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Destiny fällt nicht auf Männer rein. Schon gar nicht auf ältere Millionäre. Und erst recht nicht auf jemanden wie Shepherd Foster.
Er ist kontrollsüchtig, selbstherrlich und hat ein Ego so groß wie sein Bankkonto. Trotzdem ist er der Schlüssel – und Geldgeber – für Destinys Tierrettungsträume. Also muss sie seine Marotten ertragen. Bei einem Camping-Trip will sie ihm beweisen, wie falsch er mit seiner Einschätzung von ihr liegt. Doch Shepherds finsterer Blick, seine scharfsinnigen Worte und sein sündhaft muskulöser Körper bringen ihre ganze Selbstbeherrschung ins Wanken. Als er sie mit einem leidenschaftlichen Kuss überrascht und ihr zeigt, dass er mehr ist als der arrogante Milliardär, den sie zu hassen glaubt, wird es kompliziert.
Je mehr Destiny gegen ihre Gefühle ankämpft, desto intensiver werden sie. Doch sie weiß: Wenn er es wirklich schafft, ihr Herz zu erobern, wird das nicht in einer romantischen Liebesgeschichte enden. Sondern in einer Katastrophe.
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Seitenzahl: 654
Veröffentlichungsjahr: 2025
Liebe Leserin, lieber Leser,
Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.
Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.
Wir wünschen viel Vergnügen.
Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team
Destiny fällt nicht auf Männer rein. Schon gar nicht auf ältere Millionäre. Und erst recht nicht auf jemanden wie Shepherd Foster.
Er ist kontrollsüchtig, selbstherrlich und hat ein Ego so groß wie sein Bankkonto. Trotzdem ist er der Schlüssel – und Geldgeber – für Destinys Tierrettungsträume. Also muss sie seine Marotten ertragen. Bei einem Camping-Trip will sie ihm beweisen, wie falsch er mit seiner Einschätzung von ihr liegt. Doch Shepherds finsterer Blick, seine scharfsinnigen Worte und sein sündhaft muskulöser Körper bringen ihre ganze Selbstbeherrschung ins Wanken. Als er sie mit einem leidenschaftlichen Kuss überrascht und ihr zeigt, dass er mehr ist als der arrogante Milliardär, den sie zu hassen glaubt, wird es kompliziert.
Je mehr Destiny gegen ihre Gefühle ankämpft, desto intensiver werden sie. Doch sie weiß: Wenn er es wirklich schafft, ihr Herz zu erobern, wird das nicht in einer romantischen Liebesgeschichte enden. Sondern in einer Katastrophe.
Nicole Snow ist eine Wall Street Journal und USA Today Bestseller Autorin. Sie entdeckte ihre Liebe zum Schreiben, als sie sich in ihren Mittagspausen oder in langweiligen Büromeetings Liebesszenen ausdachte und sich in Liebesgeschichten wegträumte.
Im Mittelpunkt von Nicole Snows Büchern stehen sexy Alpha-Helden, viel Spannung und noch mehr Leidenschaft.
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Nicole Snow
One Bossy Disaster
Aus dem Amerikanischen von Cécile Lecaux
Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Titelinformationen
Grußwort
Informationen zum Buch
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I: EIN KLEINES MISSVERSTÄNDNIS (SHEPHERD)
II: EIN BISSCHEN ZU VERTRAUT (DESTINY)
III: DIE PRAKTIKANTIN (SHEPHERD)
IV: KLEINKRIEG (DESTINY)
V: WAFFENSTILLSTAND (SHEPHERD)
VI: UNTER DRUCK (DESTINY)
VII: DIE EXPEDITION (SHEPHERD)
VIII: DIE INSEL (DESTINY)
IX: RÜCKZIEHER (SHEPHERD)
X: EIN KLEINES WUNDER (DESTINY)
XI: IM PARADIES (SHEPHERD)
XII: HERZSCHMERZ (DESTINY)
XIII: AUFGEFLOGEN (SHEPHERD)
XIV: DAS ZEICHEN (DESTINY)
XV: DAS GESTÄNDNIS (SHEPHERD)
XVI: EINE KLEINE VERSCHNAUFPAUSE (DESTINY)
XVII: DER VERRÄTER (SHEPHERD)
XVIII: ALLES AUS (DESTINY)
XIX: DER STURM (SHEPHERD)
XX: IN SEENOT (DESTINY)
XXI: UNENTSCHLOSSEN (SHEPHERD)
XXII: DER UNTERGANG (DESTINY)
XIII: EIN KLEINES WUNDER (SHEPHERD)
XXIV: EIN KLEINES GEHEIMNIS (DESTINY)
XXV: NÄGEL MIT KÖPFEN (SHEPHERD)
XXVI: DIE HOCHZEIT (DESTINY)
Impressum
Manche Leute sind wirklich unnötig kompliziert.
Ich lehne mich mit finsterer Miene zurück, und der lederne Chefsessel, in dem ich sitze, knarzt unter mir, als ich mir das neueste reißerische Interview auf meinem Tablet ansehe.
Mein Blutdruck hat jetzt schon ein bedenkliches Niveau erreicht.
Manche Leute sind wirklich unnötig kompliziert. Wir sind Geschäftspartner. Profis.
Nicht mehr und nicht weniger.
Vanessa Dumas hat mir zu Beginn dieses dämlichen Arrangements versichert, dass sie unkompliziert sei. Umgänglich. Ach so teamfähig.
Ich dachte, sie sei eine kluge Frau mit strategischem Geschick, die um unser Potenzial wüsste, einander gegenseitig zu unterstützen.
Genau.
Leider lag ich mit dieser Einschätzung grundfalsch.
Offensichtlich ist Professionalität für sie ein Fremdwort.
Auf dem Bildschirm flimmert der übliche kitschige Mist. Der Raum, in dem das Interview stattfindet, ist schick, mit einem roten Sofa und weißen Wänden, und die Gastgeberin hat ein albernes Grinsen auf dem Gesicht, als hätte sie vor ihrem Fernsehauftritt drei Wodka gekippt.
Die blonde Interviewerin – Martha Rubina – kämpft offensichtlich mit allen Mitteln gegen das Altern an, das verraten die aufgespritzten Lippen und die unnatürlich glatte Stirn.
Ihr gegenüber sitzt Vanessa, die sich ebenfalls für das Spektakel aufgebrezelt hat. Sie hat sich die Haare zu Locken eindrehen lassen und den knallroten Lippenstift etwas zu dick aufgetragen.
Sie leckt sich über die Lippen, als sie einen Blick in Richtung Kamera wirft und nervös wieder wegsieht.
Oder genauer gesagt mit gespielter Nervosität.
»Können Sie uns erzählen, wie alles angefangen hat mit Shepherd Foster?«, fragt Martha und beugt sich vor, als wäre Vanessas Antwort das Interessanteste seit Al Gores Erfindung des Internets.
Natürlich wird es eine Lüge sein.
Ich habe die Schlagzeile gelesen.
Nicht, dass Martha sich daran stören würde.
Ihr geht es nur um eine Story, die viral geht und die ganze kommende Woche für Gesprächsstoff sorgt, und Vanessa weiß genau, was man von ihr erwartet.
»Oh«, haucht sie atemlos in einem Tonfall, den sie mir gegenüber nie angeschlagen hat, da sie weiß, dass dieses affektierte Getue nicht mein Ding ist.
Verdammt, sie wusste, dass sie nicht mein Ding ist.
Unsere »Beziehung« war vom ersten Tag an nicht mehr als Fake News, das habe ich ihr von Anfang an gesagt.
Ich brauchte offiziell eine Freundin, damit die Presse endlich Ruhe gab und um mir die Scharen bindungswilliger Damen vom Leib zu halten.
Sie war angeblich nur auf meine Kontakte aus und wollte unsere »Beziehung« nutzen, um auf den zahlreichen Events, an denen ich teilnehmen muss, zu netzwerken. Ich meinerseits habe mir davon erhofft, dass nicht jedes Mal neue schmutzige Gerüchte über mein Privatleben aufkommen.
Ich dachte, ich hätte mit Vanessa eine Frau an meiner Seite, die Frauen in Schach hielt, die es nur auf mein Geld abgesehen hatten, und dazu noch die Geier von der Regenbogenpresse. Im Gegenzug bot ich ihr die Chance auf einen kometenhaften Aufstieg.
Win-win – dachte ich.
Ich bin sogar für alle Kosten aufgekommen. Sündhaft teure Kleider von angesagten Designern und alles, was Frau sonst noch so braucht.
Das volle Programm.
Sie ist mir nie an die Wäsche gegangen, aber das stand auch nie zur Debatte. Dating kommt für mich ebenso wenig infrage, wie gebratene Fledermaus zu essen und zu riskieren, mir den Hantavirus einzufangen.
Das habe ich ihr unmissverständlich klargemacht, als wir über unsere Vereinbarung gesprochen haben.
Vanessa wusste genau, worauf sie sich einlässt. Das Ganze war rein geschäftlich.
Von einer Romanze war nie die Rede.
Ich habe den Ruf eines eingefleischten Junggesellen, und ich habe in keiner Weise durchblicken lassen, dass ihr hübsches Lächeln daran jemals etwas ändern würde.
Ich weiß es besser. Ich bin zu klug, um in die Falle zu gehen wie so viele andere Milliardäre in Seattle, die in den letzten Jahren geheiratet haben.
Ich habe mir eine Fake-Freundin gesucht in der Absicht, es dabei zu belassen und sie mir vom Leib zu halten.
Aber als ich sie jetzt da sitzen sehe mit ihrem Unschuldslächeln, verziehe ich angewidert den Mund.
