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Ja, er ist ein entsetzlicher Griesgram und millionenschwerer Junggeselle.
Ja, ich habe ihm einen Ego-Check verpasst, den er nie vergessen wird.
Ja, er bietet mir trotzdem den Job an, aus dem Träume gemacht sind.
Aber Cole Lancaster ist auch der Boss aus der Hölle. Unverschämt attraktiv. Und obendrein ein fürsorglicher Single-Dad. Nur seine Tochter kann ihn für einen Moment milder stimmen. Doch Eliza ist sicher, dass sie seine finsteren Blicke für das richtige Gehalt aushalten kann. Bis eine Geschäftsreise alles verändert. Plötzlich zeigt er ihr eine ganz andere Seite – ein weiches Herz, ein Milliarden-Dollar-Lächeln und Küsse, die gefährlicher sind als jeder Machtkampf im Büro.
Eliza dachte, der Job wäre das Risiko wert. Doch sie ahnte nicht, dass dabei ihr Herz auf dem Spiel steht ...
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Seitenzahl: 728
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Wir wünschen viel Vergnügen.
Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team
Ja, er ist ein entsetzlicher Griesgram und millionenschwerer Junggeselle. Ja, ich habe ihm einen Ego-Check verpasst, den er nie vergessen wird. Ja, er bietet mir trotzdem den Job an, aus dem Träume gemacht sind.
Aber Cole Lancaster ist auch der Boss aus der Hölle. Unverschämt attraktiv. Und obendrein ein fürsorglicher Single-Dad. Nur seine Tochter kann ihn für einen Moment milder stimmen. Doch Eliza ist sicher, dass sie seine finsteren Blicke für das richtige Gehalt aushalten kann. Bis eine Geschäftsreise alles verändert. Plötzlich zeigt er ihr eine ganz andere Seite – ein weiches Herz, ein Milliarden-Dollar-Lächeln und Küsse, die gefährlicher sind als jeder Machtkampf im Büro.
Eliza dachte, der Job wäre das Risiko wert. Doch sie ahnte nicht, dass dabei ihr Herz auf dem Spiel steht ...
Nicole Snow ist eine Wall Street Journal und USA Today Bestseller Autorin. Sie entdeckte ihre Liebe zum Schreiben, als sie sich in ihren Mittagspausen oder in langweiligen Büromeetings Liebesszenen ausdachte und sich in Liebesgeschichten wegträumte.
Im Mittelpunkt von Nicole Snows Büchern stehen sexy Alpha-Helden, viel Spannung und noch mehr Leidenschaft.
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Nicole Snow
One bossy Dare
Aus dem Amerikanischen von Cécile Lecaux
Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Titelinformationen
Grußwort
Informationen zum Buch
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KAPITEL I: EINFACH MAL DIE KLAPPE HALTEN (ELIZA)
KAPITEL II: Honigdachs (COLE)
KAPITEL III: EINE GENIALE IDEE (ELIZA)
KAPITEL IV: AUF IN DEN KAMPF (COLE)
KAPITEL V: KAFFEE AM MORGEN VERTREIBT KUMMER UND SORGEN (ELIZA)
KAPITEL VI: MEHR IST MEHR (COLE)
KAPITEL VII: KAFFEESPENDE (ELIZA)
KAPITEL VIII: SPEZIALAUFTRAG (COLE)
KAPITEL IX: DER KAFFEESNOB (ELIZA)
KAPITEL X: BITTERE PILLE (COLE)
KAPITEL XI: KAFFEESÜCHTIG (ELIZA)
KAPITEL XII: KAFFEEKATER (COLE)
KAPITEL XIII: REGENBOGENLAND (ELIZA)
KAPITEL XIV: KAFFEE FÜRS HIRN (COLE)
KAPITEL XV: DIE VERKOSTUNG (ELIZA)
KAPITEL XVI: KAFFEE-DATE (COLE)
KAPITEL XVII: DIE GEHEIMREZEPTUR (ELIZA)
KAPITEL XVIII: FEIN GEMAHLEN (COLE)
KAPITEL XIX: EIN STURM IM WASSERGLAS (ELIZA)
KAPITEL XX: BITTERER NACHGESCHMACK (COLE)
KAPITEL XXI: KOFFEIN-ÜBERDOSIS (ELIZA)
KAPITEL XXII: KAFFEEDUFT AM MORGEN VERTREIBT KUMMER UND SORGEN (COLE)
KAPITEL XXIII: EIN BITTERER TROPFEN (ELIZA)
KAPITEL XXIV: SCHERBENHAUFEN (COLE)
KAPITEL XXV: DIE PERFEKTE MISCHUNG (ELIZA)
KAPITEL XXVI: ESPRESSO STATT DEPRESSO (COLE)
Impressum
Lust auf more?
Manche Leute glauben, ihr Leben folge einer Melodie. Als würden im Hintergrund Dutzende bedeutungsvoller Songs spielen, die jedes Drama in ihrem Leben untermalen und betonen.
Ich glaube das nicht. Mein Leben wurde immer von einem Duft begleitet, der ihm anhaftet wie ein süßliches Parfum, und den würde ich um nichts in der Welt eintauschen.
Ich kann nur arbeiten, wenn ich von einer Wolke Kaffeeduft eingehüllt bin.
»Danke, dass du mich früher reinlässt, Wayne. Ich kann mich vor Beginn der offiziellen Bürozeiten einfach besser konzentrieren.« Ich streiche mir eine dicke dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Jederzeit, Eliza. Ich freue mich immer über nette Gesellschaft.« Wayne schiebt einen dampfenden Becher der letzten Kaffeekreation von Wired Cup über den Tresen, greift dann nach einem Küchenhandtuch und wischt damit über die blitzende Espressomaschine.
Es ist eine tröstliche, vertraute Routine, die ich schon Hunderte Male beobachtet habe.
Ich hebe den Becher an die Lippen und trinke einen kleinen Schluck. Es geht nicht nur um meine tägliche Koffeindosis. Seit ich den ersten Instantkaffee bei meiner Großmutter getrunken habe, ist das mein tägliches Aufwach-Ritual.
»Dunkle Röstung.« Noch ein kleiner Schluck, und ich lasse den Kaffee in meinem Mund kreisen. »… mit leichten Kakaonoten?«
»Fast! Sumatra-Röstung«, entgegnet er und kratzt sich den dichten Bart.
»Erhitzt bei eins achtzig?«
Er wirft mir einen beinahe beleidigten Blick zu. Natürlich, Lady, ich bin doch kein Anfänger. Er braucht es gar nicht laut auszusprechen – ich kann ihn denken hören.
Trotzdem mustere ich ihn aus zusammengekniffenen Augen.
»Echt jetzt? Alle unsere Heißgetränke in dieser Kategorie werden bei eins achtzig erhitzt. Das ist bei uns Standard.«
»Dachte ich mir. Der Kaffee ist nur … besser als sonst. Ich kann die einzelnen Noten schmecken. Sehr ordentlich …« Ich lege eine Pause ein und zucke demonstrativ mit den Schultern. »Jedenfalls für eine Kette.«
Wayne legt den Kopf in den Nacken und lacht schallend.
»Kaffee-Snob. Ich weiß schon, warum ich dich behalten habe.«
Ich lächle. »Ich bin kein Snob. Du weißt, wie offen ich bin. Aber ein guter Kaffee hat seinen eigenen Fingerabdruck. Er verrät seine Herkunft, den Jahrgang und die Anbaubedingungen. Darum ist jede Tasse einzigartig. Es ist wie ein Wunder.«
»Meine Güte, Mädchen, stell mich nicht auf ein Podest. Ich bin kein Kaffee-Guru, nur ein Typ, der mit Kaffee seinen Lebensunterhalt verdient.« Er fängt an, große Flaschen aromatisierten Sirups auf der Arbeitsfläche hinter dem Tresen zu sortieren.
Als Wayne mich wieder ansieht, hat er das Gesicht zu einer Grimasse verzogen.
»Manchmal kommt es mir vor, als würde die Abendschicht keinen Finger rühren«, brummt er. »Wunder wirst du in dieser bescheidenen Hütte nicht erwarten können. Versuch es mal bei Sweeter Grind. Die haben angeblich richtig guten Kaffee, und nach allem, was ich gehört habe, sind deren Riesen-Zimtschnecken ein Gedicht.«
Ich ziehe die Brauen hoch. »Du solltest keine Werbung für die Konkurrenz machen.«
»Ich werde nicht gut genug bezahlt, um loyal zu sein. Aber ich kann heute nicht so viel quatschen. Ich habe in Kürze ein Gespräch mit der Geschäftsleitung. Die reißen mir den Arsch auf, wenn der Laden nicht tipptopp auf Vordermann ist. Die Abendschicht hinterlässt immer einen Saustall, und das wirft ein schlechtes Licht auf uns alle.«
Ich nicke höflich und trinke diesmal einen größeren Schluck des Kaffees, an dem ich nicht das Geringste auszusetzen habe.
Ich verstehe, was er meint.
Wired Cup serviert seit Jahrzehnten einfach guten Kaffee und ist somit nicht ohne Grund die zweitgrößte Cafékette in Seattle.
Und die Leute, die hier arbeiten, sind wie der Kaffee.
Wayne zum Beispiel. Er ist ein guter Barista – vergisst nie meine Bestellung und gewährt mir diese ruhigen Momente zum Nachdenken, Durchatmen und Experimentieren –, und er nimmt seinen Job ernst. Er erinnert mich ein wenig an einen kampferprobten, abgestumpften Soldaten.
Ich sollte ihn in Ruhe arbeiten lassen. Ich schnappe mir mit einer Hand den heißen Becher und mit der anderen meine Handtasche und gehe zu einem Tisch an der Wand, wo ich ihn nicht weiter störe.
