Pendrake 2- Finding you - Gabby Zrenner - E-Book
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Pendrake 2- Finding you E-Book

Gabby Zrenner

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Beschreibung

Werden Sherlock und Victoria einen Weg finden, zusammen zu sein? Oder ist Sherlock tatsächlich durch seine Vergangenheit zu kaputt, um sich an einen Menschen zu binden, ohne einen zwingenden Grund? Den hätte Victoria! Aber er soll sie freiwillig wählen. Sie! Und nicht die Umstände und bereit sein, für ihre Liebe zu kämpfen. Kurz scheint es, als könnte es dazu kommen, doch dann gerät Victorias Welt erneut aus den Fugen und Sherlock scheint unweigerlich verloren. So aussichtslos, dass sie beginnt, einen anderen Weg zu suchen, der sie glücklich machen kann, auch wenn sie sich fast selbst dabei verliert. Und dann wäre da noch die tägliche Bedrohung durch Markus, die durch den Angriff wieder real geworden ist und mit der sich Victoria und auch ihre Freunde nun auseinandersetzen müssen. Nur wie gefährlich ist er wirklich? Leider bekommt Victoria die Antwort auf diese Frage auf brutalste Weise. Als an einem Abend voller Streit mit den anderen, Sherlock sich völlig daneben benimmt und sie tief verletzt, scheint sich jeder gegen sie zu wenden und sie flieht vor dem Gefühl, nur noch Ballast zu sein, direkt in ihr Verderben.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Pendrake – finding me
Pendrake – finding us
Impressum

 

 

 

 

 

 

Pendrake - finding you

Band 2

 

 

Gabby Zrenner

 

 

 

 

Gabby Zrenner

c/o WirFinden.Es

Naß und Hellie GbR

Kirchgasse 19

65817 Eppstein

 

 

Kapitel 1

 

Der Narr hält sich für weise, aber der Weise weiß, dass er ein Narr ist.

William Shakespeare

 

In den letzten Wochen hatte sich mein Leben komplett verändert. Nicht nur hatte ich meine Erbschaft angetreten und war zu Lady Pendrake geworden, ich hatte mich auch verliebt und meine Unschuld verloren an den wundervollsten und kompliziertesten Mann auf Erden.

Leider waren wir so dumm gewesen, nicht zu verhüten. Folglich lag ich hier in meinem Bett, streichelte den Babybauch, der noch flach und unauffällig war und grübelte, um eine Lösung zu finden.

Tausendmal in den letzten Tagen hatte ich angesetzt, es ihm zu sagen, aber immer blieb mir die Wahrheit im Hals stecken. Ich wusste, wie falsch es war, es ihm zu verheimlichen, dennoch die Angst, dass er mich wieder von sich stieß, war zu groß. Ich brauchte ihn im Moment mehr als alles andere bei mir, denn Angst war seit Markus mir aufgelauert und mich angegriffen hatte in so vielerlei Hinsicht mein Begleiter.

Mittlerweile heilten die meisten Verletzungen, aber es war weiterhin schwierig, länger zu stehen oder zu laufen und mein Handgelenk würde noch einige Zeit brauchen, bis ich es wieder voll belasten konnte. Seit dem Angriff war ich im Haus geblieben, nur einmal im Garten spaziert. Mir ging es psychisch schlechter, als ich es mir selbst oder den anderen gegenüber zugeben wollte. Aber bald musste ich wohl oder übel mit der Außenwelt klarkommen.

Samstag war die Hochzeit in Devon, auf die mich Sherlock begleitete. Aber die Vorstellung, da raus zu müssen, unter Menschen, kam mir vor wie eine unüberwindbare Hürde.

Tatsächlich hatte Sherlock seit Sonntag körperlich Abstand zu mir gehalten. Manchmal nahm er meine Hand oder strich mir übers Gesicht, aber mehr nicht. Dafür kümmerte er sich in jeder anderen Hinsicht mit einer Engelsgeduld um mich. Obwohl ich ihm ansah, dass vor allem, wenn wir an seiner Arbeit saßen, es ihm schwerfiel, geduldig zu sein und nicht die Beherrschung zu verlieren, blieb er stets ruhig. Die übrige Zeit lag er neben mir, während wir fernsahen oder lasen. Jeden Abend machte er mir etwas zu essen und jeden Morgen kam er mit einem Kaffee für mich, um nach mir zu sehen und sich zu verabschieden, bevor er in die Uni fuhr. Hätte er bei mir geschlafen, man hätte uns für ein altes Ehepaar halten können.

Was mir nur lieb gewesen wäre, denn die Nächte ohne ihn waren schwer. Ich hatte oft lange wach gelegen, starr und steif vor Angst, aber die Treppe nach unten zu Sher war in mehrfacher Hinsicht nicht zu bewältigen. Zum einen wusste ich, dass es ihm schwerfiel, mich in den Arm zu nehmen, er brauchte im Moment den Abstand, und zum anderen bereitete mir allein der Gedanken an all die Schatten nicht zu überwindende Panik. Keine Nacht war seitdem ohne Albtraum vergangen. Keine Nacht, in der ich nicht schweißgebadet aufgewacht war mit rasendem Herzen.

Aber genau wie die Sache mit der Schwangerschaft blieb die Wahrheit darüber ein Klumpen tief in mir drin, den ich nicht hochbekam, um sie ihm zu erzählen. Immer wenn er mich morgens fragte, wie ich geschlafen hätte, sagte ich deswegen etwas wie einigermaßen, die Hüfte tut weh oder etwas anderes in der Art. Ihn auch noch damit zu belasten, war für mich unmöglich. Ich liebte diesen unkomplizierten und vertrauten Umgang miteinander, zu dem wir gefunden hatten, und wollte ihn auf keinen Fall zerstören.

Die Beziehung zu Henry war dadurch alles andere als entspannt. Er belog seinen besten Freund und seinen Partner wegen mir. Wobei ich manchmal vermutete, dass er David schon eingeweiht hatte, da dieser mich letztes Mal ziemlich seltsam gemustert hatte. Ehrlich gesagt, stritten wir immer wieder deswegen und wäre Alistair nicht für mich eingetreten, hätte Henry es Sherlock längst erzählt. Al konnte ihn aber davon überzeugen, dass ich psychisch nichts mehr verkraftete. Somit begnügte sich Henry vorerst damit, mir Vorhaltungen zu machen. Mittlerweile waren Bluttest und Ultraschall erledigt und Henry hatte mich mit Folsäure und Vitaminen versorgt, die ich notgedrungen in meiner Wäscheschublade versteckte, damit Sher sie nicht sah. Alles war bis jetzt mit dem Baby und mir ok, aber es war ja erst der zweite Monat, somit konnte ich nur hoffen, dass meine Verletzungen und die Medikamente sich nicht doch negativ ausgewirkten.

Träge starrte ich an diesem Morgen in die Dunkelheit vor dem Fenster. Es würde noch eine Weile dauern, bis die ersten Sonnenstrahlen den Himmel erreichten. Bereits seit Stunden döste ich nur vor mich hin. Diese Nacht hatte ich so gut wie gar nicht geschlafen und seit einer Stunde mochte ich nicht mal mehr die Augen schließen, um die Bilder dahinter nicht zu sehen.

Autoscheinwerfer zauberten Lichtstrahlen in der Ferne, die mich zumindest etwas von den Schatten ablenkten. An den Autos und Geräuschen hatte ich mittlerweile gelernt, einzuschätzen, wie spät es war. Der eine Nachbar zum Beispiel fuhr jeden Morgen um 5 Uhr los. Gegenüber das Mädchen ging um 6.45 aus dem Haus und immer um 7.20 lief eine Gruppe Schüler vorne an der Hauptstraße lang und unterhielt sich lautstark. Kurz darauf kam Sherlock wie ein Uhrwerk zu mir.

So auch heute. Er klopfte an die Tür und trat dann lächelnd ein. »Guten Morgen, gut geschlafen?« Jeden Morgen die gleiche Frage. Jeden Morgen fast die gleiche ausweichende Antwort.

»Ja, aber ich freu mich drauf, wenn ich wieder besser auf der rechten Seite liegen kann. Und du?«

Er drückte mir meine obligatorische Tasse Kaffee in die Hand. »Nicht besonders. Ich hab mich an dem Artikel über die Ausgrabung in Schottland verbissen. Bis 3 Uhr war ich wach, um daran zu arbeiten und dann hab ich davon geträumt, dass ich was vergessen hätte, was ich gerade nachgelesen und natürlich nicht vergessen habe.«

Liebevoll nahm ich seine Hand. »Wie konntest du je an dir zweifeln?«

»Nicht wahr?« Er verschränkte unsere Finger, was schon mehr war als ich erhoffte und grinste mich für einen Moment breit an. »Vi, ich hab überlegt, heute Nachmittag schon bis Blackhill Manor, meinem Stammsitz zu fahren. Von dort ist es nur eine halbe Stunde bis zu den Beresfords. Dann hätten wir genug Zeit, um die Bibliotheken zu besichtigen und zum Meer zu gehen.« Prüfend musterte er mich. »Wenn du dich gut genug fühlst.«

Gemischte Gefühle breiteten sich in mir aus. Eigentlich wollte ich nirgendwo hin, aber andererseits ein Ausflug ans Meer klang wunderbar. Sein zu Hause sehen. Die Angst, mich der Welt zu stellen, überwog jedoch. »Vielleicht fahr ich besser nicht zur Hochzeit. Die Naht ist noch nicht verheilt und die Hüfte und so und dann bin ich ständig müde«, wand ich mich in halbgaren Ausflüchten, ohne ihm in die Augen sehen zu können, weil ich mich für erbärmlich feige hielt.

