Papa werden - Anna Machin - E-Book

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Anna Machin

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Beschreibung

»Papa werden – Die Entstehung des modernen Vaters« überwindet die alten Stereotype der Vaterschaft in einer unterhaltenden und informativen Reise durch die historischen Rollen des Vaters und hilft Ihnen zu entscheiden, was für ein Vater Sie sein wollen. Dies ist ein Buch für alle – für die, die gerade erst Vater werden, und für die, die es schon lange sind. Die evolutionäre Anthropologin Anna Machin erzählt die Geschichte der Vaterschaft von ihren evolutionären Anfängen vor einer halben Million Jahren bis heute und erkundet anhand von neuesten Studien aus der Neurowissenschaft, Genetik, Biologie, Soziologie und Psychologie, was es bedeutet, Vater zu sein, und welche besondere Rolle Väter im Leben ihrer Kinder spielen. Welche Auswirkungen hat die Kenntnis, Vater zu werden, auf den Mann, wie beeinflussen unsere Gene und unsere Erziehung das Verhalten als Vater, wie unterschiedlich ist die Rolle des Vaters in den Gesellschaften der Welt definiert? Dieses erkenntnisreiche und unterhaltsame Buch stellt den Vater in ein völlig neues Licht. Ein unverzichtbares Buch für Väter und Mütter, für die, die ihre Beziehung zu ihrem Vater reflektieren wollen, für angehende Anthropologen und Soziologen, die über diese wichtige Rolle nachdenken, für eine Gesellschaft, in der sich das Vaterbild rasant verändert. Väter sind essenziell und dieses Buch erzählt Ihnen, warum.

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Seitenzahl: 377

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Zum Buch

Papa werden – Die Entstehung des modernen Vaters überwindet die alten Stereotype der Vaterschaft in einer unterhaltenden und informativen Reise durch die historischen Rollen des Vaters und hilft Ihnen zu entscheiden, was für ein Vater Sie sein wollen.

Dies ist ein Buch für alle – für die, die gerade erst Vater werden, und für die, die es schon lange sind.

Die evolutionäre Anthropologin Anna Machin erzählt die Geschichte der Vaterschaft von ihren evolutionären Anfängen vor einer halben Million Jahren bis heute und erkundet anhand von neuesten Studien aus der Neurowissenschaft, Genetik, Biologie, Soziologie und Psychologie, was es bedeutet, Vater zu sein, und welche besondere Rolle Väter im Leben ihrer Kinder spielen. Welche Auswirkungen hat die Kenntnis, Vater zu werden, auf den Mann, wie beeinflussen unsere Gene und unsere Erziehung das Verhalten als Vater, wie unterschiedlich ist die Rolle des Vaters in den Gesellschaften der Welt definiert?

Dieses erkenntnisreiche und unterhaltsame Buch stellt den Vater in ein völlig neues Licht. Ein unverzichtbares Buch für Väter und Mütter, für die, die ihre Beziehung zu ihrem Vater reflektieren wollen, für angehende Anthropologen und Soziologen, die über diese wichtige Rolle nachdenken, für eine Gesellschaft, in der sich das Vaterbild rasant verändert. Väter sind essenziell und dieses Buch erzählt Ihnen, warum.

Über die Autorin

Dr. Anna Machin ist evolutionäre Anthropologin am Institut für experimentelle Psychologie der Universität Oxford, wo sie seit über zehn Jahren die Rolle von Vätern in unserer Gesellschaft untersucht. Sie lebt mit ihrem Mann, ihren zwei Töchtern, drei Hunden, zwei Hasen und zwei Meerschweinchen in Buckinghamshire, England.

Anna Machin

PAPA WERDEN

Die Entstehung des modernen Vaters

Aus dem Englischen vonUrsel Schäfer und Enrico Heinemann

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag Antje Kunstmann

 

 

 

 

Für Julian

INHALT

Vorwort

Ein Wort zu den Papas.

Teil eins. Der erste Vater

KAPITEL EINS. Papa 1.0. Die Entwicklung der menschlichen Vaterschaft

Teil zwei. Empfängnis und Schwangerschaft

KAPITEL ZWEI. Babys im Sinn. Schwangerschaft, Identität und den Mutterleib umarmen

KAPITEL DREI. Warum Vatersein so wichtig ist. Es geht nicht nur um Biologie

Teil drei. Die Geburt

KAPITEL VIER. Ein Vater wird geboren. Papas, Geburt, Gesundheit und Wohlergehen

KAPITEL FÜNF. Viele unterschiedliche Väter. Papas, Flexibilität und das Überleben des Kindes

KAPITEL SECHS. Wer ist der Papa? Gene, Psychologie und Hormone

Teil vier. Die ersten Wochen

KAPITEL SIEBEN. Ich lieb’ dich, Baby! Spielen, lachen und die Bindung aufbauen

KAPITEL ACHT. Und aus zwei werden drei (oder vier oder fünf …). Rollen und Beziehungen von Eltern

Teil fünf. Und jetzt fängt der Spaß an …

KAPITEL NEUN. Die Schule von Papa. Was Papas Kindern beibringen

KAPITEL ZEHN. Zum Kleinkindalter und darüber hinaus. Papas Rolle in der kindlichen Entwicklung

KAPITEL ELF. Papa 24345.0. Die Zukunft der Vaterschaft

Nachwort

Danksagung

Adressen für Hilfe und Unterstützung

VORWORT

Oft werde ich gefragt, warum eine Frau über Väter forschen und schreiben will. Nun, die kurze Antwort lautet, dass ich mit einem verheiratet bin. Vor zehn Jahren brachte ich mein erstes Kind zur Welt und drei Jahre später mein zweites. Es stellte sich heraus, dass Gebären nicht zu meinen Stärken zählte, und vor allem die erste Geburt wurde ein langwieriges Drama, an dessen Ende es eine sehr kranke Mutter und ein sehr krankes Baby gab. Nach dieser Geburtserfahrung bot man mir Beratung und Unterstützung bei der Verarbeitung des erlebten Traumas an, aber um meinen Ehemann – der alles miterlebt hatte, während ich besinnungslos in einem Meer aus Morphium schwamm – kümmerte sich niemand.

Nun, das muss ich hier klarstellen, weil ich sonst in ernste Schwierigkeiten geraten würde: Mein Mann erwartete gar keine Unterstützung, denn er fand, mein Baby und ich sollten zu Recht im Mittelpunkt stehen. Aber nach einem Jahr, als ich wieder arbeitete und mein Mann immer noch nicht über die Geburt unserer Tochter sprechen konnte, ohne deutliche Zeichen von seelischem Stress zu zeigen, wurde ich wütend. Wütend darüber, dass mein Mann, der andere Elternteil meines Kindes, ein Trauma erlebt hatte ähnlich dem, mitansehen zu müssen, wie ein geliebter Mensch in einen schrecklichen Autounfall verwickelt wird, und dass niemand ihn fragte, ob er in Ordnung sei oder Hilfe brauche. Da ich Wissenschaftlerin bin, tat ich, was Wissenschaftler am besten können: Ich schaute mir die Forschungsliteratur an, um herauszufinden, was meine Wissenschaftlerkollegen über Väter und ihr Erleben wussten.

