Osteoporose - R. Bartl - E-Book

Osteoporose E-Book

R. Bartl

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Beschreibung

Osteoporose ist eine schleichende Krankheit. Betroffene merken lange nicht, dass ihre Knochen an Festigkeit verlieren - bis ein Bruch sie wachrüttelt. Die Sorge wächst, das Leben nicht mehr genießen zu können. Wer arktiv wird, kann jedoch viel tun. Dabei ist dieses Buch ein guter Begleiter. Seine Autoren, rennommierte Fachärzte, erklären die Entstehung von Osteoporose und unterstützen bei Therapieentscheidungen. Und sie geben praktische Tipps, die Lebensqualität zu erhalten - mit Ernährung und gezielter Bewegung. Damit nützt ihr Ratgeber auch allen, die (noch) nicht erkrankt sind: Mit einem guten Lebensstil lässt sich Osteoporose nämlich wirksam vorbeugen. Ein Fragerbogen hilft, das eigene Risiko einzuschätzen und zu reagieren. Denn im Früstadium ist Osteporose sogar heilbar. Osteoporose vorbeugen, erkennen und behandeln - die Facharzt Sprechstunde "Osteoporose" infomiert umfassend.

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„Jeder ist seines Skelettes Schmied!“

Prof. Dr. Reiner Bartl

Prof. Dr. med. Reiner Bartl

PD Dr. med. Christoph Bartl

Der große Patientenratgeber

OSTEOPOROSE

Besser verstehen

Frühzeitig vorbeugen

Richtig diagnostizieren

Erfolgreich behandeln

Sonderformen beachten

3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflageunter Mitarbeit von Martina Gewecke (Physiotherapeutin)

Ihre Fragen beantworten derInternist und Osteologe Prof. Dr. med. Reiner Bartl und der Orthopäde und Unfallchirurg PD Dr. med. Christoph Bartl

Bildnachweis

8, 11, 13, 27, 47, 48 links, 137; aus: Bartl R, von Treschow E, Bartl Ch (2006) Bisphosphonat-Manual, Springer, Heidelberg; mit freundlicher Genehmigung von Springer Science and Business Media

5, 7, 9, 10, 15, 19, 35, 46, 68, 70, 74, 76, 79, 80 oben, 96, 101, 115, 122, 147, 201–216 Ingrid Schobel, München

2, 48 rechts, 49, 51, 52, 54, 60, 75, 77, 78, 80 unten, 81, 137, 153, 166, Professor Reiner Bartl, München

86, 87 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE)

Impressum

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-86371-256-3

eISBN 978-3-86371-284-6

© 2019 W. Zuckschwerdt Verlag GmbH München

Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Umschlagabbildung: W. Zuckschwerdt Verlag GmbH München

Autoren und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwandt, dass dieses Buch dem Wissensstand bei seiner Fertigstellung entspricht. Für Angaben zu Dosierungen und Applikationsformen kann dennoch keine Gewähr übernommen werden. Die Nutzer dieses Buches sind zu sorgfältiger Prüfung von Herstellerinformationen (z.B. Beipackzettel) und zur Konsultation eines Spezialisten angehalten. Eine Haftung der Autoren, des Verlages oder ihrer Beauftragten für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Sollte diese Publikation Links auf Websites Dritter enthalten, übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Warenzeichen werden nicht immer kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Druck und Bindung: Elanders GmbH, D-71332 Waiblingen

Printed in Germany

Dieses Buch ist auch als E-Book erhältlich.

Inhalt

Zum Einstieg

Osteoporose

…. besser verstehen

… genauer einteilen

… Risiken erkennen

… richtig diagnostizieren

… mit Frakturen umgehen

… frühzeitig vorbeugen

… erfolgreich behandeln

… Sonderformen beachten

… selbst aktiv werden

… auf die Wirbelsäule achten

… Irrtümer klarstellen

… fit durch den Alltag

… kurz und bündig

… Medikamente auf einen Blick

… Fachausdrücke erklärt

… Fachbegriffe des Skeletts

… genauer nachlesen

… Selbsthilfeverbände und Osteoporosezentren

Stichwortverzeichnis

Zum Einstieg

Wenn Sie wissen wollen, ob Sie eine Osteoporose haben oder gefährdet sind eine zu entwickeln, beantworten Sie zunächst einmal folgende Fragen:

Osteoporose-Fragebogen

Ja

Nein

Ist in Ihrer Familie Osteoporose bekannt?

Hatten Sie bereits einen Knochenbruch?

Hatten/Haben Sie Essstörungen?

Sind Sie Raucher(in)?

Müssen Sie regelmäßig knochenschädigende Medikamente einnehmen? (z. B. Kortison, Schilddrüsenhormone, Antidepressiva)

Hatten/Haben Sie eine Schilddrüsenkrankheit?

Hatten/Haben Sie eine Magen/Darmerkrankung?

Hatten/Haben Sie wenig Bewegung oder waren Sie längere Zeit immobil?

Sind Sie untergewichtig?

Sind Sie in den letzten Jahren auffallend kleiner geworden?

Sind Sie eine Frau?

Hatten/Haben Sie unregelmäßige Regelblutungen?

Hatten sie eine zu frühe Menopause?

ERGEBNIS

Wenn Sie mehrere der Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, dann besteht ein gewisses Risiko, Osteoporose zu entwickeln. Um dem Vorzubeugen bzw. um sich über die Behandlung einer bestehenden Osteoporose zu informieren, empfehlen wir Ihnen den Ratgeber weiterzulesen. Denn Osteoporose ist heute keine schicksalshafte Alterserscheinung mehr, sondern eine vermeidbare und gut behandelbare Krankheit!

Die Osteoporose wird beschrieben als „stiller Dieb“ oder auch als „leise Epidemie des 21sten Jahrhunderts.“ Sie ist charakterisiert durch dünne Knochen mit einem hohen Risiko für schmerzhafte, die Lebensqualität einschränkende Knochenbrüche. Sie ist leise, weil der krankhaft dünne Knochen selbst keine Schmerzen verursacht, und epidemisch, weil sie von der WHO inzwischen zu den 10 wichtigsten Volkskrankheiten gezählt wird.

Es gibt Schätzungen, dass jede 2. Frau und jeder 5. Mann in seinem Leben einen Knochenbruch durch Osteoporose erleidet. Die Osteoporose ist auch eine extrem teure Krankheit. Allein in Deutschland leiden etwa 8 Millionen Patienten an Osteoporose, die Kosten von etwa 8 Milliarden Euro verursachen. Trotz der immensen Fortschritte im Verständnis des Knochenaufbaus und in Diagnostik und Therapie des Knochenschwunds ist die Osteoporose aber weltweit immer noch eine unterschätzte Krankheit. In Deutschland allein wird nur etwa jeder 10. Patient mit Osteoporose leitliniengerecht diagnostiziert und therapiert. Mehr als die Hälfte der Frakturen könnten verhindert werden. Welche unnötigen Kosten und welche Geldverschwendung in unserem Gesundheitssystem!

