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Auf der Suche nach einem Para-Begabten in Orn, der Heimatgalaxis der Mysterious, wird Ren Dhark mit einer verblüffenden Maschine konfrontiert – und findet ein Volk mit schrecklicher Geschichte. Wurde es Opfer einer Para-Attacke...?
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Seitenzahl: 477
Veröffentlichungsjahr: 2017
Ren Dhark
Weg ins Weltall
Band 28
Para-Attacke
von
Achim Mehnert
(Kapitel 1 bis 6)
Uwe Helmut Grave
(Kapitel 7 bis 11)
Conrad Shepherd
(Kapitel 12 bis 15)
Jan Gardemann
(Kapitel 16 bis 19)
und
Hajo F. Breuer
(Exposé)
Inhalt
Titelseite
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
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Impressum
Prolog
Ende des Jahres 2065 steht die Menschheit am Scheideweg: Obwohl die Erde wieder auftaut, wurden 36 Milliarden Menschen nach Babylon umgesiedelt und richten sich dort unter der Regierung Henner Trawisheims neu ein. Doch der entwickelt sich in eine Richtung, die gerade den Gutwilligen überhaupt nicht paßt…
Auf der nur noch von ein paar Millionen Menschen bewohnten Erde hat der Wächter Simon drei Personen für das neue Wächterprogramm rekrutiert: Svante Steinsvig, Arlo Guthrie und – Doris Doorn! Die INSTANZ von ARKAN-12 schickt sie nach erfolgter Umwandlung in die Milchstraße. Ihre Aufgabe: Reparatur der defekten Station ERRON-2 und Überwindung der Schranke um Orn, die Heimatgalaxis der Mysterious oder Worgun…
Genau in dieser Sterneninsel machen der ehemalige Rebell Gisol und seine Kampfgefährtin Juanita auf Epoy, dem Ursprungsplaneten der Worgun, eine erschreckende Entdeckung: Eine geheimnisvolle Macht jagt alle Mutanten und versucht, das Volk der Hohen zu einer Gemeinschaft der Dummen hinabzuzüchten. Ihr Bericht bewegt Margun und Sola dazu, einen Notruf abzustrahlen…
Zur gleichen Zeit muß Ren Dhark erkennen, daß sich vieles verändert hat in seiner Heimat: Terence Wallis macht ihm und wenigen Auserwählten das Angebot der relativen Unsterblichkeit! Und auf Babylon hat Henner Trawisheim eine Diktatur errichtet. Er läßt Ren Dhark und seine Getreuen verhaften. Als ihnen die Flucht zurück in die POINT OF gelingt, bleibt auch Dan Riker und seiner gesamten Flotte nur noch die Desertion. Von Trawisheim zu Vogelfreien erklärt, will sich das kleine Rebellenhäufchen auf Echri Ezbals neuer Forschungswelt Wischnu treffen. Doch als er den Notruf von Orn erhält, ist Ren Dhark nicht mehr zu bremsen…
Mit Hilfe des geheimnisvollen goldenen Planeten überwindet er die Schranke um Orn – und erfährt vom vergeblichen Versuch der großen Worgun Margun und Sola, den Frieden in der Galaxis mit Hilfe eines gigantischen Parakraftverstärkers wiederherzustellen. In Ermangelung eines Parabegabten, dessen Kraft man verstärken könnte, macht sich Ren Dhark gemeinsam mit dem ehemaligen Rebellen Gisol auf in einen merkwürdigerweise unbekannten Abschnitt von Orn, in dem ein Volk Parabegabter vermutet wird. Doch plötzlich ist die Mannschaft der POINT OF handlungsunfähig – und Gisol will offenbar Selbstmord begehen…
1.
Da ich sicher war, daß niemand in der Zentrale der POINT OF in Lebensgefahr schwebte, kümmerte ich mich nicht um die sich krümmenden Menschen und Nomaden. Doorn, Margun und Sola, die Para-Abschirmreifen trugen und keine Anzeichen von Beeinträchtigungen zeigten, begannen bereits damit, sich um die Leidenden zu kümmern.
Ich begab mich zum Instrumentenpult und tippte hastige Eingaben in die Bedienungselemente. Gleichzeitig kommunizierte ich auf Funkbasis mit dem Checkmaster. Es mußte uns gelingen, etwas über den unsichtbaren Angriff herauszufinden, solange er andauerte. Nachher würde es schwierig werden, eine Spur zu finden. Jeder Hinweis, den wir jetzt entdeckten, konnte sich später als richtungsweisend zeigen.
Auf meine Anregung hin führte der Checkmaster zahlreiche Messungen durch. Rasch zeigte sich, daß ich richtig gehandelt hatte. Es war eine Art Energie, die über die Biowesen an Bord herfiel, und die POINT OF steckte mitten darin fest.
Versuche, die Quelle der Energie zu bestimmen, trug ich dem Checkmaster auf.
Ich bin bereits damit beschäftigt, Artus, antwortete er lautlos. Es ist schwierig. Zumindest gelingt es mir, die Richtung, aus der sie kommt, zu lokalisieren. Ich setze meine Bemühungen fort.
So sehr es mich drängte, meinen Freunden in der Zentrale zu Hilfe zu eilen – ich unterdrückte den Wunsch und studierte die ermittelten Daten, die der Checkmaster mir über Funk zukommen ließ.
Sie waren faszinierend und erschreckend zugleich. Einerseits gaben sie Anlaß zu der Hoffnung, daß wir bei unserer Suche auf dem richtigen Weg waren, andererseits ließen sie befürchten, daß wir uns auf diesem Weg an den Rand unseres eigenen Untergangs begaben.
Mehr kann ich nicht tun. Auf diese Weise kommen wir nicht weiter, Artus. Die Impulsfolge des Checkmasters transportierte Enttäuschung.
Das ist nicht deine Schuld, tröstete ich ihn. Wir haben unser Bestes versucht, um brauchbare Ergebnisse zu erhalten. Mehr können wir nicht machen.
*
Entsetzt verfolgte Ren Dhark den Kurs, den Gisol gesetzt hatte. Die EPOY II raste geradewegs auf die nächste Sonne zu. Dem weißblonden Befehlshaber der POINT OF blieb keine Gelegenheit, sich um seinen worgunschen Freund zu kümmern, denn er hatte mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen.
Und die zwangen ihn in die Knie.
Seit Grappas Meldung waren die Schmerzen in seinem Kopf noch größer geworden. Dhark versuchte ihnen zu widerstehen. Es gelang nur teilweise. Er durfte sich nicht unterkriegen lassen, sie alle durften das nicht. Sonst passierte mit der POINT OF womöglich dasselbe, was gerade mit der EPOY geschah. Zumindest schaffte er es, eine Lehne des Kommandantensessels zu packen und sich mit eiserner Disziplin in die Höhe zu ziehen. Die Umgebung begann vor seinen Augen zu verschwimmen. Er vernahm das Wimmern von Priff Dozz und einen derben Fluch, den er Tino Grappa zuordnete.
Dhark biß sich auf die Unterlippe. Der Schmerz wetteiferte mit dem in seinem Kopf, brachte ihn aber wieder halbwegs zu sich. Es war dringend nötig, denn in der Zentrale spielten sich unbeschreibliche Szenen ab. Mehrere Raumfahrer lagen auf dem Boden der Zentrale oder hingen verkrümmt über ihren Arbeitspulten. Vier über zwei Meter große Gestalten hasteten an Dhark vorbei, eine schwarz, eine andere anthrazitfarben, die beiden übrigen rötlich und silbern. Es waren die Wächter, die mit unbekanntem Ziel aus der Zentrale stürmten. All das sah er undeutlich, unwirklich, verzerrt.
Die Roboter sollen jedem an Bord einen Para-Abschirmreifen bringen, wandte Dhark sich über die Gedankensteuerung an den Checkmaster.
Das immerhin gelang ihm. Sie sollen sich beeilen.
Auch ohne eine gedankliche Bestätigung zu erhalten, wußte er, daß das Bordgehirn die Umsetzung des Befehls augenblicklich veranlassen würde. Er drehte den Kopf und schaute zur Bildkugel hinüber.
Vor dem gleißenden Sonnenball war die EPOY kaum noch zu erkennen. Die taktische Darstellung verriet, daß sie direkt auf das Zentralgestirn zuflog.
»Wir müssen etwas unternehmen.« Das war Marguns Stimme, vollklingend und unbeeinträchtigt. »Es sieht so aus, als wollte dieser Verrückte sich umbringen.«
»Funk-Z«, krächzte Dhark.
Keine Antwort. Oder ging sie in dem infernalischen Getöse in seinem Kopf unter?
»Funk-Z, was ist… los?«
»Hier, Commander.« Glenn Morris’ Stimme schwamm in einem Meer aus Schmerzen und Desorientierung.
»Gisol anfunken.«
»Habe ich… schon versucht. Keine… Reaktion«, antwortete der Erste Funker.
Dhark fragte sich, was mit dem Worgun los war. Sekundenlang sortierten sich seine Gedanken, war es ihm möglich, logisch und kausal zu denken. Der gefürchtete Kämpfer hatte den Kurs ohne ersichtlichen Grund geändert und erweckte den Eindruck, Selbstmord begehen zu wollen. Stand er womöglich unter einem fremden Einfluß? Hatte die unbekannte Kraft, die den Besatzungsmitgliedern der POINT OF die bohrenden Kopfschmerzen bescherte, bei ihm eine Kurzschlußreaktion ausgelöst?
