Perry Rhodan 116: Der Auserwählte (Silberband) - Clark Darlton - E-Book

Perry Rhodan 116: Der Auserwählte (Silberband) E-Book

Clark Darlton

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Beschreibung

Das Jahr 3587: Kosmische Geschichte und das Schicksal der Menschheit verbinden sich in unterschiedlichen Regionen des Universums. In der Milchstraße sind alle Welten von zerstörerischen Weltraumbeben bedroht - der Schlüssel zur Lösung der Gefahr liegt in der fernen Galaxis Erranternohre. Dort ringen Perry Rhodan und die Besatzungsmitglieder der BASIS um die Zukunft ihrer Heimat. Erranternohre ist ein kosmisches Wunder, denn nur in dieser Sterneninsel existieren sowohl eine Materiensenke als auch eine Materienquelle. Seit urdenklichen Zeiten spielen sich hier Geschehnisse von ungeheurer Tragweite ab, und nur hier scheint es einen direkten Zugang zu den Kosmokraten zu geben. Wollen die Terraner ihre Heimat vor der Vernichtung bewahren, muss ein Auserwählter auf "die andere Seite der Materiequellen" gehen. Die Kosmokraten akzeptieren aber nur einen einzigen - und so kommt es zum Duell zwischen Atlan und Perry Rhodan ...

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Nr. 116

Der Auserwählte

Das Jahr 3587: Kosmische Geschichte und das Schicksal der Menschheit verbinden sich in unterschiedlichen Regionen des Universums. In der Milchstraße sind alle Welten von zerstörerischen Weltraumbeben bedroht – der Schlüssel zur Lösung der Gefahr liegt in der fernen Galaxis Erranternohre. Dort ringen Perry Rhodan und die Besatzungsmitglieder der BASIS um die Zukunft ihrer Heimat.

Erranternohre ist ein kosmisches Wunder, denn nur in dieser Sterneninsel existieren sowohl eine Materiensenke als auch eine Materienquelle. Seit urdenklichen Zeiten spielen sich hier Geschehnisse von ungeheurer Tragweite ab, und nur hier scheint es einen direkten Zugang zu den Kosmokraten zu geben.

1.

Ort: An Bord des Fernraumschiffs BASIS.

Position: Drink-System in der Galaxis Erranternohre.

Anlass: Bericht Perry Rhodan über die letzten Ereignisse in der Materiesenke.

Zweck: Spätere Information der gesamten Besatzung.

»Wir schreiben den 28. September 3587, Terra-Normalzeit. Noch ist nicht abzusehen, wann wir in die Milchstraße zurückkehren können. Zu viel ist inzwischen geschehen.

Mithilfe von Laires Auge gelangte ich in Kemoaucs Aura, aber der Letzte der Mächtigen brachte mich in die Materiesenke. Kemoauc nahm mir das wertvolle Instrument ab und kehrte allein in die BASIS zurück. Atlan ist es zu verdanken, dass der Mächtige mich letztlich wieder aus der Abgeschiedenheit befreite.

Die Materiesenke, das ist absolute Materie- und Lichtlosigkeit. Einzige Ausnahme bilden die Weltenfragmente, die ES dort mit seiner mentalen Kraft erschaffen hat, damit sie zur Brücke zurück in unser Normaluniversum werden.

ES, der Unsterbliche von Wanderer, wurde in eine Falle gelockt, aus der es scheinbar kein Entrinnen gibt. Die Brücke aus Fragmenten würde ES jedoch in einigen Jahren die Flucht ermöglichen.

Einige Jahre sind allerdings einige Jahre zu viel. Die Mächtigkeitsballung des Unsterblichen – unser Lebensraum – ist ohne seine Anwesenheit akut bedroht. Wir müssen uns deshalb fragen, war wir tun können, um ES schneller zu befreien, als es durch die Kausalbrücke möglich wäre.

Ich muss noch erwähnen, dass ich auf einem Weltenfragment einen lange vermissten Freund traf, der ebenfalls den Notruf des Unsterblichen vernommen hat. Es handelt sich um Ernst Ellert, der zusammen mit dem Bewusstsein des Jungen Gorsty Ashdon ein Doppelkonzept bildet: zwei menschliche Bewusstseine in einem Körper. Ellert/Ashdon befindet sich inzwischen an Bord.

Ich hatte zweimal Kontakt mit dem Unsterblichen, aber ES machte wie üblich nur Anspielungen, selbst was seine Rettung betrifft. Der wichtigste Hinweis scheint mir zu sein, dass die Antwort auf die Frage, wie wir helfen können, auf der BASIS zu suchen sei.

