Onboarding - Klaus Moser - E-Book

Onboarding E-Book

Klaus Moser

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Beschreibung

Die erfolgreiche Einführung und Integration neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch als "Onboarding" bezeichnet, ist für jede Organisation von zentraler Bedeutung und eine Kernaufgabe der Personalarbeit. Gelingt sie, dann werden nicht nur Fehler, Unfälle und Stress vermieden, sondern auch Lernprozesse initiiert sowie die Entwicklung von Commitment und Teamgeist der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefördert. Dieses Buch macht deutlich, dass das Onboarding schon bei der Rekrutierung beginnt und je nach Zielgruppe ganz unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Als wesentliche Maßnahmen, die zu einer gelungenen Integration neuer Beschäftigter beitragen können, werden beschrieben: realistische Tätigkeitsvorschau, die Verwendung informeller Rekrutierungsmethoden, die Integration durch Führungskräfte und Teammitglieder, Schulungs- und Orientierungsprogramme, Paten- und Mentoringsysteme, Coaching und Supervision, Traineeprogramme, Teamentwicklung, der Einsatz von Social Media und finanzielle Anreize. Es werden jeweils Grundprinzipien, Wirkmechanismen, Evaluationsergebnisse und Fallbeispiele vorgestellt. Zudem werden deren Einordnung in die Organisationsstrategie, aber auch die Grenzen von Methoden zur Integration neuer Beschäftigter diskutiert. Für die 2. Auflage wurden die Praxisbeispiele neu aufbereitet und erweitert, insbesondere die Ausführungen zu Migration und Social Media überarbeitet und die wissenschaftliche Literatur aktualisiert.

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Klaus Moser

Roman Souček

Nathalie Galais

Colin Roth

Onboarding

Neue Beschäftigte erfolgreich integrieren

2., überarbeitete Auflage

Praxis der Personalpsychologie

Human Resource Management kompakt

Band 37

Onboarding

Prof. Dr. Klaus Moser, Prof. Dr. Roman Souček, Dr. Nathalie Galais, Dr. Colin Roth

Die Reihe wird herausgegeben von:

Prof. Dr. Jörg Felfe, Prof. Dr. Benedikt Hell, Dr. Rüdiger Hossiep, Prof. Dr. Martin Kleinmann, Prof. Dr. Bettina Kubicek

Die Reihe wurde begründet von:

Prof. Dr. Heinz Schuler, Dr. Rüdiger Hossiep, Prof. Dr. Martin Kleinmann, Prof. Dr. Werner Sarges

Prof. Dr. Klaus Moser, geb. 1962. Studium der Psychologie und Wissenschaftslehre an der Universität Mannheim. 1986–1995 wiss. Angestellter an der Universität Hohenheim, dort 1989 Promotion und 1994 Habilitation. Von 1995–1998 Professor für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie an der Universität Gießen. Seit 1998 Professor für Psychologie, insbes. Wirtschafts- und Sozialpsychologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Prof. Dr. Roman Souček, geb. 1976. Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Prague University of Economics and Business, Czech Republic. 2005 Promotion und 2018 Habilitation an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 2002–2022 wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl für Psychologie, insbes. Wirtschafts- und Sozialpsychologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit 2022 Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der MSH Medical School Hamburg.

Dr. Nathalie Galais, geb. 1969. Studium der Psychologie an der Universität Gießen und der Universidad Autónoma in Madrid. Lehrbeauftragte am Lehrstuhl für Psychologie, insbes. Wirtschafts- und Sozialpsychologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 2003 Promotion an der Universität Erlangen-Nürnberg. Seit 2019 Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin am IVS Fürth.

Dr. Colin Roth, geb. 1978. Studium der Sozialwissenschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg. 2003–2008 Organisations- und Personalentwicklung bei der GfK SE. 2007 Promotion im Fach Wirtschaftspsychologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 2008–2010 Post-Doc an der University of Central Florida. 2008 Gründung des Beratungsunternehmens BlackBox/Open sowie 2016 Gründung des Softwareunternehmens Feedbit Software.

Die 1. Auflage des Bandes erschien 2018 unter dem Titel „Onboarding – Neue Mitarbeiter integrieren“.

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www.hogrefe.de

Umschlagabbildung: © iStock.com / andresr

Satz: Franziska Stolz, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

Format: EPUB

2., überarbeitete Auflage 2024

© 2018 und 2024 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-3224-3; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-3224-4)

ISBN 978-3-8017-3224-0

https://doi.org/10.1026/03224-000

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Diese Bestimmungen gelten gegebenenfalls auch für zum E-Book gehörende Download-Materialien.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

