Osteopathie: Sanftes Heilen mit den Händen - Christoph Newiger - E-Book

Osteopathie: Sanftes Heilen mit den Händen E-Book

Christoph Newiger

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  • Herausgeber: TRIAS
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2005
Beschreibung

Besonders wirksam ist Osteopathie bei Kopf- und Rückenschmerzen. Auch Verdauungsprobleme und funktionelle Beschwerden, bei denen die Schulmedizin ratlos ist, lassen sich mit ihrer Hilfe lindern. Das Besondere dabei: Ohne Medikamente und Instrumente wirkt die Osteopathie allein über sanfte Berührungen. Mit seinen Händen erspürt der Therapeut tiefgreifende Blockaden und Verspannungen - und löst sie auf.

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Der Autor

Danke, Johanna, für dein wertvolles Mitwirken.

Christoph Newiger (geb. 1963) arbeitet freiberuflich als Journalist und Autor in München, wo er ein eigenes Journalistenbüro betreibt. Er beschäftigt sich seit Jahren mit gesundheitlichen und medizinischen Themen. Christoph Newiger ist Koautor der beiden Sachbücher »Osteopathie: So hilft sie Ihrem Kind« und »Osteopathie für Frauen«. Beide Bücher sind im TRIAS Verlag erschienen.

Vorworte

Vorwort 1 zur Neuauflage

»Osteopathie: Sanftes Heilen mit den Händen« nennt Christoph Newiger sein Buch über eine manuell-therapeutische Methode. Im Vorwort zur ersten Auflage schrieb ich noch von einer Therapie, die in Deutschland wenig bekannt ist, während sie in anderen Ländern, vor allem in den Vereinigten Staaten, gefolgt von England, Frankreich sowie in einigen Benelux-Staaten, fester Bestandteil der Medizin ist und sich wegen ihrer Erfolge großer Akzeptanz erfreut. Dort wurde diese Methode von Therapeuten ausgeübt, die eine sehr gründliche, wissenschaftlich orientierte Ausbildung erhalten haben und z. T. Ärzten gleichgestellt sind.

Nun, acht Jahre und zwei Auflagen später kann man feststellen, dass bei uns die Osteopathie wegen ihrer Erfolge bei der Behandlung funktionell bedingter Störungen von Organsystemen ebenfalls zu einem festen Bestandteil der medizinischen Versorgung geworden ist. Die Ausbildung zum Osteopathen erfolgt in Deutschland in speziellen Akademien, in denen Angehörige medizinischer Heilberufe in einer mehrjährigen fachlich umfassenden Aus- und Weiterbildung theoretisch und praktisch auf ihre Tätigkeit vorbereitet werden.

In der Ausbildung zum Osteopathen nimmt neben anderen Fächern eine gründliche und umfangreiche Auseinandersetzung mit der Anatomie des Menschen, seines Stütz- und Bewegungsapparates unter Berücksichtigung der Hüllstrukturen des Zentralnervensystems sowie seiner Brust- und Baucheingeweide einen breiten Raum ein. Gerade diese Strukturen sind es, die der Therapeut mit seinen Händen ertastet, um deren Funktionszustand zu beurteilen. Wenn erforderlich, werden sie mit subtilen manuellen Techniken behandelt. Hierdurch wird in der betroffenen Region über Mobilisation die Potenz eines Organsystems zur Selbstheilung stimuliert.

Christoph Newiger hat sein Buch so angelegt, dass der interessierte Leser in Grundzügen die Bedeutung der Anatomie der Organsysteme für die Osteopathie erkennen kann. Hierauf bauen die nachfolgenden Kapitel auf, die dem Leser ein Verständnis für die Möglichkeiten einer funktionell begründbaren Therapie eröffnen, aber auch deren Grenzen andeuten.

Univ.-Prof. Dr. rer. nat. med. habil. Rainer Breul Anatomische Anstalt Ludwig-Maximilians-Universität München

Vorwort 2 zur Neuauflage

Seit Veröffentlichung der ersten Ausgabe von Christoph Newigers »Osteopathie: Sanftes Heilen mit den Händen« hat der Bekanntheitsgrad der Osteopathie in den deutschsprachigen Ländern erheblich zugenommen. So ist die Nachfrage nach einer überarbeiteten und erweiterten Auflage die logische Konsequenz, um eine verbesserte, kontinuierliche Information für die immer größere, interessierte Patientenzahl zu gewährleisten.

Osteopathie versteht sich mehr und mehr auch als präventive Medizin. Das zeigt sich besonders im Bereich der Kinderheilkunde, pränatal sowie postnatal und in der Schwangerschaftsbegleitung.

Dieses Buch vermittelt in einer ausgewählt verständlichen Sprache für Laien, Therapeuten sowie interessierte Ärzte ein fachlich gutes, abgerundetes Verständigungsspektrum, ohne dabei kritische Anmerkungen zu vernachlässigen.

Als größte Berufsvereinigung in Deutschland empfehlen wir diese Lektüre sowohl Patienten, Krankenkassenvertretern, Gutachterstellen und medizinischen Diensten. So fehlt dieser Hinweis in keinem Printartikel bzw. als Referenz nach TV-Sendungen.

