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Als wir uns entschlossen, ein paar Monate aus dem Hamsterrad unserer Gesellschaft zu entfliehen, ahnten wir nicht im entferntesten, dass wir auf eine gravierende Änderung in unserem Leben zu steuerten. Mit blauen Augen sind wir los, und mit klarem Blick schauen wir nun auf fünf Jahre unserer Transformation zurück. Von Großstadtspacken zu Ökofritten. Zehn Satz Reifen, hunderte Liter Diesel und ein neues Getriebe später wollen wir nichts anderes mehr. Wir haben uns zurück zu uns entwickelt und eine Alternative zu unserem früheren Leben gefunden, das heute unser ganzes Glück ist. Wir werden bald wieder reisen und unser Tagebuch mit der Fremde und ihren Menschen füllen. Wir machen es wie das Leben selbst, es geht immer weiter, es bleibt nicht stehen.
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Seitenzahl: 200
Veröffentlichungsjahr: 2020
Mission:
Be so busy loving
your life that you
have no time for
doubt, worry,
hate or fear.
(Karen Salmansohn)
vorwort.
wofür leben
botschaft mitte
collin und scruffy
past
wilma I
eintauchen
fatima
fuzzy.
cascais surf
tata und miguel.
permakultur
Reiki.
santa clara barragem
algarve
barrao I
flippke
back to reality.
bei den dänen
algarve zombies
liebe
borrito beach
peace, shanti & ahoi.
barao II
ocean und mael
toskana
fahren
walter
erdbeeren
ranger
wilma II
nina.
schweiz.
dritte reise.
lin und sergio
auf timmys land
beergarden
mary
zara.
mühle
der mit den eseln tanzt
erdbeeren II
tamara und ulf
harry und albert
unsere reisen.
vanlife
barrao III
guse
zwei neue märkte
touristen
wünsche
neustart.
people skin close
dydo family
zwischen tüll und hippies.
peppino.
und nu?.
frühling 2020
Trotz vermeintlicher Vollkommenheit, waren wir Feuer und Flamme, als jemand Dianas Café „Botschaft Mitte“ in Düsseldorf übernehmen wollte. Unsere Erwartungen, an das was da nun kommen würde, waren keine. Wir haben unseren leeren Schuppen einfach so gelassen um Platz für das Unbekannte zu haben.
Unsere neue Freiheit war am Anfang nicht leicht zu ertragen. In einer Welt auf Schienen sind die Wege links und rechts holprig. Aber wer sich daran gewöhnt, schwebt wie auf Wolken.
In den letzten fünf, sechs Jahren haben wir uns von ganz normalen Großstadtspacken in Öko-Fritten verwandelt. Der Style blieb, aber der Geist ist ein Neuer. Der Alte zwackte wie ein Paar zu enge Schuhe.
Jeden Abend sitzen wir in unserem winzigen Raum und sind einfach nur glücklich. Wir können uns an keine Zeit in unserer Vergangenheit erinnern, in der wir so lange am Stück das Gefühl hatten, zufrieden zu sein. Trotz Wasser aus dem Brunnen und auch schon mal minus 12 Grad.
Unser Leben im Wohnmobil hat viele Sonnentage. Aber wir brauchen auch den Regen und den Sturm, Blitz und Donner und Katastrophen. Nur wer das Fallen übt, kann später gut stehen.
Wir bestimmen uns selbst – immer. Das haben wir in unserem neuen Leben gelernt. Ein Sog von Unabhängigkeit und Freiheit dem wir uns nicht mehr entziehen werden.
Ob es das Wohnmobil bleibt ist ungewiss, aber der Geist hat nun einen Lolli mit Freiheitsgeschmack. Wenn sich etwas so gut anfühlt, dann kann man ja noch ’ne Weile weitermachen.
Die neu erlernten Perspektiven auf das Konstrukt „Leben“ haben uns verändert. Dieser Prozess dauert an und wir hoffen, diesen Status so lange wie möglich beizubehalten.
Stell dir mal vor, du würdest jeden Tag etwas Neues lernen, jeder Tag in deinem Leben würde die Möglichkeit beinhalten, dass du deinen Kurs änderst.