Er legte mir den Arm um die Schulter. »Ich bin doch bei dir Kleines. Du musst irgendwann da raus.«

Seit Sonntag hatte er mich kaum berührt und ich schmiegte mich direkt an seine Schulter. »Ich weiß, aber es ist so verdammt schwer.«

»Du schläfst nicht gut, oder?«

Es fiel mir schwer, das zuzugeben. Wie immer kam ich mir dann schwach vor und schämte mich dafür. Genauso leise und krächzend war meine Stimme, als ich in Richtung meiner Beine zugab. »Woanders schaffe ich die Nächte nicht. Wenn mir alles fremd ist und ich aufwache, weiß ich nicht, wo ich bin und bekomme Panik.« Fast tonlos fügte ich an. »Noch mehr Panik.«

Er drückte mich fest an sich. »Wie damals in der Wohnung?«

Ich nickte. Im Grunde war jede Nacht nah dran, so auszuufern.

»Und wenn ich bei dir bleibe? Zusammen in einem Bett oder in einem Raum?«

Da waren so viele Gefühle, die auf mich einstürmten. Pure Sehnsucht nach seiner Nähe. Freude, aber auch Sorge es zu vermasseln und ihn zu verschrecken, weil ich ihm zu nahe kommen könnte. Die Vorstellung neben ihm einzuschlafen und aufzuwachen war so schön, dass er mich damit sogar zur Hochzeit überreden konnte. Leise nuschelte ich in sein Hemd: »Das wäre schön.«

Unerwartet gab er mir einen Kuss auf die Stirn, der erste seit Sonntag und mein Herz blieb stehen, nur um dann viel zu schnell weiter zu galoppieren. »Dann machen wir das.«

Mein Verstand konnte gar nicht glauben, was er sagte, oder mein Herz?

»Kleines, ich muss los. Auf dem Heimweg hol ich dein Kleid ab.« Nochmal drückte er mich. »Du fühlst dich so gut an Vi, ich könnte dich ewig im Arm halten.«

Zurückhaltend hauchte ich ihm einen Kuss auf die Brust. »Bis nachher Sher.«

Nachdem er gegangen war, schlief ich wieder ein. In den letzten Tagen funktionierte es immer besser, wenn ich Henry werkeln hörte und es draußen heller war.

Frisch geduscht packte ich später am Tag meinen kleinen Koffer für die Fahrt. Als ich alles reingestopft hatte, lief ich runter, wo Henry schon in der Küche anfing Gemüse zu schneiden. »Ist das schon fürs Dinner?«

Vehement hackte er Möhren klein, als wären sie der Inbegriff des Bösen. »Ich wollte, dass du noch was Vernünftiges isst, bevor ihr fahrt.« Henry sah hoch, wieder mit diesem streitlustigen Blick. Im Moment war er ständig sauer auf mich. »Hast du es ihm gesagt?«

Seufzend klaute ich mir eine Möhre und ließ mich auf den Hocker der Kücheninsel nieder. »Nein Henry, jedes Mal wenn ich es versuche, schnürt sich mein Hals zu. Und vor der Uni?«

Er zeigte mit dem Messer direkt auf meine Brust. »Du musst es ihm sagen, Victoria. Das ist kein Spiel. Er hat ein Recht, das zu wissen.«

Wütend biss ich in die Möhre und schmatzte. »Denkst du, es hilft dir, dich wie ein Kind aufzuführen?« Wir hatten dieses Gespräch immer wieder geführt. »Henry, ich sag’s ihm, gib mir Zeit, bitte. Vielleicht schaff ich es ja am Wochenende.«

Frustriert schmiss er das Messer auf die Theke. »Dann kommst du zurück und hattest Angst, er würde dich aussetzten oder allein lassen.«

Verlegen sah ich auf den Boden. »Ja, wahrscheinlich schon. Ich hab einfach Angst.«

Das Gemüse landete im Topf. »Umso länger du wartest, umso mehr wird er verletzt sein.«

Auch das hatte er mir schon tausendmal unter die Nase gerieben und natürlich hatte er recht damit. Das wusste ich selbst. »Vielleicht geh ich besser weg.«

Ruckartig stoppte er mitten in der Bewegung. »Spinnst du jetzt völlig? Wo willst du denn hin? Und es ihm gar nicht sagen? Vi, auch wenn das zwischen euch eine einmalige Sache war, hat er doch ein Recht darauf zu erfahren, das er Vater wird.«

Noch ein Geheimnis, das ich hütete. Henry wusste nichts davon, dass Sher und ich uns unsere Liebe gestanden hatten, aber Sher keine Beziehung wollte. Irgendwann würde das alles über mir zusammenbrechen. »Weißt du, es gibt bestimmt einige, die sagen würden, ich hätte das Recht darüber alleine zu bestimmen. Mein Körper, meine Entscheidung.«

Der Blick, den er mir jetzt zuwarf, war so bitterböse, dass ich direkt ein paar Zentimeter schrumpfte. Gefährlich ruhig entgegnet er. »Du findest es also moralisch und ethisch richtig, nur weil ein Mann nicht in der Lage ist das Kind auszutragen, es ihm vorzuenthalten, ihm zu verweigern? Ihm nicht mal bei den Überlegungen mit einzubeziehen? Das ist arm Vi, ernsthaft.«

Langsam wurde ich wütend. »Arm? Kommst du gleich damit, ich hab dich besser erzogen? Das ist meine Entscheidung, mein Leben. Er will es doch gar nicht. Du hast nicht gesehen, wie erleichtert er war, als er den negativen Test gesehen hat. Henry, er hat gesagt, es wäre schlimm, wenn ich schwanger wäre. Wie bitte soll ich es ihm denn dann sagen?«

Henry kämpfte mit seiner Wut, sein Gesicht arbeitete. Vielleicht suchte er auch nach dem nächsten Argument.

Die Suppe roch jedenfalls gut und ich bekam Hunger. Kein Wunder, wenn man bedachte das ich nichts gefrühstückt hatte. Wieder biss ich bin die Möhre und sah dem Wind zu, der die Blätter umhertanzen ließ.

»Sag’s ihm am besten gleich! Sofort wenn er kommt, ich denke, er wird dich überraschen.«

»Was soll sie wem sagen?« Sherlock kam in die Küche.

Sofort bildete sich der Kloß in meinem Hals. Henry zuckte mit der Schulter. Wütend funkelte ich ihn an. »War das jetzt deine Taktik? Hast du gesehen, dass er da ist?« Ich sprang vom Hocker und klappte direkt zur Seite, keine gute Idee, ein stechender Schmerz schoss mir durchs Bein. Wie konnte ich meine Verletzung vergessen. Das verdoppelte meine Wut geradezu. »Du bist nicht mein Vater oder mein Bruder oder sonst was. Du bist mein Arzt und der Bruder meines besten Freundes. Mehr nicht! Also halt dich aus meinem Leben raus oder du kannst ausziehen, sofort!« Sein Blick war geschockt und zutiefst verletzt. Was hatte ich da nur gesagt, direkt wollte ich es am liebsten zurücknehmen.

Selbst Sherlock sah mich verwundert an. »Kleines? Was bitte schön kann so schlimm sein.«

Feste rieb ich mir über die Augen und ging langsam zu Henry, der jeden meiner Schritte verfolgte. Rau sagte ich. »Tut mir leid, ich … , zu viel Henry, einfach zu viel.« Und brach in Tränen aus.

Sorgsam nahm er mich in den Arm. »Ist schon gut Vi, aber du merkst doch selber, dass es dir so nicht gut geht.«

Ich drückte ihn ganz fest. »Ich hab dich so lieb.«

»Das sind nur die Hormone.«

Ich wurde direkt steif. »Du bist eine Frau, da sind immer die Hormone schuld, ist doch praktisch.«

Sherlock lachte, ohne Verdacht zu schöpfen. »Als Mann muss man sich erst ordentlich betrinken, um eine gute Entschuldigung zu haben.«

Henry stimmte ihm überschwänglich zu und verkündete. »In 15 Minuten können wir essen.«

Kapitel 2

 

Fast wünschte ich mir, wir wären Schmetterlinge und lebten nur drei Sommertage lang. Drei solche Tage mit dir könnte ich mit mehr Entzücken füllen, als fünfzig gewöhnliche Jahre jemals fassen könnten.

Sommer Bright Star, von John Keats

 

Ich hatte gegessen, bis ich fast geplatzt war, obwohl Henry mich ständig mit Blicken strafte und Sherlock mich misstrauisch beäugte. Anscheinend war ich jetzt in der immer Hunger Phase, egal was kam.