Für die Zukunft ist es unabdingbar, dass in erster Linie die europäischen Verbraucherschutznormen erfüllt werden, sodass der suchende Patient einen qualifizierten, langjährig ausgebildeten Osteopathen vermittelt bekommt. Nur wenn allgemein gültige Ausbildungsrichtlinien definiert und angewandt werden, hat die Osteopathie als autonome Medizin eine Chance.

Wir danken Christoph Newiger auf diesem Weg für seine große Unterstützung, die er dem Verband in den letzten Jahren zukommen ließ und lässt und wünschen allen Lesern, dass sie auf diesem Wege der Osteopathie näher gebracht werden.

Marina Ch. Fuhrmann D.O. M.R.O. Präsidentin des Verbandes der

Grundlagen

Osteopathie – eine sanfte Heilkunst → 10

Den Selbstheilungskräften helfen → 20

Die Teile kennen, um das Ganze zu heilen → 34

Osteopathie – eine sanfte Heilkunst

»Ich habe nur einen Vorhang zur Seite geschoben, um besser sehen zu können.« William Garner Sutherland

Die Osteopathie entstand vor über 120 Jahren in Amerika. Andrew Taylor Still, ein Arzt, hat die Prinzipien der Osteopathie entdeckt und damit eine neue Medizin begründet. Seitdem hat sich die Osteopathie rasant weiterentwickelt und verzeichnet größte Zuwachsraten. Ihr Ansatz: Leben zeigt sich in Form von Bewegung. Wo Bewegung verhindert wird, macht sich Krankheit breit. Die Osteopathie kann Bewegungseinschränkungen aufspüren und lösen.

Leben ist Bewegung

Versuchen wir einmal, uns der vielen Bewegungen bewusst zu werden, die unser Körper ständig ausführt. Wir können unseren Kopf drehen, die Hand heben, ein Bein über das andere schlagen. Das sind Bewegungen, die wir willentlich steuern.

Wir schlucken nicht nur, wenn wir essen oder trinken, sondern kontinuierlich. Unsere Augenlider schließen sich für einen kurzen Moment, benetzen die Augäpfel mit Tränenflüssigkeit, immer und immer wieder. Wir atmen und führen dabei Tag für Tag an die 20000 Atembewegungen durch. Unser Herzmuskel versorgt über die Blutgefäße jede einzelne Zelle unseres Körpers mit sauerstoffreichem Blut und schlägt dabei etwa 100000-mal am Tag. Dies sind alles Bewegungen, die unbewusst geschehen, auf die wir keinen willentlichen Einfluss haben.

Bewegungsketten

Wird ein Körperbereich in seiner Bewegung eingeschränkt, reichen die Auswirkungen bis ins letzte Glied der Bewegungskette.

Dabei geschehen diese Bewegungen, ob willentlich oder vegetativ, kaum vereinzelt, sondern eine Bewegung löst die andere aus, gemeinsam bilden sie ganze Bewegungsketten. So funktionieren die Verdauungsorgane nicht einzeln, sondern immer in einem Zusammenspiel, und so kann etwa die Lunge den Körper nur mit Sauerstoff versorgen, weil der Herzmuskel ständig sauerstoffarmes Blut in die Lungenbläschen pumpt. Selbst wenn wir beim Gehen nur den Fuß heben, setzen wir damit eine Muskelkette in Bewegung, die vom Fuß bis zu den Schultern reicht. Wenn jedoch z.B. äußere Einflüsse einen der beteiligten Körperbereiche in seiner Bewegung einschränken, kann dieser nicht mehr seine normale Funktion ausüben. Die Auswirkungen reichen dann bis in das letzte Glied der Bewegungskette.

Die Bedeutung von Bewegung für die Osteopathie

So nähern wir uns dem Konzept der Osteopathie – jener ganzheitlichen Behandlungsform, die der amerikanische Arzt Andrew Taylor Still vor über 120 Jahren entdeckt und entwickelt hat. Die Osteopathie weiß um die Bewegungen im menschlichen Körper, im Kleinen wie im Großen, kennt ihre Zusammenhänge. Ob Knochen, Muskeln oder Verdauungsorgan, jeder Bereich des menschlichen Körpers ist – abhängig von seiner Struktur – ständig in Bewegung, kann nur so funktionieren. Deshalb ist in der Osteopathie die Struktur so wichtig. Sie bestimmt die Funktion, die ihrerseits einen großen Einfluss auf die Struktur hat. Struktur und Funktion bedingen sich wechselseitig.

Die Gefäßsysteme spielen eine entscheidende Rolle in der Osteopathie.

Doch Muskeln, Knochen oder andere Bereiche können nicht funktionieren, wenn sie nicht kontinuierlich versorgt werden. Mit Sauerstoff, Nährstoffen und Hormonen über die Blutbahnen, mit reinigender Lymphe über die Lymphgefäße, mit steuernden Impulsen über die Nervenbahnen. Deshalb spielen in der Osteopathie die Gefäßsysteme eine entscheidende Rolle. Sie ermöglichen der Struktur überhaupt erst ihre Funktion.

WISSEN

Was kann die Osteopathie?

