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Eine augenzwinkernde Heldengeschichte für kleine Tierfreunde und alle, die mal mehr – mal weniger mutig sind! Der kleine ängstliche Otter Olavi will auch mal mutig sein, so wie seine Freunde Lasse der Hase und Erkki der Elch. Wenn die von ihren Abenteuern berichten, sträuben sich ihm ordentlich die Barthaare! Da fasst Olavi einen Plan, und er legt sich in einer Vollmondnacht auf die Lauer – und muss nicht lange warten, bis aus den Fluten ein wahrhaft ungeheuerliches Ungeheuer aufsteigt: Es trägt ein Geweih und hat lange Ohren … Ein Tierabenteuer aus dem hohen Norden zum Selbst- oder Vorlesen mit vielen farbigen Bildern von Katja Gehrmann.
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Seitenzahl: 84
Veröffentlichungsjahr: 2020
Anu Stohner | Friedbert Stohner
Ein Otter ist kein Hasenfuß
Geschichten
Anu Stohner wurde 1952 in Helsinki geboren und lebt als freie Autorin und Übersetzerin in Altlußheim am Rhein. Für ihre Übersetzungen aus dem Finnischen, Schwedischen und Englischen wurde sie mehrfach ausgezeichnet – und ihre Bücher, u.a. »Der kleine Weihnachtsmann« und »Robert und die Ritter«, sind einfach Kult!
Friedbert Stohner, 1951 geboren, lebt als Autor und Lektor in Altlußheim am Rhein. Nach dem Philosophiestudium schlug er zunächst eine akademische Laufbahn ein. Dann war er in leitenden Positionen in verschiedenen Kinder- und Jugendbuchverlagen tätig und baute ab 1993 das Hanser Kinderbuchprogramm auf.
Katja Gehrmann, 1968 geboren, studierte in Mexiko, Spanien und an der Fachhochschule für Gestaltung in Hamburg Illustration. Sie arbeitet für Zeitschriften und verschiedene Verlage. Für ihre Illustrationen hat sie viele Preise gewonnen, so den »Goldenen Apfel« der Biennale in Bratislava oder das Troisdorfer Bilderbuch-Stipendium. Für den Deutschen Jugendliteraturpreis war sie schon mehrfach nominiert. Zusammen mit anderen Künstlern arbeitet Katja Gehrmann in der Ateliergemeinschaft Amaldi. Sie lebt in Hamburg.
Weitere Informationen zum Kinder- und Jugendbuchprogramm der S. Fischer Verlage finden Sie unter www.fischerverlage.de
Nasenbären?!
Wir müssen uns was überlegen
Ihr sollt erzählen, ihr Pappnasen!
Uaaaaahhhhhhh!
Wir schaffen das!
Schau halt beim Schwimmen nach unten!
Zum Schwarzen See?
Wir müssen was machen, Mann!
Und darauf soll Olavi reinfallen?
Aber wehe, ihr macht Quatschkram!
… sonst gibt’s unterm Hintern Feuer!
… sonst wird der See dein kaltes Grab!
KRAWUMM!!!!!!!
Er ist da!
Ich will nach Hause!
HALTET AUS, ICH KOMME!
Fu fpät!
Es ist so still – sind wir durch?
Und wie viele kommen noch?
Wahnsinn!
Ach was!
Weit, weit im Norden, wo es im Winter gar nicht richtig hell wird, liegt das Tausend-Seen-Land. Dort lebte ein Otter namens Olavi, der war weit und breit als kleiner Witzbold bekannt. Zum Beispiel schwamm er manchmal auf dem Rücken im Fluss und lud seinen Freund Lasse draußen auf der Wiese ein, zu ihm ins Wasser zu kommen und sich auf seinem Bauch mit durch die wilde Stromschnelle treiben zu lassen.
»Spinnst du, ich kann doch nicht schwimmen!«, antwortete Lasse dann, und das stimmte, weil er kein Otter, sondern ein Hase war.
»Ich halt dich fest, dann kann dir nichts passieren«, versicherte Olavi jedes Mal, aber Lasse winkte trotzdem ab. Ihm wurde ja schon schwindlig, wenn er die Stromschnelle mit ihren kreiselnden Wirbeln und dem Schaum auf den Wellen nur ein bisschen zu lange anschaute.
Mit Lasses Abwinken hätte die Sache eigentlich erledigt sein können, aber das wäre nur der halbe Spaß gewesen. Der ganze Spaß war es für die beiden erst, wenn sie sich gegenseitig beschimpften.
