Patricks Verführung - Tina Folsom - E-Book

Patricks Verführung E-Book

Tina Folsom

0,0

Beschreibung

Während der Abwesenheit seiner Eltern leitet Vampir-Hybride Patrick Woodford vorübergehend Scanguards und übernimmt die Ermittlung eines brutalen Mordes, die einen Vampirangriff vermuten lässt, jedoch bald auf eine gefährlichere, übernatürliche Bedrohung hindeutet. Als Fallon Doyle sich an Scanguards wendet, um Schutz vor ihrem obsessiven Ex-Freund zu suchen, zögert Patrick, ihren Fall anzunehmen. Nach einem Angriff auf Fallon muss er allerdings feststellen, dass ihr Stalker weitaus bedrohlicher ist, als er vermutet hatte. Während Patrick versucht, den Presidio-Mord aufzuklären und gleichzeitig Fallon vor einer wachsenden Gefahr zu beschützen, entfacht eine starke Anziehungskraft zwischen ihnen. Als klar wird, dass Fallon in größerer Gefahr schwebt, als irgendjemand hätte vorhersagen können, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Werden sie es schaffen, die Bedrohung zu bekämpfen, damit ihre gemeinsame Zukunft nicht zerstört wird, bevor sie überhaupt begonnen hat? Lara Adrian, New York Times Bestseller Autorin der Midnight Breed Serie: "Ich bin süchtig nach Tina Folsoms Büchern! Die Scanguards Serie ist eine der heißesten Sachen, die es bei Vampirliebesromanen gibt. Wenn Sie glühend heiße, sich rasant entwickelnde Romane lieben, dann verpassen Sie diese packende Serie nicht!" Über die Serie Die Scanguards Vampirserie ist voll von rasanter Action, brennenden Liebesszenen, witzigen Dialogen und starken Helden und Heldinnen. Vampir Samson Woodford lebt in San Francisco und besitzt die Sicherheits-/Leibwächterfirma Scanguards, die sowohl Vampire als auch Menschen beschäftigt. Und letztendlich auch einige Hexer. Später in der Serie tauchen auch ein paar unsterbliche Hüter und Dämonen auf. Jedes Buch kann als alleinstehender Roman gelesen werden (keine Cliffhanger) und dreht sich immer um ein neues Paar, das die Liebe findet, aber die Serie macht mehr Spaß, wenn sie chronologisch gelesen wird. Scanguards Vampire Band 1 - Samsons Sterbliche Geliebte Band 2 - Amaurys Hitzköpfige Rebellin Band 3 - Gabriels Gefährtin Band 4 - Yvettes Verzauberung Band 5 - Zanes Erlösung Band 6 - Quinns Unendliche Liebe Band 7 – Olivers Versuchung Band 8 – Thomas' Entscheidung Band 8 1/2 – Ewiger Biss Band 9 – Cains Geheimnis Band 10 – Luthers Rückkehr Band11 – Blakes Versprechen Band 11 1/2 – Schicksalhafter Bund Band 12 – Johns Sehnsucht Novelle – Brennender Wunsch Band 13 – Ryders Rhapsodie (Scanguards Hybriden - Band 1) Band 14 - Damians Eroberung (Scanguards Hybriden - Band 2) Band 15 - Graysons Herausforderung (Scanguards Hybriden - Band 3) Band 16 - Isabelles Verbotene Liebe (Scanguards Hybriden - Band 4) Hüter der Nacht Band 1 – Geliebter Unsichtbarer Band 2 – Entfesselter Bodyguard Band 3 – Vertrauter Hexer Band 4 – Verbotener Beschützer Band 5 – Verlockender Unsterblicher Band 6 – Übersinnlicher Retter Band 7 – Unwiderstehlicher Dämon Der Clan der Vampire Der Clan der Vampire (Venedig 1 – 2) Der Clan der Vampire (Venedig 3 – 4) Der Clan der Vampire (Venedig 5) Die Scanguards Vampirserie hat alles: Liebe auf den ersten Blick, von Feinden zum Liebespaar, Alpha-Helden, Leibwächter, Brüderschaft, Jungfrau in Not, Frau in Gefahr, die Schöne und das Biest, verborgene Identität, Seelenverwandte, erste Liebe, Jungfrauen, gequälter Held, Altersunterschied, zweite Liebeschance, trauernder Liebhaber, Rückkehr von Totgeglaubten, heimliches Baby, Playboy, Entführungen, von Freunden zum Liebespaar, Coming-out, heimlicher Verehrer, unerwiderte Liebe, Amnesie, Aristokraten, verbotene Liebe, eineiige Zwillinge, Partner bei der Verbrechensbekämpfung.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 403

Veröffentlichungsjahr: 2025

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



PATRICKS VERFÜHRUNG

SCANGUARDS VAMPIRE - BAND 19

SCANGUARDS HYBRIDEN - BAND 7

TINA FOLSOM

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Lesereihenfolge

Andere Bücher von Tina

Über die Autorin

KURZBESCHREIBUNG

Während der Abwesenheit seiner Eltern leitet Vampir-Hybride Patrick Woodford vorübergehend Scanguards und übernimmt die Ermittlung eines brutalen Mordes, die einen Vampirangriff vermuten lässt, jedoch bald auf eine gefährlichere, übernatürliche Bedrohung hindeutet.

Als Fallon Doyle sich an Scanguards wendet, um Schutz vor ihrem obsessiven Ex-Freund zu suchen, zögert Patrick, ihren Fall anzunehmen. Nach einem Angriff auf Fallon muss er allerdings feststellen, dass ihr Stalker weitaus bedrohlicher ist, als er vermutet hatte.

Während Patrick versucht, den Presidio-Mord aufzuklären und gleichzeitig Fallon vor einer wachsenden Gefahr zu beschützen, entfacht eine starke Anziehungskraft zwischen ihnen. Als klar wird, dass Fallon in größerer Gefahr schwebt, als irgendjemand hätte vorhersagen können, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Werden sie es schaffen, die Bedrohung zu bekämpfen, damit ihre gemeinsame Zukunft nicht zerstört wird, bevor sie überhaupt begonnen hat?

Abonnieren Sie hier gratis Tinas Email Newsletter

Lektoriert von Birgit Oikonomou

Copyright © 2025 Tina Folsom

Scanguards® ist ein eingetragenes Markenzeichen.

1

„Wo seid ihr heute?“, fragte Patrick.

Er saß in seinem Büro in der Scanguards-Zentrale im Mission District von San Francisco und schaute in den Computermonitor, von dem aus seine Mutter ihn anlächelte.

Delilah, schön und ewig jung, ihr Alter auf Mitte dreißig eingefroren, stand auf einem Balkon. Es war früher Vormittag in San Francisco und die Sonne war schon vor einiger Zeit aufgegangen, aber hinter seiner Mutter war es bis auf die Aurora Borealis dunkel. Diese erleuchtete die Umgebung und malte rosafarbene, rote, grüne und gelbe Schattierungen an den Himmel, als schwappten Wellen verschiedener Farben über den Himmel. Der Anblick war atemberaubend.

„Wir sind noch in Fairbanks“, antwortete sie, während sein Vater Samson ins Bild trat und einen Arm um ihre Schultern legte, wobei er in die Kamera schaute.

Samson war vor über zweihundertfünfzig Jahren in einen Vampir verwandelt worden, sah aber nicht älter als fünfunddreißig aus. Und obwohl Delilah ein Mensch war, alterte auch sie nicht, denn sie war mit Samson blutgebunden. Sein Blut sorgte dafür, dass sie so jung aussah und sich so jung fühlte wie an dem Tag, an dem sie sich vor fast vierzig Jahren gebunden hatten. Und so wie ihr gutes Aussehen in all den Jahren nicht nachgelassen hatte, so hatte auch ihre Liebe zueinander nicht nachgelassen. Im Gegenteil, sie wurde mit jedem Jahr, das verstrich, tiefer. Als Teenager war es ihm immer peinlich gewesen, wenn die beiden ihre Zuneigung in der Öffentlichkeit zeigten, aber jetzt, als Erwachsener, sah er sie an und wünschte sich, dass er eines Tages die gleiche Liebe fand, egal wer seine Partnerin auch sein mochte.

„Das ist ein toller Anblick, das Nordlicht, findest du nicht auch?“, fragte Samson und lächelte.