Wir haben herausgefunden, dass das nichts mit finanziellen Mitteln oder Mut zu tun hat. Es hat etwas damit zu tun, Selbstvertrauen zu finden und der eigenen Stimme zu vertrauen. Sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und dafür Sorge zu tragen, so viel Glück, Liebe und Freude dem Dasein zu entreißen, wie auch nur irgend möglich.
Wir waren nicht immer so. Wir haben alles so gemacht, wie es uns aufgetragen, abgetragen wurde. Ohne kritische Fragen haben wir jeden alten Mantel angezogen, den sie uns auf die Stange gehängt haben. Und das war gut so.
Die Schule, die Ausbildung – noch so ein schönes Wort. Als wäre es irgendwann mal gut mit dem Lernen. Wir hatten auch Geduld und waren brav. Früh haben wir beide eine Unruhe gespürt. So richtig haben wir nie geahnt, von was die da sprachen, was den Rest dazu bringt, tagein und tagaus zufrieden mit dem zu sein, was man tut. Wir haben uns gesträubt es so hinzunehmen, wie es eben ist.
Was wir wirklich brauchen, haben wir erst in den Jahren der Reise gelernt. Aber 125 qm in der Wasserburg waren es nicht. Wir sind froh über diese Zeit. Nur, wenn du mal in der Manege gestanden hast, kannst du sagen, ob du den Zirkus magst oder eben nicht. Wie gerne wären wir Löwenbändiger gewesen, aber bei uns hat es gefühlt nur zur Clownstruppe gereicht.
Ständig nicht genug weil natürlich immer einer schneller, schlauer und schöner ist. Für viele Motor ihrer eigenen Evolution, für uns ein Hamsterrad, das rückwärts lief. Wie lange hätte wir das noch gemacht? Hätte unsere Liebe dieser ständigen Bedrohung standgehalten? Irgendwann hätten wir professionelle Hilfe gebraucht.
Dein Kopf ist nach einer Weile so matsche, dass du froh sein kannst, dir nicht irgendwann unkontrolliert in die Hose zu scheißen. Von klaren Gedanken mal ganz abgesehen. Abgelenkt von allem Schrott der Welt, der ständig auf dich niederprasselt. Eigene Sorgen, die sich auftürmen und dir den Schlaf rauben, den du brauchst, um am nächsten Tag wieder roboten zu gehen. Für uns keine Option.
Wir haben uns keine großen Gedanken gemacht, warum auch? Sind wir in unseren Breitengraden auch von Naturkatastrophen weitestgehend verschont, rollen doch in jedem Leben ständig Lawinen heran. Man braucht keinen Tsunami um Existenzen zu zerstören oder für die Zukunft geplante Konstrukte ins wanken zu bringen. Das Leben ist fragil und brüchig, labbrig wie eine Hängebrücke über einer tiefen Schlucht. Nur selten fühlten wir uns sicher, nur um dann wieder eine Hiobsbotschaft in Empfang zu nehmen, die das Schicksal uns zwischen die Beine warf.
Selbst wenn alles lief, wurden wir mit Sorge überschüttet. Es könnte einem ja der Himmel auf den Kopf fallen.
Unsere Existenzen waren wie viele andere. Nur können einige von uns besser mit der gewünschten und dadurch wirtschaftlich sinnvollen Routine umgehen. Langeweile ist unsere Achillesferse.
In jedem Job haben wir uns irgendwann gelangweilt. Der Gedanke, dass es doch was geben muss, was uns bei der Stange hält, führte zu so einer großen Auswahl an Beschäftigungen. Erfahrungen die wir nicht missen wollen, denn nur wenn man wirklich in etwas eintaucht, kann man danach sagen, ob es zusagt oder eben auch nicht.
Wenige erkennen nicht, dass das Leben zwar Qual ist aber in gleichem Maße Freude. Zu oft verkriechen wir uns auf der Schattenseite, da blendet die Sonne der Erleuchtung nicht so stark. Wir sind bockfaul. Wie der Ochse, der das Mühlrad antreibt. Selbst unser Gehirn hasst es neue Türen zu öffnen.