»Angsthase!«
»Motzotter!«
»Knicklöffel!«
»Zitterschnauze!«
So ging das hin und her, bis Erkki sich einmischte. Es waren nämlich nicht zwei, sondern drei Freunde, die sich immer bei der Stromschnelle trafen: Olavi, Lasse und Erkki. Nur war Erkki kein Otter und auch kein Hase, sondern ein kleiner Elch. Besser gesagt, ein ganz kleiner Elch. Niemand wusste, warum, aber irgendwann war er einfach nicht mehr gewachsen und ungefähr so klein geblieben wie ein Hase. Oder wie ein Otter, wenn man Elchschaufeln und Hasenohren nicht mitrechnete. Sonst war Erkki der normalste Elch der Welt und im Schimpfen mindestens genauso gut wie seine beiden Freunde.
»Oh Mann, könnt ihr auch noch was anderes, als euch hässliche Wörter an den Kopf werfen, ihr Nasenbären?«
So röhrte Erkki, wenn Olavi und Lasse wieder mal keine Ruhe geben wollten.
»Nasenbären?! Hast du das gehört, Hoppelpoppel?«, fragte Olavi.
»Was der Herr der krummen Schaufeln in die Gegend röhrt, geht mir zum einen Löffel rein und zum anderen wieder raus«, behauptete Lasse.
»Lieber krumme Schaufeln auf dem Kopf als einen stummeligen Puschel am Po!«, röhrte Erkki.
»Lieber einen stummeligen Puschel am Po als eine Blubberlippe im Gesicht!«, gab Lasse zurück.
»Wenn ihr mich als gut aussehenden Otter fragt, ist eins so komisch wie das andere«, feixte Olavi.
»DICH FRAGT ABER KEINER!«, schrien Erkki und Lasse.
Es war ein einziger großer Quatsch und hörte erst auf, wenn sie sich alle drei wegschmissen vor Lachen, weil Schimpfen einfach das Lustigste war, was sie sich überhaupt vorstellen konnten.
»HI-HI-HA-HA-HÖ-HÖ!«,
So tönte es dann über den Fluss und die Wiese, bis die Biberin aus dem Biberbau ein Stück unterhalb der Stromschnelle kam und mit den Pfoten drohte, weil ihr die drei Lachtröten die kleinen Biberchen aus dem Mittagsschlaf aufweckten.
»Die drei Lachtröten« – so nannte man die Freunde von der Stromschnelle, und obwohl sie manchmal nervten, mochten die anderen Tiere sie gut leiden. Besser Lachtröten als Miesepampel, sagte man sich, und wenn sie nicht gerade hinter ihren aufgewachten Kleinen herdüsen mussten, fanden das sogar die Biberin und der Biber.
Drei Freunde, die miteinander schimpfen und sich darüber schlapp lachen können – was Schöneres gibt’s eigentlich gar nicht. Und trotzdem war da was, was einen von ihnen immer aufs Neue traurig machte. Dieser eine war Olavi, und was ihn so traurig machte, war eine Geschichte, die er trotzdem wieder und wieder hören wollte.
Klingt vielleicht merkwürdig, ist aber trotzdem wahr.
Die Geschichte, die Olavi immer wieder hören wollte, war die, wie Erkki und Lasse einmal ganz allein die fiesen Wölfe besiegt hatten. Erkki und Lasse selber hing sie schon meterweise zum Hals heraus, aber Olavi kein bisschen.
»Mann, die hast du doch schon hundertmal gehört!«, stöhnte Erkki, wenn Olavi davon anfing.
»Die müsstest du doch längst auswendig können!«, stöhnte Lasse.
Aber dann wurde Olavi unausstehlich und nervte so lange, bis seine Freunde nachgaben und die Geschichte eben noch mal erzählten: wie eines Tages die Wölfe über die Kahlen Berge gekommen waren und das ganze Tausend-Seen-Land erobern wollten, wie Erkki und Lasse ihnen ganz allein entgegengegangen waren und wie sie nur zu zweit die Fieslinge am Ende überlistet und hinter die Kahlen Berge zurückgejagt hatten.