In der Bildkugel gewahrte Dhark vier Flash, die eben aus den Depots gestartet sein mußten. Er ahnte, wer die Piloten waren, doch jäh aufbrandender Schmerz verwirbelte seine Gedanken zu inhaltslosem Gestöber. Immerhin bekam er mit, daß sich das Zentraleschott öffnete und Roboter hereinkamen. Er ließ es geschehen, daß ihm eine der Maschinen einen Abschirmreifen auf den Kopf setzte.
Schlagartig ging es ihm besser. Die Schmerzen waren verschwunden, sein Verstand arbeitete klar wie eh und je.
»Gibt es Verletzte?«
»Negativ.« Arc Doorn schüttelte den Kopf. Gemeinsam mit Margun und Sola, die wie er bereits zuvor Abschirmreifen getragen hatten, hatte sich der kräftig gebaute Doorn so gut es ging um die Leidenden gekümmert. Die beiden Worgun-Legenden, deren wahre Identität von den Eingeweihten geschützt wurde, traten weiterhin als die Akademiepräsidenten Laetus und Nauta auf. Das Eingreifen der Roboter hatte die Ausnahmesituation bereinigt. Pakk Raff half seinem Berater Priff Dozz auf die Beine.
»Alles in Ordnung, Kleiner?« fragte der Rudelführer den krummbeinigen Nomaden und kümmerte sich fast fürsorglich um ihn.
»Ich bin mir nicht sicher. Ich kann mich nicht erinnern. In meinem Kopf dreht sich alles.«
»Hauptsache, du kommst wieder zu dir.«
»Ja, vielleicht. Ich weiß nicht. Wer bist du?« Priff Dozz japste und verdrehte die Augen. »Wer bin ich, und wo bin ich? Was mache ich hier?«
Pakk Raff starrte seinen Berater an. »Beim allmächtigen Dorrkk. Er hat seine Erinnerung verloren. Er braucht einen Arzt. Mach keinen Unsinn, Kleiner, ich brauche dich noch.«
Dozz verfiel in Kichern. »Alles in Ordnung. Mir geht es gut. Die Gelegenheit war einfach zu reizvoll.«
»Wage dich das nie wieder.« Pakk Raff stieß ein kehliges Grollen aus und fletschte die Zähne. »Sonst beiße ich dich in den Nacken wie noch niemals zuvor.«
Der Kleine zuckte zusammen und duckte sich. »Verzeihung, Rudelführer.«
»Schluß mit dem Unsinn! Wir haben ernste Schwierigkeiten und keine Zeit für kindisches Getue«, wies Dhark die beiden an aufrechtgehende Dobermänner erinnernden Nomaden zurecht. In der Bildkugel war zu erkennen, daß die vier Flash, darunter die Schwarze Eins, sich an die Verfolgung der EPOY II machten.
»Immer noch kein Kontakt zu Gisol?«
Morris schüttelte den Kopf. »Negativ, Commander.«
*
»Mit den Flash holen wir die EPOY nicht ein«, meldete sich Simon über Funk. »Sie beschleunigt mit Höchstwerten. Da können wir nicht mithalten.«
Svante saß vor den Kontrollen der Schwarzen Eins. Da die 001 im Gegensatz zu gewöhnlichen Flash nicht aus dem Superschwermetall Unitall bestand, sondern aus dem viel leichteren Carborit, war sie noch am ehesten in der Lage, mit dem Ringraumer mitzuhalten. Da ihre Beschleunigung sogar ein wenig höher war, holte sie auf. Ein Hoffnungsfunke ließ Svante eine schnelle Berechnung durchführen. Sie warf ihn auf den Boden der Tatsachen zurück. Er kam zu dem ernüchternden Schluß, daß die EPOY II in die Sonne stürzen würde, bevor er sie erreicht hatte.
»Es gibt eine Möglichkeit«, wandte er sich an die anderen Wächter. »Wir führen eine koordinierte Transition durch, und zwar in Flugrichtung vor die EPOY. Sobald sie uns einholt, schleusen wir in die Depots ein.«
»Das klingt nach einer haarigen Angelegenheit«, antwortete Arlo. »Bei der hohen Geschwindigkeit dürfte sich der Einflug äußerst schwierig gestalten, wenn nicht sogar unmöglich.«
»Steckten wir in unseren menschlichen Körpern, würde das zutreffen, aber wir sind Wächter. Mit unseren besonderen Fähigkeiten bekommen wir das hin«, widersprach Doris zuversichtlich. »Es ist wenig hilfreich, Zweifel zu artikulieren, bevor wir es versucht haben. Bedauern können wir später immer noch ausdrücken. Worauf warten wir noch? Setzen wir deinen Plan in die Tat um, Svante.«
In seinem Inneren produzierte Svante das Äquivalent eines Lächelns.
Seine Gefühle für Doris flackerten auf.
Er unterdrückte sie, weil das bevorstehende Manöver seine gesamte Konzentration beanspruchte.
»Ich steuere die Flash im Verbund über die Gedankensteuerung«, gab er durch. »Das geht aber nur bei der Transition. Danach seid ihr auf euch selbst gestellt. Das Einschleusen in die Depots muß jeder von uns allein hinbekommen.«
»Das schaffen wir«, funkte Doris.
»Arlo?«
»Wird schon schiefgehen.«
»Besser nicht«, schob Simon humorlos hinterher.
Die hochentwickelten Fähigkeiten des Wächterkörpers sorgten dafür, daß Svantes Bewußtsein ebenso leicht mit der Gedankensteuerung in Verbindung treten konnte, wie es ihm früher als Mensch möglich gewesen wäre. Er erlangte Zugriff auf alle vier Flash und leitete das angekündigte Manöver ein. Nur Sekunden später sprangen die Flash und absolvierten die von Svante programmierte Transition in annähernder Nullzeit. In einem Moment noch sah er die EPOY auf dem Bildschirm über seinem Kopf weit vor sich, im nächsten, nach der durchgeführten Transition, folgte sie im »Kielwasser« der Flash.
»Geklappt!« frohlockte Doris.
»Konzentriere dich«, mahnte der Schwarze seine Gefährtin. »Simon, Arlo, nun kommt es auf euch an.«
»Als ob wir das nicht selbst wüßten«, gab der silberfarbene Wächter zurück, dessen Erfahrung die seiner drei Kollegen bei weitem übertraf.
Svante ging nicht darauf ein. Gedankenschnell ließ er die Intervalle der Beiboote hochfahren und gab die Steuerungen an ihre Piloten frei.
In rascher Abfolge trafen Doris’, Simons und Arlos Klarmeldungen ein. Sie taten, was auch der Schwarze tat. Sie beschleunigten maximal, wobei der Ringraumer weiter rasch näherkam. Die Rechengehirne der Wächterkörper leisteten Schwerstarbeit. Es ging darum, die Geschwindigkeiten der Flash derjenigen des Ringraumers soweit wie möglich anzugleichen. Beschleunigten sie nicht stark genug, würde die EPOY II durch die in ein eigenes Kontinuum eingebetteten Flash hindurchjagen, als seien sie gar nicht vorhanden, und sie abermals hinter sich lassen. Eine zweite Chance gab es nicht, denn dann wäre man schon zu nahe an der Sonne dran. Das hätte das Ende der EPOY und der drei Besatzungsmitglieder, die sich an Bord aufhielten, bedeutet.
Fast regungslos saß Svante vor den Bedienungseinrichtungen der Schwarzen Eins. Konzentration und Gelassenheit hielten sich die Waage, während er den Flash steuerte und gleichzeitig in der Bildkugel die Flugmanöver seiner Kameraden beobachtete. Als der Ringraumer mit der 001 Kontakt erhielt und das Beiboot durch die Außenhülle der Röhre glitt, nahm Svante eine winzige Kurskorrektur vor und driftete, getragen vom Restschwung, in eine leere Lagerhalle. Intervallfeld ausschalten – fertig!
»Ein Kinderspiel«, vernahm er keine Sekunde später Arlo.
Nachdem sich auch Doris und Simon gemeldet und bestätigt hatten, daß ihre Flash ebenfalls gelandet waren, öffnete der Schwarze den Einstieg und kletterte hinaus. Vor der Halle traf er sich mit seinen Wächterkameraden.
»Beeilung«, trieb er sie an. »Ich kann nur abschätzen, wie lange es dauert, bis Gisol sein Ziel erreicht.«
Hintereinander rannten sie durch den Ringkorridor Richtung Zentrale. Ein unbedarftes Besatzungsmitglied wäre vor den vier großen, aus Metall in unterschiedlichen Farben bestehenden Erscheinungen zurückgewichen, doch die Besatzung der EPOY II bestand aus nur drei Personen.
Und die hielten sich in der Zentrale auf, deren Schott sich bereitwillig vor den Wächtern öffnete. Juanita und Segal lagen bewußtlos auf dem Boden, Gisol stand wie eine Statue am Kommandostand. Er reagierte nicht auf die Eindringlinge, schien nicht einmal zu bemerken, daß sie die Zentrale seines Schiffs betreten hatten.
Ohne zu zögern schob Svante sich zwischen das Eingabepult und den Worgun in Menschengestalt. Er riß ihn von den Kontrollen weg, um weiteres Unheil zu verhindern. Plötzlich kam Bewegung in Gisol. Er versuchte den Schwarzen zur Seite zu drängen, um wieder Zugriff auf die Bedienungselemente zu bekommen, doch Svante stieß ihn zurück. Ein kurzes, heftiges Gerangel begann, für das Svante keine Zeit hatte. »Haltet ihn fest!« rief er seine Kameraden zu Hilfe.
