Outdoor against Cancer - Petra Thaller - E-Book

Outdoor against Cancer E-Book

Petra Thaller

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Beschreibung

Sport ist die beste Medizin

Sport ist bei Krebserkrankungen so wichtig wie Medikamente – das belegen weltweit über 2000 Studien. Denn insbesondere Bewegung im Freien aktiviert das Immunsystem, reguliert den Stoffwechsel und sorgt für gute Laune und ein besseres Körperbewusstsein. Diese Erfahrung machte auch Petra Thaller, als sie selbst mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert war. Die Gründerin der Initiative „Outdoor against Cancer“ erklärt zusammen mit dem Sportwissenschaftler Thorsten Schulz, was die Wissenschaft über die Wirkung von Outdoor-Aktivitäten weiß, welche Sportarten infrage kommen, wie man den inneren Schweinehund überwindet und warum die innere Einstellung so wichtig für die Genesung ist. Ihr Leitspruch: Der wichtigste Schritt ist der vor die Haustür.

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Seitenzahl: 278

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Zu dem Buch

Sport ist bei Krebserkrankungen so wichtig wie Medikamente – das belegen weltweit über 2000 Studien. Denn insbesondere Bewegung im Freien aktiviert das Immunsystem, reguliert den Stoffwechsel und sorgt für gute Laune und ein besseres Körperbewusstsein. Diese Erfahrung machte auch Petra Thaller, als sie selbst mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert war. Die Gründerin der Initiative »Outdoor against Cancer« erklärt zusammen mit dem Sportwissenschaftler Thorsten Schulz, was die Wissenschaft über die Wirkung von Outdoor-Aktivitäten weiß, welche Sportarten infrage kommen, wie man den inneren Schweinehund überwindet und warum die innere Einstellung so wichtig für die Genesung ist.

Ihr Leitspruch: Der wichtigste Schritt ist der vor die Haustür.

Zu den Autoren

Petra Thaller ist Journalistin und war u. a. Chefredakteurin des Bergsportmagazins AllMountain und ist Herausgeberin des Online-Magazins Mountains4U. Anfang 2015 wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert. Noch während der Chemotherapie gründete sie die Initiative Outdoor against Cancer (OaC), um Krebskranken einen Zugang zu Bewegungs- und Sportangeboten im Freien zu ermöglichen.

Dr. Thorsten Schulz ist Sportbiologe und forscht seit über 20 Jahren zu den Zusammenhängen von Krebserkrankungen und Sport. Zunächst war er an der Sporthochschule in Köln tätig, heute arbeitet er an der Technischen Universität München (TUM). Er zeichnet u. a. für die OaC-Trainerfortbildung im Rahmen von »TUM Sport and Health for Life« verantwortlich.

Weitere Informationen finden Sie unter www.outdooragainstcancer.de

PETRA THALLER THORSTEN SCHULZ

Wie Bewegung und Sport in der Natur im Kampf gegen Krebs wirken

Schnellere Genesung mehr Lebensqualität bessere Prognosen

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Originalausgabe

© 2018 Kailash Verlag, München

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Lektorat: Franz Leipold

Serviceteil: Mascha Reinicke

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

Umschlaggestaltung: Sabine Skrobek, ki 36 Editorial Design, München

Umschlagmotiv: © Daniele Molineris

ISBN 978-3-641-23009-8V002

www.kailash-verlag.de

Für Sara, Joshua, Marlen, Claire, Maya und Liz und alle Kinder dieser Welt

Inhalt

Vorwort

1. Veränderung

Diagnose Krebs, und jetzt?

• Mein Neun-Punkte-Plan

Petra Thaller, eine persönliche Geschichte

Krebs, was ist das?

Draußen ist alles besser

• Erfahrung und Wahrnehmungen in der Natur

• Draußen, Outdoor ist alles besser

• Landschaften: Fakten, Forschung, Perspektiven

• Wie gesund sind Sie?

• Die Wirkung von Landschaft auf die Gesundheit

Eine Vision nimmt Formen an

Statements: Aus dem Leben von Krebspatienten, Familien, Freunden und Wissenschaft

• Sara Thaller, Familienmitglied

• Mascha Reinicke, Doktorandin

• Outdoor against Cancer

Aufforderung zur Bewegung: Neues ausprobieren

Zusammenfassung: Lebensgeister wecken

2. Fokus

Das Leben im Fokus

Warum ich? Gibt es nicht!

• Fakten zu Krebs: Vergessen Sie die Schuldfrage

• Krebs in Zahlen: Fakten, Forschung, Perspektiven

• Horizonte erweitern und Grenzen verschieben

Die Magie der Draußen-Zeit

Statements: Aus dem Leben von Krebspatienten, Familien, Freunden und Wissenschaft

• Johanna Stöckl, Outdoor-Journalistin und Freundin

Aufforderung zur Bewegung: Sport mit Freunden

Zusammenfassung: Bewegung ist Leben

3. Bewegung

Bewegung als Schlüssel des Lebens

Warum Bewegung wichtig ist: Fakten, Forschung, Perspektiven

• Welche Rolle spielt der menschliche Stoffwechsel in Bezug auf Krebs?

• Der Stoffwechsel in der Krebszelle

• Was bewirkt Bewegung oder keine Bewegung?

• Wirkmechanismen von Sport und Bewegung auf eine Krebserkrankung oder deren Prävention

• Das Immunsystem, die körpereigene Abwehr

• Hormone, Botenstoffe und Sport

• Die Rollen von Psyche und Seele

• Vitamin D: Aufgaben und Wirkungen

• Energieaufwand, Energiebilanz und der Einfluss auf das Krebsgeschehen

• Körperliche Belastbarkeit

• Kraft, Ausdauer oder die (Er-)Kenntnis der Ressourcen

Blue Zones: Orte, an denen Menschen besonders alt werden – glücklich und gesund

Wie viel Bewegung soll es sein?