Die Antwort lautet: sehr wenig. Es existierte zwar reichlich Literatur darüber, welche Auswirkungen es auf die Kinder hat, wenn der Vater nutzlos oder abwesend ist, aber zu hingebungsvollen, aktiv beteiligten Vätern, die die Windeln wechseln, beim Fußball an der Seitenlinie stehen, einen französischen Zopf flechten können und nächtliche Monster vertreiben, schwieg die Literatur. Ohne Zweifel gibt es eine kleine Minderheit von Vätern – genau wie von Müttern –, die sich durch ihre Abwesenheit definieren, und ihr negativer Einfluss auf die Entwicklung ihrer Kinder ist real und problematisch. Aber es gibt sehr viel mehr Väter, die da sind und ihr Bestes geben, und sie verdienen ebenfalls, dass man sie wahrnimmt und versteht. Und so habe ich es zu meiner Aufgabe gemacht, zu erforschen, was die Väter erleben, die im Leben ihrer Kinder präsent sind, und ihre Geschichte aus einem positiven und nicht aus einem negativen Blickwinkel zu erzählen.

Seit meinem reichlich bewegten Eintritt ins Elternleben vor zehn Jahren habe ich meine berufliche Tätigkeit der Aufgabe gewidmet, unmittelbar die Erfahrungen frischgebackener Väter zu untersuchen. Die Väter, mit denen ich mich befasst habe, kamen aus allen Schichten und sozialen Verhältnissen, es waren homosexuelle und heterosexuelle Männer darunter, Freiberufler und Handwerker, Schulabbrecher und Hochschulabsolventen, und sie hatten ganz unterschiedliche ethnische Hintergründe. Sie erlaubten mir, in einem der persönlichsten und privatesten Momente einen Blick auf ihr Leben zu werfen: in dem Moment, als sie zum ersten Mal Vater wurden. Ich sprach mit ihnen in den Wochen vor der Geburt, als sie aufgeregt und vielleicht ängstlich in eine weitgehend unbekannte Zukunft blickten. Und ich kehrte in den ersten wertvollen Wochen zurück, als die Aufregung von grenzenlosem Staunen über das winzige Wesen abgelöst wurde, das in ihr Leben getreten war und es auf den Kopf gestellt hatte. Ich habe ihre Hormone analysiert, ihre Verhaltensweisen beobachtet, mir ein Bild von ihrem psychischen und physischen Gesundheitszustand gemacht und ihre Gehirne untersucht, oft über viele Monate hinweg. Ich habe sie bei zahllosen Tassen Kaffee interviewt, und nicht selten war das Baby mit dabei. Die Stimmen, die in diesem Buch zu hören sind, sind ihre Stimmen, sie geben ihre Gedanken, Gefühle und Erfahrungen wieder. Ich hoffe, dass es allen Lesern, die diesen Vätern auf ihrem Weg vielleicht folgen werden, helfen wird, ihren eigenen Gefühlen und Erfahrungen zu trauen, und dass durch ihre Schilderungen die wissenschaftlichen Studien, die ich zitiere, für uns alle größere Bedeutung bekommen.

Weil mir diese Männer Einblicke in ihr Leben und das ihrer Familien gewährt haben, haben meine Kollegen und ich viele unerwartete Dinge über den Papa in der heutigen Zeit herausgefunden: dass seine Rolle einzigartig und anders ist als die Rolle der Mama und dass der Unterschied entscheidend wichtig für die gesunde Entwicklung des Kindes ist. Dass viele moderne Väter in westlichen Ländern ihre Aufgabe als Elternteil im vollen Umfang und gleichberechtigt wahrnehmen wollen, aber damit zu kämpfen haben, dass sie in einer Gesellschaft, die dafür noch nicht bereit ist, zu wenig Unterstützung und Informationen erhalten. Dass die Rolle des Vaters eine komplexe Mischung aus Geschichte, Kultur und Politik ist, dass aber die Biologie eines Mannes viel stärker als gedacht beeinflusst, was für eine Art von Vater er sein wird. Und dass Väter wunderbar flexible Wesen sind und ihre Rolle von einer Minute zur anderen verändern können, um das Überleben und Wohlergehen ihrer Familie zu sichern.

Ich habe dieses Buch aus drei Gründen geschrieben. Erstens wollte ich das Bild der Väter zurechtrücken. Ich wollte den unerbittlich negativen Berichten in der Presse über abwesende Väter eine positive Botschaft von Vermögen und Bedeutung des anwesenden Vaters gegenüberstellen. Zweitens wollte ich den Männern helfen, die vielleicht gerade ganz am Anfang ihres Weges als Väter stehen. Ich hoffe, die Informationen, die ich vermittle, und die Berichte echter Väter, die über das gesamte Buch verstreut sind, werden ihnen helfen, sich bei dem, was vor ihnen liegt, wohler und sicherer zu fühlen. Drittens und vielleicht am wichtigsten denke ich, dass alle Väter und darüber hinaus die ganze Welt ein Recht haben, zu erfahren – und erfahren sollten –, was biologisch, psychologisch und emotional in Vätern vorgeht. Nach Angaben des britischen Statistikamts waren in Großbritannien 2015, dem letzten Jahr, für das wir Zahlen haben, knapp über 6 Millionen Väter aktiv an der Erziehung beteiligt. Ist es nicht an der Zeit, dass wir mehr über sie erfahren?

Im ersten Kapitel blicken wir in die Welt vor 500.000 Jahren zurück, wir lernen den ersten menschlichen Vater kennen und erforschen, warum sein revolutionäres Auftauchen uns immer noch viel über die Rolle und Bedeutung der Väter in unserer Zeit zu sagen hat. In Kapitel zwei untersuchen wir das starke Band zwischen Vater und Kind, das entsteht, bevor das Kind geboren ist, und die hormonellen Veränderungen, die beide Eltern in der Schwangerschaft prägen. Wir schauen uns an, was das Vatersein für den werdenden Papa bedeutet und wie die neue Rolle einem Mann ermöglichen kann, Grundlegendes in seinem Leben zu verändern und eine willkommene neue Identität anzunehmen. In Kapitel drei betrachten wir Väter in anderen Ländern und beginnen zu verstehen, wie unterschiedlich und wunderbar die Rolle des Papas sein kann. Wir erfahren, dass in manchen Gesellschaften der soziale Vater wichtiger ist als der biologische, und verfolgen, wie die menschliche Familie sich gewandelt hat, seit die Liberalisierung des Adoptionsrechts und die Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin dafür gesorgt haben, dass selbst im Westen die Kernfamilie nicht mehr unbedingt die Norm ist. Zuweilen mag der Eindruck entstehen, dass die Parforcetour rund um die Welt ein bisschen sehr weit weg von unserer Erfahrung führt, aber dadurch werden wir besser begreifen, dass es beim Vatersein um Präsenz und Handeln geht und nicht nur um die Gene.

In Kapitel vier konzentrieren wir uns auf die Geburtserlebnisse junger Väter und ihre Gesundheit und beziehen auch den besorgniserregenden Anstieg psychischer Probleme ein, der zum Wohl der Männer, ihrer Familien und der Gesellschaft insgesamt dringlich unserer Aufmerksamkeit bedarf. In Kapitel fünf betrachten wir die beiden Säulen der einzigartigen Verantwortung – schützen und unterrichten –, die seit einer halben Million Jahren im Zentrum der Vaterschaft stehen und bis heute wichtig sind. Wir werden sehen, dass es so viele Formen der Vaterschaft gibt, wie es Väter gibt, und dass die Rolle des Papas sich durch seine Flexibilität definiert, dass aber alle Väter primär bestrebt sind, erfolgreich alle Risiken abzuwehren, die die Überlebenschancen ihres Kindes beeinträchtigen könnten. In Kapitel sechs geht es um den Einfluss von Kultur, Geschichte, Politik und Ökologie, und wir konzentrieren uns darauf, wie sich die individuelle Biologie und Psychologie des Mannes auf sein Vatersein auswirkt; wie seine Gene, sein Hormonspiegel und seine Kindheitserfahrungen prägen, was für ein Vater er sein wird. Wir schauen uns an, wie seine Gene seine Sensibilität beeinflussen, wie dank seiner Persönlichkeit noch das schwierigste Kind traumhaft zu erziehen ist und wie das Verhalten seiner Eltern sich in seinem Verhalten als Vater widerspiegelt. In Kapitel sieben erforschen wir die grundlegende, lebenslange Bindung zwischen Vater und Kind und erfahren, warum wildes Spielen und Toben als Interaktion so wichtig sind, damit diese Bindung überhaupt entstehen kann. Aber wir erfahren auch, dass sie sich mitunter erst verspätet einstellt, weil Männern die Geburtserfahrung mit der entsprechenden hormonellen Umstellung fehlt und weil das sich entwickelnde Baby Zeit braucht, bis es auf den Papa reagiert. Die Botschaft lautet: keine Panik, das Band wird entstehen.

