Pauli Fiction - Martin A. Bodden - E-Book

Pauli Fiction E-Book

Martin A. Bodden

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Beschreibung

Mike Grega verliert während einer Nacht auf der Reeperbahn die Kontrolle über sein Leben. Sein Koffer, wird ihm gestohlen und darin liegt all sein Zeug, seine ganze Zukunft. Aber Mike ist wild entschlossen, sie sich zurück zu holen. Was er nicht weiß ist, dass die St. Pauli-Unterwelt zur selben Zeit ein illegales Pokerturnier abhält und der Gewinn in einem identischen Koffer aufbewahrt wird. Und natürlich ist Mike nicht der Einzige, der hinter dem Preis her ist. Eine wilde Jagd durch die Nacht, den Regen und die alternativen Lebenswelten auf St. Pauli beginnt.

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Seitenzahl: 84

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Pauli Fiction spielt auf einer fiktiven Reeperbahn, irgendwann zwischen 1980 und 2000. Figuren und Handlung sind frei erfunden. Einige Orte existieren aber auch in unserer Realität, insofern als ihr sie findet.

ENDE

Mike Grega sprang die Hafentreppe herunter, während er seinen schlitternden Koffer verfolgte. Der große Lude Pätrick stolperte hinter ihm her. Er griff nach Mikes Schulter, und riss ihn mit sich den Rest der Treppe herunter. Eine Pistole rutschte aus seinem Hosenbund und flog durch die Luft. Beide Männer rollten raufend die restlichen Treppenstufen herab. Als sie sich wieder aufrafften, lag der Koffer in Reichweite. Aber die Pistole lag noch näher. Pätrick schubste ihn beiseite, griff als Erster danach und zielte damit auf Mike. Beide Männer waren erschöpft und es dauerte einen Moment, bis Pätrick schwer atmend sagte:

"Bleib stehen, oder ich schieße."

Mike hob zwar die Hände und blickte in die Mündung der Pistole, kam aber trotzdem näher. Pätrick blinzelte. Die Waffe lag fest in seiner Hand.

"Hey, du siehst aus wie jemand, der mir noch Geld schuldet!", bemerkte er irritiert.

Mike nickte müde.

"Ist mir egal! Und jetzt gib' mir meinen Koffer, du Arsch!"

Pätrick sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an, hob die Waffe, zielte mit dem Finger am Abzug.

Ein fetter Tropfen Schweiß lief seine Stirn hinab und tropfte ihm von der Nase. Für Mike hörte die Zeit in diesem Moment auf zu existieren. Er hörte nur noch auf sich selbst und auf sein eigenes, pochendes Herz.

Wie war es so weit gekommen? Eigentlich wusste er es ganz genau: sein Bruder war schuld daran! Und irgendwie auch er selbst. Begonnen hatte alles an dem Abend, der eigentlich ein Neuanfang hätte sein sollen.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel EINS

Kapitel ZWEI

Kapitel DREI

Kapitel VIER

Kapitel FÜNF

Kapitel SECHS

Kapitel SIEBEN

Kapitel ACHT

Kapitel NEUN

Kapitel ZWISCHENSPIEL

Kapitel ZEHN

Kapitel ELF

Kapitel ZWÖLF

Kapitel DREIZEHN

Kapitel VIERZEHN

Kapitel FÜNFZEHN

Kapitel SECHZEHN

Kapitel SIEBZEHN

EINS

Mike war zu Fuß unterwegs und gut gelaunt. Es war Sommer. Überall liefen Gruppen junger Menschen herum und aßen Eis oder tranken Weinschorle. Er hatte sein Büro abgeschlossen und dem Hausmeister den Schlüssel zurückgegeben. In seinem Koffer befand sich jetzt sein ganzes Leben: sein Laptop, die Backup-Platte und der Ausdruck seiner Magisterarbeit. Mike freute sich, weil er in seiner akademischen Karriere wieder eine Hürde überwunden hatte. Aber er musste noch etwas erledigen, bevor er den Tag erfolgreich abschließen konnte.

Einen Moment lang verdüsterte sich sein Gesicht. Dann seufzte er, atmete durch und ging auf die Bar zu, die heute ausnahmsweise sein Ziel war. Der Laden hieß 'Vixxxens' und gehörte seinem Bruder Phil. Mike trat ein und schob einen schwarzen Samtvorhang beiseite.

Noch war nichts los und die Vorbereitungen für den Abend liefen. Eine Barfrau machte die Runde und verteilte Flyer auf den Tischen. Im Hintergrund legte ein DJ testweise Platten auf und fummelte an den Reglern. Hinter der Bar stand Phil und sortierte Gläser in die Regale. Sie waren identische Zwillinge. Aber im Gegensatz zu Phil, war Mike nicht tätowiert, nicht gepierct und trug keinen Holzfäller-Bart.