Wie konnte ich das übersehen?
Nach allen Gesprächen und Absprachen habe ich es einfach nicht kommen sehen.
Ich habe nicht im Traum damit gerechnet, dass sie mir im Fond meiner Limousine eine Falle stellen könnte.
Sie hat ein Bein über meinen Schoß gelegt und mir ihre Titten ins Gesicht gestreckt wie ein Festessen.
Bei der Erinnerung muss ich heute noch mit den Zähnen knirschen.
Wir waren auf einer Filmpremiere gewesen, ein Indie-Streifen mit Kassenschlager-Potenzial, und ich war nur hingegangen, weil die Producerin, Dane Jacobs, auch Vorsitzende von Homes für Seattle ist, einer der Wohltätigkeitsorganisationen, die meine Firma unterstützt.
Für mich war es gewissermaßen ein Pflichttermin, und ich hatte Vanessa mitgenommen, um ihr einen Gefallen zu tun.
Einen Scheiß-Gefallen, für den sie sich revanchierte, indem sie mir sagte, dass sie so viel mehr zu bieten habe, wenn ich vorübergehend unsere Absprache vergessen und zulassen würde, dass sie mich glücklich mache.
Sie hat sich mir auf das Schamloseste angeboten.
Ich bekomme jetzt noch Gänsehaut bei der Erinnerung.
Nicht, dass sie nicht attraktiv wäre. Die meisten Männer würden für eine Frau wie sie mit ihren langen rotbraunen Haaren und von Natur aus vollen Lippen in den Krieg ziehen.
Aber nur, weil eine Frau gut aussieht, muss man sie ja nicht gleich mögen, geschweige denn lieben.
Und ganz sicher wollte ich nach einem langweiligen Event keinen Sex mit ihr auf dem Rücksitz und damit riskieren, dass sie doch noch auf mehr spekulierte.
Ich verfolge auf dem Bildschirm, wie sie sich das Haar über die Schulter wirft und der Welt ihre Version unserer angeblichen Beziehung schildert – das, was sie über unsere erste Begegnung erzählt, entspricht noch weitgehend der Wahrheit, als sie aber über die weitere Entwicklung berichtet, häufen sich die Lügen.
»Anfangs dachte ich, er wäre gar nicht an mir interessiert«, sagt sie und spricht dabei bewusst langsam, um es spannend zu machen. »Ich meine, sehen Sie ihn sich an. Er ist ein Bild von einem Mann, brillant und reich. Mich hat seine Vergangenheit nicht gestört – und er hasst es, wenn jemand darüber spricht, also werde ich das auch nicht tun.«
Ich presse die Kiefer so fest aufeinander, dass es knirscht.
»Wir sind uns immer wieder auf Wohltätigkeitsveranstaltungen über den Weg gelaufen«, fährt sie mit einem raffinierten Augenaufschlag fort. »Und dann, eines Tages … hat er mich beiseitegenommen und geküsst. Er sagte, das mit uns könne etwas ganz Besonderes werden.«
»Wow. Wie romantisch«, sagt Gastgeberin Martha und schaut die Lügnerin verzückt an.
Ich kann mir ein verächtliches Schnauben nicht verkneifen.
Bull. Shit.
»O ja, das war es! Ich war im siebten Himmel.« Vanessas Lächeln schwindet. »Er hat mich überallhin mitgenommen. Das haben ja alle mitbekommen …«
Auf dem Bildschirm erscheint ein Pressefoto von unserem ersten öffentlichen Auftritt vor über acht Monaten.
Ich kann mich noch gut an den Abend erinnern. Es war das erste Mal seit Langem gewesen, dass die Fotografen sich für mich interessiert hatten. Und es war auch das erste Mal seit Langem gewesen, dass sie über etwas anders berichtet hatten als über meinen geschäftlichen Erfolg oder über meine düstere Vergangenheit.
»Das sind Sie, oder?«, fragt Martha.
Vanessas Lachen klingt fast wie ein Trillern und zehrt an den Nerven. »Ja! Obwohl ich mich frage, was da mit meinen Augenbrauen passiert ist.«
»Was ist zwischen Ihnen beiden vorgefallen? Sie haben so glücklich gewirkt!«
»Es war perfekt. Es war wie ein Traum, mit einem Mann wie ihm zusammen zu sein. Beinahe wie im Film. Es hat uns beide voll erwischt. Wir waren zu verliebt, um uns zu gedulden und darüber nachzudenken. Und nach sechs Monaten hat Shepherd mir dann einen Antrag gemacht.«
»Nein!«, ruft Martha aus und tut so, als wäre sie schockiert.
Als hätten die Produzenten von Vanessa keine schriftliche Erklärung erhalten sowie eine von ihr abgesegnete Themenliste, bevor sie sich bereit erklärt hatten, sie vor laufender Kamera zu interviewen.
»Doch. Und ich war genauso überrascht wie Sie jetzt. Aber ich habe ihn so sehr geliebt, dass ich … ich wollte für immer mit ihm zusammen sein. Sie wissen ja, wie das ist. Und natürlich gab es darauf nur eine Antwort.« Sie seufzt und macht ein unglückliches Gesicht. »Ich dachte, ich würde ihm ebenso viel bedeuten wie er mir. Ich dachte, unser Glück wäre von Dauer.«
»Was ist passiert?«, fragt Martha mitfühlend.
Vanessa senkt den Blick. »Tatsächlich weiß ich das selbst nicht so genau. Vielleicht hat er ja jemand anderen kennengelernt. Oder der Sex ist ihm langweilig geworden«, sagt sie und spreizt die Finger, als betrachte sie den imaginären Ring, den es nie gegeben hat.
Sie ist eine verdammt gute Schauspielerin, das muss man ihr lassen.
Wäre meine Schreibtischplatte nicht aus Marmor, würde sie zerspringen, als meine Faust krachend auf ihr landet.
»Sie meinen, es kam für Sie völlig unerwartet? Er hat ohne eine Erklärung mit Ihnen Schluss gemacht?«
»Genau. Kein Wort zu seinen Gründen«, gibt Vanessa mit belegter Stimme zum Besten. Grundgütiger.
Wenn das ihr Debüt als Schauspielerin sein soll, ist sie brillant, wenn auch leider auf meine Kosten.
»Ich habe keine Ahnung, was passiert ist, Martha. Ich habe einfach keine Ahnung. Manchmal denke ich, es war alles nur Theater, wenn er mir gesagt hat, dass er mich liebt. Er ist ein gefühlloser Mensch. Es ist nicht allein seine Schuld, das weiß ich, aber er ist so … es war so herzlos, das zu tun. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass jemand so grausam sein kann.«
»Ach ja? Und ich hätte nie für möglich gehalten, dass jemand so verlogen sein kann«, murmele ich und schalte den Ton aus.
Es reicht.
Als ob ich je in Betracht gezogen hätte, mich auch nur für fünf Minuten an eine so hinterhältige Schlange zu ketten – ganz zu schweigen von einem ganzen Leben.
Wie kann es sein, dass ich so etwas gleich zweimal erlebe? Wieder eine beschissene Gerüchtehölle für Shepherd Foster, CEO von Home Shepherd und Riesenrindvieh.
Und dabei ist diesmal nicht einmal etwas dran.
Ich wollte nie etwas von ihr.
Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören und mich nicht auf dieses dämliche Arrangement einlassen dürfen.
Ich hätte es wissen müssen. Mein Leben ist keine romantische Komödie, in der ich mich tatsächlich verlieben könnte, es musste also unweigerlich in einer Tragödie enden.
»Und?« Ich tippe mit dem Zeigefinger auf den Bildschirm. »Wie weit hat sich das schon verbreitet?«
Hannah Cho, meine Assistentin, die bis jetzt neben meinem Schreibtisch gestanden hat, zuckt zusammen.
Sie hat in den vergangenen fünf Minuten geduldig gewartet, während ich schäumte vor Wut. Fast könnte man meinen, sie hätte ein Rückgrat aus Stahl.
»Zu weit, um es noch zu stoppen«, sagt sie. »Was Sie gerade gesehen haben, ist in der größten Boulevard-Sendung Nordamerikas ausgestrahlt worden, es ist also zu spät, eine Verbreitung im Internet verhindern zu wollen. Das haben schon zu viele Leute gesehen, gespeichert, weitergeleitet und auf X und TikTok gepostet.«
Na großartig.
»Sie sind jetzt Shepherd Foster, brillanter CEO und raffinierter Herzensbrecher. Gratuliere.« Sie holt tief Luft. »Leider sehen viele in Ihnen jetzt einen frauenverachtenden Macho.«
»Verdammt, ich habe sie kein einziges Mal angerührt«, knurre ich.
»Ich spreche von emotionaler Grausamkeit, Sir.«
»Es gab nie eine emotionale Bindung zwischen uns. Das Ganze war nur Theater.«
»Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Das habe ich gleich gewusst, als sie behauptete, Sie hätten den Märchenprinzen raushängen lassen. Das … passt nicht zu Ihnen, Mr. Foster.« Sie nickt nachdrücklich. »Bedauerlicherweise dürfte es Ihnen schwerfallen, das Internet zu überzeugen. Und wenn herauskommt, dass das Ganze nur ein Fake war, wird Ihnen das auch keine Sympathien einbringen.«
Ich schneide eine Grimasse. Sie hat recht.
Im Zeitalter der sozialen Medien bleibt nichts lange geheim, und manche Lügen halten sich ewig.
Außerdem ist es das Zeitalter der Hinterhalte.
Ich habe erst erfahren, was Vanessa Dumas treibt, nachdem ich unsere Kooperation beendet hatte, weil sie an die Öffentlichkeit gegangen war.