Ich erinnere mich, wie wir im ersten Jahr in Frankreich standen. In einem verschneiten Wald, der Regen prasselte gegen die Scheiben. Es stank nach Diesel, viel mehr als sonst. Die Spur, die wir gelegt hatten, verschwand in Nebelschwaden. Die Dichtung des Dieselfilters war zerfressen wie nach einem Haiangriff. Diana gab Gas und der Treibstoff spraddelte nur so aus dem Filter. Ich legte mich in die eisbedeckte Pfütze und begutachtete das Problem: „Hier ist niemand, der ADAC kommt nicht. Wir stehen mitten auf der Straße. Die Gummi-Dichtung muss neu!“ Wir standen beide bibbernd vor dem weit geöffneten Maul des Boliden. Hier setzten die ersten natürlichen Mechanismen ein.
Hör auf zu jammern, schrecklich ist es schon. Denk nach. Selbstständig. Trau dich mal was, du Ei. Wir schnitten eine neue Dichtung aus den Resten einer Fußmatte. Wir fühlten uns wie die Neffen von Mc Gyver. Der Filter war dicht, die Klamotten stanken noch drei Tage bis wir endlich zu einem Waschsalon kamen.
Hürden sind zum drüber springen und nicht zum anhalten da. Hürden trainieren Schwung und Sprungkraft, deshalb nehmen wir die Herausforderungen unseres Lebens eher wie ein Gewichtheber im Gym. Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Wenn es um dich selbst geht, und nur um dich, dann kannst du auch alles geben. Zu oft vergessen wir uns selbst. Zu oft für andere. Der Frust, der dadurch zwangsläufig resultiert, war und ist ein Grund auf den eigenen Beinen den Weg des Lebens zu gehen.
Wenn man sich überlegt, was für tolle Menschen unsere Evolution vorangetrieben haben. Menschen, wie du und ich. Warum sollten wir nicht auch tolle Menschen sein?
Jeder von uns ist, bis zu einem gewissen Grad, ausgestattet. Rein physisch sind wir alle mit den gleichen Werkzeugen versehen: Verstand, Herz und einem Körper, in dem beides wohnt. Wir könnten alle Könige sein und alle auch nur Bettler am Hauptbahnhof.
Für eine kurze Phase werden wir bestimmt, dann kommt der Zeitpunkt, an dem wir uns selbst bestimmen. Hier sind wir frei, wenn wir es überhaupt noch fühlen. Wenn nicht, gar nicht schlimm. Sich in einem Konstrukt zu befinden, wird von den meisten Menschen als Wohltat empfunden. Herausforderungen werden auf ein Minimum reduziert, das macht den Alltag erträglich. Leider kommt es zu einer Verweichlichung. Kleine Stolpersteine werden zu monströsen Gebirgen, weil man es nicht mehr gewohnt ist zu klettern.
Wir haben das jahrelang durchgemacht und es hat uns zermürbt.
Der stetige Wunsch nach Harmonie und Ruhe, die Jagd nach einem sehr seltenen Vogel, bestimmte unser Leben. Selbst, wenn wir ihn mal in den offenen Käfig lockten, war seine Verweildauer doch eher begrenzt. Glück und Harmonie sind flüchtig, wenn man sie sich wünscht.
Dianas Café war ein schöner Ort. Selbstbestimmt bis zu einem gewissen Grade. Bis zuletzt hatten wir überwiegend nette Kundschaft und ein regelmäßiges Einkommen.
Als sie ihre Pläne für den gastronomischen Betrieb – besser „ihre Idee“ – vorstellte schlug Dianas ehemaliger Chef die Hände über dem Kopf zusammen. Schon wieder hatte sie alles falsch gemacht. Dinge müssen „so“ und andere genau „so“ ablaufen. Bloß nicht eigenständig was in die Hand nehmen. Da gibt es ja so viel zu beachten, aber sie hat einfach losgelegt. Ohne Businessplan, ohne Banken. Und den Laden hat sie komplett selbst von einer rattenverseuchten Schimmelbude in eine wunderschönes Stadtteil-Café verwandelt.
Ihr Chef staunte. Kann er auch! Der Laden wurde gut angenommen. Wir hatten Freude an der von uns gewählten Tätigkeit. Unseren Gästen ein Stück weit Ruhe und Behaglichkeit mittels eines heißen Kaffeegetränks zu vermitteln, das hat uns wirklich Spaß gemacht. Das von allen Gesuchte war in greifbarer Nähe; finanzielle Unabhängigkeit. Keine Schulden haben und keine machen. Unsere Ansprüche wuchsen, denn der Erfolg machte es möglich. Die Konsequenz jedoch war uns noch nicht bewusst. Je mehr du verdienst, anhäufst, je mehr willst du auch wieder in den Kreislauf des Konsums werfen. Weil du es kannst. Ha! Schaut her! Die Kehrseite der Medaille griff nach uns mit weicher Hand.