„Es ist umwerfend, Dad!“

Delilah zwinkerte ihm zu. „Dein Vater nutzt die Tatsache, dass wir hier oben nur vier Stunden Sonnenlicht haben, voll aus. Ich kann kaum mit ihm mithalten.“

Da sein Vater ein reinblütiger Vampir war, konnte er dem Sonnenlicht nicht trotzen. Dieses würde ihn in wenigen Augenblicken in Asche verwandeln, während Patrick als Vampir-Hybride diese Schwäche nicht hatte. Er hatte alle anderen Vorteile eines Vampirs geerbt: übernatürliche Kraft und Geschwindigkeit, Unsterblichkeit und die Tatsache, dass er nicht alterte. Tatsächlich hatte er mit einundzwanzig Jahren aufgehört zu altern, obwohl er die Veränderungen an sich selbst sehen konnte, wenn er in den Spiegel schaute.

Er war nicht mehr der Kerl mit den großen Augen, der alles für eine Chance auf ein Abenteuer riskierte. Er war reifer geworden, wog alle Vor- und Nachteile ab und war jetzt weniger impulsiv. In seinen Augen konnte er die Jahre des Wissens und der Erfahrung, die er gesammelt hatte, und den Mann, zu dem er geworden war, erkennen, obwohl der Rest seines Gesichts von den verheerenden Zeichen des Alterns unberührt war. Leute, die ihn nicht kannten, hielten ihn vielleicht für zu jung, um Verantwortung zu tragen, aber in den Augen seiner Familie und seiner Freunde bei Scanguards konnte er sehen, dass sie ihn als selbstbewussten Mann mit einer starken Ethik und grenzenloser Energie sahen.

Samson gluckste leise und drückte Delilah einen Kuss auf die Schläfe. „Es ist eine Traumreise.“

„Wie gefällt es Maya und Gabriel?“

„Sie können nicht genug vom Schnee bekommen“, antwortete Samson.

„Sie sind gerade beim Skilanglauf“, fügte Delilah hinzu. „Das musste ich auslassen. Das ist viel zu anstrengend für mich.“ Sie schaute Samson an. „Du hättest mitgehen können, wenn du gewollt hättest.“

„Ich verbringe die Zeit viel lieber mit dir, Süße.“

„Ich sollte euch gehen lassen“, sagte Patrick, denn er erkannte, dass seine Eltern diesen Blick in den Augen hatten, den sie immer hatten, wenn sie alleine sein wollten. Er musste kein Hellseher sein, um zu wissen, was sie taten, wenn sie alleine waren – schließlich ließ der Sexualtrieb eines Vampirs mit dem Alter nicht nach, genauso wenig wie der seiner blutgebundenen Gefährtin.

„Wie läuft’s mit Scanguards?“, fragte Samson schnell. „Gibt es Probleme?“

„Es läuft alles reibungslos.“

„Und der Juwelierkongress? Gab es Probleme mit den zusätzlichen Sicherheitskräften, die wir bereitgestellt haben?“

„Sie sind alle mit uns zufrieden. Alle fühlen sich sicher. Keine Diebstähle oder versuchte Diebstähle. Wir haben das im Griff.“

Plötzlich öffnete sich die Tür und Nicholas, ein Vampirhybride, der drei Jahre jünger war als er, eilte herein. „Patrick, wir haben eine Leiche im Presidio.“

„Was ist los?“, fragte Samson, dessen sensibles Vampirgehör Nicholas’ Worte aufgeschnappt hatte.

Nicholas näherte sich und schaute auf den Bildschirm. „Ich wollte nicht unterbrechen, Samson, aber Patrick wird gebraucht.“

„Geh, mein Sohn“, sagte Samson schnell. „Ruf mich später an und sag mir, ob ich irgendwie helfen kann.“

Patrick schüttelte den Kopf. „Das mache ich nicht, Dad. Du bist im Urlaub und ich kann mit der Leitung von Scanguards umgehen. Deshalb hast du mir die Verantwortung übertragen, während du und Gabriel weg seid. Vertrau mir, ich habe hier all die Hilfe, die ich brauche. Stimmt’s, Nicholas?“

„Absolut.“ Nicholas nickte kurz und blähte seine Brust auf, um Selbstbewusstsein zur Schau zu tragen.

„In Ordnung.“ Samson klang zögernd, aber dann nickte er. „Ich vertraue dir.“

„Tschüss, Dad, tschüss, Mom.“

Er beendete den Videoanruf, erhob sich von seinem Stuhl und sah Nicholas an.

„Gib mir die Details“, verlangte er und ging schon zur Tür, um das Büro zu verlassen.

Gemeinsam marschierten sie den Korridor entlang.

„Wir bekamen einen Anruf, dass die Leiche eines Joggers im Presidio, in der Nähe der Lyon-Street-Treppe, gefunden wurde. Es gab eine Menge Blut“, berichtete Nicholas. „Anita ist sofort hin und hat den Zugang der Polizei eingeschränkt.“

„Vermutet sie, dass ein Vampir das getan hat?“, fragte Patrick.

Anita Diaz-Montgomery war nicht nur mit seinem Kollegen, dem Vampir-Hybriden Cooper Montgomery verheiratet, sie war auch die Verbindungsbeamtin des SFPD, die Scanguards benachrichtigte, wenn bei einem Verbrechen der Verdacht bestand, dass Vampire oder andere übernatürliche Kreaturen beteiligt waren. Sie unterstand direkt dem Polizeichef sowie Samson – und in dessen Abwesenheit demjenigen, der bei Scanguards das Sagen hatte. Sie war eine sehr fähige Kriminalbeamtin und hatte einige Jahre zuvor maßgeblich dazu beigetragen, einen Vampir-Serienmörder zur Strecke zu bringen.

„Ich habe nur kurz mit ihr gesprochen, aber ja, das ist ihr Bauchgefühl“, bestätigte Nicholas. „Buffy sollte bereits im Presidio sein und die Leiche sichern, damit sie eine vorläufige Untersuchung durchführen kann.“

„Wer ist noch vor Ort?“

„Anita ist immer noch dort. Und Benjamin war in der Gegend, also habe ich ihn hingeschickt, um Buffy zu helfen und auf uns zu warten.“

Patrick nickte, zufrieden, dass alle vorbereitenden Maßnahmen bereits in die Wege geleitet worden waren. „Gut.“

In den letzten Jahren hatte sich Nicholas zu einem engagierten und kompetenten Ermittler und Leibwächter entwickelt, der bereit war, die Welt zu erobern, wenn man ihm nur die Gelegenheit dazu geben würde. Er musste zwar sich selbst nichts mehr beweisen, doch versuchte er immer noch, seinen strengen Vater Zane, einen reinblütigen Vampir, zu beeindrucken. Von Zane, der den Holocaust überlebt hatte, hatte er einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit geerbt. Zane hatte seine Nazi-Peiniger über sechs Jahrzehnte lang gejagt, bis er die angemessene Strafe für deren Verbrechen ausgeteilt hatte: den Tod. Auch heute hatte er noch eine Neigung zur Gewalt, auch wenn er sie nur gegen die Bösen richtete.

„Kennen wir die Identität des Opfers?“

Nicholas öffnete die Tür zur Tiefgarage und schaute über seine Schulter. „Nein. Wir wissen nur, dass es ein männlicher Jogger war.“

Patrick folgte ihm in die Garage, wo sie zu einem schwarzen Geländewagen mit getönten Scheiben gingen. Nicholas stieg auf der Fahrerseite ein und Patrick nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Wenige Augenblicke später schossen sie aus der Tiefgarage und fädelten sich in den dichten Vormittagsverkehr im bunten Missionsviertel mit seinen trendigen Restaurants und Bars ein.

Während Nicholas sich auf das Fahren konzentrierte, ließ Patrick seine Gedanken schweifen. Er wusste, dass sein Vater bereit war, ihm mehr Verantwortung zu übertragen, aber wollte er das wirklich? Scanguards zu leiten bedeutete weniger Zeit im Außendienst und mehr im Büro. Auch wenn es ihm nichts ausmachte, bestimmte Dinge bei Scanguards zu beaufsichtigen, war er doch für den Außendienst am besten geeignet: Menschen beschützen, Verbrechen ermitteln, die von Mitgliedern seiner eigenen Spezies begangen wurden, und Unschuldige retten. Er konnte sich nicht vorstellen, die ganze Nacht im Hauptquartier zu verbringen, um Berichte zu erhalten, bei denen Handlungsbedarf bestand, nur um diese Fälle dann an andere zu delegieren, wo er sich doch lieber selbst die Hände schmutzig machen wollte.