1  Einleitung: Grundlagen und Stellenwert

1.1  Grundlagen

1.1.1  Onboarding und Einarbeitung

1.1.2  Orientierung und organisationale Sozialisation

1.1.3  Onboarding: Integration von Beschäftigten in die Organisation

1.2  Stellenwert und Aktualität

1.2.1  Demografischer Wandel und Diversität

1.2.2  Veränderung von Arbeitsbeziehungen

1.2.3  Zuverlässigkeit und Flexibilität von Organisationen

1.2.4  Zunahme von flexiblen Beschäftigungsformen

1.2.5  Proteische Karriere als Alternative zur Integration in die Organisation?

1.2.6  Freigemeinnützige Arbeit

2  Modelle und Zielkriterien

2.1  Sicherheit und Compliance

2.2  Kenntnisse und Fertigkeiten

2.3  Passung und Commitment

2.4  Rolle und Identität

2.5  Stressprävention und -bewältigung

2.6  Zwischenfazit

3  Analyse und Handlungsempfehlungen

3.1  Bedarfsanalyse

3.2  Aktivitäten und Maßnahmen

3.3  Zwischenfazit

4  Maßnahmen und Vorgehen

4.1  Realistische Tätigkeitsvorschau

4.2  Informelle Rekrutierungsmethoden

4.3  Integration durch Vorgesetzte

4.4  Integration durch Teammitglieder

4.5  Einführungsprogramme

4.6  Patensysteme

4.7  Mentoring

4.8  Coaching und Supervision

4.9  Trainee-Programme

4.10  Teamentwicklung

4.11  Social Media und die Integration neuer Beschäftigter

4.12  Monetäre Anreize

4.13  Zwischenfazit: Integration im Kontext

5  Ausblick

5.1  Reintegration

5.2  Proaktivität und Job Crafting

5.3  Grenzen des Onboardings

6  Fallbeispiele

6.1  Fallaufgabe: Beispiele von Integrationsprogrammen

6.2  Einzelcoaching in einem mittelständischen Unternehmen

6.3  Digitales Onboarding bei quantics plus

6.4  Digitales Onboarding bei TÜV NORD

6.5  Interview: Digitales Onboarding bei der DATEV eG

7  Literaturempfehlungen

8  Literatur

9  Anhang: Interviewleitfaden zum Onboarding

10  Sachregister

Karten

Fragebogen zur Rollenklarheit bei der Arbeit

Onboarding-Checkliste

Hinweise zu den Karten

|1|1  Einleitung: Grundlagen und Stellenwert

Auf den ersten Blick gibt es nur sehr wenig Fachliteratur zu den Themen Onboarding bzw. Integration neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dies liegt bei genauerer Betrachtung allerdings vor allem daran, dass entsprechende Forschung, aber auch Methoden, Maßnahmen und Ratschläge, über verschiedene andere Themengebiete und unter verschiedenen Überschriften verteilt zu finden ist bzw. sind. Beispielsweise finden sich Überlegungen und Ansätze im Bereich des Personalmarketings (Moser & Sende, 2014) und der Personalauswahl (Schuler, 2014), aber auch die Trainings- und Personalentwicklungsforschung und das Leistungsmanagement befassen sich mit Teilfragen der Integration in die Organisation. Vor allem aber ist sie eine Themenstellung im Gebiet der organisationalen Sozialisation (Moser, Soucek & Hassel, 2014).

Organisationale Sozialisation steht für den Prozess der Vermittlung von Wissen, Fertigkeiten und Kenntnissen, Regeln, Normen, Rollenerwartungen und Werten von Organisationen an Individuen.

Dieser Prozess findet kontinuierlich statt und umfasst somit den Eintritt in die Organisation ebenso wie z. B. den Übergang in eine Führungsposition, die Rückkehr nach einer Erziehungspause oder die Vorbereitung auf den Ruhestand. Die Integration neuer Beschäftigter stellt somit ein Teilgebiet der organisationalen Sozialisation dar. Daneben existieren noch drei weitere Begriffe, die Überschneidungen mit dem Begriff Integration haben: Onboarding, Einarbeitung und Orientierung. Im folgenden Kapitel werden zum einen diese Grundlagenfragen der Begrifflichkeit und zum anderen Bedeutung und Aktualität des Themas „Onboarding“ bzw. „Integration neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ erläutert.

1.1  Grundlagen

1.1.1  Onboarding und Einarbeitung

Der Begriff Onboarding hat sich in der Praxis vieler Organisationen durchgesetzt, wenn es darum geht, dass Menschen zu neuen Beschäftigten werden. Was wird damit ausgedrückt, dass deren Aufnahme als „An-Bord-Nehmen“ beschrieben wird? Es werden damit drei Aspekte deutlich (Klein & Polin, 2012): Erstens ist organisationale Sozialisation primär etwas, was mit einer Person im organisationalen Kontext passiert. Onboarding steht dabei für organisationale Maßnahmen, die unter anderem zur Sozialisation beitragen sollen. Da diese Maßnahmen in einem frühen Stadium des Eintritts in eine Organisation stattfinden, können sie auch als |2|Einarbeitungsmaßnahmen bezeichnet werden. Zweitens gehören auch proaktive Verhaltensweisen, also solche Verhaltensweisen, die Individuen „aus sich heraus“ zeigen (z. B. um Feedback bitten) zur Sozialisation, sie sind aber offensichtlich nicht Bestandteil der Einarbeitungsmaßnahmen durch die Organisation. Drittens schließlich ist organisationale Sozialisation ein überdauernder, längerfristiger Prozess. Im Gegensatz dazu bezieht sich die Einarbeitungsphase auf die ersten Wochen und Monate einer neuen Tätigkeit, und dies üblicherweise in einer neuen Organisation. Mehr als der Begriff Einarbeitung macht der Anglizismus Onboarding („an Bord nehmen“) zudem deutlich: Die Umgebung ändert sich, bisherige Erfahrungen zählen nicht besonders viel, es gibt klare Grenzen, man kann nur unter erschwerten Bedingungen „das Schiff“ wieder verlassen, es gibt ein Regelwerk und eine spezielle Kultur. Nicht zuletzt gibt es auch klare Passagen, die Neulinge durchlaufen (vgl. die traditionellen Unterscheidungen von Schiffsjunge, Jungmann, Leichtmatrose, Vollmatrose). „Learning the ropes“ hat sich als Idiom für „sich einarbeiten“ durchgesetzt, eine Abwandlung von „know the ropes“, ein alter seemännischer Begriff, der wörtlich dafür steht, dass man weiß, wie die Taue an Bord zu handhaben sind, um Segel zu setzen bzw. einzuholen. Dabei schwingt aber weit mehr Bedeutung im Anglizismus mit als im nüchternen Begriff der Einarbeitung, mit dem z. B. auch ein schlichtes Anlernen an einer Maschine gemeint sein kann.