»Wir sind schon da.«
Simon packte Gisol, der sich verzweifelt gegen den eisenharten Griff wehrte. Es war sinnlos, denn körperlich waren die Wächter so gut wie jedem biologischen Wesen haushoch überlegen. Schließlich sah Gisol ein, daß er gegen seine Bewacher nichts ausrichten konnte, und seine Gegenwehr erlahmte.
»Die beiden anderen erlangen ihr Bewußtsein zurück«, warnte Simon.
Juanita und Segal benötigten keine Übergangsphase, um zu sich zu kommen. Sie waren von einem Moment auf den anderen hellwach. Die junge Frau sprang in die Höhe, der Worgunmutant in der Gestalt eines Flinkrenners stieg auf seine vier Beine und versuchte zwischen den Wächtern hindurchzukommen, um zu beenden, was Gisol begonnen hatte.
»Haltet sie mir vom Leib! Sie bringen es fertig, etwas zu zerstören, das es unmöglich macht, die EPOY vor dem Sturz in die Sonne zu bewahren.«
Doris und Arlo fingen die beiden Aufgewachten ein und nahmen ihnen jeden Bewegungsspielraum. Juanita strampelte und zappelte, der Flinkrenner versuchte den Vorteil von jeweils vier (künstlichen) Armen und vier (organischen) Beinen auszuspielen. Selbst mit ihnen war er der Kraft eines Wächters hoffnungslos unterlegen.
»Wir haben sie unter Kontrolle.«
Arlo hatte die Worte kaum ausgesprochen, als Juanita und Segal wieder bewußtlos wurden. Die Wächter legten sie behutsam auf dem Boden ab und ließen sie nicht aus den Augen. Svante achtete nicht auf sie. Er griff in die Steuerkontrollen der EPOY ein und brach den Flug ab.
*
Der muskulöse Mann mit der hellen Haut und den blonden Haaren, der mißmutig durch die Zentrale der POINT OF stapfte, war nur äußerlich ein Mensch. So, nämlich als Jim Smith, war Gisol einst auf der Erde aufgetreten, bevor er sich als Worgun zu erkennen gegeben hatte. Seither war Jim Smith seine bevorzugte Erscheinungsform geblieben, zumal Juanita ihn am liebsten in dieser Gestalt sah.
»Ich habe keine Erklärung für das, was in mich gefahren ist«, bedauerte er mit säuerlicher Miene. »Ich kann euch nur sagen, weshalb ich mit meinem Schiff in die nächste Sonne fliegen wollte. Es war ein immens starker Zwang, gegen den ich mich nicht wehren konnte. Eigentlich wollte ich das auch gar nicht, weil mir völlig richtig erschien, was ich vorhatte. Ich fühlte mich nicht fremdgesteuert. Im Gegenteil, ich war überzeugt, ausschließlich meinen eigenen Wünschen zu folgen. Es war, als würde ich endlich umsetzen, was ich schon immer hatte tun wollen. Statt von Angst vor dem bevorstehenden Tod war ich von Vorfreude erfüllt, endlich meinen langgehegten Wunsch in die Tat umsetzen zu können.«
»Unglaublich«, kommentiert Svante das Gehörte.
»Und doch ist es wahr. Ich hatte noch keine Gelegenheit, mich bei euch Wächtern zu bedanken. Das möchte ich hiermit nachholen. Ihr habt Juanita, Segal und mir das Leben gerettet. Ohne euer Eingreifen wären wir und die EPOY zu Bestandteilen der Sonne geworden. Das ist keine sehr angenehme Vorstellung.«
»Euch beiden ging es wie Gisol, Juanita und Segal?« fragte Dhark.
Juanita nickte zögernd. »Ich hätte ohne mit der Wimper zu zucken auf diese Weise mein Leben beendet.«
»Genau wie ich«, fiel Segal in den Tenor seiner beiden Freunde ein.
Dhark hatte sich immer noch nicht ganz an das Erscheinungsbild des Mutanten gewöhnt. Segal ähnelte mit seinen langen, schlanken Beinen, dem langen Hals und dem sehnigen Körper einer irdischen Giraffe. Mit seinem erstaunlichen Bastelgeschick hatte er den Tierkörper aufgewertet, indem er ihm im Schulterbereich vier künstliche Arme implantiert hatte. Da sie gleichmäßig um den Halsansatz herum angeordnet waren, ragte ein Paar nach vorn und eines nach hinten. Zudem sorgte ein operativ in seinen Rachen integriertes Sprachmodul dafür, daß er sprechen konnte wie vor seiner finalen Verwandlung, die sich leider nicht mehr rückgängig machen ließ.
Die Wächter hatten Gisol, Juanita und Segal mit an Bord gebracht. Die EPOY II trieb, von Svante in den Automatikbetrieb versetzt, unbemannt daneben im Raum.
»Also schön«, seufzte Dhark. »Jeder von euch dreien war darauf erpicht, sich umzubringen. Dieser Drang ist verschwunden, seit ihr euch in der POINT OF befindet.«
»Gleichzeitig mit den Kopfschmerzen, die alle an Bord befallen haben«, gab Doorn zu bedenken. »Alle mit Ausnahme von Laetus, Nauta, Kadett Hawker und mir, weil wir unsere Abschirmreifen trugen. Die unbekannte Kraft, die über uns hergefallen ist, hat also ihre Tätigkeit eingestellt.«
»Haben Sie eine Idee, woher diese Kraft stammt, Arc? Und wieso hat sie bei uns überhaupt Wirkung gezeigt? Schließlich besitzt die POINT OF eine technische Para-Abschirmung, die uns genau vor solchen Attacken schützen soll.«
»Zunächst einmal können wir davon ausgehen, daß diese Kraft in der EPOY voll zum Tragen kam. Ohne die Abschirmung der POINT OF hätten wir sie in der gleichen Intensität zu spüren bekommen wie Gisol. Zu unserem Glück kam nur soviel durch, daß es eben für heftige Kopfschmerzen reichte.«
»Eigentlich müßte das völlig ausgeschlossen sein.«
»Ist es aber nicht, wie wir gemerkt haben«, brummte Doorn. »Und ich fürchte, daran sind wir selbst schuld. Die Abschirmung der POINT OF ist nicht mehr umfassend. Sie ist an ein paar Stellen durchlässig geworden.«
Chris Shanton wühlte nachdenklich in seinem Kinnbart. »Das ist…«
»Unmöglich?« fiel Doorn seinem Freund ins Wort. »Leider nicht, denn wir haben etwas übersehen. Die Türme mit den Wuchtkanonen wurden nachträglich eingebaut. An diesen Stellen ist die abschirmende Wirkung unterbrochen.«
»Du meinst, die Wuchtkanonen perforieren gewissermaßen die Abschirmung des Rumpfes.«
»So kann man es ausdrücken. Sie sind durchlässig gegen Parakräfte und machen damit das ganze Schiff angreifbar. Wir haben uns zu sicher gefühlt.«
»Ja, das klingt logisch.«
»Es erklärt aber nicht, weshalb auch die Nomaden betroffen waren. Wir wissen, daß sie immun sind gegen jedwede Art von Parakraft.«
»Ich war nur ein ganz klein wenig betroffen«, bellte Pakk Raff.
Der Rudelführer wollte sich die Blöße nicht eingestehen, dachte Dhark. »Bei deinem Berater sah das ganz anders aus. Ihn hat es buchstäblich von den Beinen gehauen.«
»Ja, das läßt sich nicht leugnen. Es scheint sich um eine andere als um eine herkömmliche Parakraft zu handeln. Wenn wir wüßten, woher sie kam, als sie uns traf, würde uns das wahrscheinlich weiterhelfen.«
»Dazu kann ich eine Angabe machen.« Artus, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, trat einen Schritt vor. »Während alle Biowesen an Bord, die keinen Abschirmreifen trugen, beeinträchtigt waren, und die EPOY II davonraste, habe ich den Checkmaster dazu veranlaßt, verschiedene Messungen vorzunehmen.«
»Was ist dabei herausgekommen?«
Obwohl es überflüssig war, zupfte Artus sein grünes Stirnband mit dem goldenen »A« zurecht, eine Geste, die er sich angewöhnt hatte und die er bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zur Schau trug. Danach verschränkte er seine dünnen, röhrenförmigen Arme vor dem Torso.
»Wir hören, Artus«, drängte Dhark.
»Der Checkmaster hat einen Kegel unbekannter Energie ermittelt, in dem POINT OF und EPOY II lagen. Leider ist es nicht gelungen, die Quelle genau anzupeilen. Soviel läßt sich aber mit Sicherheit sagen: sie liegt ungefähr im Zentrum des unerforschten Sternenbereichs, also in dem Raumsektor, für den wir uns interessieren.«
»Wir reden also von einer Entfernung von etwa fünfundzwanzig Lichtjahren.«
»Mehr oder weniger, ja.«
Doorns Gesicht hellte sich auf.
»Sie haben eine Idee, Arc?«
»Allerdings, Dhark. Hätten wir es mit einer natürlich Parakraft zu tun, wären die Nomaden nicht davon betroffen worden. Deshalb gehe ich von einer künstlichen Paraenergiequelle aus.«
»Künstlich erzeugte Paraenergie?«
Doorn nickte. »Von einer Quelle maschinell erzeugter Energie. Sie löst in jedem, der von dieser Kraft getroffen wird, Selbstmordabsichten aus.«
Shanton stieß ungläubig die Luft aus, und Gisol verzog zweifelnd das Gesicht.