Als er ihn bemerkte, kam Phil lächelnd hinter der Bar hervor und schritt mit offenen Armen auf Mike zu. Sie stießen wie zwei Wrestler zusammen und Phil hob ihn ächzend hoch.

"Schwerer Sack!", lachte er.

Mike ertrug die Umarmung, mehr als er sie erwiderte.

"Hi, Brudi! Gut, dich zu sehen!", sagte er.

"Schön, dass du es mal hergeschafft hast! Ich hab' dich oft genug eingeladen.", brummte Phil.

Mike hob den Koffer hoch.

"Jetzt bin ich ja hier! Und Morgen gebe ich meine Arbeit ab."

Phil wirkte abgelenkt. Die Musik nervte ihn.

"Glückwunsch! Ich weiß, wie wichtig dir das ist."

Er drehte sich zum DJ um und rief:

"Hey, hör' mal kurz auf, Platten zu zerkratzen, ja? Ich will mit meinem Bruder reden."

Der DJ nickte stumm und verschwand.

Phil ging zurück hinter die Bar und holte eine Flasche Champagner und einen Kühler hervor. Aus dem Nichts zauberte er zwei Gläser auf den Tresen. Mike hatte keine Zeit zu protestieren, da war die Flasche schon offen und Phil schenkte ein.

"Das muss gefeiert werden!"

Er reichte ihm ein Glas und sie stießen an.

"Danke, Bruder! Prost!"

Mike trank und sah sich um.

"Wir waren schon immer ziemlich verschieden... "

Phil rollte die Augen.

"Och, zieh' mich doch nicht gleich wieder runter!"

"Entschuldige", meinte Mike, "aber du hast mich doch nicht bloß zum Gratulieren eingeladen?"

Sein Bruder zögerte. Er atmete lange ein und presste dann heraus:

"Wir müssen reden..."

"Über Mutters Erbe?"

"Ja."

"Was ist damit?"

"Ich brauche deinen Anteil! Mir bietet sich eine Riesenchance zu expandieren. Aber dazu muss ich zuerst ein paar Arschgeigen ausbezahlen."

Mike stöhnte.

"Also hast du wieder Schulden?"

"Nein! Hier geht’s um Einfluss!", widersprach ihm Phil. "Ich muss expandieren."

"Digger, das klingt alles ziemlich krass."

Sein Bruder schüttelte den Kopf.

"Ich wusste, du würdest es nicht verstehen...mal wieder nicht."

Mike war genauso genervt von Phil.

"Du verstehst es doch auch nicht! Wenn dein Deal ins Wasser fällt, verlierst du ja nicht dein Geld, sondern meins."

Phil antwortete schulterzuckend:

"Na und? Du bist doch bald Professor. Leben an der Sonne. Und ich zahle dir sowieso später das Doppelte zurück!"

Mike murmelte:

"Ich verstehe überhaupt nicht, wozu du das brauchst. Dein Laden ist doch groß genug."

Phil schüttelte den Kopf.

"Ja, ja. Immer klein denken! Du hattest noch nie viel Sinn fürs Geschäft."

Mike hörte ihm schon nicht mehr zu. Stattdessen sah er an Phil vorbei nach draußen auf die Warnleuchten eines Abschleppwagens.

"Sag' mal, ist das dein Mercedes, der da gerade abgeschleppt wird?", fragte er.

Phil bemerkte es endlich selbst und stürmte raus.

Vor der Tür klirrte ein hünenhafter Mann mit Ketten und Stahlhaken herum, während er den AMG auf die Laderampe hievte. Der Mann hatte graue Haare und war übergewichtig. Er ächzte unter dem eigenen Gewicht und seiner verschnauften Kurzatmigkeit. Seine Unterarme waren voller Tätowierungen von Ankern, Meerjungfrauen und keltischen Symbolen. In seiner schmutzigen Latzhose und dem bekleckerten Feinripp sah er aus wie ein lebendes Kunstwerk. Phil stritt mit ihm, als Mike dazu trat.

"Was soll das? Das ist mein Auto!", regte er sich auf.

Der Fahrer machte unbeirrt weiter und klinkte den Haken ein.

"Pätrick nimmt ihn als Anzahlung, soll ich dir sagen!"

Phil tobte:

"Fuck - nächste Woche war doch ausgemacht!"

"Pätrick mag halt keine offenen Rechnungen."