• Wie werden Bewegung und körperliche Aktivität definiert?

• Internationale Bewegungsempfehlungen

• Wie viel bewegen wir uns wirklich?

• Bewegung: Ursprung und Gegenwart

Statements: Aus dem Leben von Krebspatienten, Familien, Freunden und Wissenschaft

• Rocco Schützler (44), ehemaliger Krebspatient, Gehirntumor

Aufforderung zur Bewegung: Bewegung in den Alltag integrieren

Zusammenfassung: Aktiver Lebensstil

4. Entwicklung

Am Anfang war doch alles gut: das Verschwinden von Neugierde, Bewegung, Lachen und Lernen

• Was ist passiert zwischen meiner Kindheit und der meiner eigenen Kinder?

Outdoor Education: Fakten, Forschung, Perspektiven

Zwei Welten der Digitalisierung

Aufforderung zur Bewegung: Sieben Anregungen für mehr Outdoor-Zeit

Statements: Aus dem Leben von Krebspatienten, Familien, Freunden undWissenschaft

• Klaus Beutel, ehemaliger Krebspatient, Darmkrebs

Zusammenfassung: Anfangen und Durchhalten

Danksagung

5. Serviceteil

Begriffserklärungen

Häufig gestellte Fragen

• Sport und Krebs

• Ernährung und Krebs

Auf einen Blick

• Checkliste: Bewegen Sie sich genug?

• Alltägliche Bewegung hilft: Jede Bewegung ist besser als keine Bewegung

• Welchen Nutzen hat Bewegung?

• Folgen Sie den allgemeinen Trainingsprinzipien beim Sport

• Einfache Übungen und Aufforderungen für den Alltag und zu Hause

• Tipps für die Bewegungsumsetzung

Weiterführende Literatur über Krebs, Sport und Bewegung sowie Sport in der Natur

Quellenverzeichnis Infografiken

Anmerkungen

Register

»Ein Rindvieh ist, wer den Sport nur als Ochsentour betrachtet, denn Sport ist Mord an vielen Krankheitsursachen.«

Gerhard Uhlenbruck, Tumorimmunologe, Universität zu Köln

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser, liebe mittelbar und unmittelbar Betroffene und liebe Interessierte!

Vor Ihnen liegt ein Buch von zwei Autoren, die es – zwischen emotionaler Power und wissenschaftlichen Fakten – manchmal nicht lassen können zu kommentieren. Es baut auf einer sehr persönlichen Geschichte auf, und so sollten Sie es auch lesen: emotional und faktenorientiert. Sie werden sehen, da schreiben zwei Menschen mit durchaus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln und Erfahrungen, aber gleichem Interesse.

Aus unserer Sicht ist das sinnvoll, denn auch die Betrachtung der Erkrankung Krebs hat zwei Seiten: zum einen die Seite des Betroffenen mit seinem gesamten Umfeld, zum anderen die Seite derjenigen, die sich mit der Krankheit beschäftigen, um die Ursachen zu erforschen und den Betroffenen zu helfen. Und genau hier liegt oft das Dilemma. Auf der einen Seite die wichtige persönliche Geschichte des Erkrankten, seiner Bezugspersonen und seines Umfelds, die möglichst alle Gehör und Akzeptanz finden sollten. Deswegen wurden in das Buch auch Erfahrungen von anderen Personen aufgenommen, die von Krebs mittelbar und unmittelbar betroffen sind. Auf der anderen Seite die rational orientierte Wissenschaft mit ihren Erkenntnissen, aus denen sich ein für den Patienten maßgeschneidertes Programm ergeben soll. Es gilt, beide Seiten mit ihren gefühlten Welten und rationalen Bewertungen zusammenzubringen, denn schließlich geht es ja immer um die Sache. In unserem Fall soll es speziell um das Potenzial von körperlicher Bewegung, von Sport und auch vom Draußen-Sein auf die Erkrankung Krebs gehen. Die Möglichkeiten, eigene gesundheitliche Ressourcen zu entdecken, aufzubauen und zu nutzen, sind nicht nur während einer Krebserkrankung von enormer Bedeutung, sondern ebenso danach und auch zur Vorbeugung.

Wenn wir Sie nach der Lektüre des Buches dazu anstiften konnten, sich körperlich zu bewegen, dann haben wir damit schon viel erreicht. Gerne können Sie sich auch bei uns melden, wenn dies geklappt hat, wir freuen uns auf ein solches Feedback.

Viel Spaß und Erkenntnisgewinn beim Lesen,

Ihre

Petra Thaller und Thorsten Schulz

1. Veränderung

Diagnose Krebs, und jetzt?

Um es auf den Punkt zu bringen: Es gibt zunächst nur eine Sache, die wirklich wichtig ist, und das ist Ruhe bewahren, sich sammeln und keine vorschnellen Schlüsse ziehen. So und nicht anders habe ich es gemacht, mit Erfolg!