Wenn du den Bob mal in der Bahn hast, dann trittst du immer weiter an, damit er noch schneller fährt, damit noch mehr Sachen gekauft werden können. Flatt, Playstation, Riesensofa, V70, 125 qm.
Der Laden war für Diana der erste Schritt, auf alle anderen zu scheißen. Selbst ist sie stark, die Frau. Sie hat sich auf ihr Gefühl verlassen, und das leben wir noch heute so.
Damals haben wir uns verliebt. Nachdem ich mich typisch muffelig bei der ersten Mitarbeiterversammlung dazu bereiterklärt hatte, die Eröffnungsschicht mit Diana zu fahren, kamen wir uns näher. Wir brauchten eine Weile, aber am Ende war es eine wunderbar kitschige Zusammenkunft zweier Liebender.
Wir haben, wenn keiner kam, hinten auf dem alten Sofa geschmust und ließen alle Schmetterlinge frei die wir noch hatten. Der Laden war eine beziehungsfördernde Maßnahme für uns. Wir hatten einen gemeinsamen Strang, an dem wir ziehen konnten. Wir hatten eine Aufgabe. Unsere Liebe und den Laden. Für Momente war es perfekt. Unsere Liebe war schon ein guter Katalysator für uns, den Wahnsinn des täglichen Lebens zu überstehen. Das gemeinsame Tun wurde zu einem Kit, der uns zusammenbrachte und jeder Scheißewind machte uns nur noch stärker. Als Team unschlagbar. Liebe ist die Superkraft!
Eine liebe Mitarbeiterin, Studentin, bekam von ihren Professoren eine Aufgabe. Sie sollte ein Portrait erschaffen und ein kleines Buch gestalten. Es ging um einen Leitfaden fürs Leben.
Dianas Lebenslauf und ihre Art, Dinge anzupacken, hatte nichts mit der gesetzten Realität und den Regeln der Marktwirtschaft zu tun. Diana arbeitet noch heute überwiegend über die Herzgegend.
Bei einem Interview mit ihrem Vater fragte die Studentin ihn, ob das Café nun ein Ende der stetigen Reise innerhalb der Berufswelt sei. Dies verneinte er. Er kenne seine Tochter. Bisher blieb nichts für immer. Vielleicht eröffnet sie nächstes Jahr eine Tauchschule auf den Malediven.
Faul waren wir nie, uns mit dem Schicksal abzufinden lag und liegt uns nicht im Blut. Wenn es nicht gut ist, sind wir noch nicht am Ende unserer Suche. Der Verstand ist ein harter Gegner, aber im Gefühl steckt noch eine Wahrheit, deren Gewicht ständig unterschätzt wird.
Hier konnte sie endlich mal machen und der Erfolg gab ihr Recht. Das Problem am Erfolg ist: er ist ein Monster, das dich nach und nach auffrisst. Der Tag hat nur 24 Stunden. Die Abstände zwischen der Erholung und der Aktion werden immer kürzer. Und dann fängt ein Raubbau an, wie im Tagebau. Irgendwann kommst du auf Knochen und dann ist es zu spät. Sich aus diesem Strudel der Selbstzerstörung zu befreien scheint nicht möglich. Dir saust das Leben so um die Birne, dass du keine fünfzig Zentimeter weit schauen kannst. Wie willst du dich befreien?
Am Ende kannst du dir wenigstens deine eigene Zivilisationskrankheit aussuchen, die dich dazu bringt, in die Knie zu gehen und dem Strudel ein Ende zu setzen.
Wir hatten Kopfweh und waren eher grumpy unterwegs, was weder für uns noch für unsere Umwelt angenehm war. Wir dachten, das gehört so. Die Leute in unserem Umfeld sahen ja nicht anders aus.
Nach ein paar Jahren – man macht ja immer weiter – waren wir schon ziemlich stumpf und abgeschubbelt. Da kam der Prinz auf seinem weißen Ross. In diesem Falle ein eher in seiner Erscheinung unscheinbares, mit einem Mini versehenes Prinzchen. Den Laden verkaufen? Darauf waren wir, eingewickelt in die Sorgen des Daily-Business’, überhaupt nicht gekommen. Schnell gefiel uns die Idee.