In gewisser Weise war er gar nicht so anders als sein Vater. Immer öfter sah er in den Augen seines Vaters, dass auch er Missionen durchführen wollte. Aber nachdem Samson fünf Jahre zuvor entführt worden und dabei fast umgekommen war, hatte er gelernt, den Drang, an den gefährlichsten Missionen teilzunehmen, um Delilahs willen zu unterdrücken. Die Angst, ihren Mann fast zu verlieren, saß ihr tief in den Knochen und war für jeden sichtbar. Seine Eltern standen sich jetzt noch näher, wenn das überhaupt möglich war. Ihre Liebe war in der Gegenwart der Gefahr gewachsen.

Er seufzte. Würde er jemals eine Frau finden, die er so lieben konnte, wie Samson Delilah liebte? Und eine, die ihn im Gegenzug auch so liebte?

„Stimmt was nicht?“, fragte Nicholas mit einem Seitenblick.

Patrick zuckte mit den Schultern und lenkte von seinen Gedanken ab. „Glaubst du, dass die Menschen jemals aufhören werden, sich gegenseitig umzubringen?“

„Das bezweifle ich. Es liegt in der Natur eines jeden. Wir sind alle dazu fähig. Wir brauchen nur den richtigen Auslöser.“

Überrascht über Nicholas’ weise Worte nickte er vor sich hin. „Tja, dann wollen wir mal sehen, was diesmal der Auslöser war.“

Nicholas fuhr an den Straßenrand und parkte am östlichen Rand des Presidio-Parks, wo die Stufen der Lyon Street zum Marina-Bezirk hinunterführten und ein offenes Eisentor in das Presidio einlud, ein bewaldetes Gebiet, das mit Wander-, Fahrradwegen und engen Straßen durchsetzt war.

Der Nebel hing immer noch tief über dem Park, was für Januar ungewöhnlich war. Normalerweise waren die Tage in den Wintermonaten klar und nebelfrei und nur gelegentliche Regenwolken verdeckten die Sonne. Aber heute lugte noch nicht einmal die Sonne durch den dichten Nebel. Als wollte sie den unglücklichen Mann, der beim Joggen dem Tod begegnet war, nicht beleuchten.

Nicholas öffnete nach dem Aussteigen den Kofferraum und nahm eine große schwarze Tasche heraus. Patrick kannte den Inhalt: ein forensisches Set, mit dem man an einem Tatort Beweise sichern konnte.

Sie mussten nur vier- oder fünfhundert Meter laufen, bevor sie den Tatort erreichten, ein Gebiet mit mehreren hohen Bäumen und ein paar Büschen entlang des Wanderwegs. Den abgebrochenen Ästen und zertrampelten Pflanzen nach zu urteilen, hatte das Opfer wohl versucht, seinem Angreifer zu entkommen. Die Verfolgungsjagd war jedoch kurz gewesen, was darauf hindeutete, dass die Geschwindigkeit des Opfers der des Täters nicht gewachsen gewesen war.

Der Geruch von Blut wurde mit jedem Schritt, den sie näher an die Leiche herankamen, intensiver. Benjamin nickte ihm und Nicholas zu, als sie sich näherten. Dessen Blick schweifte durch die Gegend, um nach ahnungslosen Zivilisten Ausschau zu halten, damit er sie von der grausigen Szene fernhalten konnte. Benjamin war einer der Zwillingssöhne Amaurys, dem reinblütigen Vampir, der Samsons bester Freund war. Benjamins Zwillingsbruder Damian hatte seine Gefährtin ein paar Jahre zuvor gefunden und war dann aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen, um mit Naomi in ein Haus in der Marina zu ziehen. Benjamin behauptete immer, er sei noch nicht bereit für die Ehe. Patrick fragte sich jedoch, ob Benjamin seinen Zwilling insgeheim darum beneidete, dass er seine Seelenverwandte gefunden hatte, während er immer noch das Leben eines Schürzenjägers führte, der plötzlich seinen besten Kumpel verloren hatte.

Patricks Blick fiel auf Buffy, die 26-jährige schwarze menschliche Stieftochter von John Grant, einem reinblütigen Vampir im Dienst von Scanguards. Sie kauerte neben dem toten Jogger und untersuchte, was von ihm übrig war. Er bewunderte Buffy dafür, wie ruhig sie mit dieser wichtigen Aufgabe umging, nämlich forensische Beweise von der Leiche und deren unmittelbaren Umgebung aufzusammeln. Sie hatte Maya, der Scanguards-Ärztin, schon oft geholfen, nicht nur bei der medizinischen Notfallversorgung, sondern auch bei der Durchführung von Autopsien. Dies würde die erste Autopsie sein, die sie während Mayas Abwesenheit allein durchführte.

Neben Buffy stand Anita. Die große Blondine war Scanguards’ Kontaktperson beim SFPD.

Patrick trat näher. „Hey, Buffy. Hey, Anita.“

„Patrick.“ Buffy schaute über ihre Schulter, ihr Gesichtsausdruck war ernst. Sie atmete tief aus.

Neben ihr lag eine Trage mit einem Leichensack, bereit, die Leiche ins Hauptquartier zu transportieren, sobald sie transportfähig war.

„Danke, dass du so schnell gekommen bist“, sagte Anita. „Ich habe noch nie etwas so Brutales gesehen.“ Sie zeigte auf die Leiche auf dem Boden.

Patrick starrte auf den Leichnam. Der Jogginganzug des Mannes war mit seinem eigenen Blut durchtränkt, sein Gesicht damit verschmiert. Seine Unterarme wiesen lange Schnitte auf, als hätte jemand das Fleisch mit mehreren Messern durchschnitten. Das Schlimmste war sein Oberkörper. Er war aufgerissen, die Brusthöhle lag frei und die Rippen ragten in sonderbaren Winkeln heraus.

Patrick konnte seine Reißzähne nicht daran hindern sich auszufahren, eine automatische Reaktion auf die große Menge Blut, die die Luft schwängerte. Die Brusthöhle selbst war mit Blut und Schmutz gefüllt, sogar mit Blättern von den Büschen in der Umgebung.

„Buffy, hast du eine Ahnung, wie lange er schon tot ist?“, fragte Patrick.

„Ein bis zwei Stunden, vielleicht sogar länger. Der Körper fühlt sich bereits kühl an, und die Totenstarre hat eingesetzt. Ich dürfte mehr wissen, wenn ich die Lebertemperatur im Hauptquartier messen kann.“

Benjamin trat näher. „Er wurde also getötet, bevor die Sonne aufging?“

Buffy nickte. „Sehr wahrscheinlich.“

Patrick tauschte einen Blick mit Benjamin und Nicholas aus. Sie dachten alle dasselbe.

„Es könnte ein Vampirangriff gewesen sein.“ Er sah Anita an. „Danke, dass du das SFPD ferngehalten hast. Je weniger Leute die Leiche sehen, desto besser.“

„Glaubst du, wir haben es wieder mit einem Serienmörder zu tun wie vor ein paar Jahren?“, fragte Anita.

Für die Dauer eines Atemzugs hielt Patrick ihren Blick fest. „Oh Gott, ich hoffe nicht.“

Nicholas stellte seine Forensik-Tasche auf den Boden und begann, den Reißverschluss zu öffnen. „Der Typ sieht aus, als wäre er von einem Tier zerfleischt worden.“

Patrick brummte vor sich hin. „Sieht so aus. Wenn man jedoch bedenkt, dass es im Presidio keine Bären oder Berglöwen gibt, sieht es wirklich nach einem Vampirangriff aus. Und zwar einem ziemlich brutalen.“

Er zwang sich, trotz des schrecklichen Anblicks ganz sachlich zu bleiben. Er hatte hier das Sagen, und es war an der Zeit, allen ihre Anweisungen zu geben.