»Das klingt reichlich weithergeholt«, fand Doris.
Für einen Moment sah Doorn zu der rötlichen Wächterin hinüber, nur um den Blick gleich wieder von ihr abzuwenden. Dhark entging das hektische Flackern in seinen Augen nicht. Doorn hatte die Trennung von seiner Frau noch nicht verwunden, nicht daß sie aus ihrer Ehe ausgebrochen war, um sich dem Wächterorden anzuschließen, und schon gar nicht, daß sie eine neue Beziehung aufgebaut hatte, zu allem Überfluß mit einem anderen Wächter, nämlich mit Svante, der als der unausgesprochene Anführer unter den vieren galt.
»Ich stimme Doris zu«, sagte Svante.
»Wieso überrascht mich das nicht?« brummte Doorn.
Der Schwarze überging die Bemerkung. »Wieso sollte es jemand darauf anlegen, andere Wesen in den Selbstmord zu treiben?«
»Ist das nicht offensichtlich? Um sie sich vom Leib zu halten. Es gibt keine effektivere Methode, das zu erreichen, als wenn die Neugierigen sich selbst umbringen.«
Dhark registrierte den allgemeinen Unglauben über Doorns Überlegung. Auch er selbst bezweifelte, daß sie zutraf.
»Jetzt wirkt diese Kraft nicht mehr. Keiner von uns spürt eine Beeinträchtigung oder hat gar den Drang sich umzubringen.«
»Weil die unbekannte Kraft aussetzte, sobald sich unsere Schiffe nicht mehr bewegten. Es ging dem Unbekannten darum, uns von dem unerforschten Sternenbereich fernzuhalten. Da wir uns dem nicht weiter nähern, stellen wir keine Gefahr mehr dar und werden ignoriert. Ich bin sicher, das wird sich ändern, wenn wir unseren Flug fortsetzen.«
»Oder er will seinen Standort nicht verraten, wenn er registriert, daß die Kraft nicht mehr wirkt. Deren genauer Ursprungsort bleibt weiter ungewiß«, erinnerte Artus. »Und deine Theorie, daß wir es mit einer Maschine zu tun haben, steht weiterhin auf tönernen Füßen, Doorn.«
Der Angesprochene kniff die Augen zusammen. »Ich habe eine Idee, wie wir herausfinden können, ob es sich tatsächlich so verhält, wie ich annehme. Dazu genügt ein simpler Test. Wir haben den vor uns liegenden Raumbereich wie üblich ohne Tarnung angeflogen. Das ist völlig richtig, denn wie sollen wir friedliche Absicht demonstrieren, wenn wir uns getarnt anschleichen? Doch nach dem Angriff gehen wir anders vor. Wir kehren um und entfernen uns so weit, daß der Unbekannte von unserem Verschwinden überzeugt ist. Dann fliegen wir das unerforschte Gebiet von einem anderen Punkt aus an, und zwar zunächst ohne Tarnung, danach unter voller Tarnung. Werden wir in letzterem Fall nicht entdeckt, deutet viel auf eine Maschine hin.« Er machte eine kurze Pause. » Denn Tarnanlagen wirken nicht auf jemanden mit Parafähigkeiten. Ein paramächtiges Lebewesen würde uns trotz aktivierter Tarnung registrieren, eine Maschine hingegen nicht, wenn unsere Tarnung ihre Peilmöglichkeiten übersteigt.«
»Dummerweise übersiehst du eine naheliegende Möglichkeit«, hielt Shanton seinem Freund vor. »Wer immer uns angegriffen hat, kann über eine ganz normale Ortungseinrichtung verfügen. Wenn er mit ihr nichts erreicht, kann er immer noch seine Parakräfte einsetzen. Somit ergibt sich nicht schlüssig, ob es sich um eine Maschine oder ein Lebewesen handelt.«
»Mist, du hast recht. Wieso habe ich das übersehen?«
Weil Doorn abgelenkt war, überlegte Dhark bei dessen verärgertem Gesichtsausdruck. Die Situation mit Doris machte ihm sehr zu schaffen, auch wenn er bestrebt war, sich das nicht anmerken zu lassen.
Schon der vorangegangene Redeschwall war völlig untypisch für den ansonsten so wortkargen Doorn. Unter diesen Vorzeichen wäre es zweifellos besser gewesen, die Wächter nicht an Bord zu haben.
»Im Grunde sind wir also keinen Schritt weiter«, sagte Dhark.
»Vielleicht nicht, aber das ändert nichts an meiner Meinung«, hielt Doorn verbissen an seiner Einschätzung fest. »Ich bin dafür, den unerforschten Bereich mehrmals aus verschiedenen Richtungen anzufliegen, denn trotz meines Gedankenfehlers wäre das der richtige Weg, um Klarheit zu erlangen. Zumindest sehe ich keinen anderen.«
Dhark sah die Anwesenden der Reihe nach an. Weder Shanton noch Artus hatte einen Vorschlag, deshalb stimmte er Doorns Forderung zu.
»Aber wir schließen jedes Risiko aus. Jeder an Bord trägt einen Abschirmreifen. Das gilt auch für deine Nomaden, Pakk.«
Der Rudelführer gab sein Einverständnis. Obwohl er es nur ungern zugab, hatte er schließlich am eigenen Leib erfahren, daß auch die Karrorr vor dem paramentalen Angriff nicht gefeit waren. Gisol, Juanita und Segal wurden ebenfalls mit den Abschirmern versorgt.
»Ihr solltet trotzdem bei uns an Bord bleiben«, schlug Dhark vor. »Wir wissen nicht, ob die Reifen allein stark genug sind, um die fremden Parakräfte abzuwehren, oder ob sie nur zusammen mit der eingebauten Abschirmung der POINT OF funktionieren.«
»Einverstanden«, stimmte Gisol zu. »Was geschieht mit der EPOY II? Ich würde sie nur ungern in Warteposition zurücklassen.«
»Ich kann den Checkmaster anweisen, die Steuerung deines Schiffes per To-Richt zu übernehmen. So würde sie an all unseren Manövern teilnehmen und wäre jederzeit kurzfristig verfügbar.«
»Gute Idee.«
Dhark erließ die entsprechenden Befehle und übernahm die Steuerung der POINT OF. Er beschleunigte mit SLE bis auf 70 Prozent Lichtgeschwindigkeit und leitete eine Transition ein.
*
Regungslos wie ein Fels in der Brandung stand Artus vor dem Instrumentenpult und interagierte mit dem Checkmaster. Mit Unterstützung des Bordgehirns hielt er Ausschau nach der fremden Energie, die er bereits zuvor angemessen hatte. Diesmal hatte Dhark ihn offiziell für diese Aufgabe eingeteilt. Auch Tino Grappas Ortungsinstrumente arbeiteten mit Höchstleistung.
Dhark hatte einen anderen Anflugweg gewählt als beim ersten Vorstoß. Gelassen steuerte er den Ringraumer, dessen Tarnung deaktiviert war. Hin und wieder schaute er unauffällig zu Doorn hinüber, der sich Mühe gab, räumliche Distanz zu den Wächtern zu bewahren, was in der relativen Enge der Zentrale gar nicht so einfach war. Es wurde Zeit für ein klärendes Gespräch zwischen Doorn und Doris, fand Dhark, doch er hatte nicht vor, dem Rotschopf diesbezügliche Ratschläge zu geben. Mit seinem Alter von über zweieinhalbtausend Jahren verfügte der Worgun über ausreichend Lebenserfahrung, um zu wissen, wie er sich zu verhalten hatte. Ungefragte Ratschläge hätte er womöglich als ungebetene Einmischung in seine privaten Belange betrachtet. Damit war Dhark nicht gedient. Das Klima an Bord durfte nicht vergiftet werden, sonst kam es schnell zu Nachlässigkeiten, aus denen Fehler resultierten.
»Wir nähern uns der Distanz, bei der der Angriff einsetzte«, meldete Grappa. Beiläufig tastete der Mailänder nach dem Abschirmreifen, den er wie alle an Bord auf dem Kopf trug.
»Wenn ich wieder einen Brummschädel bekomme, wird dieser Unbekannte mich kennenlernen«, drohte Shanton. »Der schlimmste Kater, an den ich mich erinnern kann, war ein laues Lüftchen dagegen.«
Die Wächter hatten sich vor der Bildkugel aufgebaut und wichen einander nicht von der Seite. Segal beobachtete die Vorgänge in der Zentrale aufmerksam. Es schien ihm zu gefallen, daß hier mehr Betrieb herrschte als in der EPOY II, deren Besatzung nur aus ihm sowie Gisol und Juanita bestand, jenen beiden, die ihn auf Epoy gerettet und mit an Bord genommen hatten.
»Die fremde Energie ist wieder da.« Endlich kam Bewegung in Artus. Er beugte sich vor und nahm ein paar rasche Eingaben am Instrumentenpult vor. »Der Checkmaster wird bereits aktiv.«
»Ich bestätigte«, meldete sich Grappa zu Wort. Nun, da er wußte, worauf er zu achten hatte, bekamen seine Ortungseinrichtungen den Energiekegel herein.
Das bedeutete, daß die Parakraft ebenfalls wieder aktiv wurde. Dhark lauschte in sich hinein. Er registrierte nicht die geringste Veränderung.