Sobald ich sitze, lasse ich die Handtasche zu Boden gleiten und hole das Notebook, den Stift und ein kleines Einmachglas heraus.
Ich weiß.
Man bringt nicht eigene Getränke mit in ein Café, auch nicht selbst zubereitete.
Gut, dass Wayne das egal ist.
Und Wired Cup ist so kundenfreundlich, dass deswegen auch niemand einen Aufstand macht.
Ich öffne das Einmachglas mit meiner letzten Probemischung und trinke einen großen Schluck der starken dunklen Flüssigkeit.
Geschmacksexplosion.
Und ich mittendrin.
Ich bin ehrlich stolz auf meinen über offenem Feuer gerösteten, samtweichen Kaffee, der gefühlt hundertmal stärker ist als jeder Kaffee im Wired Cup. Rauchig, laut und intensiv genug, dass sich meine Zehen in den Schuhen krümmen.
Gott.
Entweder bin ich bereits zu süchtig, um die Kaffeechemikerin zu spielen, oder ich bin gewaltig untervögelt.
Mein Blick fällt wieder auf den Becher von Wired Cup. Die neue Geschmacksrichtung ist gut, zumal für eine Kette, aber einen Tick zu langweilig.
Ich nehme eine Flasche Wasser aus der Tasche, um meinen Gaumen zu spülen, und nippe dann wieder zum direkten Vergleich an dem Pappbecher.
Ja. Ganz schwache Kakaonoten, nur ein leiser Hauch.
Das ist der merkliche Unterschied zwischen dieser neuen Kreation und dem »normalen« Kaffee hier. Der Kakao ist gut und weich für eine dunkle Röstung und erinnert an einen Mokka Light. Aber der Durchschnittsmensch braucht trotzdem zwei Tassen von dem Gebräu, um durch den Morgen zu kommen. Ich sogar vier.
Das bringt mich auf eine Idee …
S’mores-Kaffee.
Wenn ich meine letzte Kreation mit der richtigen Süße kombiniere, könnte es funktionieren.
Ich tüftle seit Monaten an dieser Lagerfeuer-Mischung, seit ich den Kaffee dieses Typen aus dem Obdachlosen-Zeltlager probiert habe. Diese Art der Röstung verleiht den Bohnen eine ganz besondere Note, die keine Kaffeekette reproduzieren könnte, nicht einmal, wenn sie es wollte und bereit wäre, das Risiko einzugehen.
Was, wenn Kakao die fehlende Zutat ist, die ich brauche, um meiner Mischung den letzten Schliff zu geben?
Ich lächle. Ein paar Kakaobohnen zur Lagerfeuer-Mischung und dazu etwas Karamell und Vanille. Und anstelle eines Graham Crackers ein Plätzchen einer belgischen Schokoladenmarke.
Verdammt, das ist es.
Ich bin heute wirklich inspiriert. Auch wenn der Kaffee nicht gut ankommt, und ich gebe zu, dass einige meiner Mischungen etwas ungewöhnlich sind, dürfte es nicht schwer sein, in der Stadt Leute zu finden, die die neueste Kreation probieren würden, wenn es dazu einen Keks mit belgischer Schokolade gäbe.
Ich trinke einen kräftigen Schluck aus dem Einmachglas und verkneife mir ein wohliges Stöhnen.
Köstlich.
Nach einem Campingausflug im Sommer ein altmodischer Kaffee, der von Holzfällern in karierten Flanellhemden am Lagerfeuer gekocht wurde. Als S’mores-Variante könnte das einschlagen wie eine Bombe.
Ich muss mir nur noch einen passenden Namen ausdenken.
S’more’ofee?
Nein, daran muss ich noch feilen.
Aber er schmeckt wirklich wie ein Sommermorgen. Ein friedlicher Sommermorgen.
Ich habe keine knappen Deadlines zu erfüllen, weshalb ich gerade keine Mega-Koffeindosis brauche, um zu funktionieren. Und der Kaffee von Wired Cup ist noch warm. Ich gehe an die Bar mit den kostenlosen Kaffeezusätzen, gebe Zucker und Sahne in den Becher und setze mich wieder, um das neue Gemisch zu kosten.
Zwar reicht der Kaffee nicht an Eliza Angelos Lagerfeuer-Kaffee heran, aber er schmeckt ganz ordentlich.
Ich fange an, mir Notizen in meinem Büchlein mit dem abgewetzten schwarzen Ledereinband zu machen, in dem meine Kaffeerezepturen der vergangenen drei Jahre stehen.
Eines Tages werden nicht mehr nur Freunde und eine Handvoll Tester meine Kreationen trinken.
Bei meinem bescheidenen Assistentinnengehalt wird es allerdings noch eine Weile dauern, bis ich mich mit einem eigenen Laden selbstständig machen kann.
Wenn es aber so weit ist, werde ich genug Kaffeemischungen und Gebäck parat haben, um durchzustarten.
»Meine Güte, Dad. Es ist so früh, und mir ist jetzt schon langweilig.« Eine unbekannte, etwas schrille Stimme schallt durch das Café. Sie klingt zu sehr nach Gossip Girl, als dass es Wayne sein könnte.
»Setz dich hin, Destiny«, erwidert eine brummige Männerstimme.
Ich blicke von meinem Notebook auf. Die Atmosphäre im Café hat sich verändert.
Plötzlich liegt greifbare Spannung in der Luft. Eine ganze Horde Anzugträger hat sich vor Waynes Tresen versammelt wie ein Rudel Wölfe.
Was zur Hölle?
Ach ja, er hat ja vorhin ein Gespräch mit der Geschäftsleitung erwähnt, und seine Kollegen sind noch nicht da, was ich ein wenig seltsam finde. Aber ich habe mir Frauen mittleren Alters vorgestellt, wie es bei den meisten Franchisenehmern der Fall ist.
Keine geballte Ladung Wall-Street-Haie. Aber was hat es mit dem Kind auf sich, dessen Stimme ich gehört habe, und was hat es bei diesen Typen zu suchen?
Ich lasse den Blick durch das Café schweifen.
Ein junges Mädchen im Teenageralter in einem schwarzen Kleid wandert zwischen den – von meinem abgesehen – leeren Tischen umher und lässt sich mit einem Buch auf einen Stuhl mir gegenüber fallen, vermutlich, weil die Stühle an den anderen Tischen noch verkehrt herum auf den Tischen liegen. Noch ist das Café ja offiziell geschlossen.
Interessant.
Die Manager stellen sich in einer ordentlichen Schlange auf. Sie blicken arrogant auf andere herab, als ginge es um die Weltherrschaft und nicht um die Positionierung am umkämpften Kaffeemarkt.
Als leidenschaftliche Krimileserin geht mir durch den Kopf, dass die Männer aussehen wie Mafiosi oder Geheimagenten der CIA. Wayne schiebt mit einem gezwungenen Lächeln, wie ich es noch nie an ihm gesehen habe, einen Becher über den Tresen.
Ein groß gewachsener Mann mit sandfarbenem Haar scheint der Anführer der Truppe zu sein.
Er greift nach dem Getränk, auf der einen Seite von einem Mann flankiert, auf der anderen von einer Frau. Beide treten beiseite, als wäre es tabu, die gleiche Luft zu atmen wie der Boss.
Los geht’s. Der Pate live und in Farbe. Ich mache dir ein Angebot, das du nicht ablehnen kannst …
Sein marineblaues Jackett spannt an den muskulösen Schultern und Armen, als er den Becher an den Mund hebt. Flüchtig begegnen sich unsere Blicke.
Uff.
Mir stockt der Atem.
Ich schmelze in meinem Stuhl dahin.
Das ist keiner von den schmerbäuchigen Managertypen, die locker fünfzig Pfund Übergewicht mit sich herumschleppen. Er ist jünger und sieht um Längen besser aus als Marlon Brando, noch dazu würde sein Blick einen echten Mafiaboss vor Neid erblassen lassen.
Züge wie gemeißelt. Adlernase. Strahlend blaue Augen.
Ich meine, er ist nicht mein Typ … Wobei … habe ich überhaupt einen Typ?
Er ist ein menschlicher Bulldozer in einem teuren Anzug.
Ein Mann, der aussieht, als wäre er von einem durchgeknallten Wissenschaftler als der perfekte Ladykiller erschaffen worden.
Eine Sekunde wünschte ich, ich wäre das marineblaue Jackett um seinen gestählten Körper. Aber wirklich nur eine Sekunde.
Von der finsteren Miene, die er zur Schau stellt, kann einem angst und bange werden.
Er starrt immer noch mit grimmigem Blick um sich, als er den Becher an den Mund hebt und ihn nach einem großen Schluck mit einem unzufriedenen Laut wieder sinken lässt.
Er wirkt auch kein bisschen freundlicher, als er im nächsten Moment den Plastikdeckel abnimmt, auf die neue Mischung zeigt und sagt: »Das nennen Sie eine kräftige Röstung?«
O Gott.
Mir bleibt fast das Herz stehen.
Er klingt wie ein Staatsanwalt, der Wayne beschuldigt, ein Kleinkind überfahren zu haben. Mein Zorn regt sich, und ich mache mir Sorgen um meinen Freund.
Wahrscheinlich liegt heute Abend ein abgetrennter Pferdekopf in seinem Bett – als kleine Aufmerksamkeit seines Chefs.
Das ist unfair.
Das Mädchen mir gegenüber lässt das Buch sinken, und unsere Blicke treffen sich. Sie beißt sich auf die Unterlippe. Verkneift sie sich ein Lachen? Oder ist ihr die Szene peinlich? Schwer zu sagen.
