Orlandos Fächer - Martina Bilke - E-Book

Orlandos Fächer E-Book

Martina Bilke

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Beschreibung

Wie einst Athene dem Haupt des Zeus entspringt Orlando, Schelm und Abenteurer, dem Kopf des Stadtgründers Carl Wilhelm. Sein Leben beginnt im Hardtwald und führt durch die dreihundertjährige Stadtgeschichte Karlsruhes bis in die Gegenwart. Er baut das Schloss als einfacher Arbeiter, protokolliert einen Karlsruher Kindsmordprozess, bildet sich zur Zeit Napoleons, erlebt die Feier zur badischen Verfassung, wird Schauspielerin in Zeiten der Industrialisierung, trauert während der Weltkriege, demonstriert mit den 68ern, wandert durch die Baustellen der UStrab – sein Weg durch die Geschichte: ein Herumtanzen um Baugruben. Orlando nimmt den Leser mit, wenn er gelegentlich innehält, um in eine Szene, eine Episode, ein wichtiges Ereignis der Stadtgeschichte einzutauchen und den jeweiligen Zeitgenossen zu begegnen.

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Seitenzahl: 361

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Martina Bilke

Orlandos

Fächer

Roman einer Stadt

Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Die Autorin
Prolog
Erstes Buch: Die Mutter aller Baustellen
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Zweites Buch: Schwert und Bajonett
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Drittes Buch: Kometen und andere Katastrophen
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Viertes Buch: Alles Theater
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Buch: Konflikte
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Sechstes Buch: Das Gedächtnis der Baustellen
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Epilog
Literatur
Martina Bilkes erster Roman "Erben"

Impressum

Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.

© 2016 Der Kleine Buch Verlag, Karlsruhe

Projektmanagement & Lektorat: Julia Barisic

Korrektorat, Satz & Layout: Beatrice Hildebrand

Umschlaggestaltung und -foto: Renate Koch, Karlsruhe

E-Book Konvertierung und Formatierung: Angela Hahn

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes (auch Fotokopien, Mikroverfilmung und Übersetzung) ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt auch ausdrücklich für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen jeder Art und von jedem Betreiber.

E-Book ISBN: 978-3-942637-99-2

Dieser Titel ist auch als Printausgabe erschienen, gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Kulturbüros der Stadt Karlsruhe:

ISBN: 978-3-7650-1420-8

www.derkleinebuchverlag.de

www.facebook.com/DerKleineBuchVerlag

Das Buch

Orlando, der erste Karlsruher, entspringt bei einem Jagdausflug dem Kopf des schlafenden Stadtgründers Karl Wilhelm. Auf seinen Streifzügen durch die dreihundertjährige Stadtgeschichte macht Orlando Halt im Dörfle, im Schloss, in den Wirtschaften, auf den Straßen der wachsenden Stadt, in Hütten und Palästen. Er verkörpert den jeweiligen Zeitgeist und dessen Sprache, begegnet historischen sowie fiktiven Personen, taucht ein in wichtige Szenen der städtischen Geschichte, erlebt Ereignisse aus unterschiedlichen Perspektiven, ist mal Gewinner, mal Verlierer.

Orlando, Abenteurer und Vagabund, immer ein anderer, immer dieselbe, stets unterwegs …

Die Autorin

Martina Bilke war nach dem Studium der Geschichte und Germanistik in der Forschung tätig und unterrichtete, bevor sie sich dem literarischen Schreiben widmete. Sie veröffentlichte Gedichte und Erzählungen in Zeitschriften und Anthologien. Ihr erster Roman »Erben« erschien 2012 bei Der Kleine Buch Verlag.

Martina Bilke war in Rodach, Hanau, Freiburg, Mainz, Wien, Trier, Wörth und Caracas zu Hause. Zuletzt setzte sie sich mit der Geschichte der Stadt auseinander, in der sie schon lange lebt: Karlsruhe. So ist der vorliegende Roman entstanden.

Prolog

Geboren wurde ich in einem Traum und aus diesem Traum hinaus in die Welt.

Mein Erzeuger war auf der Jagd im Hardtwald und hatte mit viel Horrido und Husshusshuss und Heißassa bis in den Abend hinein Wildschweine gehetzt, aber nicht erlegt. Er war empört. Seinem fürstlichen Willen fügten die Sauen sich ebenso wenig wie die Durlacher, die ihm ihre Grundstücke nicht abtreten wollten zur Erweiterung seiner Residenz. Schöne breite Straßen wollte er ihnen bauen, aber sie beharrten auf ihren krummen Gässchen.