»Was soll ich tun? Hat die PR-Abteilung sich schon dazu geäußert?«
Vanessas perfekter, rot bemalter Mund bewegt sich stumm auf dem Bildschirm, als sie eine weitere Lüge von sich gibt, die ich gar nicht hören will. Bestimmt fabuliert sie darüber, wie glücklich sie mit mir war und dass sie fest daran geglaubt hat, ich würde sie über alles lieben.
Hannah zögert. »Ich fürchte …«
»Ich muss doch noch hier und da Gefälligkeiten einfordern können.« Ich schiebe meinen Sessel zurück und tigere auf dem Teppich in der Mitte des Raums auf und ab. Er hat den gleichen schiefergrauen Ton wie das übrige Dekor im ganzen Gebäude. »Wir haben ein paar Freunde bei den Medien. Möglicherweise sogar bei dem Sender, der Martha Rubinas Gehaltsscheck bezahlt.«
»Die Sendung wurde bereits ausgestrahlt, Sir. Das Kind ist schon in den Brunnen gefallen, da ist nichts mehr zu machen.«
Meine Rechtsabteilung würde mich vierteilen, wenn ich auch nur in Erwägung zöge, den Sender zu verklagen, zumal die Idee mit der vorgetäuschten Beziehung ja ursprünglich von mir war.
»Wie wäre es dann mit einer Pressekonferenz? Ich könnte mich direkt an die Öffentlichkeit wenden. Meine Version der Geschichte erzählen und sie als Lügnerin entlarven.«
Hannah verschränkt die Hände hinter dem Rücken. Ich weiß aus Erfahrung, dass das »Bloß nicht!« bedeutet, noch bevor sie ein Wort sagt.
»Nein, Sir«, meint sie knapp. »Wenn Sie zurückschlagen, ziehen Sie nur noch mehr Aufmerksamkeit auf sich und die Sache. Je mehr Sie protestieren, desto schuldiger werden Sie wirken. Und in Anbetracht Ihrer Vergangenheit …« Sie räuspert sich.
»Sprechen Sie es nicht aus. Glauben Sie mir, ich weiß auch so, was Sie meinen«, entgegne ich brüsk. »Je lauter ich mich zur Wehr setze, desto mehr Leute werden in meiner Vergangenheit herumwühlen und alte Wunden aufreißen.«
Dieser Scheiß hängt mir schon mein ganzes Erwachsenenleben nach, seit dem Tag, an dem ich ausgerastet bin und geholfen habe, Onkel Aidan das Handwerk zu legen.
Und das war noch vor dem Debakel mit Serena.
Meine Vergangenheit zu überwinden, war eine Herkulesaufgabe, immerhin ging es um Waffen und Tote, und die ganze Welt wusste, dass mein Onkel in Irland ein Drahtzieher des organisierten Verbrechens war. Ganz zu schweigen vom tragischen Tod seiner Ehefrau.
Ich unterdrücke den Impuls, etwas an die Wand zu werfen.
»Was soll ich denn sonst tun? Schweigend mitansehen, wie sie meinen Namen zum tausendsten Mal durch den Dreck zieht?«
»Ich möchte, dass Sie Souveränität zeigen, Mr. Foster. Milliardenschwere CEOs lassen sich nicht von unwichtigen Gerüchten aus der Ruhe bringen«, erklärt Hannah geduldig. »Wenn Sie sich provozieren lassen, gießen Sie nur Öl ins Feuer.«
»Ja, ja. Über den Dingen stehen, schon verstanden.«
Ich fahre mir mit den Händen durch das Haar und schlucke die Schimpftirade gegen Vanessa herunter, die mir auf der Zunge liegt, während die Schmierenkomödie meiner Fake-Ex im Fernsehen weitergeht.
Das selbstzufriedene Lächeln hinter den Krokodilstränen verrät mir, wie sehr sie ihren Auftritt genießt.
Wie zum Teufel konnte das passieren?
Dabei wollte ich mein Leben doch vereinfachen und nicht zusätzlich verkomplizieren.
»Es gäbe da vielleicht noch eine Option.« Hannah räuspert sich. »Offensichtlich verfolgt Vanessa Dumas einen bestimmten Zweck. Ich vermute, dass sie ihren ›Ruhm‹ als Sprungbrett nutzen will, um Kontakte zu den TV-Machern zu knüpfen, wovon sie sich einen Karrieresprung erhofft.«
Genau das ist das Problem.
Shepherd Foster lässt sich nicht ausnutzen. Von niemandem.
»Ich habe ihr doch bereits geholfen, ihre Karriere voranzubringen. Das war ja Teil unserer Abmachung«, sage ich gepresst. »Ich habe sie zu all diesen Events mitgenommen und Leuten vorgestellt, an die sie sonst niemals herangekommen wäre. Wenn es ihr nicht schnell genug ging oder sie zu blöd war, um mehr daraus zu machen, ist das nicht meine Schuld.«
»Das habe ich auch nie behauptet, Sir.«
»Ich werde mir ihr Schweigen jedenfalls nicht erkaufen, Miss Cho. Die Frau hat mich schon genug gekostet.«
»Offensichtlich nicht.«
Ich starre sie entgeistert an. Sie arbeitet lange genug für mich, um zu wissen, dass ich es eher mit bloßen Händen mit einem ganzen Rudel Vielfraße aufnehme, als dass ich mich erpressen lasse. Vielleicht legt man das, was man in seiner Kindheit gelernt hat, nie ganz ab.
Und überhaupt. Würde es nicht alles noch schlimmer machen, wenn herauskäme, dass ich Vanessa mit Geld oder Gefälligkeiten zum Schweigen bringe?
»Vergessen Sie’s. Ich werde sie nicht bestechen, um den Skandal im Keim zu ersticken. Ich spiele ihr Spielchen nämlich nicht mit.«
Hannah zuckt nicht mit der Wimper.
Ich bin nicht mein verdammter Onkel, lautet die Botschaft, die sie vernimmt.
»Selbstverständlich nicht, Mr. Foster. So etwas würde ich niemals vorschlagen.«
Ich funkele sie böse an, aber ihr Gesichtsausdruck bleibt unverändert.
Sie ist schwer zu durchschauen, und normalerweise gehört das zu den Dingen, die ich besonders an ihr schätze.
Heute verunsichert es mich zusätzlich.
Verflucht, sie ist die beste Assistentin, die ich je hatte, und das nicht zuletzt deshalb, weil sie sich von meiner ruppigen Art nicht beeindrucken lässt.
Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, sie ist ein biologischer Android und darauf programmiert, in jeder Lebenslage professionell, höflich, gelassen und fähig zu sein.
Warmherzig weniger, aber ich stehe auch nicht so auf Dauerlächeln.
Von einer Assistentin der Geschäftsleitung erwarte ich in erster Linie Effizienz, und diese Kompetenz beherrscht sie auf beinahe beängstigende Weise.
Sie würde nicht mit schlechten Neuigkeiten zu mir kommen, ohne über eine Lösung nachgedacht zu haben.
Hirnloses Gequatsche ist nicht Hannah Chos Art. Sie ist lösungsorientiert und dabei so fokussiert wie ein Bogenschütze auf die Zielscheibe.
Sie hat bereits alle Möglichkeiten für heute, morgen und die nächsten drei Jahre durchgespielt.
»Möchten Sie sich setzen?«, frage ich und zeige auf den Besucherstuhl vor dem Schreibtisch. »Sagen Sie mir, was Sie wirklich denken.«
Hannah setzt sich auf die Stuhlkante. Ihr Bob glänzt, jedes Haar an seinem Platz, und die Spitzenbluse, die sie unter dem Hosenanzug trägt, ist hochgeschlossen. Sie ist die Strenge in Person, sachlich und schlicht, etwas, das ich schätze. Das einzige Schmuckstück, das ich je an ihr gesehen habe, ist ein Silberkettchen mit einem kleinen Schwanenanhänger, das sie von ihrer Großmutter hat.
»Ich habe da eine Idee«, sagt Hannah. Ich wusste es. »Und zwar eine bessere als die wenig durchdachte einer Pressekonferenz oder sonstigen Reaktion, die Ihre Position schwächen würde. Vergessen Sie das.«
Ich trommle mit den Fingern auf die Tischplatte. »Weiter.«
»Es geht um das neue ›Young Influencers‹-Programm.«
»Das was?« Ich runzle die Stirn und sehe sie fragend an.
Sie seufzt, als hätte sie von mir nichts anderes als völlige Ahnungslosigkeit erwartet.
»Das neueste gemeinnützige Programm, das Home Shepherd sponsert. Junge Influencer, die sich für Wohltätigkeitsarbeit interessieren, dürfen dem CEO ein paar Monate über die Schulter sehen, um praktische Erfahrungen in der Leitung einer Wohltätigkeitsorganisation zu sammeln.«
Wie bitte?
Und dem habe ich zugestimmt?
»Ach ja?« Ich habe noch nie von einem solchen Programm gehört und kann nicht fassen, dass ich etwas so Zeitaufwändigem zugestimmt haben soll, aber sei’s drum.
»Junge Influencer sollen Einblicke ins Management bekommen. Sie lernen, wie gemeinnützige Programme auf unserer Ebene funktionieren, und profitieren von unseren Erfahrungen«, erklärt sie.
»Ich verstehe das Konzept.«
»Gut.«
Auf meinem Tablet sehe ich, dass Vanessa immer noch rumjammert wegen des angeblichen gebrochenen Eheversprechens.
Ich verkneife mir ein Knurren, schalte das Gerät ab und schiebe es beiseite.
»Sie wissen, wie ich zu Influencern stehe«, sage ich.