In Kapitel acht erweitern wir unseren Fokus und beziehen die Partnerin des Vaters ein. Der Blick ins Gehirn von Mutter und Vater zeigt uns, wie die Evolution dafür gesorgt hat, dass beide Eltern ohne überflüssige Überlappungen die Entwicklungsbedürfnisse ihres Kindes erfüllen. Und wir werden uns anschauen, wie sich die Ankunft eines Kindes (oder von zwei oder drei oder noch mehr Kindern) auf die Beziehung der Eltern auswirkt. Wir werden der Frage nachgehen, wie beide Eltern Zeit investieren können, um sicherzustellen, dass ihre Beziehung die Erweiterung der Familie unbeschadet übersteht und hoffentlich dadurch bereichert wird. In den Kapiteln neun und zehn betrachten wir, was ein Vater für die Entwicklung seines Kindes leistet: seine einzigartige Rolle, dem Kind etwas beizubringen, seine Unabhängigkeit und soziale Autonomie zu fördern, und seine Bedeutung für die künftige seelische Gesundheit des Kindes. In Kapitel elf schließen wir dann mit einer Bilanz, wo wir stehen. Wie will ein Papa heute, nach 500.000 Jahren Evolution, sein, und tut die Gesellschaft alles, was sie kann, um ihn zu unterstützen, damit er sein Ziel erreicht? Wie kann das »Papa-Team« – die Wissenschaftler, Aktivisten und politisch engagierten Väter, die für eine aktive Rolle von Vätern eintreten – die grundlegenden kulturellen Veränderungen voranbringen, die nötig sind, damit alle Väter, die das wollen, sich wirklich als gleichberechtigte Elternteile bezeichnen können?

Dieses Buch ist kein Ratgeber. Ich werde Ihnen nicht sagen, wie Sie Windeln wechseln oder eine Wiege bauen oder was ganz sicher bei Koliken hilft. Stattdessen hoffe ich, dass ich die aktuellste Antwort auf die Frage geben kann, was es heißt, Vater zu sein, und dass ich nebenbei ein paar Hinweise und Tipps habe, die den Schritt zum Vatersein für all jene, die dabei sind, ihn zu tun, so leicht und angenehm wie möglich machen. Für den Rest von uns, die wir uns irgendwo auf dem Familienweg befinden, wird es hoffentlich eine unterhaltsame Lektüre über eine Person sein, die wir – unabhängig von unserer jeweiligen Beziehung – alle in unserem Leben hatten oder haben, wie lange ihre Anwesenheit auch gedauert haben mag. Ich hoffe, das Buch spiegelt manche Ihrer Erfahrungen wider, rückt einige Ihrer Sorgen zurecht und erklärt einige Ihrer Gefühle und Verhaltensweisen. Den Müttern, so hoffe ich, vermittelt es faszinierende und hilfreiche Einsichten über ihre Partner. Und die stärker naturwissenschaftlich Interessierten kommen mit den allerneuesten Erkenntnissen aus den Gebieten der Neurowissenschaften, Genetik, Psychologie, Endokrinologie und Gesundheitsforschung hoffentlich auf ihre Kosten. Ein Großteil der Forschungen, über die ich berichte, konzentriert sich auf heterosexuelle Paare, weil das Forschungsfeld noch so neu ist, aber in vielen Fällen gelten die Erkenntnisse für alle Väter. Und während immer deutlicher wird, wie vielfältig die Väter sind, erweitern wir unser Blickfeld und beziehen schwule Väter und Familien mit mehreren Vätern ein. Ich kann Ihnen versichern: Wenn es Studien gibt, werde ich darüber berichten.

Am Ende des Buchs hoffe ich, dass ich zeigen konnte, was für eine komplexe, aber wichtige Bedeutung der Vater hat und wie grundlegend die Erfahrung des Vaterseins einen Mann verändert. Aber zunächst müssen wir, um die Rolle des modernen Vaters zu verstehen, zu den Anfängen zurückkehren: in die Welt vor einer halben Million Jahren und zum allerersten Vater.

EIN WORT ZU DEN PAPAS

Im ganzen Buch kommen immer wieder reale Väter zu Wort. In den letzten zehn Jahren haben sie alle mir das große Privileg gewährt, dass ich sie studieren durfte, während sie Väter wurden. Weil meine Arbeit sich auf die frühen Jahre im Leben eines Kindes konzentriert – die Zeit, in der ein Vater wohl die stärkste Veränderung erlebt und den größten Einfluss auf die Entwicklung seines Kindes hat –, sprechen die Väter hier über die ersten fünf Lebensjahre ihrer Kinder. Die Art meiner Studien bringt es mit sich, dass ich manche Väter nur kurz kennengelernt habe, während ich andere und ihre Familien über die gesamten fünf Jahre begleiten konnte. Deswegen nahmen manche mehr als einmal an Interviews teil. In diesen Fällen gebe ich jeweils an, wie alt das Kind oder die Kinder zum Zeitpunkt des zitierten Interviews waren, damit Sie als Leser verstehen, was in einem Mann in diesem Stadium seines Wegs als Vater vor sich geht. Alle Namen der Väter sowie die Namen ihrer Kinder und Partnerinnen oder Partner wurden zum Schutz ihrer Persönlichkeit verändert. Ich stehe in der Schuld der Väter, die sich für meine Untersuchungen zur Verfügung gestellt haben, und bin ihnen ewig dankbar.

TEIL EINS

DER ERSTE VATER

KAPITEL EINS

PAPA 1.0

Die Entwicklung der menschlichen Vaterschaft

Es ist eine wenig bekannte Tatsache, aber die Väter haben die Menschheit gerettet.

Vor 500.000 Jahren stand einer unserer Vorfahren, der Homo heidelbergensis, vor einem Dilemma. Eine Million Jahre zuvor hatten die Angehörigen dieser Art Afrika verlassen und sich über Europa und den Nahen Osten verbreitet. Sie hatten es sogar bis an die Südküste von England geschafft und sich am Rand einer wundervollen tropischen Lagune nahe dem heutigen Dorf Boxgrove in West Sussex niedergelassen. Wie andere Hominini der damaligen Zeit gingen sie aufrecht auf zwei Beinen, aber sie unterschieden sich von ihren Zeitgenossen durch ihr größeres Gehirn. Sie entwickelten rudimentäre Anfänge einer Sprache und schufen erste wunderschöne, symmetrische Steinwerkzeuge und perfekt ausbalancierte Jagdspeere. Aber sie hatten ein Problem. Unzweifelhaft besaßen sie das Potenzial, als Spezies erfolgreich zu sein. Doch der aufrechte Gang und das damit verbundene enge Becken, dem sie das Durchhaltevermögen verdankten, um Afrika zu verlassen, dazu die großen Köpfe mit dem komplexen Gehirn, das ihnen erlaubt hatte, neue Umgebungen zu besiedeln, bargen eine demografische Zeitbombe in sich. Damit die großen Köpfe durch den engeren Geburtskanal der Mütter passten, wurden die Babys von Homo heidelbergensis früh geboren, in einem sehr hilflosen und verletzlichen Zustand.

