On Your Own - Annalena Thomas - E-Book

On Your Own E-Book

Annalena Thomas

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Beschreibung

Du darfst dir vertrauen und bei dir ankommen!

Du hast deinen Abschluss geschafft, doch anstatt befreit und erleichtert, fühlst du dich einfach nur erschöpft und orientierungslos? Du hast Angst, die »falschen« Entscheidungen zu treffen oder »nicht gut genug« zu sein? Die vielen Erwartungen und Bilder vom »perfekten Leben« setzen zusätzlich unter Druck, und du fühlst dich mit all dem ziemlich alleine? Dann ist dieses Buch für dich.

Die Psychotherapeutin Annalena Thomas nimmt dich an die Hand und zeigt dir, wie du dich selbstbewusst und voller Vertrauen durch diese herausfordernde Zeit samt all deiner Gefühle und Unsicherheiten navigieren und stimmige Entscheidungen für dich treffen kannst.


In On Your Own warten auf dich:

Atemtechniken, Journaling-Prompts und Yogaflows, um dein Vertrauen in dich zu stärken, Selbstmitgefühl zu entwickeln und dich von Erwartungsdruck zu lösen

Wissen über dein Nervensystem, um dich im Umgang mit Stress zu entlasten und deine mentale Gesundheit zu fördern

Erfahrungsberichte von Gleichaltrigen


»On Your Own begleitet dich und gibt dir das Gefühl, nicht allein zu sein. Dieses Buch hätte ich gerne nach meinem Abschluss gehabt, denn es behandelt Schwierigkeiten, mit denen junge Erwachsene nach der Schule zu kämpfen haben.« SABINE STEINDOR, SPIEGEL-Bestseller-Autorin

Erwachsenwerden - aber nicht alleine, sondern gemeinsam

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Seitenzahl: 303

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INHALT

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Zitat

EINLEITUNG

Meine Geschichte

Meine Grundüberzeugungen – Zeit für neue Narrative

1. DEIN START – WAS WIR LERNEN UND VERLERNEN DÜRFEN

Die Beziehung zu dir selbst – Was dich prägt

Du darfst Freundschaft mit dir schließen

Dein Atem

Du darfst wissen, wer du bist

Selbstakzeptanz, Selbstzweifel und Selbstvertrauen

Die beste und oft schwerste Selbstfürsorge ist Mitgefühl

Selbstvorwürfe und negativer Self-Talk

Stress und unser Umgang damit

Du darfst alle deine Gefühle fühlen

2. ZWISCHENZEIT

In den neuen Lebensabschnitt starten

Die eigene Selbstfürsorge-Routine finden

Stress loslassen

Neue Freiheit genießen

Stress mit den Bezugspersonen – ablösen von daheim

Erste Weichenstellungen und Perspektivlosigkeit

3. BEI DIR ANKOMMEN

Du darfst deinen Beruf wählen

Entscheidungen treffen

An dich glauben und Vertrauen entwickeln

Du darfst dir Zeit lassen und ins Handeln kommen

4. LOSGEHEN UND ERSTE MALE

Das erste Mal auf eigenen Füßen

Dating, Sex und Partnerschaften

Dein Berufseinstieg

5. GEFÜHLE UND ANDERE BEGLEITER

Wenn unsere Seele schreit

Mental Breakdowns

Zukunftsängste und Hoffnungslosigkeit

Depressionen

Essstörungen

Panikattacken

Schlafstörungen

Hürden, Verluste und Enttäuschungen

6. AUFBLÜHEN

Deine Stimme zählt

Unterstützer:innen auf deinem Weg

Du darfst dein Leben gestalten und Freude finden

Kontrolle abgeben und vertrauen

NACHWORT

DANKSAGUNG

QUELLEN & EMPFEHLUNGEN

ANNALENA THOMAS

ON YOUR OWN

GEMEINSAM WACHSENUND ANKOMMEN

LYX in der Bastei Lübbe AG

Die Bastei Lübbe AG verfolgt eine nachhaltige Buchproduktion. Wir verwenden Papiere aus nachhaltiger Forstwirtschaft und verzichten darauf, Bücher einzeln in Folie zu verpacken. Wir stellen unsere Bücher in Deutschland und Europa (EU) her und arbeiten mit den Druckereien kontinuierlich an einer positiven Ökobilanz.

Der Inhalt dieses Buchs wurde sorgfältig recherchiert und geprüft. Die Informationen sind allerdings nicht dazu gedacht, eine ärztliche oder therapeutische Beratung zu ersetzen, sofern eine solche angezeigt ist.

Für Links zu Webseiten Dritter wird keine Haftung übernommen, hier gilt lediglich deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung. Eine Haftung der Autorin oder des Verlags ist ausgeschlossen.

Originalausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6–20, 51063 Köln

Copyright © 2023 by Annalena Thomas

Textredaktion: Ulrike Gerstner

Umschlaggestaltung: © Jeannine Schmelzer, Bastei Lübbe AG unter Verwendung von Motiven von © Shutterstock (Net Vector)

Layout, Satz und Illustrationen: fuxbux, Berlin

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7363-2006-2

Weitere Informationen unter:

lyx-verlag.de

luebbe.de | lesejury.de

 

FÜR EUCH

 

DU MEINE SCHÖNE DARFST WACHSEN,AUFBLÜHN,ANKOMMEN.DEINE STIMME DARF LAUT WERDEN,DICH LEITEN,UNS ALLE BEREICHERN.

EINLEITUNG

»Wie soll ich das jemals schaffen?« Ich weiß noch genau, wie ich nach meinem Schulabschluss bei uns im Feld stand, in die Weite blickte, diese Unsicherheit zum zigsten Mal in meinem Kopf aufploppte, und ich mich einfach nur überwältigt fühlte. So viele Gedanken, Optionen, Fragezeichen und irgendwie noch keine stimmigen Antworten in Sicht. Die Zeit nach der Schule kann sich wunderbar und gleichzeitig so verunsichernd für uns anfühlen.