Wenige Stunden später bogen wir von der Autobahn auf eine Landstraße, die einen herrlichen Ausblick auf eine weite grüne Landschaft bot. Wir fuhren zwischen grünen Feldern und kleinen Waldstücken voller alter Bäume hindurch, die eine aus der Zeit entrückte Atmosphäre erzeugten.

»Es ist wirklich schön hier.«

Sherlock wirkte seit einiger Zeit abwesend, ich war mir nur nicht sicher ob gut oder schlecht abwesend. »Wenn wir mal länger bleiben können, zeig ich dir Exeter und Dart Moor. Morgen ist erst mal das Meer dran, zumindest ein kurzer Ausflug. Mittags müssen wir ja leider schon zur Hochzeit.«

Von der Seite murmelte ich: »Wir könnten sie ja auch sausen lassen.«

Sein schiefes Lächeln erschien. »Besser nicht. Leider sollte man solche gesellschaftlichen Verpflichtungen wahrnehmen. Meistens ist es auch ganz nett. Aber jetzt Augen nach vorne. Nach der nächsten Kurve sind wir auf der Zufahrt zu Blackhill Manor, zu Hause der Crofts seit 1857.« Bei diesen Worten war er sichtlich aufgetaut und sein Gesicht erhellte sich merklich. Ihm bedeutete das Haus etwas, das war klar.

Kaum später bog er ab in eine kleinere ungepflasterte Straße, die eher wie ein Feldweg wirkte, mitten durch ein bewaldetes Gebiet. In der Ferne machte ich bereits einen Gitterzaun mit Tor und ein beiges Herrenhaus im neugotischen Stil aus. Es war relativ schlicht gehalten, aber dennoch wunderschön mit seinen Kassetten Fenster, den typischen Streben, vielen Schornsteinen und insgesamt wesentlich imposanter als Pendrake Hall. Der Kies der Auffahrt vor dem Haus knirschte unter den Reifen und Sher hielt direkt vor einer dunklen zweiflügligen Holztür, aus der 4 Leute kamen … in Livree? Zwei jüngere Männer quasi in Uniform, eine ältere Dame im Kostüm mit Rock und ein Mann schätzungsweise gleichen Alters im Tweed Anzug.

»Die sehen aus, wie aus einem Film.«

Sherlock grinste kurz, wurde aber sofort wieder ernst. »Keine Hände schütteln, nur leicht den Kopf neigen, verhaltenes Lächeln, eher neutral. Du bist die Lady, sie die Bediensteten. Ja altmodisch, aber die beiden sind so. Eigentlich liebt der englische Adel das alte Leben, also bitte halt dich dran, bitte … biiiiiiiiittttteeee.«

Ich neigte höflich den Kopf mit freundlichem Gesichtsausdruck.

»Perfekt, na dann los.« Und Lord Sherlock Richard Percival Croft stieg aus seinem standesgemäßen Aston Martin und wuchs in meinen Augen um mindestens 10cm durch Würde, Stil und Unnahbarkeit.

Natürlich öffnete er mir die Tür, gut, dass ich darüber nachgedacht hatte, und reichte mir die Hand zum Aussteigen. Würdevoll schritten wir zu dem älteren Paar, das sich verneigte, leicht, aber tatsächlich, was mich veranlasste ein Kichern mühsam zu unterdrücken. Sherlock stellte mich vor und ich wurde extrem steif begrüßt. Das Ganze kam mir vor wie bei einer Comedy Serie, aber gut. Mr. und Mrs. Brown, Haushälterin und Butler berichteten das wichtigste, ein leichtes Dinner wurde bestellt und so einiges anderes besprochen, während ich schon weiter das Haus betrachtete. Die übrigen zwei wurden ignoriert, trugen aber direkt Koffer rein und Mrs. Brown befahl mein Kleid in die Wäschekammer. Sie würde es mir für morgen aufarbeiten. Was auch immer das bedeutete.

Ich neigte wieder meinen Kopf, freundlich, hoffentlich zustimmend dankbar. Wahrscheinlich dachten sie, ich sei stumm oder schlichtweg zurückgeblieben. Aber egal, damit mussten sie leben, wenn ich nicht einen Lachanfall bekommen sollte und ich war fest entschlossen Lord Croft nicht zu blamieren.

Sherlock reichte mir stilvoll den Arm und marschierte kerzengerade und zügig ins Haus. Die Eingangshalle war der Hammer und ich bemühte mich wirklich, nicht zu glotzen und den Mund geschlossen zu halten. Shers Mundwinkel zuckten, als er mich ansah. Marmor Fußboden, eine breite riesige Treppe nach oben, belegt mit rotem Teppich. Im ersten Stock eine Galerie geschmückt mit Wappen und eine Ritter Rüstung in der Ecke. Überall blitzte und glänzte Messing, Holz, Gold, Marmor. Das war so unwirklich und herrschaftlich, dass ich vor lauter Staunen fast über meine Füße stolperte.

Sher zog mich unauffällig galant die Treppe hoch, was etwas dauerte, da ich immer noch leicht humpelte. Oben angekommen hielt er mir direkt die erste Tür auf der rechten Seite auf und deutete mir mit gestrecktem Arm einzutreten. Er allerdings kehrte noch einmal zurück und bestellte Tee. War ja klar. Tee! Und dirigierte unsere Koffer zu ihm.

Mit Koffern beladen, kam er zurück und mit geschlossener Tür hatte der Mann auch wieder ein Lachen. »Kleines, denk an die Fliegen.« Sanft hob er mein Kinn und schloss meinen Mund.

»Sherlock, warum habe ich mich nicht besser angezogen. Wenigsten trage ich keine Jeans, dann würde ich vor Scham versinken. Das hier ist atemberaubend und ehrlich gesagt beängstigend.« Wir standen in einem Arbeitszimmer, so groß wie die Grundfläche meines Hauses. Vielleicht nicht ganz so groß, aber es war riesig. Ein riesiger Kamin, in dem ich fast schon stehen konnte, davor eine Chesterfieldcouch in schokoladenbraunem Leder zum Verlieben, alte Ohrensessel an den Fenstern und natürlich der obligatorische Schreibtisch vor einer 10 Meter Wand mit Einbauregalen.

Wie magisch angezogen stolperte ich sofort dorthin, strich über Buchrücken und nahm das ein oder andere Buch heraus. Ein paar waren nicht im besten Zustand und ich behielt sie im Arm, um sie mir genauer anzusehen.

Sherlock tippte mir auf die Schulter. »Victoria, ich werde gerade eifersüchtig.« Ich brummte nur und ging weiter. Hinter mir lachte Sher leise in sich hinein. »Was machst du denn mit den Büchern auf deinem Arm?«

Ich hatte die Wand erst grob abgelaufen, wirklich nur sehr grob, bei dem Bestand und hatte bereits acht Bücher aussortiert und legte sie nun auf den Schreibtisch.

Sher sah mich abwartend an. »Würdest du mir erklären, wofür du sie ausgesucht hast?«

Abwesend sah ich hoch. »Natürlich, Sekunde.« Ich begutachtete sie genauer und ordnete 4 Stapel. Sherlock stand mit diesem Prof Blick vor mir und hatte die Brille aufgezogen. »Also Sherlock. Bei denen hier löst sich die Bindung auf, diese haben fürchte ich einen Pilz, man sollte es behandeln, es sei denn, sie sind es dir nicht wert. Das hier, das Leder am Rand müsste man aufarbeiten, bevor es riesiger und trockener wird. Und das hier.« Ich sah in Sherlocks leicht verwundertes Gesicht. »Sher, das ist nicht zu retten.«

Völlig perplex blaffte er. »Was? Das sieht doch gut aus.«

»Finde ich auch, deswegen werde ich es lesen.«

Er grinste und zog mich in seine Arme, hielt mich locker an der Hüfte und sah mich wieder so intensiv an, dass mir ganz schwindelig wurde.

»Kein Wunder, dass ich mich in dich verliebt habe.« Er strich mir die Haare zurück »Ist dir aufgefallen, dass es hier ein Faberge Ei gibt und haufenweise Sachen aus Gold, antike Stücke?«

Verlegen sah ich mich um. Wow, hier gab’s richtig viel Zeug, das superteuer aussah. »Wo ist das Ei? Ist es echt? Ich hab noch nie eins gesehen.«

Er führte mich mit der Hand im Rücken zu einer Vitrine.

»Wow, beeindruckend.« Ich besah es mir durch die Scheibe und flüsterte ihm ins Ohr. »Ziemlich kitschig, oder?«

Das brachte ihn dazu lauthals aufzulachen. »Willst du nicht wissen, was es wert ist?«

Verwirrt sah ich ihn an. »Warum? Ich will’s doch nicht kaufen.«

Wieder fing er an zu lachen.

Meine Aufmerksamkeit galt aber schon einem Schaukasten neben den Vitrinen. »Sherlock, ist das eine Münze von Caligula?«

Er legte mir den Arm über den Rücken mit der Hand auf meiner Hüfte und hauchte ein ziemlich sinnliches »Ja«, in mein Ohr und schmuste mit meiner Schläfe. Nicht das ich was dagegen hatte, aber irgendwie wusste ich nicht so recht, wie ich damit umgehen sollte, geschweige denn, was es bedeutete. Egal, was er mir an Nähe gab, ich würde es aufsaugen, wie ein Schwamm.