„Nicholas, such die Gegend nach Fußabdrücken, Reifenspuren und allem anderen, was uns zum Täter führen könnte, ab. Durchsuch die unmittelbare Umgebung, um herauszufinden, ob der Mörder auf der Lauer gelegen haben könnte.“

„Alles klar“, sagte Nicholas und begann, den Anweisungen Folge zu leisten.

„Benjamin, du hilfst Buffy, die Leiche ins Hauptquartier zu bringen, und unterstützt Nicholas, wenn er Hilfe braucht. Aber deine oberste Priorität ist es, Menschen vom Tatort fernzuhalten. Es gibt bestimmt noch andere Jogger und Leute, die mit ihren Hunden in der Gegend spazieren gehen.“

„Ich habe alles im Griff“, versicherte ihm Benjamin.

„Anita“, fuhr Patrick fort, „geh zurück zum SFPD. Halte deine Augen und Ohren offen für alle Berichte über körperliche Auseinandersetzungen, Übergriffe, Stalker und Ähnliches. Du weißt, worauf du achten musst: alles, was ungewöhnlich ist und auf einen Vampir hindeuten könnte.“

„In Ordnung. Ich sehe mal, was ich finden kann.“

Patrick quittierte ihre Antwort mit einem Nicken und fuhr sich dann mit der Hand durchs Haar. „Wir müssen herausfinden, wer das Opfer ist. Das könnte uns einen Hinweis auf den Täter geben.“

„Patrick, das habe ich an ihm gefunden“, sagte Buffy.

Er beugte sich zu ihr hinunter und nahm ihr den kleinen Gegenstand aus der Hand. Es war eine Hotelschlüsselkarte. Er drehte sie um und las den Namen des Hotels. „Hotel Drisco.“

„Das ist nur zwei Blocks von hier entfernt“, meinte Benjamin. „Ziemlich teurer Laden.“

„Ich gehe hin. Die können die Karte scannen, um zu sehen, zu welchem Zimmer sie gehört“, kündigte Patrick an. „Nicholas, ich nehme das Auto.“ Er warf einen Blick auf Benjamin. „Kann er mit dir zurückfahren?“

„Kein Problem, Bro“, sagte Benjamin. „Es wird sowieso noch eine Weile dauern, bis wir die Leiche transportieren können.“

Mit einem Nicken bestätigte Patrick Benjamins Worte. „Ich sehe euch alle später im Hauptquartier.“

Im Vertrauen darauf, dass alle in seinem Team sich ihrer Aufgaben bewusst waren, drehte er ihnen den Rücken zu und ging in Richtung Auto. Ein unangenehmer Schauer kroch ihm den Rücken hinauf und er blieb für einen Moment stehen und verlangsamte seinen Atem und seinen Herzschlag, um sich auf die Geräusche um ihn herum zu konzentrieren. War der Mörder noch in der Gegend?

2

„Dr. Doyle?“

Fallon Doyle schaute von dem Mikroskop auf, über das sie in ihrem Labor an der UCSF, einer medizinischen Universität in San Francisco, gebeugt saß, wo sie im Fach der Epigenetik und des Alterns forschte.

Vor ihr stand eine der Verwaltungsassistentinnen der Abteilung. Sie hatte die Frau schon ein paar Mal getroffen, konnte sich aber nicht an ihren Namen erinnern. Ihr Gehirn war zu sehr mit ihrer Forschung beschäftigt, als dass sie sich jemals die Mühe gemacht hätte, die Namen der Abteilungsmitarbeiter zu lernen, denen sie nicht täglich begegnete.

„Oh, hallo“, sagte sie schnell. „Brauchen Sie etwas?“

Die Frau schenkte ihr ein zaghaftes Lächeln. „Es tut mir leid, aber ich wollte nur alle Ihre Laborassistenten daran erinnern, dass ihre Gewerkschaftsversammlung in den großen Versammlungsraum im Anbau oben auf dem Hang verlegt wurde.“

„Oh, das habe ich vergessen.“ Fallon warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. „Wann geht sie los?“

„In zwanzig Minuten.“

„Oh, okay.“ Fallon drehte sich auf ihrem Hocker um und stand auf. „Alle mal herhören! Eure Gewerkschaftsversammlung beginnt bald. Ihr solltet jetzt losgehen.“

Ihre fünf Laborassistenten, zwei Männer und drei Frauen, standen auf.

„Wir haben noch Zeit“, protestierte Clara und deutete auf die Pipetten und Petrischalen auf ihrem Arbeitstisch. „Ich kann das Experiment nicht einfach unterbrechen.“

Die Verwaltungsassistentin räusperte sich. „Es tut mir leid, aber die Versammlung ist Pflicht.“

„Clara, ich kann Ihr Experiment fortsetzen“, bot Fallon an. „Aber ihr müsst jetzt gehen, sonst schafft ihr es nicht mehr rechtzeitig in den Anbau hinauf.“

„Würden Sie das machen?“, fragte Clara mit einem hoffnungsvollen Lächeln.

Während Fallon Clara beruhigend zunickte, gab es leise genervte Laute, aber ihre fünf Mitarbeiter machten sich schließlich auf den Weg zur Tür des Labors.

„Ich weiß nicht, warum wir überhaupt hingehen müssen“, murrte Brian. „Die tun sowieso nie etwas für uns.“

Als sich die Tür schließlich hinter ihnen schloss, kehrte Ruhe im Labor ein. Das passierte selten. Einen Moment lang schloss sie die Augen. Das einzige Geräusch in dem großen Raum war das Brummen der Gefrierschränke und Kühlaggregate, in denen sich eine Vielzahl von Gewebe- und Blutproben befanden. Da diese Proben für ihre Forschung lebenswichtig waren, waren sowohl die Gefrier- als auch die Kühlschränke mit Alarmen ausgestattet, die eine automatische Nachricht an ihr Handy schickten, wenn der Strom ausfiel oder sich die Temperatur änderte, sodass sie Maßnahmen ergreifen konnte, um den Inhalt vor dem Verderben zu bewahren.

Ein paar Augenblicke lang stand sie einfach nur da und genoss die Stille und den Frieden, die sie in den letzten Wochen vermisst hatte. Endlich hatte sie das Gefühl, dass ihr Leben zur Normalität zurückkehrte. Sie ging zu Claras Arbeitsplatz und betrachtete die Petrischalen und die handschriftlichen Notizen, die ihre Assistentin gemacht hatte. Da sie Clara diesen Auftrag gegeben hatte, fiel es ihr nicht schwer, dort weiterzumachen, wo die Laborantin aufgehört hatte.

Gerade als sie eine der Petrischalen auf den Objektträger unter dem Mikroskop stellen wollte, hörte sie das Geräusch einer sich schließenden Tür und drehte den Kopf in deren Richtung.

Ihr Herz blieb stehen, nur um unkontrolliert weiter zu pochen, und ihr Atem blieb ihr im Hals stecken, während ihr Körper den Kampf-oder-Flucht-Modus aktivierte. Sie spürte, wie ihre Hand, mit der sie die Petrischale hielt, zitterte, und setzte diese ab. Sie zwang sich, äußerlich ruhig zu bleiben, während sich innerlich alles in ihr verknotete und die Verärgerung sich schnell in Wut verwandelte.

„Du hast auf keine meiner Nachrichten oder Geschenke geantwortet“, sagte Cameron in vorwurfsvollem Ton, während seine dunklen Augen sie musterten, als er sich ihr näherte. „Das ist unhöflich. Umso mehr noch, wenn du deinen Freund so behandelst.“

„Wir haben uns vor zwei Monaten getrennt“, brachte sie mit dem wenigen Atem, den sie noch in der Lunge hatte, heraus.

„Wir haben uns nicht getrennt.“ Die Worte waren hart und kalt und von einem gefährlichen Unterton begleitet.

Das war nicht der Mann, den sie drei Monate lang gedatet hatte. Nein, nicht mehr. Der lustige, unbekümmerte Cameron Gallagher, den sie in einer Bar kennengelernt hatte, nachdem ihre Freundin kurzfristig abgesagt hatte, war nicht mehr zu erkennen. Er war charmant und romantisch gewesen und hatte sie im Sturm erobert und ihr das Gefühl gegeben, die wichtigste Frau der Welt zu sein – oder zumindest seiner Welt. Zu spät hatte sie hinter die attraktive Fassade mit den dunklen Haaren, den dunklen Augen und dem markanten Kinn, dem athletischen Oberkörper und den starken, muskulösen Armen, die sie festhielten, gesehen. Sein großer Körper, den er zu jedem Vorteil zu nutzen wusste, hatte sie so angetörnt. Sie hatte die Warnzeichen ignoriert, bis es zu spät war.