An wen sollten sich die Mütter wenden? Wer konnte ihnen mit ihren munteren Kleinkindern helfen, während sie der kräftezehrenden Aufgabe nachgingen, sich um ihre hilflosen Neugeborenen zu kümmern? Wie konnten sie ihre Kinder zu selbstständigen Wesen erziehen, aber sich immer noch oft genug fortpflanzen, um ihre Art zu erhalten und zu mehren? Rund eine Million Jahre waren Großmütter, Tanten und Schwestern eingesprungen. Aber vor 500.000 Jahren, bei unserem Freund Homo heidelbergensis, wurde das Gehirn noch einmal sprunghaft größer, und nun reichte die Kraft der Frauen nicht mehr aus. Und wer füllte die Lücke? Der Vater. Er setzte seine neu erworbene Fähigkeit ein, Feuer zu machen und schwer verdauliche Pflanzen zu kochen, und ermöglichte damit seinen Kindern, feste Nahrung zu essen, während seine Partnerin sich auf das Neugeborene konzentrierte, und er jagte das wertvolle Wild, das seiner Familie die nötige Energie lieferte. Er übernahm die Rolle des Lehrers und vermittelte seinen heranwachsenden Kindern die überlebenswichtigen Fertigkeiten wie Produktion von Werkzeugen, Verteidigung gegen Raubtiere und Jagd, und er entwickelte die komplexen sozialen Fähigkeiten, dank derer sie mit ihren Jagdgenossen kooperieren konnten. All das bewahrte unsere Vorfahren vor dem Aussterben, und heute, 500.000 Jahre später, sind wir eines der erfolgreichsten Tiere auf dem Planeten und sogar Angehörige des exklusiven Klubs der 5 Prozent der Säugetiere – und die einzige Affenart –, deren männliche Angehörige in ihren Nachwuchs investieren. Damit war die menschliche Vaterschaft geboren.

* * *

Evolutionsanthropologen treibt die Frage um, was uns zu Menschen macht. Was unterscheidet uns von anderen Tieren und vor allem von anderen Großaffen? Den Unterschied anatomisch zu definieren ist nicht sehr schwierig – kein Mann wird seinen aufrecht gehenden, unbehaarten Geschlechtsgenossen mit einem Gorilla verwechseln, höchstens in tiefschwarzer Nacht nach einem sehr langen Besuch in der Kneipe. Aber wenn wir das Verhalten betrachten, wird es schon deutlich schwieriger, zu sagen, wann aus dem Schimpansen ein Mensch wird. Lange dachte man, der Werkzeuggebrauch sei das unterscheidende Merkmal; die Steinwerkzeuge, die an zwei Millionen Jahre alten Ausgrabungsstätten in Ostafrika gefunden wurden, kündeten unzweifelhaft von einer erstaunlichen Veränderung bei Verhalten und Intelligenz. Aber wie sich gezeigt hat, nutzen wilde Schimpansen genauso versiert Steinwerkzeuge, um Nüsse zu knacken, und herabgefallene Blätter, um dringend benötigtes Wasser aufzunehmen. Selbst unsere sprachlichen Fähigkeiten, die einst als Beleg unserer einzigartigen Intelligenz galten, können im Labor trainierte Schimpansen nachahmen, die gelernt haben, mit einer Reihe von Zeichen ihre Bedürfnisse und Gefühle auszudrücken und sogar einfache Sätze zu produzieren. Zugegeben, diese Sätze beschränken sich meist auf Wünsche im Zusammenhang mit Nahrung, aber dennoch können sie kommunizieren. Oft übersehen wird hingegen ein Verhalten, ohne das es unsere Art schlichtweg nicht mehr geben würde: das Vatersein.

Unter Säugetieren sind Väter, die bei ihrem Nachwuchs bleiben und für ihn sorgen, eine seltene Ausnahme. Bei Vögeln ist der Vater, der unermüdlich jeden Tag viele Kilometer vom Nest weg- und wieder zurückfliegt, um seine Jungen mit Nahrung zu versorgen, eine geläufige Erscheinung: Bei über 90 Prozent der Vögel investieren Mutter und Vater Zeit und Energie in die Aufzucht ihrer Brut. Aber das häufigste Verhalten bei Säugetieren ist männliche Promiskuität – die Männchen paaren sich mit vielen Weibchen und machen sich nach der Kopulation aus dem Staub. Unsere nächsten Verwandten unter den Affen praktizieren zwei Arten von Promiskuität. Gorillas haben die Strategie »ein Männchen, viele Weibchen« – der Harem. Das bedeutet, dass das große Silberrücken-Männchen alle Weibchen für sich behält, sofern es nicht ein jüngeres, weniger dominantes Männchen schafft, sich schnell hinter einem Baum mit einem Weibchen zu paaren, wenn der Silberrücken gerade nicht hinschaut. Der Gorillavater blickt wohlwollend auf seine zahlreichen Nachkommen, weil er sich seiner Vaterschaft praktisch sicher sein kann, aber seine Beteiligung an der Aufzucht ist gleich null. Ein reichhaltiges Nahrungsangebot, die relativ schnelle Entwicklung von Gorillababys und lange Abstände zwischen den Geburten bedeuten, dass die Mütter ihre Babys mit allem versorgen können, was sie brauchen – die Väter können dazu nur noch ein bisschen beitragen. Bei Schimpansen geht es liberaler zu: Mehrere Männchen paaren sich mit mehreren Weibchen in einer großen Gruppe, obwohl das Alphamännchen immer Zugang zu den meisten und besten Weibchen bekommt. Kein Männchen weiß, welche von den vielen Jungtieren seine Nachkommen sind, und infolgedessen verwenden sie keine wertvolle Energie auf die Jungtiere. Stattdessen nutzen sie die Zeit lieber für die Fellpflege anderer Männchen; das dient dem Aufbau der so wichtigen Allianzen und ist Teil des komplexen politischen Spiels, das den Platz eines Männchens in der Hierarchie der Schimpansengruppe sichert.

Im Gegensatz dazu haben die Angehörigen der Gattung Homo ein ganz anderes Modell der Vaterschaft entwickelt: Der Papa bleibt lange bei seinem Nachwuchs und hilft der Mutter. Die konkrete Beteiligung der Väter variiert sehr stark von Kultur zu Kultur, wie wir weiter hinten in diesem Buch untersuchen werden, aber letztlich spielen sie alle eine entscheidende Rolle im Leben ihrer Kinder. Nötig wurde ihre Beteiligung durch die einzigartige Kombination der beiden bereits erwähnten anatomischen Merkmale – dem aufrechten Gang und den großen Gehirnen. Denn bei einem Vierbeiner sind die Beine wie bei einem Tisch angeordnet, an den vier Ecken des Körpers mit jeweils einem beträchtlichen Abstand dazwischen. Hingegen liegen die Beine eines Zweibeiners nahe beieinander, was bedeutet, dass wir ein viel tieferes und engeres Becken und in der Folge auch einen engeren Geburtskanal haben als unsere vierbeinigen Freunde. Für sich genommen ist der enge Geburtskanal kein Problem, das Problem entsteht erst durch das große Gehirn.