Es ist die Welt, die ich am meisten verachte, voller Fake News und aufgehübschter Gesichter, hinter denen sich berechnende Egoisten verbergen.
Die schlimmste Form von »berühmt und berüchtigt«.
Es ist abstoßend, wie sie Menschen für Klicks manipulieren.
Und das nur für den Erfolg.
»Ja, das weiß ich, Mr. Foster«, entgegnet Hannah kühl.
»Würden Sie mir dann erklären, warum ich mich nicht erinnern kann, ein solches Programm genehmigt zu haben?«, grummele ich. »Und wenn Sie schon dabei sind, helfen Sie doch bitte meinem Gedächtnis dahingehend auf die Sprünge, warum ich zugestimmt habe, Zeit mit einem Social-Media-Süchtigen zu verbringen.«
»Das haben Sie nicht, Sir. Ich habe mir das gerade erst überlegt.«
Ich starre sie perplex an.
Die Frau ist zu gut.
Das erklärt so einiges, wenn auch nicht, warum sie das für eine gute Idee hält.
»Sie haben zwei Minuten«, sage ich brüsk. »Und eins sage ich Ihnen gleich, Miss Cho, Sie werden verdammt überzeugend sein müssen.«
Hannah streicht eine unsichtbare Falte an ihrer Hose glatt und blickt dann zu mir auf, einen unergründlichen Ausdruck in den tiefbraunen Augen. In all den Jahren, die wir jetzt schon zusammenarbeiten, ist es mir noch nicht gelungen abzuschätzen, wie sehr ich ihre Nerven strapaziere.
Und ich gehe davon aus, dass ihr das auch ganz recht ist.
Aber das hier ist so weit außerhalb meiner Komfortzone, dass ich neugierig bin zu erfahren, warum sie das für eine gute Idee hält.
Ungeachtet der von mir angekündigten Frist, nimmt sie sich Zeit, um ihre Gedanken zu sammeln, und legt dann die Finger dachförmig aneinander, bevor sie beginnt.
»Wir brauchen einen neuen PR-Ansatz, insbesondere, wenn es um Sie geht. Aufgrund der Natur dieser Gerüchte – und der bedauerlichen Tatsache, dass wir sie nicht abfangen konnten, bevor sie öffentlich gemacht wurden – müssen wir kreativ denken.«
»Und Sie denken, irgendwelche geistlosen Influencer wären die Lösung? Das ist allerdings kreativ«, erwidere ich schroff.
»Ich kann nachvollziehen, warum Sie von dieser Idee nicht so begeistert sind, aber diese Leute haben aufgrund ihrer Reichweite ziemlich viel Einfluss. Das könnten Sie zu Ihrem Vorteil nutzen. Auch würden wir die Kandidaten sorgfältig prüfen und sichergehen, dass sie sich in der Vergangenheit bereits für wohltätige Zwecke eingesetzt haben.«
Ja, genau.
Ich schnaube erneut unwillig. »Und wie kommen Sie darauf, dass irgendein Influencer sich positiv über mich äußern wird?«
»Weil sie sich um einen Platz in dem neuen Programm reißen werden. Auch wenn Sie gerade im Mittelpunkt eines privaten Skandals stehen, Sir, ändert das nichts an der Macht und dem hervorragenden Ruf von Home Shepherd«, erwidert sie, ohne zu zögern. »Insbesondere dann, wenn der erfolgreiche Abschluss des Lehrgangs mit einer großzügigen Spende an eine Wohltätigkeitsorganisation einhergeht, die derjenige unterstützen möchte.«
»Verstehe.«
Es ärgert mich, dass ich dem nichts entgegenzusetzen habe.
Es ärgert mich, dass das tatsächlich nach einem guten Plan klingt.
Und Hannah weiß das, da sie mir jetzt ein echtes Lächeln schenkt. »Ziemlich brillant von Ihnen, sich so etwas auszudenken, oder?«
Ich verschränke die Arme und mustere sie säuerlich.
Habe ich schon erwähnt, dass ich alles andere als begeistert bin von dem Scheiß?
Insbesondere bei der Vorstellung, einen von diesen Leuten am Bein zu haben, die alle zehn Sekunden Hundewelpen-Videos aus dem Tierheim posten, ansonsten nur rumjammern und Selfies machen wollen.
Grauenhaft.
Jeder Influencer mit einem funktionierenden Hirn wird etwas von mir erwarten, das ich ihm nicht geben kann. Ich werde nämlich nicht buckeln und lächeln für Leute, die nur darauf warten, mich in die Pfanne zu hauen.
Das Ganze wird mich schon nach wenigen Tagen in den Wahnsinn treiben.
Und inwiefern sollten die Posts über diese fantastische Gelegenheit etwas ausrichten können gegen Vanessas Lügengeschichten?
Soll die Aktion dazu dienen, der Welt da draußen zum millionsten Mal zu beweisen, dass ich sauber und ein netter Kerl bin und das alles?
»Sie sind immer noch skeptisch«, stellt Hannah fest.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Betrachten Sie es als taktisches Ablenkungsmanöver«, sagt sie. »Sie können sich nicht direkt zu Vanessas Vorwürfen äußern und dabei gut dastehen, aber Sie können die Leute daran erinnern, was Sie hier tun. Unter Ihrer Führung hat Home Shepherd bereits verdammt viel Gutes geleistet.«
»So leicht werden die Leute Vanessa nicht vergessen. Das tun sie nie. Nicht seit Aidan Murphy und dem Jahrhundertprozess«, knurre ich. Die Erinnerung daran ist so bitter, dass ich sie auf der Zunge schmecken kann.
»Das werden sie, wenn sie nichts Neues mehr zu berichten hat oder wenn sie weiter über Sie lästert und Sie sie einfach ignorieren.« Sie beugt sich vor. »Sie halten sich bedeckt und tun das, was Ihre Firma am besten kann, Mr. Foster. Ich glaube, Sie unterschätzen den Einfluss von Influencern.«
Okay.
Dennoch ist es die beste von verschiedenen Optionen, die mir alle nicht gefallen, und Miss Cho hat nicht unrecht.
Im Grunde ist es meine Schuld, weil ich übersehen habe, dass Vanessa eine labile Person ist, die nicht mit Zurückweisung umgehen kann. Ich hätte auf so etwas gefasst sein müssen, als sie nicht auf meine freundliche E-Mail reagiert hat, die als Zeichen meines guten Willens mit dem Angebot einherging, für die Teilnahme an einer Konferenz ihrer Wahl aufzukommen, alle Spesen inklusive.
Ich weiß nicht, wie Vanessa auf den Gedanken kommen konnte, ich würde mich von ihr verführen lassen.
Immerhin hat Hannah sich weitestgehend um unsere Korrespondenz gekümmert, und meine Assistentin ist nicht eben der romantische Typ.
Aber dieses Influencer-Ding wird nur vorübergehend sein.
Es ist eine ehrliche Art, positive Berichterstattung für Home Shepherd zu generieren.
Und ich kann ruhig etwas Zeit opfern, wenn es dazu beiträgt, mein Problem mit Vanessa Dumas zu lösen und ich mich hinterher wieder ungestört meiner Arbeit widmen kann.
Außerdem wollte ich sowieso den Einsatz der Firma für wohltätige Zwecke ausweiten.
Aktuell schreiben wir Rekordzahlen mit unseren Leuchten aus der neuen »Watchful Lights«-Kollektion. Jeder Besitzer einer Luxusimmobilie in Nordamerika möchte unsere Außenleuchte mit integrierter solarbetriebener Türkamera.
Es fühlt sich für mich nicht richtig an, das ganze Geld in die eigene Tasche zu stecken, zumal ich schon mehr als genug habe.
Vielleicht hat es auch mit dem schlechten Gewissen zu tun, mit dem man als Neffe eines Großkriminellen aufwächst, auch wenn man sich selbst nie etwas hat zuschulden kommen lassen.
Oder es liegt daran, dass ich das tue, was ich am besten kann – mich fernhalten von allem, was auch nur ansatzweise skandalträchtig sein und ehrlich verdientes Geld und innovatives Denken in Verruf bringen könnte.
Hiervon abgesehen habe ich einfach keine Zeit für lästige Gerüchte.
»Na schön«, sage ich schließlich. »Wenn Sie es für eine gute Idee halten, will ich nicht widersprechen.«
»Hervorragende Entscheidung, Sir.«
Ich funkele sie böse an.
Hannah zuckt nicht einmal mit der Wimper.
»Wenn Sie jemanden aus den sozialen Medien auswählen, der mir hinterherdackeln soll wie ein Hundewelpe, der sich verlaufen hat, achten Sie wenigstens darauf, dass derjenige absolut lupenrein ist«, warne ich sie. »Mir ist völlig egal, wer es ist, Hauptsache, derjenige erfüllt seinen Zweck.«
Sie gestattet sich ein leises Lächeln.
»Selbstverständlich. Habe ich Sie je enttäuscht?«
Ich betrachte das als rhetorische Frage und spare mir eine Antwort. Sie weiß sehr gut, dass sie deshalb schon so lange bei mir ist, weil ich mich entspannt zurücklehnen kann, wenn sie sich einer Sache annimmt.
Und das fällt mir wahrlich nicht leicht, weil ich es hasse, die Kontrolle abzugeben.
»Streichen Sie alle Wochenendtermine aus meinem Kalender. Ich muss mal den Kopf freibekommen«, sage ich, schiebe meinen Bürostuhl zurück und schlüpfe in mein Sakko. Die Abendsonne ist riesig und orange und hängt tief am Horizont jenseits der Stadt.