»Sherlock das ist so cool, lauter römische Münzen und Fibeln. Was ist das?«

»Ein Dodekaeder. Man konnte noch nicht klären, wofür es verwendet wurde. Meins hier ist aus Bronze, aber es gibt sie in unterschiedlichen Größen und Materialien. Manche meinen Kerzenständer, manche einfach Würfel, andere glauben an Messinstrumente. Finde es heraus und du wirst berühmt.« Der Prof schielte mich über die Brille an und ich sog seinen Anblick auf. Es klopfte kurz und die Tür schwang auf. Uns wurde der bestellte Tee serviert. »Vielen Dank Mrs. Brown, Victoria?«

Freundlich drehte ich mich um, aber sie war schon wieder weg. Durch die geänderte Blickrichtung sah ich etwas, auf das ich zielstrebig zu rannte. Ein Monet, ein kleiner Monet. Ich musste mich beherrschen die Finger nicht über die Farbe gleiten zu lassen.

Sherlock stand bereits hinter mir. »Mach ruhig.«

Wie gut er mich doch kannte. Unsicher warf ich ihm ein Seitenblick zu, aber er bekräftigte mich mit einer Geste und ich fuhr sanft mit den Fingern über das Bild und stöhnte auf. »Oh Gott. Vielleicht hat Monet das auch so berührt, also fass ich ihn an, das ist so ... überwältigend.«

Er verschränkte seine Arme vor meinem Bauch und zog mich fest an sich. »Bist du scharf auf ihn?«

Ich hauchte selig: »Ja und wie.« Er gluckste dunkel. Ich konnte meine Finger gar nicht mehr von dem Bild nehmen, ging ganz nah dran, lehnte mich zurück, wobei Sher immer mit musste. »Ist das nicht faszinierend, wie er das hinbekommen hat?«

»Willst du wissen, was es wert ist?«

Ich strich über eine Mohnblume. »Das vergesse ich eh wieder bis morgen. Warum fragst du mich sowas? Sherlock sieh es dir an, es ist wunderschön, unbezahlbar schön.«

Schwungvoll drehte er mich zu sich um und sah mir wild in die Augen. Vor Überraschung quiekte ich kurz und stützte mich dann mit den Händen auf seine Brust. Bevor ich begriff, was los war, lag sein Mund schon auf meinem. Fest und leidenschaftlich. Zuerst zuckte ich erschrocken zurück, aber dann schlang ich meine Arme um ihn und versank in diesem Gefühl, ließ mich völlig in diesem Ziehen aus Sehnsucht und Glück fallen.

Leider endete es viel zu schnell. Sher legte seinen Kopf neben meinen auf die Schulter. »Ich liebe dich Victoria. Deswegen, weil du den wahren Wert siehst, weil du Dinge mit dem Herzen betrachtest.« Er hielt mich noch einen Moment fest, in dem ich hoffte, er würde mich wieder küssen, richtig küssen, aber er ließ mich los und ging zum Tisch, um mir einen Becher Kaffee zu reichen. »Tut mir leid, ich weiß das war nicht regelkonform. Ich halt mich ab jetzt zurück.«

Ich nippte verdrossen an der Tasse und verzog mein Gesicht. »Die Regel ist deine. Gibst du mir Tee, der Kaffee ist zu stark.«

Er zog die Augenbrauen hoch und nahm einen Schluck. »Finde ich nicht, aber klar.« Er goss mir Tee in eine feine kleine Tasse und ich plumpste auf das Chesterfieldsofa.

»Eigentlich ist das eher ein Whisky Sofa.«

Er nahm neben mir Platz und lehnte sich schwer ins Polster. »Kein Problem, wir können nachher meine Bar durchprobieren. Da sind ein paar verdammt Gute bei, die du bestimmt zu schätzen weißt.« Dabei drehte er sich seitlich zu mir. »Du bist die erste Frau, die ich kennengelernt habe, die wirklich gerne Whisky trinkt und dann auch noch die Wahrheit sagt, außer natürlich ein paar Schottinnen, die allerdings meistens schon über 60 sind.«

»Was meinst du mit Wahrheit?«

Grinsend strich er mir mit dem Daumen über die Lippen. »Ich werde nie vergessen, wie du mir erklärt hast, dass meine 800 Pfund teure Sammelflasche scheußlich geschmeckt hat.«

Ich wurde rot. »Ich wusste es ja nicht. Gott war ich froh, als ich noch eine bekommen hatte. Warte, ich hab 1200 Pfund bezahlt.«

Er riss die Augen auf. »Ernsthaft? Und ich wollte ihn eigentlich trinken.«

»In der anderen Flasche ist noch was drin, steht im Kleiderschrank.«

Und wieder kam sein Gesicht meinem so nah, dass alles anfing zu kribbeln. »Darf ich?«

»Was?«

Erneut strich er mir über die Lippen und mein Körper bestand nur noch aus kleinen Funken, die in alle Richtungen stoben und seltsame Gefühle hinterließen. Wollte er mich küssen?

Unsicher nickte ich, woraufhin er meine Tasse nahm und sie auf dem feinen antiken Tisch neben sich abstellte. Fast schon benommen sah er mich an und sagte rau: »Soll ich dir mein Bett zeigen … aus der Tudor Zeit.«

In mir flog alles auseinander, Sehnsucht so intensiv und schmerzvoll und so süß, dass es kaum zu ertragen war. Mein Mund war trocken und ich hauchte atemlos: »Ja.«

Sanft nahm er meine Hand und zog mich geschmeidig mit sich nach oben, bevor er mit mir durch eine Tür weiter hinten schritt. Ohne ein Wort schloss er langsam die Tür hinter sich, sah mich schwer atmend an und stürmte im nächsten Moment auf mich zu.

Mein Verstand verflüchtigte sich sofort. Alles, was ich wollte war, Sherlock fühlen, riechen, schmecken. Fast sofort fingerte ich an seinem Hemd, zog es aus der Hose, schob meine Hand auf seine Haut, warm, weich, Sherlock, nur noch er.

Er zog mir meinen Pullover über den Kopf, hielt kurz inne und sah mich an. »Victoria, ist das wirklich in Ordnung? Du weißt, dass ich nicht mehr will, ... kann.«

Ich vergrub mein Gesicht an seinem Hals und biss in sein Schlüsselbein, was er mit diesem kehligen Geräusch belohnte. »Ja Sher.« Alles, ich würde ihm alles geben, was er zuließ. Ich brauchte ihn so sehr.

Er schob mein Trägershirt über den Kopf und liebkoste meine Brüste. Sinnlich bedeckte er sie mit Küssen und schloss die Lippen um meine Brustwarze. Zärtlich und langsam saugte er sie ein, ließ seine Zunge warm darüber gleiten.

Mein Körper reagierte so heftig auf ihn, dass ich nur noch seine Haut auf meiner wollte. Für diese Spielerei hatte ich keine Geduld. Ich musste ihn fühlen. Endlich wieder eins werden mit diesem Mann, der meinen Verstand, meinen Körper und mein Herz so vereinnahmte. Geschickter als erhofft, öffnete ich die oberen Knöpfe seines Hemdes. Er half mir und zog es direkt mit Shirt über den Kopf.

Endlich konnte ich wieder seinen wunderschönen Oberkörper bestaunen und durfte mit meinen Händen drüber streifen. Er sah mich so gierig an, dass mir ein Stromstoß zwischen die Schenkel schoss.

Meine Finger flogen sofort zu seiner Hose, um sie zu öffnen, und er fing an zu grinsen. »Wenn du dich sehen könntest, als würdest du durchdrehen, wenn ich nicht in 2 Sekunden nackt wäre.«

Ich küsste in stürmisch, verlangend, meine Zunge spielte mit seiner, meine Hand legte sich über seine Erektion und wir stöhnten gemeinsam auf. Seinen Kiefer küssend und beißend fand ich den Weg zum Ohr. »Du hast 2 Sekunden, um mich aufs Bett zu schmeißen und zuzustoßen, bevor ich wahnsinnig werde.«

Er seufzte knurrend, packte mich um die Hüfte, warf mich aufs Bett und lag in der nächsten Sekunde über mir, während ich schon an meiner Hose zerrte. Seine Augen so stürmisch, sein Mund so fordernd, dass ich nichts mehr denken konnte. Mein Körper, mein Herz, meine Seele schrien nach ihm und dieses Gefühl von Verlangen war so stark wie nie zuvor.

Sanft legte er seine Hände auf meine. »Langsam Vi, denk an deine Wunde.« Er stand auf und mein Herz geriet aus dem Takt. Würde er aufhören? Ich brauchte ihn doch. Aber im nächsten Moment lächelte er und zog mir vorsichtig die Hose aus. Dabei glitt sein Blick genüsslich über meinen Körper und meiner über seinen, aber er war so weit weg. Viel zu weit weg von mir.