Meine Erfahrung mit Krebspatienten in den vergangenen drei Jahren zeigt mir jedoch oft ein anderes Bild. Eine Vielzahl von Menschen fühlt sich durch die Diagnose Krebs überrollt, handlungsunfähig, panisch und ängstlich. Das alles zusammen ergibt eine gefährliche emotionale Mischung, die für niemanden auf dieser Welt angenehm, geschweige denn gesund ist. Wenn die Diagnose Krebs im Raum steht, setzt man sich am besten erst einmal hin, lässt alles sacken, spricht mit dem Partner, der Partnerin, dem besten Freund, der besten Freundin, der Familie – und dann, wirklich erst dann packt man die Sache an, aber man packt sie an. Die Diagnose Krebs kann man mit der Vorbereitung auf eine wichtige Prüfung vergleichen: hinsetzen, lernen, verarbeiten. Den Großteil der diagnostizierten Fälle im Rahmen von Krebserkrankungen kann man danach relativ entspannt betrachten, weil die Aussichten auf Genesung wirklich gut sind. Das entspricht meiner Erfahrung und ist meine Wahrheit. Glauben Sie mir. In den entscheidenden Momenten meiner Diagnose hatte ich zum Glück nüchtern und analytisch denkende Menschen um mich herum, die mir zutrauten, das Ganze »unbeschadet« zu überstehen. Solche Menschen brauchen Sie, braucht jeder. Angstmacher, überkluge Besserwisser und all jene, die plötzlich keine Zeit mehr haben, habe ich aus meinem Leben eliminiert. Familie, Freunde, Bekannte, sie alle sind oft mit der Diagnose Krebs überfordert. »Kluge Ratschläge« sind das logische Ergebnis einer Überforderung. Und auch ich bin in dem einen oder anderen Fall überfordert. Fremde und auch Freunde rufen mich an, die entweder selbst die Diagnose Krebs bekamen oder im Umfeld einen lieben Menschen haben, der sich nun mit dem Thema auseinandersetzen muss. Ihnen allen hilft nur eines: Distanz. Sie müssen aus der Situation heraustreten, sie von außen betrachten und so tun, als wären sie selbst überhaupt nicht betroffen. Das ist eine Voraussetzung, um in jedem Fall analytisch und nüchtern zu handeln.

Mein Neun-Punkte-Plan

Gibt es einen Grund, warum Sie zum Arzt gegangen sind? Wenn ja, dann haben Sie den ersten Schritt schon einmal absolut richtig gemacht. Sie sehen der vermeintlichen »Gefahr« ins Auge.Ist es ein Zufallsbefund, haben Sie Glück und können nun ebenfalls die richtigen Schritte einleiten. Ganz gleich, wie schwer die Diagnose ist, schreiten Sie weiterhin nüchtern voran.Finger weg von Krebsforen, Finger weg von Krebs-Blogs und vor allem Finger weg von Social-Media-Gruppen. Diese sind häufig nur auf eines ausgerichtet: die klassische Medizin zu verteufeln und Alternativen zu hypen, und das meist ohne den geringsten Sachverstand. Keine Erkrankung verläuft wie die andere, jeder ist ein Individuum, jeder hat andere Voraussetzungen, einen anderen Status quo, eine andere Lebenssituation.Sie haben Fragen? Fragen Sie einen Mediziner! Wenn das Bein Ihres Esstisches kaputt ist, gehen Sie ja auch nicht zum Schneider.Dieser Punkt ist zunächst der wichtigste von allen: Holen Sie sich eine Zweitmeinung ein. Lassen Sie sich von nichts und niemandem davon abhalten. Wenn die Diagnose bestätigt wird, sind Sie auf der sicheren Seite. Wird die Diagnose jedoch nicht bestätigt, vernetzen Sie die beiden Mediziner und holen Sie sich notfalls noch eine Drittmeinung ein. Universitätskliniken beispielsweise sind bestens vernetzt, und das Tumorboard[1] ist aufgrund seiner Zusammensetzung aus erfahrenen Medizinern verschiedener relevanter Fachrichtungen, wie Onkologie, Radiologie, Chirurgie, Pathologie, ein Entscheidungsgremium hochkarätiger Spezialisten, die sowohl national als auch international vernetzt und somit in der Lage sind, die für Sie beste Vorgehensweise zu erörtern und dementsprechende Entscheidungen zu treffen.Ganz gleich, was passiert, behalten Sie einen kühlen Kopf. Und wenn Sie das nicht alleine schaffen, sprechen Sie mit dem Partner, der Partnerin, einem guten Freund, einer guten Freundin, der Familie. Ich hatte das große Glück, eine Vielzahl von wirklich guten Freunden um mich zu haben. Menschen, die mich sowohl in medizinischer Hinsicht beraten haben, die mir aber auch persönlich stark zur Seite standen. Allen voran meine beiden Kinder Sara und Joshua. Für diese beiden war ich stark, und sie waren das auch für mich. Weihen Sie Ihr Umfeld ein; die Menschen müssen wissen, was mit Ihnen los ist.Heimlichtuerei ist vielleicht etwas für Fremdgeher und Betrüger, bei einer Krankheit ist das absolut fehl am Platz.Wenn Ihnen die Dinge zu schnell gehen, nehmen Sie selbst die Geschwindigkeit aus den Geschehnissen. Lassen Sie sich Zeit. In der Regel spielen einige Tage keine Rolle. Selbstverständlich gibt es auch Ausnahmen, dann aber werden sich Ihre medizinischen Berater absolut einig sein. Zu Ihrer Beruhigung: Zwischen meiner Krebsdiagnose und der ersten Chemotherapie lagen volle sechs Wochen.Ebenso wichtig wie Punkt fünf ist dieser Punkt: Leben Sie Ihr Leben! Verharren Sie nicht in Angst! Gehen Sie unter Menschen, gehen Sie in die Natur, tun Sie all die Dinge, die Sie immer getan haben. Halten Sie fest am Alltag. Der Alltag ist ein Rettungsanker der Superlative. Die Normalität an sich ist schon sehr heilsam in solch einer Krise. Immer wieder kann ich beobachten und erhalte die Rückmeldung (siehe auch Kapitel Rocco Schützler), dass Menschen, die ihre tägliche Routine fortführen, wirklich gut durch diese Lebensphase kommen. Im optimalen Fall finden sie zwei/drei Menschen, die sich darauf einlassen, Sie jeden Tag in Bewegung zu bringen.Vielleicht sind Sie der sportliche Typ, der schon immer in Bewegung war? Oder gehören Sie eher zu den geistigen und körperlichen Couch-Potatos und sind ein Meister des Nichtstuns? Im ersten Fall: Bleiben Sie in Bewegung. Im zweiten Fall: Fangen Sie an, sich zu bewegen, geistig und vor allem körperlich. Ich zähle mich selbst zum Typ Nummer eins – in Extremform (Anm. v. Thorsten Schulz). Sitzen ist für mich schwierig. Nichtstun noch viel schwieriger. Ich habe deshalb mit meinen Kindern einen Pakt geschlossen: Wenn ich nicht aufstehen und mich nicht bewegen möchte, dürfen sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um mich in Bewegung zu bringen. Es gab auch bei mir Momente, in denen Sara und Joshua wirklich ernst und zugegebenermaßen auch einmal laut werden mussten, um mich aus dem Bett zu bekommen. Die tägliche Routine von Sara und mir war: Aufstehen um 7.00 Uhr, Laufen an der Isar um 7.30 Uhr. Es gab Tage, da hatte ich bleierne Beine, und Tage, meist kurz vor dem nächsten Chemotherapie-Zyklus[2], an denen ich leichten Fußes den »Standard-Trail« lief. Grund hierfür sind unter anderem die Blutwerte, die sich etwa in der Mitte zwischen zwei Chemotherapie-Zyklen wieder normalisieren. Sie werden spüren, wie es Ihnen wieder besser geht. Hören Sie auf Ihren Körper.