»Spürt irgendwer eine Beeinträchtigung?«
»Negativ«, verkündete Shanton. »Die Kerle können von Glück reden.«
»Alles in Ordnung«, ließ Grappa den Kommandanten wissen.
Pakk Raff schielte zu seinem Berater. »Wie fühlst du dich?«
»Bestens, Rudelführer«, freute sich Priff Dozz. »Die Abschirmung läßt nichts durch.«
Entspannt lehnte Dhark sich in seinem Sessel zurück. Bis hierhin gingen die Vorsichtsmaßnahmen auf. Nun konnte das vorbereitete Schauspiel beginnen – und schon begann es. In der Bildkugel war die EPOY II zu sehen. Sie scherte aus dem Verbund aus, änderte den Kurs und raste, stetig beschleunigend, auf die nächste Sonne zu. Das Geschehen wiederholte sich, doch diesmal war es nicht Gisol, der den Ringraumer steuerte, sondern der Checkmaster.
»Das gefällt mir überhaupt nicht.« Juanita hatte sich zu Artus gesellt. Ihre Finger veranstalteten einen kleinen Trommelwirbel auf dem Instrumentenpult, ihre Lippen bebten. »Ich darf gar nicht daran denken, daß wir uns auf diese Weise beinahe in den Tod gestürzt hätten.«
»Nur die Ruhe.« Dhark zwinkerte der ehemaligen Straßengöre, die Gisol in den Slums von Rio de Janeiro aufgelesen und unter seine Fittiche genommen hatte, beruhigend zu. Inzwischen war Juanita zu einer in jeder Hinsicht hervorragend ausgebildeten achtzehnjährigen Latino-Schönheit geworden. »Euch kann nichts passieren, ebensowenig wie der EPOY.«
Gisol ergriff Juanitas Hand und drückte sie kurz. »Das heißt nicht, daß die Mordabsichten des Unbekannten vergeben und vergessen sind.«
»Das ist ihm einmal gelungen, wird es aber nie wieder. Nur bekommt der Unbekannte das nicht mit, weil er der Meinung ist, immer noch die Fäden in der Hand zu halten.«
Wie zur Bestätigung zeichneten sich in der Bildkugel vier Flash ab, die eben aus den Depots der POINT OF gestartet waren. Diesmal wurden sie nicht von Simon, Svante, Doris und Arlo gesteuert, sondern ebenfalls vom Checkmaster. Akribisch wiederholte er den Rettungsversuch, den zuvor die Wächter unternommen hatten. Die Flash transitierten in Flugrichtung vor den Ringraumer und flogen mit eingeschalteten Intervallfeldern in ihn hinein. Für einen möglichen Beobachter war der Unterschied zum ersten Rettungseinsatz nicht zu erkennen. Für ihn mußte es so aussehen, als liefe alles ab wie beim erstenmal. Der Ringraumer wurde gewissermaßen im letzten Moment gerettet.
Die EPOY flog zurück zur POINT OF, und einträchtig zogen sich die beiden Schiffe zurück. Dhark führte eine kurze Transition durch, die mit Unterstützung des Checkmasters auch die EPOY einschloß.
Ein bordweiter Rundruf über Bordsprech ergab, daß kein einziges Besatzungsmitglied auch nur einen Hauch der Para-Attacke verspürt hatte. Das Tragen der Abschirmer hatte sich als effizientes Abwehrmittel erwiesen, auf das man sich verlassen konnte.
»War die Peilung der Energiequelle erfolgreich, Artus?« fragte Dhark.
»Ich kann den Bereich einschränken, allerdings noch keine genaue Ortsbezeichnung vornehmen«, antwortete der Roboter.
»Tino?«
»Artus’ Ergebnisse decken sich mit den meinen, Commander. Für eine exakte Bestimmung bedarf es eines weiteren Anflugs.«
Der war ohnehin geplant.
Nach der Transition setzte Dhark einen neuen Kurs, und abermals näherten sich die beiden Schiffe dem unerforschten Raumbereich aus einer wieder anderen Richtung.
*
Beim dritten Anflug war die Tarnung aktiviert. Während Dhark die POINT OF auf den unerforschten Raumsektor zusteuerte, schweiften seine Gedanken ab. Irgendwer versuchte sie mit seiner Parafalle davon abzuhalten, in diesen Bereich einzufliegen. Es mußte gute Gründe für diese Blockade geben. Natürlich konnte der Unbekannte nicht ahnen, daß er die Menschen mit seinem Vorgehen erst recht neugierig machte und zudem deren Erwartungshaltung erhöhte, auf einen Parabegabten zu treffen, den Margun und Sola so dringend für die Bedienung ihrer Anlage in der Gigantstation ARKAN-54 brauchten.
Als wieder die kritische Distanz zum Zielgebiet erreicht war, saugten sich Dharks Blicke an der Bildkugel fest, obwohl es dort nichts Außergewöhnliches zu sehen gab. Wie oft schon hatten sie vergleichbare Situationen erlebt? Anflug auf ein bestimmtes Ziel, von dem sie nicht wußten, was sie dort erwartete, und getrieben von der Hoffnung, etwas zu finden, das hilfreich war.
Es waren zahlreiche Male gewesen, resümierte er, häufig von Erfolg gekrönt, zuweilen jedoch auch mit einer Enttäuschung endend.
Neuland war eine verheißungsvolle Gegend, dachte Dhark optimistisch. Jedesmal wartete dort das Unbekannte, lauerten Gefahren und gediehen Hoffnungen.
»Macht sich die fremde Energie nicht bemerkbar, Artus?«
»Bisher nicht, Dhark.«
»Das untermauert meine Theorie«, brummte Doorn.
»Aber es bestätigt sie auch noch nicht. Es hält nur weiterhin die Option offen, daß sie zutreffen könnte«, warf Shanton ein.
Doorn nickte. Dhark war froh, daß der Einwand von Doorns bestem Freund kam und nicht von einem der Wächter. Derzeit ließ sich nicht voraussagen, wie der rothaarige angebliche Sibirier, von dem Doris sich geradezu demonstrativ fernhielt, darauf reagieren würde. Natürlich, weder war sie dumm, noch konnte ihr der Gemütszustand des Mannes entgehen, mit dem gemeinsam sie Jahre verbracht hatte und der immerhin noch ihr Ehemann war.
»Immer noch nichts«, sagte Artus eine halbe Minute später.
»Genau wie bei mir. Ist das nun ein gutes Zeichen oder ein schlechtes?« fragte Grappa.
»Den genauen Ausgangsort des Energiekegels können wir so jedenfalls nicht feststellen«, antwortete der Roboter pragmatisch. »Ich schlage vor, daß wir umkehren und einen weiteren Anlauf ohne Tarnung unternehmen.«
Noch zögerte Dhark, den Anflug abzubrechen. Er wollte ganz sicher sein. Die Minuten verrannen, ohne daß eine Änderung eintrat. Die POINT OF blieb unentdeckt, und auch die Lebewesen an Bord wurden offenbar nicht bemerkt, denn die gegen die Besatzung gerichtete Parakraft blieb aus. Schließlich brach Dhark den Anflug ab, kehrte um, ging in eine Transition und leitete das Manöver abermals aus einer ganz anderen Richtung ein.
*
Danach führte Dhark noch mehrere offene Anflüge durch. Dabei trat ein, was schon beim ersten Mal geschehen war. Jedesmal wurde die POINT OF entdeckt, Artus maß die fremde Energie an, und die Para-Attacke gegen die Besatzung wiederholte sich. Die unbekannte Kraft konnte niemandem an Bord etwas anhaben, die Abschirmung blockierte sie vollständig.
Immer führte der Checkmaster die nachempfundene Rettungsaktion durch, nachdem die EPOY II ausgeschert war und sich auf den fingierten Selbstmordflug machte. Der unbekannte Angreifer wurde so in dem Glauben gelassen, Macht über die Wesen an Bord zu erlangen.
Bald hatte man den Ausgangspunkt der Parafalle zweifelsfrei angepeilt. Artus’ und Grappas Messungen deckten sich, doch Dhark war immer noch nicht zufrieden. Es gab eine letzte Ungewißheit, über die sie Klarheit erlangen mußten, bevor sie in den unerforschten Raumbereich eindrangen und das ermittelte Sonnensystem anflogen. Vor den letzten beiden Versuchen begaben sich Gisol, Juanita und Segal zurück in die EPOY, die nach wie vor vom Checkmaster gesteuert wurde. Dort trugen sie weiterhin ihre Abschirmreifen, um bei einem neuerlichen Angriff nicht sofort übermannt zu werden. Nun mußte sich zeigen, ob die kleinen mobilen Abschirmer allein einen sicheren Schutz gegen die Beeinflussung boten oder nur im Zusammenspiel mit der Abschirmung der POINT OF zuverlässig wirkten. Damit Gisol nicht wieder durchdrehte, begleitete Artus ihn als Aufsicht. Die Vorsichtsmaßnahme erwies sich als überflüssig.