Langsam glitt er mit seinen Händen über meine Beine, küsste neben die verletzte Stelle und besah sich meine Hüfte. Vorsichtig und ganz sanft senkte er seine Lippen auf den restlichen Bluterguss und küsste langsam jeden Zentimeter meiner malträtierten Haut, mit dem Finger die Unterhosen immer ein Stück zur Seite drückend, wo sie gerade störte. Das war zu wenig, schön, liebevoll, aber zu wenig für das, was seit Wochen in mir brodelte.

Meine Hände krallten sich in seine Schulter und ich stöhnte auf. »Sher ausziehen.«

Er krabbelte zu mir hoch und grinste mich an. »Was denn mein Schatz?«

Ich schnappte nach seinem Mund, aber er entzog sich mir und mein Körper bog sich ihm entgegen. »Alles.« Er hielt mein Gesicht in seinen Händen und seinen Mund knapp über meinem. Ich schlang ein Bein um ihn und versuchte erneut, ihn zu küssen, aber er hielt mich unüberwindbar fest. Schwer atmend stieß ich einen verzweifelten Laut aus und schloss die Augen. Wenn er mich jetzt nicht mehr küssen würde, würde ich vor Sehnsucht sterben.

»Victoria?«

Tonlos und wild krächzte ich. »Ja?« Tief durchatmen, ich musste tief durchatmen. Langsam kam ich ein wenig runter.

»Du stehst echt nicht aufs Vorspiel, oder?«

Und diesmal knurrte ich dunkel. »Nein, Nachspiel, aber jetzt will ich dich, nicht kuscheln nicht irgendwelche Liebkosungen, sondern dich in mir, deine Haut auf meiner, Gott Sher, wie hältst du das aus?« Und dann kam mir ein Gedanke, der weh tat, unweigerlich und zerstörerisch weh tat. Sofort schossen mir Tränen in den Augen. »Du liebst mich gar nicht wirklich, oder?« Verzweifelt suchte ich seine Augen. »Deswegen kannst du dich dauernd so beherrschen.«

»Was? Nein Vi, das ist nur, ich möchte gern alles an dir küssen und lieben und fühlen und kennenlernen.«

Etwas beruhigt, fragte ich: »Später? Vielleicht?«

Er bekam dieses schiefe Lächeln und funkelte mich frech an. Dann stand er vom Bett auf und ich schrie innerlich bitte nicht, bitte geh nicht, aber er zog sich nur aus. Langsam! Meine Atmung holperte, als er seine Shorts runterzog und ich sah, wie hart er war.

Unkontrolliert bäumte ich mich stöhnend vor Sehnsucht auf und sein Blick verklärte sich vor Erregung. Im Bruchteil einer Sekunde lag er auf mir und ich hatte ihn schon fest in meiner Hand und erleichterte ihm den Weg zu mir.

Aber wieder stoppte er mich. »Warte, Kondom!«

Er zog sich etwas zurück, aber ich hielt ihn fest. »Brauchen wir nicht unbedingt, also nicht zum Verhüten. Das ist erledigt, nur wenn du es möchtest.«

Zögerlich sah er mich an. »Sicher?«

Ich griff nach seinen Haaren und bog meinen Körper zu ihm durch. »1000% sicher.«

Einen kurzen Moment hielt er noch inne. Dann sah ich in seinem Gesicht, wie er losließ, und er war wieder ausnahmslos bei mir, auf mir, mich verschlingend küssend. Als er in mich eindrang, stob meine ganze Welt auseinander. Kein Vergleich zu allem vorher. Kein Vergleich zu dem, was ich mit Edward hatte. Pure Erlösung und doch nie genug.

Langsam fing er an, sich zu bewegen, aber ich hielt seinen Kopf, der schwer neben meinem lag, mit der einen und seine Hüfte mit der anderen Hand. »Warte, ich will dich kurz fühlen.«

Diesmal war er es, der verzweifelt aufstöhnte. »Jetzt Kleines, ernsthaft?«

Ich schlang einen Arm um ihn und suchte seinen Mund, während ich ihn mit meinen Beinen tief in mich reinzog und verankerte. Unsere Münder saugten sich aneinander und ich ließ mein Becken in leichten Bewegungen kreisen, die mir bis tief ins Innerste drangen. Solange bis auch ich es nicht mehr aushielt und mehr brauchte, schneller. Er stimmte direkt mit ein, aber intensiv und voller Liebe. Mit den Händen fuhr ich fest an seinen Armen, seinem Rücken, jedem Zentimeter Haut entlang, den ich zu fassen bekam. Er lag schwer auf mir, nah und voller Körperkontakt, wunderschön. »Ich liebe dich Sherlock.«

Sein Atem schwer an meinem Hals, seine Stimme so dunkel. »Ich liebe dich.« Sein Arm glitt unter meinen Kopf und er stieß fester zu, schneller, begieriger. Heiser raunte er lächelnd in mein Ohr. »Brauchst du einen Stellungswechsel?« Kehlig lachte er und zog mich in der Sekunde hoch, genau in die Position, die wir beim ersten Mal innehatten, nur leider war das diesmal körperlich zu schmerzhaft für mich. Wir sahen uns tief in die Augen und er spürte sofort, dass etwas nicht passte. »Kleines, was ist los?«

Ich hasste es, ihn zu enttäuschen. »Tut leider im Bein weh.«

Vorsichtig ließ er mich runter und glitt komplett raus aus mir. In abgekühlter Stimmung legte er sich viel zu ernst neben mich.

Ich schwang mein verletztes Bein über seine Hüfte und drückte mich an ihn. Sein Blick war seltsam und meine Eingeweide zogen sich sorgenvoll zusammen. »Liebling, Sherlock?« Sanft küsste ich ihn und ein Ruck ging durch seinen Körper, als hätte ich ihn zurückgeholt.

Im nächsten Moment packte er mich schon wieder und drang seitlich in mich ein. »Geht das so?«

Ich stöhnte als Antwort auf und schrie fast vor Lust. »Ja Sher, ja … das …«Ich bestand nur noch aus Stöhnen und Seufzen.

»…ist angenehm?« Wieder stieß er zu.

Ich lachte keuchend auf und fand in seinen Rhythmus, der jetzt immer schneller wurde, die Küsse wurden immer verlangender. Ich spürte bereits, wie sich dieses Gefühl in mir hochschraubte. »Sher kannst du nach oben?« Ich liebte sein Gewicht auf mir.

Er drehte uns perfekt, ohne auch nur ein Stück rauszurutschen und wurde dann langsamer, sinnlicher, was es noch intensiver machte. »Lass mich dich ansehen.« Er küsste mich wieder so gierig und ich konnte kaum denken, so verloren war ich in diesem Gefühl von Liebe und Verlangen nach ihm.

Meine Augen schlossen sich und alles, was ich wollte war, sein Gewicht auf mir fühlen, seine Wärme. Tief atmete ich an seinem Hals seinen Geruch ein und ohne Vorankündigung kam das Feuerwerk, so vehement, dass mir kurz schwarz vor Augen wurde. Ich explodierte so intensiv, dass mir die Luft wegblieb, meine Fingernägel krallten sich in seinen Rücken, während ich schrie und keuchte. In dem Moment, in dem ich dachte, es ebbt ab, stieß er nochmal fester zu und es war wieder da. Genauso vehement wie zuvor. Meine Nägel gruben sich in sein Fleisch den Rücken runter. Mit geschlossenen Augen hörte ich ihn aufstöhnen, aber in mir explodierte alles, ohne dass ich nur die geringste Kontrolle über mich gehabt hätte. Wieder stieß er kraftvoll zu und ich bäumte mich ihm entgegen, stöhnte nach Luft ringend. Völlig von Sinnen klammerte ich mich an ihn, ohne je genug zu bekommen. Mit dem nächsten Stoß schrie ich wieder spitz und schrill ohne Luft, bevor es endlich ruhiger in mir wurde und ich etwas zu mir kam.

Benebelt öffnete ich die Augen, sah ihn an. Diesen wundervollen, komplizierten Mann. Seine Haut auf meiner erregte mich, auch wenn ich kaum noch Kraft hatte, mich zu bewegen nach diesem ewigen Höhepunkt, den er aus mir heraus geholt hatte. Als er jetzt dran war, kam ich ihm dennoch entgegen, wurde wieder schneller. In der Sekunde, in der er explodierte, riss er mich erneut mit und ich sah Sterne. Als er runterkam und mich fast verschlang mit seinem Kuss, bebten immer noch kleine Nachwehen durch mich hindurch.

Er küsste meine Wange und grinste mich an.

»Sher ich war gerade ganz sicher tot.«

»Das denke ich auch mein Schatz. Das war wohl ein multipler Orgasmus.«

Ich war, da völlig außer Atem, eine Mischung aus Hecheln und Lachen. Alle Muskeln fühlten sich an wie Gelee. »Sherlock?«

Er stütze sich neben meinem Kopf ab. »Ja, Babe.«

Ich war völlig atemlos, aber er sollte es wissen. Er musste es wissen. »Ich … ich bin …nSher ich.« Nein, nicht jetzt, ich konnte ihm das jetzt nicht sagen. Nicht jetzt, wo ich ihn endlich wieder in die Arme schließen durfte. »Können wir das später wiederholen?«

Er lachte rau auf und küsste meinen Mundwinkel. »Du raubst mir den Verstand, Babe.« Er streichelte meinen Bauch, unser Baby, und nahm mich fest in den Arm. »So viel zu, ich würde dich nicht so lieben. Ich werde jedes Mal zum Vollidioten, wenn ich nur dran denke, wie du dich anfühlst.« Er schmiegte sich an mich.