Osteoporose ist heute kein schicksalhafter Altersprozess mehr, den „man einfach hinnehmen muss“. Sie ist eine gut behandelbare und im Frühstadium sogar heilbare Krankheit. Ärzte sind aufgerufen sich trotz Budgetproblemen konsequent für eine leitliniengerechte Behandlung einzusetzen. Patienten sind gut beraten, sich selbst zu informieren und ihre Knochengesundheit in die Hand zu nehmen – angesichts der angespannten und steigenden Kassenbeiträge unumgänglich. Auch die Krankenkassen müssen mehr in die Pflicht genommen werden, Prävention, Diagnostik und Therapie der Osteoporose zu fördern.

Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um kein Lehrbuch, sondern um einen Ratgeber, der Antworten auf die vielen Fragen der Patienten bieten möchte. Er soll eine Grundlage für das vertrauensvolle Gespräch mit dem behandelnden Arzt schaffen: „Der Patient als Partner“. Die Antworten dienen auch als Vermittler zwischen Patient und Familie, sodass der bzw. die Betroffene die Möglichkeit hat, seine/ihre Ängste und Bedürfnisse verständlich weiterzugeben.

Die beiden Autoren haben in den letzten 10 Jahren in Veranstaltungen und Gesundheitsgesprächen die Ängste und Wünsche, aber auch die Vorurteile, Mythen und Fehlinformationen interessierter Patienten zum Thema Osteoporose kennengelernt. Sie versuchen mit diesem Buch, den Leser wissenschaftlich fundiert, aber auch gut verständlich zu informieren, wie man seine Knochen gesund erhält und die Osteoporose vermeiden kann. Liegen bereits Knochenbrüche vor, so ist dies kein Grund zu verzweifenl: es werden Behandlungskonzepte zusammengestellt, diese zur Abheilung zu bringen und weitere Folgebrüche zu verhindern.

ES IST NIE ZU SPÄT!

Es ist nie zu spät, den Kampf gegen die Osteoporose aufzunehmen: „Mit Schwung gegen Osteoporose!“

Um Osteoporose tatsächlich zu vermeiden ist es notwendig, sofort, konsequent und mit Elan damit anzufangen, auf die Gesundheit des eigenen Skelettes zu achten. Es ist nie zu spät damit zu beginnen.

Das war auch das Geleitmotto bei der Gründung des Bayerischen Osteoporosezentrums 2004. Das Ziel dieses Buches ist zu zeigen, dass die Knochengesundheit nicht nur Aufgabe jeden Arztes ist, sondern auch dem Patienten konsequente Mitarbeit abverlangt. Wir wünschen allen Lesern Erfolg in ihrem Bemühen, Osteoporose zu vermeiden beziehungsweise erfolgreich zu behandeln. Osteoporose ist heute „so überflüssig wie ein Kropf“!

Prof. Dr. med. Reiner BartlPD Dr. med. Christoph Bartl

Osteoporose

… besser verstehen

Warum findet unser Skelett so wenig Beachtung und warum führt es immer noch ein Aschenputtel-Dasein?

Das menschliche Skelett ist ein hochspezialisierter Teil des Bindegewebes und zeichnet sich durch ein hochkompliziertes Zusammenspiel von etwa 220 form- und funktionsgerechten Einzelknochen aus. Es wiegt ungefähr 10 kg und macht etwa 15 % des Körpergewichtes aus. Ungefähr 1,5 kg Kalzium – 99 % des gesamten Kalziums im Körper – sind als „Hydroxyapatit“ im Knochen eingebaut. Und das Skelett hat eine Besonderheit: es kann sich selbst umbauen und reparieren.

Andere Teile des Bindegewebes wie Haut, Zähne und Haare sind im Gegensatz zu unserem Skelett gut sichtbar. So werden sie von den Mitmenschen als Zeichen von Schönheit und Jugendlichkeit, ja sogar als Zeichen erotischer Attraktivät wahrgenommen und interpretiert. Ganze Industriezweige, von der Kosmetikindustrie über die Pharmaindustrie bis zur „Schönheitschirurgie“, versprechen vor allem Frauen schöne, glatte, faltenfreie Haut, straffe Brüste, jugendliche Figur, volles Haar, lange Wimpern und weiße Zähne als Ausdruck immerwährender und perfekter Schönheit.

UNSER SKELETT

Unser Skelett führt ein Dasein im Dunkeln – es verdient mehr Beachtung und Pflege!

Unser Skelett dagegen ist unsichtbar in den Tiefen des Körpers versteckt und seine Existenz kann allenfalls getastet werden. Das klaglose Funktionieren der Knochen ist für uns einfach eine Selbstverständlichkeit. Mit seiner Pflege kann wenig verdient werden. Und doch ist von der Gesundheit unseres Skelettes Körpergröße, Gang, Bewegung und vor allem Körpergestalt abhängig. Denken wir nur an die Verunstaltung und Behinderung durch einen sogenannten „Witwenbuckel“, der eine Folge vieler Wirbelbrüche ist! Was nützen uns die von der Industrie versprochenen Schönheitssignale von Haut, Haaren und Zähnen allein, wenn uns Knochenbrüche und Knochenschmerz Mobilität und Lebensqualität rauben!

GESUNDE KNOCHEN

Gesunde Knochen bedeuten Mobilität bis ins hohe Alter!

Wir tun also gut daran, auch an die Gesundheit unseres Skelettes zu denken und darin zu investieren. Ein gesunder Knochen dankt es uns mit Mobilität bis ins hohe Alter!

Das menschliche Skelett: eine Erfolgsgeschichte der Evolution! Welche Schritte und wieviel Zeit waren dazu nötig?

Die Stadien der Entwicklung des Lebens im Wasser und auf der Erde sind durch Fossilienfunde gut belegt. Damit lässt sich auch eindrucksvoll chronologisch nachvollziehen, wie sich das Skelett aus Schalen und Panzern entwickelt hat.

Das derzeitige Skelett der Säugetiere besticht einerseits durch seine Belastbarkeit und Elastizität, andererseits durch sein niedriges Gewicht. Folgende Entwicklungsschritte waren dafür entscheidend:

Die „kambrische Explosion“ – Geburtsstunde des Außenskelettes von 500 Millionen Jahren.

Die Entwicklung von Panzern und Greifarmen – ständiges Wettrüsten von Jägern und Gejagten.