Die Osteopathie behandelt keine Krankheiten. Sie geht aber den Ursachen der Krankheiten auf den Grund. Sie »fragt nach«, warum eine Krankheit ausgebrochen ist und was den Organismus bisher daran gehindert hat zu gesunden. In der Regel ist eine Bewegungseinschränkung, eine Restriktion, Ursache der Krankheit. Diese Restriktion wird der Osteopath aufspüren und behandeln. So kann er dem betroffenen Bereich wieder zu seiner natürlichen Bewegung verhelfen, zu seiner eigentlichen Funktion, und so dem Körper die Möglichkeit verschaffen, sich selbst zu heilen. Der Osteopath regt die Selbstheilungskräfte des Patienten an, indem er die Widerstände löst, die der Heilung im Weg stehen.

Osteopathie ist ganzheitliche Medizin.

Dabei ist jeder Mensch verschieden, in seiner Konstitution, seiner Psyche, seiner Lebensweise und seiner Krankheitsgeschichte. Will der Osteopath erfolgreich behandeln, muss er diese unterschiedlichen Aspekte berücksichtigen, den Patienten als Individuum, als ganzen Menschen betrachten. Patentrezepte gibt es in der Osteopathie nicht. Die Osteopathie ist eine ganzheitliche Medizin.

Um seinen Befund zu erstellen und eine individuelle Behandlung durchführen zu können, benutzt der Osteopath vorwiegend seine Hände. Sie sind seine Instrumente, feinfühlig und geschult, mit denen er Bewegungseinschränkungen aufspüren und lösen kann. Andere medizinische Instrumente werden in der modernen Osteopathie nicht gebraucht. Die Osteopathie ist eine sanfte Medizin.

Eine kraniosakrale Technik, am Kopf ausgeführt.

Osteopathie ist sanfte Medizin.

Dem Ungeschulten mag es unwahrscheinlich vorkommen, dass ein Osteopath mit seinen Händen beispielsweise Position, Größe und Bewegung innerer Organe ertasten kann. Andererseits wissen wir etwa von Blinden, dass sie die für uns kaum wahrnehmbaren Zeichen der Brailleschrift, etwa auf Geldscheinen, genau »lesen« können.

Korrekter Befund und erfolgreiche Behandlung setzen die genaue Kenntnis vom Bau und den Lebensvorgängen des menschlichen Organismus voraus. Ein Osteopath ist deshalb auch und vor allem ein ausgezeichneter Anatom und Physiologe.

WISSEN

Was ist ein Osteopath?

Ein Osteopath nutzt die Erkenntnisse der Anatomie und Physiologie, um mit seinen Händen kunstfertig dem Organismus zur Selbstheilung zu verhelfen.

Im deutschsprachigen Raum ist ein Osteopath meist kein Arzt, sondern ein Therapeut. Er wird also keine Diagnosen erstellen, sondern Befunde erheben. Vom Physiotherapeuten unterscheidet ihn sein ganzheitlicher Ansatz. Ein Osteopath wird in der Regel keinen Muskelaufbau trainieren. Im Gegensatz zum Physiotherapeuten wird er jedoch auch die inneren Organe und die Einheit von Schädel und Becken behandeln. Ähnlich einem Chiropraktiker behandelt der Osteopath Bewegungseinschränkungen. Doch sucht der Chiropraktiker nicht nach der Ursache der Einschränkung, sondern behandelt deren Symptome. Vom Masseur unterscheidet den Osteopathen seine genauere anatomische Kenntnis. Auch beschränkt er seine Behandlung nicht auf die Muskeln und das Lymphsystem.

Andrew Taylor Still und die Geschichte der Osteopathie

Amerika in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts. Der Westen des Landes ist noch dünn besiedelt. Missionare predigen ihren jeweiligen Glauben. Einer von ihnen ist Abraham Still, ein methodistischer Reiseprediger und Arzt, der mit seiner Familie in den Nordosten Missouris geschickt wird, um hier eine Mission zu eröffnen.

Sein Sohn Andrew wächst als typisches Grenzlandkind heran, kräftig von Statur und hart im Nehmen. Andrew liebt die wilde Natur und das Jagen. Lebewesen faszinieren ihn.

WISSEN

Ein spielerisches Experiment

Im Alter von etwa zehn Jahren macht er eine Erfahrung, von der er später behauptet, sie sei seine erste Entdeckung im weiten Feld der Osteopathie gewesen.

Andrew baut sich mit einer Leine seines Vaters eine primitive Schaukel zwischen zwei Bäumen. Doch Kopfschmerzen hindern ihn am Schaukeln. Also lässt er die Schaukel bis knapp über den Boden herab, nimmt ein Betttuch und wirft dessen Ende über das Seil. Er legt sich mit dem Rücken auf das Betttuch, während das Seil seinen Nacken trägt. Recht schnell lassen die leichten Schaukelbewegungen seine Kopfschmerzen verschwinden …

Er will verstehen, wie Leben funktioniert. Deshalb häutet und seziert er die Tiere, die er erbeutet. Er sammelt ihre Knochen und entwickelt ein genaues Verständnis für ihre unterschiedliche Größe und Form, für ihre Funktion.