Vorsichtig löste ich uns etwas voneinander. »Ich fürchte, ich muss da was loswerden, bevor ich das Bett versaue. Wo ist denn mal ein Badezimmer?«

Er küsste meine Schultern, liebkoste meine Brüste. »Die Tür dort.« Gott sei Dank, war hier ein Bad angeschlossen. »Ich komm mit, heute lass ich dich nicht mehr los.« Das hörte ich nur zu gern.

Mit quasi zusammengekniffenen Beinen machte ich mich auf den Weg. Sowas erwähnt natürlich keiner beim Aufklärungsgespräch, das einem die Suppe auch wieder ausläuft. »Irgendwie ist das der Moment, in dem ich Kondome schätzen lerne.«

Sherlock lag mit hinter dem Kopf verschränkten Armen im Bett und amüsierte sich köstlich. »Ich wollte ja, aber du konntest ja nicht warten, bis ich mich angezogen hatte.«

Ich streckte ihm die Zunge raus, woraufhin er aufsprang und mir die Tür über meine Schulter hinweg öffnete. So schnell wie möglich saß ich auf dem Klo und versuchte, das gröbste loszuwerden und das unter Beobachtung.

»Kleines? Magst du duschen?« Das sagte er mit einer so seltsamen Spannung in der Stimme, dass ich abrupt in sein Gesicht sah.

»Mit dir zusammen?« Aha, er grinste frech. »Krieg ich denn dann überhaupt warmes Wasser ab, so groß und stark, wie du bist?«

Er tigerte auf mich zu. »Auf jeden Fall!« Er hob seine Hand, legte sie zärtlich unter meine Brust und fuhr mit dem Daumen über die Brustwarze. Das war elektrisierend, wie er sie zwischen zwei Fingern leicht drückte und dann wieder federleicht darüber strich. Ein leises Keuchen entfuhr mir. »Wie das Wasser dir über diese perfekten Brüste läuft, muss wunderschön sein. Jedes Mal, wenn ich dich in der Wohnung unter der Dusche gehört habe, konnte ich an nichts anderes denken.« Dann beugte er sich zu mir runter und küsste mich sinnlich, lang und genießerisch. Danach bekam ich noch einen kleinen Kuss auf die Nase, bevor er zielstrebig auf die große offene Dusche zuging.

In diesem Moment sah ich ihn zum ersten Mal von hinten, seit meine Fingernägel aktiv geworden waren und schrie erschrocken. »Ach du …!«

Beschämt sprang ich zu ihm und Sherlock drehte sich alarmiert um. Grinsend hielt ich mir die Hand vor dem Mund. Nach dem ersten Schreck fand ich es lustig, absurd, aber lustig. Sein Rücken sah aus, als hätte ihn ein Tiger von hinten angegriffen. Meine Fingernägel hatten ganze Arbeit geleistet. Ich drehte ihn sanft an der Schulter mit dem Rücken zum Spiegel und deutete darauf.

Ich lief rot an, als er seinen Rücken betrachtete. »Oh man Babe, ich mein ich hab gemerkt, dass es weh tut, aber das hier. Respekt!«

Verlegen flüsterte ich schuldbewusst. »Ich fürchte, du brauchst eine gute Erklärung für Susan.«

Ärgerlich verzog er seinen Mund. »Das hat sie nicht zu interessieren, warum denkst du so? Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig, verstanden?« Die Härte in seinem Gesicht irritierte mich.

»Sher, ich würde dich fragen, warum du so aussiehst, das ist doch normal.« Er presste seinen Kiefer wütend aufeinander und sah strikt an mir vorbei, während sein Gesicht arbeitete.

Vorsichtig ging ich auf ihn zu und legte ihm hoffentlich besänftigend meine Hände auf die Brust. »Und nicht, weil ich eine Rechtfertigung hören will, sondern um an deinem Leben teilzuhaben.«

Überrascht sah er mich an und fragte dann zynisch. »Wirklich? Auch wenn ich jetzt so hier stände und das von einer anderen wäre?«

Ich legte meinen Kopf auf seinen Oberkörper. Meine Stimme zitterte, weil ich den Schmerz nicht gut genug ausblenden konnte, als ich wieder hochsah und ihm antwortete. »Wir sind schließlich nicht zusammen, also muss ich das mit mir ausmachen und nicht mit dir.«

Langsam fuhr er über meine Arme und hielt dann mein Gesicht mit einer Hand hoch, dass ich ihn ansehen musste. »Und was genau musst du mit dir deswegen ausmachen?«

Ironisch verzog ich den Mund. »Ich denke Ähnliches wie du letzten Sonntag wegen Edward oder Alistair, Eifersucht!«

Brüsk meinte er. »Aber du bist doch gar nicht eifersüchtig.«

Ungläubig trat ich einen Schritt zurück und rief. »Wie bitte?«

Sherlock hob fragend die Hände. »Ich mein, Gott, ich hab Susan vor deinen Augen fast geschwängert und du hast gelächelt und mir einen schönen Abend gewünscht.«

Ich rang um Fassung und zischte: »Ich habe gelächelt. Ja! Damit meine Tarnung nicht aufliegt. Denkst du, ich geb mir die Blöße zu zeigen, was ich empfinde? Ich hab gelächelt, weil ich mir vorgestellte habe, wie ich euch beiden eine Kugel in den Kopf jage. Ich hätte ihr am liebsten die Kehle aufgerissen. Aber ich hab kein Recht dazu und deswegen werde ich weiter lächeln. Deine Entscheidung so zu leben, meine Entscheidung damit zu leben.« Diesmal ging ich, ohne seine Reaktion abzuwarten, unter die Dusche. Dort stand ich mit geschlossenen Augen und ließ das warme Wasser beruhigend an mir runterlaufen. Sammelte es mit meinem Mund, um schwallartig alles wieder auszuspucken. Meine Ohren dröhnten vom Wasser aber auch von dem Sturm der Gedanken und Gefühle. Alles sollte einfach abgespült werden, ab in den Ausguss damit.

Auf einmal spürte ich eine Hand, die sich um meine Taille schob, dann eine an meiner Wange. Meine Augen hielt ich geschlossen, als ich spürte, wie sein Körper sich an meinen annäherte und seine Lippen sich auf meine senkten. Ein unschuldiger Kuss, aber voller Liebe. Er zog mich näher an sich und raunte mir bedrückt ins Ohr: »Kannst du es denn? Damit leben?«

Ich vergrub mein Gesicht in meiner Lieblingskuhle am Hals und küsste ihn sanft. »Ich weiß es nicht. Noch habe ich keine Lösung, aber ich bin nicht gut darin, vorauszuplanen. Und ich will jetzt auch nicht darüber nachdenken. Im Moment will ich einfach mit dir glücklich sein, gib mir diese zwei Tage oder wenigstens noch ein paar Stunden.« Ich umarmte ihn und legte meinen Kopf an seinen Hals.

»Reicht dir das? Diese gestohlene Zeit mit mir?«

Ich wollte wirklich nicht mehr darüber nachdenken, denn es tat nur weh. Bald endete eh alles unweigerlich. Bald könnte ich nicht mehr verheimlichen, dass ich schwanger war. Sanft schob ich meinen Mund an seinen und presste mich an ihn. Wie erhofft, reagierte er direkt und stöhnte auf, als meine Hände ihn am Hintern fest an mich ran zogen. Unsere Lippen berührten sich kaum bei diesem spielerischen wilden Kuss, der folgte und ich ließ mich langsam küssend an ihm runter gleiten und nahm ihn in den Mund. Spielte mit meiner Zunge an seiner Eichel, übte sanften Druck aus, bewegte mich langsam rauf und runter. Sein Keuchen war Belohnung genug. Auch wenn ich wusste, dass ich das hier tat, damit er nicht mehr nachdachte, genoss ich diese Intimität. Bis er meinen Kopf packte und mich leicht wegdrückte.

Fragend sah ich zu ihm hoch. »Victoria steh auf, bitte, ich möchte das nicht.«

Und das tat tief in mir drin unglaublich weh. Sie durfte immer, ich nicht? Bei mir war das was? Eklig? Sanft zog er mich zu sich hoch und umarmte mich fest. »Nicht, dass ich das nicht genießen würde, aber du bist mir zu weit weg.«

Mein Herz machte einen kleinen glücklichen Hüpfer und mein Mund suchte seinen.

Wir hatten ewig unter der Dusche gestanden. Lange Zeit lagen wir einander in den Armen, auf diese Art küssend, die nicht mit Sex in Verbindung stand, sondern nur mit Vertrautheit und Liebe. Irgendwann hatten wir es doch geschafft, die Dusche so zu nutzen, wie es gedacht war und uns gewaschen. Dabei lachten und alberten wir rum. Ich sang lauthals und verschluckte mich dabei fürchterlich, was einen weiteren Lachanfall auslöste.