Entwicklungsmäßig betrachtet, fallen Tierbabys nach der Geburt in eine von zwei Kategorien: Entweder sind sie sehr weit entwickelt, Augen und Ohren sind offen, Fell oder Haare vorhanden, und sie können sich bald nach der Geburt allein fortbewegen. Oder sie sind hilflos, bewegungsunfähig, Augen und Ohren verschlossen. Tiere der ersten Kategorie heißen Nestflüchter, in der Regel trifft das für Affen zu. Es erstaunt mich immer wieder, wie geschickt ein Schimpansenbaby wenige Tage nach der Geburt ganz ohne Hilfe durch die Bäume klettert. Die zweite Kategorie sind die Nesthocker, dazu zählen Hundewelpen und kleine Kätzchen. Diese beiden Entwicklungswege existieren, weil bei der großen Mehrheit der Arten das Gehirnwachstum nach zwei Modellen vonstattengeht: entweder im Mutterleib – das Modell Schimpanse – oder nach der Geburt wie bei den Hunde- und Katzenwelpen. Ich spreche von der großen Mehrheit, weil es eine Ausnahme gibt: uns.

Das menschliche Gehirn ist erheblich größer, als bei einem Säugetier mit unserem Körpergewicht zu erwarten wäre – tatsächlich fast sechsmal so groß. Die Größe des Gehirns ist das anatomische Merkmal, dem wir unseren Erfolg verdanken. Wir haben die Sprache entwickelt, sind in einzigartiger Weise zu Innovationen fähig und konnten ein Ausmaß an Kontrolle über unsere Umwelt erlangen, das uns zu den Herrschern der Erde werden ließ. Aber weil unsere Gehirne im Verhältnis zu unserer Körpergröße so ungewöhnlich groß sind, brauchen sie länger, um zu reifen. Und da liegt das Problem. Unser enges Becken bedeutet, dass diese entscheidend wichtige Entwicklungsphase nicht im Mutterleib stattfinden kann, weil sonst das Baby den Geburtskanal nicht mehr passieren könnte – für Mutter und Kind bestünde ein erhebliches Risiko, bei der Geburt zu sterben. Um das Überleben der Art sicherzustellen, hat die Evolution die Menschen nach einer ungewöhnlich kurzen Schwangerschaftsdauer selektiert, was bedeutet, dass menschliche Babys geboren werden, bevor sie voll entwickelt sind. Das hat zwei Folgen: Erstens zeigen die Babys eine bestimmte Kombination von Merkmalen bei der Geburt – die Hilflosigkeit von Welpen, aber offene Augen und Ohren wie bei einem Schimpansen. Und zweitens sind Menschen die einzige Spezies, bei der das Gehirn vor und nach der Geburt wächst. Problem gelöst.

Aber ist es wirklich gelöst? Eine längere Phase des Gehirnwachstums nach der Geburt, in unserem Fall ein Jahr, ermöglicht dem Gehirn, sein volles Potenzial zu erlangen, aber bedeutet auch, dass die Mutter dadurch eine erhebliche Last zu tragen hat: ein sehr abhängiges, zur Fortbewegung unfähiges Baby, das nach Energie hungert. Sie muss nicht nur viel Energie aufwenden, um ihren Nachwuchs herumzutragen; theoretisch sollte sie das Baby auch länger stillen, als es nötig gewesen wäre, wenn das Gehirnwachstum nur vor der Geburt stattgefunden hätte, wie es bei Schimpansen der Fall ist. Aber die Realität ist anders. Während in manchen Gesellschaften Mütter länger als sechs Monate stillen, ist es durchaus möglich und in westlichen Ländern die Regel, das Baby in diesem Alter abzustillen und ihm feste Nahrung zu verabreichen. Warum ist die Laktationszeit bei Menschen so kurz?

Es hängt alles mit der Demografie und dem Überleben der Art zusammen. Die verkürzte Schwangerschaft und Stillzeit entstanden wohl zum gleichen Zeitpunkt in der Evolution, vor 1,8 Millionen Jahren mit dem Auftauchen des Homo ergaster. Nur das Stillen verhindert, dass eine Mutter wieder schwanger wird, so stellt die Evolution sicher, dass sie ihre gesamte Zeit und Energie für die Bedürfnisse ihres heranwachsenden Babys einsetzt. Aber hätten unsere Vorfahren dies tatsächlich in dem Maß getan, wie es die Entwicklung des menschlichen Gehirns – des Organs in unserem Körper, das am meisten Energie verbraucht, auch wenn es nicht wächst – nach der Geburt erfordert, hätte das die Abstände zwischen den Geburten so verlängert, dass es die Erhaltung der Art gefährdet hätte. Unsere Vorfahren wären ausgestorben, und vielleicht würde eine andere Art die Erde beherrschen. Durch die Verkürzung der Stillzeit konnten die Mütter ihre Kinder früher entwöhnen und wieder fruchtbar werden, und so war sichergestellt, dass sie genug Kinder bekamen, um die Population zu erhalten und sogar zu vergrößern.

Alle Eltern kennen die Erschöpfung, wenn sie versuchen, die Bedürfnisse eines Neugeborenen zu erfüllen, und gleichzeitig mit den unendlichen Wünschen eines Kleinkinds konfrontiert sind, das essen, schmusen, spielen und getröstet werden will. Ich erinnere mich noch, was für ein Stress es war, meine zweite Tochter zu stillen und gleichzeitig nach der richtigen Teletubbies-DVD für meine erstgeborene zu suchen und ihr etwas zu essen und zu trinken zu geben. Man entwickelt großes Geschick, Dinge mit einer Hand zu tun. Aber stellen wir uns einmal vor, all die Annehmlichkeiten des modernen Lebens wären auf einmal nicht mehr da – keine Geräte, die uns Arbeit abnehmen, keine Babyausstattung und keine Verhütungsmittel. Das war die Situation der weiblichen Angehörigen der prähistorischen Art Homo ergaster. Ohne die Möglichkeit, ihre Fortpflanzung ab dem Alter der Geschlechtsreife zwischen elf und 13 Jahren zu kontrollieren, waren sie entweder dauernd schwanger oder stillten und mussten sich nebenher noch um eine mehr oder weniger große Schar von abhängigen Kleinkindern kümmern. Für sie gab es die komfortablen fünfjährigen Abstände zwischen den Geburten wie bei den Schimpansen nicht.

* * *

Uns Menschen zeichnet unsere außerordentlich intensive Kooperation aus. Denken wir nur daran, wie oft am Tag wir mit jemand anderem zusammenarbeiten, um ein Ziel zu erreichen. Wir kooperieren, um lebenswichtige Ressourcen wie Nahrung und Wasser zu finden oder zu produzieren, um die Fertigkeiten und das Wissen zu lehren und zu erlernen, um erfolgreich zu sein, um Handel zu treiben und unsere Kinder großzuziehen. Eine der wichtigsten Formen der Kooperation ist die zwischen genetisch Verwandten oder innerhalb der Sippe. Diese Verwandten- oder Sippenselektion bedeutet, dass wir für unser eigenes Überleben davon profitieren, wenn wir anderen helfen, mit denen wir blutsverwandt sind. Der entscheidende Punkt ist nicht, dass wir, wenn wir unseren Verwandten helfen, selbst Hilfe erwarten können, sobald wir in Not sind, obwohl das häufig zutrifft. Wichtig ist vielmehr, dass wir die Gene teilen, und wie jeder gute Evolutionsbiologe weiß, kommt es letztlich auf das Überleben der Gene an. Das ist mit dem Konzept des »egoistischen Gens« gemeint, das Richard Dawkins in seinem 1976 erschienenen Buch so bezeichnet und erforscht hat: Die Erbeinheit, auf die die Evolution einwirkt, ist nicht das Individuum, sondern das Gen. Indem wir Verwandten bei der Versorgung ihrer Kinder helfen, sichern wir das Überleben der Kinder und damit zugleich das Überleben von Versionen unserer eigenen Gene. Es versteht sich von selbst, dass es umso vorteilhafter für einen Menschen ist, anderen bei der Aufzucht ihrer Kinder zu helfen, je näher die Blutsverwandtschaft ist, weil auch die Zahl der gemeinsamen Gene umso größer ist. Deshalb ist es fast universell so, dass sich nach den Eltern die Großeltern am meisten um die Kinder kümmern.