»Weder Gisol noch Juanita oder Segal zeigen Zeichen von Beeinflussung«, gab Artus durch. »Der Para-Angriff kann ihnen nichts mehr anhaben.«
»Das ist der Beweis, daß die Abschirmreifen als zuverlässiger Schutz gegen die unbekannte Kraft genügen«, folgerte Shanton. »Von der eingebauten Abschirmung der POINT OF kann man das nicht behaupten. Arc hatte recht. Die nachträglich eingebauten Wuchtkanonen haben Lücken geschaffen, von denen wir keine Ahnung hatten.«
»Daran können wir derzeit nichts ändern«, bedauerte Dhark. »Sobald wir zurück in der Milchstraße sind, werde ich Charaua um Nachrüstung bitten, damit dieses Problem bei unserer nächsten Mission behoben ist. Bis dahin müssen wir mit der Schwachstelle zurechtkommen. Jetzt, da wir wissen, daß es sie gibt, können wir uns darauf einstellen.«
Doorn räusperte sich vernehmlich. »Konzentrieren wir uns auf unsere derzeitige Mission. Offenbar trifft meine Überlegung zu. Wir werden nur beim Anflug ohne Tarnung angegriffen. Arbeitet sie, bleiben wir verschont. Also lauert kein Parabegabter auf uns, der die Besatzung registriert. Ergo haben wir es mit einer Maschine zu tun, die die Parakräfte schickt. Die Parastrahlung wird künstlich erzeugt.«
Entgegen seinen anfänglichen Vorbehalten war Dhark inzwischen geneigt, Doorn zuzustimmen. Seine Ausführungen klangen logisch und schienen durch die Fakten bestätigt zu werden. »Würde das ein Problem bedeuten, Nauta?«
»Davon gehe ich nicht aus«, antwortete Margun. »Dem Parakraftverstärker in ARKAN-54 dürfte es egal sein, ob die Eingabeenergie organisch oder künstlich erzeugt ist.«
Sola in der Gestalt von Laetus nickte. »Dem stimme ich zu. Ob ein biologisches Bewußtsein oder eine Maschine, das ist gleichgültig. Mit dem vermuteten Gerät wäre unser Problem gelöst.«
»Gut.« Damit stand Dharks Entscheidung. Er wandte sich an Gisol, der aus der EPOY II zugeschaltet war. »Ich habe vor, zu dem angepeilten Punkt vorzustoßen.«
»Volle Tarnung?«
»Und schön langsam. Auf diese Art dürften wir vor Entdeckung sicher sein.«
»Einverstanden.«
Wieder steuerte Dhark die POINT OF selbst. Er setzte Kurs und flog den unerkundeten Bereich mit geringer Geschwindigkeit und der gebotenen Vorsicht an.
*
Da es für ihn augenblicklich nichts zu tun gab, hatte Doorn die Zentrale verlassen. Zunächst begab er sich in seine Kabine, doch schon bald drohte ihm die Decke auf den Kopf zu fallen. Er hatte seine persönlichen Probleme verdrängt, so gut es ihm möglich war, und versucht, an etwas anderes als Doris zu denken. Seit die Wächter in die POINT OF gekommen waren, war ihm das nicht mehr möglich. Selbst wenn er sie nicht sah, waren sie ständig in seinem Kopf präsent, da er wußte, daß er ihnen jederzeit im nächsten Moment über den Weg laufen konnte.
Mit dem Kopf voller Zweifel streifte er durch das Schiff. Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Doris war eine Wächterin und würde das für einen Zeitraum von 98 Jahren bleiben – mindestens. Wie sie sich danach entscheiden würde, war ungewiß. Doorn war sogar bereit gewesen, ihr diese Zeit, die einem normalsterblichen Menschen unübersehbar erschien, zuzugestehen, weil er die Hoffnung hegte, daß sich die Beziehung zwischen ihnen danach wieder normalisieren würde. Schließlich würde er in diesem Zeitraum biologisch praktisch nicht altern. Was diesen Aspekt anging, verloren sie also nichts und entfernten sich auch nicht weiter voneinander.
Indes war alles anders gekommen. Doris hatte eine Verbindung zu dem Wächter Svante aufgebaut. Zu Svante Steinsvig, dem ehemaligen Erdmeister der Gäa-Jünger. Fühlte sie sich nun zu dem schwarzen Wächter hingezogen oder zu Steinsvigs Essenz, die in dem Tofiritleib steckte? Es fiel Doorn schwer, die Natur dieser Beziehung überhaupt nachzuvollziehen.
Im Grunde, gestand er sich ein, wollte er das auch gar nicht. Er wollte Doris zurückhaben und war sich gleichzeitig über die Aussichtslosigkeit, dies zu erreichen, im klaren. Doch noch wollte er nicht sämtliche Hoffnung fahren lassen. Er gab sich der Illusion hin, die bestehende Situation durch ein klärendes Gespräch mit Doris ändern zu können. Zumindest wurde es Zeit, daß sie sich austauschten und endlich einmal offen über alles redeten, was vorgefallen war.
Dummerweise wußte er nicht, wo er nach ihr suchen sollte. Die Wächter hatten die Zentrale eine ganze Weile vor ihm verlassen. Wo in der POINT OF hielten sie sich auf? Sie benötigten keine Kabine, schließlich mußten sie sich nicht einmal zum Schlafen hinlegen. Die Vorstellung, daß sie sich wie Arbeitsroboter in einen kahlen, dunklen Alkoven zurückzogen, bis sie aktiv wurden, an einen Aufbewahrungsort gewissermaßen, hatte etwas Unwirkliches, etwas Beängstigendes beinahe, zumindest was Doris anging. Svante hingegen konnte, jedenfalls soweit es Doorn betraf, für immer und ewig in einer Abstellkammer bleiben und Spinnweben ansetzen.
Ihm fiel der sogenannte Haustechniker Stanley Oliver ein, der meistens Bescheid wußte, was wo an Bord vor sich ging. Vielleicht hatte er eine Ahnung, wohin die Wächter sich verkrümelt hatten. In der Hoffnung, Oliver in seiner Kabine anzutreffen, begab Doorn sich dorthin. Er hatte Glück. Der aus Liverpool stammende Techniker hatte Freischicht und war in die Lektüre eines Buchs versunken, dessen Text über einen Bildschirm lief.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?« fragte Oliver erstaunt, nachdem er die Kabinentür geöffnet hatte.
Doorn zögerte. Plötzlich kam er sich ein wenig albern vor, wie ein eifersüchtiger Pfau, der sein Gefühlsleben offenbarte, wenn er nach seiner Frau fragte.
»Mister Doorn, alles in Ordnung? Wollen Sie vielleicht eintreten?«
»Nein.« Doorn schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Ich habe bloß eine Frage an Sie. Ich suche nach der Wächterin Doris… ich meine, ich suche nach den Wächtern. Ich muß mit ihnen reden.«
»Simon und Arlo haben keine feste Unterkunft bezogen. Über ihren Aufenthaltsort kann ich leider keine Auskunft geben. Svante und Doris haben mich um eine gemeinsame Kabine gebeten.«
»Eine Kabine?«
»Ja.«
Diese Auskunft hatte Doorn nicht erwartet. Sie ergab keinen Sinn.
»Was wollen die beiden denn mit einer Kabine?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe sie nicht gefragt.«
»Nein, natürlich nicht. Haben Sie ihnen eine zugewiesen?«
»Sicher. Warum denn nicht? Schließlich haben wir an Bord immer freie Kapazitäten. Es ist ja nicht das erste Mal, daß wir jemanden mitnehmen, der nicht zur Stammbesatzung gehört, und ich bin derjenige, der…«
»Ich weiß«, schnitt Doorn dem Techniker das Wort ab. »Welche Kabine?«
Oliver nannte die Nummer, und Doorn kam sich durchschaut vor, obwohl der »Hausmeister« mit keiner Regung zu verstehen gab, was er dachte. Doorn bedankte sich und schlenderte in die Richtung, die ihm genannt worden war. Er war verwirrt, weil er nicht begriff, weshalb Doris und der Schwarze sich eine Kabine hatten zuteilen lassen. Für Wächter war dieses Verhalten untypisch. Weder benötigten sie einen Ort zum Erholen, noch gaben sie sich Freizeitaktivitäten hin.
Vor der Kabinentür blieb er abermals stehen. Es wurmte ihn, daß seine Frau die Unterkunft mit einem anderen Wächter teilte statt mit ihm. Das war ein weiterer Punkt, über den sie reden mußten. Alles, was Doris unternahm, fiel auch auf ihn zurück. Er fürchtete, daß sich die Besatzung hinter seinem Rücken das Maul über ihn zerriß. Daß diese Sorge unbegründet war, wußte er ganz genau, dennoch konnte er die Vorstellung nicht unterdrücken.
Ohne darüber nachzudenken, betätigte er die Öffnungsautomatik der Tür – was er bei einem anderen Besatzungsmitglied niemals getan hätte, um dessen Privatsphäre nicht zu verletzen. Aber Wächter besaßen nun einmal keine Privatsphäre. Wie sehr er sich irrte, erkannte Doorn im nächsten Moment.
Er erstarrte, als er Doris und Svante erblickte. Ihre Grundform war kaum noch zu erkennen. Beide Körper waren regelrecht eingesponnen in einen Kokon hauchdünner Tofiritfäden. Unzählige rötliche und schwarze Fäden waren so sehr miteinander verflochten, daß es kaum möglich schien, sie jemals wieder voneinander zu trennen. Die beiden Wächterkörper waren durch tausend Berührungspunkte miteinander verschmolzen.
»Was… was…?« stammelte Doorn. Er schluckte, als er begriff, wovon er Zeuge wurde. Ungläubig starrte er auf die Verbindung, die aussah wie das bizarre Werk eines überkandidelten Bildhauers. Er empfand eine Mischung aus Verblüffung und Faszination, die Sekunden später in Ekel umschlug.