Die Entwicklung des Innenskelettes – entscheidender Vorteil für Wachstum und Überleben.

Die Umstellung von Kalziumkarbonat auf Kalziumphosphat – Basis für den hochwertigeren Knochenbaustoff Hydroxylapatit und für die Leichtbauweise des Knochens.

Die Entwicklung der Wirbelsäule und des Muskelsystems – Grundlage für schnelle Beweglichkeit.

Die Entwicklung der Funktionseinheit „Knochen-Knochenmarksystem“ – Voraussetzung für den dynamischen Knochenumbau und die lebenslange Knochenregeneration.

DAS MENSCHLICHE SKELETT

ein über 500 Millionen Jahre weiterentwickeltes und verbessertes Meisterwerk der Bioarchitektur!

Woher kommt der Begriff „Osteoporose“? Ist Osteoporose eine neue Krankheit?

Osteoporose wird in den letzten Jahren immer häufiger diagnostiziert, sie ist aber keine neu entdeckte Erkrankung, keine „Modekrankheit“. Osteoporose existiert, seit es Menschen auf Erden gibt. Bereits 3000 Jahre vor Christus klagte der betagte König David, Regent von Israel, dass im Alter seine „Kräfte und Knochen schwinden“. Altägyptische Mumien haben bereits Zeichen von Osteoarthritis wie von Osteoporose erkennen lassen. Sir Astley Cooper (1767–1841), ein Chirurg in London, soll erstmals den Begriff „Osteoporose“ eingeführt haben. Die Gebrüder Grimm (1786–1863) haben in ihrem Märchen „Hänsel und Gretel“ am Beispiel der Hexe sehr plastisch und einprägsam das Krankheitsbild der postmenopausalen Osteoporose beschrieben: die Hexe ist eine alte bucklige Frau, zahnlos, und da schmerzgeplagt, erscheint sie „böse“.

1994 definierten Experten der WHO Osteoporose auf der Basis der Knochendichtemessung (DXA-Methode). In den letzten 10 Jahren wurde aber erkannt, dass die Knochendichte nicht allein, sondern nur in Zusammenschau mit den Risikofaktoren und dem Risiko eines Knochenbruchs (Frakturrisiko) entscheidend ist.

MEDIZINER-LATEIN

„Osteo“ ist ein Begriff aus dem Griechischen und bedeutet Knochen.„Porose“ kann mit Durchlässigkeit übersetzt werden. „Osteoporose“ ist also eine Krankheit mit porösem Knochen oder einfach gesagt mit „zu wenig Knochen“.

Wie wird heute „Osteoporose“ definiert? Was bedeutet „manifeste Osteoporose“? Und was versteht der Arzt unter „Osteopenie“?

Die von den meisten Experten akzeptierte Osteoporosedefinition lautet heute:

Die Osteoporose ist eine systemische Skeletterkrankung, die durch eine niedrige Knochenmasse und eine Verschlechterung der Mikroarchitektur des Knochengewebes charakterisiert ist, mit der Folge vermehrter Knochenbrüchigkeit (Version 2001).

Der Zusammenhang von Knochendichte und Frakturrisiko wurde inzwischen durch eine Reihe von prospektiven Studien belegt. Gemäß der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird die messtechnische Osteoporose der Frau daher nach den Ergebnissen der Knochendichtemessung festgelegt (1994):

Eine Osteoporose liegt vor, wenn die Knochenmineraldichte um 2,5 Standardabweichungen (SD) unter dem statistischen Mittelwert gesunder prämenopausaler Frauen liegt (= T-Score).

Gemessen wird mittels der DXA-Methode an der Lendenwirbelsäule (L2–L4) und/oder Hüfte (Gesamtareal oder Schenkelhals). Wenn an zwei Stellen gemessen wird, entscheidet der niedrigere Wert.

Dreidimensionale Darstellung der Spongiosa in den Wirbelkörpern, links Osteoporose mit Zerstörung des spongiösen Netzwerks, rechts normale Knochenarchitektur.

Diese messtechnische Definition kann auf Männer ab dem 50. Lebensjahr übertragen werden. Sind bereits eine oder mehrere Frakturen als Folge der Osteoporose aufgetreten, spricht man – und nur dann – von einer „manifesten Osteoporose“. Betroffen sind vor allem Unterarm, Wirbelkörper und Oberschenkel.

„Osteopenie“ beschreibt einen geringer ausgeprägten, messtechnisch definierten Knochenschwund, jedoch noch ohne Zerstörung der Knochenstruktur. Sie kann die Vorstufe einer sich entwickelnden Osteoporose sein und ist daher kontrollbedürftig. Eine Osteopenie bedarf keiner medikamentösen Therapie (Ausnahme: unter Kortisongabe).

Der Knochenschwund läuft in zwei Etappen ab: bei der Osteopenie sind lediglich die Knochenbälkchen verdünnt, jedoch ohne klinische Konsequenzen, das heißt, ohne direkt sichtbare Symptome oder Beschwerden. Bei der Osteoporose weist der Knochen zusätzlich eine Zerstörung/Unterbrechung des spongiösen Netzwerkes auf. Osteoporose ist eine chronische Krankheit mit einem hohen Frakturrisiko. Treten Brüche auf, muss medikamentös behandelt werden, um Folgefrakturen zu vermeiden.

Gibt es auch einen altersbedingten Muskelschwund? Was versteht man unter dem Begriff „Sarkopenie“?

Genauso wie der Knochen macht auch die Muskulatur im Alter eine ganze Reihe typischer Veränderungen durch. Wir verlieren an Muskelmasse, an Muskelkraft und die Zusammensetzung der Muskeln verändert sich: wir lagern Fett ein. Die Altersmedizin hat für diesen Schwund an Muskelmasse den Begriff Sarkopenie geprägt und ihn zusammen mit dem altersassoziierten Knochenschwund als Kernproblem des Alterns erkannt.

Muskel- und Knochenmasse stehen in wechselseitiger Beziehung und bilden eine funktionelle Einheit. Die Stärkung der Muskulatur ist daher lebenslang die wichtigste Vorsorgemaßnahme zur Verhinderung der Osteoporose. Die begleitende Verbesserung der Koordination ist gerade im Alter ein weiterer wichtiger Faktor zur Vermeidung von Frakturen. Bei Personen mit Bewegungseinschränkungen ist zum Beispiel Vibrationstraining zur Stärkung der Muskulatur eine Möglichkeit zum Muskelaufbau.

Diese genetisch gesteuerten Veränderungen, Osteopenie und Sarkopenie, laufen individuell unterschiedlich schnell ab und können durch gezieltes Training verlangsamt und verbessert werden. Während der Knochenschwund auch medikamentös gestoppt werden kann, ist der Muskelschwund bisher nicht mit Medikamenten zu verbessern und stellt eine der wichtigsten Ursachen für die Neigung zu Stürzen und Knochenbrüchen dar.