Grübchen erscheinen auf ihren Wangen, als sie versucht, das gequälte Lächeln zu verbergen. »Keine Angst. Heute ist er gut gelaunt«, flüstert sie. Allmächtiger.
Wenn das gut gelaunt ist, will ich nicht wissen, wie es aussieht, wenn er einen schlechten Tag hat.
Er ist supersexy, das muss man ihm lassen, aber davon abgesehen kommt er rüber wie ein Riesenarschloch, das sich aufführt wie Ozymandias.
Sehet meine Werke, ihr Mächtigen, und verzweifelt!
Meine Freundin und frühere Mitbewohnerin Dakota, die eine Schwäche für Gedichte hat, würde sich halb totlachen. Ich für meinen Teil wünschte, ich hätte Kaffee hier, der stark genug wäre, um Percy Shelley wiederauferstehen zu lassen, damit er den Kerl in die Schranken verweisen kann.
Pate war nicht die richtige Bezeichnung für ihn. Mich erinnerte er mehr an Thor.
Ich bin überrascht, dass er sich die Mühe macht, den Kaffee noch einmal zu probieren.
Sein Hofstaat von Anzugträgern starrt ihn bewundernd – oder angstvoll? – an. Zwei junge Leute hinter ihm treten nervös von einem Fuß auf den anderen.
Oha.
Das war’s dann wohl mit meinem geruhsamen Start in den Tag.
Ich richte den Blick wieder auf mein Notizbuch, beiße mir auf die Unterlippe und versuche, mich zu beherrschen. Das Ganze geht mich nichts an.
Ich sollte diesen Kaffee fertig analysieren und dann durch die Hintertür verschwinden und Wayne seinem Schicksal überlassen. Er ist ein stolzer Mann, und wir sind nur Bekannte und keine engen Freunde. Er würde nicht wollen, dass ich mich für ihn einsetze wie eine große Schwester mit übertriebenem Beschützerinstinkt.
Wenigstens bietet er dem Kerl mit den Gewitterwolken im Gesicht die Stirn. Tatsächlich legt er eine Engelsgeduld an den Tag, die sich hinter seinem leisen, unerschütterlichen Lächeln verbirgt, das vor allem müde wirkt. Er räuspert sich und wartet auf den unvermeidbaren verbalen Todesstoß.
Thor seufzt und knallt den Becher schwungvoll auf den Tresen. »Der ist passabel. Gerade so. Es ist nur nicht das, was wir suchen. Das Gebräu ist bestenfalls bemerkenswert durchschnittlich.«
Ich schlucke hart und weiche Waynes Blick aus, als er zu mir herübersieht. Es ist praktisch unmöglich, mich auf meine Notizen zu konzentrieren, wo sein Boss so überwältigend klingt, wie er aussieht.
Außerdem kann ich Unhöflichkeit nicht leiden, und dieser Kerl regt mich echt auf.
Das hier ist eine Kette. Was erwartet er denn? Einen handgerösteten Kaffee aus einer handverlesenen Handvoll handgepflückter handgerösteter Bohnen?
»Von wegen durchschnittlich, du Ignorant«, sage ich leise und verdrehe die Augen.
Ich habe ganz vergessen, dass das junge Mädchen in Hörweite ist, bis ich ihr unterdrücktes Kichern höre.
»Nun ja. Das ist richtig, Mr. Lancaster, aber …« Wayne legt eine kurze Pause ein, ehe er fortfährt. »Ich kann das besser. Ich freue mich auf neue Kreationen, wohin auch immer die Reise gehen soll.«
Waynes Erwiderung ist so wunderbar flach, dass ich mir das Lachen verkneifen muss.
Ich muss wieder daran denken, dass ich im Wired Cup meinen allerersten Kaffee nach meinem Umzug nach Seattle getrunken habe. Von Wayne persönlich zubereitet. In Cafés wechselt das Personal manchmal noch schneller als in Burger-Läden, aber Wayne ist seit Jahren hier und serviert Kaffee mit einem freundlichen Scherz oder einem offenen Ohr, bei Regen oder Sonnenschein – wobei meistens bei Regen, immerhin ist das hier Seattle.
Es gibt keinen zuverlässigeren, treueren Barista als ihn.
Er hat es nicht verdient, so behandelt zu werden.
Für wen zum Teufel hält sich dieser arrogante Arsch eigentlich? So wie er aussieht, sitzt er den ganzen Tag am Schreibtisch und starrt auf einen Bildschirm. Der würde einen guten Kaffee doch nicht mal erkennen, wenn man ihn ihm in sein lächerlich hübsches, grimmiges Miesepetergesicht kippt.
Er greift wieder nach dem Becher und schnuppert daran, bevor er ihn an die Frau neben sich weiterreicht. »Katelyn, fragen Sie bei der F&E nach, was die zu der Mischung sagen. Ich will wissen, was die Entwicklung sonst noch so in petto hat. Vielleicht haben die ja eine Idee, wie sich der Kaffee pimpen lässt.«
Na toll.
So einer ist er also. Reiner Theoretiker und dann angepisst, wenn die Realität sich nicht mit den virtuellen Projektionen deckt.
Vielleicht ist er aber auch nur irgendein idiotischer Bezirksleiter.
Davon habe ich im Laufe der Jahre viele kennengelernt. Ich war sogar mit einigen aus.
Die bilden sich ein, dass sie Diamanten scheißen und sie deshalb das Recht haben, Normalsterbliche herumzukommandieren.
Das macht mich krank. Und es erinnert mich daran, warum ich nie wieder für einen von diesen unausstehlichen Kerlen arbeiten werde.
Die sind wahnhaft.
Mal ehrlich … was ist schon ein Bezirksleiter einer zweitklassigen Cafékette?
Aber er kann mich ja nicht denken hören.
Stattdessen trinkt er einen weiteren Schluck des beanstandeten Kaffees. »Gottverdammt. Wenn das alles ist, was wir im Sommer anzubieten haben, können wir nicht mehr mit Green Mermaid mithalten.«
Kein Witz? Green Mermaid ist ein international erfolgreicher Konzern, während das hier nur eine kleine regionale Kette ist.
Noch hält Wired Cup ein ordentliches Stück des Kaffeekuchens an der Westküste, vor allem, weil der pazifische Nordwesten sich von internationalen Ketten nicht so sehr beeindrucken lässt.
»Nur fürs Protokoll: Ich habe mich bei der Zubereitung exakt an die Vorgaben gehalten«, bemerkt Wayne, der sich gut schlägt, wie ich finde.
Ich lächle ihm aus der Ferne zu.
So ist es richtig, Kumpel. Zeig’s ihm.
»Im Ernst?« Thor runzelt die Stirn.
»Wie gesagt, ich kann es besser«, entgegnet Wayne. »Wenn Sie wollen, dass ich eine neue Rezeptur zusammenstelle auf der Grundlage unserer meistverkauften Sorten, kann ich …«
»Zum Teufel mit den meistverkauften Sorten.« Der Arsch lässt ihn nicht einmal ausreden. »Sie sind ein Barista in einem Café. Das Problem ist die Sumatra-Röstung an sich. Man kann aus einem langweiligen Ausgangsprodukt nichts Bahnbrechendes herstellen, egal, wie talentiert man sein mag. Diese Bohnen wurden en masse bis nach Boise geliefert. Und ich bezweifle, dass sie irgendwo anders besser schmecken. Scheiße bleibt Scheiße.«
Meine Güte, so schlecht ist der Kaffee nun wirklich nicht.
Das Mädchen gibt einen traurigen Zischlaut von sich, schüttelt den Kopf und verbirgt das Gesicht hinter den langen, schmutzig blonden Strähnen. Dann legt sie das Buch auf den Tisch und kramt das Handy aus der rosa Handtasche.
Ich nehme mir ein Beispiel an ihr, packe meine Sachen und stehe auf.
Ich bin hier fertig.
Ich kann mich sowieso nicht konzentrieren bei dem Drama. Aber im Hinausgehen baue ich mich vor dem Leibhaftigen auf und schaue ihm in die Augen. »Darf ich Sie etwas fragen?« Ich warte, bis der arrogante Schnösel mich ansieht. »Was ist eigentlich Ihr Problem?«
Wayne klappt die Kinnlade herunter.
Ich lächle ihm zu. Keine Angst, ich stehe hinter dir.
Mein Gegenüber legt den Kopf auf die Seite und starrt mich an, als könnte er mich mit Blicken in Staub verwandeln.
»Kommt drauf an. Wer will das wissen?«
Ich schnaube. »Dasselbe würde ich Sie gerne fragen. Was für ein reicher Clown beginnt seinen Tag damit, einen Barista zur Schnecke zu machen, der nur seinen Job erledigt?«
»Zufällig gehört dieser Laden mir«, erwidert er knapp.
»O ja, Natürlich.« Ich lache spöttisch. Der Typ hält sich wirklich für was Besseres, was? Größenwahnsinnig.
Als ob der Inhaber der gesamten Wired-Cup-Franchise-Kette – immerhin ein millionenschweres Unternehmen – sich in einem kleinen Laden blicken lassen würde, nur um Menschen zu schikanieren, die für den Mindestlohn plus Trinkgeld arbeiten.
Niemals.
Ich bin mir sicher, dass der CEO sich nach allen Regeln der Kunst Siebträger-Espresso auf dem Silbertablett servieren lässt, während er an einem exotischen Ort weit weg von hier am Pool einer Luxusvilla relaxt.
»Sind Sie fertig? Sie sollten sich nicht in Angelegenheiten einmischen, die Sie nichts angehen«, knurrt er.
Es kommt mir vor, als würde er um noch einige weitere Zentimeter wachsen und mit jedem bissigen Wort höher vor mir aufragen.