Obwohl er sich bei der Jagd mit großem Ingrimm vorgestellt hatte, wie vor ihm die störrischen Durlacher durch das Unterholz brachen, mit Keuchen, Prusten und Schnauben ihres nahen Hinscheidens gewärtig, musste er den Parforceritt abbrechen. Außer der Sturheit seiner Untertanen peinigte ihn ein Karbunkel an der rechten Pobacke, der offenbar kreißte und unter den größten Geburtsschmerzen gebären wollte. Der Reiter war längst hinter der Jagdgesellschaft zurückgeblieben, verfiel in Trab, dann in Schritt, saß ab und ließ die Zügel los. An einem Eichenknubben stützte er sich auf und ließ sich auf die linke Pobacke nieder, bevor er auch die rechte in das weiche kühle Moos sinken ließ. Schon lehnte er den Kopf an den Baumstumpf, schloss die Augen und verfiel in einen tiefen Schlaf.

Daraus sprang ich hervor wie Athene aus dem Haupt des Zeus, allerdings nicht in voller Rüstung wie die Göttin. Fix und fertig stand ich beim Dämmern des Morgens vor ihm in der Tracht des Hofnarren. Sie war mit Schellen und Schildchen behängt, die bei jeder Bewegung klingelten und klapperten, sodass er im Schlaf mit Armen und Händen zappelte, Grimassen zog und schließlich die Worte ausrief: »Gott! Ruhe!«

»Nein, Carl, ruhe du noch ein Weilchen aus«, antwortete ich dem Schläfer, »aber dann gehts weiter mit der Hatz auf die Sauen und die Durlacher! Lass sie nicht so davonkommen!«

Mit einem Ruck öffnete er seine braunen Augen, streckte den Arm aus und zog sich an meiner Hand hoch, bis er aufrecht stand. Er schlug die Lider halb über die Augen nieder und reckte das Kinn empor, sodass er mich quasi von oben her anschaute, obwohl er einen halben Kopf kleiner war als ich.

»Carlsruhe!«, rief er aus, »so soll meine neue Residenz heißen! Leuchten soll sie wie eine 32-fache Sonne!«

Mit einer Geste verlangte er wiederum nach meiner Hand und stützte sich ab, während er auf den Eichenstumpf stieg. Ich klopfte ihm vorsichtig die Reiser und welken Blätter ab, die an seinem Jagdrock hängengeblieben waren. Mit ausladender Gebärde winkte er die herbeieilenden Hofjäger näher, die ihn mit freudestrahlenden Gesichtern umringten. Sie hätten am Vorabend erst bei Einbruch der Dunkelheit bemerkt, dass er ihnen verlorengegangen sei, beteuerten sie. Die ganze Nacht hätten sie nach ihm gesucht und seien dabei von einem tückischen Waldgeist in die Irre geführt worden.

Heftig fuhr Carl Wilhelm mit der Hand durch die Luft und unterbrach ihr Gestammel. »Hier«, rief er in die Runde, »wo ich so ruhig geschlafen habe, soll der Grundstein des Schlosses Carols Ruhe gelegt werden. Ich will’ s! Und«, bei diesen Worten reckte er das Kinn ein wenig mehr in die Höhe, »die Durlacher können mich mal in ihren dunklen Gässchen!«

Der Träumer war der Markgraf von Baden-Durlach, mein Erzeuger. Schöpfer mag ich ihn nicht nennen, um seinen herrschaftlichen Einbildungen nicht noch mehr Futter zu geben. Ein mächtiger Träumer war er wohl, ein Fürst auch, aber kein Gott, was angesichts seines rückwärtigen Malheurs jedem einleuchten muss. Dann ritt er mit seinem Gefolge davon und ließ mich im Walde stehen.

Solcherart in die Welt gespuckt, welche Lebensform eröffnet sich mir? Welche Freiheit bleibt mir als die des Herumtreibers, des Vaganten und der Vagabundin, einer Landstörtzerin und eines Landstreichers, die eines Simplex und Springsinsfelt? Alle mit mir verwandt, alle nicht weit von hier im Renchtal im Hause des Herrn von Grimmelshausen zur Welt gekommen, gebürtige Badener wie ich. Die Lebensform eines Schelmen und Pikaro (eine gewisse Grundbildung ist mir als Kopfgeburt in die Wiege gelegt) ist die einzige, die mir zu Gesichte steht.

Das Reisen ist meine Existenz, jedoch bleibe ich mit einem Bein an meiner Hebamme angebunden, sofern man einen Eichenknorren als solche bezeichnen kann. So sind mir die großen Räume versperrt und ich ziehe mit dem anderen Bein immer weitere Kreise um den Stubben herum. Bildlich gesprochen natürlich, denn am Ort meines Wirkens kann ich mich frei bewegen, aber nur dort. Weil ich im Raum wenig herumkomme, steht mir nur die Dimension der Zeit offen, worin ich vagabundieren will.