Wie häufig ist die Osteoporose und wird sie auch ernst genommen?

Insgesamt sind ungefähr 10 % unserer Bevölkerung betroffen. Unterschiedliche Häufigkeiten in den Ländern beruhen auf genetischen und soziokulturellen Unterschieden sowie auf der jeweiligen mittleren Lebenserwartung der Bevölkerung. In Deutschland sind jede dritte Frau über 50 Jahre und jeder fünfte Mann über 60 Jahre davon betroffen.

Es wird geschätzt, dass von ca. 8 Millionen Osteoporosepatienten nur 1,5 Millionen diagnostiziert und 1 Million behandelt werden. Die Osteoporose führt in Deutschland zu über 300 000 Frakturen jährlich, davon ca. 160 000 Wirbelkörper- und Oberschenkelfrakturen. Es werden zwar 90 % der Osteoporosepatienten großzügig mit Schmerzmitteln (Analgetika) versorgt, aber nur 10 % erhalten eine leitliniengerechte Therapie. Hinzu kommt, dass etwa die Hälfte der Patienten die Therapie bereits nach einem Jahr wieder abbricht, obwohl die empfohlene Therapiedauer mindestens 3 – 5 Jahre beträgt (schlechte Compliance). Der praktizierte Standard der Osteoporosetherapie in Deutschland ist derzeit, dass Patienten mit Osteoporose ohne vorbestehende Wirbelfrakturen entweder gar nicht oder nur mit Kalzium und Vitamin D behandelt werden.

OSTEOPOROSE IN DEUTSCHLAND

Die Volkskrankheit Osteoporose ist in Deutschland immer noch eine unterdiagnostizierte und untertherapierte Krankheit.

Gibt es ethnische Unterschiede bei der Häufigkeit der Osteoporose?

Das häufige Auftreten von Osteoporose in den westlichen Industrieländern liegt vor allem an der hohen Lebenserwartung (Frauen 81, Männer 77 Jahre). Schwarzafrikaner haben eine deutlich höhere maximale Knochendichte und damit weniger oft Osteoporose als Europäer und Asiaten. Neben genetischen Faktoren spielen unterschiedliche Essgewohnheiten und soziokulturelle Unterschiede (Lebensstil, Arbeit, Freizeit) eine Rolle.

Wie teuer kommt die Osteoporose unserem Gesundheitssystem und dem einzelnen Patienten?

Die enormen sozialen und ökonomischen Auswirkungen der Osteoporose werden in erster Linie durch die Frakturen verursacht. So sind auf diese Komplikationen jährlich mehr Krankenhaustage zurückzuführen als beispielsweise auf Diabetes mellitus, Herzinfarkt und Brustkrebs zusammen. Man schätzt, dass jede 2. Frau einmal in ihrem Leben eine durch Knochenschwund bedingte Fraktur erleidet.

Weltweit verursacht die Osteoporose etwa 2 Millionen Oberschenkelbrüche jährlich. Berechnen wir 10 000 bis 25 000 Euro pro Operation und Rehabilitation in Deutschland, so werden uns die immensen Kosten dieser Erkrankung für die Gesellschaft bewusst: jährlich etwa 3 Milliarden Euro in der Bundesrepublik allein für die Behandlung von Schenkelhalsfrakturen.

OBERSCHENKELFRAKTUREN

machen einen Großteil der durch Osteoporose verursachten Kosten aus, da sie mit Operationen, Krankenhausaufenthalten und aufwendigen Rehabilitationsmaßnahmen verbunden sind.

Kann diese Knochenkrankheit auch lebensgefährlich werden?

Osteoporosebedingte Frakturen sind aber auch lebensbedrohlich: Nahezu ein Viertel der älteren Patienten mit Oberschenkelbruch sterben innerhalb eines Jahres nach dem Bruch und die Hälfte der Patienten ist später pflegebedürftig und/oder sozial isoliert, mit enormen Kosten für die Angehörigen. Es versterben folglich über 30 000 ältere Menschen an den Folgen hüftnaher Frakturen.

Wie kann man sich die Entstehung einer Osteoporose vorstellen? Was versteht man unter einem „Knochenkonto“?

Die Knochenmasse kann mit einem Bankkonto verglichen werden. Die Kontohöhe hängt von den Einzahlungen und den Ausgaben über die Jahre ab. Zahlreiche tägliche Einzahlungen in das Knochenkonto in Form von Kalzium und anderen Mineralien bestimmen die Knochenmasse, also die Gesamtmenge an Knochen im Skelett, etwa 10 kg.

Die Knochendichte beschreibt, wie dicht dieses Gewebe gepackt ist. Die Knochenstärke beschreibt die Belastbarkeit des Knochens und wird gebildet von Knochenmasse, Knochenqualität und Knochendichte.

KNOCHENKAPITAL

Die „maximale Knochendichte“ in jungen Jahren ist das Kapital für stabile Knochen im Alter. Gehen wir in allen Lebensabschnitten sorgsam damit um!

Einzahlungen in das Knochenkonto werden von bestimmten Knochenzellen, den Osteoblasten, Auszahlungen von knochenabbauenden Zellen, den Osteoklasten umgesetzt. Das Knochenkonto erreicht seinen höchsten Wert im jungen Erwachsenenalter (maximale Knochenmasse) und fällt dann kontinuierlich über die Jahre ab (negative Kontoentwicklung).

Wird in jungen Jahren zu wenig eingezahlt und/oder wird in den Folgejahren kontinuierlich zu viel ausgegeben, dann wird das Konto überzogen, es entwickelt sich die Osteopenie und schließlich die klinisch manifeste Osteoporose mit Knochenbrüchen als Komplikation. Dieser Vergleich mit einem Konto zeigt auch, wie bedeutend die Einzahlungen in jungen Jahren sind und dass die Osteoporose eigentlich eine Lebensgeschichte ist. „Osteoporose ist eine pädiatrische Erkrankung mit geriatrischen Komplikationen“, wie ein englischer Arzt treffend beschrieben hat.

Altersabhängiger Verlauf der Knochenmasse bei Männern und Frauen.

Aus wie vielen Knochen besteht das Skelett und welche Aufgaben hat es zu erfüllen?