Unsere weibliche Vertreterin von Homo ergaster hätte in ihrer schweren Stunde wohl Hilfe bei ihren Verwandten gesucht. Ob es ihre Mutter gewesen wäre, ist fraglich, weil wir nicht wissen, ob unsere Vorfahren lange genug lebten, um das Alter von Großeltern zu erreichen. Trotz vieler Jahrtausende der Evolution lag das Alter bei der Menopause immer bei rund 50 Jahren, und es gibt bemerkenswert wenige bis gar keine Skelettfunde (Anthropologen können stundenlang über diese Frage diskutieren – wir sind schon ein seltsames Volk), die dieses Alter aufweisen. Aber wir wissen, dass es irgendwelche weiblichen Verwandten gegeben haben wird. Und woher wissen wir das? Weil die Evolution sparsam ist, das heißt, sie erreicht ihr Ziel immer auf dem am wenigsten komplizierten und/oder am wenigsten kostspieligen Weg. Vom Energieaufwand her ist es weniger kostspielig, mit einer Person desselben Geschlechts zu kooperieren als mit einer Person des anderen Geschlechts. Ich denke, das können wir alle nachvollziehen. Wenn wir mit jemandem desselben Geschlechts kooperieren, nutzen wir die gleiche Tauschwährung, und deshalb sind Akte der Kooperation leicht zu verfolgen. Selbst unter Verwandten erwartet man, dass Kooperation mehr oder weniger wechselseitig erfolgt – du kratzt mir den Rücken, und ich werde dir den Rücken kratzen –, deshalb ist es wichtig, den Überblick zu behalten, damit nicht einer oder eine immer Hilfe leistet. Und je leichter es ist, den Überblick zu behalten, desto weniger Gehirnleistung ist nötig, und desto weniger kostbare Energie wird verbraucht. In der Frühzeit unserer Spezies haben im Zusammenhang mit Kindern die Frauen die gleiche Art von Handlungen getauscht: solche, die mit der Sorge für das Kind und seinem Schutz zusammenhingen. Männer kooperierten aus anderen Gründen – sie halfen vielleicht mit dem Kind, weil das ihre Chancen erhöhte, der nächste Partner der Mutter zu werden, eine deutliche andere Währung. Der Wechselkurs zwischen beiden Währungen war unglaublich schwer zu kalkulieren, und deshalb entschied die Evolution, dass wir solche Formen des Austauschs nur dann machten, wenn es unbedingt nötig war. In der Folge wandten sich Mütter in erster Linie an andere Frauen, wenn sie Hilfe brauchten.

Und so zog unsere Vertreterin von Homo ergaster ihre Kinder mit der Hilfe ihrer weiblichen Verwandten groß, ihrer Schwestern, Cousinen und sogar ihrer älteren Töchter. Wie wir wissen, reichte über eine Million Jahre diese Hilfe aus, aber etwa vor 500.000 Jahren vergrößerte sich das Gehirn zum zweiten Mal erheblich, und damit wurden die Energiekosten für die Aufzucht eines Kindes erneut zu groß. Dieser Sprung bei der Größe des Gehirns bis auf fast die 1300 Kubikzentimeter, die es heute hat, bedeutete, dass die Zeitspanne der kindlichen Abhängigkeit noch länger wurde und der Bedarf an sehr energiereicher Nahrung – in dem Fall Fleisch – noch drängender. Bis dahin waren unsere Vorfahren eher zufällig an Fleisch gelangt; manchmal hatten sie die Risse von Raubtieren geplündert, und manchmal (das klingt sehr viel aufregender) schnappten sie einem lauernden tierischen Räuber seine Beute vor der Nase weg. Diese Ad-hoc-Methode reichte eindeutig nicht mehr aus, und besser planbare, erheblich weniger gefährliche Methoden, an diese lebenswichtige Ressource zu gelangen, mussten entwickelt werden, um das enorm große Gehirn zu ernähren. Es ist kein Zufall, dass parallel zum Homo heidelbergensis mit dem größeren Gehirn auch erste archäologische Belege für die Verwendung von Jagdspeeren auftauchen. Und nicht irgendwelche Wurfgeräte, sondern 1,50 Meter lange, perfekt gearbeitete hölzerne Wurfspeere wie jene über 300.000 Jahre alten Exemplare, die im niedersächsischen Schöningen gefunden wurden. Homo heidelbergensis war nicht nur ein guter Jäger, sondern auch ein hervorragender Handwerker.

Es reichte nicht mehr aus, dass die weiblichen Verwandten, die wahrscheinlich alle ihre eigenen kleinen Kinder betreuten, sich zusammentaten und allein ihre Kinder aufzogen. Verlässliche Quellen für Fleisch mussten erschlossen werden, um die sich schnell entwickelnden Kleinkinder zu ernähren und die Mütter mit der richtigen Nahrung zu versorgen, die für das Austragen und Stillen ihrer Kinder mit den großen Gehirnen immer mehr Energie brauchten. Jemand anderer musste einspringen, um das Überleben der Art zu sichern, jemand, der die Zeit, die Energie und das Geschick besaß, auf die Jagd nach Fleisch zu gehen und effiziente Werkzeuge für die Jagd und die Verarbeitung der Beute zu produzieren. Jemand, der nicht durch die kräftezehrende Aufgabe der Fortpflanzung behindert wurde, aber trotzdem durch die genetische Verwandtschaft mit eingebunden war. Jemand, der eine Feuerstelle bauen – die archäologischen Zeugnisse zeigen einen sprunghaften Anstieg von Feuerstellen um diese Zeit – und das Feuer kontrollieren konnte, was es ermöglichte, das erbeutete Fleisch zu garen und damit für den kindlichen Magen besser verdaulich zu machen. Jemand, der die Aufgabe übernehmen konnte, die Fertigkeiten der Werkzeugproduktion und die Regeln der Jagd an die heranwachsenden Kinder weiterzugeben. Und jemand, der, als die Jagd immer komplexer wurde, die lebenswichtigen Kommunikations- und Kooperationsfähigkeiten vermitteln konnte, die für den Erfolg bei der Jagd und für den Erfolg des Kindes in der größeren sozialen Welt so entscheidend waren. Aus der Einleitung zu diesem Kapitel wissen wir, dass dieser Jemand der Papa war.