Ein Chirurg mit Forscherdrang

Bereits als Kind begleitet Andrew seinen Vater auf dessen Arztvisiten. Krankheiten und Tod werden ihm so vertraut. Er lernt, mit den Medikamenten aus dem Ärztekoffer seines Vaters umzugehen, und beschließt, selbst Arzt zu werden. So geht er bei seinem Vater in die Lehre, eignet sich sein Wissen an und wird zugelassener Arzt im Staat Missouri. Hier heiratet er seine erste Frau, mit der er drei Kinder hat.

Im amerikanischen Bürgerkrieg werden A. T. Still die Defizite der damaligen Heilkunst bewusst.

Mitte des Jahrhunderts bricht in Amerika der Bürgerkrieg aus. Andrew Taylor Still ist gegen die Sklaverei und zieht nach Kansas. Er meldet sich freiwillig zur Kavallerie und arbeitet als Chirurg. Zu jener Zeit weiß man noch wenig über Bakterien und Desinfektion, Betäubungen bei Operationen gibt es nicht. Der Erfolg bleibt oft aus, und Frustration macht sich breit, wenn ein Eingriff gelingt und der Patient trotzdem verstirbt. So beschließt Still, sich intensiv der Anatomie und Physiologie zu widmen, um eine bessere Form der Behandlung zu finden. Er kehrt nach Missouri zurück. Seine Frau stirbt, und Still heiratet ein zweites Mal. Zu Beginn der sechziger Jahre besucht er das College der Ärzte und Chirurgen in Kansas City.

Im Jahr 1864 schlägt das Schicksal hart zu. Eine Seuche breitet sich in Kansas aus: Rückenmarkshautentzündung. Still muss als Arzt hilflos mit ansehen, wie drei seiner Kinder sterben. Medikamente helfen nicht, und er selbst scheitert mit seinem bisherigen Verständnis von Medizin. Still ist verzweifelt, aber er gibt nicht auf. Stattdessen macht er sich auf die Suche nach einer neuen Medizin.

A. T. Still entdeckt, dass der Körper über Selbstheilungskräfte verfügt.

Er beschäftigt sich mit Knochen, studiert ihre Bewegung und ihr Zusammenspiel. Er untersucht Blut und stellt fest, wie wichtig funktionierende Gefäßsysteme sind. Er analysiert Muskeln und Sehnen und lernt deren Mechanik verstehen. Er entdeckt, dass der Körper über Selbstheilungskräfte verfügt, die, wenn sie entsprechend stimuliert werden, Krankheiten heilen können. Ihn fasziniert, dass er diese Stimulation durch den sanften Druck seiner Hände auslösen kann. Still entwickelt ein mechanisches Bild des Körpers, ähnlich einem Uhrwerk, bei dem alles in Bewegung ist und miteinander zusammenhängt.

Der Begründer der Osteopathie, Andrew Taylor Still (1828-1917)

Die Geburt einer neuen Medizin

So entsteht eine neue Medizin, die keine Medikamente benötigt. Eine Medizin, die keine Symptome behandelt, sondern nach der Ursache von Krankheiten sucht. Eine Medizin, die nicht Krankheiten heilt, sondern dem Körper hilft, damit dieser sich selbst heilen kann. Dieser neuen Medizin gibt Andrew T. Still den Namen »Osteopathie«. Osteon ist das griechische Wort für »Knochen«. Mit ihnen hatte er seine Untersuchungen begonnen. »Pathie« dagegen steht für die Leiden (griechisch pathos), die er mit seiner neuen Medizin lindern will. Am 22.Juni 1874 hat der 64-jährige Andrew T. Still sein Konzept vollendet. Es ist der Geburtstag der Osteopathie.

Die Schulmedizin boykottiert zunächst Stills neue Medizin.

Die Schulmedizin reagiert skeptisch. Die Baker University in Baldwin, Kansas, verweigert ihm die Möglichkeit, den Studenten seine neue Medizin vorzustellen. Still kehrt nach Missouri zurück, reist als Arzt durch den Bundesstaat und praktiziert seine Osteopathie. Der Erfolg spricht sich schnell herum, und bald hat Still mehr Patienten, als er behandeln kann. So lässt er in Kirksville, Missouri, ein kleines Holzhaus bauen und eröffnet hier »The American School of Osteopathy«. Die Studenten, zu denen von Beginn an auch Frauen und Farbige zählen – zu jener Zeit keine Selbstverständlichkeit –, schließen ihr Studium mit dem Titel des »Diplomate in Osteopathy« (»Diplom-Osteopath«), abgekürzt D.O., ab. Schon bald wird das kleine Holzhaus durch ein vierstöckiges Backsteinhaus ersetzt.

In Kirksville, Missouri, entstand 1892 die erste Schule der Osteopathie

WISSEN

Die Osteopathie kommt nach Europa

Zu Stills Schülern gehört der Engländer John Martin Littlejohn, ein ehemaliger Patient, der Physiologie unterrichtet und Osteopathie studiert. Littlejohn gründet zur Jahrhundertwende das »Chicago College of Osteopathy«. Als er nach England zurückkehrt, gründet er 1917 in London die »British School of Osteopathy«. Die Osteopathie hat nun auch den alten Kontinent erreicht. Es ist das Jahr, in dem Andrew Taylor Still, oder »Pap Still«, wie ihn seine Studenten nennen, im Alter von 89 Jahren stirbt.