Punkt 8 Uhr am Abend saßen wir gesittet mit neutral freundlicher Miene in diesem imposanten Esszimmer und bekamen den ersten Gang unseres Dinners serviert. Suppe, und ich absolvierte unglaubliche 4 weitere Gänge ohne größeren Fehler.

Sher navigierte mich unauffällig durch meine Unsicherheiten.

Beim Nachtisch zögerte ich allerdings, obwohl es köstlich aussah. Mousse au Chocolat. Die Frage war das rohe Eiweiß. Selbst wenn ich meine Vorbehalte, die ich immer hatte, beiseiteschob, würde ich schwanger niemals rohes Ei essen.

Sherlock musterte mich fragend. »Victoria, Schokolade? Sagt dir der Nachtisch nicht zu?«

Mir war nur zu bewusst, dass wir nicht allein waren. Ständig stand hinter uns ein Diener oder Mrs. Brown. »Ich fürchte, ich muss passen.« Unsicher lächelte ihn an.

Leise sagte er. »Nimm ein wenig aus Höflichkeit, dann ist es ok.«

Selbst ein Löffel könnte schon ein Fehler sein. Ich schüttelte leicht den Kopf. »Sherlock, wenn rohes Ei verwendet wurde, kann ich es nicht essen, tut mir leid.«

Er runzelte die Brauen. »Das hatte ich vergessen.«

Von hinten kam Mrs. Brown freundlich auf mich zu. »Keine Sorge Lady Pendrake, die Eier sind heute Morgen frisch aus dem Hühnerstall geholt worden.«

Sherlock zuckte mit den Achseln und forderte mich mit einer Geste auf zu essen. Langsam tunkte ich den Löffel in das Mousse und mir wurde augenblicklich schlecht. Die Angst, meinem Baby zu schaden, war übermächtig. Ich ließ den Löffel wieder sinken und schluckte schwer.

Sherlock verstand anscheinend nun, dass es für mich eine regelrechte Qual darstellte und nicht nur eine Abneigung war. »Danke Mrs. Brown. Würden sie uns bitte gleich einen Tee in die kleine Bibliothek bringen?« Damit war sie entlassen und wir endlich allein. Abschätzend blickte er zu mir. »Ekelst du dich so sehr? Ich hatte das Gefühl, du musst dich gleich übergeben.«

Ich nickte nur, denn das Gefühl war nicht verschwunden. »Kleines, warum?«

Ich zuckte nur mit den Schultern, denn wie hätte ich das erklären sollen, ohne mich zu verraten. »Nun gut.« Er stand auf und hielt mir seine Hand hin, dann lass uns einen meiner Lieblingsräume besichtigen, den Ballsaal.

Verdutzt fragte ich: »Der Ballsaal? Ich dachte die Bibliothek.«

»Die grenzt direkt daran an. Komm, gehen wir tanzen.« Grinsend drehte er mich einmal um meine eigene Achse und marschierte los.

Der Ballsaal war riesig, nun begriff ich, dass in der Eingangshalle ganze vier Türen Zugänge zu diesem Raum waren. Zwei gigantische Kamine, ein wunderschöner Steinfußboden, Vertäfelungen, Bilder an den Wänden, die größer waren als ich. Das letzte Drittel grenzte an einen Wintergarten, in dem ich mindestens eine Palme und ein Orangenbäumchen ausmachte. Der Rest des Raumes lag seitlich an einer Parklandschaft, in die man durch große doppelflügelige Glastüren gelangte. Einfach wow. Wie im Film. Aber im Moment kahl und leer. Jedes Geräusch schallte durch den Raum, da nicht ein Möbelstück hier stand. Ich hob einen Finger. »Frage, benutzt du diesen Raum?«

Er tanzte ein paar Schritte mit mir. »Ja natürlich, mindestens einmal im Jahr beim Weihnachtsball. Gehst du mit mir hin? Das wäre so oder so die angemessenere Lösung! Schließlich gehörst du quasi zur Familie und ich sollte dich bei deinem ersten offiziellen Ball hier als Begleitung haben.«

»Das ist lieb, aber bis dahin kann viel passieren. Wer weiß, ob du mich dann überhaupt noch ertragen kannst.« Oder ich dann überhaupt noch hier war. Irgendwann musste ich entweder mit ihm reden oder gehen. Mein Herz wurde schwer.

Er nahm mich bei den Schultern und betrachtete mich nachdenklich. »Kleines, was bedrückt dich so. Da ist doch mehr als das Offensichtliche. Lass mich dir helfen.«

Traurig schmiegte ich mich in seinen Arm und wünschte mir den Mut endlich die Wahrheit zu sagen. »Zeigst du mir die Bibliothek?«

Seine Haltung hatte was durch und durch Beschützendes, so wie er mich im Arm hielt, abgeschirmt vor der Welt. Seufzend ging er mit mir in Richtung einer der Türen auf der kurzen Wand. »Dann mal los, der Tee ist bestimmt schon da.«

Der Tee wartete auf dem Tisch und im Kamin, der normale Größe hatte, knisterte ein Feuer. Glücklich setzte ich mich auf eins der Sofas, die quer zum Kamin standen und zog die Beine an. Mir war recht kalt geworden bei unserem Rundgang.

Sherlock blieb vor Kopf stehen und sah ziemlich steif aus. »Victoria?«

»Mmmh?«

»Was ist los? Jetzt mach ich mir echt Sorgen.«

Gähnend sah ich ins Feuer, das fast hypnotisierend auf mich wirkte. »Warum? Mir ist nur kalt und ich bin furchtbar müde.«

Sherlock stand neben mir und gab mir einen Kuss auf die Haare. »Mein Schatz, du hast die Bücher nicht beachtet.«

Oh! Der Raum war recht dunkel und ich war von dem Licht des Feuers wie eine Motte angezogen worden. Mein Blick wanderte umher. Wie war mir das entgangen. Hier gab es kaum einen Platz ohne deckenhohe Regale mit Schiebeleitern, teilweise sogar verglast. Nur die Fensterseite wurde von einem Schreibtisch abgerundet. »Es ist schön hier. Tut mir leid. Ich bin wirklich müde. Vielleicht kann ich morgen nochmal kommen?« Ich hörte selbst, wie betrübt ich mich anhörte.

Man sah, wie es in ihm arbeitete. Anscheinend machte er sich richtig Sorgen.

Ich griff nach seiner Hand und lächelte ihn müde an. »Alles gut! Gib mir lieber eine Tasse Tee als an deinen Falten zu arbeiten. Tee hilft immer.«

»Oder brauchst du einen Whisky?«

Ich schüttelte den Kopf und lachte. »Dann schlafe ich dir hier direkt ein.« Dankbar nippte ich an meinem Tee und unterdrückte ein Gähnen.

Das schien ihn zu überzeugen und er lächelte mich, wenn auch verhalten, an. »Wir können hochgehen und du legst dich hin. Wahrscheinlich kämpfst du noch mit dem Blutverlust.«

Sicherlich und mit den schlaflosen Nächten und der Tatsache, dass mein Körper neues Leben erschuf. »Gleich. Das Feuer ist schön. Der Tee ist gut. Lass uns das ein wenig genießen.«

Still saßen wir so eine ganze Weile nebeneinander. Etwas was ich mit Sherlock, wie mit keinem anderen vermochte. Plötzlich stand er auf und werkelte auf dem Schreibtisch herum. Ich sah, dass er eine Brille aufgesetzt hatte, die ich nicht kannte. Horngestell, furchtbar süß und ich musste spontan grinsen. Wie sehr er mir fehlen würde. Ich seufzte traurig, was seine Aufmerksamkeit auf mich lenkte. Unsere Blicke trafen sich und die Zeit blieb wieder mal stehen. Nichts auf der Welt war mit seinen grünen Augen zu vergleichen. In mir breitete sich eine wundervolle Ruhe aus, die Gewissheit, dass er mich tatsächlich liebte. Für einen flüchtigen Moment war ich mir ganz sicher, dass es so war, aber war es auch genug? Warum wollte er dann nicht mit mir zusammen sein und das Risiko eingehen?