Petra Thaller, eine persönliche Geschichte

Persönliche Geschichten über Krebserkrankungen gibt es wie Sand am Meer. Ich habe nicht eine davon gelesen. Nicht, weil mich das Schicksal anderer Menschen nicht interessiert. Nein. Ich habe keines dieser Leidensbücher gelesen, weil ich unbelastet und unvoreingenommen an das Thema Krebs in meinem Leben herangehen wollte. Am Beginn dieses Buches steht meine persönliche Geschichte.

Es begann im Herbst 2014. Rückblickend kann ich feststellen, dass ich die Monate vor der Diagnose bereits körperlich nicht mehr so leistungsfähig war wie zuvor. Natürlich habe ich dies auf meinen beruflichen Stress geschoben, gepaart mit den vermehrten Trainingseinheiten für meine Expedition zur Carstensz-Pyramide auf der Insel Neuguinea, dem höchsten Berg Ozeaniens und weltweit dem höchsten Berg auf einer Insel.

Bereits während der Expedition fühlte ich mich meist müde und erschöpft. Tagsüber, während der kilometerlangen Märsche durch die unberührte Natur, brachte ich meine Leistung. Lediglich abends, wenn alle anderen Expeditionsteilnehmer noch plaudernd beieinandersaßen, verschwand ich kurz nach Sonnenuntergang in meinem Zelt. An manchen Tagen sogar ohne etwas zu essen. Am darauffolgenden Morgen fühlte ich mich besser, und die Kräfte waren wieder da. Während der zweiwöchigen Expedition bestiegen wir die Carstensz-Pyramide und den benachbarten Gipfel des Ngga Pulu, zwei prächtige Berge. Im Verlauf des Rückmarschs stürzte ich bei dem Versuch, einen der zahlreichen kleinen Flüsse zu überspringen, in die Fluten und stieß mir die linke Brust heftig an einem hervorstehenden Stein. In Sekundenschnelle schwoll diese an, und ein pulsierender Schmerz breitete sich in meinem Körper aus.

Ich hatte das große Glück, dass vier hochkarätige Mediziner mit im Expeditionsteam waren. Sie versorgten mich schnell und professionell, und so schaffte ich die restlichen drei Tagesetappen bis nach Ilaga, einem kleinen Dorf auf 2286 Meter Höhe, ohne größere Probleme.

Zwei Tage später, Anfang November 2014, waren wir in Denpasar auf Bali. Der Schmerz blieb, die Müdigkeit auch. Meine Abenteuerlust war trotz allem ungetrübt, und so surften wir zum krönenden Abschluss unserer Reise die Wellen des Indischen Ozeans.

Zurück in Deutschland ging ich zu meinem Frauenarzt, ließ die Brust abtasten und mittels Ultraschall untersuchen. Zu einem Ergebnis kam er nicht. Die Zeit strich ins Land, zwei Tage vor Weihnachten hatte ich nochmals einen Termin zur Brustuntersuchung. Wieder gab es kein Ergebnis. Mein Frauenarzt riet mir zu einer Mammografie nach Weihnachten.

Während der Weihnachtsferien veränderte sich meine rechte Brust deutlich. Die Brustwarze zog sich nach innen.

Mitte Januar, an einem Donnerstag, wurde meine Brust nochmals geschallt, und zwei Stunden später hatte ich einen Termin zur Mammografie. Das Ergebnis: keine erkennbare, krankhafte Veränderung der Brustdrüse, wahrscheinlich nur Verkalkungen. Mein Frauenarzt riet mir zu einer Vakuumbiopsie[3].