Was die sechs Sporenschiffe betrifft, die mit uns hier im Drink-System stehen, so muss ich zugeben, dass wir über Sinn und Zweck weiterhin im Dunkeln tappen. Diese Schiffsgiganten sind nicht ohne bestimmte Absicht hier, aber nicht einmal Kemoauc scheint diesbezüglich informiert zu sein.

Zu allen soeben angerissenen Punkten möchte ich die Meinung der Besatzung erfahren. Dazu wiederhole ich: Es ist unsere wichtigste Aufgabe, den Unsterblichen aus der Materiesenke zu befreien, denn das Schicksal von ES ist eng mit unserem Schicksal verknüpft.«

Ellert/Ashdon lag lang ausgestreckt auf dem Bett. Der Teleporter Ras Tschubai hatte in einem der beiden Sessel Platz genommen. Tschubai wiegte nachdenklich den Kopf, denn er war nicht mit allem einverstanden, was Ellert ihm eröffnet hatte.

»Du siehst, Ras, dass ein körperloses Bewusstsein wohl die höchste denkbare Entwicklungsform ist. Meine Erlebnisse haben das deutlich gezeigt. Trotzdem versuchte ich immer wieder, einen Körper zu finden, weil mir nur ein Körper die Erinnerung an das zurückgibt, was ich einst war: ein Mensch. Nun sind Gorsty und ich in diesem Körper vereint, den wir aus eigener Kraft nicht mehr verlassen können. Ein Rückschritt?«

»Ich denke schon, Ernst. Als körperloses Bewusstsein hatte das Universum keine Grenzen für dich, selbst die Zeit war dir untertan. Der Sprung von einer Galaxis zur nächsten war kein Problem, und du hast die dunkelste Vergangenheit ebenso gesehen wie die fernste Zukunft ...«

»Nur die Zukunft anderer Galaxien und Universen, in keinem Fall die Zukunft der Menschheit«, schränkte Ellert ein. »Aber du hast recht: Ein Körper ist hinderlich. Zumindest dann, wenn ich ihn nicht nach Belieben verlassen und wieder in ihn zurückkehren kann. Oft war ich nur dann wirklich frei, wenn mein jeweiliger Körper starb. Niemand weiß, ob das auch diesmal der Fall sein wird. Vor allem bin ich heute nicht mehr allein, ich habe auch für Gorsty Verantwortung.«

Über eine Stunde lang hatte Ernst Ellert von seinen Erlebnissen berichtet. Trotzdem war das Gesagte nur ein kurzer Abriss geblieben, denn der ehemalige Teletemporarier hatte mehr erlebt als selbst die Träger eines Zellaktivators.

»Was ist mit EDEN II?«, fragte Tschubai, als Ellert lange schwieg.

»Ich weiß es nicht. Jedenfalls ist ein Prozess angelaufen, der uns unverständlich erscheinen mag. Die dortigen Konzepte, oft sechs oder sieben Bewusstseine in einem Körper, begannen sich zu vereinigen, als ich den Planeten verließ, um ES zu suchen. Dörfer und Städte auf EDEN werden wohl veröden, und die Roboter werden eines Tages völlig unnötig ihre Arbeiten verrichten. Aber EDEN II wurde von ES erschaffen, also kann nicht alles sinnlos sein.«

»Ein Stützpunkt?«, vermutete Tschubai. »Ähnlich wie vor langer Zeit der Kunstplanet Wanderer?«

»Ich wüsste es, könnte ich irgendwann nach EDEN II zurückkehren. ES sagte einmal, viele Völker seien in ihm vereint, ein Konzentrat aus Milliarden von Bewusstseinen – und mir scheint, dass sich auf EDEN eine solche Entwicklung angebahnt hat.«

»Das wäre ...?«

»Nein, dort entsteht keine neue Superintelligenz. Weitaus eher eine neue Heimat für ES.«

Der Teleporter Ras Tschubai wusste selbst nicht, warum er vor seinem geplanten Einsatz in der Materiesenke mit dem Konzept redete. Er empfand keine Furcht vor der Gefahr, in die er sich begeben würde, aber es war eher die Möglichkeit eines Fehlschlags, die ihn beunruhigte.

»Wenn du versagst, schafft es Gucky vielleicht.« Ellert schien die Gedanken seines Freundes zu erraten. »Das Gefängnis des Unsterblichen muss zu durchbrechen sein.«

Tschubai nickte lächelnd und erhob sich. »Deine Odyssee durch das Universum hat mir die Augen geöffnet, Ernst. Wie gewaltig muss doch der sein, der das alles erschaffen hat ...«

Ellert sah dem dunkelhäutigen Mutanten nach, bis sich die Tür hinter Tschubai schloss.