»Und Sie sollten sich diesem Barista gegenüber nicht so herablassend verhalten. Der Kaffee ist gut. Das ist er immer, wenn Wayne ihn zubereitet. Er ist mit Abstand der fähigste Angestellte hier«, entgegne ich sachlich.
Er starrt durch mich hindurch.
»Ich muss Ihnen nichts beweisen, wer immer Sie auch sein mögen«, grummelt er.
Ich hebe die Hand mit meinem Pappbecher.
»Hören Sie. Ich habe gerade den gleichen Kaffee getrunken wie Sie. Er ist okay. Es ist nichts daran auszusetzen. Für eine große Kette ist er sogar verdammt gut. Tut mir leid, wenn der Kaffee nicht Ihren überzogenen Ansprüchen genügt, aber hat Ihre Firma die Rezeptur nicht selbst entwickelt?«
Sein Blick verhärtet sich und wird so durchdringend, dass ich mich räuspern muss, um wieder Luft zu bekommen.
»Ich meine damit nur, dass Sie sich nicht einen armen Sündenbock suchen sollten. Warum lassen Sie Ihren Frust an jemandem aus, der für wenig Geld schuftet, um Ihre Produkte an den Mann zu bringen, und sich den ganzen Tag mit unhöflichen Kunden und brühend heißen Flüssigkeiten herumschlagen muss?«
Thor scheint nicht sehr beeindruckt von meiner Tirade.
Er zuckt nicht mit der Wimper.
Der Umstand, dass er einen Starr-Wettbewerb gegen eine Eule gewinnen würde, sollte eigentlich ein Hinweis sein, den Mund zu halten und zu gehen.
Manchen Leuten ist eben nicht beizukommen.
Zu schade, dass ich noch nicht fertig bin.
»Im Übrigen bezweifle ich, dass Sie überhaupt wissen, wie ein richtig guter Kaffee zu schmecken hat.« Ich verschränke die Arme vor der Brust und stelle mich auf Zehenspitzen, um so etwas wie Augenhöhe herzustellen.
»Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen und aufgezählt, woran es hapert«, sagt er langsam.
»Ich … was? Ich weiß nicht, was Sie …«
Als ich sehe, wie sein Gesicht plötzlich aufleuchtet, breche ich mitten im Satz ab, entwaffnet von seinem Lächeln.
»›Der Kaffee ist okay.‹ – ›Es ist nichts daran auszusetzen.‹ – ›Für eine große Kette.‹« Er wiederholt, was ich gesagt habe, mit einer so eisigen Ruhe, dass mir ein kalter Schauer über den Rücken läuft. »Sehr gut beobachtet für jemanden, der ungefiltert ausspricht, was er denkt. Unsere Verkaufszahlen bei jungen Leuten sind rückläufig. Mit Kaffee, der ›okay‹ ist, können wir den Abwärtstrend nicht aufhalten. Niemand unter dreißig will in Seattle oder Portland mit einem Kaffee einer großen Kette erwischt werden. Diese Leute kaufen lieber in instafähigen kleinen Cafés ›um die Ecke‹.«
»Instafähig?«
Das Mädchen hinter mir lacht. »Er meint Cafés, die sich zum Posten auf Instagram eignen. Aber im Grunde ist das out. Niemand unter dreißig postet noch Fotos aus Cafés oder Restaurants auf Insta.«
»Doch, Dess, das machen noch genug Leute.«
»Wow. Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Mister. Dann hatte ich tatsächlich einen völlig falschen Eindruck«, sage ich gefährlich leise, innerlich kochend.
Er mustert mich fragend.
»Ich dachte, Sie wären nur ein Anzugträger, der mit dem falschen Fuß aufgestanden ist, aber Sie machen nicht nur einen Angestellten nieder, der keinerlei Schuld hat an Ihrem Problem, sondern müssen auch noch einem jungen Mädchen den Mund verbieten, weil es recht hat. Ach ja, zufällig bin ich auch unter dreißig, und ich bin für die neue Kaffeekreation meiner Lieblingskette quer durch die Stadt geradelt. Nur ganz nebenbei bemerkt.«
Er wirft dem Mädchen einen ärgerlichen Blick zu. »Jeder ist auf Instagram. Die Zahlen lügen nicht. Wenn wir unseren Umsatz ankurbeln wollen, brauchen wir ein neues, attraktives Produkt, das die Leute auf Insta posten.«
Jetzt bin ich wieder dran. »Wo wir gerade von Verbesserungen sprechen, sollten wir uns vielleicht mal über Ihr Auftreten unterhalten.«
Er öffnet den Mund und starrt mich sprachlos an.
Touché.
»Normalerweise bewahrt mein ›Auftreten‹ mich davor, mir dumme Ratschläge von Fremden anhören zu müssen, die das brennende Bedürfnis verspüren, sich in meine Angelegenheiten einzumischen.« Er schnaubt verächtlich. »Aber ausnahmsweise werde ich Ihnen Gelegenheit geben, Ihren Senf dazuzugeben. Wo hängen denn Ihrer Meinung nach alle ab?«
»TikTok«, antworten das Mädchen – Dess – und ich wie aus einem Mund.
Die Augen des Gewittergotts blitzen mich wütend an.
Von einer Sekunde auf die andere hat sich Gewittergott Thor in den Kriegsgott Odin verwandelt. Er dreht den Kopf kurz zu Wayne, bevor er den Blick wieder auf mich richtet.
»Die Tick-Tack-App? Warum überrascht es mich nicht, dass Sie in den sozialen Medien den Geschmack einer Fünfzehnjährigen teilen?«, sagt er kopfschüttelnd.
Ich verdrehe die Augen.
»Das sollten Sie auch tun, anstatt sich darüber zu mokieren. Und Sie sollten wirklich dringend an Ihren Manieren arbeiten. Scheint, als wären Sie es gewohnt, dass man Ihnen durchgehen lässt, dass Sie rumpoltern und Ihren Frust an anderen auslassen, anstatt Probleme konstruktiv anzugehen. Bis jetzt haben Sie nur rumgejammert, statt mal Lösungsansätze zu entwickeln.«
Oh-oh.
Er wirft Wayne mit bebenden Nasenflügeln einen vernichtenden Blick zu. »Ich hoffe, diese Frau ist keine Mitarbeiterin, und wenn sie das nicht ist, was hat sie dann hier zu suchen? Der Laden sollte geschlossen sein wegen des Meetings.«
Waynes Kopf färbt sich krebsrot, und er lässt den Kopf hängen. »Ich … äh … ich habe vergessen, hinter mir abzuschließen, als ich heute Morgen reingekommen bin. Ich hatte es vor, aber die Gewohnheit …« Er kratzt sich geräuschvoll den Nacken. »Ich weiß nicht, ob das was zur Sache tut, aber … Eliza ist eine Freundin und Stammkundin. Ich dachte, es wäre okay, wenn sie hier ihren Kaffee trinkt. Sie werden mich deswegen doch nicht feuern, oder?« Wayne lässt nervös den Blick durch das Café schweifen und zupft an seinem Ziegenbart.
Derweil mustert mich der Gott-zilla, als würde er die sterblichen Überreste eines Tieres betrachten, das er mit seiner Limousine überfahren hat. »Hmm. Deine ›Freundin‹ hat vielleicht gar nicht so unrecht damit, dass der Auftritt des Ladens aufpoliert werden sollte.«
Moment. Wie jetzt?
Ich habe nicht vom Auftritt des Ladens gesprochen, sondern von seinem. Aber vielleicht ist jetzt nicht der richtige Moment, ihn darauf hinzuweisen.
Wayne sieht aus wie ein pink gefärbtes hart gekochtes Ei. Und ich will ihm nicht die ganze Woche versauen. Ich wollte ihm helfen, nicht schaden.
»Erstens müssen die Hausregeln strenger befolgt werden«, sagt der übellaunige Kerl gerade, als ich mich wieder in das Gespräch einklinken will.
Das Mädchen hinter uns grummelt etwas Unverständliches.
Fast bereue ich, dass ich mich eingemischt habe, aber jetzt ist es zu spät für einen Rückzieher.
Aber noch ist nicht alles verloren.
»Entschuldigung, aber Wayne ist ein Schatz. Ihm ist es zu verdanken, dass diese Filiale noch existiert, weil er so viele Stammkunden generiert. Er ist eine Art Kaffee-Held. Sie wollen doch nicht ernsthaft Ihren besten Barista auf die Straße setzen? Wenn Sie den Umsatz ankurbeln wollen, wäre das – vorsichtig ausgedrückt – kontraproduktiv.«
Der Anzugträger mit dem Stock im Hintern presst die Lippen zusammen. »Ich hatte schon mit wilden Waschbären zu tun, die weniger kratzbürstig waren als Sie.«
Ich schlage übertrieben erschrocken die Hand vor den Mund. »O nein! Haben die Sie auch gebissen? Ich bin nämlich kurz davor.«
Er kneift verwirrt die Augen zusammen, seufzt dann tief und reibt sich die Nasenwurzel. »Sie sind eine furchtbare Nervensäge.«
»Cool. Und Sie ein arroganter Schnösel.«
Langsam schüttelt er den Kopf. »Ich sollte Ihnen auf Lebenszeit Hausverbot in sämtlichen Filialen erteilen.«
Mein Herz setzt einen Schlag aus. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder dem Neandertaler eine scheuern soll.
Ich beuge mich vor und flüstere ihm ins Ohr. »Tun Sie sich keinen Zwang an. Und sobald Sie das getan haben, poste ich auf TikTok eine Bewertung Ihres durchschnittlichen Kaffees. Und ich werde auch erwähnen, warum man mir Hausverbot erteilt hat. Sie wollen viral gehen? Können Sie haben, wenn auch anders als gedacht.«
Seine Züge versteinern, und seine strahlend weißen Zähne blitzen zwischen den Lippen auf.