Am Montag der darauffolgenden Woche fand diese Untersuchung statt, und einen Tag später hielt ich bereits das Ergebnis in den Händen: Mammakarzinom.

Auf solch einen Moment ist man niemals vorbereitet. Nie. Als ich die Diagnose erhielt, fingen meine Tränen an zu laufen. Kein Schreien, kein Toben. Irgendwie hatte ich es ohnehin schon vorher gewusst. Innerhalb von wenigen Augenblicken war ich wieder relativ gefasst. Ich führte einige Telefonate und versuchte, Ruhe zu bewahren, was mir sehr gut gelang. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie ich mich verhalten würde. Ich wusste aufgrund meiner Erfahrung als Bergsteigerin, dass unüberlegte Handlungen selten gut ausgehen. Und mir war klar, dass ich nicht all die Menschen um mich herum mit in mein spontanes Chaos ziehen durfte. So informierte ich anfangs nur eine Handvoll vertrauter Freunde, von denen ich wusste, dass sie mich nicht verrückt machen würden.

Ich wusste, wem ich vertrauen konnte und wem nicht. Ich hörte eine Vielzahl von Ratschlägen, gut gemeint waren sie alle. Letztendlich verließ ich mich auf meinen Instinkt, und die Medizin und sollte recht behalten.

Eine MRT-Untersuchung[4] brachte Klarheit: fünf Tumore in der rechten Brust.

Ein weiterer Schlag ins Gesicht. Damit hatte ich nicht gerechnet. Es stand außerhalb jeder Diskussion, dass die Brust komplett abgenommen werden musste. Zu diesem Zeitpunkt sprach man davon, dass alles entfernt werden musste, auch die Brustwarze. Dies stellte sich erfreulicherweise nach der Mastektomie[5] als Fehlannahme heraus, denn ich konnte sie behalten.

Dieses letzte Beispiel zeigt bereits, worauf ich hinaus möchte. Es ergibt keinen Sinn zu erstarren, sich zurückzuziehen, abzuwarten oder gar mit dem Leben abzuschließen. Dafür ist es selbst in solch einschneidenden und wahrlich schwierigen Zeiten einfach zu schön.

Im Nachhinein wundere ich mich selbst über meine Leichtigkeit, mit der ich diese Krankheit genommen und angenommen habe.

Nach der finalen Diagnose ging alles Schlag auf Schlag: Zuerst wurden die Lymphknoten entnommen. Anschließend erfolgte eine Diskussion mit dem Operateur, der mich schon zu diesem Zeitpunkt für eine Brust aus Eigengewebe begeistern wollte. Allerdings hat er es nicht geschafft, mich zuüberzeugen, da ich mich ganz klar für ein Silikonimplantat entschieden habe. Ich wollte nie im Leben, dass die Ärzte unnötigerweise an mir herumschneiden. Ich liebe meinen Körper, so wie er ist, in der Balance. Nehme ich irgendwo etwas weg, um es an anderer Stelle zu implantieren, gerät er automatisch in eine Dysbalance.

Eine Brustamputation ist Ungleichgewicht genug. Das ist allerdings meine ganz persönliche Entscheidung. Andere Frauen schwärmen von ihrer Brustrekonstruktion aus Eigengewebe.

Die Ergebnisse der jeweiligen Operationen sind individuell sehr unterschiedlich, da wir als Patientinnen unterschiedlich reagieren– unabhängig davon, wie geschickt und versiert die Chirurgen sind.

Zurück in die Zeit nach der Diagnose. Der Lymphknotenentnahme folgte das sogenannte Staging[6], und schließlich wurde der Port[7] gesetzt.

Die Tage während des Untersuchungsmarathons versüßte ich mir mit »ganz normalem« Alltag. Ich arbeitete wie gewohnt weiter, vielleicht sogar ein wenig mehr, ging Laufen, unternahm Skitouren, versorgte die Familie und traf Freunde. Das Thema Krebs vermied ich in unseren Gesprächen.

Damals fiel mir auf, dass der Gesprächsbedarf seitens der Menschen in meinem Umfeld deutlich höher war als mein eigener. Ich wollte nicht ständig die gleichen Geschichten erzählen, nicht ständig von Herzen gut gemeinte Ratschläge hören. In meinem Umfeld ging es sogar so weit, dass meine Freunde für mich recherchierten und mich dann mit ihren Ergebnissen beglückten. Wie gesagt, ich weiß, das war alles gut gemeint, aus echter Sorge um mein Wohlbefinden heraus. Für mich war jedoch die Informationsflut einfach zu groß, und so entschied ich mich sehr schnell, klar zu formulieren, was ich nicht wollte, und deutlich zu artikulieren, dass ich mich selbst um komplementärmedizinische[8] Unterstützung kümmern würde.

Die Tage zogen ins Land, und plötzlich stand der Tag der ersten Chemotherapie vor der Tür. Für mich fühlte es sich an, als ob die Welt stillstünde. An diesem Tag war ich besonders nüchtern und cool. Ich kaufte mir in meinem Lieblingscafé um die Ecke etwas zu essen und einen Milchkaffee »to go«. Damals verschwendete noch niemand auch nur einen Gedanken an die Becherflut, die durch diese Art des Kaffeegenusses Tag für Tag unsere Müllberge erhöht. Das ist gerade einmal drei Jahre her.

Zeit, das ist mein Stichwort. Ich habe genau ausgerechnet, wie lange meine Therapie von der Diagnosestellung bis zur abgeschlossenen Bestrahlung dauerte: zehn Monate. Zehn Monate dauert auch eine Schwangerschaft, zweimal hatte ich das Glück, wobei die Zeit jedes Mal wie im Flug vergangen war. So sollte es auch während dieser dritten Zehn-Monats-Phase meines Lebens sein.