Das menschliche Skelett – etwa aus 220 einzelnen Knochen bestehend – macht etwa 15 % des Körpergewichts aus. Es setzt sich zusammen aus

29 Schädelknochen

28–32 Knochen der Wirbelsäule

25 Knochen des Brustkorbs

4 Schultergürtelknochen

2 Hüftbeinen

6 Knöchelchen der Ohren

60–62 Knochen der oberen und

60 Knochen der unteren Extremitäten

Das Skelett hat vier wesentliche Aufgaben zu erfüllen:

1.Stütz- und Fortbewegungsfunktion: Ohne dieses Gerüst könnten wir uns gegen die Gravitationskraft nicht behaupten und wären wie eine Amöbe eine unförmige Masse. Für Kontraktion und Bewegung brauchen die Muskeln das Skelett als Ansatzstelle und Hebel. Insofern bildet das Skelett zusammen mit den Gelenken, Sehnen, Bändern und Muskeln eine funktionelle Einheit: den Bewegungsapparat.

DAS SKELETT

Das Organ „Skelett“ ist ein wahres Multifunktionstalent!

2.Schutzfunktion: Das Skelett gibt uns auch Schutz vor äußeren Einwirkungen. So schützen die Rippen Herz und Lunge, der Schädel unser Gehirn vor Verletzungen.

3.Knochen-Knochenmark-System: Das Knochengewebe ist mit dem blutbildenden System viel enger verknüpft als bisher angenommen. Beide Funktionssysteme – Blutbildung und Skelett – haben eine gemeinsame Hülle, gemeinsame Vorläuferzellen und ein gemeinsames hochspezialisiertes Gefäßsystem mit einer hohen Durchblutungsrate.

4.Mineraldepotfunktion: Der Knochen ist die größte Mineralbank unseres Körpers: 99 % des gesamten Kalziums, 85 % des Phosphats und 50 % des Magnesiums sind im Knochen gespeichert. Ungefähr 1 – 1,5 kg Kalzium sind als Hydroxylapatit im Knochen eingebaut. Die mineralisierte Knochensubstanz besteht zu 50 % aus anorganischen Materialien, zu 25 % aus organischer Grundsubstanz (Matrix) und zu 25 % aus Wasser. Die Matrix enthält 90 % Kollagen und 10 % andere nichtkollagene Proteine. Zur lebenswichtigen genauen Einhaltung der Kalziumkonzentration im Blut steht das Skelett in Mangelsituationen als fast unerschöpfliches Kalziumdepot bereit. Die Mobilisation von Kalzium aus dem Knochen und die Einlagerung von Kalzium in das Skelett werden über das Parathormon (PTH) in Verbindung mit Vitamin D gesteuert. Das Parathormon wird in den vier linsengroßen Epithelkörperchen, die hinter der Schilddrüse liegen, produziert, seine Ausschüttung in das Blut wird über den Kalziumspiegel im Blut gesteuert.

Aufbau des Röhrenknochens. Links: teilweise längs aufgeschnitten.Rechts: vergrößerter Ausschnitt mit Kompakta und Spongiosa sowie ein Querschnitt durch den Röhrenknochen.

Was ist das Geheimnis der Festigkeit und Belastbarkeit des Knochens?

Das Geheimnis liegt einerseits in der chemischen Zusammensetzung des Baumaterials, andererseits in der meisterlichen Architektur der 220 Knochen. Der Knochen hat zwei mechanische Eigenschaften zu erfüllen: Belastbarkeit und Elastizität bei möglichst niedrigem Gesamtgewicht.

Baumaßnahmen des Knochens, die für die Stabilität, aber auch Elastizität des Knochens verantwortlich sind: vom makroskopischen über den mikroskopischen bis in den molekularen Bereich.

Zusammensetzung des Knochens aus Kollagen („Zement“) und Kalzium („Ziegel“). Der Einbau von Kalzium wird von Vitamin D gesteuert.

Die Elastizität des Knochens wird erreicht durch eine spezielle Mischung der Baumaterialien, die wir im Bauwesen als Prinzip der Spannbetonbauweise kennen: die „2-Phasen-Komponente“. So besteht der Knochen aus einer elastischen Knochenmatrix, in der Kollagenmoleküle in Schichten parallel angeordnet sind. Dazwischen wird Kalzium und Phosphat in kristalliner Form eingelagert und verfestigt, vergleichbar mit Beton bei der Spannbetonbauweise. Das Baugewerbe kann vom Studium des Knochengewebes lernen, wie man die beiden entscheidenden Baueigenschaften „Rigidität“ (Härte) und „Elastizität“ vereinen kannn – bei gleichzeitig niedrigem Materialgewicht.

LEICHT, ELASTISCH, BELASTBAR

Erst die Entwicklung eines leichten, elastischen Knochenmaterials ermöglichte den Tieren das Verlassen der Ozeane und die Besiedelung des Festlandes!

Verschiedene Spurenelemente, Wasser und Riesenmoleküle (Mukopolysaccharide) dienen als Leim, der die Proteinseile (Kollagen) mit den Mineralkristallen fest verbindet. Das Kollagen ist für die Elastizität, die kristallinen Mineralien sind für die Festigkeit und Rigidität (Härte) des Knochens zuständig.

Kollagen ist neben dem Hämoglobin eines der genialen Moleküle, die die Evolution hervorgebracht hat. Erst mit der Produktion des Kollagens entstanden die verschiedenen Formen des Bindegewebes: der Startschuss für die rasante Entwicklung der Vielzeller.

Wie löst der Knochen die hohen Anforderungen an seine Festigkeit? Wie unterscheidet sich der spongiöse vom kompakten Knochen?

Der äußere Anblick des Knochengerüsts verbirgt die durchdachte Architektur. Erst im Schnitt oder im Röntgenbild können wir die beiden Bauprinzipien erkennen.

Kompakta (Kortikalis, Knochenrinde)

Die Hülle der langen Röhrenknochen besteht aus parallel zur Längsrichtung angeordneten Knochenzylindern, ungefähr 5 mm lang und aus 5 – 20 Ringen bestehend (Osteone). Die Querverbindungen werden als Volkman-Kanäle bezeichnet. In diesem Rohrsystem verlaufen die von der Knochenhaut (Periost) her einmündenden Blutgefäße und Nervenfasern.

Spongiosa (trabekulärer Knochen, Knochenbälkchen)

Die Spongiosa liegt im Inneren des Knochens und ist ein Knochengewebe, das wie ein schwammartiges System aus feinen Knochenbälkchen besteht in dessen Hohlräumen sich das Knochenmark befindet.

Einen anderen Aufbau als den bei den Röhrenknochen finden wir im axialen Skelett (Schädel, Wirbelsäule, Thorax und Becken). Diese Knochen sind wie ein von einer festen Hülle umgebener Schwamm konstruiert. Auf den ersten Blick wirken die Knochenbälkchen ungeordnet, bei genauer Betrachtung zeigen die Bälkchen oder Platten eine exakte Anpassung an die Belastungslinien (Trajektionslinien). Je dichter die Verknüpfungspunkte (Knoten) der Bälkchen ausgebildet sind, desto stabiler und verwindungssteifer ist der Knochen. Die Gesamtmasse des normalen Skelettes beträgt 10 kg, wobei 8 kg auf die Kompakta und nur 2 kg auf die Spongiosa entfällt.