Andere Studenten entwickeln Stills neue Medizin fort. Einer von ihnen ist William Garner Sutherland. Er bemerkt, dass Schädelknochen Bewegungen ausführen, die sich erspüren lassen, entdeckt die so genannte primäre Respirationsbewegung und erweitert die Osteopathie damit um einen wichtigen Grundpfeiler.

In Amerika wird die Osteopathie in immer mehr Bundesstaaten anerkannt.

In Amerika wird die Osteopathie in immer mehr Bundesstaaten anerkannt. Doch gleichzeitig gibt es Bestrebungen, sie per Dekret einzuschränken, von zahlreichen Ärzten wird sie abgelehnt. Bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts erlebt die Osteopathie unruhige Zeiten.

Osteopathie heute

Jeder zehnte Arzt der amerikanischen Streitkräfte ist ein Osteopath.

Mittlerweile hat sich die Osteopathie in den USA etabliert. Etwa 54 000 Osteopathen praktizieren dort ihren Beruf als Doktoren der Osteopathie. Es gibt Krankenhäuser, die ausschließlich osteopathisch behandeln. Jeder zehnte Arzt der amerikanischen Streitkräfte ist ein Osteopath.

Doch inzwischen haben sich die Osteopathen auf ihrem Weg zur Anerkennung sehr der Schulmedizin angepasst. In den USA verschreiben Osteopathen Medikamente, sie impfen und führen ggf. sogar Operationen durch. Die für die Osteopathie so typische Diagnose und Behandlung mit den Händen steht nicht mehr im Vordergrund.

In Europa entwickelt sich die traditionelle Osteopathie weiter.

Anders in Europa, wo sich die Osteopathie gemäß ihren Ursprüngen als eine rein manuelle Form der Medizin weiterentwickeln konnte. Deshalb lässt sich die in Europa um den kraniosakralen und viszeralen Bereich ergänzte ganzheitliche Form der Osteopathie auch als traditionelle Osteopathie bezeichnen.

Nach England gelangt die Osteopathie in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts auch nach Frankreich. Neben England und Frankreich zählt sie mittlerweile auch in Belgien zu den anerkannten Therapieformen. In Deutschland wird die Osteopathie seit Ende der achtziger Jahre im Rahmen einer fünfjährigen Fortbildung meist berufsbegleitend unterrichtet. In Österreich wird seit 1991 osteopathisch ausgebildet.

Die Osteopathie ist eine junge Medizin.

Trotz ihres mehr als 120-jährigen Bestehens gilt die Osteopathie als eine junge Medizin, in der sehr viel geforscht wird. Um es mit den Worten ihres Entdeckers Andrew Taylor Still auszudrücken: »Die Osteopathie ist ein großes, unbekanntes Meer und bisher haben wir uns nur mit ihrer Ebbe vertraut gemacht.«

Den Selbstheilungskräften helfen

Die Osteopathie stellt eine neue Form der Medizin dar, die nicht den Anspruch erhebt, heilen zu können, sondern sich bewusst darauf beschränkt, die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren. Eine sanfte Medizin, die auf dem Wissen der Anatomie und Physiologie aufbaut und neue Schwerpunkte setzt.

Für die Osteopathie ist Gesundheit eine Art Gleichgewicht, das immer wieder neu gesucht werden muss.

Die vier Säulen der Osteopathie

Ihr Verständnis vom menschlichen Organismus, von Gesundheit als einer Form des Gleichgewichts, von der Entstehung von Krankheiten und der Möglichkeit, diese zum Abklingen zu bringen, unterscheidet die Osteopathie wesentlich von der gängigen Schulmedizin. Die Osteopathie baut auf vier unterschiedlichen Säulen auf. Wer die Osteopathie als eine neue Form der Medizin verstehen will, muss diese Grundpfeiler kennen.

Gefäßsysteme und Leitungsbahnen

Wenn sich Leben in Form von Bewegung zeigt, stellt sich die Frage, was die Bewegung der einzelnen Muskeln, Faszien, Organe und anderer Gewebestrukturen überhaupt erst ermöglicht. Es sind die Gefäßsysteme und die Leitungsbahnen. Sie durchdringen jede Struktur und gelangen bis zur einzelnen Körperzelle.

Die Aufgaben der Gefäßsysteme und Leitungsbahnen

Das Gewebe wird über den Blutkreislauf mit allem versorgt, was für seine Funktionsfähigkeit wichtig ist.

Lebendes Gewebe muss, damit es funktionieren kann, kontinuierlich und ausreichend versorgt werden, sonst erkrankt es. Die Versorgung erfolgt größtenteils über den Blutkreislauf. Das Herz sorgt mit pumpenden Bewegungen für den notwendigen Druck und treibt stoßweise sauerstoffreiches Blut in die Aorta und von dort weiter in die großen Arterien. Über den so genannten großen Kreislauf gelangt das Blut durch Arterien, Arteriolen und Kapillaren bis in das zu versorgende Gewebe. Hier findet der Austausch statt, werden Sauerstoff, Nährstoffe, Hormone und Enzyme abgegeben und Schlackenstoffe wie Kohlendioxid und harnpflichtige Substanzen aufgenommen.