Er ist beeindruckt, dein Freund Ras, meldete sich Ashdon. Ich glaube, er sieht das Universum nun mit anderen Blicken. Es wurde für ihn wieder ein Stück größer ...

»Wie kann etwas größer werden, was unendlich ist?«, murmelte Ellert.

»Bist du so weit, Ras?«, fragte Perry Rhodan über Helmfunk. Als Tschubai bestätigte, nahm er das Auge des Kosmokratenroboters Laire in die Hand, hob es vor den Helm und blickte hindurch.

Der distanzlose Schritt, wie der Vorgang genannt wurde, trug die beiden Männer ohne Zeitverlust in die Materiesenke.

Sie erreichten eines der von ES nur aus Erinnerungen und Gedanken materialisierten Weltenfragmente. Das Planetenbruchstück sah aus wie eine gigantische Bohne. Die Oberfläche hatte sich verändert. Üppige Vegetation wucherte, wo vorher nackter Fels gewesen war. Mehrere Flussläufe und Seen waren neu entstanden.

In einiger Entfernung schwebte die leuchtende Wolke, das Gefängnis von ES.

Rhodan betätigte sein Flugaggregat. »Wir nehmen Kurs auf die Wolke, aber wir dürfen ihren Rand nicht berühren.«

Schon Augenblicke später meldete sich der Unsterbliche mit seiner lautlosen und doch so eindringlichen Stimme. Ihr begebt euch in Gefahr!, erklang es warnend. Jeder Versuch zu meiner Befreiung ist zwecklos. Zieht euch zurück!

Stumm schüttelte Rhodan den Kopf. Für ihn stand fest, dass ES nur deshalb Hilfe ablehnte, weil ES sich einfach nicht helfen lassen wollte – wenigstens nicht auf diese Weise. Aber wie dann?

»Ras, ich kann nicht von dir verlangen, dass du teleportierst – immerhin wurden wir gewarnt.«

»Ich werde es trotzdem versuchen«, sagte Tschubai. »Die Wolke kann für mich ebenso undurchdringlich sein, wie sie es für ES zu sein scheint. Aber sie isoliert nicht völlig, sonst könnte ES sich nicht verständlich machen und schon gar nicht die Fragmente erschaffen. Also kann ich schlimmstenfalls zurückgeschleudert werden. Das ist mir schon oft passiert und stets ohne schlimme Folgen.«

Der Unsterbliche meldete sich nicht mehr, was Rhodan als passive Zustimmung deutete. Hätte akute Lebensgefahr für Tschubai bestanden, wäre die Warnung deutlich strenger erfolgt, hoffte er.

Trotzdem hielt der Aktivatorträger angespannt die Luft an, als Tschubai entmaterialisierte.

Nichts geschah.

Aber der Teleporter kehrte auch nicht zurück. Er blieb verschwunden ...

Der befürchtete Schock, der stets mit einem Zurückgeschleudert-Werden einherging, blieb aus. Ras Tschubai hatte allerdings das Gefühl, gar nicht entmaterialisiert zu sein, sondern in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen, der sich urplötzlich vor ihm aufgetan hatte.

Die absolute Finsternis, in der er sich befand, war nicht von langer Dauer. Erste schwache Lichtpünktchen schimmerten schon durch das Dunkel, und es wurden von Sekunde zu Sekunde mehr, bis ringsum ein Sternenmeer funkelte.

Wie eine klare Sternennacht auf der Erde, dachte der Teleporter.

Fiel er in diesen Sternenhimmel hinein?

Es sind keine Sterne, teilte ihm eine lautlose Stimme mit. Er wusste sofort, dass ES zu ihm sprach. Was du siehst, ist das Universum, zu dem wir gehören. Hattest du nicht den Wunsch, selbst einmal sehen zu dürfen, was Ernst Ellert über Ewigkeiten hinweg genossen hat?

»Du bist es?« Tschubai tastete seinen Körper ab und stellte fest, dass alles vorhanden war: er selbst, der Raumanzug, eben alles.

»Wo bin ich?«

In Rhodans unmittelbarer Nähe, aber ihr seht euch nicht mehr. Ihr seid zeitverschoben. Was du erlebst, ist eine Projektion.