Zusammenfassend beschreiben Onboarding und Einarbeitung Maßnahmen der Organisation, die mit der Aufnahme in die Organisation beginnen und in überschaubarer Zeit enden. Es werden Wissen, Fertigkeiten und Regeln vermittelt. Im Begriff Onboarding schwingt dabei mit, dass es gewichtigere Veränderungen sind, während die Einarbeitungsmaßnahme suggeriert, es gehe um einen überschaubaren zeitlichen Aufwand für die Beteiligten. Mittlerweile ist der Begriff Onboarding sehr populär geworden, weshalb er auch in diesem Buch verwendet wird, und zwar weitgehend gleichbedeutend mit organisationalen Maßnahmen zur Integration neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Organisation.

1.1.2  Orientierung und organisationale Sozialisation

Eine weitere Unterscheidung im Themengebiet der Integration neuen Personals ist diejenige von organisationaler Sozialisation und Orientierung (Wanous, 1993). Orientierung steht für den Prozess, durch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die organisationalen Regeln, Prinzipien und Verfahrensweisen erlernen. Orientierungsprogramme sollen aber nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch Unsicherheit reduzieren und Enttäuschungen vermeiden helfen. Damit wird zugestanden, dass Onboarding oder Einarbeitung nicht nur an fehlendem Wollen und Können der Neulinge scheitern könnten. Orientierungsprogramme zielen vor allem darauf ab, Stressreaktionen zu reduzieren, sie sind dabei eher formaler Natur und dauern meist nur kurze Zeit (wenige Stunden bis eine Woche). In den meisten Fäl|3|len beginnt der Orientierungsprozess bereits, bevor die Neulinge die Organisation überhaupt betreten, zum Beispiel über Informationen auf der Website, über anderes zur Verfügung gestelltes Material oder die Formulare, die sie vonseiten der Personalabteilung auszufüllen haben (Feldman & O’Neill, 2014). Damit ist ein weiterer Unterschied zu Onboarding und Einarbeitung eingeführt.

Kurzfristigkeit und vergleichsweise konkrete Ziele sind bestimmende Merkmale von Orientierungsprogrammen, die vor allem der Wissensvermittlung und dem Kennenlernen dienen, und zu denen Maßnahmen wie formale Orientierungsveranstaltungen (Informationen über die Organisation, die Produkte, die Abteilungen usw.), externe Schulungen oder Seminare für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählen. Ähnlich wie beim Onboarding oder der Einarbeitung spielen Orientierungsprogramme vor allem dort eine bedeutende Rolle, wo es zu Beginn des Eintritts in eine Organisation darum geht, spezifisches Wissen über Regeln und Prozeduren zu vermitteln. In solch einem Fall würde man also erwarten, dass erfolgreiche Orientierungsprogramme dazu beitragen, das Ausmaß an kontraproduktivem Verhalten zu reduzieren, man könnte auch sagen: Konformität sicherzustellen.

Damit ist nun zugleich eine Antwort auf die Frage möglich, warum oft der Begriff „Integration“ verwendet wird. Damit soll nämlich deutlich gemacht werden, dass dort eine größere Nähe zur organisationalen Sozialisation existiert, wo es um die Vermittlung bzw. die Aneignung von Normen und Werten geht. Die Bedeutung von weiterreichenden Methoden der organisationalen Sozialisation ist demgegenüber dort größer, wo es darum geht, dafür zu sorgen, dass Kultur und Klima einer Organisation auf eine Art und Weise vermittelt werden, dass diese leistungsrelevant werden. Beispielsweise kann man über Arbeitszeitregeln berichten, das Funktionieren der Stechuhr erläutern usw. und damit darauf abzielen, Pünktlichkeit zu gewährleisten. Man kann aber auch Vertrauensarbeitszeit propagieren, durchblicken lassen, dass „hier keiner auf die Uhr schaut“, wenn noch ein Kundenauftrag zu erledigen ist oder Erzählungen über 80-Stunden-Wochen kultivieren. Dabei ist im Übrigen davon auszugehen, dass die stärksten Effekte von Kultur und Klima nicht im Bereich der Kernleistung, sondern des Extra-Rollenverhaltens („Organizational Citizenship Behavior“ wie Hilfsbereitschaft, Loyalität oder Verzicht auf Kleinlichkeit) feststellbar sind (Feldman & O’Neill, 2014). Wenn man sich also die Frage stellt, wie produktiv denn in den oben gemeinten Organisationen gearbeitet wird, dann sollte im letztgenannten Fall gar nicht unbedingt eine hohe Kernleistung erwartet werden, vermutlich kann man aber erleben, dass sich die Betreffenden gegenseitig helfen, positiv über ihre Arbeit und ihre Organisation sprechen und eventuelle Probleme untereinander nicht gleich mithilfe eines Betriebsrats oder gar eines Arbeitsgerichts verhandeln müssen.