Aber jetzt sah sie ihn als das, was er wirklich war: ein arroganter, besitzergreifender, egoistischer Kerl, der dachte, er könne jeden kontrollieren, den er ins Visier genommen hatte. Und er hatte sie ins Visier genommen. Nachdem sie zwei Monate zuvor erkannt hatte, zu welcher Art von Gewalt er fähig war, hatte sie mit ihm Schluss gemacht.

Allerdings akzeptierte er diese Tatsache nicht.

„Es ist vorbei, und das weißt du auch“, sagte Fallon entschlossen.

„Ich sage, wenn es vorbei ist. Und es ist nicht vorbei“, stieß er hervor. „Du gehörst mir.“

Bei den besitzergreifenden Worten lief ihr ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter bis in ihr Steißbein und ließ ihren Herzschlag in die Höhe schnellen. Sie spürte das Vibrieren ihrer Applewatch, das sie auf ihren erhöhten Herzschlag aufmerksam machte, aber sie ignorierte es.

„Ich gehöre dir nicht. Verschwinde, bevor ich die Campus Security rufe!“

Er machte noch ein paar Schritte auf sie zu. Nur Claras Werkbank war noch zwischen ihnen. Mit seinen langen Armen und seiner Oberkörperkraft könnte er sie leicht erreichen und packen. In ihr prallten plötzlich Wut und Angst aufeinander und die beiden Gefühle kämpften um die Vorherrschaft. Sie wich zurück und fixierte ihn mit ihren Augen, denn sie befürchtete, dass er handgreiflich werden und sie verletzen würde. Ja, sie sah es in seinen Augen. Er war zu körperlicher Gewalt fähig. Das hatte er schon vor zwei Monaten bewiesen, obwohl diese damals nicht gegen sie gerichtet gewesen war.

„Lass mich in Ruhe!“

„Du brauchst mich.“

„Ich brauche dich nicht. Und ich will dich nicht. Es ist vorbei. Es ist vorbei, seit du Hank wehgetan hast.“

Cameron spöttelte, obwohl er nicht so weit ging, zuzugeben, dass er in einem Eifersuchtsanfall einen ihrer Laborassistenten verletzt hatte. „Oh bitte, Fallon, du übertreibst die Dinge. Ich beschütze nur, was mir gehört.“

Sie knirschte mit den Zähnen. „Ich gehöre niemandem. Am allerwenigsten dir!“

„Du wirst bald mir gehören! Denn du wirst mich brauchen. Du wirst schon sehen. Du lässt mir keine andere Wahl, ist dir das klar?“

Er grunzte vor sich hin und sein Gesicht verzerrte sich zu einer Maske aus Zorn und Wut. Und Hässlichkeit. Sie hätte nie gedacht, dass ein hübsches Gesicht wie Camerons sich in eine so hässliche Maske verwandeln könnte.

„Bald wirst du mich anflehen, dass du zu mir zurückkommen darfst. Du wirst mich brauchen, weil ich der Einzige bin, der dir helfen kann. Merk dir meine Worte.“

Die Bedrohung schwebte in dem leeren Labor und für ein paar Sekunden füllten nur das Geräusch ihrer Atemzüge die Stille.

„Niemals“, schwor sie.

Ein bitteres Lachen war seine Antwort. „Bald, meine liebe Fallon, bald wirst du mir gehören.“

Er machte auf dem Absatz kehrt und stakste aus dem Labor. Die Tür schlug hinter ihm zu. Sie war wie erstarrt, gelähmt von seinen Worten. Das war nicht nur ein Ex-Freund, der sauer war, dass sie Schluss gemacht hatte. Nein, er hatte sich in einen Stalker verwandelt. Seit zwei Monaten bombardierte er sie mit Geschenken, SMS-Nachrichten und Voicemails. Jetzt kam er sogar zu ihrem Arbeitsplatz, um sie umzustimmen. Aber ihr Entschluss stand fest. Cameron war weder gut für sie, noch behandelte er sie so, wie ein liebender Mann eine Frau behandeln sollte. Er wollte sie als sein Eigentum. Und sie würde niemals das Eigentum eines Mannes werden. Es war an der Zeit, ihm ein für alle Mal klarzumachen, dass es zwischen ihnen aus war.

Es war an der Zeit, die Polizei um Hilfe zu bitten. Vielleicht würde Cameron ihre Entscheidung akzeptieren, wenn sie in einer einstweiligen Verfügung verpackt war.

3

„Patrick, du musst zur Klinik kommen und dir das ansehen“, sagte Buffy am Telefon.

„Bist du schon mit der Autopsie fertig?“

Patrick stand auf und verließ das Büro, sein Handy ans Ohr gepresst.

„Nein, nur mit den vorläufigen Untersuchungen, aber das musst du dir ansehen.“

„In Ordnung, ich komme gleich runter.“

Vor dem Büro stieß er fast mit Nicholas zusammen.

„Hast du eine Minute Zeit?“, fragte Nicholas.

„Komm mit. Buffy will mich sehen.“

Nicholas schloss sich ihm an und zusammen gingen sie zum Aufzug, dessen Türen sich einen Moment später öffneten.

Als sie eintraten, fragte Patrick: „Hast du was gefunden?“

„Ja. Ich habe Fußabdrücke und Schleifspuren auf dem Boden in der Nähe des Tatorts gefunden. Es sieht so aus, als hätte der Angreifer den Mann vom Weg geschleift, damit er nicht sofort von anderen Joggern gefunden wird. Der Täter hat wohl nicht damit gerechnet, dass jemand seinen Hund ohne Leine laufen lässt.“

„Das macht Sinn“, stimmte Patrick zu. „Hast du mit dem Hundebesitzer gesprochen, der die Leiche gefunden hat?“

„Ja, eine ältere Frau, die in der Nachbarschaft wohnt. An ihr ist nichts Verdächtiges. Ihr Hund hat die Leiche gefunden. Es gab auch Pfotenabdrücke, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie von ihrem Hund stammen. Sie hat einen dieser kleinen kläffenden Hunde und die Abdrücke, die ich gefunden habe, gehören zu einem größeren Tier. Es ist möglich, dass noch andere Hunde in der Nähe waren, aber ihre Besitzer haben nicht nachgeforscht, was ihr Hund erschnüffelt hat.“

„Du denkst also, dass andere Hunde den Tatort verunreinigt haben könnten?“

„Ja, durchaus möglich. Außerdem könnten es auch Streuner gewesen sein. Oder Kojoten.“ Nicholas zuckte mit den Schultern.

„Hast du Kopien von den Abdrücken gemacht, die noch zu retten waren?“

„Ja, Pfotenabdrücke sowie Fußspuren. Nur für den Fall.“

„Gute Arbeit“, lobte Patrick.

Die Aufzugstüren öffneten sich und sie stiegen in einem der unteren Stockwerke aus, in dem sich Scanguards’ Klinik befand.

„Hast du herausgefunden, wer das Opfer ist?“, fragte Nicholas.

„Ich wollte gerade das Team zusammenrufen, um alle auf den neuesten Stand zu bringen, als Buffy anrief. Aber ja, ich habe seine Identität. Malcolm Broadmore, 42 Jahre alt, aus Cincinnati. Er ist wegen der Juwelenmesse hier.“

„Denkst du, dass Diebstahl ein Motiv gewesen sein könnte?“

Patrick zog seine Zugangskarte an der Tür zum Leichenschauhaus durch und stieß sie auf.

„Dem müssen wir nachgehen“, sagte er, als er und Nicholas eintraten.

Bekleidet mit einem grünen Krankenhauskittel stand Buffy über der Leiche, die auf einem kalten Operationstisch aus Stahl lag und von grellem Licht beschienen wurde. So wie es aussah, hatte Buffy begonnen, den Körper von Schmutz und Blut zu reinigen, um alle Wunden freizulegen.

„Hey, Leute“, sagte Buffy und ließ langsam einen Atemzug durch ihre Nasenlöcher entweichen.