»Ich ... verstehe nicht.«

Das wird sich gleich ändern, Ras. Du hast dein Leben gewagt, um mir zu helfen, aber es wäre sinnlos. Doch schon der Versuch und die Absicht zählen. Deine nur einen Sekundenbruchteil währende Entmaterialisation gibt mir Gelegenheit, deinen Wunsch zu erfüllen. Was du siehst, sind keine Sterne. Es sind Tausende und Abertausende von Galaxien, die einen Teil unseres Universums bilden. Du erblickst sie aus einer Entfernung von vielen Milliarden Lichtjahren.

Eine Projektion, hatte der Unsterbliche gesagt. Aber seine Projektionen waren gedachte Realität, also Wirklichkeit.

So also sieht unser Universum aus!, erkannte Tschubai. Wie viele bewohnte Welten mag es geben?

Selbst ich weiß es nicht, kam die Information des Unsterblichen. Die Erde ist nur eine von ihnen, und ihre Menschen glaubten lange Zeit, sie sei die einzige – ein wahrhaft größenwahnsinniger Gedanke, der die Würde des Schöpfers herabsetzte. Auch der Frosch hält seinen Teich für einzigartig und einmalig, und nur der Neugierige und Zweifelnde verlässt seine Geburtsstätte, um neue Welten zu entdecken.

»Du sagtest – Schöpfer?«

Es gibt Mächtigere, als ich es bin. ES antwortete ausweichend.

Stumm starrte Ras Tschubai in die Ewigkeit. Er fing an zu ahnen, welchen gewaltigen Schritt die Menschheit in den letzten eineinhalb Jahrtausenden getan hatte. Statt sich zu Beginn des Raumfahrtzeitalters selbst zu vernichten, hatte sie ihren Weg in die Zukunft gefunden; manchmal war es kein unblutiger Weg gewesen, aber die große Katastrophe hatte nie stattgefunden.

Du siehst, dass aus dem scheinbar Negativen auch Positives entstehen kann. ES griff seinen Gedankengang auf. Jeder Fortschritt verlangt Opfer, aber der Kurzsichtige erkennt nur sie. Das Ziel, das verschwommen in der Ferne wartet, kann er nicht erkennen.

»Wir Terraner haben dieses Problem heute nicht mehr. Wir haben die Zukunft erreicht.«

Das sind große Worte, widersprach ES. Niemand kann die Zukunft wirklich erreichen, sondern nur eine Gegenwart, die einst in der Zukunft lag.

»Gibt es dann überhaupt eine Zukunft?«

Angespannt wartete Tschubai auf die Antwort.

Doch dann war ihm, als entferne er sich plötzlich mit unvorstellbarer Geschwindigkeit in eine unbestimmbare Richtung. Die Lichtpunkte, von denen jeder Milliarden Sterne oder Sonnensysteme repräsentierte, schmolzen förmlich zu einem einzigen zusammen, während zugleich von allen Seiten neue Punkte in sein Blickfeld rückten. Schließlich sah alles aus wie zuvor, nur war die Anordnung anders.

Die Lichtpunkte standen diesmal in geometrischer Ordnung, scheinbar gleich weit voneinander entfernt. Die Unordnung des Sternenhimmels fehlte.

»Was ist das?«, fragte Ras Tschubai im Flüsterton. »Diese Gleichmäßigkeit kann niemals natürlich sein. Sind das auch Galaxien?«

Die Antwort ließ seinen Herzschlag rasen.

Was du siehst, Ras, sind Universen – Tausende von Universen des Normalraums. Die Entfernung, in der sie vor dir liegen, würdest du gar nicht erst begreifen können. Du wunderst dich über die Ordnung, mit der sie verteilt sind? Eines Tages wirst du – und nicht nur du – verstehen, warum das so ist. Eines kann ich dir heute schon sagen: Galaxien sind nichts anderes als Abfallprodukte der Universen. Doch auch hier entstand Leben wie das deine. Was ihr Menschen Fortschritt nennt, ist nichts anderes als der Versuch, zum Ursprung zurückzukehren. In eurer fernsten Vergangenheit liegt die Zukunft. Ihr seid auf dem Weg zurück.

»Zurück?«

Zurück in das, was Zukunft genannt wird.

Ganz allmählich verstand der Mutant, was ihm offenbart worden war, dennoch konnte er die wahre Bedeutung dessen nicht einmal erahnen. Rhodan und mit ihm die gesamte Menschheit hatten bestenfalls einen ersten zaghaften Schritt getan.

Einen Schritt, der wohin führte ...?

Ich bringe dich zurück – in deine Gegenwart.