Die beiden Bauprinzipien des Oberschenkelknochens sorgen für eine maximale Belastbarkeit bei minimalem Gewicht: Röhrenbauweise eines Fernsehturms und Fachwerkkonstruktion einer Brücke.

Die Spongiosa hat allerdings eine 10-fach größere Oberfläche als die Kompakta. Während im peripheren Skelett die Röhrenknochen mit einem hohen Anteil an kompakten Knochen dominieren, findet sich im axialen Skelett v. a. spongiöser Knochen mit einer extrem großen Knochenoberfläche (z. B. Wirbelkörper).

In den wichtigsten Skelettregionen, die frakturgefährdet sind, finden sich folgende Anteile von kortikalem und spongiösem Knochen:

Wirbelkörper

66 % spongiös,

34 % kortikal

Oberschenkelhals

25 % spongiös,

75 % kortikal

Oberschenkelschaft

5 % spongiös,

95 % kortikal

Handgelenk

25 % spongiös,

75 % kortikal

Das Axialskelett, also der Knochen vom Schädel über die Wirbelsäule bis zum Becken, im Gegensatz zu den Knochen der Extremitäten, mit dem hohen Spongiosaanteil und der großen Oberfläche ist daher wegen der größeren Angriffsfläche wesentlich anfälliger für Knochenschwund und weist besonders früh Zeichen einer Osteoporose auf. Im Rahmen einer Früherkennung der Osteoporose muss daher im Bereich des Axialskeletts gemessen werden. Es ist durchaus häufig zu beobachten, dass die Knochen der Extremitäten noch normal sind, das Achsenskelett aber schon einen schweren Knochenschwund aufweist! Eine rasch entstehende Osteoporose, z. B. bei einer Schilddrüsenüberfunktion, wird sich daher zuerst durch Wirbelkörperfrakturen zeigen.

Längsschnitt durch eine Knochenbiopsie mit Darstellung der Kompakta als äußere Knochenrinde (links) und Spongiosa als Knochenbälkchen mit stabilisierenden Knotenpunkten (rechts).

Der Knochenschwund macht sich zuerst im Axialsklett (Schädel, Wirbelsäule, Becken) mit Frakturen bemerkbar. Dort muss auch die Diagnostik ansetzen und messen.

Die Belastbarkeit (Festigkeit) des Knochens wird von mehreren Parametern beeinflusst:

Knochenmasse

Knochengeometrie, Knochenarchitektur (Spongiosa- und Kompaktastruktur)

Knochenumbau

Knochenmineralisation und

Knochenmaterialzusammensetzung

Wie läuft das Knochenwachstum ab? Was bedeutet „modelling“ und „remodelling“? Kann neuer Knochen noch gebildet werden, wenn wir erwachsen sind und das Knochenwachstum abgeschlossen ist?

Nach der populären Meinung ist der Knochen ein starres, unflexibles, ja sogar lebloses Gerüst, eben ein Gerüst wie auf dem Bau. Auch wenn der Knochen im Inneren des Körpers verpackt und versteckt ist, so ist der Knochen doch ein dynamisches Organ mit hoher Durchblutung und Stoffwechselaktivität. Bei der Geburt sind nur wenige Knochenteile fertig angelegt und werden erst nach und nach aus Knorpel oder Bindegewebe in einem komplexen Prozess zum festen Knochen umgebaut. Das Knochenwachstum (modelling) wird in der Pubertät mit der Verknöcherung der Wachstumsfugen abgeschlossen.

Auch im Erwachsenenalter wird der Knochen noch ständig umgebaut und den wechselnden Bedürfnissen angepasst. Zudem verliert die alternde Knochensubstanz durch einen Verlust von Mineralien und eine Alterung der Knochenmatrix an Festigkeit und Elastizität, sie bricht leichter. Die gesamte Knochensubstanz wird daher in regelmäßigen Abständen ausgetauscht und erneuert.

Dieser Materialaustausch (remodelling) dient folgenden Aufgaben:

Mobilisation von Kalzium aus dem Reservoir im Rahmen des Kalziumhaushalts

Ersatz des alten, brüchigen Knochengewebes

Anpassung an neue Belastungsanforderungen

Reparatur beschädigten, alternden Knochens

Dabei geht es nicht nur um Reparatur und Heilung von Brüchen ganzer Knochen, sondern auch um die Millionen mikroskopisch kleinen Brüche der Knochenbälkchen (Mikrofrakturen), die neben der Knochendichte das Frakturrisiko mitbestimmen. Übrigens, der Knochen ist das einzige Organ, das auf Verletzungen nicht mit der Bildung einer Narbe reagiert, sondern das abgestorbene Gewebe wieder vollkommen und funktionstüchtig ersetzen kann!

Knochen ist ein hochaktives Gewebe, das sich selbst überwacht und repariert. Knochenschwund beginnt auf der inneren Oberfläche unserer Knochen. Er wird regelrecht von innen ausgehöhlt – bis er bricht.

Welche Zellen sind bei diesem Umbauprozess im Spiel? Welche Aufgaben haben sie?

Der Knochen wird etwa alle 10 Jahre komplett erneuert. Der Grund für diese aufwendigen Arbeiten ist, dass sich der Körper weder einen minderwertigen Knochen noch zu viel Knochenmasse für die Fortbewegung leisten kann.

Für die ständigen Reparaturen und Anpassungen bedient sich das Knochengewebe spezialisierter Zellsysteme, „Bautrupps“. Obwohl dieser Prozess für unsere Sinne nicht wahrnehmbar ist, so spielt sich dieser Umbau gleichzeitig an Millionen von winzig kleinen Baustellen ab.

Die Bautrupps bestehen im Wesentlichen aus vier Zelltypen mit unterschiedlichen Aufgaben:

Darstellung einer Knochenumbau-Einheit („bone remodelling unit“), bestehend aus knochenabbauenden Zellen (Osteoklasten), knochenaufbauenden Zellen (Osteoblasten) und knochenerhaltenden und -steuernden Zellen (Osteozyten und „bone lining cells“) einschließlich deren Vorläuferzellen aus dem Knochenmark.