Große Moleküle wie Eiweiße und Fettstoffe werden von der Lymphe über die Lymphgefäße abtransportiert. Das venöse Blut fließt über Venolen und Venen zum Herzen zurück. Venenklappen verhindern einen ungewollten Rückfluss. Das Kreislaufzentrum im Gehirn sowie Sympathikus und Parasympathikus des vegetativen Nervensystems steuern Herztätigkeit und Blutkreislauf. Hormone können zusätzlich regulierend eingreifen.

Der Blutkreislauf bildet zusammen mit den ihn steuernden Mechanismen ein ausgefeiltes System, das in nahezu jeder Situation die kontinuierliche und ausreichende Versorgung des Gewebes gewährleistet, gleich ob wir schlafen oder Sport treiben, uns gesund fühlen oder mit Fieber im Bett liegen.

Ohne die Gefäße des Blutkreislaufs könnten die Selbstheilungskräfte nicht wirksam werden.

Doch die Gefäße des Blutkreislaufes haben noch eine weitere lebenswichtige Aufgabe zu erfüllen. Sie ermöglichen es den Selbstheilungskräften, wirksam zu werden. Nur wenn deren Zirkulation über die Gefäßsysteme möglich ist, können Bakterien abgewehrt und Entzündungen abgebaut werden, können sich Wunden schließen, Narben bilden, Verstauchungen abschwellen oder Knochen nach einem Bruch verheilen.

Wenn Gefäßsysteme und Leitungsbahnen behindert werden

Werden die Gefäßsysteme und Leitungsbahnen hingegen behindert und somit Versorgung und Zirkulation unterbrochen, erkrankt das Gewebe. Ähnlich einem Fluss, dessen Wasser frisch und gesund bleibt, solange es fließt, jedoch bei Stillstand trübe wird und zu faulen beginnt.

Zu den möglichen Hindernissen, die die freie Zirkulation in den Gefäßsystemen einschränken, zählen schwer wiegende Ursachen wie Herzinsuffizienz und Arteriosklerose sowie »einfache« Auslöser, wie etwa Spannungen von Muskulatur oder Faszien, Dehnungen von Bändern, Blockierungen von Gelenken, Kompressionen durch Traumen, Muskelspasmen aufgrund von Überlastung oder die eingeschränkte Beweglichkeit von Organen. All diese Ursachen beeinträchtigen die Gefäßsysteme in ihrer Funktion, reduzieren ihre Ver- und Entsorgungskapazität, behindern die Entfaltung der Selbstheilungskräfte und erschweren den Abtransport von Schlackenstoffen.

WISSEN

Die Bedeutung der Arterie

Als Andrew Taylor Still die Grundlagen der Osteopathie entdeckte und sein Krankheitskonzept entwickelte, machte er die herausragende Bedeutung der Gefäßsysteme zu einem der vier Grundpfeiler seiner neuen Medizin. Der Arzt, Landwirt und Pfarrerssohn schrieb: »Eine beeinträchtigte Arterie markiert auf die Stunde und Minute genau den Beginn, an dem eine Krankheit im menschlichen Körper den Samen der Zerstörung sät. Die Arterie muss überall, jederzeit und absolut ungehindert das Regiment führen können, oder eine Krankheit wird folgen.«

Der »Teufelskreis« der eingeschränkten Bewegung

Erst die normale Bewegung des Gewebes hilft den Selbstheilungskräften.

Die Abhängigkeit ist also beidseitig. So wie die Gefäßsysteme und Leitungsbahnen Bewegungen des Gewebes erst ermöglichen, so erlaubt die normale Bewegung des Gewebes erst deren vollständige Funktion. Kommt es zu einem Problem, entsteht daraus ein »Teufelskreis«.

Funktionelle oder strukturelle Störungen führen zu einer Bewegungseinschränkung. Diese behindert die Gefäßsysteme und Leitungsbahnen und reduziert damit die Chancen des Körpers, die funktionellen oder strukturellen Störungen selbst zu beheben.

Genau hier greift der Osteopath ein. Er stellt mit seinen Händen die verloren gegangene Beweglichkeit wieder her. Können die Gefäßsysteme und Leitungsbahnen wieder uneingeschränkt funktionieren, entfalten sich die Selbstheilungskräfte und der Organismus vermag sich selbst zu heilen.

Gefäßsysteme und Leitungsbahnen als Transportwege

Gefäßsysteme und Leitungsbahnen sind die Transportwege für Flüssigkeiten und Impulse.