Wenn ich vor Sonnenuntergang hier raus sein will, sollte ich mich beeilen.
Wie gewöhnlich nimmt sie diese Anweisung mit einem höflichen Nicken auf.
»Wieder einer Ihrer Ausflüge, Sir? Ich muss zugeben, ich kann Sie gut verstehen.«
»Ja. Montag bin ich zurück.«
»Bis dahin habe ich die ersten Kandidaten zur Auswahl.«
»Gut.« Ich schalte den Computer aus und lasse meinen Laptop ohne einen weiteren Blick achtlos auf dem Tisch liegen.
Gott, was für eine Misere.
Warum bin ich aus dem Zeugenschutzprogramm ausgestiegen, nachdem Onkel Aidans Prozess vorbei war?
Heute bereue ich diese Entscheidung.
Wenn ich den Namen Billy Jordan behalten hätte, hätte ich ein sicheres, wenn auch langweiliges Leben in Gilbert Arizona leben können. Dann wäre ich heute vielleicht verheiratet und hätte ein durchschnittliches Gehalt und ein paar Orangenbäume.
Ohne den Ballast familiärer Beziehungen zum organisierten Verbrechen.
Keine Serena und kein Skandal.
Keine Milliarden, aber auch keine geldgeilen Weiber, die sich einbilden, ihr Dekolleté könnte mein vereistes Herz auftauen.
Stattdessen schlage ich mich mit den Problemen von Shepherd Foster herum, habe einen Haufen Kohle und dafür keinen einzigen Orangenbaum.
Wie gesagt, die Liste der Entscheidungen, die ich bereue, ist ellenlang, und es gibt nur eins, was mich davon ablenken kann.
Alki Beach ist der Himmel auf Erden, sofern man starken Wind und frische salzige Luft als paradiesisch empfindet. Weiches Sonnenlicht überflutet den Ozean unter dem grenzenlosen, strahlend blauen Himmel, und es ist niemand weit und breit, der mich während meiner Auszeit stören würde.
Molly trabt mit heraushängender rosa Zunge neben mir her. Sie ist der beste Hund überhaupt.
Frühmorgendliche Läufe wie dieser sind das Beste überhaupt.
Ach ja, und die Robben sind auch ein Highlight.
Heute liegen sie halb im Wasser, halb an Land und dösen in der Sonne wie überdimensionale Kartoffeln mit Flossen. Ich bin zu weit entfernt, um sie deutlich zu sehen, aber ich bin fast sicher, dass sie trotz des Windes die Augen zufrieden geschlossen haben.
Wunderschön.
Als ich stehen bleibe, um zu verschnaufen, entdeckt Molly die Robben. Sie spitzt die Ohren und hält den Kopf schief.
»Vergiss es, Mädchen«, sage ich und wickle mir die Leine um die Hand. »Die Robben haben ganz sicher keine Lust, mit dir zu spielen.«
Sie protestiert winselnd.
Ein zehn Monate alter Husky weiß manchmal nicht, wohin mit seiner ganzen Energie.
Sie weiß ja nicht, dass sie die Robben in Panik versetzen würde.
Allerdings bieten die Robben gerade ein perfektes Fotomotiv.
Das Licht ist ideal, weich und trotz meines verschwitzten Gesichts schmeichelhaft. Wenn ich mich mit dem Gesicht zur Sonne stelle, kann ich bei einem Selfie die Robben im Hintergrund einfangen.
»Bereit?« Ich knie mich hin, sodass Mollys und mein Kopf auf einer Höhe sind. Sie wufft aufgeregt und leckt mir das Gesicht. »Okay. Auf drei. Lächeln. Eins, zwei …«
Molly schaut hechelnd dahin, wo ich mit den Fingern schnippe, und ihre schönen blauen Augen funkeln in der Sonne.
Ich schwöre, sie ist fotogener als ich.
Ich mache kurz hintereinander mehrere Bilder und scrolle mich, während ich weitergehe, durch die Fotos. Die Robben sind auf der dritten Aufnahme am besten zu sehen, und so fange ich mit der Bearbeitung an.
Es ist nicht viel zu verändern, und es dauert nur eine Minute, bis ich den richtigen Filter gefunden habe.
Ich stehe für authentische Bilder und vermeide zu starke Bearbeitungen.
Nur etwas mehr Kontrast, damit die Robben sich noch ein bisschen mehr abheben, einen Weichzeichner, um das Beste aus der Morgensonne herauszuholen, und dann kann ich es auch schon auf X und Insta posten. Meine Zungenspitze lugt seitlich aus meinem Mundwinkel heraus, während ich tippe.
Sonnige Grüße von Mol und mir von unserem Morgenlauf! Hat sonst noch jemand die Robben gesehen? Und denkt immer daran: Wenn ihr Wildtiere in freier Natur seht, haltet Abstand. #AlkiBeach #harborseals #wildlifeprotection
Ich will ja nicht predigen, aber manche Leute muss man immer wieder daran erinnern.
Erst gestern hat jemand ein Video davon gepostet, wie seine Freunde versucht haben, eine Möwe zu fangen. Wahrscheinlich haben sie das für einen harmlosen Spaß gehalten, aber sie haben ja keine Ahnung, wie sensibel Tiere sein können.
Zwei Minuten später vibriert mein Handy, als die ersten Likes und Kommentare eingehen. Jede einzelne Rückmeldung löst einen kleinen Dopamin-Kick aus, der besser wirkt als ein doppelter Espresso.
Heute begeistern ausnahmsweise einmal nicht nur die Landschaft oder Mollys hübsches Köpfchen.
Es ist ein gelungenes Selfie von mir, mit rosigen Wangen und im Wind wehendem Haar.
»Was meinst du, Mol?« Ich zeige ihr das Display. »Ist das nicht süß?«
Sie stupst das Handy mit der Nase an und hinterlässt einen feuchten Fleck, den ich wegwische.
Ich muss lachen.
»Ja, du hast recht. Dich lieben sie mehr als mich.«
Sie wedelt mit dem Schwanz und ich küsse sie auf den felligen Kopf.
Mollys Anschaffung war die beste Entscheidung, die ich als erwachsener Mensch getroffen habe, auch wenn sie mir einiges abverlangt und ich vier bis fünfmal täglich mit ihr rausmuss.
Ich bin überzeugt davon, dass ich die Hälfte meiner Follower ihr zu verdanken habe.
Molly läuft neben mir her, als ich wieder zu einem gemäßigten Tempo übergehe, die erfrischende Brise im Gesicht. Ich habe die Leine noch um die Hand gewickelt und behalte Molly bei Fuß.
Normalerweise ist sie recht folgsam.
Ich habe so viel mit ihr trainiert, dass ich inzwischen glaube, dass ich selbst auf einen lockenden Ruf und ein stinkendes Lachsleckerli reagieren würde, aber die Fellnase weiß inzwischen sehr gut, was ich von ihr erwarte.
Trotzdem glaube ich, dass sie immer eine Schwäche haben wird.
Für Vögel.
Bei jedem Vogel, vom kleinen Piepmatz bis hin zum riesigen kreischenden Adler, dreht sie völlig am Rad.
Würde sie eine Möwe auf einer Klippe jagen, würde sie todsicher abstürzen, weil sie die Gefahr nicht erkennen würde.
Würde der Vogel sich auf dem Wasser niederlassen, würde Mol hinterherschwimmen.
Ich liebe sie, aber wenn es um Vögel geht, ist sie unbelehrbar.
»Träum weiter!«, sage ich, als wir an ein paar schwarzen Austernfischern mit den unverwechselbaren roten Schnäbeln vorbeikommen, die am Ufer nach Beute suchen.
Molly grummelt mit einem niedlich umgeknickten Ohr und lässt sie nicht aus den Augen.
Ich weiß, was sie gerade denkt.
Wozu gibt es Vögel, wenn ich sie nicht jagen darf?
»Da ist was dran«, sage ich, und sie blickt zu mir auf. Der Sand ist fest, und ich laufe mit gleich bleibender Geschwindigkeit weiter, sodass wir ohne Zwischenfälle an ihnen vorbeikommen. »Aber nein, nichts da. Vögel sind Teil des Ökosystems. Wenn du sie alle frisst, sterben wir irgendwann aus.«
Sie grummelt wieder, als sie das Wort »nein« heraushört.
Es klingt vielleicht etwas verrückt, aber ich spreche viel mit ihr.
Das meiste von meinem Gequassel versteht sie natürlich nicht, aber dieses Kommando hat sie gehört bis zum Abwinken. Huskywelpen haben nämlich viel Unsinn im Kopf.
Der Strand wird breiter, als ich mich der Landspitze nähere, wo der Leuchtturm in die Höhe ragt. Es ist ein eher kleiner Leuchtturm, aber ich liebe diesen Ort und den Blick über die Bucht.
Nur ich, das Meer und die Natur.
Wenn ich hier draußen bin, kommt es mir immer so vor, als wäre die Welt noch in Ordnung.
Als ich beim Leuchtturm ankomme, ist die Sonne vollständig aufgegangen und hängt wie ein goldener Ballon am Himmel. Der Wind ist aber weiter aufgefrischt, und die anfangs noch sanfte Brise hat sich zu einem stürmischen Wind gesteigert, der in den Ohren rauscht und an meinen Haaren zerrt.
Ich verlangsame das Tempo, suche mir meinen Weg durch die Felsen und blicke aufs Meer.
Von Alki Point aus kann man Süd-Bainbridge und Blake Island sehen. Dahinter, auf der anderen Seite der Bucht, befindet sich der Banner-Forest-Nationalpark.
Ich lächle.
Wie oft war ich dort schon mit Dad, Eliza und dem Rest der Familie wandern?