Eine klare Abgrenzung zwischen Orientierung und Sozialisation wird zwar gelegentlich gefordert und vorgenommen (Wanous, 1993), sie kann aber nicht besonders trennscharf ausfallen. Beispielsweise haben Einarbeitungsmaßnahmen durch |4|andere Teammitglieder bzw. die Arbeitsgruppe oder eine Führungskraft (vgl. u. a. Bauer & Green, 1998) vermutlich sowohl unmittelbar orientierende als auch längerfristig sozialisierende Auswirkungen.

In Tabelle 1 sind die Unterschiede zwischen den Themengebieten des Onboardings und der organisationalen Sozialisation sowie Einarbeitung und Orientierung zusammenfassend dargestellt.

Tabelle 1:  Onboarding vs. Organisationale Sozialisation

Onboarding

Einarbeitung

Orientierung

Organisationale Sozialisation

Maßnahmen der Organisation, die mit der (absehbaren) Aufnahme in die Organisation beginnen und nach längerer, aber noch überschaubarer Zeit enden. Inhalte können auch die Vermittlung einer Kultur oder die Ermutigung von Proaktivität sein.

Maßnahmen der Organisation, die nach der Aufnahme in die Organisation beginnen und nach relativ kurzer Zeit enden, wobei der Fokus auf die Vermittlung von Wissen, Fertigkeiten und Regeln gerichtet ist.

Maßnahmen der Organisation, die mit der (absehbaren) Aufnahme in die Organisation beginnen und nach relativ kurzer Zeit enden, wobei Regeln, Prinzipien und Verfahrensweisen vermittelt werden.

Prozess, in dem Wissen, Fertigkeiten und Kenntnisse, Regeln, Normen, Rollenerwartungen und Werte von Organisationen an Individuen vermittelt bzw. vom Individuum erworben und/oder weiterentwickelt werden.

Das Individuum wird in die Organisation integriert, erhält Angebote, soll teilweise Bisheriges „loslassen“.

Das Individuum wird in die Organisation integriert, angepasst und für die Arbeitstätigkeit „fit gemacht“.

Das Individuum wird in die Organisation integriert und angepasst.

Das Individuum wird beeinflusst, entwickelt sich und beeinflusst seine Umwelt.

Mittelfristiger Prozess, positions- und organisationsorientiert

Kurzfristiger Prozess, positionsorientiert

Kurzfristiger Prozess, organisations- und positionsorientiert

Langfristiger Prozess, berufslaufbahnorientiert

1.1.3  Onboarding: Integration von Beschäftigten in die Organisation

Mit den hier verwendeten Begriffen „Onboarding“ und „Integration in die Organisation“ wird zum Ausdruck gebracht, dass es um länger andauernde Prozesse geht, gleichwohl sollen aber auch Methoden behandelt werden, die kurzfristige Ziele und Maßnahmen betreffen. Zudem geht es sowohl darum, wie Individuen |5|integriert werden, als auch, wie diese sich selbst integrieren. Integration und Onboarding gehen über Einarbeitung und insbesondere Orientierung hinaus, es handelt sich um einen Prozess der Aufnahme in soziale Systeme. Diese Aufnahme ist nicht nur formaler Natur, dass also die Mitgliedschaft festgestellt wird, sondern sie bedeutet auch eine Standortbestimmung, es gilt die eigene Rolle zu finden und soziale Beziehungen aufzubauen. In der Hauptsache geht es darum, dass sich Individuen in diese Systeme erfolgreich integrieren, auch wenn dies in Einzelfällen bedeuten kann, dass es dem Individuum gelingt, jene Systeme sogar zu verändern oder zumindest dazu zu bringen, auch Eigenarten des Individuums zu akzeptieren.