Auf einmal gehst du von einer völlig fremdbestimmten Zeit das erste Mal in eine gänzlich freie und selbstbestimmte Zukunft, und dabei gibt es unzählige Möglichkeiten und Entscheidungen, die zu treffen sind. Der neue Lebensabschnitt wartet darauf, dass du ihn gestaltest. Aber »Wie?« und »Wodurch?« sind nur zwei der vielen Fragen, die dabei auf dich zukommen.

Ich kenne keinen jungen Menschen, der sich in diesem Lebensabschnitt nicht ab und an überfordert und verunsichert fühlt, zahlreiche Gefühle gleichzeitig empfindet und verschiedene Gedanken auf einmal hat.

Viele von euch fühlen sich auf diesen Moment unzureichend vorbereitet, gerade, was all die Emotionen und Unsicherheiten anbelangt, denn die haben wenig Platz in eurem vollen und oft anforderungsstarken Alltag. Die Schulzeit und auch der Lebensabschnitt danach ist für die meisten eine stressige Zeit, und unser Leistungssystem bringt uns vor allem eines bei: »Streng dich an, werde besser, mach keine Fehler und sei dir sicher, dass du immer die richtige Antwort kennst.« Du wirst permanent anhand eines bestimmten Leistungsanspruchs bewertet und mit anderen verglichen. Dazu kommen zahlreiche Bilder auf Social Media, die zusätzlichen Perfektionsstress erzeugen.

Wir alle kennen die unzähligen Botschaften und Erwartungen, die mit dem Erwachsenwerden und einem »erfolgreichen und guten Leben« scheinbar einhergehen. Viele von uns haben das Narrativ verinnerlicht, dass wir uns »permanent anstrengen müssen, um akzeptiert, wertvoll und gut zu sein, und dass wir den richtigen Weg am besten schon vor dem Gehen kennen«. All das verunsichert und erzeugt extrem viel Druck.

Wenn dir Perfektionsstress, Overthinking und pausenloses Vergleichen mit anderen bekannt vorkommen. Wenn du die Angst verspürst, Fehler zu machen, zu versagen, dich falsch zu entscheiden. Oder wenn du dich fragst, ob du überhaupt richtig bist, wie du bist, dann lass dir gleich zu Anfang des Buches von Herzen zugesprochen sein: Nichts an dir ist falsch! Alle deine Gefühle und Gedanken sind absolut okay und erlaubt. Und du bist mit all deinen Unsicherheiten nicht alleine. Du bist wertvoll und wichtig – unabhängig von deiner Leistung, deiner Fehlerquote und irgendwelchen anderen Idealen!

Dein Leben darf mehr sein als irgendein Performance-Akt oder »Social-Media-Perfect-Picture«, und du darfst dich fernab von all den Idealen entdecken und deine Erfahrungen sammeln. Du darfst Fehler machen, Aufs und Abs erleben, dich entscheiden und wieder umentscheiden. Du darfst dich unterwegs verloren und unsicher fühlen und bei all dem liebevoll mit dir umgehen und dir dein volles Mitgefühl entgegenbringen. Du darfst deine Wünsche, Bedürfnisse, Werte und Stärken kennenlernen und deinen ganz eigenen Weg für dich herausfinden und gehen.

Und weil das alles viel leichter gesagt ist, als getan, ich selbst damit unfassbar lange gestruggelt habe und mir so viele junge Menschen in den letzten fünfzehn Jahren meiner Arbeit begegnet sind, die auch damit kämpfen, habe ich dieses Buch für euch geschrieben.

Ich durfte durch meine Arbeit als Psychotherapeutin und auch im Persönlichen so viele Tools, Konzepte und Techniken kennenlernen, die mich unfassbar gestärkt haben. Viele davon hätte ich mir bereits zu meiner Schulzeit und in der Zeit kurz danach gewünscht. Denn all diese Tools können uns dabei unterstützen, uns selbst besser zu verstehen und kennenzulernen, unser Nervensystem auszugleichen, Sicherheit in uns zu finden und Mitgefühl und Verständnis für uns zu entwickeln. Und wer bitte braucht das nicht? :)

Dieses Buch ist kein Buch zur Selbstoptimierung, und ich sage dir auch nicht, was du machen kannst, um »noch besser zu werden« oder dich nicht mehr unsicher zu fühlen. Denn du bist gut, genau so, wie du bist, und alle deine Unsicherheiten und auch Erfahrungen sind absolut okay und erlaubt.

Ich habe dieses Buch vielmehr geschrieben, um dir einen alternativen Weg zu zeigen, wie du mit all deinen Gedanken, Gefühlen und Erfahrungen liebevoll umgehen kannst, anstatt dich selbst kleinzumachen. Es soll dich dabei unterstützen, aufbauend mit Stress und Erwartungsdruck umzugehen und stimmige Entscheidungen für dich zu treffen.

Darüber hinaus ist meine Intention für dieses Buch, dich zu ermutigen, deine innere Stimme, deine Begabungen, Ideen und Fähigkeiten zu entdecken und für dich und andere einzusetzen und zu dir zu stehen.

On your Own – Gemeinsam wachsen und ankommen soll dich in dieser besonderen Lebensphase mit all ihren Herausforderungen, Entscheidungen und Aufgaben begleiten. Es soll dir Mut machen, eine Beziehung zu dir zu entwickeln, die auf Mitgefühl und Verständnis für dich beruht und nicht auf Selbstperfektion.

Ich zeige dir in diesem Buch, wie dich Yoga, Breathwork (Atemtechniken), Journaling und Wissen aus der Psychotherapieforschung dabei unterstützen können, dich durch Unsicherheiten, Selbstzweifel und herausfordernde Gefühle zu navigieren und deine mentale Gesundheit zu fördern. Denn auch diese findet in eurem viel zu vollen Alltag, zwischen all den Anforderungen kaum Platz und wird noch immer zu wenig berücksichtigt.