Den Eltern von Diana war es natürlich nicht gleich bewusst, dass das der einzige Weg ist, uns wieder in ein noch von uns unbekanntes Gleichgewicht zu bringen. Eine Tochter mit gut laufendem Café zu haben, ist natürlich cooler, als eine, die sich nach einem alternativen Leben umschaut.
Für unsere Eltern ging es nie um Spaß bei der Arbeit. Arbeit muss gar keinen Spaß machen. Der Spaß kommt vielleicht, wenn man die Kohle wieder ausgibt. Selbst vor der Gesundheit wurde nicht Halt gemacht. Du hältst den Druck nicht aus? Halt’s Maul und mach weiter. Du musst dafür saufen oder Tabletten nehmen? Egal! Du musst es ja niemandem sagen, Hauptsache du funktionierst.
Die Rechnung kommt und dann ist es zu spät. Irgendwann, so empfinden wir, hat dein Geist Wurzeln geschlagen. Er will nicht mehr weiter. Man hat ja genug gemacht in seinem Leben. Jetzt nochmal von vorne? Nein Danke. Alles richtig gemacht. Am Ende, wenn du nix mehr kannst, setz dich in deinen Sessel und chill dich - du hast es dir verdient. Dass du jetzt stumpf wie Damenstrumpf da hockst und wartest, bis „Rote Rosen“ kommt, ist total ok.
Als wir seinen Truck, so vor drei, vier Jahren das erste Mal sahen, dachte ich: „Wow - was für ein Gefährt!“. Der Truck war ein Transporter in tarngrün. Matt. Alle Applikationen und Aufbauten pechschwarz, auch matt. Er hatte ein Windrad, Solar und Antennen, die ihm wohl erlaubten im fernen Osten lokale Radiosender zu empfangen oder mit Freunden in Kamtchatka zu plaudern. Ein Metallschild hinter der Frontscheibe empfahl Abstand. Man würde sonst nicht davor abschrecken, Gebrauch von Schusswaffen zu machen. Dieser Van war einzigartig in dieser Hippiewelt. Wir haben den Typen nie gesehen.
Das änderte sich, als er eines Jahres mit einem klassischen Hymer in weiß auf den Strand kam. Nur das Schild hinter der Scheibe war geblieben, deshalb haben wir ihn überhaupt wiedererkannt. Aus dem Truck kam erst eine fliegende, rote Ratte. Sein Hund.
Colin ist ein älterer englischer Herr. Er ist noch gar nicht so alt aber er war bei den Forces in Großbritannien und auf den Falklandinseln im Einsatz.
Er sieht aus, als hätte ihn jemand vor zwei Wochen überfahren. Sein linker Arm ruht in einer Konstruktion. Der Orthopäde hat sich Mühe gegeben, die Schiene alltags- bzw. womitauglich zu machen. Er konnte lang nur an einer Krücke laufen. So sieht man aus, wenn das Leben Spuren hinterlässt und wir konnten noch nicht mal in ihn hineinschauen.
Trotzdem treffen wir ihn jedes Jahr knapp 3000 Kilometer von seinem Eiland an einem Strand in Lagos. Allein. Scheinbar kommt er gut klar, trotz der Einschränkungen, die ihm sein Leben mit auf den Weg gegeben hat. Er trägt sein Päckchen und die Bitternis hat ihn sich nicht geholt. Er ist so freundlich und offen, dass man nicht mehr von ihm sieht, als das sanfte Licht seines Wesens.
Sein kleiner Hund ist ihm zugelaufen. Das graue, mit rotblondem Strubbelhaar versehene Vieh hat dafür gesorgt, dass er seine Krücke im Van ließ. Heute kann er wieder frei gehen. Colin ist ein Vorbild, eines von vielen, die wir auf unseren Reisen getroffen haben.
Wir treffen Menschen, auch damit wir von ihnen lernen können. Durch unseren regen Austausch lernen wir in erster Linie, nicht dem ersten Eindruck zu vertrauen. Ob rau oder zart, wir tragen alle Schalen um uns.