Schrieb Andrew Taylor Still vor 120 Jahren von der Wichtigkeit der Blutgefäße, so hat die Osteopathie inzwischen die herausragende Bedeutung aller körpereigenen Gefäßsysteme und Leitungsbahnen erkannt. Der Begriff »Gefäßsysteme und Leitungsbahnen« wird hier in einem weitgefassten Sinn verwendet: als Transportweg für Flüssigkeiten und Impulse. Unter diesem Oberbegriff sollen das Lymphsystem und die darin fließende Lymphe, das von der harten Hirnhaut, der Dura mater, umgebene und ausgekleidete Zentralnervensystem und die sich darin rhythmisch neu bildende Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit sowie das periphere Nervensystem mit den Nervenbahnen und seinen elektrischen Impulsen zusammengefasst werden.

Diese unterschiedlichen Gefäßsysteme und Leitungsbahnen dürfen in ihrer Struktur nicht beeinträchtigt werden, da sonst die Zirkulation der darin enthaltenen Flüssigkeiten bzw. die Weiterleitung der Impulse behindert wird. Die Folgen sind je nach Gefäßsystem unterschiedlich, aber immer drastisch.

Eine Beeinträchtigung von Gefäßsystemen oder Leitungsbahnen hat drastische Folgen.

Kann die Lymphe nicht zur Immunabwehr oder zur Entgiftung des Körpers beitragen, erkrankt der Organismus schwer. Wird die primäre Respirationsbewegung (siehe → S. 46) zwischen Gehirn, Wirbelsäule und Becken gestört, kann diese zu körperlichen und psychischen Beschwerden führen. Können neuronale Impulse ihren zu steuernden Bereich nicht erreichen, setzen Wahrnehmung oder Bewegung aus. Die betroffene Stelle ist dann gelähmt. Werden die Nervenbahnen gequetscht, entstehen Beschwerden wie der Ischiasschmerz. Staut sich das Blut, entstehen Krampfadern, Ödeme oder Geschwüre. Bleibt die Blutversorgung aus, sterben die betroffenen Körperregionen ab.

Die Bedeutung von Funktion und Struktur

»Die Funktion bildet das Organ.« (Charles Darwin)

Der Begründer der Evolutionstheorie, Charles Darwin, sagte: »Die Funktion bildet das Organ.« In der Tat definieren sich die einzelnen Körperstrukturen wie Organe, Knochen oder Muskeln letztlich über die spezifische Funktion, die sie ausüben. Knochen beispielsweise geben dem Körper Halt, schaffen Festigkeit und bieten Schutz vor Druck- oder Zugbelastungen. Keine andere Körperstruktur kann diese Funktionen besser ausführen. Knochen besitzen die Druckfestigkeit von Sandstein und die Zugfestigkeit von Kupfer. Lang währende Druck- und Zugbelastungen führen sogar zu einer vermehrten Knochenbildung. Die gesteigerte Funktion verlangt demnach ein Mehr an Struktur.

Werden die spezifischen Funktionen eines Knochens hingegen nicht mehr benötigt, dann bildet er sich zurück. So degeneriert beispielsweise der Kiefer eines Menschen, der seine Zähne verloren hat und nicht mehr kauen kann.

Gelenkigkeit kann antrainiert werden.

Ähnliches gilt auch für die Muskeln. Diese haben die Funktion, Bewegungen auszuführen. Die in ihnen enthaltenen kontraktilen Elemente ermöglichen der Muskulatur, diese Funktion wahrzunehmen. Werden die Bewegungen oft genug gefordert, wächst der Muskel. Er passt sich seiner gesteigerten Aufgabe an, wie etwa der Herzmuskel bei Hochleistungssportlern. Wird ein Muskel hingegen kaum noch benutzt, etwa bei Gicht in den Fingern, bildet er sich zurück und wird zu einer Sehne.

Gelenke ermöglichen die Bewegungen, die die Muskeln ausführen. Gelenkigkeit kann antrainiert werden. Wird jedoch die Beweglichkeit eines Gelenks nicht mehr gebraucht, so versteift es.

Die gegenseitige Abhängigkeit von Struktur und Funktion beschränkt sich jedoch nicht nur auf das einzelne Organ. Der Körper in seiner Gesamtheit besteht aus zahlreichen unterschiedlichen Strukturen mit ihren jeweils eigenen spezifischen Funktionen. Nur wenn diese alle zusammenwirken, kann der Organismus als Ganzes funktionieren.

WISSEN

»Die Struktur bestimmt die Funktion …«

Wenn die Funktion von Organen zunimmt, wächst in der Regel auch ihre Struktur. Wird die Funktion eines Organs nicht mehr benötigt, verkümmert seine Struktur.

»Die Struktur bestimmt die Funktion, und die Funktion formt die Struktur.« So beschrieb Andrew Taylor Still die wechselseitige Abhängigkeit von Materiellem und Immateriellem, von Anatomie und Physiologie, von dem, was sich mit den Händen ertasten lässt, und dem, was direkt oft nicht ertastet werden kann.

Das Zusammenwirken von Funktion und Struktur

Das Konzept der Zusammengehörigkeit von Struktur und Funktion bildet einen Grundpfeiler der Osteopathie. Andrew Taylor Still erkannte dieses Prinzip, als er eines Tages ein menschliches Skelett betrachtete. Dabei wurde ihm klar, dass die einwandfreie Funktion eines Organs abhängig sein musste von seinen umgebenden Strukturen und deren harmonischem Zusammenspiel. Wenn beispielsweise die Beweglichkeit des Brustkorbes beeinträchtigt ist, dann muss dies auch Auswirkungen auf die Lungenfunktion haben.