Der urtümliche Wald ist Balsam für die Seele.
Ich bin schon fast mein ganzes Leben hier zu Hause, und doch geht mir bei dem Anblick immer noch das Herz auf – auch wenn der Wind mich fast ins Meer weht.
Ich sehe oft Boote draußen auf dem Wasser. Meistens ist die Bucht morgens voller Segelyachten und kleinerer Fischkutter.
Heute jedoch nicht. Der Wind und die aufgepeitschte See verraten mir, warum sich niemand hinausgewagt hat.
Die Brecher werfen sich wie rastlose Ungeheuer, die aus einem langen Schlummer erwacht sind, gegen das Ufer, mit solcher Wucht, dass die Gischt hoch aufspritzt, ich spüre sie sogar auf dem Gesicht. Zum ersten Mal an diesem Morgen fröstele ich, als ich einen Blick auf das Handy werfe.
Mist.
Es gibt sogar eine Sturmwarnung für kleinere Boote. Ich lasse den Blick über die Wellen schweifen und rechne nicht damit, unten am Bootssteg jemanden zu sehen.
Erst recht nicht einen Mann mit einem kleinen grünen Kajak.
»O nein«, sage ich kaum hörbar, als ich sehe, dass er kurz davor ist loszupaddeln.
Als sich eine riesige Welle auf halber Entfernung zu Blake Island auftürmt, spurte ich los in Richtung Anleger, die Hände trichterförmig an den Mund gelegt.
»Hey! Hallo, warten Sie, Mister. Sie können bei diesem Wetter nicht rausfahren!«
Sind Sie irre?, hätte ich gerne hinzugefügt. Aber es kann tausend Gründe für seinen Leichtsinn geben. Vielleicht ist er Tourist oder ein Adrenalinjunkie oder auch einfach jemand, der nie aufs Telefon schaut und unterschätzt, wie aufgewühlt das Meer tatsächlich ist.
Er hält inne und starrt mich an. Er hat schwarzes Haar und tiefblaue Augen, die mich mitten in der Bewegung innehalten lassen.
Ich bleibe so abrupt stehen, dass es mir die Luft aus der Lunge presst. Auch Molly verharrt an meiner Seite und mustert ihn argwöhnisch.
»Es gibt eine Sturmwarnung. Da draußen sind es bereits über dreißig Meilen in der Stunde. Da wollen Sie jetzt nicht wirklich rausfahren«, sage ich ruhig, während er so reglos dasteht wie eine Statue.
Ja, der Kerl ist zweifellos verrückt. Das ist nichts Ungewöhnliches hier draußen.
»Ich bin mir des Wetters bewusst, Miss«, entgegnet er schroff. »Ich habe ja Augen im Kopf. Ich bin schon über dreihundert Mal nach Blake Island rübergefahren, teilweise unter noch schwierigeren Wetterbedingungen. Danke für Ihre Fürsorge, aber nein danke.«
Allmächtiger.
Höflich ist er, aber die Welle, die sich mit solcher Wucht hinter ihm bricht, dass wir beide nass werden, untermauert meine Bedenken bezüglich seines Vorhabens.
»Sie können nicht rausfahren, Mann. Es sind schon Leute bei weniger Wellengang ertrunken«, sage ich, aber je mehr ich rede, desto eisiger wird sein Blick. »Wenn Sie schon so oft nach Blake gepaddelt sind, müssen Sie doch wissen, wie viele Leute auf der Strecke in Seenot geraten sind und gerettet werden mussten. Das lässt sich vermeiden.«
»So wie dieses Gespräch«, erwidert er brüsk.
O Mann.
Was für ein arrogantes Rindvieh.
Ich ziehe die Brauen zusammen. »Finden Sie nicht, dass es etwas egoistisch ist, Menschen und Ressourcen in Gefahr zu bringen, falls die Küstenwache Sie rausfischen muss? Ich versuche nur, das zu verhindern.«
Er verdreht so demonstrativ die Augen, dass ich fast glaube, ich bin hier die, die nicht alle Tassen im Schrank hat.
»Langweilen Sie mich nicht. Ich bin ein erwachsener Mann und entscheide selbst, welche Risiken ich eingehe. Wenn ich abgetrieben werde, finde ich allein zurück. Sie können ja die Polizei verständigen und mich wegen selbstgefährdenden Verhaltens verhaften lassen, wenn Sie sich dann besser fühlen.«
»Unsinn. Das ist ja kein Verbrechen.« Ich seufze, als er mir den Rücken zukehrt und mir noch einen scharfen Blick über die breite Schulter zuwirft. »Keine gute Tat bleibt ungestraft, was?«
Er zuckt die Achseln, setzt sein Kajak auf dem schäumenden Wasser ab und wirft mir noch einen Blick zu.
Sogar Molly hat die Ohren angelegt und scheint zu überlegen, ob seine Dummheit eine Bedrohung ist. Ich schätze, meine eigene Energie färbt auf sie ab. Sie ist ein extrem sensibler Hund.
Ich kann eben einfach nicht fassen, was hier abgeht.
»Wenn Sie etwas Gutes tun wollen, Nervensäge, verschwinden Sie von hier und lassen Sie mich den Tag genießen«, brummt er.
Klar.
Der Kerl ist der unhöflichste, abweisendste und unsympathischste Typ, der mir je untergekommen ist. Ein Teil von mir würde ihn gerne hinaus in den Sturm schubsen, während der Rest alles versuchen will, um ihn von diesem bodenlosen Leichtsinn abzuhalten.
Ich bin hin- und hergerissen.
»Wie Sie meinen.« Ich bemühe mich um einen gleichgültigen Tonfall und ärgere mich, dass meine Stimme so wütend klingt. »Ich bitte vielmals um Entschuldigung, dass ich mir Sorgen um Ihr Leben gemacht habe.«
Die Wellen brechen sich erneut zu nah bei uns am Ufer, sodass ich seine Erwiderung nur bruchstückhaft höre, als Molly sich schüttelt, um das Wasser loszuwerden.
Es klingt wie: »… kümmern Sie sich lieber um Ihren Hund. Bringen Sie ihn weg vom Wasser und hören Sie auf, fremde Leute zu belehren, die sehr gut auf sich selbst aufpassen können.«
Sprachlos sehe ich zu, wie er sich vom Steg abstößt und keine Minute nach seinem Start von einer drei Meter hohen Welle erfasst wird.
Das ist lebensgefährlich.
Der Typ ist ein Riesenidiot.
Und ich muss ein noch größerer Idiot sein, dass ich mich von ihm so habe abkanzeln lassen. Wenn ihm seine Sicherheit egal ist, warum sollte sie dann mich interessieren?
Der Mann ist entweder geistesgestört, oder aber er leidet an krankhafter Selbstüberschätzung – von seiner Reizbarkeit ganz zu schweigen.
Trotzdem blicke ich ihm aus zusammengekniffenen Augen nach, als er auf der rauen See immer wieder aus meinem Blickfeld verschwindet, überzeugt davon, dass er jeden Moment in Not geraten und Hilfe brauchen wird.
Wenn ich mit meiner Einschätzung richtigliege, werde ich ihm den Gefallen tun und die Küstenwache verständigen.
Ich ziehe meine Windjacke aus und lege sie Molly um, während ich weiter aufs Wasser sehe und warte.
Die Kälte macht mir nichts aus. Vielmehr trägt sie dazu bei, mein von seiner unsäglichen Art in Wallung gebrachtes Blut wieder abzukühlen.
Tatsächlich ärgert es mich, dass er mit den Wellen so gut zurechtkommt.
Er kämpft sich langsam und gelassen immer weiter vor, als würde er den lieben langen Tag nichts anderes tun, als der Gefahr ein Schnippchen zu schlagen.
Die Kraft seiner präzisen Bewegungen hat etwas Trotziges, als wollte er der ganzen Welt etwas beweisen.
Himmel nein.
Das kann keine blinde Arroganz sein.
Das ist mehr wie eine Raserei, die er am Meer auslässt, weil sonst nichts stark genug ist, um ihm standzuhalten.
In irritiertem Staunen beobachte ich ihn mehrere Minuten lang mit klopfendem Herzen.
Ich rechne damit, dass seine Kräfte jeden Moment nachlassen und er zumindest einen Anflug von Furcht zeigt.
Es muss jeden Moment so weit sein.
… aber ich warte vergeblich.
Irgendwie gelingt es diesem Wahnsinnigen, dem Ozean Widerstand zu leisten, jede Welle zu überwinden und sich langsam, aber stetig auf Blake Island zuzubewegen.
Ich habe schon die Nummer der Seenotrettung aufgerufen, aber jetzt zögere ich.
Ihm bei seinem Kampf gegen die Elemente zuzusehen, hat etwas Hypnotisierendes.
Ich habe noch nie erlebt, wie jemand dem Meer trotzt, als hätte er einen persönlichen Streit mit Poseidon und wäre fest entschlossen, ihn für sich zu entscheiden.
Und seltsamerweise behält er wirklich die Oberhand.
Für mich ist die Natur etwas, das man nicht unterwirft. Sie ist Bestandteil unseres Lebens, und es liegt in unserer Verantwortung, sie zu schützen.
Aber dieser Mann hat ihr den Krieg erklärt und bekämpft sie mit jedem Paddelstoß.
Seine nackte Aggression versetzt mein Herz in Aufruhr.
Die See versucht immer wieder, ihn zu verschlucken und ihm Respekt beizubringen, aber vergeblich.
Meine Güte.
Ihm scheint das Ganze auch noch Spaß zu machen.