Onboarding richtet sich in erster Linie an die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, an den Onboarding-Maßnahmen sind zudem weitere Akteure beteiligt, wie etwa Führungskräfte und Teammitglieder, aber auch Einrichtungen der Organisation, wie z. B. die Personalabteilung (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1:  Akteure des Onboardings

1.2  Stellenwert und Aktualität

Wie bedeutsam ist es aber nun, sich mit der Frage der Integration von Beschäftigten auseinanderzusetzen? In den letzten Jahren war viel die Rede davon, dass weder Individuum noch Organisation ein erhebliches Interesse daran hätten, intensivere Beziehungen einzugehen. Der psychologische Vertrag zwischen Beschäftigten und Organisationen habe sich insbesondere im Zuge der zunehmenden Flexibilisierung und Instabilität von Beschäftigungsverhältnissen gewandelt. So wurde behauptet, Individuen würden ihre Arbeitsplätze innerhalb von 20 Jahren annähernd zehnmal wechseln, was einem Neueintritt in eine Organisation im |6|Rhythmus von zwei Jahren entspreche (Bauer & Erdogan, 2011). Allerdings sind weder diese Argumentation besonders überzeugend, noch die sich daraus ergebenden Konsequenzen klar. Zum einen gibt es Belege dafür, dass der Wandel in der Qualität der Beschäftigungsverhältnisse gar nicht so erheblich ist, wie lange Zeit behauptet wurde (Moser, Hecker & Galais, 2016). Zum anderen sollten eigentlich gerade fragilere Beschäftigungsverhältnisse dazu anregen, sich umso mehr Gedanken über eine erfolgreiche Integration zu machen. Sei es, dass diese umso häufiger erforderlich ist, sei es, dass angesichts zunehmend diverser Gruppen von Beschäftigten (z. B. Kernbelegschaft vs. flexibel Beschäftigte) neue, flexible Formen der Integration entwickelt werden müssen.

Darüber hinaus sprechen aus unserer Sicht drei übergreifende Trends dafür, weiterhin große Erwartungen an Maßnahmen zur Integration haben zu müssen: (1) Demografischer Wandel und Diversität, (2) die Veränderung und insbesondere Virtualisierung von Arbeitsbeziehungen und (3) das immer deutlicher werdende Spannungsverhältnis von Verlässlichkeit und Flexibilität, mit dem viele Organisationen konfrontiert werden.

1.2.1  Demografischer Wandel und Diversität

Ein wesentlicher Anlass dafür, sich mit der Herausforderung „Integration in die Organisation“ zu beschäftigen, sind absehbare bzw. bereits stattfindende demografische Veränderungen. Dies betrifft zunächst einmal jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und dies aus drei Gründen: Erstens erleben mittlerweile viele Organisationen ein quantitatives Defizit an qualifizierten Bewerbungen für Ausbildungsplätze und Einstiegstätigkeiten, was es umso wichtiger macht, für eine erfolgreiche Integration zu sorgen. Dies führt u. a. dazu, dass Organisationen auch mit der Qualität ihres Integrationsprogramms werben (siehe das Beispiel im Kasten).

Beispiel: Onboarding bei ALTANA

Der Prozess des Einstiegs und der beruflichen Entwicklung beginnt in diesem internationalen Konzern mit dem Onboarding. Drei Komponenten werden dabei unterschieden:

„Vor dem ersten Arbeitstag: Bereits vor dem ersten Arbeitstag wird Ihr Kommen im Unternehmen angekündigt. Sie finden einen gut ausgestatteten Arbeitsplatz vor und erhalten einen Einarbeitungsplan.

Begrüßung: Am ersten Tag werden Sie persönlich durch Ihren Vorgesetzten begrüßt und im Unternehmen rundgeführt. Dabei werden Sie Ihren Kollegen vorgestellt und lernen alle wichtigen Räumlichkeiten kennen. Sie erhalten eine Willkommensmappe mit Unterlagen über den Konzern und die lokale Gesellschaft.

|7|Die erste Woche: In den ersten Tagen führen Sie mit Ihrer Führungskraft diverse Einarbeitungsgespräche. Hierzu gehört auch die Vorstellung des Unternehmens, der Geschäftsbereiche und der Unternehmenskultur. Sie erhalten zudem eine Sicherheitsschulung. Produktions- und Laborbesichtigung sowie Gespräche mit dem Personalbereich gehören in der Regel auch zum Einarbeitungsprogramm. Informationen zur IT und zum Administrationsbereich werden durch die Organisationseinheit bereitgestellt. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Leitfäden für bestimmte Vorgänge.“

Quelle: https://www.altana.de/karriere/warum-altana/vorteile.html (abgerufen am 22.06.2023)

Zweitens nimmt die Diversität in Bezug auf die ethnische Zugehörigkeit und die Nationalität von potenziellen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland stetig zu. So lebten Ende 2021 ca. 11,82 Millionen Ausländer in Deutschland. Die Zahl der ausländischen Bürger in der Bundesrepublik Deutschland hat sich damit in den letzten 10 Jahren um ca. 71 % erhöht und der Ausländeranteil stieg auf 13,1 % an. Die Anzahl der sich in Deutschland aufhaltenden Schutzsuchenden ist dabei von 2007 bis 2022 um mehr als das Sechsfache angestiegen, nämlich von 0,457 auf 3,079 Millionen (Statista, 2023a). Die größte Gruppe mit rund einer Million stammt im Jahr 2022 aus der Ukraine, gefolgt von 0,674 Millionen Menschen aus Syrien (Statista, 2023b). Die Entwicklung hinsichtlich der Einbürgerung von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland ist in den vergangenen zwei Jahren wieder angestiegen auf 0,169 Millionen im Jahr 2022 (Statista, 2023c). Bei Betrachtung dieser Zahlen muss berücksichtigt werden, dass die Zahl der Fortzüge von Ausländern aus Deutschland in den letzten zehn Jahren ebenfalls stetig gestiegen ist auf 1,224 Millionen Personen im Jahr 2022 (Statista, 2023d). Im Jahr 2022 hatte fast jede dritte erwerbstätige Person in Deutschland einen Migrationshintergrund (Statista, 2023e).