Osteoklasten (knochenabbauende Zellen). Wird von den Kontrolleuren eine Baustelle erkannt, so rücken zuerst die „Bagger“ an. Diese Riesenzellen bauen alten, schwachen Knochen in nur wenigen Tagen ab. Charakteristisch ist die stark gefaltete Zellmembran, die der Knochenoberfläche aufliegt. Hier werden große Mengen von Substanzen ausgeschieden, die die Mineralien des Knochens auflösen und das restliche Kollagen im Zellinneren verdauen. Die Bereitstellung, Reifung und Aktivierung der Osteoklasten werden durch zahlreiche Hormone und Wachstumsfaktoren gesteuert.

Der fehlregulierte Osteoklast – ein „Kraftpaket“ mit hohem Zerstörungspotential – ist der Schlüssel zu fast allen aggressiven Knochenkrankheiten! Wir haben heute gute Medikamente, die die hyperaktiven Osteoklasten wieder zuverlässig beruhigen.

Osteoblasten (knochenaufbauende Zellen). Nachdem der alte Knochen wegtransportiert ist, bauen die „Maurer“ langsam über viele Wochen neuen Knochen auf. Ihre Hauptfunktion ist die Produktion von Knochenmatrix.

Osteozyten (knochenüberwachende Zellen). Etwa jeder 10. auf der Knochenoberfläche liegende Osteoblast wird in das neu gebildete Knochengewebe eingebaut und entwickelt sich zum Osteozyten. Man kann diese Zellen auch mit einem „Beamtenapparat“ vergleichen, der für Ordnung im Knochengewebe sorgt. Sie liegen im Knochen und sind durch weitverzweigte Kanälchen (Canaliculi) untereinander verbunden. Die Oberfläche der Kanälchen wird auf 1200 m2 geschätzt, also eine Riesenoberfläche. Die Funktion der Osteozyten ist noch wenig erforscht. Sie spielen eine wichtige Rolle im Transport von organischen und anorganischen Stoffen im Knocheninneren. Wahrscheinlich registrieren sie den Muskelzug am Knochen und geben diese Signale an die auf der Knochenoberfläche liegenden Baueinheiten weiter. Sie registrieren als „Kontrolleure“ auch das Alter der Knochensubstanz und leiten deren Umbau ein.

Endostzellen (lining cells, knochenschützende Zellen). Diese flachen Zellen bedecken 80 – 95 % der Oberfläche des Knochens und charakterisieren damit den Ruhezustand im Umbauzyklus des Knochens. Sie bilden zusammen mit der darunter liegenden Kollagenmembran eine Schutzschicht und eine funktionelle Überwachungseinheit (Polizei), zusammen mit dem verzweigten Kanalsystem der Osteozyten.

Wie läuft der lebenslängliche Knochenumbau ab? Kann verlorener Knochen wieder ersetzt werden?

Für den Umbauprozess des Knochens (remodelling) stehen 2 – 5 Millionen Baueinheiten bereit. Diese Selbstreparatur des Knochens ist von entscheidender Bedeutung für die Entstehung der Osteoporose. Knochenschwund entsteht, wenn über die Jahre mehr Knochen abgebaut als erneuert wird.

Diese negative Knochenbilanz kann zwei Ursachen haben:

Die „Bagger“ (Osteoklasten) sind zu aktiv, es entsteht eine aggressive Osteoporose.

Die „Maurer“ (Osteoblasten) sind zu inaktiv, typisch für die Osteoporose im hohen Alter.

Phasen des Knochenumbaus eines jungen und älteren Skelettes.

Der Knochenumbau wird bisher nur teilweise verstanden. Er läuft in Zyklen von ungefähr 120 Tagen. Unterschieden werden folgende Umbauphasen des Knochens, die einen Zyklus bilden:

Ruhephase ohne Bauaktivitäten

Abbauphase durch Osteoklasten

Umschaltphase mit Vorbereitung der Knochenoberfläche zur Knochenproduktion

Anbauphase mit Osteoblasten und Einbau von Kalzium (Mineralisationsphase, abhängig von Vitamin D)

Wieder Ruhephase ohne Bauaktivitäten

Die Abbauphase ist bereits in zwei Wochen abgeschlossen, während die Mineralisationsphase bis zur Bildung reifen Knochens Monate dauern kann und von genügend Vitamin D abhängt. Die Gesamt-Umbaurate des Skeletts beträgt 10 % pro Jahr. Anders formuliert: Täglich werden 2 g Knochengewebe erneuert. Je nach dem Verhältnis der Ab- und Anbaurate kann über die Jahre unbemerkt ein steter Knochenschwund (negative Knochenbilanz) oder auch ein Knochenaufbau (positive Knochenbilanz) stattfinden. Eine Zunahme der Knochenmasse kann durchaus auch bei bereits schwerer Osteoporose und im hohen Alter erreicht werden. Es ist also nie zu spät, eine medikamentöse Therapie einzuleiten!

KNOCHENUMBAU

Der Knochenumbau läuft nach einer genau festgelegten Sequenz ständig millionenfach im Knochen ab. Jeder Zyklus dauert etwa zwei Wochen.

Was versteht man unter kortikalem und spongiösem Knochen? Welcher Knochentyp ist für Osteoporose besonders anfällig?

Ungefähr 80 % des Knochens sind kortikal (äußere feste Schale) und nur 20 % spongiös, auch trabekulär genannt (schwammartig). Beide Knochenstrukturen haben gänzlich unterschiedliche Umbauraten:

Der kortikale Knochen (= harte äußere Schale) ist sehr dicht und hat eine relativ geringe Oberfläche, er unterliegt daher einem langsamen Umbau. Wir finden ihn vor allem im Röhrenknochen.

Der spongiöse Knochen (= schwammartiges Netzwerk) dagegen hat durch die feingliedrige Anordnung eine viel größere Oberfläche pro Knochenmasse und ist daher einem wesentlich schnelleren Umbau ausgesetzt. Der Anteil an spongiösen (trabekulären) Knochen ist unterschiedlich in den verschiedenen Skelettarealen:

− Lendenwirbelsäule 75 %

− Ferse 70 %

− proximaler Femur 50 – 75 %

− distaler Radius 25 %

− Radiusmitte kleiner als 5 %

Ungefähr 25 % des spongiösen Knochens werden jährlich umgebaut, dagegen nur 2,5 % des kortikalen Knochens. Dies bedeutet, dass sich der Knochenschwund zuerst an Knochen mit einem hohen Anteil an Knochenbälkchen, also mit einer hohen Oberfläche, manifestiert. So verliert eine Frau in der Menopause etwa 5–10 % der kortikalen Knochen und 20–30 % der spongiösen Knochen. Betroffen sind vor allem Wirbelkörper und Hüfte mit ihrem hohen Anteil an spongiösem Knochen.

Was bedeutet der Begriff „maximale Knochendichte“, im Englischen auch als „peak bone mass“ bezeichnet? Warum ist ein hohes „Knochenkonto“ im jugendlichen Alter so wichtig für das gesamte Leben?