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Anders als bei unseren Cousins, den Menschenaffen, ist bei uns der Größenunterschied zwischen den Geschlechtern relativ gering. Männer sind ungefähr 1,1-mal so groß wie Frauen, männliche Gorillas dagegen mit dem 1,75-Fachen fast doppelt so groß wie weibliche. Männliche Gorillas sind so viel größer, weil sie ihren Harem von Weibchen, die Junge haben, gegen andere Männchen verteidigen müssen. Wir Menschen haben hingegen die letzte halbe Million Jahre weitgehend in monogamen Paarbeziehungen gelebt, bei denen beide Geschlechter wählen, mit wem sie zusammen sein wollen; Männer müssen nicht mit physischer Kraft viele Frauen zusammenhalten, die wenig Mitsprache haben, wer ihr männlicher Partner sein wird. Der geringe Größenunterschied spielt bei der Entwicklung des menschlichen Vaterseins eine sehr wichtige Rolle. Die Evolutionsanthropologin Dr. Cathy Key vom University College London hat in einer sehr gründlichen Untersuchung diesen Größenunterschied zwischen den Geschlechtern herangezogen, um zu errechnen, wann die menschliche Vaterrolle entstand. Bei den meisten Arten sind die männlichen Tiere deutlich größer als die weiblichen und die Kosten der Reproduktion für ein männliches Tier deutlich höher als für ein weibliches, weil ein Männchen einen großen Körper ausbilden und erhalten muss, um erfolgreich Zugang zu Partnerinnen zu bekommen. Bei den Menschen hingegen sind die Reproduktionskosten für einen Mann sehr viel geringer als für eine Frau. Es ist nicht wesentlich aufwendiger, einen großen Körper auszubilden und zu erhalten, als es für die Frau ist, ein Baby auszutragen und zu stillen. Key kalkulierte, dass es sich unter diesen Umständen für einen Mann zunächst lohnte, Energie zu investieren und der Frau bei der Aufzucht ihrer Kinder zu helfen, selbst wenn es nicht seine waren, um damit die Chance zu erhöhen, dass sie ihn als Vater für ihr nächstes Kind auswählte. Doch da die Evolution die Verwandtenselektion bevorzugt – in erster Linie jenen helfen, mit denen wir genetisch verwandt sind –, entwickelte sich rasch ein zweites Stadium, in dem die Männer ihre Partnerin »bewachten« (»Mate-Guarding«). Das bedeutete, dass der Mann die ganze Zeit in der Nähe seiner Partnerin blieb, damit er zur Stelle war, wenn sie das nächste Mal fruchtbar wurde – was sich bei Menschenfrauen gar nicht leicht feststellen lässt –, und die Gelegenheit zur Paarung ergreifen konnte. Die Kehrseite für den Mann war, dass er sich nicht mehr nach anderen Partnerinnen umsehen und die promiskuitive, aber potenziell sehr produktive Paarungsstrategie aufgeben musste. Das reduzierte die Zahl seiner lebenslangen Nachkommen und machte es umso wichtiger, dass die Nachkommen, die er hatte, erwachsen wurden und seine Gene weitergeben konnten. In der Folge investierte er massiv in die Kinder seiner Partnerin, bei denen er sicher sein konnte, dass es seine Kinder waren, weil er praktisch nicht von ihrer Seite wich. Key hat errechnet, dass der Punkt in unserer Vorgeschichte, an dem das passierte – das heißt, an dem die Reproduktionskosten für die Frau sehr viel höher waren als die für den Mann –, mit dem Auftauchen des Homo heidelbergensis mit dem großen Gehirn, aber ähnlicher Körpergröße der Geschlechter vor einer halben Million Jahren zusammenfiel.

Und die Geschichte der Evolution über 500.000 Jahre hinweg ist hauptsächlich aus drei Gründen immer noch wichtig für die Väter von heute. Erstens tauchten mit den ersten Vätern zwei Schlüsselmerkmale auf, die bis heute die Rolle des Vaters definieren, unabhängig davon, wo er lebt. Nämlich zu schützen und zu unterrichten. Im Lauf dieses Buchs werde ich immer wieder darauf zurückkommen, wie stark bei allen Vätern der Drang ist, das Überleben ihrer Kinder zu sichern und ihr Lernen zu fördern, insbesondere im Umgang mit der komplexen sozialen Welt, in der unsere Spezies lebt. Zweitens erfahren wir, dass Vatersein bei Menschen nicht einfach nur ein Nebenprodukt des männlichen Wunsches ist, sich fortzupflanzen, sondern dass es durch die natürliche Selektion ausgewählt wurde. Die Evolution ist fixiert auf Effizienz und wird eine Art nur dann auf den Weg einer komplexen Veränderung bei Verhalten oder Anatomie schicken, wenn das wirklich der einzige Weg ist, ihr Überleben zu sichern. Man könnte sagen, dass das Vatersein bei Menschen der Inbegriff einer solchen Veränderung ist. Es war eine weltbewegende Verhaltensänderung mit weitreichenden Folgen für unsere Spezies, und es wäre nicht selektiert worden, wenn es uns nicht beträchtliche Vorteile gebracht hätte. Schließlich und vielleicht am wichtigsten erzählt uns die Geschichte der Evolution, dass Vatersein angeboren ist und nicht erlernt wird, wie man uns oft weismachen will. Natürlich muss ein Vater all die praktischen Dinge lernen, etwa wie man die Windeln wechselt, ein Baby badet und füttert, aber das gilt für die Mutter genauso. Wer jemals beobachtet hat, wie eine frischgebackene Mutter versucht, mit dem Stillen zurechtzukommen, begreift, dass wir alle Zeit brauchen, um zu lernen, ein Elternteil zu sein. Aber der Instinkt für das Elternsein ist vorhanden, das habe ich ganz am Anfang meiner universitären Laufbahn erfahren.

Ich habe zuerst Anthropologie bei einem wunderbaren Primatenforscher namens Simon Bearder studiert. Er hatte sich einen Namen mit der Erforschung der kleinen, nachtaktiven Galagos in Afrika gemacht. In der ersten Vorlesung erklärte er, wie nahe verwandt wir mit unseren Cousins bei den Affen und Menschenaffen sind, und tatsächlich sind wir einfach Primaten mit einem ungewöhnlich großen Gehirn und unersättlicher Neugier, die uns dazu drängt, zu lernen und Dinge zu erfinden. Er erläuterte, dass das in vielerlei Hinsicht eine wunderbare Sache war, dass wir aber manchmal bei dem Versuch, immer besser zu werden, unsere grundlegenden Instinkte und Fähigkeiten ignorierten. Ein Bereich, in dem wir uns damit schadeten, war die Elternschaft. Wie zwei Väter in meiner Studie feststellten, ist Elternsein mit einer steilen Lernkurve verbunden, und am Anfang kann es sein, dass man Fehler macht. Aber der Instinkt, Vater zu sein, ist stark und wird den Mann letztlich auf den richtigen Weg führen:

Noah: Man macht Sachen verkehrt, aber solange man nicht wirklich Schaden anrichtet, ist es einfach unvermeidlich […]

Adrian: Als sie zu uns gekommen ist, vielleicht vier Tage später, setzten wir sie zum ersten Mal in ihren Buggy und machten einen richtig langen Spaziergang. Alle sollten unser wundervolles Kind sehen […] [Irgendwann sagten wir:] »Sieht sie nicht ziemlich rot aus?!« Eineinhalb Stunden später fragten wir uns: Haben wir sie ausreichend mit Sonnencreme eingecremt? Sie war ziemlich rosa! Und dann gab es den Tag, als wir sie im Park hin und her schwenkten, und weil wir nicht wussten, wie stark wir waren, haben wir sie ziemlich rumgewirbelt und dachten schon, wir hätten ihr die Schulter ausgekugelt! Das haben wir nie wieder gemacht.

Noah und Adrian, Papas von Judy (sieben)

Die Botschaft lautet: Hören Sie auf Ihren Bauch. Lauschen Sie auf Ihren inneren Primaten, und dann wissen Sie, wie Sie Ihr Kind am besten aufziehen. Alle Eltern sind anders und erreichen ihre Ziele im Umgang mit ihren Kindern auf unterschiedliche Weise. Aber ihre Anatomie, ihr Gehirn, ihre Gene und ihre Hormone wurden alle von der Evolution für das Elternsein angelegt. Der Instinkt und die Fähigkeit zum Elternsein sind da, man muss nur darauf achten. Das gilt auch für Väter.