Funktion und Struktur in der Osteopathie

Für die Osteopathie ist dieses Prinzip von grundlegender Bedeutung. Der menschliche Körper setzt sich aus einzelnen Strukturen zusammen, die alle ihre spezifischen Funktionen ausüben. Ist nun eine einzelne Struktur gestört, kann sie ihre korrekte Funktion nicht mehr wahrnehmen. Die gestörte Struktur liefert klinische Befunde, der Organismus gilt als krank. Ist hingegen die einzelne Funktion gestört, wird der Körper das so weit wie möglich kompensieren. Gelingt ihm dies nicht oder nicht mehr, entsteht ein struktureller Schaden, eine Krankheit.

Der Osteopath hilft der Struktur, zu ihren ursprünglichen Bewegungen zurückzufinden.

Die Osteopathie dient jedoch nicht nur der Befunderhebung, sondern auch der Behandlung. Die gegenseitige Abhängigkeit von Struktur und Funktion erklärt, warum eine osteopathische Therapie überhaupt erfolgreich sein kann. Mit seinen manuellen Techniken hilft der Osteopath der Struktur, zu ihren ursprünglichen Bewegungen zurückzufinden. Ziel ist dabei nicht die geschädigte Struktur, sondern deren beeinträchtigte Funktion. Stimmen die Bewegungen der Struktur wieder, so kann diese ihre Funktion erneut ausüben. Den Schaden an der Struktur kann der Osteopath nicht beheben. Das vermögen einzig und allein die Selbstheilungskräfte des Körpers.

WISSEN

Der Osteopath prüft die Bewegungen und deren Qualität

Der Osteopath arbeitet mit seinen Händen. Doch lässt sich mit Ausnahme der Gelenke eine gestörte Funktion nicht direkt ertasten. Sie zeigt sich aber in Form einer beeinträchtigten Bewegung der Struktur. Das kann das Ausmaß der Bewegung betreffen, ihre Richtung, den Rhythmus und den Spannungszustand. Indem der Osteopath die Bewegungen und deren Qualität überprüft, kann er die gestörte Funktion einer Struktur feststellen.

Die Selbstheilungskräfte des Körpers

Gesundheit ist eine Form von Fließgleichgewicht.

Unser Organismus ist ständig inneren und äußeren Einflüssen ausgesetzt, die sein korrektes Funktionieren behindern können. Dagegen wehrt sich der Organismus, indem er kontinuierlich versucht, auszugleichen. Solange ihm dies gelingt, sprechen wir von Gesundheit. Gesundheit ist daher kein Zustand, der erreicht wird, sondern eher eine Form von Fließgleichgewicht. Doch nicht immer kann der Körper korrigieren. Das Gleichgewicht geht dann verloren, und eine Krankheit bricht aus.

Stress bis zur totalen Erschöpfung kann den Organismus aus dem Gleichgewicht bringen.

Dabei muss es sich keineswegs um lebensbedrohliche Situationen handeln. Oft reicht ein kleiner Schnitt in den Finger, ein verstauchter Fuß, eine gebrochene Hand, falsche Ernährung, eine Stresssituation oder totale Erschöpfung. Es gibt viele Situationen, sprich Einflüsse, die den Organismus kurz- oder langfristig aus dem Gleichgewicht bringen und Beschwerden, Probleme oder Krankheiten zur Folge haben. Doch ähnlich einem Seiltänzer, der nicht auf den Boden aufschlägt, sondern ins Netz fällt, rafft sich der Organismus auf und steigt – um bei diesem Bild zu bleiben – wieder die Strickleiter hoch, um sich erneut auf dem Seil zu versuchen.

Die Fähigkeit des Körpers, aus einem Zustand der Erkrankung das verlorene Gleichgewicht der Gesundheit wiederzuerlangen, schreiben wir seinen Selbstheilungskräften zu. Der Begriff der Selbstheilungskräfte wird auch in der Schulmedizin verwendet. Eine genaue Definition gibt es jedoch nicht.

Kräfte zur Lebenssicherung

Letztlich stellen die Selbstheilungskräfte die Gesamtheit aller körpereigenen Mechanismen, Reflexe und Prozesse dar, die einen Organismus aus seinem kranken Zustand zur Gesundung zurückverhelfen. Wie die Bewegung sind auch sie ein Kennzeichen des Lebens. Während Kreislauf, Atmung und Stoffwechsel dem Leben dienen, sichern die Selbstheilungskräfte das Überleben.

Info

Die vielfältigen Funktionen der Selbstheilungskräfte

Die Selbstheilungskräfte äußern sich auf mannigfaltige Weise, etwa in der Fähigkeit des Blutes zu gerinnen, in der Bakterienabwehr bei Entzündungen, in der Narbenbildung nach einer Verletzung, in der Immunisierung nach einer Viruserkrankung oder in der Knochenneubildung nach einem Bruch.

Helfen statt heilen

Nur der Körper selbst kann sich heilen, und dabei kann man ihn unterstützen.