In den Tagen nach der ersten Chemotherapie ging ich Laufen, auf Skitour, habe den normalen Alltag gelebt und lag mit Fieber im Bett, nicht mehr und nicht weniger.

Bereits nach der zweiten Chemotherapie ging es wieder bergauf mit mir: Ich wusste, was kommen kann, und nahm es einfach als gegeben hin. Genau in dieser Zeit, es war Anfang April 2015, unternahm ich mit einem lieben Freund wieder einmal eine Skitour. Er brachte mich auf die Idee, »Outdoor against Cancer« zu gründen.

Ich recherchierte die Auswirkung von Sport und Outdoor-Aktivitäten allgemein auf das Gesamtthema Krebs und wurde fündig. Meine Gedanken schlugen Kapriolen. Wie viele Krebserkrankungen könnten vermieden werden, wenn die Menschen sich ihres Ursprungs bewusst wären, wenn sie sich einfach mehr bewegen würden, anstatt sich zurückzuziehen und nichts zu tun. Wenn sie mehr hinaus ins Freie gingen, um dort das zu suchen, was Menschen wie ich finden: Freude an der Bewegung und der Natur.

Die Entwicklung vom ersten Gedanken zu Outdoor against Cancer (OaC) in seiner heutigen Gestalt ging rasend schnell. Wie im richtigen Leben gab es Höhen und Tiefen. Mal wusste ich, in welche Richtung ich wollte, dann wieder waren die Brocken, die mir im Weg lagen, so groß, dass es wesentlich leichter gewesen wäre, einfach im alten Leben weiterzuarbeiten. Doch ich hatte eine Vision, die sich Tag für Tag konkretisierte und deutlichere Formen annahm.

So war ich neben meinem normalen Alltag und der eigenen Therapie damit beschäftigt, diese Vision Realität werden zu lassen. Ich fand von Anfang an eine Handvoll Mitstreiter, die mir sowohl finanzielle als auch praktische Unterstützung gaben.

Die größte Hilfe in der Zeit meiner Therapie waren allerdings meine Kinder Sara und Joshua und meine engsten Freunde, denn sie haben mich Tag für Tag bei meinen Läufen an der Isar unterstützt. Sie sind mit mir in den Outdoor-Fitnessparcours an der Isar »trainieren« gegangen und haben mich in Bewegung gehalten. Und wenn ich mal nicht wollte – ja, auch diese Tage gab es bei mir –, dann haben sie mich dazu überredet, ins Freie zu gehen, wenigstens einen kleinen Spaziergang zu machen oder irgendwo ein Eis zu essen.

Mitte Juli 2015 war es dann so weit. Outdoor against Cancer wurde während der Outdoor-Messe in Friedrichshafen offiziell aus der Taufe gehoben. Im Rahmen einer großen internationalen Pressekonferenz stand ich, mit Glatze und deutlich von der Chemotherapie gezeichnet, auf der Bühne Rede und Antwort. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wo die Reise mit Outdoor against Cancer hingehen sollte.

Zwei weitere Chemotherapien, eine Brustamputation und einige Bestrahlungszyklen später fand am 3. Dezember 2015 das erste OaC-Training in München statt, und zwar am Outdoor-Fitnessparcours an der Brudermühlbrücke, dem Ort, wo ich mich vor der Erkrankung auf meine Expedition vorbereitet hatte und während der Therapie versuchte, fit zu bleiben.

Anfangs kamen zwei Patientinnen, heute sind in dieser Gruppe bis zu 20 Personen, Gesunde und Kranke, die einmal pro Woche gemeinsam trainieren und dabei viel Spaß haben.

Nach meiner Strahlentherapie begann ich ebenfalls im Dezember 2015 mit der ergänzenden Hormontherapie und musste bis Juli 2016 nochmals alle drei Wochen zur Antikörpertherapie. Für freiheitsliebende Menschen wie mich war dieser dreiwöchige Zyklus immer wieder eine Herausforderung, da ich an den Ort des Geschehens zurückkehren musste.

Nach Abschluss der Therapie fühlte ich mich frei wie ein Vogel. Ich ließ den Port entfernen und verreiste, wann immer es meine Zeit erlaubte.

Im Juli 2016 wurde ich von der Europäischen Kommission zu einem Workshop mit dem Titel »Der Kampf gegen Krebs ist ein Teamsport: Die Rolle von Erziehung und Sport[9]« als Rednerin nach Brüssel eingeladen. Auf dem Podium saßen hochkarätige Referenten aus der europäischen Politik, der World Health Organisation, dem Internationalen Olympischen Komitee, der European Cancer Leagues, der Fédération National CAMI Sport & Cancer, einer Sportorganisation aus Frankreich, und des Movember Movements aus Slowenien, dazu meine Wenigkeit als Vertreterin von Outdoor against Cancer. In zehn Minuten durften wir unsere Gedanken zum Thema vorstellen. Mein Vortrag endete mit den Worten:

»Sport macht glücklich und zufrieden. Zudem trägt Sport erheblich dazu bei, Sorgen zu überwinden. Wir müssen zu dem Punkt kommen, dass selbst mit der Diagnose Krebs regelmäßiger Sport zur Normalität werden muss … Traurigerweise ist es ebenfalls eine Tatsache, dass selbst Menschen, die ihr Leben lang Sport getrieben haben, trotzdem an Krebs erkranken können und daran auch sterben. Aber Sport verhilft zu jeder Menge Glück und Zufriedenheit, während man lebt, und am Ende geht es doch auch darum, alles zu tun, um glücklich zu sein.«[10]