Dieses Buch begleitet dich von der Schulzeit – denn dort beginnt bereits der meiste Stress – durch all die Phasen, die nach deinem Schulabschluss auf dich warten.

Du wirst am Anfang jedes Kapitels einen Erfahrungsbericht von Gleichaltrigen finden, die all diese Verunsicherungen, Gedanken und Gefühle kennen und die dich darin bestärken wollen, deinen ganz eigenen Weg zu gehen. Du bist in dieser Zeit eigenständig, aber nicht alleine, und wir sehen dich!

Dich unsicher zu fühlen, deine Fähigkeiten, Entscheidungen oder deinen Lebensweg infrage zu stellen, ist völlig menschlich und okay. Wir alle kennen diese Momente und Phasen. Doch es kann einen Riesenunterschied machen, wenn wir uns selbst Mitgefühl und Verständnis entgegenbringen und wissen, was wir brauchen und tun können, um uns sicher zu fühlen.

Ich wünsche dir, dass du dich stets sicher in dir und mit dir fühlst. Denn das Wichtigste, das du auf deinem Weg finden und bei dir haben kannst, bist du selbst und die Fähigkeit, dir zuhören zu können, dich immer besser kennenzulernen und dir zu vertrauen. Und du kannst dir vertrauen und darfst deine innere Stimme kennen und zu dir stehen!

On your Own – Gemeinsam wachsen und ankommen will dich ermutigen, trösten und vor allem eines sagen: Du bist wertvoll und wichtig, du darfst jederzeit bei dir ankommen und an dich glauben!

Deine

Meine Geschichte

Ich selbst kenne Unsicherheiten und Selbstzweifel ziemlich gut. Vor allem in meiner Teenagerzeit und im Übergang zu meinen Zwanzigern waren sie ständige Begleiter. Äußerlich wirkte ich meist selbstbewusst und selbstbestimmt, ich war stets bemüht, mir meine Unsicherheiten nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Doch innerlich platzte ich oft vor Sorgen, Zweifeln und zu vielen angestauten Gefühlen.

Ich wusste seit meiner Kindheit zwar ungefähr, was ich beruflich machen wollte, und kannte meine innere Stimme. Trotzdem war mir überhaupt nicht klar, wie ich dabei mit mir, zu viel Stress und Verunsicherungen hilfreich und liebevoll umgehen konnte – anstatt mich zusätzlich zu verunsichern und permanent infrage zu stellen.

Ich fühlte mich so oft zerrissen zwischen dem, was ich wollte, wusste und angeblich konnte, und dem, was ich dabei fühlte, wenn ich Aufgaben erledigte und mich Herausforderungen stellte. Ich wollte kreativ arbeiten und Menschen begegnen. Das war klar, seitdem ich denken konnte. Mich faszinierte unser Menschsein mit all unseren Erfahrungen, Gefühlen und Geschichten. Meine Ideen und Vorstellungen von meinem beruflichen Ich waren vielfältig, aber sie hatten alle eines gemeinsam: Ich wollte mit und für Menschen arbeiten.

Warum ich mich dann für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und die eigene Praxis entschied, hatte viel mit meiner eigenen Geschichte und meinen Erfahrungen als Teenagerin und Jugendliche zu tun. Ich selbst kannte es nur zu gut, sowohl mich als auch meine Gedanken und Gefühle ständig zu bewerten und zu kontrollieren. Da ich seit meiner Kindheit tanzte, kannte ich durch den Unterricht und die Wettkämpfe, aber auch durch die Schule Botschaften und Kommentare wie: »Du musst dich noch mehr anstrengen«, »Du kannst noch besser sein. Du gibst nicht alles«, »Es ist egal, wie es sich anfühlt, du musst es einfach nur wollen«, »Halte durch, du kannst dich durchbeißen. Du bist so stark.«

Wir alle kennen solche Aussagen, und sie sind so tief in unserem Leistungssystem verankert, dass wir sie manchmal gar nicht bewusst wahrnehmen und richtig zuordnen können. Die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die ich durch meine Arbeit kennenlernen darf, beziehen sie – genauso wie ich damals – auf sich selbst und spüren dadurch den permanenten Druck, »sich noch mehr anstrengen zu müssen, um gut und wertvoll zu sein« und sich »nur in einem bestimmten Licht zeigen zu dürfen«. All diese Botschaften waren auch für mich ein so fester und alltäglicher Bestandteil meines Lebens, dass sie einen Großteil von dem prägten, wie ich über mich selbst dachte und mit mir umging. Und das, ohne dass ich es bewusst wahrnahm. Ich biss mich durch, strengte mich an, fand immer wieder Lösungen für Herausforderungen, egal wie sehr mein Körper und meine Seele bereits »Stopp« riefen. Jahrelang ging ich über meine Grenzen und versuchte dabei, alles leicht aussehen zu lassen. »Bloß den eingeschlagenen Weg schaffen.« Das war lange Zeit meine Devise, die ich innerlich wie ein Mantra aufsagte, das mir endlich die Sicherheit und das Wohlgefühl geben sollte, die ich mir so sehr wünschte.

So wie ich mit mir umging, kostete es mich ziemlich viele Nerven und brachte Verunsicherungen, Anstrengung und vor allem eine Härte mir selbst gegenüber, die keinen Platz für Mitgefühl und Entlastung oder gar ernsthaft gefühlte Ermutigung zuließ.