Die Ausbildung des Skelettes wird noch vor der Geburt festgelegt, das Wachstum findet in der Kindheit und Pubertät statt. In diesem Alter sind die Bereitstellung von Baumaterial (Kalzium, Eiweiß und Vitamin D) und die Belastung des heranreifenden Knochens durch körperliche Aktivität als Reiz für die Knochenproduktion besonders wichtig. Überzogene Diäten und Rauchen sind in der Wachstumsphase Gift und müssen eingestellt werden! Mit 18 Jahren ist das Knochenwachstum nahezu komplett. Im Alter zwischen 20 und 30 Jahren erreichen wir die maximale Knochendichte (peak bone mass). Zu diesem Zeitpunkt ist das Skelett bezüglich Größe und Qualität „maximal“. Die maximale Knochendichte wird von fünf Faktoren beeinflusst:

Genetik

Hormone

Bewegung

Ernährung

Lebensstil

Welche Hormone steuern das Knochenwachstum?

Das Knochenwachstum ist ein komplexer Prozess, der von bestimmten Genen, Hormonen, Wachstumsfaktoren und Vitaminen gesteuert wird. Fällt eines dieser Gene aus oder ist es fehlerhaft, so kommt es zu unterschiedlichen Wachstumsstörungen und Knochenkrankheiten. Folgende Hormone sind für ein normales Knochenwachstum nötig:

Kalzitonin, aus der Schilddrüse, hemmt die Osteoklasten.

Parathormon, aus den vier Epithelkörperchen, das den Kalziumspiegel im Blut reguliert. Es steigert die Kalziumaufnahme im Darm, mobilisiert das Kalzium aus dem Knochen über die Osteoklasten und hemmt den Kalziumverlust über den Urin.

Kortison, aus den Nebennieren, steigert in niedrigen Dosen das Knochenwachstum; als Medikament in hohen Dosen steigert es aber den Knochenabbau über Osteoklasten.

Wachstumshormon, aus der Hypophyse (im Gehirn lokalisiert), stimuliert das Knochenwachstum vor allem in der Pubertät.

Schilddrüsenhormon, aus der Schilddrüse, steuert den Knochenumbau, in hohen Dosen (Hyperthyreose) führt es zu einer rasch fortschreitenden Osteoporose.

Insulin, aus der Bauchspeicheldrüse, steigert unter anderem die Kollagenproduktion.

Sexualhormone (Östrogen und Testosteron), aus den Gonaden, wichtig für das Knochenwachstum und für den Erhalt der Knochenmasse. Sie stimulieren die Knochenbildung und hemmen den Knochenabbau, wobei Östrogen zusätzlich die Wachstumszonen in der Pubertät schließt und Testosteron die Muskeln stärkt.

Unser Knochen ist eine „Mimose“ und vergisst keinen störenden Einfluss! Selbst kleinste hormonelle Störungen können über Jahre zu einer negativen Knochenbilanz und damit zu Osteoporose führen. Neben den Hormonen sind an der Steuerung auch andere Organe wie Niere, Leber und Magen-Darm-Trakt beteiligt.

Was versteht man unter der „Knochenbilanz“? Wie stark ist der Knochenschwund im Alter?

Spätestens nach dem 30. Lebensjahr wird die Knochenbilanz (das ist das Verhältnis von Knochenanbau zu -abbau) negativ, durchschnittlich 1 % Knochenverlust pro Jahr, unabhängig vom Geschlecht. Dieser Knochenschwund ist offensichtlich genetisch vorprogrammiert. Bei der Frau steigt nach der Menopause mit einem Abfall des Östrogenspiegels der Verlust an Knochen rapide bis auf 4 % pro Jahr. Dies bedeutet, dass die Frau vom 40. bis zum 70. Lebensjahr im Durchschnitt etwa 40 % ihrer Knochenmasse verliert. Der Mann verliert im gleichen Zeitraum nur etwa 12 %.

Gründe für den Knochenverlust mit zunehmendem Alter sind:

verminderte Resorption von Vitamin D und Kalzium im Magen/Darm

verminderte Produktion von Vitamin-D-Vorstufen in der Haut

eingeschränkte Nierenfunktion mit Kalziumverlust über den Urin

verminderte Produktion von Östrogen bei Mann und Frau

verminderte Aktivität der knochenaufbauenden Zellen (Osteoblasten)

Die maximale Knochenmasse des jungen Erwachsenen stellt daher ein Kapital dar, das in jungen Jahren aufgebaut und später gepflegt werden muss. Ist zum Beispiel die Kalziumzufuhr über die Ernährung zu gering oder der Kalziumbedarf während der Schwangerschaft besonders groß, so wird Kalzium stetig aus dem Skelett-Speicher abgerufen – auf Kosten der Knochenmasse und -festigkeit. Die Folge sind vermehrt Brüche des ausgehöhlten Knochens!

VORBEUGEN UND BEHANDELN

– für Arzt und Patienten gleichermaßen – eine Lebensaufgabe!

Wenn wir Knochen verlieren, wo geht er hin? Kann die verlorene Knochenmasse wieder ersetzt werden?

Nachdem wir mit ca. 25 Jahren die maximale Knochendichte erreicht haben, wird mit zunehmendem Alter etwas mehr Knochen abgebaut als angebaut, es entsteht eine genetisch und hormonell gesteuerte negative Knochenbilanz.

Die Osteoklasten lösen Knochengewebe auf, die Mineralien gelangen in das Blut, das Kollagen wird im Osteoklasten in seine Bestandteile zerlegt und über den Urin ausgeschieden. Der verlorene Knochen kann durch eine Hemmung der Osteoklasten, Gabe von Hormonen und Zufuhr von Kalzium und Vitamin D wieder ersetzt werden. Eine positive Knochenbilanz bedarf aber auch einer erhöhten körperlichen Aktivität, dem wichtigsten Reiz für die Aktivierung der knochenanbauenden Osteoblasten. Diese Umbauprozesse erfolgen über Jahre, die Behandlung der Osteoporose verlangt also Geduld und Konsequenz.

Kurz und bündig: Osteoporose als Krankheit

Osteoporose ist im Volksmund als „Knochenschwund“ bekannt.

Analog zum Knochenschwund gibt es auch einen altersbedingten Muskelschwund, „Sarkopenie“ genannt.

Osteoporose gehört nach der WHO weltweit zu den zehn wichtigsten Volkskrankheiten.

Osteoporose ist eine unterdiagnostizierte Erkrankung und bei der Mehrheit der betroffenen Personen wird sie erst mit dem Auftreten der ersten Fraktur diagnostiziert.