmen die Bedrohung von Insolvenz fürchten, profitieren Exporteure von Erdgas und Stromerzeuger von Rekordgewinnen.
Diese Entwicklungen haben Diskussionen über grundlegende Aspekte der europäischen Strommärkte ausgelöst, nicht zuletzt aufgrund der tiefgreifenden Belastungen, die die Krise für Energieverbraucher mit sich bringt. Entsprechend hat die EU und auch Deutschland eine Reihe von Notfallmaßnahmen ergriffen, um einige der Auswirkungen hoher Energiepreise für die Bevölkerung und die Industrie abzumildern (Agora Energiewende, 2023).
Sowohl auf europäischer Ebene als auch in Deutschland hat der Gesetzgeber als Reaktion auf die Entwicklungen der Energiemärkte sowie auch zum Erreichen der Klimaziele eine Vielzahl neuer gesetzlicher Bestimmungen und RegulierungenRegulierungen verabschiedet, die aufgrund des Umfangs sowie der Komplexität und Geschwindigkeit ihrer Verabschiedung viele Unternehmen der Energiewirtschaft vor beträchtliche bürokratische Herausforderungen bei der Umsetzung gestellt haben. In den Jahren 2021 und 2022 sahen sich Unternehmen der Energiewirtschaft – und besonders kleine und mittelständische Stadtwerke – vor der Herausforderung, strategisch relevante Projekte hinter akut dringlichen, marktbedingten Kursänderungen anzustellen. So nahm die Reaktion auf die Vielzahl neuer Regulierungen wie die GasGas- oder die Strompreisbremse oder die unvorhergesehene Energiebeschaffung für die Versorgung der zahlreichen Neukunden in der Grundversorgung ein Gros der Kapazitäten in Anspruch (EY & Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V., 2023).
Viele NetzbetreiberEnergiemarkt, Netzbetreiber stehen vor den Herausforderungen zunehmender Kapital- und Betriebskosten und eines erheblichen Anstiegs der Beschaffungspreise, der ihre Rentabilität gefährdet und ihre finanziellen Reserven erschöpft. Dies wird besonders deutlich durch die rapiden Steigerungen der Zinsen für Fremdkapital, die hohen Inflationsraten und Energiekosten. Das Grundkonzept der RegulierungenRegulierungen zielt darauf ab, den wirtschaftlichen Betrieb bestehender Netze in einer statischen Umgebung (»eingeschwungener Zustand«) zu fördern. Allerdings gilt es als unwahrscheinlich, dass dieser eingeschwungene Zustand in den kommenden Jahren sowohl für Stromnetze (aufgrund des langfristigen Ausbaubedarfs) als auch für Gasnetze (aufgrund der Transformation zu klimaneutralen Gasen) erreicht werden kann. Hinzu kommt, dass sich das Marktumfeld dynamisch gestaltet und außergewöhnlich hohe Preisanstiege für Kapital, Fremdleistungen, Material und Energie zu verzeichnen sind (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V., 2023).
Kurz gesagt: Die Jahre 2021 und 2022 waren keine gute Zeit für die Einführung einer Kommunikations- und Innovationsstruktur wie OKR. Und gleichzeitig war es die beste Zeit, die sich eine Organisation für die Einführung suchen konnte. Denn der anhaltende Krisenmodus brachte manche FührungskraftFührungskraft an die Grenzen ihrer Entscheidungskapazitäten. Teams, die Eigeninitiative und einen gemeinsamen FokusFokus auf ein Ziel oder eine MissionOKR, Mission bereits gewöhnt waren, stellten sich uns als deutlich krisenresistenter und effektiver in der Abarbeitung der teils immensen Arbeitslast dar. Aus Gesprächen mit diesen Teams erfuhren wir, dass die gemeinsame Ausrichtung auf ein Ziel die Wahrnehmung des einzelnen Teammitglieds dahingehend verändert, als sich dieses nicht als »Einzelner vor dem Berg der Arbeit« versteht, sondern die anstehenden Aufgaben vielmehr als positive Herausforderung wahrnehmen kann, an deren Lösung das Team (und das Unternehmen) als Ganzes wachsen kann. Bevor wir tiefer in die Einführung von OKR einsteigen, wollen wir aber noch einen Blick auf die Besonderheiten des Energiemarktes und auf seine historische Entwicklung werfen. Beide Aspekte stehen für den Kontext des stark regulierten Marktes, innerhalb dessen wir OKR in leicht abgewandelter Form angewendet haben.
EnergiemarktZur Erinnerung: Dieses Buch befasst sich mit der Frage, wie die Ziel- und Kommunikationsmethode OKR bei Unternehmen der Energiewirtschaft zum Einsatz kommen kann. Dass sie Anwendung finden kann, ist für uns klar. Maßgeblich ist die Frage nach dem »Wie«. Sie ist im Kontext der Energiewirtschaft besonders relevant, da der Energiemarkt – wie bereits beschrieben – anders funktioniert als andere Märkte. In diesem Anschnitt beleuchten wir die Besonderheiten des Energiemarktes detaillierter. Diese zu verstehen ist wichtig, wenn wir im weiteren Verlauf des Buches erläutern, wie OKR angepasst werden sollte, damit es in Unternehmen der Energiewirtschaft einen Beitrag zur Zielerreichung leisten kann.
Eine unverzichtbare Voraussetzung für eine kostengünstige und sichere Energieversorgung liegt in einem funktionierenden Wettbewerb im Bereich der Energiegewinnung, -verteilung und -speicherung. Es obliegt dem Staat, sicherzustellen, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zu den Strom-Strom und Gasnetzen gewährt wird und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktakteure herrschen.
Die Strom-Strom und Gasnetze werden als natürliche Monopole bezeichnet. Die beträchtlichen Kosten für deren Aufbau machen es für mögliche Konkurrenten unwirtschaftlich, zusätzliche Netzwerke parallel zu den bestehenden aufzubauen und mit den ursprünglichen Infrastrukturanbietern zu konkurrieren. Gleichzeitig sind Unternehmen, die im Energiebereich agieren – zu denen Energieerzeuger, Großhandelsunternehmen im Energiehandel und Anbieter für Endverbraucher gehören –, auf die Nutzung der Netzinfrastruktur angewiesen.
Ein reibungsloses Zusammenspiel dieser Marktakteure ist für eine zuverlässige Energieversorgung entscheidend. Da die Energienetze im Eigentum einzelner Unternehmen sind und von allen Marktteilnehmern aus physikalischen Gründen (Energie wird durch die Netze übertragen) und zum Angebot ihrer Produkte und Dienstleistungen (z. B. Energievertrieb an Endkunden) genutzt werden müssen, stellen diese Unternehmen ein natürliches Monopol dar. Diese Unternehmen sind die Netzbetreibergesellschaften, die wegen ihrer monopolistischen Stellung jedoch auch die anfallenden Kosten für die Netze tragen müssen.