Mein Wendepunkt

Ich war einundzwanzig, als ich etwas völlig anderes und Wertvolles kennenlernte. Etwas, das sich von meinem bisherigen Umgang mit Gedanken und Gefühlen und all den Bewertungen und dem Leistungsdruck deutlich unterschied. Ich stolperte eher zufällig in meinem damaligen Fitnessstudio in eine Yogastunde. Was ich in dieser Stunde und auch der Zeit danach erlebte, war völliges Neuland für mich. Anstelle von Sätzen wie: »Geh noch tiefer«, »Du musst dich mehr anstrengen« oder »Es ist egal, wie du dich heute fühlst, du musst alles geben« hörte ich: »Es ist okay, wenn du heute nicht mehr kannst. Du darfst jederzeit in die Haltung des Kindes kommen, dich ablegen und dich liebevoll umarmen und für dich atmen« und auch »Deine Grenzen zu kennen und zu respektieren ist wichtig. Du darfst deine Grenzen haben und dann Pausen machen, durchatmen und wenn du willst von vorne anfangen oder auch aufhören«. Diese Stunden und die Stimme meiner damaligen Lehrerin waren Balsam für meine Seele, meinen Kopf und meinen Körper. Yoga war fordernd, dynamisch, liebevoll, umarmend und vor allem eines: eine Möglichkeit, zurück zu mir nach Hause zu kommen und mich in meinem Körper und mit meinen Gedanken und Emotionen sicher zu fühlen.

Lange Zeit hatte ich mich so sehr angestrengt, um gut zu sein, meine Ängste und Unsicherheiten wegzurationalisieren, zu verstecken und so zu tun, als wäre alles okay. Die Beziehung zu mir und mein Körpergefühl litten darunter sehr. Viele junge Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten darf, kennen dieses Gefühl und teilen ähnliche Erfahrungen durch die Schulzeit hindurch.

Was ich beim Yoga lernte, war das ganze Gegenteil davon. Ich erfuhr, was ich vorher zwar vom Kopf her wusste, jedoch nie empfunden hatte: dass es okay ist, all das zu fühlen, was ich eben fühle. Zu wollen, was ich will oder nicht will. Zu erleben, was ich erlebe. Ohne es ständig zu bewerten oder in »gut« und »schlecht« zu kategorisieren.

Yoga und Breathwork (Atemtechniken) zeigten mir, wie ich eine Beziehung zu mir und anderen führen kann, die liebevoll, wertschätzend und bestärkend ist, ohne mich dabei ständig zu vergleichen oder verbessern zu wollen. Ich war mir sicher, dass mir all dieses Wissen und die Tools in meiner Teenagerzeit und dem Übergang von der Schule in die Zeit danach sehr geholfen hätten. Ich wollte diese Erfahrung an euch weitergeben und gründete dafür dayā.

Mitgefühl mit dir haben –Warum ich dayā gegründet habe

Dayā stammt aus dem Sanskrit (altindische Sprache), bedeutet Mitgefühl und kann auch übersetzt werden als Liebe zu dir selbst. Ich habe dayā gegründet, um vor allem weiblich identifizierte junge Menschen auf ihrem Weg und in ihrer mentalen Gesundheit zu bestärken. Denn weiblich gelesene Menschen werden nach wie vor häufig diskriminiert. Doch wir alle brauchen Zusammenhalt und Unterstützung, damit wir offen für Veränderungen eintreten können.

Bei dayā durfte ich in den letzten Jahren so viele junge Menschen aufblühen sehen. Und das bedeutet nicht, dass sie alle gar keine Ängste, Unsicherheiten oder Zweifel mehr in sich tragen, sondern dass sie fühlen, dass es menschlich und okay ist, all das zu empfinden. Und dann wissen, was ihnen guttut und wie sie Verständnis und Mitgefühl mit sich und anderen haben können. Dayā ist eine Community. Du findest bei uns Sessions und Onlinekurse, in denen ich euch Tools wie Breathwork, Journaling und Yoga an die Hand gebe. Außerdem werden Wissen zum Thema mentale Gesundheit sowie jede Menge passende Beiträge dazu in unserem Onlinemagazin geteilt. Gemeinsam mit Hannah Nele Uehlinger habe ich zudem den Podcast »Seelenschnack« ins Leben gerufen, um euch zu ermutigen und vor allem zu entlasten. Mein Herzensanliegen ist es, euch immer wieder zuzusprechen und daran zu erinnern: dass ihr dayā, euer volles Mitgefühl, verdient habt! Und die Erfahrung macht, dass ihr mit euren Herausforderungen nicht alleine seid und vor allem nicht die Einzigen, die Selbstunsicherheiten erleben, und euch gegenseitig bestärken könnt. Denn unsere Erfahrungen und Geschichten miteinander zu teilen, macht Mut und ist heilsam.

Meine Grundüberzeugungen –Zeit für neue Narrative

Wir leben in einer Welt, die uns unablässig sagt, was wir machen müssen und wie wir zu sein haben, um gut, wertvoll und zugehörig oder gar erfolgreich zu sein.

Noch immer fehlt Chancengleichheit, nach wie vor werden Herkunft und sozialerStatus über Gesundheit und Wohlergehen gestellt. Da ist es leicht, den Glauben an uns selbst und die Überzeugung, dass wir so, wie wir sind, wichtig und wertvoll sind, zu verlieren.

Du hörst von klein auf so viele Botschaften über dich und andere. Selbst über deine Berufswahl oder Lebensentwürfe werden dir beim Heranwachsen so viele Bilder, Vorstellungen und Narrative vermittelt, dass es schwerfallen kann, dich selbst in all dem noch zu erkennen, an dich zu glauben und dich bedingungslos zu unterstützen.

Unsere Gesellschaft besteht noch immer aus diversen Vorstellungen davon, welche Jobs, Menschen und Lebensentwürfe wertvoll und gut sind und welche nicht. Unsere Herkunft und auch unser Geschlecht bestimmen zu einem Großteil unsere Chancen im Hinblick auf Ausbildungswege und Lebensentwürfe. Rassismus und Marginalisierung stecken so tief in unserem System, dass nicht jede:r von uns dieselben Möglichkeiten, Startvoraussetzungen und Ressourcen hat. All das beeinflusst deinen Blick auf dich und deinen Selbstwert sowie deinen Mut, mit deinen Fähigkeiten und Begabungen hinaus in die Welt zu gehen und für deine Bedürfnisse, Werte und Visionen einzustehen. Wir müssen diese Dinge immer wieder klar ansprechen und für Veränderung eintreten. Nichts an dir ist falsch, unser System ist das, was falsch ist.