„Also, was wolltest du mir zeigen?“, fragte Patrick.

Buffy zog eine Grimasse. „Es geht nicht darum, was ich dir zeigen will, sondern was ich dir nicht zeigen kann.“

Überrascht von ihrer kryptischen Bemerkung, folgte Patrick Buffys ausgestreckter Hand, die auf die Brusthöhle des Opfers zeigte.

Patrick beugte sich darüber und bemerkte, dass Buffy einen Großteil des Blutes und des Schmutzes aus der offenen Wunde entfernt und einen Rippenspreizer benutzt hatte, um die Öffnung für einen besseren Zugang zu erweitern. Er starrte in die Brusthöhle. Der Gestank des Todes umhüllte ihn und er wünschte sich gerade, er besäße nicht den überragenden Geruchssinn, mit dem alle Vampire und Vampirhybriden gesegnet waren. Doch konnte er nichts dagegen tun, also versuchte er, ihn zu ignorieren, und richtete seinen Blick stattdessen auf die freigelegten Organe. Ein paar Sekunden später richtete er sich fassungslos gerade auf.

„Oh mein Gott.“

„Was?“, fragte Nicholas neben ihm und zwängte sich an ihm vorbei, um in die Brusthöhle des Toten zu schauen. „Oh Scheiße! Ihm hat jemand das Herz herausgeschnitten?“

Buffy schüttelte augenblicklich den Kopf. „Nicht geschnitten. Die Ränder der großen Blutgefäße, die zum und vom Herzen führen, sind gezackt. Es wurde nicht herausgeschnitten. Es wurde herausgerissen. Mit bloßen Händen.“ Sie hielt einen Moment inne. „Oder mit Klauen.“

„Und das Herz? War es da drin?“, fragte Patrick, auch wenn er die Antwort schon ahnte.

„Nein.“

„Es war auch nicht in der Nähe der Leiche“, fügte Nicholas nun hinzu, „sonst hätte ich es gefunden, als ich die Abdrücke der Fußspuren nahm.“

„Scheiße!“, fluchte Patrick. Er wusste, was das bedeutete. „Nur ein Vampir hat die Kraft, jemandem mit bloßen Händen das Herz herauszureißen.“

Er warf einen Blick auf Nicholas, der sofort eine Hand hob. „Das wissen wir alle.“

„Dank deines Vaters.“

„Wie?“, fragte Buffy. „Nicholas’ Vater? Zane?“

Nicholas nickte. „Er hat einmal einem Vergewaltiger bei lebendigem Leibe das Herz herausgerissen.“ Dann sah er Patrick an. „Aber mein Vater hat nichts hiermit zu tun.“

Patrick hob seine Hände, um zu zeigen, dass er niemanden anklagte. „Hey, das weiß ich. Was ich damit sagen will, ist, dass der Mörder ein Vampir sein muss. Wenn ein Mensch das getan hätte, hätte er ein Messer oder ein Skalpell benutzen müssen, um das Herz herauszuschneiden.“

„Aber warum nimmt er das Herz mit?“, fragte Buffy. „Er kann es ja nicht essen. Es wäre möglich, dass er das Blut heraussaugt.“

„Könnte ein Fetisch sein“, überlegte Patrick. „Könnte es sein, dass das Herz später herausgerissen wurde, ich meine, als der Typ schon tot war? Ist es möglich, dass ein Kojote das Herz gefressen haben könnte?“

Zumindest würde diese Theorie einen weniger grausamen Mord nahelegen, was aber nichts am Ergebnis änderte: Ein Mann war tot.

„Ich bin mir noch nicht sicher. Ich muss alle Kratzspuren und anderen Verletzungen an der Leiche untersuchen. Ich habe auch Haare und anderes Gewebe gefunden, das ich noch untersuchen muss, um festzustellen, ob es zum Opfer oder zum Mörder gehört. Das wird eine Weile dauern.“

Patrick nickte. „Okay, wir werden nicht noch mehr von deiner Zeit in Anspruch nehmen. Ruf mich an, wenn du Neuigkeiten hast.“

Buffy nickte. Patrick und Nicholas verließen den Raum.

„Was jetzt?“, fragte Nicholas.

Patrick überdachte seine Antwort. Er war im Moment der Chef. Eigentlich sollte er alle Antworten haben, aber das war nicht der Fall. Einen Mörder zu finden, der allem Schein nach keine Beziehung zu seinem Opfer hatte, galt als eines der am schwierigsten zu lösenden Verbrechen.

„Lass uns ein paar Leute losschicken, um zu überprüfen, ob es in der Gegend Kameras gibt, sowohl Verkehrskameras als auch private Sicherheitskameras. An der Straße, die zum Eingang des Parks führt, gibt es eine Menge Villen. Die meisten von ihnen haben Sicherheitskameras im Außenbereich. Wenn wir Glück haben, haben sie jemanden gefilmt, der unserem Opfer gefolgt ist.“

„Aber die Kameras können die Aura eines Vampirs nicht einfangen.“

„Ich weiß. Aber wir können mit der Gesichtserkennung sehen, ob es jemand aus unserer Vampir-Datenbank ist.“

„Das ist ein Schuss ins Dunkle.“

Patrick zog eine Grimasse. „Ich weiß. Aber das ist alles, was wir im Moment haben.“

Irgendwo da draußen streifte ein mörderischer Vampir durch die Stadt, vielleicht schon auf der Suche nach seinem nächsten Opfer. Und alles, was sie hatten, war der Name des Opfers und ein fehlendes Herz. Nun, um genau zu sein: Das Herz hatten sie nicht.

4

Fallon wollte schreien. Sie hatte den größten Teil des Nachmittags auf dem Polizeirevier in der Nähe ihrer Wohnung in Laurel Heights verbracht und versucht, jemanden dazu zu bringen, ihr zuzuhören, und war von einem Polizisten zum nächsten weitergereicht worden. Kein Wunder, dass sich die meisten Frauen nicht die Mühe machten, zur Polizei zu gehen, denn diese war überhaupt nicht hilfreich. Sie war naiv gewesen und hatte geglaubt, man würde sich ihre Beschwerde anhören und sofort erkennen, dass Cameron Gallagher eine Gefahr für sie darstellte. Stattdessen behandelten sie sie wie eine hysterische Frau, die Aufmerksamkeit suchte. Als hätte sie sich das alles nur ausgedacht!

„Sie sagten, Ihr Ex-Freund hat Sie nie geschlagen?“, fragte der junge Polizist zum zweiten Mal und legte seine Stirn in Falten.

„Wie ich schon sagte“, betonte sie und zwang sich, ihre Stimme nicht zu erheben, „bis jetzt hat er mir nichts angetan. Aber er hat mir gedroht.“

„Wie lauteten seine Drohungen genau?“

Wie sollte sie Camerons Drohungen beschreiben? Er war vage geblieben, aber das hatte die Angst nicht gemindert, die sie empfunden hatte, als er ihr die kalten Worte entgegengeschleudert hatte: dass sie ihm gehöre. Wie meinte er das? Wollte er sie als seine Sklavin? Sein Eigentum? Um mit ihr zu machen, was er wollte? In jenem Moment war ihr bewusst geworden, dass er zu allem fähig war. Es war ein Bauchgefühl. Aber wenn sie das dem Polizisten sagte, würde er denken, dass sie übertrieb.

„Er sagte, ich würde es bereuen, ihn zu verlassen, und dass er mich dafür bestrafen würde.“ Nun, das waren zwar nicht seine exakten Worte, aber sie ergaben denselben Sinn.

„Und Sie haben Zeugen, die diese, ähm, Drohungen bestätigen können?“ Das Wort Drohungen hörte sich an, als hätte er es in Anführungszeichen gesetzt. Dabei klang er genauso zweifelnd, wie er dreinschaute.

Fallon räusperte sich. „Nein, habe ich nicht. Er kam in mein Labor bei der UCSF, als alle anderen in einem Meeting waren. Ich war allein, als er mich bedrohte. Er muss gewartet haben, bis alle weg waren, um mich allein zu erwischen.“

„Hmm.“ Der Polizist zögerte.

Sie kannte diesen Blick. Er suchte nach einer Ausrede, um sie an jemand anderen abzuschieben oder sie ganz loszuwerden, damit er sich nicht mit dem Papierkram herumschlagen musste.