Ob er weiß, dass ich immer noch hier stehe wie ein frierender Idiot, ihn beobachte und versuche, meine Sorge um ihn zu verdrängen?
Warum sollte jemand sich dieser Gefahr aussetzen?
Der Adrenalinkick, klar. Es gibt Menschen, die ständig auf der Suche nach der nächsten Gefahr sind.
Verrückt, aber was weiß ich schon davon?
Als ich schließlich sicher bin, dass er außer Gefahr ist, und er den Strand der Insel erreicht, wende ich mich von dem Mann und seinem faszinierenden Kampf ab und sehe, dass Mol gerade im Begriff ist, einem großen Einsiedlerkrebs den Garaus zu machen.
»Molly!« Ich öffne ihr gewaltsam das Maul und befreie die arme Kreatur.
Gott sei Dank hat der Panzer den Krebs vor ihren spitzen Zähnen beschützt.
Ich lasse den Krebs zurück ins Wasser fallen und hoffe, dass er nicht allzu traumatisiert ist.
»Das darfst du nicht«, schimpfe ich, aber sie wedelt nur mit dem Schwanz und blickt aus großen blauen Augen zu mir auf. »Diese Krebse sind nicht zum Fressen da.«
Du hast ja keine Ahnung. Ihr Hundegrinsen wird noch breiter. Krebse sind lecker. Alle Krebse. So oder so ähnlich deute ich ihren Blick.
»Du bist ein böses Mädchen. Aber ich hab dich trotzdem lieb.«
Ich blicke noch einmal zurück auf den Verrückten Kajakfahrer, aber er ist nicht mehr zu sehen.
Einen Moment gerate ich in Panik und mache mir Vorwürfe, dass ich ihn aus den Augen gelassen habe. Dann sehe ich sein hellgrünes Kajak am Ufer. Er hat es vertäut, und es verschwindet immer wieder zwischen den Wellen.
Hm.
Also dann.
Ich muss wohl die Tatsache akzeptieren, dass er tatsächlich weiß, was er tut, und ansonsten ein zu großes Arschloch ist, als dass er die Welt so bald von seiner Anwesenheit befreien würde. Genau das, was ich an einem Morgen wie heute nicht brauchen kann.
Ich lenke mich mit Gedanken an das Wochenende von dem Sonderling ab.
Vielleicht fahre ich ja noch mal nach Olympia rüber und unternehme einen weiteren Versuch, Otter aufzuspüren. Die Tiere sind so selten und gefährdet, dass ich bisher noch kein einziges Exemplar in freier Wildbahn gesehen habe, was ich gerne ändern würde.
Das Amt für Fischerei und Wildtiere bittet nachdrücklich um Meldungen von Privatpersonen, die Otter in freier Natur gesichtet haben.
Wenn ich oben im Norden Glück habe, kann ich vielleicht dazu beitragen, diese Art zu retten.
Meine Internet-Follower wären begeistert, und ganz nebenbei wäre es eine fantastische Gelegenheit.
Aber nicht einmal die Gedanken an die niedlichen, vom Aussterben bedrohten Otter können verhindern, dass ich weiter an den Bekloppten denke, der sich so fruchtlos und souverän der entfesselten See gestellt hat.
Wer hegt einen solchen Groll gegen das Leben? Und warum?
»Hier entlang. Lass uns gehen, Mädchen.« Ich wende mich ab und laufe von der Landspitze fort, damit ich ihn nicht länger sehen kann.
Ich zücke mein Handy und scrolle durch die eingegangenen Nachrichten.
Ein paar Likes und Kommentare auf Insta und eine ordentliche Anzahl an neuen Followern. Ich wische an ihnen vorbei zu ein paar neuen Nachrichten auf Discord.
Ich chatte dort mit einer Handvoll Einheimischer, und wir tauschen uns über Mittel und Wege aus, unsere Reichweite zu vergrößern, und diskutieren darüber, wie es ist, Influencer zu sein.
Immer mal wieder teilt jemand eine coole neue Idee mit den anderen. Für gewöhnlich ist es auf dem Messenger aber ziemlich ruhig, wenn es nicht gerade wichtige Neuigkeiten gibt.
Heute kommen Nachrichten Schlag auf Schlag.
Neugierig öffne ich den Chat und lese mich durch die Meldungen.
Claradoeschicklit: OMG OMG ihr habt ja keine Ahnung, was passiert ist. Ratet mal.
Megtea: Ich glaube, ich weiß es.
c h a o s b e a r: Was denn? Was ist denn los?
Jennineedscoffeeornope: Ein neues Programm? Einzelheiten?
Claradoeschicklit: Genau genau genau.
Claradoeschicklit: Wie kommt es eigentlich, dass du immer als Erste informiert bist, Jenni? OMG.
MegTea: Wem hast du einen geblasen? Und war es schön?
Ich rümpfe die Nase. Meghan Tea ist laut und derb, und sie lässt keine Gelegenheit aus, uns daran zu erinnern, wer die Nummer eins in der Hackordnung ist.
Mir persönlich gefällt es gar nicht, dass sie in unserer Gruppe ist, obwohl sie primär als Influencerin sich selbst vermarktet und nicht Dinge wie Rezepte, Reisen oder auch gute Taten. Ihre Videos dreht sie in den Restaurants der Stadt, und sie plaudert über allerlei Nichtigkeiten und Skandale, die gerade die Gemüter erregen.
Trotzdem lese ich weiter, während immer neue Nachrichten eingehen.
Claradoeschicklit: Igitt, Meg. Verpiss dich und such deine nächste Story woanders.
Jennineedscoffeeornope: Ich halte immer und überall Augen und Ohren offen.
Claradoeschicklit: Es gibt ein neues Programm namens Young Influencers von Home Shepherd. Ihr wisst schon, das ist die Firma, mit dem sexy, aber gestörten CEO. Das klingt richtig nice, Leute.
Ich bleibe stehen, um selbst eine Nachricht zu tippen.
DESTINYSCHILD: Home Shepherd, ja? Ist das die Firma, die allerlei Sicherheitsfeatures für Häuser anbietet?
Mehrere Personen gleichzeitig fangen an zu tippen, aber Claras Antwort erscheint als erste. Das ist meistens so. Die Frau muss bionische Finger haben, um so schnell tippen zu können.
Claradoeschicklit: Genau! Ich meine, ich weiß, ich weiß. Es ist klingt etwas sonderbar, aber es scheint ein echt cooles Programm zu sein und dazu noch eine super Chance. Ich würde jeder Buchhandlung in Seattle einen gewissen Betrag zukommen lassen, wenn ich das Geld bekäme.
MegTea: Du und deine Bücher. Wenn ich gewinne, werde ich dafür sorgen, dass Obdachlose kostenlose Mahlzeiten erhalten. #peopleoverpages
Niemand lacht über ihren Seitenhieb.
Ich schürze nachdenklich die Lippen und tippe mir ans Kinn.
Mol setzt sich neben mich und leckt sich das Maul.
Hmm.
Ich sollte mir das mal genauer ansehen. Geld und eine Gelegenheit, anderen Leuten zu helfen, wachsen nicht auf Bäumen, und wenn Clara so abgeht, muss es richtig gut sein.
Allerdings habe ich mit solchen Unternehmen zu tun, seit ich alt genug war, um Auto zu fahren.
Als Tochter eines Milliardärs aufzuwachsen, hat mich so manche wichtige Lektion gelehrt.
Dad hat mir früh eingetrichtert, die eigentliche Motivation hinter guten Taten zu ermitteln. Natürlich sagen die meisten, dass sie einfach einen Beitrag leisten möchten, um die Welt ein wenig besser zu machen, aber oft steckt etwas ganz anderes dahinter.
Sie suchen nur immer neue »gute Zwecke«, um das Image aufzupolieren und über schädliche Praktiken hinwegzutäuschen, insbesondere, was die Natur betrifft.
Für gewöhnlich scheren sie sich nämlich einen Dreck um die Umwelt.
Dad weiß das besser als jeder andere und hat Unsummen investiert, um aus Wired Cup die nachhaltigste regionale Kaffeemarke zu machen.
Letztlich geht es meistens nur um die öffentliche Wahrnehmung.
Ich wette, dass der CEO von Home Shepherd sich kein bisschen für die Natur interessiert, schon gar nicht, wenn er so ein Ekelpaket ist, wie ihm nachgesagt wird. Ich interessiere mich nicht sonderlich für Klatsch und Tratsch, aber was über ihn kursiert, ist sogar mir zu Ohren gekommen.
Wahrscheinlich wird er den (un)glücklichen Gewinner einem Mitarbeiter oder seinem Corporate Program Manager aufs Auge drücken.
Und das würde seine große Chance in einen reinen PR-Gag verwandeln.
Ein netter Punkt im Lebenslauf, mehr nicht.
Ich seufze. Für Zynismus ist es nie zu früh am Tag. Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf den Chat.
Claradoeschicklit: Seht euch nur das Preisgeld an!!! Wartet, ich suche den Link raus.
MegTea: Beeil dich. Ein paar von uns haben heute noch was vor, Clara.
Preisgeld?
Ich scrolle zurück. Den Teil muss ich überlesen haben.
Es ist etwas anderes, wenn ein Großunternehmen bereit ist, für einen guten Zweck tief in die Tasche zu greifen.
Ich streichle Mols Kopf, klicke auf den Link und warte, dass die Seite lädt. Wenn Clara drei Ausrufezeichen verwendet, muss es etwas Großes sein.
Die Website sieht professionell aus mit einfachem, gut lesbarem Content und funktionierenden Links. Ich klicke mich durch, bis ich auf den Betrag stoße und …
Alter Falter.
Sein Ernst?