Herangewachsen bin ich nicht, sondern als Sechzehnjähriger fix und fertig an meinem Bestimmungsort erschienen. So lange hatte es gedauert, im Kopf meines Herrn heranzureifen. Die Freuden und Leiden des Familienlebens kenne ich weder als Sohn noch als Tochter. Meine Eltern leben im Reich des Abstrakten, meine Geschwister sind Kinder der Fantasie, und sobald ich die Augen aufschlage, befinde ich mich mitten unter ihnen.

Wenn einer nun hämisch lächelt und meint, er müsse mich der Lüge überführen, dem vermiese ich seine Absicht. Ich gebe zu, das ist alles erfunden. Fast alles. Nicht ganz alles. Ja, um die Wahrheit zu sagen, eigentlich recht wenig, bis auf meine Person. Erfunden, ja, aber nicht erlogen. Nach einem entfernten britischen Cousin nenne ich mich Orlando, was in Carolsruhe nicht weiter auffällt, denn dort sammelt sich allerlei Volk aus vielen Ländern, worunter die Italiener und Franzosen nicht die wenigsten sind. Doch ich beginne mein literarisches Leben nicht etwa wie mein britisches Vorbild damit, auf einen verlederten Schrumpfkopf einzusäbeln, pfui Teufel! Ich treibe mich stattdessen überall in der Stadt herum und nehme sowohl an höchst offiziellen als auch offiziösen Haupt- und Staatsaktionen teil, wie man sehen wird.

Wer nennt mich das Produkt eines Karbunkels? Ein Traumgeborener bin ich! Der Traum ist mein Vater, meine Mutter die Starrköpfigkeit der Durlacher, was, zusammengenommen, zu den schönsten Hoffnungen berechtigt.

Erstes Buch

Die Mutter aller Baustellen

Erstes Kapitel

Die Erde, auf der ich lag, bebte. Ein heftiger Luftzug streifte über mein Gesicht und meine Lider wie ein kühler Vorhang, wischte den Traum weg, verstopfte meine Nasenlöcher, verklebte meine Augenwinkel mit Staub und kleinen rauen Krümeln. Gleichzeitig bohrte sich ein Krachen und klagendes Splittern und Knirschen und Kreischen in meine Ohren, während die Erde nachbebte. Ich sprang auf und rieb mir die Augen.

Neben mir lag eine riesige Buche, deren unbelaubte Zweige und Äste noch heftig wogten. Meine Ohren waren verstopft mit Moos- und Rindenteilen, die ich im Schutz meines Eichenstumpfs herauspulte, hinter dem ich gelegen hatte. Während ich den Kopf noch schräg hielt, blickte ich mich um. In einem lichten Kreis aus rohen Holzpfählen, die ein großes Gelände umgaben, sah ich eine Schar von Holzfällern bei der Arbeit. Zusammen mit einem heftigen Niesreiz stieg mir der Duft nach Harz in die Nase, denn der Winter war noch nicht vorbei und der Erdfleck, auf dem ich gelegen hatte, war kalt und feucht. Verschwunden war mein Markgraf, verschwunden die noble Jagdgesellschaft, verschwunden auch mein Hofnarrenkleid. Als ich an mir hinunterblickte, sah ich, dass ich schweres grobes Zeug in braunen und grauen Farben trug.

Die Männer, die ich in meiner Nähe arbeiten sah, stöhnten und schwitzten trotz der Kälte wie ihre Gäule. Ich befand mich im Zentrum des Kreises und beobachtete sie, während ich mich langsam um die eigene Achse drehte, meinen Eichenstumpf als Stütze im Rücken.

Sie arbeiteten immer zu zweit. Die einen hatten die Baumsäge an den Stamm einer Eiche gelegt und produzierten damit kreischende Geräusche beim Hin- und Herziehen durch das jammernde Holz; die anderen trieben Keile in den großen Spalt in einem Ahornbaum; wieder andere sahen zu, wie ihr Stamm krachend fiel, wobei sie mit lauten Habacht-Rufen warnten; eine weitere Gruppe hieb mit der Axt einer bereits gefällten Buche die Äste ab und entrindete sie. Die nackten Stämme wurden von Fuhrleuten mit kräftigen Rückpferden unter lauten Hoho-, Brr-, Hü- und Hott-Rufen abtransportiert. Mir war schwindlig von all der Geschäftigkeit, da erhielt ich einen heftigen Stoß in den Rücken, sodass ich vorwärts stolperte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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