Brüssel war ein richtungsweisendes Erlebnis. Ein Wegweiser. Eben zu dieser Zeit hatte ich über eine ehrenamtliche Mitarbeiterin den ersten Kontakt zum Co-Autor dieses Buches, dem Sportbiologen Dr. Thorsten Schulz. Von Anfang an merkten wir, dass wir uns bei dem Thema auf derselben Wellenlänge befanden. Seine Art, an das Thema Sport bei Krebserkrankung heranzugehen, gefiel mir absolut. Zudem hatte sich Thorsten zu diesem Zeitpunkt bereits 20 Jahre damit beschäftigt, die Beziehung von Sport und Krebs zu erforschen. All die Dinge, die ich mir erlesen und – was noch viel wichtiger ist – selbst für mich herausgefunden hatte, wurden bestätigt. Auf den folgenden Seiten dieses Buches werden Sie erfahren, warum diese Entscheidung die absolut richtige war. Thorsten ist frei von Eitelkeiten, er ist für mich ein absoluter »Power Forward« im Bereich Krebs, Sport und Bewegung und deren Umsetzung in der Gesellschaft. Außerdem betrachtet er die Dinge, wie sie sind, ist kritisch und schätzt die Forschungstätigkeiten der Kollegen. Das Schöne an unserer Zusammenarbeit ist, dass ihm die Umsetzung der Ergebnisse für die Menschen ebenso am Herzen liegt wie mir. Ohne seine Unterstützung und sein Feuer für die Sache wäre der Weg der Umsetzung von Outdoor against Cancer deutlich schwieriger. Wer sportlich aktiv ist, hat ein deutlich geringeres Risiko, an Krebs zu erkranken; und wenn es einmal doch zur Diagnose kommt, ist der Sportler perfekt in Schuss für die bevorstehende Therapie.

Der Gedanke, mit Krebspatienten Sport in der Natur zu treiben, war für mich die logische Schlussfolgerung meines gesamten Sportlerlebens. Draußen fühle ich mich einfach besser und motivierter. Sämtliche Sinneseindrücke beflügeln meine Leistungen. Wer in der Natur trainiert, gewinnt schnell Abstand zu alltäglichem Stress und den alltäglichen Belastungen und Sorgen des Lebens.

Kurz vor Weihnachten 2016 erreichte mich nochmals eine E-Mail der Europäischen Kommission in Brüssel. Diese bestätigte die Wichtigkeit von Sport- und Outdoor-Aktivitäten sowohl als Prävention von Krebserkrankungen als auch während und nach Abschluss der Therapie. Ich wurde aufgefordert, mich mit Outdoor against Cancer um das ERASMUS+ Sport-Förderprogramm zu bewerben.

Nachdem Rucksackpacken zu meinen großen Leidenschaften gehört, machte ich mich sofort daran. Ein halbes Jahr nach meiner ersten Brüsselreise saß ich mit weiteren dreihundert potenziellen Bewerbern um unterschiedliche Sport-Förderprogramme in einem riesigen Sitzungssaal. Laptop aufgeklappt, Kopfhörer aufgesetzt und los ging es. In den neun Stunden am 31. Januar 2017 habe ich so viel wie möglich aufgesaugt und mich mit möglichen Partnern getroffen, dabei zwischen Englisch, Italienisch und Spanisch hin und her gewechselt, so gut es meine Sprachkenntnisse erlaubten.

Am darauffolgenden Tag kam ich total erschöpft und zugegebenermaßen auch überfordert wieder in München an.

Ziemlich schnell kristallisierten sich die Partner für die erste Bewerbungsrunde heraus. Ebenso stellte sich heraus, dass ich mit der bevorstehenden Arbeit ohne professionelle Unterstützung völlig überlastet gewesen wäre.

Zum Glück sagten mir Dr. Thorsten Schulz, Dr. Hande Hofmann und Mascha Reinicke von der Technischen Universität München (TUM) ihre Unterstützung zu. Sie nahmen mir die Angst und versprühten Zuversicht, dass wir den Förderantrag bis zum 06. April umsetzen könnten. Wieder einmal hat sich gezeigt, dass im Team alles viel leichter zu schaffen ist. Das Team der TUM hatte Erfahrung mit solch komplexen Anträgen, sicherte das gesamte Projekt finanziell ab, und Dr. Hande Hofmann gelang es am 5. April 2017, einen Tag vor Abgabeschluss, den Förderantrag pünktlich in Brüssel hochzuladen.

2017 war ein sehr ereignisreiches Jahr für Outdoor against Cancer und für mich. An der TUM fanden zwei OaC-Trainerfortbildungen unter Leitung von Dr. Thorsten Schulz und mir statt. 40 Trainer erhielten das OaC-Trainerzertifikat und damit die Qualifikation, mit Krebspatienten in der Natur zu trainieren.

Wir veranstalteten europaweit das erste Outdoor-Event mit dem bezeichnenden Namen »Let’s rock Cancer!« für Krebspatienten, ihre Familien und Freunde.