Home Shepherd Inc. stellt zwei Millionen Dollar zur Verfügung für einen guten Zweck, den der Gewinner frei wählen darf.
Zwei Millionen Scheine.
Ich komme ja selbst aus einer reichen Familie, aber auch für mich sind ein paar Tausend Dollar für eine gute Sache keine Kleinigkeit. Ich habe bisher noch nicht einmal einen Bruchteil dieser Summe zusammengekratzt.
Die einzige Möglichkeit, an so viel Geld zu kommen, bestünde darin, das Bankkonto meiner Eltern zu plündern, was gegen meine Ehre geht, zumal die beiden bereits großzügig aus eigener Tasche spenden.
Zwei Millionen Dollar.
Das ist allerdings ein Anreiz.
Es heißt außerdem, dass der oder die Auserwählte Gelegenheit bekommt, mit Mr. Sexy CEO persönlich zusammenzuarbeiten. Es überrascht mich, dass er sich persönlich einbringt, und ich könnte sicher viel von ihm lernen, wenn man von seinen charakterlichen Schwächen einmal absieht.
Ich hatte bisher nicht viel Gelegenheit, mit Geschäftsführern zu arbeiten, die nicht zum Netzwerk meines Vaters gehören und mir gegenüber positiv voreingenommen sind. Diese Erfahrung könnte mir helfen, sollte ich je in der Lage sein, meine eigene gemeinnützige Organisation zu gründen.
Die schlechte Nachricht ist, dass bei einem solchen Preisgeld die Konkurrenz entsprechend groß sein wird.
Der berühmt-berüchtigte sexy CEO von Home Shepherd würde auch für ein Viertel dieses Betrags schon massenhaft Bewerbungen erhalten. Auch für hunderttausend Riesen würden sich Leute auf die Chance stürzen wie hungrige Piranhas auf ein Stück Fleisch.
Aber zwei Millionen?
Das verschlägt einem buchstäblich den Atem.
Meine Gedanken fahren Karussell, und ich male mir schon aus, was ich als Gewinnerin der Ausschreibung mit dem Geld alles tun könnte, was lächerlich ist, da ich mich ja noch nicht einmal beworben habe.
Aber da steht eindeutig, dass man sich die Organisation, an die man das Geld spenden möchte, frei auswählen kann.
Man stelle sich vor, was eine lokale Umweltorganisation mit einer solchen Geldspritze bewirken könnte. Und wenn ich einen Aufruf an meine Follower starten würde, würden die vielleicht die Summe noch zusätzlich aufstocken.
Aber für wen würde ich mich entscheiden?
Bestimmt wollen sie das vorab wissen.
Ich kaue auf der Unterlippe und gehe meine Optionen durch.
Vielleicht den Marine Conservation Club? Der tut eine Menge für den Schutz bedrohter lokaler Arten wie Seeotter, Schweinswale und Seelöwen.
Reflexartig berühre ich die kleine Onyx-Schildkröte um meinen Hals, die ich immer trage. Meine Stiefmutter Eliza hat sie mir vor Jahren geschenkt, und seitdem ist sie mein Glücksbringer.
Ich könnte mich einfach bewerben und abwarten, was passiert.
Warum auch nicht?
Wenn jemand so früh am Morgen schon bei Sturm mit dem Kajak auf dem Puget Sound rausfahren und Fremde anblaffen kann, die sich um ihn sorgen, kann es wohl nicht schaden, wenn ich mich für eine gute Sache engagiere.
Wie sich später herausstellt, kann es sehr wohl schaden.
Insbesondere dem Kopf.
Nämlich dann, wenn man gewinnt.
»Gerade halten«, sagt die Dame hinter der Kamera.
Wir sind in der hellen, luftigen Eingangshalle des Hauptsitzes von Home Shepherd. Wir hätten auch oben in der Chefetage drehen können, aber dort sieht es deutlich nüchterner aus.
Um nicht zu sagen düster.
Chrom und verwitterter grauer Schiefer sind zwar edel, das kann ich nicht leugnen, aber sobald ich das Stockwerk betreten hatte, kam es mir vor, als befände ich mich in einem eleganten, aber tristen Verlies.
Wenn der CEO das Design selbst ausgewählt hat, kann ich mir lebhaft vorstellen, was für ein Typ er ist: eiskalt, mit einer Persönlichkeit, die so nichtssagend ist wie der Schiefer-Fußboden.
Ich setze ein Lächeln auf.
Es ist ja nicht so, als wäre es das erste Mal, dass ich unter Stress vor der Kamera stehe. Aber als ich mich für das Programm beworben habe, hatte ich mir das anders vorgestellt.
Ehrlich gesagt hatte ich niemals damit gerechnet, tatsächlich zu gewinnen.
Home Shepherd ist hier in der Gegend eine große Nummer. Dad hat auch schon davon gesprochen, seine Lokale von ihnen sichern zu lassen, und ich interessiere mich kein bisschen für Sicherheitsdienste.
Unzählige Influencer müssen sich beworben haben, als sie von der Riesenspende erfahren haben.
Ich gestehe, es ist ein gutes Gefühl, die lokale Konkurrenz ausgestochen zu haben.
Vor allem so erfolgreiche Influencer wie Meghan »Tea« Maven, die ihre Klicks mit üblem Klatsch generieren. Hätte Meghan das Rennen um die zwei Millionen gemacht, wäre das für sie nur eine weitere Gelegenheit gewesen, sich selbst in Szene zu setzen, egal, wie viele Obdachlosenheime sie unterstützt.
Für sie ist die Wohltätigkeitsarbeit nur Mittel zum Zweck.
Es geht ihr mehr darum, sich selbst zu beweihräuchern, als etwas Gutes zu tun. Ich persönlich stehe nicht so auf Klatsch, aber viele Leute tun das, und in letzter Zeit war sie einfach allgegenwärtig.
Während ich nur vergleichsweise bescheidene knapp eine Million TikTok-Follower habe, hat sie weit über fünf Millionen und weiß Gott wie viele mehr auf Instagram und X.
Auf dem Papier wäre die Entscheidung eigentlich klar. Meghans Reichweite ist um ein Vielfaches größer, daran gibt es nichts zu rütteln.
Aber aus irgendeinem Grund haben sie sich für mich entschieden. Ich kann nur vermuten, dass meine Vibes ihnen besser gefallen haben.
»Okay!«, sagt die Kamerafrau fröhlich, und ich bemühe mich, mich wieder auf den Moment zu konzentrieren. »So ist es gut, Destiny.«
Nein, ist es nicht.
Mein Lächeln fühlt sich steif an, und ich glaube, meine Augenpartie ist noch geschwollen, weil ich in der vergangenen Nacht nur drei Stunden Schlaf bekommen habe. Ich mache das schon den ganzen heutigen Tag. Unzählige kleine Pressemitteilungen und Fotoshootings, um die Welt wissen zu lassen, dass es dieses neue Programm gibt und ich daran teilnehme. Ich würde mich jetzt schon am liebsten ins Bett verkriechen und einen ganzen Tag durchschlafen. Aber auch arbeiten wäre inzwischen wirklich eine willkommene Option. Meine Haut kribbelt schon davon, dass ich seit Stunden im Mittelpunkt stehe.
Mein Lächeln schwächelt, und es kostet mich einige Anstrengung, ein freundliches Gesicht zu machen. »Also, Destiny. Verraten Sie uns, warum Ihnen so viel an einer Zusammenarbeit mit Home Shepherd liegt?«
Wieder gerät mein Lächeln mehr zu einer Grimasse, als ich die Frage zum x-ten Mal in dieser Woche beantworte. Wenigstens kenne ich inzwischen meinen Text auswendig.
»Das ist einfach eine großartige Gelegenheit«, antworte ich brav.
Clara, die gute Seele, hat das so oft mit mir geübt, dass es sich inzwischen beinahe natürlich anfühlt.
Die Kamerafrau nickt begeistert.
»Home Shepherd ist ein renommiertes Unternehmen, das schon jetzt so viel dazu beiträgt, dass Menschen sich sicher fühlen können«, fahre ich fort. »Ich weiß, dass diese Kooperation meine Plattform pushen wird.«
Die Frau lächelt mir aufmunternd zu. Ich achte auf eine entspannte und offene Körpersprache, als ich fortfahre.
»Natürlich ist auch die Gelegenheit, einem so bekannten CEO über die Schulter schauen zu dürfen, ziemlich aufregend«, sage ich und lege besonders viel Betonung in diese Aussage.
Tatsächlich glaube ich inzwischen nicht mehr wirklich daran, dass ich dazu kommen werde, mit ihm zusammenzuarbeiten, aber ich weiß, wie das Ego dieser Leute funktioniert. Wir werden alle glauben machen, dass die Zusammenarbeit stattfinden wird und dass ich ach so dankbar bin für diese einmalige Chance.
Seine Hoheit, Shepherd Foster, eingeschlossen.
Es kann ja nicht schaden, durchblicken zu lassen, dass ich sehr wohl weiß, wem ich das alles verdanke und warum ich überhaupt hier bin.
»Ich freue mich darauf, neue Kontakte zu knüpfen und auf geschäftlicher Ebene von einem Profi etwas dazuzulernen. Einem weiteren Profi – neben meinem Vater, der mir bereits vieles beigebracht hat. Immerhin ist er auch ein erfolgreicher CEO, aber die persönliche Ebene kann hinderlich sein. Ich kann es kaum erwarten, Ratschläge von jemandem zu bekommen, der mir nicht die Windeln gewechselt hat. Tausend Dank noch mal an alle für diese einmalige Chance. Ich kann es kaum erwarten, eine neue Perspektive kennenzulernen.«