„Ich sage es Ihnen: Cameron ist gefährlich. Ich fühle mich nicht sicher. Er weiß, wo ich arbeite, wo ich wohne. Er kann jederzeit an mich herankommen, wenn er das will.“

„Ich verstehe, Ms. Doyle …“

„Dr. Doyle“, unterbrach sie ihn. „Was muss ich denn noch tun, um eine einstweilige Verfügung zu bekommen? Ich meine, ist das nicht genau das, wofür sie da ist? Um Frauen wie mich vor gewalttätigen Ex-Freunden zu beschützen?“

Der junge Polizist schluckte schwer und sein Adamsapfel wippte in seinem Hals. „Nun, theoretisch schon. Wenn Sie Beweise für seine Gewalttätigkeit hätten, könnten wir bestimmt etwas unternehmen.“

Fallon biss die Zähne zusammen. „Verdammt noch mal, er stalkt mich! Muss er mir erst etwas antun, bevor die Polizei etwas für meine Sicherheit tut?“

„Bitte beruhigen Sie sich, Dr. Doyle.“

„Mich beruhigen?“, grollte sie. Niemand hatte sich jemals beruhigt, nur weil ihm jemand gesagt hatte, er solle sich beruhigen. Im Gegenteil, das regte sie nur noch mehr auf. „Ich habe Angst. In den letzten zwei Monaten hat mich dieser Mann gestalkt, mir Nachrichten geschickt, mich zu jeder Tages- und Nachtzeit mit Anrufen bombardiert und mir unerwünschte Geschenke geschickt. Ich habe ihm gesagt, dass es vorbei ist, aber er gibt nicht auf. Er ist ein Stalker.“

„Dr. Doyle, ich weiß, das ist …“

„Officer Friedman, ich übernehme das.“ Eine Frau in Zivil erschien neben dem Polizisten und legte eine Hand auf dessen Arm.

„Sind Sie sicher, Detective?“, fragte Officer Friedman mit einem skeptischen Gesichtsausdruck, während er auf die Marke starrte, die an einem Umhängeband um den Hals der Kriminalbeamtin hing.

„Ja. Ich wurde beauftragt, bei allen Stalker-Fällen zu helfen.“ Sie schaute Fallon einen Moment lang direkt an, bevor sie hinzufügte: „Und es sieht so aus, als ob dieser Fall die Kriterien erfüllt.“

„Bitte sehr, Detective.“ Officer Friedman nickte und wandte sich erleichtert ab.

Fallon starrte die hübsche blonde Frau an, die größer, jedoch ungefähr so alt wie sie war. Sie schien in der Polizeiwache fehl am Platz zu sein. Für eine Polizeibeamtin war sie zu leger gekleidet, aber sie strahlte eine Autorität aus, die sofort Vertrauen in ihre Fähigkeiten als Polizistin erweckte. Auf ihren Lippen lag ein freundliches Lächeln und ihre Augen strahlten Wärme aus.

„Dr. Doyle? Ich bin Detective Anita Diaz-Montgomery. Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass Sie es mit einem Stalker zu tun haben. Ich bin vom Polizeipräsidium gekommen, um zu sehen, ob ich Ihnen helfen kann. Es tut mir leid, dass Ihnen hier nicht weitergeholfen wurde, aber zum Glück hat mich einer der Beamten hier benachrichtigt.“

Meinte diese Frau das ernst? Eine Kriminalkommissarin wollte eine einstweilige Verfügung ausstellen, obwohl es sich dabei bestenfalls um polizeiliche Routinearbeit handelte?

„Detective? Können Sie mir helfen, eine einstweilige Verfügung gegen meinen Ex-Freund zu erwirken?“

„Warum gehen wir nicht in einen der Vernehmungsräume, damit wir uns ungestört unterhalten können?“

Sie schaute sich um und deutete auf das Treiben im Revier, wo alle durcheinander redeten und der Lärmpegel von Minute zu Minute stieg.

Fallon zögerte. War das ein weiterer Versuch, ihr klarzumachen, dass ihr Problem mit Cameron keine einstweilige Verfügung rechtfertigte? Dass sie überreagiert hatte? Dass sie zu viel in die Konfrontation mit ihrem Ex hineininterpretierte?

Detective Diaz-Montgomery schien ihr Zögern zu spüren und legte ihre Hand auf Fallons Unterarm. Die sanfte Berührung hatte etwas Beruhigendes an sich.

„Wenn Sie sich von Ihrem Ex bedroht fühlen, werde ich dafür sorgen, dass Sie vor ihm sicher sind. Sei es, indem ich eine einstweilige Verfügung erwirke, oder indem ich Ihnen auf andere Weise Schutz verschaffe. Das verspreche ich Ihnen.“

Zum ersten Mal seit Stunden hatte Fallon das Gefühl, dass ihr jemand wirklich zuhörte und ihre Sorgen ernst nahm. Lag es daran, dass dies eine Frau war? Wusste sie aus erster Hand, dass verbale Drohungen einer Frau genauso viel Angst einjagen konnten wie körperliche Gewalt? Hatte sie die Folgen der Untätigkeit der Polizei in anderen Fällen gesehen? Hatte sie gesehen, wie Frauen verletzt wurden, weil ihnen niemand geglaubt hatte? Es spielte keine Rolle, warum diese Polizeibeamtin bereit war, ihr zu helfen. Es war nur wichtig, dass sie es tat.

„Danke, Detective. Ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen.“

5

Patrick trank das Blut in einem großen Schluck hinunter und stellte das Glas auf den Tresen. Er nickte dem Vampir-Barkeeper zu, der in der V-Lounge Dienst hatte, dem großen Raum im Erdgeschoss des Scanguards-Hauptquartiers, in dem sich Vampire und Vampirhybriden zwischen ihren Schichten entspannen und Blut trinken konnten. Wie in einer normalen Kneipe gab es eine Vielzahl von Zapfhähnen – allerdings waren sie nach Blutgruppen sortiert und nicht nach Biersorte. Dies war ein kostenloser Service für alle Angestellten und Gastvampire, um sie davon abzuhalten, Blut direkt von Menschen zu trinken.

Natürlich bediente sich nicht jeder an dem kostenlosen Blut. Alle Vampire, die mit einem Menschen blutgebunden waren, rührten das Zeug nicht an, denn sie konnten nur von ihrem blutgebundenen Gefährten trinken. Jegliches andere Blut würde sie krank machen und letztendlich töten. Und dann gab es noch die Vampire, die sich nie an das abgefüllte Blut gewöhnt hatten und es vorzogen, direkt von der Quelle zu trinken – von einem lebenden, atmenden Menschen.

„Noch eins, Todd“, sagte Patrick und deutete auf das leere Glas.

„Gestresst?“, fragte Todd mit einem verständnisvollen Blick.

„Sehe ich so aus?“, lenkte er ab.

Seit seine Eltern zu ihrem Traumurlaub aufgebrochen waren, arbeitete er Doppelschichten. In einem Zeitraum von vierundzwanzig Stunden bekam er höchstens drei oder vier Stunden Schlaf. Um den Schlafmangel auszugleichen, trank er mehr Blut als sonst und nahm bis zu dreimal täglich Nahrung zu sich, während er normalerweise nur eine Mahlzeit am Tag brauchte.

Todd zuckte mit den Schultern und nahm das leere Glas zurück. „Ich dachte mir, wo du jetzt hier den Laden schmeißen musst, bist du bestimmt erschöpft.“

Bevor Patrick antworten konnte, hörte er, wie sich jemand näherte.

„Da bist du ja“, sagte Anita. „Ich habe dich gesucht.“

Patrick drehte sich zu ihr um. „Hey, Anita. Gibt’s was Neues?”

„Ich wollte dich nicht beim Essen stören“, sagte Anita und neigte ihr Kinn in Richtung der Bar, wo Todd das Glas auffüllte.