Mein ganzer Körper kribbelt.
Ich würde gerne glauben, dass es nur blanke Wut ist, als ich seine Schulter berühre, aber … diese muskulösen Arme sind verdammt sexy.
»Sind Sie jetzt fertig?«, faucht er leise.
»Nein. Während wir darauf warten, dass meine Bewertung auf TikTok tausendfach geteilt wird, rufe ich Ihren Vorgesetzten an. Jemand muss denen da oben ja mal sagen, dass ein großkotziger Bezirksleiter mit einem Mikropenis sich als Firmeninhaber ausgibt und Stammkunden und Mitarbeiter schikaniert. Na, wie gefällt Ihnen das?«
Dem Mädchen zuliebe bemühe ich mich, leise zu sprechen, aber offenbar nicht leise genug.
Ein paar der Umstehenden schnappen nach Luft.
Er zieht eine Braue hoch. Entweder ist er geradezu widerwärtig belustigt, oder er überlegt, mich auf die Bretter zu schicken.
Er hat wirklich die blauesten Augen, die Gott je erschaffen hat. Leider.
Ich wünschte, er hätte neben diesen faszinierenden Augen nicht auch noch eine so sonore Stimme, auch wenn er gerade so herablassend klingt, dass sich mir die Nackenhaare sträuben, als er erwidert: »Wenn Sie in der Zentrale anrufen, wird sich Katelyn Storm melden, meine wunderbare Assistentin. Sie nimmt alle geschäftlichen Anrufe für mich entgegen. Und sie wird Ihnen bestätigen, dass der Großkotz mit dem Mikropenis es nicht nötig hat, sich Bullshit anzuhören – auch nicht von Stammkunden. Ich bin nämlich tatsächlich der Inhaber.«
Ups. Ich schwöre, dass mein Gesicht sich nur aus Zorn noch röter färbt als Waynes.
»Bullshit. Ich glaube keine Sekunde, dass der CEO eines so großen Unternehmens persönlich eine kleine Filiale besucht. Sie sind ein schlechter Lügner.«
Einen Augenblick starrt er mich nur an, und ich rechne beinahe damit, dass jeden Moment Laserstrahlen aus seinen Augen schießen.
»Sie glauben mir nicht, Lady?« Seine Stimme klingt wie Donnergrollen.
»Lady? Ist das die übliche Anrede für Ihre Kunden? Ich hätte erwartet, der Nordwesten wäre etwas fortschrittlicher.«
»Wie bitte?«
»Sie kennen mich doch gar nicht«, entgegne ich.
»Stimmt, und ich wünschte, ich wäre Ihnen nie begegnet«, zischt er mit einem schneidenden Blick. »Sie haben allerdings recht damit, dass Ketten an der Anonymität scheitern. Wir kennen unsere Kunden nicht. Woher sind Sie?«
»Ursprünglich aus San Diego. Ich bin vor ein paar Jahren hergezogen.«
»Das erklärt einiges. Die Menschen hier sind nicht so direkt.«
Ich starre ihn an und überlege, ob das eine Beleidigung sein soll.
Zwei weitere Baristas, die gerade zur Arbeit erschienen sind, gesellen sich zu Wayne hinter den Tresen. Verunsichert stehen sie da, mustern nervös die Delegation und fragen sich offensichtlich, wo sie da reingeraten sind.
Egal. Ich habe keine Zeit, mir ihretwegen den Kopf zu zerbrechen.
Ich muss mich erst um den Vollidioten kümmern und einen Weg finden, das Ganze würdevoll zu beenden. Wir haben beide Besseres zu tun, als uns in einem Café rumzustreiten.
»Und Sie finden es in Ordnung, so mit einer Kundin umzugehen? Das ist auch eher untypisch für Seattle.« Ich schiebe die Unterlippe vor und setze mein bestes Bitch-Gesicht auf.
»Wenn eine Kundin sich in geschäftliche Belange einmischt, von denen sie nicht das Geringste versteht …«
»Oh. Ach so. Hängen in Ihren Läden nicht überall Schilder, die die Kunden dazu auffordern, Feedback zu geben?« Ich drehe mich um und zeige an die gegenüberliegende Wand. Dort hängt ein Smiley mit Blitzen anstelle der Augen, und darunter steht: Teilen Sie den Vibe! Bewerten Sie uns!
Der Big Boss starrt mich prüfend an, als würde er überlegen, was es kosten mag, einen Killer zu beauftragen, mich mit Betonschuhen im Puget Sound zu versenken.
Jetzt ist eh alles egal.
»Was? Hat es Ihnen die Sprache verschlagen? Haben Sie neben Ihren Bezirksleiter-Manieren noch einen Master in Kaffeewissenschaften der Universität von Ego?«
»Eliza …« Wayne räuspert sich vernehmlich.
»Ich bin kein Bezirksleiter«, fällt der ungehobelte Klotz ihm ins Wort. »Wenn Sie zuhören würden, wüssten Sie inzwischen, dass ich der Inhaber dieser Kette bin. Ich bin mehr oder weniger auf einer Kaffeeplantage aufgewachsen. Ich gehe also davon aus, dass ich mehr von Kaffee verstehe als eine Tussi aus Südkalifornien, die ihre Jugend damit verbracht hat, am Carbon Beach zu chillen und ihre spitze Zunge zu wetzen, um fremden Leuten auf den Wecker zu gehen.«
Heilige Scheiße.
Meine Kinnlade klappt herunter. Hastig schließe ich den Mund wieder und beiße die Zähne so fest zusammen, dass es wehtut.
Das hat er nicht gesagt.
Doch, hat er.
Und er hat einen großen Fehler gemacht, den er noch bitter bereuen wird.
»Eliza …«, sagt Wayne noch einmal in warnendem Tonfall mit einem knappen Winken.
Ich hebe eine Hand, um ihn zu beruhigen. Schon gut. Ich habe alles im Griff.
Wayne muss mich nicht vor dieser Klapperschlange beschützen, die in diesem Laden nicht einmal Staub wischen dürfen sollte.
»Also gut, Herr Inhaber, sollten Sie das tatsächlich sein«, sage ich langsam. »Ich habe es kapiert. Sie brauchen sich nicht zu wiederholen. Sie waren also so sehr damit beschäftigt, Kaffee zu studieren, dass es für Geografie nicht mehr gereicht hat, richtig? San Diego liegt nämlich hundertzwanzig Meilen von Carbon Beach entfernt, Sie Genie.«
Jetzt höre ich ein kollektives Nach-Luft-Schnappen, erst von seiner Entourage und dann von den Mitarbeitern hinter dem Tresen.
Eine von Waynes jungen Kolleginnen schlägt sich eine Hand vor den Mund, um ein nervöses Lachen zu unterdrücken, und flüchtet dann durch den Hinterausgang.
Im Café wird es totenstill.
Nur das gedämpfte Lachen des Mädchens am Ecktisch, das sich ebenfalls eine Hand vor den Mund hält, ist zu hören.
»Eliza!« Wayne quellen jetzt die Augen aus dem Kopf, und ich sehe, wie seine Brust sich unter der Schürze hektisch hebt und senkt.
Ups. Offenbar bin ich zu weit gegangen.
Thor räuspert sich, als hätte er Glassplitter verschluckt, und zieht meine Aufmerksamkeit wieder auf sich.
»Okay, okay.« Ich hebe beschwichtigend die Hände. »Das war nicht nett. Ich habe mein Feedback abgegeben, wenn Sie also nichts dagegen haben, werde ich jetzt …«
»Wenn Sie die Wahrheit erfahren, wird Ihnen diese Unterhaltung noch sehr leidtun, glaube ich«, grollt er, die Brauen zusammengezogen wie Gewitterwolken.
Hey, wenigstens habe ich es versucht.
Ich seufze zischend.
»Meinen Sie?«, frage ich leise. »Ich denke nicht, aber offenbar haben in Ihrem Umfeld alle zu viel Angst vor Ihnen, um ehrlich zu sein. Ich hingegen habe nichts zu verlieren oder riskiere höchstens lebenslanges Hausverbot. Also gut, Sir, Sie könnten in einem Pool voll perfekt gepresstem, dunkel geröstetem Kaffee ertrinken, ohne zu merken, wie gut der ist. Das hier …« Ich hebe wieder meinen Becher. »… erfüllt seinen Zweck, und ich verstehe etwas von Kaffee …«
»Und was für ein Zweck soll das sein?«, unterbricht er mich schroff.
»Er ist die Essenz von Wired Cup.«
Er schüttelt ungeduldig den Kopf, als wollte er sagen: Rücken Sie endlich raus mit der Sprache.
»Familiär. Bodenständig. Gemütlich«, fahre ich fort. »Ordentlicher Kaffee aus ordentlichen Bohnen und schnell verfügbar für viel beschäftigte, anständige Menschen der Mittelklasse.«
Er atmet scharf aus. »Verzeihung, aber ich finde nicht, dass ein Kaffee seinen Zweck erfüllt, wenn ein Collegemädchen das Vermächtnis meiner Familie als ›durchschnittlich‹ und ›okay‹ bezeichnet. Da habe ich doch etwas höhere Ansprüche.«
Ich mache mir nicht die Mühe, ihn noch einmal aufzufordern, mit der Hochstapelei aufzuhören. Das hatten wir schon.
»Ich bin kein Collegemädchen.«
»Klar. So wie ich nicht der Inhaber dieser Kette bin.«
»Eliza …« Wayne klingt jetzt wie ein Mann, der am Boden liegend um sein Leben bettelt.