Ich habe in meiner Arbeit so oft die Erfahrung gemacht, dass einer unserer größten Leidensfaktoren und der Kern vieler daraus resultierender Konsequenzen ein Mangel an Wertschätzung für uns und andere ist. Wenn wir nicht glauben und fühlen, dass wir wertvoll und richtig sind, wie wir sind, dann zweifeln wir an uns, streben nach Perfektion oder trauen uns nicht, mit all unserem Sein und unseren Erfahrungen sichtbar zu werden. Dann strengen wir uns unaufhörlich an, um »richtiger zu werden«, und glauben den vielen Botschaften über uns.

Doch ich bin fest davon überzeugt, dass tief in unserem Inneren immer ein starker Kern ist, der sich liebt und danach sehnt, dies anzuerkennen. Deshalb liebe ich das Konzept um Mitgefühl und dayā in seiner Bedeutung so sehr. Denn es sagt genau das aus und hilft uns dabei, wieder zu einem gesunden Selbstwert zurückzufinden, der unabhängig von Leistung, sozialem Status, Herkunft, sexueller Orientierung und Geschlecht Bestand hat.

Du bist wertvoll und richtig, genau so wie du bist, mit allem, was zu dir gehört! Egal woher du kommst und wohin du gehst, du darfst dich und deinen Wert kennen und deine Begabungen für dich und andere einsetzen!

Du darfst den Kern, der in dir schlummert und darauf wartet, lauter werden zu dürfen, freilegen und dann mit anderen teilen. Und auch andere dabei bestärken, dasselbe für sich zu tun. Genau darum wird es in diesem Buch gehen.

Denn wenn wir alle diese Möglichkeit erhalten, kann Wunderschönes daraus wachsen.

PRIVILEGIEN, BENACHTEILIGUNGEN UND ALLYSHIP

Unsere Gesellschaft und unser Bildungssystem sind noch lange nicht fair und chancengleich, sondern beinhalten unzählige Diskriminierungen, Marginalisierungen und Rassismus. Dadurch entsteht bei vielen das Gefühl, »wertlos, unwichtig oder falsch« zu sein. Zudem kommt es zu faktisch erschwerten Ausbildungsbedingungen, während andere deshalb wiederum gewisse Privilegien erhalten.

Ein Privileg ist ein Vorteil, der bestimmten Personengruppen oder einer Person zugutekommt. Diese Vorteile können eine bevorzugte Behandlung, bessere Startbedingungen, bessere Bildungschancen, mehr finanzielle und gesundheitliche Ressourcen und auch nicht erfahrene Diskriminierung sein. Sie alle kommen durch Faktoren wie beispielsweise die Herkunft, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, das Geschlecht oder den sozialen Status zustande.

Wir können nicht über Lebensentwürfe und Selbstentfaltung sprechen, ohne dabei Privilegien, Diskriminierungen, fehlende Chancengleichheit und Marginalisierungen anzusprechen. Denn genau die existieren in unserer Welt und haben einen enormen Einfluss auf unsere Entwicklung, unsere Möglichkeiten und unseren Weg. Sie alle beeinflussen neben den Bildungs- und Berufschancen auch das eigene Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl in die eine oder andere Richtung.

Weiße Privilegien sind gesellschaftliche Vorteile, die weiße Menschen gegenüber nicht weißen Menschen (BIPoC Black, Indigenous and People of Color) begünstigen. Patriarchale und heteronormative Strukturen bevorteilen das männliche Geschlecht und cis-heterosexuelle Personen. Es gibt viele solcher Diskriminierungen, die zur Verdrängung verschiedener Individuen und Personengruppen an den Rand unserer Gesellschaft führen. In vielen Bereichen, wie beispielsweise auch in der Schule, werden diese strukturellen Benachteiligungen noch immer zu wenig berücksichtigt oder sogar fortgeführt. Als weißer und straighter Mensch ist es wichtig, sich diese Strukturen und eigenen Privilegien bewusst zu machen, sich zu bilden und umzulernen, den Betroffenen zuzuhören, ihnen Raum zu geben und aktiv zu werden, ohne sich dabei in den Vordergrund zu drängen. Diese Unterstützung und Verbündung wird Allyship genannt. Denn nur durch Bewusstsein und Aktion können Veränderung, Solidarität und Chancengleichheit gefördert werden.

1.DEIN START – WAS WIR LERNENUND VERLERNEN DÜRFEN

In diesem ersten Kapitel spreche ich mit dir über die Beziehung zu dir selbst, denn diese ist eines der wichtigsten Fundamente, auf dem wir unseren Lebensweg aufbauen. Wenn wir uns vertrauen und an uns glauben, gehen wir mutige Schritte und entscheiden uns öfter für das, was uns guttut und was wir wirklich wollen. Wenn wir uns wertschätzen und akzeptieren, erlauben wir uns unsere Gefühle und Gedanken, verzeihen uns schneller und bringen uns Mitgefühl entgegen, anstatt uns permanent abzuwerten.

Die Beziehung zu uns ist dabei keine Einbahnstraße, die gerade und immer nur in eine Richtung verläuft. Sie ist von vielen Faktoren und Erfahrungen beeinflusst, und oft ist uns gar nicht bewusst, was wir alles über uns denken und wie sehr gesellschaftliche Narrative unsere Perspektive auf uns prägen. Gerade in deinem Lebensabschnitt bist du mit so vielen verschiedenen Botschaften und Erwartungen konfrontiert. Deshalb starte ich mit dir genau hier – in der Beziehung zu dir selbst. Denn dabei dürfen wir einiges wieder verlernen und anderes neu lernen.