Das Leben ist dazu da es bis zuletzt auszukosten. Die Fähigkeit, das zu tun, wohnt in uns allen inne aber nach so vielen Jahren der vermeintlichen Pflichterfüllung gegenüber anderen, kennst du dich selbst kaum wieder. Wie willst du dich selbst aus diesem Kadaver der Zeit befreien?
Trotzdem lieben die meisten Menschen ihr Leben. Sie tragen keinen Kadaver, sie tragen Pelz und sie fahren einen Jaguar. Oder sie arbeiten als Krankenschwester und Altenpfleger und haben Sinn in ihr Dasein gebracht.
Was wir so machten, besonders ich, hatte die Halbwertzeit einer Scheißhausfliege. Werbefilme sind schon gegessen, wenn sie aus der schäbigen Küche kommen. Aber bei der „Mise en Place“ wird eine Wichtigkeit an den Tag gelegt, als würde man mit Luc Besson drehen. Dabei wird hier nur ein weiteres Produkt beworben, das die Menschheit nun wirklich nicht braucht. Deshalb muss so viel Aufwand um den Film gemacht werden, damit keiner merkt, wie lächerlich der ganze Zirkus ist. Am Ende siegt die Profitgier und die Sucht nach Selbstdarstellung von einzelnen Vollspacken.
In zehn Jahren Werbetheater habe ich mit genau fünf coolen Entscheidern gearbeitet. Der Rest war Pack in „Lacoste“ Polos mit Kackstreifen in der Unterbucks - aber da war ich selbst schuld. Ich habe viel zu spät entdeckt, dass das überhaupt nicht meine Welt ist. Der Teil der Gestaltung, der Kreation, ist so marginal. Hier wird Egoismus mit Exzentrik geschürt und gefördert. Je größer dein Ego – egal, was du auf dem Kasten hast – je toller finden dich diese Agenturspacken. Ich bin kein Sigfried und kein Roy. „Look atme“ ist nicht so mein Ding. Nicht die Schale der Banane schmeckt, es ist das Innere. Die wollen nur Hüllen, die gut am Set aussehen, oder die Agenturpraktikantin bumsen.
Es könnte ein so schöner Beruf sein. Vielleicht war ich auch völlig untalentiert.
Unser Ausstieg war ein sanfter. Ohne das Wissen, ohne starkes Selbstvertrauen, schlotterten uns auch zwischendurch die Knie. Wir lagerten unser Leben ein.
Das Café haben wir komplett eingepackt. Wir hätten innerhalb von 48 Stunden einen neuen Laden aufmachen können. Unsere vermeintliche Sicherheit.
Die letzte Party im Laden war gut besucht. Um sechs haben wir gemeinsam herausgekehrt, was uns Jahre traurig gemacht hat und dann war der Zeitpunkt gekommen.
Es ging ewig, bis wir alles geregelt hatten. Der Staat lässt dich nicht los. Immer wieder bekamen wir Post. Zahlungen hier, Rechnungen dort. Schon vor dem Antritt schrumpfte der Erlös und das nicht, weil wir uns erst mal einen goldenen Mercedes gekauft haben. Was glaubt der Staat eigentlich, wie viel man mit Kaffee und Kuchen für drei Euro an Reichtum anhäuft? Fuck off!
Watt nu? Erst mal weg, erst mal reisen. Wie? Mit einem Wohnmobil. Die Idee kam spontan. Aus dem Herzen. Nach eingehender Recherche auf dem „Caravansalon“ in Düsseldorf und ein paar abenteuerlichen Probefahrten, entschieden wir uns für das Gefährt, was uns am meisten von außen ansprach.
Ein Toastbrot auf Rädern in den Farben Hornhaut-Umbra und Stützstrumpf-Beige. Das Fahrzeug hat 1988 das Neonlicht der Welt erblickt. Muffig und stockig öffnete sich uns der Innenraum. Vehement wurde ein Wasserschaden geleugnet. Das war damals für uns das Wichtigste!
Als wir vom Hof des Vorbesitzers schepperten, schien die Sonne. Unser Glück war kaum zu fassen. Am nächsten Morgen, nach heftigem Regen, stand das Wasser 2 Zentimeter im Cockpit.
Wir hatten einfach gar keine Ahnung. Nen Preisnachlass hat Diana aber reingeholt.