Ich reiste nach Rom, um dort unseren Partner für die »Let’s rock Cancer!«-Veranstaltung im Mai 2018 zu treffen: Stefano Cardinale, dem ich ebenfalls erstmals im Januar in Brüssel begegnet war. Mit ihm zusammen besuchte ich den malerischen Ort Casperia nördlich von Rom, ein kleines Dorf in den Sabiner Bergen. Ein Paradies. Vergessen Sie Mobilfunkverbindung und Straßenverkehr. Ersetzen Sie beides durch antike Treppen und Kopfsteinpflaster, mittelalterliche Straßen, Plätze und Mauern. Ringsherum Weinstöcke und Olivenbäume, ein laues Lüftchen, sich anmutig erhebende, saftig grüne Hügel, einige Agriturismi, herausragende Ristoranti mit lokaler mediterraner Küche und Wein aus der Region. Ja, Wein. Wein werden viele von Ihnen sagen. Ganz ehrlich: Ab und zu ein Glas Wein wird Sie sicher nicht umbringen. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich mache mich nicht über Krebs lustig, sondern versuche nur, ein wenig Leichtigkeit zu transportieren. Ich möchte Ihnen die Angst nehmen, dass das Leben mit Krebsdiagnose nur noch Pflicht und Verzicht bedeutet.

Wenn Ihr Lebensstil bis dahin in der Balance war und Sie für ausreichend Bewegung – die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von lediglich 150 Minuten pro Woche – und ausgewogene Ernährung, vollwertig und ballaststoffreich, gesorgt haben, dann bleiben Sie dabei. Und versuchen Sie, das Leben zu genießen, leben Sie im Hier und Jetzt und lassen Sie die Vergangenheit ruhen. Wenn Sie bis dato eher träge waren, ihre Ernährung vernachlässigt und Ihren Körper nicht bewegt haben, dann ist heute der erste Tag vom Rest Ihres Lebens! Gehen Sie raus in die Natur, bewegen Sie sich – die Sache mit der richtigen, ausgewogenen Ernährung wird dann wie von selbst kommen, denn mit Bewegung ändert sich Ihre Einstellung zum Leben automatisch.

Im Juli 2017, genau zwei Jahre nach Gründung von OaC und ein Jahr nach meiner ersten Brüsselreise, lief eine Staffel von ehemaligen Krebspatienten gemeinsam mit gesunden Sportlern einen besonderen Wettkampf: den Großglockner Berglauf in Heiligenblut.

Im Zielraum liefen nicht nur meine Tränen. Zwei Staffel-Läuferinnen hatten erst drei Monate vorher ihre Chemotherapien abgeschlossen, eine davon vier Wochen zuvor zwei Mastektomien. Alles keine Übermenschen, sondern Freizeitsportler mit einem soliden Ziel: Leben.

Es gelang uns, die Aufmerksamkeit auf das Thema Sport und Krebs im Rahmen von Prävention, während und nach der Therapie zu lenken. Mission erfüllt.

Bei einem meiner Vorträge im Herbst 2017 mit dem Titel »Geh raus! Bewege dich und lebe!« zeigte ich genau diesen Beitrag und erntete für die Läufer Applaus. Eine Krebspatientin verließ erbost über den »Unsinn«, den ich ihrer Meinung nach erzählte, den Hörsaal. Die anderen blieben, lachten, waren erstaunt und löcherten mich schlussendlich mit Fragen. Aufgeben ist auch bei mir keine Option. Wenn eine Zuhörerin den Hörsaal verlässt und 150 andere sitzen bleiben, habe ich schon sehr viel erreicht. Noch mehr, wenn diese Menschen im Anschluss den Nachhauseweg zu Fuß statt mit dem Bus zurücklegen. Oder einfach am nächsten Morgen eine Runde im Park drehen und diese jeden neuen Tag wiederholen. So wird aus einer kleinen Runde sicher bald eine größere, und irgendwann ist die Bewegung ein fester Bestandteil des Tagesablaufs.

Damit komme ich zu meinem zweiten Bereich bei OaC, der neben der Aufklärung einen wichtigen Platz einnimmt: das sportliche Angebot. OaC hat es sich zum Ziel gesetzt, von Deutschland ausgehend, gesellschaftliche Aufklärung und OaC-Angebote zu institutionalisieren. In naher Zukunft – vielleicht ist es ja bereits bei Erscheinen des Buches so weit – soll niemand mehr um OaC-Angebote und Aufklärung herumkommen, dank der von OaC geschlossenen Kooperationen mit Trainern, Natursportvereinen, Universitätskliniken und Tourismusregionen, um nur einige Partner zu nennen.

Wenn jeder zweite Mensch in Deutschland einmal im Laufe seines Lebens einen bösartigen Tumor bekommt[11], dann wird es höchste Zeit zu handeln, und zwar nicht nur kurativ, sondern vor allem präventiv. Der damalige Bundesminister für Gesundheit Hermann Gröhe formulierte dies in seinem Vorwort zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016 so: »Krebs ist nach wie vor eine besondere Bedrohung für die Gesundheit der Menschen in unserem Land. Etwa jeder Zweite erkrankt im Laufe seines Lebens einmal an Krebs, jeder Vierte stirbt daran. Deshalb ist eine wirksame Bekämpfung von Krebs von so großer Bedeutung…«[12]

Die effektivste Bekämpfung können wir in der Tat selbst in die Hand nehmen. Sport und Bewegung sind ein essenzieller Bestandteil der Krebsprävention. Seit geraumer Zeit beschäftigen sich Wissenschaftler damit, welche Art von Naturraum für unsere Bewegung optimal ist. Bewegen wir uns besser in alpiner Landschaft oder in den Küstenregionen, Fluss- und Seenlandschaften dieser Erde (Blue Spaces), sollten es eher naturbelassene, ursprüngliche Landschaftsformen oder künstlich arrangierte sein? Die Antworten darauf finden Sie in diesem Buch.

Zurück zum Jahr 2017. Irgendwann musste ich mich entscheiden, mein »alter Job«