LUCIANO (19)ER/IHN

In meinen letzten Jahren an der Schule wurde mir mehr als zuvor das Gefühl vermittelt, dass ich nicht willkommen war. Ich zwang mich dazu, diese Zeit durchzustehen, doch es war unfassbar schwer, mich zusammenzureißen. Ich fühlte mich nie respektiert oder auch nur wahrgenommen, man wollte mich einfach nicht dahaben und hörte mir die meiste Zeit über nicht zu. Als ich für mich erkannt habe, dass ich nicht ins System passe, hatte ich auch schon den Entschluss gefasst, die Schule zu verlassen. Ich wusste nie, wie mein Weg aussehen würde, und zwei weitere Jahre an der Schule zu verbringen kam für mich nicht infrage. Obwohl ich mich an der Schule nie wohlgefühlt habe, war es gruselig, diesen Schritt zu gehen. Auch wenn ich heute davon überzeugt bin, dass es die richtige Entscheidung war. Ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte, ich hatte keine Perspektive und musste dennoch schnell eine finden. So kam es, dass ich mich mit einer Person zusammensetzte, der ich bis heute unfassbar dankbar bin und die mich damals dazu einlud, in einem Start-up-Unternehmen als Praktikant zu arbeiten.

Die Arbeit hat Spaß gemacht, und ich lernte viele Dinge, und die Zeit, die ich dort verbracht habe, hat mein Mindset bis zum heutigen Tag geprägt. Das Einzige, was mir dabei im Weg stand, war wieder das Schulsystem. Da ich nämlich zu jung war, um meinen eigenen Weg zu gehen, musste ich mich zwangsläufig mit einer weiteren Schule auseinandersetzen. Man drohte mir beinahe täglich mit rechtlichen Schritten, wenn ich nicht mein Praktikum vernachlässigte, um an dem Unterricht teilzunehmen, und das, obwohl die Schulleitung mit mir vereinbarte, dass ich nach wie vor meinem Praktikum nachgehen durfte. Somit war bis dahin alles, was mich noch mit der Schule verbunden hatte, eine ständige psychische Belastung. Ich weiß nicht, ob ich es alleine durch diese Zeit geschafft hätte, doch hinter mir stand eine Gruppe von Menschen, die mich verstand, mit voller Kraft unterstützte und die ich jedem anderen Menschen in einer ähnlichen Lage wünsche. Nach dem Lockdown war meine Schulzeit vorbei und damit auch die Anstrengungen meiner Lehrenden, mich in den Unterricht zu klagen. Danach verlängerte ich mein Praktikum, und beim zweiten Mal war die Zusammenarbeit sehr viel produktiver und stressfreier.

Ich weiß noch nicht, wohin meine Reise führt, aber ich weiß, dass diese prägende Zeit mich darauf vorbereitet hat, sie auf meine eigene Weise anzutreten. Das halte ich für das Wichtigste, was mir jemals beigebracht wurde – und das will ich jedem gerne mitgeben.

Die Beziehung zu dir selbst –Was dich prägt

Ich kann mich noch so gut an meine Grundschulzeit erinnern und den Satz: »Annalena liest zu langsam und noch nicht flüssig genug.« Bis dahin hatte ich Spaß am Lesenlernen gehabt und mir überhaupt keinen Stress gemacht, geschweige denn irgendwelche Gedanken darüber. Ich las einfach.

Auch Sätze wie: »Du redest zu viel und zu schnell« oder »Annalena ist sehr empfindlich« fielen des Öfteren. Sie alle summierten sich über die Jahre und fanden ihren Höhepunkt in der Aussage: »Sie sind so dumm, Sie werden Ihr Abitur eh nicht schaffen.« Besagter Lehrer entschuldigte sich im Anschluss zwar, und ich wusste, dass seine Worte seinem Stress und meiner Unlust geschuldet waren, doch verletzt haben mich all diese Bemerkungen trotzdem.

Die vielen Abwertungen bei scheinbaren Fehlern oder Fehlverhalten prägten jedoch nicht nur meine Einstellung zur Schule und zum Lernen, sondern auch zu mir. Über die Zeit versuchte ich entweder, mich anzustrengen, um es »richtig zu machen« und »besser zu werden«, oder zweifelte an mir und meinen Fähigkeiten. Ich verlor in vielen Fächern den Spaß am Lernen. Aber, viel schlimmer noch, ich büßte auch die Überzeugung ein, dass ich einfach lernen und meine Erfahrungen sammeln darf und dabei gut bin, so wie ich bin, selbst wenn ich mal langsamer lese, zu schnell oder zu viel spreche oder eben Fehler mache.

Auch die vielen Vergleiche anhand vorgegebener Leistungsskalen und mit anderen setzten mir in manchen Phasen zu. Im Sportunterricht gab ich mit fünfzehn völlig auf, und Mathematik war ein ständiges Auf und Ab aus Selbstzweifeln, Vorwürfen und dem Gefühl, »es eh nicht richtig machen zu können«.

Am Ende der Schulzeit haben wir alle ein Bild davon, »wer wir angeblich sind und was unsere Stärken und Schwächen« ausmacht. Wenn dieses Bild nicht auf Wertschätzung und unseren tatsächlichen Eigenschaften beruht, sondern auf Leistung, Vergleichen mit anderen bzw. vorgegebenen Idealen, leiden wir darunter. Unsere Beziehung zu uns leidet unter unserem Schulsystem. Und auch die Beziehung zu anderen leidet unter unserem Schulsystem.

Denn wir alle stehen in ständigen sozialen Vergleichen und unter erheblichem Bewertungsdruck. Selbst wenn wir uns anstrengen, intime und wertschätzende Beziehungen aufzubauen, und Lehrende haben, die uns bedingungslos unterstützen, stehen wir durch unser von Leistung und Normen geprägtes System permanent in Konkurrenz. Dieses System ist so tief in unserer Gesellschaft und dadurch auch in uns verankert, dass wir gar nicht bewusst wahrnehmen, wie sehr es unseren Blick auf uns, andere und unser Leben prägt und beeinflusst. Doch wir alle fühlen, dass wir darunter leiden. Wir alle dürfen unser Konkurrenzdenken ablegen, eigene Stärken erkennen, andere fördern, unterstützen und füreinander einstehen.