Autsch. Mir fällt wieder ein, warum ich mich überhaupt eingemischt habe. Ich wollte ihm helfen.
Er mustert mich traurig. »Sorry, ich hätte schon früher etwas sagen sollen. Darf ich dir Mr. Cole Lancaster vorstellen, den Inhaber – und CEO – von Wired Cup Incorporated?«
Alle Blicke richten sich auf mich.
Ich frage mich, ob sie auch hören können, wie sich der Boden unter meinen Füßen auftut. »CEO? Der?«, zische ich und verziehe verächtlich den Mund.
Wayne nickt düster.
»Chief Executive Officer – oder Geschäftsführer«, ergänzt Lancaster, als bedürfte dies noch einer Erläuterung.
Mein Blick folgt dem Klang seiner Stimme und richtet sich wieder auf sein unwiderstehliches grimmiges Gesicht.
Er hält mir eine Visitenkarte mit dem Logo von Wired Cup hin – eine elegante Kaffeetasse mit einem Kabel, das mit einer Steckdose verbunden ist.
Ich nehme sie nicht entgegen, sondern begnüge mich damit, sie zu lesen.
Unter dem Logo steht schwarz auf weiß COLE LANCASTER – CEO.
Noch bevor er den Mund aufmacht, dämmert mir zu meinem Entsetzen, dass ich den Namen Lancaster schon mal gehört habe. Wenn man so besessen von Kaffee ist, dass man die Wikipedia-Einträge aller großen Marken studiert hat, bleibt der eine oder andere Name hängen. Die Lancasters zählen gewissermaßen zum Kaffee-Adel.
Ich bin sicher, dass er mich schlucken hören kann.
»Wenn Sie so viel von Kaffee verstehen, wie Sie behaupten, müsste der Name Ihnen ein Begriff sein. Mein Vater war vor mir CEO des Unternehmens. Meine Familie hat es gegründet, lange bevor es in Wired Cup umfirmiert hat.«
Die Frau neben ihm verdeckt das Gesicht mit einer Hand. Ich kann nicht sagen, ob sie mit dieser Geste ein verlegenes Lachen verbergen oder sich unsichtbar machen möchte.
Was auch immer sie damit bezwecken will, es funktioniert nicht. Der übrige Hofstaat bricht bei ihrem Anblick in schallendes Gelächter aus.
Oha. Mist.
Du hast es verkackt, sage ich mir und wage gar nicht, daran zu denken, was passieren mag, wenn die Bestie im feinen Zwirn ihren Zorn an Wayne auslässt.
Zumal der arme Wayne eine kranke Mutter hat. Er hat mir schon Dutzende Male von ihr erzählt. Er ist auf diesen Job angewiesen, um sie zu versorgen.
Ja, ich glaube, ich hasse mich.
Der Adrenalinschub, den es mir beschert hat, diesem Vollidioten die Meinung zu geigen, war um vieles effektiver als jeder Kaffee, den ich je getrunken habe. Aber ich kann mich nicht über den Energieschub freuen in dem Bewusstsein, dass ich jemanden möglicherweise mit meiner großen Klappe in Schwierigkeiten gebracht habe. Im Gegenteil. Mir wird ganz flau.
Ich hoffe inständig, dass Wayne meinetwegen nicht seinen Job verliert.
Ich starre seinen Ankläger, Richter und Henker an. Lancasters Kiefermuskeln treten hervor, und die steile Zornesfalte auf seiner Stirn lässt seine Züge nur noch entschlossener und kantiger wirken.
Aber ist er auch rachsüchtig?
Sein ganzer Körper, der nur aus steinharten Muskeln zu bestehen scheint, spannt sich an, sodass er mich an einen Krieger unmittelbar vor der Schlacht erinnert. Gott, ich bin ja so dumm.
Jetzt, wo die Konsequenzen für mein Handeln drohen, fühle ich mich plötzlich ganz klein.
Ich weiß selbst nicht, wo ich den Mut hernehme, aber ich reiße mich zusammen und richte noch einmal das Wort an ihn, auch wenn mein Gesicht glüht wie eine Chilischote.
»Ich sollte … also, ich sollte dann mal gehen«, sage ich mit schwacher Stimme. »Und bitte entlassen Sie niemanden, Mr. Lancaster. Das war allein meine Schuld. Im Ernst, Ihre Leute haben eine satte Gehaltserhöhung verdient, weil sie die Seele von Wired Cup sind.«
Und weil sie sich mit Ihnen rumschlagen müssen, füge ich in Gedanken hinzu.
Sein Gefolge grinst immer noch – oder starrt mich weiter in grenzenlosem Entsetzen an. Lancaster dreht ruckartig den Kopf und wirft einen eisigen Blick über die Schulter. »Das reicht. Sie hat gesagt, dass sie gehen will. Die Party ist vorbei.« Sofort kehrt Ruhe ein.
Er hat dafür gesorgt, dass sie aufhören zu lachen – mich auszulachen. Aber warum?
Das war beinahe nett in Anbetracht der Eskalation, die ich verursacht habe. Andererseits wirkt nichts an diesem Mann »nett«, warum also sollte er nett zu mir sein? Immerhin habe ich mich ungefragt in ein Geschäftsmeeting eingemischt und ihn vor seinen Leuten beleidigt und der Lüge bezichtigt.
Verwirrt setze ich mich in Bewegung.
»Darf ich davon ausgehen, dass Sie keinen Verriss über Wired Cup posten?«, ruft Lancaster mir nach.
Gott.
Warum bin ich nicht längst weg?
Das ist der einzige Weg, dieses Gespräch zu beenden und zumindest Schadenbegrenzung zu betreiben. Ich habe mich schon genug zum Affen gemacht.
Und was sollte ich überhaupt posten?
Als ich gerade den Kopf schütteln will, geht mir auf, dass das meine Chance ist. Ich bleibe stehen, drehe mich langsam wieder zu ihm um, strecke den Rücken durch und straffe die Schultern.
»Mal sehen. Wenn niemand gefeuert wird, gibt es auch keinen Verriss.«
»Wollen Sie mich jetzt auch noch erpressen?« Er lacht verächtlich. »Sie haben mir gar nichts zu sagen, Mystery Mouth.«
»Wie Sie meinen, aber das ist der Deal. Halten Sie sich dran, dann tue ich das auch«, entgegne ich und beiße mir auf die Zunge, um nicht wieder zu eskalieren.
Er nickt. »Kann ich Sie, wo wir gerade dabei sind, irgendwie davon überzeugen, sich in Zukunft von meinen Läden fernzuhalten?«
Ich zucke die Achseln. Meine Handtasche schlägt gegen meine Hüfte.
»Ich trinke mindestens sechs Kaffee am Tag. Wenn ich nicht zu Hause bin, kaufe ich mir einen im nächstgelegenen Café. Ich kann nicht versprechen, nie wieder bei Wired Cup einzukehren – es sei denn, Sie verhängen ein Hausverbot.«
»Vergessen Sie’s, Big Mouth. Sie haben zwar eine große Klappe, aber Ihr Geld nehme ich gerne weiterhin.«
Offenbar hat er auch eine Schwäche für Spitznamen.
Ich weiß selbst nicht, warum mich das so fuchst. Ich nicke knapp und steuere den Ausgang an.
»Schönen Tag noch«, ruft er mir hinterher, als ich hinausgehe, und ich könnte schwören, dass es beinahe triumphierend klingt.
Draußen weht eine leichte Brise, die meine brennenden Wangen kühlt.
Großer Gott, Eliza.
Wie blöd kann man sein?
Fast wäre Wayne meinetwegen seinen Job los gewesen.
Zumindest das habe ich verhindern können. Glaube ich.
Ich hoffe es. Andernfalls wird Lancaster noch von mir hören.
Wenn ich damit nicht Waynes Job riskieren würde, hätte ich große Lust, mich auf TikTok über ihn auszulassen.
Kaffee-Adel hin oder her, Prinz Lancaster braucht dringend eine Lektion in gutem Benehmen.
Was zur Hölle war denn das? Ich starre auf die Tür und frage mich, ob die Durchgeknallte noch mal zurückkommt, um das letzte Wort zu haben. Meine Leute sind immer noch in heller Aufregung wegen der Szene, tuscheln und grinsen hinter vorgehaltener Hand.
Destiny, meine süße kleine Nervensäge, sitzt reglos auf ihrem Stuhl, das Handy mit beiden Händen umklammert, und starrt mich an.
Als unsere Blicke sich begegnen, versucht sie gar nicht erst, sich das Lachen zu verkneifen.
»Heilige Scheiße, Dad. Jemand hat dir die Meinung gegeigt.«
»Hast du das gefilmt?«, frage ich barsch und hoffe, dass die Szene nicht im Netz landet.
»Leider nein.«
»Leider«, wiederhole ich und ziehe eine Braue hoch.
Meine Tochter schenkt mir ein verschmitztes Lächeln und konzentriert sich wieder auf das Display ihres Telefons.
»Mr. Lancaster … das Ganze tut mir furchtbar leid.«
Ich drehe mich um und blicke über den Tresen.
Der bärtige Barista, dessen Hipster-Brille gerade an seiner Nase herabrutscht, hat in einer entschuldigenden Geste die Hände erhoben. Ich glaube sogar zu bemerken, dass zumindest eine von ihnen leicht zittert.