Mehr hatte der Mann dazu nicht zu sagen. Er arbeitete ächzend und schnaufend weiter.

Phil war rot vor Wut angelaufen und ballte die Fäuste.

"Lass jetzt den Wagen runter, oder ich..."

Das Scheppern hörte auf und es wurde bedrohlich still. Der Mann sah ihn an.

"Oder was, du Fliege?"

Phil stürmte auf ihn zu, aber der Fahrer scheuerte ihm lässig eine. Es sah aus, als würde er das öfters machen. In seiner riesigen Pranke lag so viel Kraft, dass Mikes Bruder platt auf seinen Arsch fiel.

Der Abschlepper schaltete seelenruhig die Seilwinde wieder an und zog den Wagen auf die Ladefläche. Er fuhr schon wieder die Rampe ein, während Mike seinem Bruder half, aufzustehen. Der bemühte sich halbwegs würdevoll den Schmutz abzuklopfen und betastete seine Wange. Beide sahen dem Truck hinterher, während er höhnisch hupend mit dem Auto im Schlepp abfuhr.

"Warum hast du mir nichts davon erzählt?", wunderte Mike sich.

"Was meinst du?", tat Phil unschuldig.

"Dass du in Schwierigkeiten steckst."

"Wer sagt das denn?", fragte Phil.

"Hallo - dein Auto wurde gerade von 'nem Handlanger abgeschleppt."

Er drehte sich zu ihm um und Mike erkannte überrascht, dass sein Bruder feuchte Augen hatte.

"Hör zu, willst du mir helfen, ja? Dann unterschreibe oder lass mich allein mit meinen Problemen. So wie sonst auch!"

Er trat gegen die nächste Straßenlaterne und sie flackerte und ging aus. Beide Brüder bewunderten diese Tatsache für einen Moment.

"Powertritt", applaudierte Mike.

"Du glaubst, ich bin sowieso schon gescheitert...", klagte Phil.

Mike schüttelte den Kopf.

"Das stimmt nicht! Ich will nur nicht, dass du noch mehr Schwierigkeiten bekommst."

Phil warf die Arme in die Luft.

"Dann hilf mir, die Sache wieder gerade zu biegen."

Mike zögerte.

"Lass mich nochmal darüber nachdenken, okay?"

Phil nickte. Er drehte sich um und sie gaben einander die Faust.

"Bis morgen Bruder..."

Phil trottete langsam wieder zurück in seine Bar.

ZWEI

Mike saß an der Reeperbahn und wartete auf seinen Bus. Er öffnete den Koffer und holte die Verzichtserklärung heraus, die sein Bruder ihm geschickt hatte. Er überflog den Vertrag, suchte in der Tasche nach einem Stift und unterschrieb dann, ohne lange zu zögern. Erleichtert klappte er den Koffer wieder zu.

Doch plötzlich riss ihm ein blonder Bodybuilder mit Pferdeschwanz den Koffer von den Knien und rannte damit weg. Mit einem leicht dämlichen Ausdruck im Gesicht stand Mike auf und rief verdutzt:

"Hey, das ist mein Koffer!"

Verwirrt und immer noch ungläubig, begann er zu laufen. Zuerst im Trab, dann im Galopp und schließlich in panischem Sprint. Aber der Bodybuilder hatte einen beträchtlichen Vorsprung gewonnen. Und er lief noch schneller, nachdem er sich umdrehte und Mike näherkommen sah.

"Halt! Der Typ hat meinen Koffer gestohlen!", rief Mike quer über die Reeperbahn, aber niemand reagierte. Das heißt, einige drehten sich um und machten Fotos oder sie machten sogar Platz und gingen dem Dieb aus dem Weg.

"Scheiß Touris", fluchte Mike.

Der Mann wusste einen Moment lang nicht, wohin und rannte schließlich die Treppe zum Molotov hinab. Die Kult-Disco war vor allem dafür legendär, immer vollgestopft mit Leuten zu sein. Und das war an diesem Abend nicht anders. Drinnen spielte eine Band namens ZENDobier und der Tanzmob skandierte:

"Wir wollen Dosenbier, wir wollen Dosenbier!"

Anscheinend spielten sie schon die Zugabe, denn die Musiker und die Tanzenden sahen gleichermaßen kaputt aus. Dabei waren sie höchstens die Vor-Vor-Band. Ohne Warnung legten sie plötzlich wieder los und jagten tobenden Ska durch die heiligen Hallen der Indie-Disco. Die Masse begann sich zu heben und zu senken. Die wild tanzende Menge kreiste um sie und bremste die beiden Männer, während sie sich einen Weg hindurch bahnten.