Du darfst dich fernab von all den Meinungen, Vergleichen und Bemerkungen über dich entdecken und wertschätzen. Du darfst deine Stärken erkennen und all deine Seiten an dir annehmen. All das gehört zu dir und macht dich zu dem Menschen, der du bist.

DAS SCHULSYSTEM

Wir alle erleben während der Schulzeit und durch das Leistungssystem verschiedene Verunsicherungen. Diese sehen ganz unterschiedlich aus und fühlen sich für jede:n von uns anders an. Du darfst dir beim Lesen dieses Buches Raum lassen für deine eigenen Erfahrungen und auch jederzeit Pausen machen und dein Tempo gehen.

Ich teile meine Erfahrungen mit dir in dem Bewusstsein, dass ich als weiße, able-bodied cis-Frau viele Privilegien hatte und vor allem keine Diskriminierungen aufgrund meiner Herkunft, Hautfarbe, sexuellen Orientierung oder einer körperlichen Beeinträchtigung erlebt habe. Es ist wichtig, anhaltende Diskriminierungen und Benachteiligungen immer wieder klar zu benennen. Denn all das ist falsch, und wir alle haben diese Strukturen unbewusst verinnerlicht. Als ich zur Schule ging, wurde über diese wichtigen Themen noch nicht gesprochen, und erst langsam verändert sich unser Bewusstsein. Es ist wichtig, dass wir alle gemeinsam gegen Benachteiligungen und Diskriminierungen eintreten. Und ich bin der festen Überzeugung, dass Yoga, Breathwork und Journaling sowohl mehr Bewusstsein für dich als auch für andere schaffen und dadurch Veränderung bewirken können. Und das ist das, was wir alle dringend brauchen und voranbringen können.

Ideale und Perfektionsdruck

So viele Teenager:innen und junge Erwachsene haben während der Schulzeit das Gefühl, dass mit ihnen irgendetwas »nicht stimmt« und sie nicht »gut genug sind, so wie sie sind«. Als Heranwachsende sind wir mit so vielen Botschaften, Leistungsvergleichen, Anforderungen und Idealen konfrontiert, gleichzeitig verändern wir uns unfassbar stark in dieser Entwicklungszeit, formen unser Selbstbewusstsein, unser Vertrauen in uns, unser Zugehörigkeits- und unser Selbstwertgefühl. Das ist ganz schön viel auf einmal. Für viele von uns resultiert daraus ein unbewusstes, permanentes Vergleichen mit anderen. Wir checken gegenseitig unsere Körper, unser Aussehen, unsere Fähigkeiten und unser Auftreten und bewerten uns daraufhin. Sowohl online als auch offline.

Ob du dich als »gut« oder eher »ausbaufähig« oder gar »schlecht und unzureichend« empfindest, hat mit all diesen Erfahrungen und Narrativen zu tun, die du bereits verinnerlicht hast und täglich erlebst. Wir alle kennen die Botschaften, in denen die scheinbar hübschesten, schlanksten, sportlichsten, privilegiertesten, intelligentesten, gesündesten und extrovertiertesten Personen die beliebtesten sind. Wir alle erleben diese Narrative in unserem Alltag, morgens auf dem Weg zur Schule, beim Gang über den Schulflur, auf Partys oder wenn wir online gehen. Medien offerieren uns gleichzeitig unzählige Lösungen und Produkte, um »besser«, »schöner« und »glücklicher« zu werden. Ich begegne täglich so vielen vor allem weiblich gelesenen jungen Menschen – und auch ich kenne dieses Gefühl aus meiner Teenagerzeit noch gut –, die ohne Make-up nie vor die Tür gehen würden, geschweige denn in die Schule, weil sie denken, dass sie nicht »hübsch genug« sind.

Selbst das Bild von Selbstliebe und Self-Care ist in den Medien mittlerweile ziemlich eindeutig: Wenn es dir schlecht geht, musst du dir Zeit für dich nehmen, Workouts machen, eine Maske auftragen und gesund essen, damit es »dir besser geht« und du »dich besser fühlst«. Bewegung, Auszeiten und eine ausgewogene Ernährung können uns guttun, wenn sie aus Liebe passieren. Aber oftmals setzen wir uns durch all diese Bilder und Botschaften so sehr unter Druck, dass wir sogar unsere Selbstfürsorge gegen uns anstatt für uns einsetzen.

All diese Ideale und Normen sind dabei immer noch viel zu häufig von heteronormativen und patriarchalen Botschaften geprägt, wodurch viele Menschen das Gefühl haben, »falsch«, »nicht schön genug«, »zu viel« oder auch »zu emotional« zu sein, wenn sie sich zeigen, wie sie sind.

Raum mit der eigenen Persönlichkeit, den eigenen Gefühlen und Gedanken, den eigenen Erfahrungen und dem eigenen Aussehen einzunehmen, kann unfassbar beängstigend und verunsichernd sein, wenn wir nicht willkommen und repräsentiert sind oder das Gefühl haben, nicht gut genug zu sein, so wie wir sind. Wenn wir glauben, dass wir »falsch« oder »schlecht« sind, leben wir im Kampf mit uns und haben ständig das Gefühl, uns verändern zu müssen, um liebenswert zu sein, akzeptiert zu werden und uns zeigen zu dürfen. Wirklich viele von uns kennen dieses Gefühl. Daher möchte ich dich ermutigen: Du darfst fernab von irgendwelchen Idealen, Normen und Botschaften Freundschaft mit dir schließen und dich bedingungslos bestärken. Du darfst eine Beziehung zu dir entwickeln, die auf Interesse, Verständnis und Mitgefühl für dich gründet, und du darfst dich unabhängig davon, wie es dir geht, was du ablieferst oder erreichst, akzeptieren und wertschätzen. Und weil das alles andere als leicht und manchmal sogar völlig verwirrend und verunsichernd sein kann, möchte ich dir zeigen, wie du dich dabei liebevoll an die Hand nehmen kannst. Was du dafür brauchst? Einzig und allein dich selbst.