In der Vergangenheit begegneten offensichtlich viele Arbeitgeber den Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund sowie aus dem Ausland mit Skepsis. Zschirnt und Ruedin (2016) fanden in ihrer Metaanalyse, die auf Feldexperimenten in unterschiedlichen OECD-Ländern basiert, dass Bewerber und Bewerberinnen mit Migrationshintergrund benachteiligt wurden und eine geringere Resonanz auf identische Bewerbungen erhielten im Vergleich zu Personen ohne Migrationshintergrund. Hier wird deutlich, dass Vorurteile und negative Einstellungen gegenüber bestimmten ethnischen Gruppen zu Diskriminierung führen. Diese betraf gleichermaßen die erste und die zweite Generation von Migrantinnen und Migranten, obwohl bei der zweiten Generation Sprachschwierigkeiten und Unterschiede im durchlaufenen Bildungssystem keine Rolle mehr spielen sollten. Die Autoren beobachteten länderspezifische Präferenzen und systematische Benachteiligungen unterschiedlicher ethnischer Gruppen. Weiterhin konnten Zschirnt und Ruedin (2016) zeigen, dass Informationsdefizite bezüglich der Ein|8|ordnung und Beurteilung von schulischen und beruflichen Vorerfahrungen im Ausland ebenfalls zu Benachteiligung führen können, auch wenn diese für die Benachteiligung weniger bedeutsam waren als Vorurteile gegen bestimmte ethnische Gruppen.

Unter jüngeren Menschen mit Migrationshintergrund haben insbesondere männliche Jugendliche in Deutschland schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, selbst wenn man Ausbildungsniveau, Schulnoten, Sprachkompetenzen, Qualität der sozialen Netzwerke, Suchverhalten und Ausbildungspräferenzen statistisch kontrolliert (Diehl, Friedrich & Hall, 2009). Nach einer Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung aus dem Jahr 2011 hatten 6,6 % der Auszubildenden in Deutschland einen Migrationshintergrund, wobei dieser dann als gegeben galt, wenn diese im Ausland geboren waren oder keine deutsche Staatsangehörigkeit hatten. Dieser Definitionshinweis ist deshalb bedeutsam, weil in anderen Statistiken in Deutschland beispielsweise schon dann von einem Migrationshintergrund gesprochen wird, wenn ein Elternteil nicht in Deutschland geboren ist.

Vorbehalte gegen bestimmte Ethnien können verschieden begründet sein. Es ist nicht nur denkbar, dass schlichte Antipathien gegenüber bestimmten Ethnien Entscheider beeinflusst haben. Etwas subtiler könnten Überlegungen sein, dass von einer befürchteten negativen Reaktion von Kunden oder Klienten ausgegangen wird oder auch einer allgemein schwierigeren Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in die spezifische Arbeitsgruppe, aber auch in die gesamte Organisation. Teilweise mögen es auch Bedenken sein, dass im Falle von Jugendlichen das Ausbildungsverhältnis keinen Bestand haben könnte. So bestand etliche Jahre für die in Deutschland Schutz suchenden Flüchtlinge, die Asylbewerber aus unsicheren Herkunftsländern waren und in einer Berufsausbildung standen, keine Sicherheit, zumindest für drei Jahre, also bis zum Ende der Ausbildungszeit, in Deutschland bleiben zu dürfen.

Teile der Politik scheinen reagiert zu haben. Menschen, die im Jahr 2022 aus der Ukraine flüchten mussten, wurde generell schneller als bisher die Möglichkeit gegeben, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Umsetzung oblag allerdings der Eigeninitiative der Geflüchteten und der Offenheit einzelner Organisationen. Erfahrungen zu erfolgreichen Integrationsprozessen haben daher nur anekdotischen Charakter. Es drängt sich aber der Eindruck auf, dass private Initiativen von Helferinnen und Helfern ausschlaggebend für die Herstellung von Kontakten mit Organisationen waren.

Angesichts des Fachkräftemangels und der steigenden Anzahl von Geflohenen, die in Deutschland Zuflucht suchen, stellt sich die Frage, welche Integrationsmaßnahmen bisher ergriffen wurden und welche Erfahrungen die Geflohenen und die Arbeitgeber hiermit gemacht haben. Hierzu gibt es jedoch kaum Forschungsergebnisse. Eine qualitative Studie kommt zu dem Schluss, dass deren Integration kaum institutionalisiert ist und stattdessen von den Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzten am Arbeitsplatz die notwendige Unterstützung geleistet wird, um sprach|9|liche, kulturelle und bürokratische Hürden zu überwinden (Rybnikova & Wilkmann, 2021).