Irgendwann hatte ich dann auch einen Führerschein. Genauer - eine Woche vor geplanter Abfahrt. Wir zuckelten erst mal nach Süddeutschland. Damals half uns mein Bruder, das Fahrzeug straßentauglich zu machen. Vier verschiedene Reifen! Die tragenden, vorderen Holme waren komplett verrottet, die Bremsen hinten auch. Dass wir die Mühle überhaupt die sechshundert Kilometer gebracht haben, war ein großes Glück.
Hier brachte mein Bruder mir alles über die Karre bei, was er so wusste. Ich verlor die Scheu, mich unter die 3,5 Tonnen zu legen und erkannte nach und nach, auf was man so achtet. Am besten auf alles.
Der Van ist ja schon recht alt, das ist aber bei Reparaturen von großem Vorteil, da sich viele Mechaniker noch gut auskennen. Keine Elektronik, eher handgeschmiedet und bis auf das Getriebe und die Frontscheibe, gibt es noch alle Teile.
Dann ging es endlich wirklich los. Nach zwei Wochen saßen wir in unserem neuen Zuhause und wussten nicht recht, wohin mit unserer neuen Freiheit. Kannst liegen bleiben, kannst aber auch aufstehen. Es liegt an dir. Wie fremdbestimmt wir damals noch waren ist erschreckend. Selbst 1500 Kilometer von Zuhause entfernt, fühlten wir die kalte Hand der Macht.
Und was sollen wir jetzt machen? Eine trügerische Leere kam in uns auf. Das Nichts, wenn keiner mehr was von dir will. Unsere Antennen waren so auf das Gegenüber gerichtet, dass wir Mühe hatten, diese wieder in unsere Richtung einzustellen. Was wir wollten, wussten wir nicht.
Wir entschieden uns, erst mal einen ganz normalen Urlaub zu machen und die von uns geplante 6-monatige Reise in den Hintergrund zu setzen. Das entspannte uns, und so tauchten wir in unser neues Leben. Mit Schrittgeschwindigkeit.
Frei stehen kannten wir damals nicht. Wir kannten nur Campingplätze und Stellplätze gab es nur wenig. Mit einem Acsi-Camping-Führer ausgestattet, suchten wir einfach nur den nächsten Stop für unser Wohnmobil. Von dort erkundeten wir die Umgebung. Für uns ist und war jeder Stein, den wir nicht kannten, ein Highlight. Konnte ich durch meinen Job zwar schon ein wenig von unserem Planeten kennenlernen, war die Klippe in Ixtapse spannender als LA LAX. Wir genossen die Zeit. Frei von irgendwelchen Erwartungen, wurden wir jeden Tag aufs Neue überrascht. Schnell erstarb das Gefühl der Unruhe. Wir kamen runter.
Auf so kleinem Raum ist das gar nicht so einfach. Für die anderen. Wir wollen immer zusammen sein. Wir brauchen keinen Abstand voneinander. Deshalb war die Größe nie ein Thema. Und wenn du mal ein bisserl Freiheit brauchst, machst du einfach die Tür auf und gehst an den Strand. Siamesisch sind wir ja auch nicht. Die Dusche haben wir in der ersten Zeit gar nicht benutzt. Alle drei Tage Campingplatz reicht völlig aus. Jedoch haben wir nach einer Weile herausgefunden, dass das Duschen auf den eigenen vier Rädern gar nicht so schlecht ist. Als wir einmal von einer Freundin zum Reinigungsritual geladen worden waren, nabelten wir uns auch von dieser Abhängigkeit ab. Die Nasszelle in dem portugiesischen Haus war unter dem Dach. Eine Schräge teilte die Kabine nochmal in Zwerge und Menschen. Der Druck des Strahls war eher ein pladdern. Und natürlich nichts zwischen kochend heiß und eiskalt. Ne, lass mal. Dann lieber zwei Kannen Tankewasser im Boiler auf die gewünschte Temperatur bringen und go for it. Danach fühlt man sich wie neu. Nur schwer können wir nachvollziehen, wie Menschen allein mit Feuchttüchern ihrer Körperhygiene nachkommen können. Wir konnten bei Bekannten von uns an eigener Nase erkennen, dass diese Kette der Sauberkeit gravierende Lücken aufweisen kann. Wasser gibt es überall – und wenn man auf einem Hof nach dem Nass fragt.