Deine Beziehung zu dir darf unabhängig von anderen und frei von irgendwelchen Idealen, Normen oder deiner Performance sein! Du musst dich dabei auch nicht immer »gut« fühlen oder irgendein konkretes Ziel erreichen. Du darfst Freundschaft mit dir schließen und dich bedingungslos unterstützen.

Du darfst Freundschaftmit dir schließen

Eine Beziehung zu dir zu führen und zu pflegen, die fernab von irgendwelchen Ansprüchen, Erwartungen und Vorgaben funktioniert, kann ganz schön herausfordernd sein. Vor allem bedeutet es erst mal, dass du umlernen darfst, was dir bisher durch unser Leistungssystem und all die Ideale und Normen beigebracht wurde. Ideale und falsche Botschaften über uns abzulegen ist Arbeit und kann sich anfangs ungewohnt und schwierig – oder gar unmöglich machbar – anfühlen. Gerade wenn wir jahrelang etwas anderes gelernt haben. Daher brauchen wir alle immer wieder liebevolle Ermutigung und hilfreiche Tools, die uns dabei unterstützen und die Verbindung zu uns stärken. Yoga, Journaling und Breathwork können diese Tools für dich sein. Sie helfen dir, deine Gedanken und Gefühle bewusst wahrzunehmen und eine Verbindung zu dir aufzubauen, die fernab von irgendwelchen Idealen und Normen funktioniert. Ihre Wirksamkeit ist mittlerweile durch zahlreiche Studien belegt (siehe Kapitel QUELLEN & EMPFEHLUNGEN).

Bewusst zu atmen und dich zu bewegen, aber dir auch Dinge von der Seele zu schreiben beruhigt dein Nervensystem und unterstützt die Verbindung zwischen deinem Körper (Body), deinem Geist (Mind) und deinen Gefühlen. Diese Verbindung wird auch Mind-Body-Connection genannt, und die Embodimentforschung ist sich ziemlich sicher, dass unser Körper, unser Gehirn und unsere Seele eng zusammenarbeiten und sich gegenseitig beeinflussen. Du kennst das garantiert aus deinem Alltag: An einem Tag fühlst du dich traurig, lässt den Kopf hängen oder bist zu müde, um dich überhaupt aufzurichten und zu motivieren. Andersrum fühlst du dich an »guten Tagen« beschwingt, hast Lust, dich zu zeigen, und schaust offen in die Welt.

Auch unsere Gedanken unterscheiden sich an solchen Tagen. Wenn wir uns »beschwingt fühlen«, sind unsere Denkmuster meist hoffnungsvoller und zuversichtlicher. Wenn wir uns deprimiert fühlen, wird alles »schwarz«. Diesen Effekt können wir für uns nutzen, um uns zu bestärken.

Yoga, dein Atem, Journaling und Wissen um dein Nervensystem helfen dir dabei, immer wieder bei dir anzukommen, dir selbst zuzuhören und Freundschaft mit dir zu schließen. Du brauchst dafür nichts weiter als ein offenes Ohr für dich, Mut, in dich hineinzufühlen und dir Mitgefühl, Interesse, Neugier und Fürsorge entgegenzubringen.

Du darfst dich dabei ausprobieren, es gibt kein»Richtig« und kein »Falsch« und auch keinen Leistungsdruck. Du darfst ganz entspannt schauen, was dir Spaß macht, dir guttut und dich unterstützt und was vielleicht auch nicht. Du bist Expert:in für dich und darfst dir vertrauen.

WAS IST EMBODIMENT?

Embodiment ist ein neueres Forschungsfeld der Kognitionswissenschaften. Diese Wissenschaft befasst sich mit dem Zusammenspiel aus Körper, Psyche und unserer Umwelt. Sie geht davon aus, dass alles, was wir erleben, in unserem Gehirn und unserem Körper gespeichert wird und sich beide gegenseitig austauschen und beeinflussen.

Embodied heißt verkörpert. Wir alle haben einen Körper, durch den wir sichtbar werden, mit dem wir Erfahrungen sammeln und unsere Emotionen und Bedürfnisse fühlen und ausdrücken können. Manchmal fällt genau das jedoch durch Konditionierungen und Normen schwer. Und wir alle kennen die Momente, in denen wir in den Kopf wandern, unser Verhalten zerdenken und uns bewerten. Embodiment hilft dir, fernab von irgendwelchen Idealen und Narrativen, zurück in deinen Körper zu kommen, dich sicherer zu fühlen und mit deinen Gefühlen und Erfahrungen umzugehen. Du kannst dafür jede Art von Bewegung sowie Yoga und Breathwork für dich nutzen. Alle Übungen, die ich dir in diesem Buch zeige, beruhen auf diesem Konzept.

Dein Atem

Dein Atem hilft dir dabei, die Beziehung zu dir zu stärken, aber auch deine mentale und körperliche Gesundheit wird dadurch unterstützt. Dein Atem ist immer bei dir und das direkteste Tool, um dir nah zu sein und etwas Gutes für dich zu tun. In unseren Sessions sage ich immer: »Du bist dein schönstes Tool«, denn um zu atmen, brauchst du nur dich. Wenn du dir deinen Atem bewusst machst, fühlst du dich. Du spürst deinen Körper durch die Bewegung, die bei der Ein- und Ausatmung entsteht. Du wanderst »aus dem Kopf in den Körper« und hilfst dir dadurch, emotional und gedanklich zur Ruhe zu kommen, Vertrauen und Sicherheit zu finden sowie Antrieb und Kraft. Bewusst für dich zu atmen, fördert deine Stoffwechselprozesse, versorgt dich mit Sauerstoff und reguliert Stress in deinem Nervensystem. Ich liebe unseren Atem und Breathwork aus all diesen Gründen.

Für dich zu atmen, ist der schönste Akt der Selbstliebe, Selbstfürsorge und Bestärkung, den du dir schenken kannst.

Wie du mit Breathwork anfangen kannst