Wortlos drehte er sich um und stapfte davon, sich bittere Selbstvorwürfe machend. Wieso war er eingetreten, ohne seinen Besuch anzukündigen? Ob Mensch oder Wächter, Doris hatte in der einen wie in der anderen Erscheinungsform Respekt verdient. Mit einer normalen Verhaltensweise hätte er sich den verstörenden Anblick ersparen können, doch nun wollte das Bild vor seinen Augen nicht mehr vergehen.
Er hatte gehofft, durch ein klärendes Gespräch ein wenig Normalität in den Umgang mit Doris zurückzubringen. Er hatte das Gegenteil erreicht.
*
Doris war der Welt entrückt. Sie war auf eine Weise mit Svante verbunden, die kein Mensch nachvollziehen konnte, weil sie weit über die körperliche Einswerdung hinausging. Sie war nicht Mensch und war nicht Wächter, sondern Teil von etwas Größerem, das sie nicht hätte definieren können. Zwar konnte sie nicht die Gedanken ihres Partners lesen, doch sie berührte seinen Geist. Sie durchlebte Momente höchster Glückseligkeit, die sich auf keine andere Art erzielen ließen. Doris konnte sich nicht vorstellen, daß es möglich war, diesen Zustand zu übertreffen.
Er verging jäh und glich einem Absturz, der Leere in Geist und Seele hinterließ.
Und gleich darauf einsetzende Wut auf denjenigen, der den Zauber des Augenblicks zerstörte.
Mit allen ihr zur Verfügung stehenden Sinnen registrierte Doris den Eindringling und spürte gleichzeitig, wie sich die Verbindung löste. Svante zog sich von ihr zurück, und sie zog sich von Svante zurück. Die Tausenden Tofiritfäden, eben noch nichts anderes als sichtbare Auswüchse ihrer Gefühle, lösten sich voneinander.
Doris und Svante wurden zu Wächterin Doris und Wächter Svante.
Dieser Narr, schimpfte der Schwarze stumm. Dieser unverschämte Dummkopf. Was bildet er sich ein?
Ich bin sicher, Arc kam nicht mit bösen Absichten herein. Er ist doch sofort wieder gegangen.
Das ändert nichts an seiner Anmaßung. Er hätte gar nicht hereinkommen dürfen. Wieso verteidigst du ihn?
Ich verteidige ihn nicht. Es gibt keine Entschuldigung für sein Fehlverhalten. Mein Ärger auf ihn ist viel größer als deiner.
Der rötliche und der schwarze Tofiritkörper standen in der Mitte der Unterkunft, dicht beisammen und hätten doch nicht weiter voneinander entfernt sein können. Die körperliche Verbindung war zerrissen, die Gefühle der beiden Liebenden erreichten den Partner nicht mehr auf unmittelbarem Weg.
Doris überwand die Erstarrung, tat einen zögerlichen Schritt und betrachtete die verschlossene Tür. Sie scheute davor zurück, sie zu öffnen, weil sie dadurch unweigerlich in die Realität zurückkehrte.
Wir sind in die Realität zurückgekehrt, belehrte Svante sie. Wir taten es, sobald dein arroganter Ehemann sich das Recht herausnahm, in unsere Privatsphäre einzudringen. Er mißachtet uns, denn das hätte er bei keinem Menschen gewagt. Es ist unerheblich, ob es sich dabei um Absicht handelte oder um Gedankenlosigkeit, da es nichts an der Tatsache ändert. Sein Eindringen beweist seine Geringschätzung uns gegenüber, weil wir anders sind als er.
Er liebt mich noch.
Darf er daraus ein Recht an dir ableiten, das er nicht mehr hat?
Nein, natürlich nicht. Doris stimmte Svante zu. Sie konnte und wollte Arcs Verhalten nicht hinnehmen. So sehr es ihn auch schmerzte, er mußte lernen, sich mit den Tatsachen abzufinden. Ihn Verständnis spüren zu lassen war der falsche Weg. Es hätte nur dazu geführt, die Wirklichkeit aufzuweichen. Ich gehe und rede mit ihm.
Ja, antwortete Svante nur.
*
Es gelang ihm nicht, auch nur für zwei Minuten Ruhe zu bewahren. Wie ein Tiger in Gefangenschaft stapfte Doorn in seiner Kabine hin und her. Seine Emotionen kochten hoch, und es gelang ihm nicht, sie unter Kontrolle zu bekommen. Zu allem anderen ärgerte ihn dieser Umstand zusätzlich. Er war Wissenschaftler, ein Mann des Geistes, des Intellekts und der Fakten. Es sollte ihm ein Leichtes sein, seinen Kopf zu gebrauchen und seine Gefühle zu unterdrücken. Unzähligen verstörenden Situationen hatte er sich im Laufe seines langen Lebens ausgesetzt gesehen, die er durch Analyse und schlüssige Folgerungen überwunden hatte, doch sein Beziehungsgeflecht ließ sich mit keiner davon vergleichen.
Geflecht!
Doorn schüttelte sich, als schon wieder das Bild in ihm hochzukriechen begann, das er gesehen hatte. Er war Zeuge einer körperlichen Verbindung zwischen zwei Wächtern geworden. Unter anderen Umständen hätte ihn als Wissenschaftler so etwas kaum erschüttert, aus intellektueller Sicht war der Vorgang sogar höchst faszinierend. Doorn hätte ihn mit anderen Augen betrachtet, wenn nicht Doris Teil dieser Verbindung gewesen wäre.
Doris, die immer noch seine Frau war und die er mehr liebte als jemals eine andere vor ihr.
Er versuchte, seinen Zorn, seine Verwirrung und seine Frustrationen unter Kontrolle zu bringen. Doris hatte ihn verlassen, und nicht der kleinste Hoffnungsschimmer war geblieben, daß sie jemals zu ihm zurückkehren würde, und sei es selbst nach 98 Jahren. Er hatte sie verloren, und dieser Verlust war endgültig.
Finde dich damit ab! Löse dich von ihr und mach dich nicht selbst fertig.
Wenn das so einfach gewesen wäre. Die gemeinsamen Jahre ließen sich nicht negieren und Gefühle nicht auf Knopfdruck abschalten.
Nie hätte Doorn gedacht, daß er sich genau das einmal wünschen würde, doch nun war es so. Er hätte nichts dagegen gehabt, all seiner Emotionen verlustig zu gehen.
Der Türsummer ließ ihn zusammenzucken. Nicht jetzt, nicht ausgerechnet jetzt! Er wollte nicht gestört werden. In seinem Gemütszustand war zu befürchten, daß er jeden brüskierte, der ihm zu nahe kam. Er war versucht, die Meldung des Besuchers kurzerhand zu ignorieren, aber dann öffnete er doch. Ein gut zwei Meter großer, gesichtsloser Tofiritkörper stand vor ihm.
»Doris.«
»Ja.«
Seine Frau wartete nicht auf die Aufforderung zum Eintreten, sondern ging schnurstracks an ihm vorbei. Doorn wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Er fühlte sich durch ihren Besuch geradezu überfahren. Ohnehin war er nicht in der Stimmung für ein sachlich geführtes Gespräch. Seine Überlegungen wollten nicht abklingen, das Durcheinander in seinem Kopf ließ sich nicht ordnen, und die schmerzhaften Stiche in seinem Herz wollten nicht enden.
»Was willst du?« fragte er kurz angebunden. Eine freundlichere Begrüßung bekam er nicht zustande.
»Was ich will? Was wolltest du?« konterte Doris. »Wer ist denn in unsere Kabine eingedrungen, ohne dazu aufgefordert worden zu sein?«
»In unsere Kabine?«
»In Svantes und meine.«
»Mir ist klar, daß du das meinst«, knurrte Doorn angriffslustig. Mäßige dich, mahnte er sich, und mach nicht alles noch schlimmer. »Ich hatte nicht vor, euch zu überraschen. Ich konnte ja nicht ahnen, daß ihr… was ihr…«
»Ich höre. Sprich dich ruhig aus.«
»Was ihr da drinnen treibt.«
»Was wir treiben, geht dich gar nichts an.«
»Vielleicht kannst du dir denken, daß ich das ein wenig anders sehe.«
»Das ändert nichts an der Situation. Du bist mir lieb und teuer, doch meine Liebe gilt Svante. Je schneller du dich damit abfindest, desto besser ist es für jeden von uns.«
»Wie soll ich mich damit abfinden, daß du dich mit ihm vergnügst? Er ist ein Roboter, genau wie…« Doorn biß sich auf die Zunge.
»Genau wie ich?« fragte Doris. Stocksteif stand sie in seiner Kabine. Verzweifelt versuchte Doorn die warmherzige Frau in der kalten Tofirithülle zu sehen. Sie steckte doch darin. Ihr Äußeres war unwichtig. Sie war immer noch Doris.
»Nicht genau wie du. Du bist nicht wie er.«
»Du irrst dich, Arc. Ich bin sogar genau wie er. Die Beziehung, die Svante und mich verbindet, ist eine andere als die, die zwischen uns bestand.«
»Besser? Willst du das sagen?«
»Anders«, sagte Doris.
Besser meinte sie aber. Doorn bebte vor Zorn. Es gelang ihm nicht, seine ungewollte Reaktion zu unterdrücken. Sie war verräterisch und entblößte sein Innerstes. Im Gegenzug war es ihm nicht vergönnt, in Doris’ Gesicht zu lesen, da Wächter kein Gesicht besaßen.