Institutionalisierte Angebote und strukturierte Prozesse der Integration von Beschäftigten aus anderen Ländern finden sich demgegenüber in international ausgerichteten Organisationen im Umgang mit sogenannten „High Potentials“. Die Maßnahmen kommen sowohl bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Ausland als auch bei der Eingliederung von Expatriates, die organisationsintern von Standorten in anderen Ländern wechseln, zum Einsatz. Hierbei kümmert sich das Relocation Management um die Organisation vieler Lebensbereiche, z. B. die Wohnungssuche oder Ämtergänge sowie Sprachkurse, Familiennachzug und Dual-Career-Angebote.

Zunehmende Diversität bedeutet auch, dass mehr ältere Menschen erwerbstätig sind und bleiben. Und auch das Thema Integration betrifft vermehrt Ältere, und dies aus zwei Gründen: Zum einen sind Organisationen durchaus bereit, auch älteren Bewerberinnen und Bewerbern Ausbildungsplätze anzubieten (siehe das Beispiel im Kasten), und berufliche Veränderungen im fortgeschrittenen Alter sind nicht nur exotische Ausnahmen.

Ältere als neue Auszubildende

„Ausbildung 50+“ – Mit diesem Begriff wirbt die ING-DiBa um über 50-Jährige, die einen Wiedereinstieg ins Berufsleben anstreben. Sie können eine Ausbildung zum Bankassistenten – in den Schwerpunkten Immobilienfinanzierung oder Kundendialog – beginnen. Im Jahr 2011 wurde das Unternehmen für diese Initiative mit dem Deutschen Diversity Preis für das innovativste Projekt ausgezeichnet.

Quelle: https://www.ing.de/ueber-uns/presse/pressemitteilungen/ausbildungs​jahrgang-50-nuernberg (abgerufen am 22.06.2023)

Auch aus der Verlängerung der Lebensarbeitszeit bzw. der Verschiebung der Verrentungsgrenzen resultieren mehr Personen, die in weiter fortgeschrittenem Alter noch zu neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden können. Der Anteil der über 60 Jahre alten erwerbstätigen Personen hat seit der Jahrtausendwende erheblich zugenommen. Zudem nimmt der Wunsch zu, auch nach Beginn der Rentenzeit noch erwerbstätig sein zu wollen, sei es aus Interesse, sei es aus schlichter finanzieller Notwendigkeit. Solche „Brückentätigkeiten“ können auch neue Aufgaben und damit die Integration in neue Organisationen bedeuten.

Demografischer Wandel und Zunahme von Diversität liegen oft nahe beieinander bzw. werden oft zusammen diskutiert. Die gerade erwähnte Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist ein Resultat des demografischen Wandels, nämlich abnehmender Geburtenraten bei gleichzeitiger Zunahme der durchschnittlichen Le|10|bensdauer. Hieraus kann aber auch mehr kulturelle und ethnische Diversität resultieren, wenn aufgrund von Personalmangel Menschen aus anderen Ländern und teilweise sogar Kontinenten rekrutiert werden.

Diversität kann aber auch aus Wanderungsbewegungen resultieren, aus dem Wunsch bzw. Entschluss, in ein anderes Land zu emigrieren, in manchen Fällen sind es aber auch wirtschaftliche Not oder die Furcht um das eigene Leben oder das der Familie. Selbst qualifizierte Immigranten sind mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert (Zikic, Bonache & Cerdin, 2010):

Defizite in spezifischem „lokalem Kapital“ (Zertifikate über Ausbildung und Kompetenzen werden im örtlichen Arbeitsmarkt nicht anerkannt)

Defizite in lokalen Ressourcen und Netzwerken (z. B. mangelnde Ortskenntnisse, fehlende nachbarschaftliche Beziehungen)

Mangelnde Kenntnisse der strukturellen und institutionellen Rahmenbedingungen des neuen Landes (z. B. Kenntnisse in Arbeitsrecht oder über Institutionen des Arbeitsmarkts)

Das Thema Migration und Integration kann man aus der Perspektive einer erschwerten Integration von Menschen mit Migrationsstatus diskutieren. Nicht nur sprachliche Barrieren und Qualifikationsmängel, auch Werthaltungen, Vorbehalte von Kolleginnen und Kollegen oder Kunden mögen erschwerend hinzukommen. Dabei ist die Integration in das Beschäftigungs- und Bildungssystem nur eine von mehreren Herausforderungen der Integrationsproblematik. Neben dieser strukturellen Integration gibt es auch kulturelle (Sprache, Gewohnheiten, Werthaltungen), soziale (z. B. die Integration in die soziale Umgebung, etwa den Stadtteil) und psychologische (z. B. die Identifikation mit der neuen Gesellschaft) Integrationsfragen. In der Integrationsforschung wird sogar vermutet, der Integration in das Bildungs- und Beschäftigungssystem komme eine besonders große Bedeutung für die Chance des Erfolgs der allgemeinen Integration in eine Gesellschaft zu (de Vroome & Verkuyten, 2015; siehe Kasten).