»Bitte. Eliza ist jemand, der sich einmischt. Sie hat es gut gemeint. Sie kann nicht anders. Ich vergesse manchmal, dass sie im Grunde nur ein Gast ist. Falls Sie sich Sorgen machen … ich glaube nicht, dass sie Ernst macht, was den Verriss betrifft. Im Grunde hat sie mit den sozialen Medien nicht so viel am Hut. Sie ist nur …«
»Taff!« Als ich einen Blick über die Schulter werfe, sehe ich meine Tochter hinter mir stehen, beide Hände in die Hüften gestemmt. Destiny lacht ungeniert. »Sie ist ein Honigdachs. Sie hat zugebissen und lässt nicht mehr los. Das ist typisch für Honigdachse!«
»Und hat das auch einen konkreten Nutzen, einmal abgesehen von deiner Belustigung?«, frage ich schnaubend.
Verdammt. Sie ist erst fünfzehn Jahre alt und hat sich über Nacht von einem süßen kleinen Mädchen in dieses aufsässige Pubertier verwandelt.
»Ja! Dad, es muss hundert verschiedene Arten geben, wie man ein Café betreten, wie ein normaler Mensch ein Getränk probieren und eine konstruktive Kritik abgeben kann, ohne sich aufzuführen wie ein arroganter, großkotziger Ar…«
»Vorsicht, junge Dame. Was verstehst du schon davon?«
Sie beißt sich auf die Lippen. »Was gutes Benehmen betrifft, offenbar mehr als du.«
Einer der Praktikanten aus dem Marketing kichert, verstummt aber abrupt, als ich ihm einen scharfen Blick zuwerfe, bevor ich mich wieder meiner Tochter zuwende.
»Das hat Konsequenzen, Dess. Such dir eine aus.«
Einen Moment guckt sie verdutzt, dann funkelt sie mich wütend an.
»Reg dich ab. Das war nur ein Witz. Ich bin erst fünfzehn.«
»Willst du dir deine Strafe selbst aussuchen, oder soll ich das übernehmen?«, entgegne ich ruhig und gehe auf sie zu.
Sie blickt auf ihr Handy, dann wieder auf mich und stößt einen tiefen Seufzer aus. »Dann bleibe ich heute Abend eben zu Hause und lese …«
»Gute Wahl, Kleines.«
Tatsächlich ist das nicht wirklich eine Strafe. Meine Tochter ist eine richtige Leseratte, aber wenn sie einen Abend zu Hause bleibt, kann sie wenigstens keine Dummheiten machen.
Mit finsterer Miene setzt sie sich zurück an ihren Platz.
Ich rücke meine Krawatte zurecht und wende mich wieder dem Barista zu. Wayne, wenn ich mich recht erinnere. »Ihre Freundin hat nicht unrecht, auch wenn sie an ihren Umgangsformen arbeiten sollte. Sie hat sich aufgeführt wie eine Wildkatze.«
»Honigdachs«, ruft Destiny dazwischen.
Ich ignoriere sie.
»Das war meine Schuld, Mr. Lancaster. Das nächste Mal achte ich darauf, vor einem vertraulichen Meeting hinter mir abzuschließen – vorausgesetzt, dass Sie mich nicht feuern«, fügt er nervös hinzu.
Ich muss mir ein Lachen verkneifen.
»Entspannen Sie sich. Ich werde niemanden feuern. Und für die Eskalation ist nur sie allein verantwortlich. Die Frau ist ja eine tickende Zeitbombe. Aber wie gesagt, sie hat nicht ganz unrecht.«
»Nicht?« Er schaut mich blinzelnd an.
Ich schüttele den Kopf. »Unsere Marke steht für Bodenständigkeit und ehrlichen Kaffee ohne Schnickschnack für Berufstätige, die zwischendurch einen Koffeinschub brauchen. Das ist seit Gründung der Firma so, auch wenn wir umfirmiert haben. In Anbetracht der Marktentwicklung ist das aber nicht mehr genug, wenn wir mittelfristig bestehen wollen. Wir brauchen etwas Neues, Aufregendes. Und bevor jemand jetzt Vorschläge macht, sage ich gleich, dass Wired Cup keine widerlich süßen Fruchtgetränke und Tee-Lattes ins Sortiment aufnehmen wird, wie das ein halbes Dutzend der großen Ketten tun, die ich hier nicht namentlich nennen will.«
»Hey, ist das hier der Kaffee von der Dachsfrau?«, ruft Destiny hinter mir. Als ich zu ihr hinübersehe, hält sie ein Einmachglas mit einer dunklen Flüssigkeit in der Hand.
Der Barista nickt.
Ich werfe einen Blick auf das Namensschild. Wayne, richtig.
Dann sehe ich, wie Dess den Deckel von dem Glas nimmt und an dem Inhalt schnuppert.
»Was machst du da?«, rufe ich.
Aber noch bevor ich ausgesprochen habe, hat sie das Gefäß an den Mund gehoben.
Verdammt. Sie wird doch nicht …
Sie öffnet den Mund. Sie wird.
»Destiny, wag es ja nicht …«
Zu spät.
Bevor ich noch ein weiteres Wort sagen kann, kippt sie den Inhalt hinunter.
Sie lehnt sich hustend zurück und wischt sich mit dem Handrücken den Mund ab.
Mir fährt der Schreck in die Glieder.
Scheiße. Scheiße.
Sie sieht aus, als würde sie gleich vom Stuhl kippen. Was mag in dem Glas gewesen sein?
Was, wenn es Motoröl war?
Oder ein uralter hochprozentiger Cognac?
Oder ist das womöglich ein Spucknapf für Kautabak?
Warum muss meine Tochter auch aus einem Glas trinken, das eine durchgeknallte Fremde zurückgelassen hat, die mir ungefragt ein Ohr abgekaut hat?
Wer tut so etwas?
Offenbar das Kind, das ich großgezogen habe.
»Bist du okay?« In ein paar Schritten bin ich bei ihr. »Dess?«
Ich habe schon die Hand am Telefon, bereit, 911 zu wählen, als sie grinsend zu mir aufblickt. »Das Zeug ist der Hammer, Dad. Probier mal. Das schlägt im Mund ein wie eine Granate.«
Das klingt nicht nach etwas, das man probieren möchte.
Ich runzle die Stirn.
»Ich meine, eine Tasse von dem Teufelszeug würde mich in der Prüfungsphase eine ganze Woche lang wach halten.« Sie legt den Kopf schräg. »Ich frage mich, ob sie noch mehr davon hat … Die Brühe ist krass.«
Ich kneife die Augen zusammen. Sie klingt wie ein Junkie, der nach dem nächsten Schuss giert. Was zur Hölle ist das in dem Glas? Flüssiges Koks?
»Destiny Lancaster. Haben wir Schneewittchen nicht oft genug gesehen? Du solltest eigentlich wissen, dass man nichts isst oder trinkt, was fremde Leute haben liegen lassen. Man weiß nie, ob sich dahinter nicht eine böse Hexe verbirgt.« In Anbetracht der spitzen Zunge der Furie würde ich ihr das durchaus zutrauen.
Aber der Duft, der mir jetzt in die Nase steigt, macht mich tatsächlich neugierig.
Destiny schwenkt die Flüssigkeit wie in Trance.
»Wie fühlst du dich? Soll ich dich in die Notaufnahme bringen?«
»Nein, nein. Es geht mir gut, Dad. Wirklich.«
»Gib mir dein Handy«, sage ich und strecke die Hand danach aus.
»Was? Wieso? Das ist unfair!« Beim letzten Wort wird ihre Stimme schrill und weinerlich.
Jemand muss ihr einen ordentlichen Schreck einjagen – oder ihr zumindest ein paar Stunden ohne Textnachrichten und Snapchat aufbrummen –, aber zuerst greife ich nach dem unheiligen Gral und trinke einen kleinen Schluck.
Meine Angestellten starren mich an, als hätte ich den Verstand verloren.
Ich kann es ihnen nicht verdenken.
Das Zeug ist stärker als ein Triple-Ristretto-Shot und löst auch bei mir beinahe einen Hustenanfall aus. Als ich schlucke, geht mir auf, dass es sich bei dem Teufelszeug um Kaffee handelt.
Wow, der ist stark. Und ich habe fünf Jahre meines Lebens die schwarze Brühe getrunken, die bei der US Navy als Kaffee durchgeht.
Als meine Zunge sich vom ersten Schock erholt hat, tauche ich ein in ein unerwartetes Aromenuniversum.
Rauchig. Kräftig. Röstig. Nussig.
Und verdammt gut.
»Schmeckt nach Lagerfeuer«, sage ich bedächtig.
»Etwas. Auf jeden Fall ungewöhnlich«, meint Destiny. Gefühlt ist es das erste Mal seit Monaten, dass wir uns bei etwas einig sind.
Hinter mir höre ich Wayne lachen.
»Das muss ihr letztes Experiment sein. Wir haben Eliza schon mehrmals einen Job angeboten, aber sie ist nicht interessiert und im vergangenen Jahr nur einmal für ein paar Schichten eingesprungen, als Not am Mann war. Sie experimentiert zu Hause mit immer neuen Kaffee- und Gebäckkreationen. Sie ist schon etwas eigen. Keine Ahnung, was das für eine Kreation ist. Sie lässt mich oft probieren, aber heute hatte ich keine Zeit.«
»Was macht sie denn beruflich?«, frage ich, und es ärgert mich insgeheim, dass die sonderbare Fremde mich auch in ihrer Abwesenheit so sehr beschäftigt.
»Keine Ahnung. Aber sie meinte immer, lange Schichten würden sich nicht mit ihren Brühzeiten vertragen.«
Ich genehmige mir noch einen Schluck von dem Teufelszeug.
Das ist es.
Das ist genau die Neuheit, nach der ich gesucht habe.
Es ist wie ein Schlag ins Gesicht.
Ich muss das Gebräu analysieren und verfeinern, und mit etwas Glück kann ich es abschließend mit dem Wired-Cup-Logo versehen. Jeder Laden in den fünf Staaten, in denen wir vertreten sind, wird diesen Kaffee anbieten wollen.