Das mit dem Überlisten war Olavis Lieblingsstelle, da wurde er immer ganz aufgeregt und quasselte dazwischen:
»Und wie die Fieslinge Lasse umzingelt hatten und er schon dachte, jetzt ist es aus, da hatte er die beste Idee seines Lebens, stimmt’s?«
»Ja, stimmt.«
»Und die Idee war, dass er behauptet, er wäre ein Zauberhase, der Großes klein und Kleines groß zaubern kann, stimmt’s?«
»Ja, stimmt.«
»Und Erkki hatten die Fieslinge ja nicht gesehen, weil er ein Stück zurückgeblieben war und sich die ganze Zeit hinter einem Beerenstrauch versteckte, stimmt’s?«
»Ja, stimmt.«
»Und dann hat Lasse einen Zauberspruch erfunden, und wie er ihn aufgesagt hat, ist Erkki hinterm Beerenstrauch vorgekommen, und weil die Fieslinge nicht wussten, dass er von allein so klein ist, dachten sie, Lasse hätte ihn klein gezaubert, stimmt’s?«
»Ja, stimmt.«
»Und vor lauter Angst, dass Lasse sie so klein wie Mäuse zaubert, sind sie gerannt wie die Hasen.«
»›Wie die Hasen‹ ist Mumpitz«, sagte Lasse an der Stelle immer. »Wölfe rennen wie die Wölfe.«
»Ja, gut, jedenfalls sind sie gerannt, und hinterher wart ihr zwei die großen Helden, das sagen alle!«
»Na und?«, fragten Erkki und Lasse dann wie aus einem Mund.
Und Olavi senkte den Kopf und murmelte leise: »Nichts und. Ich möchte nur auch mal so ein Held sein.«
Davon war er nicht abzubringen, da konnten ihn seine Freunde beschimpfen, wie sie wollten. In der Stimmung fand er gar nichts mehr lustig. Nicht mal so grässlich hässliche Wörter wie »Kackspecht« oder »Miesepampel«! Also hielten Erkki und Lasse den Mund und warteten ab, bis er von allein wieder der alte Witzbold wurde. Das konnte nur ganz schön lange dauern. Manchmal Tage!
Ach, was hätten die drei in der Zeit nicht alles spielen können! Fangen oder Verstecken zum Beispiel. Oder Wer-die-komischsten-Grimassen-schneidet. Erkki und Lasse hätten den Freund auch gewinnen lassen. Sogar beim Grimassenschneiden, obwohl da Erkki mit seiner Blubberlippe eigentlich unschlagbar war. Aber nichts zu machen – wenn Olavi erst mal traurig war, konnten sie alles andere vergessen.
So ging das lange, und irgendwann wurde Erkki und Lasse klar, dass sie in einer Zwickmühle steckten: Wenn sie die Geschichte mit den Wölfen nicht erzählten, wurde ihr Freund unausstehlich, und wenn sie die Geschichte erzählten, wurde er traurig. Wie sie es auch machten, es war immer verkehrt.
»Wir müssen uns was überlegen«, sagte Erkki, als sie eines Nachmittags wieder mal am Fluss standen und warteten, dass Olavi endlich von dem kleinen Felsen mitten in der Stromschnelle herunterkam, auf dem er schon zwei volle Tage saß und finster ins Wasser schaute.
»Und was?«, fragte Lasse.
»Keine Ahnung«, antwortete Erkki.
Dann spielten sie, um sich die Zeit zu vertreiben, Elch gegen Elch. Das war ein Spiel nur für sie zwei, bei dem Lasse seine langen Löffel weit nach außen stellte und die Enden nach oben abknickte, bis es aussah, als ob er auch Schaufeln hätte, mit denen er dann gegen Erkki kämpfte. Es war natürlich nicht ernst gemeint, und logisch gewann immer Erkki, der nur gut aufpassen musste, dass er Lasse nicht weh tat, denn seine Schaufeln waren ja echt. Auch an dem Nachmittag passte er auf. Aber einmal, als er mit gesenktem Kopf losstürmte und gleich wieder langsam machte, damit der Hasenelch ihm ausweichen konnte, blieb Lasse plötzlich stehen und rief:
»Moment mal!«
Erkki erwischte ihn zum Glück nur mit einer Schaufel, aber das reichte, dass der arme Lasse mit einem Rums auf seinem Puschel landete.
»Oh Mann, tut mir leid!«, rief Erkki erschrocken. »Warum sagst du’s denn nicht früher, wenn du eine Pause brauchst?«
»Brauch ich doch gar nicht«, sagte Lasse, der sich schon wieder aufrappelte und seinen Puschel richtete.
»Und was sollte dann das ›Moment mal?‹«, fragte Erkki.
»Mir war gerade was eingefallen«, sagte Lasse.
»Und was?«
»Was wir mit Olavi machen.«
»Nämlich?«
»Wir erzählen ihm was hundertmal Spannenderes als die ewige Geschichte mit den Wölfen.«
»Und was soll das sein?«
»Gruselgeschichten!«
Das war es nämlich, was Lasse eingefallen war.
»Du meinst von Monstern und Ungeheuern und so?«, fragte Erkki.
»Richtig«, antwortete Lasse.