Für einen Menschen war Anita bei Blut überhaupt nicht zimperlich. Dafür gab es zwei Gründe: Sie war Polizistin und hatte an Tatorten schon viel Blut gesehen, und sie war mit seinem Freund Cooper, einem Vampirhybriden, blutgebunden, was bedeutete, dass Cooper mindestens einmal am Tag ihr Blut trank. Bei diesem Gedanken spürte Patrick, wie sich ein Anflug von Neid in seinem Bauch breitmachte. Die Vorstellung, sich von einer Frau zu ernähren, die er liebte, war etwas, das er noch nie erlebt hatte, obwohl er schon öfter Frauen gebissen hatte. Er konnte sich das Hochgefühl, das Cooper bei diesem intimen Akt erlebte, wenn er von seiner Gefährtin trank, während er mit ihr Liebe machte, nur vorstellen.

„Du störst nicht.“ Er wandte sich nun vollständig Anita zu. „Hast du schon gehört, was Buffy bei der Autopsie gefunden hat?“

„Du meinst, was sie nicht gefunden hat? Ja, ich habe deine Nachricht bekommen. Aber darum geht es nicht. Zumindest nicht direkt. Mir ist gerade ein Fall in den Schoß gefallen.“

Patrick horchte auf. „Und du glaubst, dass er mit dem Mord im Presidio zu tun haben könnte?“

„Es ist möglich.“

„Ein körperlicher Übergriff?“

Anita schüttelte den Kopf. „Nein, ein Stalker.“

Etwas enttäuscht sagte Patrick: „Erzähl.“

„Eine Ärztin, Fallon Doyle, kam heute aufs Revier, um eine einstweilige Verfügung gegen ihren Ex-Freund zu beantragen. Er will sie nicht in Ruhe lassen. Er bedroht sie.“

„Mündlich?“, unterbrach Patrick.

„Ja, aber ich habe das Gefühl, dass er zu Gewalt fähig ist. Sie fühlt sich nicht sicher.“

„Tja, das allein ist nicht wirklich viel. Jeder Typ, der verlassen wird, könnte versuchen, sie zurückzubekommen. Das allein bedeutet aber noch nicht, dass er gewalttätig wird.“

„Stimmt, aber die Dinge, die er zu ihr gesagt hat …“ Anita schüttelte den Kopf. „Du weißt doch, wie Vampire werden, wenn sie sich in eine Frau verlieben, oder?“

„Was meinst du damit?“

Anita verdrehte die Augen. „Sie werden ganz besitzergreifend und territorial. Das habe ich auch gespürt, als ich mit Fallon gesprochen habe. Er hat zu ihr gesagt, dass sie ihm gehört. Kein Mensch redet so.“

„Du denkst, er ist kein Mensch?“

„Nicht so, wie er redet.“

„Hast du ihr die richtigen Fragen gestellt, um herauszufinden, ob sie ihn bei Tageslicht draußen gesehen hat?“

„Ja, und er war bei Tageslicht mit ihr draußen …“

„Dann kann er kein Vampir sein.“

„Er kann immer noch ein Hybride sein wie du“, konterte Anita.

Sie hatte recht. Aber an diesem Fall war nicht viel dran. Nur eine verbale Drohung. Keine Gewalt – zumindest noch nicht.

Patrick seufzte. „Ich sehe wirklich nicht, dass dieser Fall uns genug Gründe gibt, uns einzumischen. Wenn wir jede Frau beschützen müssten, deren Ex-Freund immer noch von ihr besessen ist, könnten wir niemals die Arbeit erledigen, für die wir engagiert sind.“

„Scanguards’ Aufgabe ist es, die Unschuldigen zu schützen“, erklärte Anita.

Patrick fuhr sich mit der Hand durch sein dichtes dunkles Haar. „Und genau das tun wir auch. Aber bei all dem, was gerade passiert, dem Juwelierkongress und dem Mord im Presidio, sehe ich nicht, wie wir jemanden entbehren können, um diese Ärztin zu beschützen. Es tut mir leid.“

Anita stemmte die Hände in die Hüften. „Dann solltest du ihr das vielleicht lieber selbst sagen. Denn ich bringe es nicht übers Herz, dieser Frau zu sagen, dass wir nicht glauben, dass ihr Ex ihr etwas antun könnte. Ich will nicht in ein paar Tagen einen Anruf bekommen, dass er ihr wehgetan hat, und bedauern müssen, dass ich nicht härter dafür gekämpft habe, dass sie den Schutz bekommt, den sie braucht.“

„Verdammt noch mal, Anita! Vielleicht kannst du Cooper überreden, alles zu tun, was du willst, denn den hast du eindeutig um den kleinen Finger gewickelt, aber ich habe ein Unternehmen zu leiten. Ich muss unsere Ressourcen dort einsetzen, wo sie am meisten bewirken, und das heißt im Moment, dass ich den Presidio-Killer finden muss, bevor er wieder zuschlägt. Denn ich will nicht nochmal einen Anruf bekommen, bei dem mir jemand mitteilt, dass eine zweite Leiche mit herausgerissenem Herzen gefunden worden ist.“

Anita warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Du bist genauso stur wie dein Vater! Aber er hat wenigstens den Mut, Risiken einzugehen. Offensichtlich hast du in deinem jungen Alter noch nicht genug Erfahrung gesammelt, um zu erkennen, wann du ein Risiko eingehen solltest.“

Patrick verengte seine Augen. Er erkannte, was Anita tat. Und es gefiel ihm kein bisschen. „Du versuchst, mich zu manipulieren. Also hör gut zu: Das funktioniert bei mir nicht.“

6

„Er hat abgelehnt?“

Fallons Herz sank. Sie hatte keine anderen Optionen mehr. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie Anita ansah. Während ihres Gesprächs auf dem Revier hatte die blonde Polizistin sie gebeten, sie beim Vornamen zu nennen, und sie fühlte sich mit ihr verbunden und wusste, dass sie unter anderen Umständen sofort Freunde werden könnten.

„Was soll ich jetzt tun? Ich habe Angst.“

„Ich habe noch eine letzte Idee.“ Anita holte tief Luft. „Du musst selbst mit ihm reden, um ihn dazu zu bringen, deinen Fall zu übernehmen.“

Verwirrung machte sich in Fallons Brust breit. „Aber du hast doch gerade gesagt, dass er nicht mit mir reden will.“

„Das muss er aber, wenn er keine andere Wahl hat“, meinte Anita kryptisch. „Wir können ihn noch erwischen.“

Sie spürte Anitas Hand auf ihrem Arm und ließ sich von ihr zur Tür leiten, die in den Flur führte. Sie ließen die luxuriöse Lounge hinter sich, in der ein Buffet mit Speisen und Getränken aller Art auf die Gäste wartete. Der Raum sah aus wie die Lounge eines exklusiven Hotels oder die First-Class-Lounge einer Fluggesellschaft – nicht, dass sie jemals Erste Klasse geflogen wäre.

Auf dem Flur blieb Anita stehen und zwang sie, ebenfalls stehen zu bleiben. Anita drehte sich zu ihr um und senkte ihre Stimme.

„Er sollte jeden Moment durch diese Tür herauskommen“, flüsterte Anita. „Lass uns einfach so tun, als würden wir uns immer noch unterhalten, damit es nicht so aussieht, als würden wir auf ihn warten.“

Fallon hatte ein komisches Gefühl bei dieser Situation. Sie mochte es nicht, Leute auszutricksen, und wenn sie nicht so verzweifelt wäre, um Schutz vor Cameron zu bekommen, hätte sie sich nie auf das eingelassen, was Anita jetzt vorschlug. Aber sie war verzweifelt. Sie hatte Angst vor Cameron und der Gedanke, dass sie einmal geglaubt hatte, ihre Beziehung sei vielversprechend, verursachte ihr ein flaues Gefühl im Bauch. In den drei Monaten, in denen sie mit ihm zusammen gewesen war, war sie sorglos und glücklich gewesen. Sie hatten Spaß zusammen gehabt und der Sex war heiß gewesen. Das konnte sie sich selbst eingestehen, aber jetzt schauderte sie bei dem Gedanken, dass Cameron sie jemals wieder berühren könnte. Abscheu stieg in ihr auf. Nein, sie würde nie wieder zulassen, dass ein Mann wie Cameron sie anfasste.

„Verhalte dich einfach natürlich“, sagte Anita und riss sie aus ihren Gedanken.

„Bringe ich dich damit in Schwierigkeiten?“, fragte Fallon. „Ich meine, er hat dir doch schon gesagt, dass er meinen Fall nicht übernehmen will. Warum sollte er seine Meinung ändern?“