Wir haben den richtigen Kaffee für die Gen Z gefunden. Eine mutige Alternative zu dem Zuckerzeug, das man als Energydrinks bezeichnet und das bei den Collegekids so hoch im Kurs steht.
Meine eigene Tochter hat selbst gesagt, dass eine Tasse davon genügen würde, um sie in der ganzen Prüfungsphase wach zu halten, und ich neige dazu, ihr recht zu geben, wenn der Geschmack auf den Koffeingehalt schließen lässt.
Ich werfe einen Blick auf meine Leute und frage mich, warum ich sie dafür bezahle, dass sie rumstehen und gaffen.
»Bewegt euch, Leute. Katelyn, bringen Sie bitte Destiny zum Wagen.«
»Wie bitte? Ich soll gehen, wenn es gerade interessant wird?«, protestiert Dess. »Ohne mich wüsstest du gar nichts von dieser Koffeinbombe. Und jetzt willst du mich wegschicken wie eine Fünfjährige, während ihr euch überlegt, wie ihr mit dem Zeug Trillionen von Dollar verdienen könnt?«
Ich schließe die Augen und zähle bis zehn, während ich mir leicht mit der Hand gegen den Schenkel klopfe.
»Ich hoffe, du hast eines Tages Zwillinge, die in deinem Alter genauso sind wie du.«
»Komm schon, Dessy. Lass uns online nach einer neuen Handyhülle schauen, um die kaputte zu ersetzen«, sagt Katelyn beschwichtigend. Schlauer Zug von meiner allzeit bereiten Assistentin. »Ich habe die Kreditkarte deines Vaters.«
»Ich … also gut!« Von jetzt auf gleich steht Destiny eifrig auf und geht zur Tür.
Im Gegensatz zu mir spricht Katelyn ihre Sprache.
Ich habe weiß Gott viel zu tun, aber manchmal denke ich, dass das nur eine billige Ausrede ist und ich einfach überfordert bin mit der Erziehung eines Teenagers.
Ich wende mich wieder Wayne zu. »Entschuldigen Sie die Szene – und die andere vorhin.«
Er zuckt die Achseln. »Ich habe täglich mit Kids zu tun. Das war noch gar nichts. Sie verstreuen für gewöhnlich Zucker und Zimt auf den Tischen, wenn sie die Tische nicht gerade verrücken, um Selfies zu machen. Das gerade war wenigstens unterhaltsam.«
Ich weiß seine Direktheit zu schätzen. Wenigstens einer, der seinen Spaß an dem Theater hatte.
»Ich werde Ihnen einen Bonus zahlen, Wayne«, verkünde ich.
»Einen Bonus? Wofür?« Er versteift sich, plötzlich wachsam.
»Betrachten Sie es als Vermittlungsprovision, weil Sie mich auf diese verrückte Frau aufmerksam gemacht haben, die offenbar etwas von Kaffee versteht. Ich möchte, dass Sie sie aufsuchen und mit ihr ein Gespräch führen, das zivilisierter abläuft als das vorhin. Trauen Sie sich das zu?«
Wayne lacht. »Wenn ich ihr erzähle, dass Sie mir einen Bonus angeboten haben, wird sie anbeißen. Ich weiß allerdings nicht, ob sie sich auf eine Zusammenarbeit mit Ihnen einlassen wird.«
»Versuchen Sie’s. Auf Wiedersehen.« Mit einem zufriedenen Nicken folge ich meiner Entourage hinaus.
Destiny sitzt im Fond der Limousine und tippt wie wild mit beiden Daumen auf ihrem Handy herum.
Ich ärgere mich, dass ich es ihr zurückgegeben habe, ich bin viel zu gutmütig.
»Du postest doch nichts über die Koffeinbombe? Das sind jetzt vertrauliche Firmeninterna.«
Sie blickt auf und verdreht die Augen. Sie sind blau wie meine, nur etwas heller.
»Dad, meine Freunde interessieren sich nicht für Kaffeerezepturen. Und nachdem ich so viel Zeit damit vergeudet habe, dir für dieses blöde Referat über die Schulter zu sehen, habe ich das eine oder andere gelernt.«
»Ach ja?« Ich traue mich kaum zu fragen. »Was denn genau?«
»Zum Beispiel, dass du in PR-Dingen eine Null bist. Ich kann nur hoffen, dass du das jemand anderem überlässt, sonst gibt es die Firma nämlich nicht mehr, bis ich alt genug bin, sie zu übernehmen …«
Ich drehe den Kopf zur Seite, damit sie mein Grinsen nicht sieht. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass auch Katelyn, die mit uns auf der Rückbank sitzt, gegen ein Grinsen ankämpft. Aber sie ist diskret genug, um nichts zu sagen.
»Und du solltest lieber Zeit und Energie investieren, um einen Kaffee für versnobte reiche Leute zu entwickeln, anstatt Barista niederzumachen. Der Typ mit dem Bart ist kreidebleich geworden …«
»Ach ja? Wenn ich nicht irre, bist du selbst eine versnobte Göre«, kontere ich.
Noch mehr Augenrollen und ein verächtliches Schnauben.
Sie blickt aus dem Fenster und gibt sich alle Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, dass ihr alter Herr sie mit seiner Bemerkung getroffen hat.
Jeder sollte einen Teenager in seinem Leben haben.
»Ich gebe mir größte Mühe, mich nicht so zu benehmen, weißt du?«, sagt sie schließlich.
Ich mustere sie verblüfft. Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll.
»Und noch etwas, Dad. Wenn du die Honigdachs-Lady nicht findest und überreden kannst, dir ihr Rezept zu verraten, bist du aufgeschmissen, weil es dann kein Koffeinmonster gibt. Ich bin ja nicht blöd.«
Ist nicht genau das hin und wieder das Problem?
Ich kratze meinen kurz getrimmten Bart, um mein Lächeln vor ihr zu verbergen.
Es ist nicht immer leicht, mit einem cleveren Teenager umzugehen, der kein Blatt vor den Mund nimmt.
Die Sonne fällt seitlich durch das Fenster und lässt ihr Profil aufleuchten und die Staubkörner in der Luft glitzern. Mein Lächeln verblasst.
Es ist nur eine Täuschung.
Aber verdammt, eine Sekunde kam es mir vor, als würde Aster dort sitzen und mich anstarren. Bis auf die Augenfarbe – Asters waren grün – ist sie ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten.
Als meine Frau gestorben ist, sah Destiny noch aus wie ein großes, typisch amerikanisches Püppchen. Heute ist die Ähnlichkeit geradezu unheimlich.
Und sie verkörpert einen Haufen unbeantworteter Fragen.
Ich blicke auf das Einmachglas, das ich immer noch in der Hand halte, und auf die dunkle Flüssigkeit, die darin herumschwappt. Auch in der Sonne ist das Gebräu tiefschwarz. Hätte ich mich anders benommen, könnte ich jetzt schon einen Gesprächstermin mit dieser sturen, furchtlosen Frau vereinbart haben, die sich diese Kaffeekreation ausgedacht hat.
Ich hätte mir ihr Benehmen nicht bieten lassen sollen.
Ich schiebe das mal auf ihre Rundungen.
Ein echtes Vollweib.
Und die hübschesten bernsteinbraunen Augen, vor Zorn blitzend wie flüssiges Karamell.
Hätte ich es anders angefangen, müsste ich jetzt nicht den bärtigen Gnom vorschicken, damit er den Kontakt zu der Frau herstellt.
Zwanzig Minuten später hält Tom, mein Chauffeur, vor der Zentrale von Wired Cup und öffnet die hintere Wagentür. Destiny steigt zuerst aus und läuft voraus, noch bevor ich mich gerührt habe.
Er ist meiner Assistentin beim Aussteigen behilflich. Ich steige als Letzter aus.
Katelyn Storm blickt auf das Einmachglas in meiner Hand. »Soll ich Ihnen das abnehmen? Ich könnte es zur Analyse in die Forschungsabteilung bringen.«
Mein kleiner Hitzkopf hat recht. Das hier gehört mir nicht – noch nicht –, auch wenn die Besitzerin es in einem öffentlichen Café hat stehen lassen, nachdem sie mir verbal gegen das Schienbein getreten hat.
»Ich möchte wegen einer Kaffeerezeptur keinen Rechtsstreit riskieren. Wir müssen die Frau ausfindig machen. Ihr Freund, der Barista, erledigt das für uns.«
Sie mustert mich ausdruckslos. »Ist das Ihr Ernst, Mr. Lancaster? Ich dachte, Sie hätten mit der Dame gesprochen. War das nicht der Grund, weshalb Sie mich mit Destiny rausgeschickt haben?«
Ich wünschte, dem wäre so. Leider habe ich mich wegen dieser Furie zu sehr aufgeregt und es vergeigt.
Wenn ich eins hasse, dann vor meiner Tochter bloßgestellt zu werden.
Wie ist es überhaupt möglich, dass mich eine Tussi von höchstens Mitte zwanzig dermaßen aus der Fassung bringen kann?
»Der Barista hat versprochen, den Kontakt herzustellen«, entgegne ich. »Wozu die Dinge unnötig verkomplizieren?«
Kate grinst mich an. Sie ist etwa zehn Jahre älter als ich, aber schon so lange in der Firma, dass ich manchmal das Gefühl habe, dass sie mich besser kennt als ich mich selbst.
»Die Dame scheint ja mächtig Eindruck auf Sie gemacht zu haben, was?«
So leicht lasse ich mich nicht ködern.
Ich werfe ihr einen eiskalten Blick zu.
Sie räuspert sich. »Wenn ich die Dame ausfindig mache, wie stehen dann die Chancen, dass sie die Mühe wert ist?«