Die Milchglastür - Martin A. Bodden - E-Book

Die Milchglastür E-Book

Martin A. Bodden

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Beschreibung

"Die Milchglastür" ist eine surreale Reise-Novelle. Der Ich-Erzähler reist, ohne dies eigentlich zu wollen, im Schlaf in fremde Länder. Stoisch hinterfragt er nicht, sondern erlebt und berichtet nur über die Erkenntnisse jeder neuen Reise; teils begeistert und witzig, teils melancholisch. Die Reise wird zur Allegorie für seine Entwicklung vom naiven Jugendlichen, zum selbstbewusst handelnden Individuum.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Die Milchglastür

Die MilchglastürEinsZweiDreiVierFünfSechsSiebenAchtNeunImpressum

Die Milchglastür

Veranda

Die Reise ist gemacht

Gepäck ist schon vor Ort

Ein Teil von mir bleibt hier

Der größere ist schon dort

Eins

Wir sind gemeinsam in einem Raum, dessen kahle weiße Wände keinerlei Schmuck aufweisen. Unter der Decke hängt eine kugelrunde Chiffonlampe, die ein warmes Licht abgibt. Eigentlich interessant ist aber die Tür mit der halb durchsichtigen Glasscheibe, auf der sich die Konturen der Wohnungstür dahinter abzeichnen. Hinter dieser Tür strahlt ein grelles, ein weißes Licht. Glauben Sie mir, ich bin nicht immer durch diese Tür gegangen und an denselben Ort gelangt. 

Es klingt komisch aus Deutschland heraus, in ein Land wie Belgien geschleudert zu werden, und ich konnte nicht anders, als es amüsiert und neugierig zu nehmen. Ein wenig abrupt dieser Einstieg, aber mir ging es damals nicht anders. Seltsamerweise war ich darüber keineswegs überrascht. Schon am zweiten Tag betrat ich meine Wohnung, als sei ich bereits tausendmal dort gewesen. Ich ging durch die Milchglastür zur Küche, neben der mein eigenes Zimmer lag. Die Schlüssel waren mächtig groß und die Schlösser wuchtige Verriegelungen. Der Lichtschalter war links neben der Tür. Als ich meine Wohnung zum ersten Mal sah, fand ich, dass mir selten im Leben etwas so gut gefallen hat.

Es war ein sehr großer, ungeheuer hoher Raum. Etwa ein Drittel des hinteren Raumes war als Zwischenetage aufgezogen, zu der man bequem über eine Kiefernholz Treppe, auf geradem Weg, aufsteigen konnte. Oben fanden sich zwei Dachgeschossfenster, mit Blick auf den hinteren Häuserblock, jeweils über dem Bett und über dem Schreibtisch, den eine sehr schöne Tischlampe schmückte. Damals knipste ich die Lampe an und besah mir die Papiere auf dem Tisch.

Ich fand Unterlagen der Universität und blickte aus dem Fenster. Da hinten - ich wandte den Kopf in Richtung der großen Fenster die zur Straße gingen - lag die Universität noch halb beleuchtet vor mir. Es dämmerte schon aber ich konnte sehen, dass ein direkter Weg von hier zum Eingang des Hauptgebäudes führte, es mochten vielleicht fünf Minuten Fußweg sein. Ich war Student der Kommunikations-Wissenschaften, nahm an einigen Seminaren für ausländische Studenten Teil. Mehr wusste ich auch noch nicht.

Ich wohnte im Haus einer Töpferin und eines Bäckers. Morgens hatte ich frisches Brot und abends Wein und Unterhaltung. Der Bäcker war Portugiese, die Frau Französin. Wenn er getrunken hatte, holte er seine Ziehharmonika und spielte einige lustige und sehr viele traurige Lieder, wobei Christiane, so hieß die Frau, ihm immer wieder zurief oder in die Hände klatschte, wenn ihr etwas besonders gut gefiel.

Die Töpferin hatte zwei Töchter: Anne - und den Namen der anderen Tochter habe ich vergessen... Sie war hübscher als Anne, aber bei weitem nicht so intelligent und schlagfertig. Anne war klug aber auch aggressiv. Sie mochte das Leben nicht und es war schwierig herauszufinden, dass es trotzdem Themen gab, über die man sich mit ihr unterhalten konnte. Wir unterhielten uns auf Niederländisch, denn ich sprach es beinahe fließend, während ich im Französischen keine drei Worte hervorbrachte.

Ich sagte ihr eines Abends, dass es ist ungerecht fände, wie einige Leute aus des Lebens Starre herausgeschleudert und gezwungen werden, jeden Tag als Anderer unter Fremden zu verbringen. Anne liebte komplizierte Sätze, weil sie auf Anhieb gut klangen und Gedanken in ihnen besonders reif erschienen. Sie antwortete mir damals, dass unsere eigene Fremdartigkeit Kinder gebiert, die wir bald selbst nicht mehr verstehen. Daran fand ich nichts auszusetzen und nicht mehr lange, schon merkte ich, was damit gemeint war.

Anfangs ging ich oft in den Park und setzte mich auf eine Bank. Natürlich hatte ich ein Buch dabei. Ich fand das Buch an sich machte Eindruck genug und es schien in Belgien auch obligatorisch, ein Buch auf Spaziergängen mitzuführen. Notfalls konnte man ja auch darin lesen, jedenfalls wenn man in Verlegenheit geriet. Ich saß auf der Bank im Schatten, unweit von Mädchen, die sich im Gras räkelten. Ich war gleichzeitig bemüht, mit der gebotenen Lässigkeit da zu sitzen und andererseits nicht über mich selbst, und wie ich mich aufführte, in Lachen auszubrechen. Ich war auch auf einer Erasmus-Party, wo Menschen, die ein Jahr ihres Studiums im Ausland verbringen sich zusammenrotten und sich auf Englisch unterhalten, weil sonst keiner den anderen versteht.

Es war sehr erheiternd. Alle waren sehr heiter. Morgen gehe ich wieder auf so ein Fest, dachte ich. Mein Leben bestand aber nicht aus Feiern, oh nein! Meistens sah sich nur in meiner Wohnung und tat nichts. Manchmal malte ich auch oder las in meinen Büchern aber meistens wartete ich einfach. Das alles war schön, vielleicht auch sehr schön. Vielleicht aber auch ein bisschen zu einfach.