In den weiteren Kapiteln dieses Buchs bleiben wir fest in der Gegenwart. Wir schauen uns an, wie die Evolution massiv darin investiert hat, Männer zu Vätern zu machen – neurologisch, genetisch, physiologisch und psychologisch –, und wie heutige Väter, wenn sie bei ihren Kindern bleiben, Vorteile sammeln, die nicht nur für sie selbst und ihre Kinder wertvoll sind, sondern für unsere Gesellschaft insgesamt. Aber die Botschaft aus unserer evolutionären Vergangenheit lautet: Väter sind nicht nur Anhängsel der Mütter, gelegentliche Babysitter oder Taschenträger. Sie sind das Ergebnis von 500.000 Jahren Evolution, und sie bleiben ein entscheidender Teil der Geschichte der Menschheit.

TEIL ZWEI

EMPFÄNGNIS UND SCHWANGERSCHAFT

KAPITEL ZWEI

BABYS IM SINN

Schwangerschaft, Identität und den Mutterleib umarmen

Es gibt die oft zitierte, aber schlecht belegte Meinung, Muttersein sei etwas Instinktives – Frauen sind dafür geboren, Kinder zu wollen, und perfekt dafür ausgestattet, sich um Kinder zu kümmern. Als Mutter von zwei kleinen Töchtern kann ich versichern, dass es nichts Instinktives ist. Ich werde nie die steile Lernkurve nach der Geburt meiner ersten Tochter vergessen, als es eine so unüberwindliche Aufgabe schien, für ein Neugeborenes zu sorgen, dass ich es nicht einmal schaffte, mir die Zähne zu putzen oder die Spülmaschine auszuräumen. Und dabei hatte ich einen Vorsprung gegenüber meinem Ehemann. Schwangerschaft, Geburt und Stillen sind intensive emotionale und physische Erfahrungen; wir Frauen schwimmen dabei in einem Meer wundervoller Hormone, die dazu da sind, unseren Körper auf die Mutterschaft vorzubereiten, die Schmerzen und das Trauma der Geburt zu lindern, und die uns motivieren, schnell eine tiefe Bindung zu unseren Neugeborenen aufzubauen – lebenswichtig, damit wir uns trotz des Schlafmangels und der ständigen Forderung nach Nahrung weiter um sie kümmern. Väter hingegen haben keine derartigen Erfahrungen, die sie unterstützen, und zumindest oberflächlich betrachtet könnte es scheinen, dass die neun Monate der Schwangerschaft an dem werdenden Vater weitgehend spurlos vorbeigehen, abgesehen von ein paar anstrengenden Besuchen bei Ikea und Versuchen, ein Kinderbett zusammenzubauen. Scheinbar kann der Prozess, ein Elternteil zu werden und eine Bindung zum Kind zu entwickeln, für Väter erst richtig nach der Geburt beginnen.

Wann wird ein Mann zum Vater? Schauen wir uns die Möglichkeiten an. Es könnte an dem Tag sein, an dem er den Wunsch nach einem Kind ausdrückt. Oder im Augenblick der Zeugung. Vielleicht passiert es auch in der Schwangerschaft, wenn ihm dämmert, dass er eine neue Identität annehmen muss. Oder es beginnt erst mit der Geburt. In diesem Kapitel will ich untersuchen, was während der Schwangerschaft mit einem Vater passiert. Ich betrachte seine Biologie, seine Psychologie und sein Verhalten. So versuche ich zu verstehen, wie er das entscheidend wichtige Band zu seinem ungeborenen Kind aufbaut, wie er mit seiner Partnerin zusammenarbeitet, um ein Elternteam zu werden, und wie er seine neue Identität als »Papa« entwickelt. Lange Zeit meinte man, ein Mann würde erst zu einem Vater, wenn er sein neugeborenes Kind im Arm hält und die Beziehung zu dem Baby beginnt. Bis dahin war die Schwangerschaft etwas, das eindeutig einer anderen Person widerfuhr. Aber wäre es so überraschend zu hören, dass angesichts der folgenreichen Veränderungen in Anatomie und Verhalten, die Ursache und Folge des Entstehens der Vaterschaft waren, die Evolution auch dafür gesorgt hat, dass die Papas schon vor der Geburt fest in die Familie eingebunden wurden?

Das Hormon Oxytocin hat eine vielfältige Rolle. Gebildet wird es von einer kleinen Ausstülpung an der Unterseite des Gehirns, der sogenannten Hirnanhangdrüse, und im Körper erfüllt es mehrere wichtige Aufgaben. Es ist verantwortlich für den Beginn der Wehen, für die Milchproduktion und die Bildung und Beweglichkeit der Spermien – alles wichtige Etappen bei der Reproduktion. Aber seine wahre Macht entfaltet Oxytocin im Gehirn. Denn Oxytocin ist das Schmiermittel bei der Entstehung neuer Bindungen: zwischen Liebenden, zwischen Eltern und Kind, zwischen engen Freunden. Es wirkt ein bisschen wie Alkohol, baut Hemmungen ab, neue Partnerschaften einzugehen, und sorgt dafür, dass Sie quer durch einen Raum marschieren, um mit dem Objekt Ihrer Begierde ein Gespräch zu beginnen. Wir alle haben einen Grundspiegel des Hormons, und dass der von Individuum zu Individuum variiert je nach genetischer Ausstattung und Umgebung, bedeutet, dass wir alle unterschiedlich darin sind, wie wir mit unserer Schüchternheit umgehen und wie wir uns in neue Beziehungen stürzen. Das gilt auch für die Beziehung zwischen Vater und Kind. In späteren Kapiteln werden wir sehen, wie die jeweiligen Eigenschaften eines Mannes sich auf sein Verhalten als Vater auswirken und darauf, wie leicht er eine Bindung zu seinem Baby herstellt.

Oxytocin arbeitet außerdem eng mit einem weiteren wichtigen neurochemischen Botenstoff zusammen, dem Dopamin. Dopamin wird oft als Belohnungshormon bezeichnet und wirkt in einem Teil des Gehirns, das Belohnungszentrum heißt; die Freisetzung von Dopamin verursacht intensive Glücksgefühle und Euphorie. Der Genuss beim Essen von Schokolade oder dem liebsten Snack – das ist Dopamin. Dopamin und Oxytocin haben eine wunderbare Arbeitsbeziehung, besonders wenn sich eine neue Bindung bildet. Erstens machen sie in Kombination das Gehirn plastischer, das heißt, es wird leichter, seine neuronale Struktur zu verändern – entscheidend wichtig, wenn man neue Erinnerungen abspeichern oder neue Fakten über jemanden lernen will. Zweitens ergänzen sich Oxytocin und Dopamin richtig gut. Ich beschreibe ihre Beziehung gern als »guter Cop« und »begeisterter Cop«. Dopamin – der begeisterte Cop – verleiht uns den Elan und die Motivation, vom Sofa aufzustehen und eine neue Beziehung einzugehen. Aber Begeisterung kann manchmal bedeuten, dass die feineren Aspekte bei der Bildung einer Beziehung im Eifer des Gefechts untergehen. Das Oxytocin – das unsere Angstkreisläufe unterbricht und unsere Bindungskreisläufe verstärkt (die uns motivieren, Beziehungen zu knüpfen und zu erhalten) – dämpft die extremeren Auswirkungen von Dopamin auf unsere Konzentrationsfähigkeit und verschafft uns die nötige Ruhe im Kopf, damit die Beziehung funktioniert.