Neues Personal mit Migrationshintergrund – Flüchtlinge in Deutschland

Daten aus September 2015 sprechen dafür, dass die berufliche Qualifikation der Flüchtlinge deutlich geringer ist als bei anderen Ausländergruppen, im Bereich der schulischen Bildung ist das Gefälle nicht ganz so stark (Brücker, Hauptmann & Vallizadeh, 2015). Generell gibt es ein deutliches Bildungsgefälle zwischen Geflüchteten und dem Bevölkerungsanteil, der in Deutschland geboren ist. Hierbei gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass Geflüchtete im Durchschnitt jünger sind und ihre Bildungsbiografien daher noch nicht abgeschlossen haben. Insgesamt zeigt sich ein positiver Trend, wonach sich die Arbeitsmarktintegration in den letzten Jahren beschleunigt hat und etwa die Hälfte der Geflüchteten fünf Jahre nach Zuzug einer Erwerbsarbeit nachgeht (Brücker, Kosyakova & Schuß, 2020).

|11|Die bereits eingangs erwähnten Veränderungen in der demografischen Zusammensetzung der westlichen Bevölkerungen führen zwangsläufig zu mehr Diversität in der Erwerbsbevölkerung. Dies betrifft die zunehmende Zahl an Personen mit Migrationshintergrund, den Anteil an Frauen in der erwerbstätigen Bevölkerung, die Zunahme älterer Beschäftigter und von Personen mit vermeintlichem Handicap (siehe das Beispiel im Kasten). Für viele Organisationen ist die Vorstellung, „Behinderte“ zu beschäftigen, noch keine Selbstverständlichkeit. Initiativen wie die Organisation von „Schnuppertagen“ durch das Franziskuswerk (https://www.franziskuswerk.de/2022/03/30/integrationstag-2022) sind ein Beispiel, wie Organisationen dazu ermuntert werden, die Integrierbarkeit vermeintlich leistungsgewandelter Menschen zu überprüfen.

Leistungsgewandelt oder besonders leistungsfähig?

SAP hat im Mai 2013 bekannt gegeben, weltweit mit dem Unternehmen Specialisterne zusammenzuarbeiten, um Menschen mit Autismus als Softwaretester, Programmierer und Spezialisten für Datenqualitätssicherung einzustellen. Mit der gezielten Förderung der einzigartigen Talente von Menschen mit Autismus möchte SAP diese dabei unterstützen, einer sinnvollen Beschäftigung nachzugehen. Schätzungen zufolge ist rund 1 % der Weltbevölkerung von Autismus betroffen.

Quelle: https://news.sap.com/2013/05/sap-to-work-with-specialisterne-to-employ-people-with-autism (abgerufen am 22.06.2023)

Diversität ist aus drei Gründen eine besondere Herausforderung an die Integration neuer Beschäftigter. Zum ersten stellt sich die Frage, ob bei all dieser Unterschiedlichkeit für alle neuen Organisationsmitglieder die gleichen Maßnahmen angemessen und wirksam sind. Zum zweiten stellt sich die Frage, ob bestimmte Gruppen von Personen überhaupt oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand integrierbar sind. (In der Vergangenheit wurde etwa behauptet, ein bestimmter Prozentsatz jedes Jahrgangs sei prinzipiell nicht ausbildungsfähig.) Zum dritten schließlich stellt die Diversität per se eine Herausforderung für Kooperation dar, die wiederum das Herzstück jeder Organisation ist. Die psychologische Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass Diversität vor allem dann eine Herausforderung ist, wenn sie zu „faultlines“ führt, zu besonders deutlich sichtbaren Trennungen (Verwerfungen) und Subgruppen in der Belegschaft (Wegge & Schmidt, 2015). Wenn beispielsweise die älteren Teammitglieder in einer Arbeitsgruppe alle eine helle Hautfarbe haben, die jüngeren hingegen eine dunkle Hautfarbe, dann ist eine Grenzziehung besonders naheliegend. Diese „faultlines“ dürften zwar Zusammengehörigkeitsgefühl und Leistungsfähigkeit des Teams beeinträchtigen, unklar ist aber, wie groß solche Effekte in der Praxis sind. Zudem zeigt sich, dass es auslösende, aber auch hemmende Faktoren gibt, die so stark sein können, dass diese negativen Effekte von Diversität keineswegs auftreten müssen (|12|Homan & van Knippenberg, 2015). Dies lässt für die Zukunft die Frage aufkommen, ob Diversitätstrainings für alle Beschäftigten nicht zu einem wichtigen Bestandteil von Integrationsprogrammen werden sollten (Holladay & Quiñones, 2005).

1.2.2  Veränderung von Arbeitsbeziehungen

Arbeitsbeziehungen können vielfältig organisiert sein und dies trifft natürlich auch auf die Formen der Zusammenarbeit zu. Mittlerweile berichtet ein Großteil (über 70 %) der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland, in Gruppen zu arbeiten (Wegge, Jungmann, Schmidt & Liebermann, 2011). Zugleich zeigt sich allerdings auch, dass die Bedingungen des erfolgreichen Zusammenarbeitens erschwert sind. Dies lässt sich besser erklären, wenn die sechs zentralen Prozesse in bzw. Herausforderungen an Teams betrachtet werden (siehe Abbildung 2).