»Kleines, was ist los?«

»Ich liebe dich Sherlock.«

Er lächelte mich an und legte das Buch ab. Als er bei mir war, ging er vor mir auf die Knie und küsste mich sanft. »Ich liebe dich auch Victoria. Ich hätte nie gedacht, dass ich überhaupt dazu fähig bin.« Er fuhr mit seinen Fingerspitzen über meine Augenbrauen und die Wangenknochen. »Du bist wegen mir so traurig, oder? Gib mir ein bisschen Zeit, ich versuche es, aber es ist schwer für mich.«

Meine Hände legten sich um seinen Nacken. »Erklär es mir.«

Langsam schob er sich neben mich auf die Couch und knetete seine Finger. »Das ich mir und dir diese Gefühle überhaupt eingestehe, ist schon ein Wunder und macht mir die meiste Zeit eine Heidenangst.« Er seufzte schwer und ich blieb regungslos, um ihm Raum zu geben. »Vi, ich fühl mich verwundbar, wie ein Tier, das man in eine Ecke treibt, um es zu töten. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass ich grausamer sein kann als alles andere. Ich hab das Potenzial dir so unglaublich weh zu tun. Dich zu verletzten, allein durch die Art und Weise wie ich lebe. Durch meinen Egoismus, meinen absoluten kompromisslosen Freiheitsdrang. Ich denke nicht, dass ich es kann, Vi, mich binden, ohne dich und mich daran zu zerbrechen.«

Meine Gedanken überschlugen sich. Was bedeutete das für das Baby? Was wenn er recht hatte? »Sherlock, aber manchmal muss man einfach nur lernen und heilen. Wenn man das Risiko eingeht, kann immer alles passieren. Das Schlimmste, aber auch das Beste. Stell dir vor du könntest glücklich sein …« Meine Stimme brach. »…mit mir.«

Er schloss gequält die Augen. »Wie soll ich dir das nur erklären.« Er sah mich mit einem Gesicht an, das 10 Jahre älter wirkte, dann nahm er behutsam meine Hand. »Mein Vater war grausam. In vielerlei Hinsicht. Er hat mir jeden Tag gezeigt, dass ich nicht genug bin, dass ich versage. Er hat mich gedemütigt bei jeder Gelegenheit. Körperlich und psychisch. Noch heute erwische ich mich dabei, wie ich es ihm recht machen will. Seinen Ansprüchen gerecht werden will. Nicht weil er recht hatte. Er war ein unglaublich arroganter Mistkerl, der es liebte, Menschen zu quälen und vor allem zu unterwerfen, sondern nur um seiner Strafe zu entgehen. Ich bin immer noch abhängig von ihm und seiner Meinung. Es ist schwer Vi und ungerecht von mir, aber sobald ich das Gefühl habe, ich soll Erwartungen erfüllen oder muss mich rechtfertigen, sehe ich rot. Mein ganzes Leben kämpfe ich um jedes Stück Selbstbestimmung, immer mit dem Gefühl kein Recht darauf zu haben. Für mich fühlt sich das an, als würde ich mich deinem Willen ausliefern und nicht mit dir zusammenleben.«

Ich rutschte zu ihm auf und legte meinen Kopf auf seinen Schoss, sofort fing er an, mich zu streicheln. »Dabei will ich nur dein zu Hause sein. Sher.«

Zärtlich gab er mir einen Kuss auf die Schläfe. »Weißt du Sherlock, mein Problem ist ähnlich, deswegen werde ich oft so provokant oder kratzbürstig. Niemand darf über mich bestimmen. Niemand! Dazu kommt noch, dass ich die meiste Zeit nicht glaube, dass du mich liebst, dass mich überhaupt jemand lieben kann.« Er zog scharf Luft zwischen seine Zähne. »Höchstens, dass du für eine Zeit denkst, du würdest mich lieben. Das liegt nicht an Dir. Sogar bei Alistair bin ich überzeugt, dass er irgendwann merkt, dass er ohne mich besser dran ist. Ich rechne ständig damit, aber er hat etwas gesagt und ich denke, er hat recht.«

»Was hat er gesagt?«

»Es kann immer schief gehen, aber mit der Richtigen, wenn man wirklich liebt, geht man das Risiko ein. Immer! Egal wie groß es ist.«

Seine Bewegung hörte mittendrin auf und er nahm die Hand von meinem Kopf.

Ich setzte mich auf und sah ihn ernst und eindringlich an. Ganz sachlich, wie ich es so oft konnte, wenn ich innerlich starb, sprach ich weiter: »Deswegen denke ich, bin ich wahrscheinlich einfach nicht die Richtige für dich. Und deswegen ist es ok, wie es jetzt ist, denn dann muss ich mich auch nicht drauf einlassen, voll und ganz, und stehe sprungbereit vor der Fluchttür.« Und deswegen war ich nicht in der Lage ihm zu sagen, dass er Vater wurde.

»Victoria, ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

Das Einzige, was ich jetzt wollte, war, ihn küssen und das tat ich. Er zögerte, aber nur kurz. Ich krabbelte ihm auf den Schoß und klammerte mich an ihn. »Sherlock, es ist ok. Wie sollte ich erwarten, dass jemand wie du es mit mir lange aushält.«

Er hielt meinen Kopf fest und starrte mich verzweifelt an. »Kleines, ich habe nie jemanden so sehr geliebt wie dich. Ich würde für dich sterben.«

Sanft strich ich ihm über die Wange und die Tränen kamen unweigerlich. »Sterben ist einfach. Sterben würde ich für viele. Für dich Sherlock, will ich leben.«

Mit Erstaunen sah ich, dass auch ihm die Tränen kamen, denn er verstand mich, wie sonst keiner. Mit erstickter Stimme flüsterte er: »Vi, Kleines, ich hab dich nicht verdient.«

Für lange Zeit hatten wir dort gesessen, ohne ein weiteres Wort zu reden. Mein Kopf zurück auf seinem Schoß, hing jeder seinen eigenen Gedanken nach und waren doch zusammen. Spät waren wir hoch und ins Bett gegangen und auch da war kaum ein Wort gefallen. Alles zwischen uns lag in den Blicken, die wir wechselten. Das Gefühl, mich nicht erklären zu müssen und die Selbstverständlichkeit wie wir uns fürs Bett fertig machten, jeder automatisch die richtige Seite wählte, war mit ihm einzigartig. Der folgende Gute Nacht Kuss, liebevoll als ich mich in meine Decke rollte und dann er, wie er mich anlächelte und anfing, zu lesen mit Brille auf der Nase machte mir die Brust eng. Genau das Bild, das ich mir schon in seiner Wohnung am Anfang vorgestellt hatte. Es kam mir vor, wie Monate, dabei waren seitdem erst wenige Wochen vergangen.

Obwohl ich müde war und mich seit langem Mal wieder entspannte, konnte und wollte ich meinen Blick nicht von ihm abwenden. Das hier war der Inbegriff meiner geheimsten Wünsche und ich wollte ihn mir einprägen für immer, als eine dieser Erinnerungen, die man im Herzen trägt. Regelmäßig warf er mir kurze Blicke zu. Strich mir über den Kopf, lächelte.

Meine Augen wollten nicht zu gehen und ihn verlassen, wollten aber auch nicht aufbleiben und sie verengten sich zu müden Schlitzen. Mir war gar nicht bewusst, dass wir uns immer noch ansahen, sein Buch lag dabei locker auf der Decke.

»Victoria soll ich aufhören zu lesen? Störe ich dich?«

Verschlafen nuschelte ich ins Kissen: »Nein. Was liest du?«

Er grinste ironisch. »Oh, das wird dir gefallen. Äsop auf Altgriechisch.«

Ich verzog angewidert mein Gesicht. »Suchst du passende Texte, um Studenten zu quälen?«

»Nein, eigentlich gehört das Buch meiner Mutter, sie war Altphilologin, ziemlich clever und wunderschön.« Sein Gesicht war ganz weich geworden. »Du erinnerst mich oft an sie, an ihre guten Tage.«

»Du hast ihre Augen, oder?«

Überrascht sah er mich an. »Ja, woher weißt du das?«

»Wusste ich nicht, war nur ein Gefühl. Warum gute Tage?«

Seine Miene verdüsterte sich. »Mein Vater hat sie gebrochen. Sie war ihm völlig hörig, selbst wenn er nicht da war, hatte sie Angst. Die meiste Zeit hat sie arbeitend unten in der Bibliothek verbracht. Viele gute Artikel, zwei tolle Abhandlungen über griechische Philosophen, griechische Geschichte, sind dort entstanden. Immer mit einer oder drei Flaschen Wein pro Tag.« Verbittert zuckte er mit den Schultern.

Ich schälte meine Hand aus der Decke und griff tröstend nach seiner. »Denkst du, sie hat ihn geliebt oder er sie?«

»Sowohl als auch. Das ist wohl das Tragische daran. Sie dachte, er würde sich für sie ändern. Er meinte, sie mache ihn zu einen besseren Menschen. Aber eigentlich wollte er sie nur besitzen, unter allen Umständen. Daran ist sie zerbrochen.«

Ich musterte ihn. »Du hast deswegen solche Angst.«

Er sah runter auf sein Buch und strich über die Seiten.

»Sherlock, vielleicht bin ich ihr ähnlich, aber ich würde so nicht leben. Du kennst mich nicht gut genug, sonst wüsstest du, dass ich sofort weglaufen würde, wenn ich jemanden zu etwas Besseren machen soll. Alles, was man tun kann, ist da sein. Liebe geben. Manchmal den Spiegel vorhalten, manchmal Wahrheiten aussprechen, aber ein Mensch kann sich nur durch sich selbst ändern. Durch seine Erkenntnis und sein Verständnis was er sein will. Deswegen laufe ich weg, wenn ich mich so leer fühle. Wenn man zulässt, dass jemand anderes einem dann erklärt, wer man ist und wie man sein sollte, kann das langfristig nur kollidieren mit der eigenen Wahrnehmung von sich selbst. Man muss selber lernen, die Relationen richtig zu setzen.«

Sein Gesicht war wie erstarrt, geradezu fassungslos.

»Das ist allerdings verdammt schwer und ich denke, man arbeitet da unter Umständen sein Leben lang dran.«

Er schüttelte sanft den Kopf. »Wie alt bist du?«