»Was wir treiben, wie du es nennst, ist ganz normal zwischen Menschen, die sich lieben.«
Doorn hatte das Gefühl, von einem Faustschlag getroffen zu werden. »Ihr seid Wächter, keine Menschen«, sagte er gegen seinen Willen. Er merkte, daß er sich selbst widersprach. Es war ihm egal.
»Äußerlich.« Doris hob einen Arm und klopfte sich gegen die Brust. »Aber hier drin sind wir Menschen, und wir haben ebensolche Gefühle wie du.«
»So wie du dich mir gegenüber verhältst, scheint mir das nicht so. Wieso müßt ihr euch als Wächter dermaßen zur Schau stellen?«
»Zur Schau stellen?« Doris fuhr in die Höhe. »Das ist ja wohl die Höhe. Darf ich dich daran erinnern, daß du einfach in unsere Kabine eingedrungen bist? Wir haben dich nicht eingeladen. Du hast es nicht einmal für nötig befunden anzuklopfen. Der Arc Doorn, den ich kenne, hätte sich niemals so verhalten.«
»Der Arc Doorn, den du kennst, hätte sich niemals mit einer Wächterin eingelassen.« Doorn preßte die Lippen zusammen, doch es war zu spät. Die Worte hatten ihren Weg in die Freiheit gefunden, und er konnte sie nicht zurücknehmen. Er wollte es auch gar nicht.
Doris ging an ihm vorbei. Ohne etwas zu sagen, verließ sie seine Kabine. Doorn griff nach dem nächstbesten Gegenstand und schmetterte ihn gegen die Wand.
*
Svante erwartete Doris in der gemeinsamen Kabine in der Position, die er zuvor eingenommen hatte. Er hatte sich während ihrer Abwesenheit nicht bewegt. Zum erstenmal nahm Doris diesen Wesenszug der Wächter bewußt zur Kenntnis. Sie verhielt sich häufig selbst so, ohne daß sie es bewußt registrierte. Wenn Wächter nichts zu tun hatten, mußten sie nicht wie Menschen ständig in Bewegung sein. Theoretisch konnten sie jahrelang unbeweglich an einer Stelle stehen, und kein Beobachter käme auf die Idee, daß die Tofiritgestalt beseelt war.
Doris erschrak ein wenig. Bedeutete dieses Verhaltensmuster eine Abkehr von ihrem Menschsein? Sie lauschte in sich hinein und hielt Ausschau nach weiteren Veränderungen, die ihr bisher nicht aufgefallen waren, weil sie nicht darauf geachtet hatte.
»Stimmt etwas nicht?« fragte Svante.
Die einzige Frau in Reihen der Wächter zögerte. Sie fragte sich, ob Svante oder Arlo jemals von ähnlichen Zweifeln an ihrem Daseinszustand geplagt wurden. Sie entschied, Svante nicht zu sagen, was sie beschäftigte. Wenn zu dieser Frage eine qualifizierte Stellungnahme zu erwarten war, dann von Simon, dessen menschliches Bewußtsein schon lange in einem Wächterkörper lebte.
In einem Roboter, erinnerte sich Doris an Arcs abwertende Bezeichnung.
»Hast du mit Arc gesprochen?« drängte der Schwarze.
»Ja«, beeilte Doris sich zu sagen. »Ja, das habe ich.«
»Und? Was hat er zu seiner Verteidigung zu sagen?«
»Gar nichts. Er ist uneinsichtig.« Doris hob einen Arm und winkte ab. »Im Grunde haben wir uns nicht unterhalten, wir haben gestritten. Ich hätte es voraussehen müssen.«
Nun, da sie aussprach, was zwischen Arc und ihr geschehen war, wurde ihr das Dilemma erst so richtig bewußt. Er liebte sie und verachtete sie zugleich, kurioserweise aber nicht, weil sie zu einer Wächterin geworden war, sondern weil sie sich einen anderen Wächter zum Partner genommen hatte. Das schien Arc viel stärker zu verletzen als die Tatsache, daß sie ihn verlassen hatte.
»Bedeutet seine Uneinsichtigkeit, daß er uns auch in Zukunft belästigen wird?«
»Er hat uns nicht belästigt, jedenfalls nicht mit Absicht.« Es war Doris unerklärlich, daß sie Arc immer noch verteidigte. »Nenn es einfach Dummheit, daß er in unsere Kabine geplatzt ist.«
»Dann frage ich anders: Wird seine Dummheit dazu führen, daß er uns auch in Zukunft behelligt?«
»Nein. Er hat mich aufgegeben.«
Svante hob eine Hand und berührte Doris’ Schulter. Es geschah mit einer Zärtlichkeit, die kein Mensch in dieser Geste erkennen konnte. »Du scheinst davon überzeugt zu sein.«
Der Arc Doorn, den du kennst, hätte sich niemals mit einer Wächterin eingelassen, klangen ihr die Worte ihres Mannes in den Ohren. Sie hatten wehgetan, verletzt, weil sie die Verachtung ausdrückten, die Arc für die Frau empfand, die er geliebt hatte. Oder, was noch schlimmer war, die er immer noch liebte. Doch es war sinnlos. Wieso konnte er das nicht einsehen? Gerade wenn sie ihm immer noch etwas bedeutete, hätte er ihnen beiden das Leben leichter machen können.
»Er hat mir deutlich zu verstehen gegeben, was er von mir hält«, sagte sie.
»Ich könnte mit ihm reden und ein paar Dinge zurechtrücken«, bot Svante an.
»Untersteh dich. Ich habe keine Ahnung, wie er reagieren würde.« Doris lachte bitter auf. »Ich weiß es tatsächlich nicht. So wenig kenne ich ihn. Ist das nicht traurig? Aber ich fürchte das Schlimmste. Geh ihm einfach aus dem Weg, bis er über alles hinweg ist.«
»Das ist schwierig an Bord eines Raumschiffs. Im Interesse des Schiffsbetriebs werden Arc und ich hin und wieder dazu gezwungen sein, zusammenzuarbeiten.«
»Dann beschränke den Kontakt auf diese Situationen. Ich hoffe, daß Arc im Laufe der Zeit zur Vernunft kommt und sich zu einem halbwegs erträglichen Umgang mit uns durchringt. Und wenn nicht, erledigt sich die Sache spätestens, wenn wir die POINT OF wieder verlassen und uns anderen Aufgaben zuwenden.«
»Ich verspreche es dir. Das gilt aber nicht für den Fall, daß Arc noch einmal hier hereinplatzt.«
»Das wird er nicht.« Doris hoffte inbrünstig, daß sie mit dieser Behauptung recht behielt.
*
Einige Stunden waren vergangen, seit Dhark Kurs gesetzt hatte. Seitdem war es zu keinen unvorhergesehenen Zwischenfällen gekommen. Der Anflug auf das ermittelte Sonnensystem verlief nach Plan. Die Schiffe und ihre Besatzungen wurden nicht angemessen.
Dhark erwartete, daß sie das Zielgebiet unbehelligt erreichen würden.
Irgendwann kam Doorn in die Zentrale zurück. Er zog ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter und machte einen noch mürrischeren Eindruck als ohnehin von ihm gewohnt.
»Wo warst du?« empfing Shanton seinen Freund.
»Ich habe einen Spaziergang unternommen, um über ein paar Dinge nachzudenken. Das wird ja wohl noch erlaubt sein. Aber wenn irgendwen hier meine Anwesenheit stört, kann ich ja wieder gehen. Offenbar kommt ohnehin jeder besser ohne mich zurecht.«
Dhark horchte auf. Der Blick aus mehreren Augenpaaren richtete sich auf Doorn. Auf wen dessen letzte Bemerkung gemünzt war, war nicht schwer zu erraten.
»Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen?« fragte Shanton.
»Eine Laus? Nein, ein ausgewachsener Wächter. Oder besser, eine Wächterin.«
»Komm mal wieder runter, Arc.«
»Noch weiter runter? Das ist anscheinend kaum noch möglich«, brummte Doorn.
Dhark gab Shanton durch ein Handzeichen zu verstehen, den Mann in Ruhe zu lassen. Er erhob sich aus dem Pilotensessel und nickte Falluta zu.
»Übernehmen Sie die Steuerung, Hen.«
»Aye, Commander.« Der Erste Offizier ließ sich auf dem Platz nieder, auf dem zuvor Dhark gesessen hatte, der sich wiederum nun zu Doorn begab und sich schweigend neben ihn stellte.
»Entschuldigung, Dhark. Keine Frage, ich muß mich ein bißchen besser beherrschen.«
»Sagen Sie das mal Ihrem Busenfreund Shanton. Sie haben ihn ziemlich angefahren. Ich glaube, er ist ein wenig perplex, und zwar zu Recht.«
»Ich weiß. Später.«
»Was ist passiert?« Es war offensichtlich, daß etwas vorgefallen war.
»Es geht um Doris.«
»Darauf würde wohl jeder der Anwesenden kommen, Arc. Es war auch nicht zu überhören. Wollen Sie wirklich, daß alle mitbekommen, wie es Ihnen geht?«
»Das ist mir völlig egal.«
»Das glaube ich Ihnen nicht. Ich weiß, Sie sind kein Mann, der übermäßigen Wert auf seine Reputation legt. Das haben Sie auch nicht nötig, weil Sie bei allem, was Sie tun, verdammt gut sind. Aber öffentlich zelebriertes Selbstmitleid hilft Ihnen nicht. Es sorgt höchstens dafür, daß Sie Ihren Ruf zerstören.«
»Wen stört das schon?«