Ras Tschubai sah, dass die unzähligen Universen um ihn herum erloschen. Und dann schwebte er plötzlich wieder neben Perry Rhodan, der unverwandt in die Leuchtwolke starrte, in deren Zentrum ES als matt schimmernde Kugel zu erkennen war.

»Du warst gut fünf Sekunden verschwunden, Ras. Hast du es geschafft?«

»Nur fünf Sekunden ...? Nein, ich bin nicht durchgekommen. Aber ich hatte Kontakt mit ES – für längere Zeit.«

»Wir kehren in die BASIS zurück.« Rhodan hob Laires Auge und schaute hindurch.

»Ich will mich ja nicht selbst loben, aber vielleicht habe ich etwas mehr Glück.« Mausbiber Gucky zwängte sich in seinen Raumanzug, wobei er einige Mühe hatte, seinen breiten Biberschwanz in dem Spezialhinterteil unterzubringen.

»Du wirst fett!«, stellte Reginald Bull fest. »An deiner Stelle würde ich etwas mehr Diät halten.«

»Ausgerechnet du musst das sagen!«, empörte sich der Mausbiber und ließ die Verschlüsse telekinetisch einschnappen. »Hockt im Glaskasten, der Dicke, und wirft mit Ziegelsteinen ...«

»Schluss damit!«, unterbrach Perry Rhodan den ironisch-bissigen Wortwechsel.

»Aller guten Dinge sind drei.« Bull seufzte.

»Wie meinst du das?«, fragte der Mausbiber sofort. »Sag schon!«

Reginald Bull warf Rhodan einen entschuldigenden Blick zu.

»Ich meine damit, dass wahrscheinlich erst der dritte Versuch, ES zu befreien, glücken wird.«

»So? Und ich bin der zweite Versuch?«

»Ja, laut Adam Riese.«

»Wer ist das? Ein Haluter?«

»Gucky!« Rhodans Stimme hatte einen warnenden Unterton.

»Gut, ich bin bereit.« Der Ilt schloss den Helm. »Klappe zu, Affe tot!«

Bull murmelte etwas Unverständliches, was allerdings sehr anzüglich klang. Gucky bedachte ihn dafür mit einem strafenden Blick und streckte Rhodan die Hand entgegen.

»Also dann, machen wir uns auf den Weg, Perry.«

Der distanzlose Schritt ließ beide aus der BASIS verschwinden.

Es erging dem Ilt nicht anders als Ras Tschubai. Auch ihm präsentierte der Unsterbliche eine Projektion, und dazu bediente ES sich Guckys Erinnerungen.

Die gelbe Sonne versank gerade hinter dem Horizont, aber fast gleichzeitig ging eine grün schimmernde Sonne auf, die ein eigenartiges Zwielicht warf. Das Felsenufer fiel steil ins Meer ab. Die Vegetation wucherte üppig, und auf einer Lichtung nahe den Klippen tollten ein Dutzend junge Mausbiber herum.

»Mystery!«, entfuhr es Gucky. »Die Welt, auf der die letzten Ilts lebten.«

Vor langer Zeit war es ihm gelungen, diesen Planeten, zweitausendvierhundert Lichtjahre von der Erde entfernt, zu finden und einige Zeit dort zu verbringen. Die auf Mystery heimisch gewordenen etwa zweihundert Ilts waren die Nachkommen jener Überlebenden, die sich dorthin geflüchtet hatten. Mit einem Denkmal ehrten sie ihren legendären Retter und Urahn Guck.

Gucky vergaß die spielenden Jung-Ilts, als er die riesigen Karottenbeete jenseits der Holzbungalows entdeckte. Vorsichtig schaute er sich nach allen Seiten um, aber er konnte keinen erwachsenen Aufpasser entdecken.

Frische Möhren ...! Er musste an seine magere Ausbeute denken, die er heimlich in seiner Kabine herangezüchtet hatte. Alle Monate vielleicht vier oder fünf Stück und dazu noch winzig kleine. Hier wuchsen sie gleich in langen Reihen.

Er peilte sein Ziel an und teleportierte, obwohl er genau wusste, dass alles nur eine Projektion des Unsterblichen war. Aber sie war Realität, wie er selbst auch Realität geblieben war.

Er materialisierte inmitten der Beete und duckte sich zwischen das hoch aufgeschossene Kraut, um nicht gesehen zu werden. Flach auf dem Bauch liegend zog Gucky das erste Gewächs aus dem lockeren Boden, reinigte es so gut wie möglich und biss herzhaft zu.

Die Möhren waren Realität.

Als er das zehnte Prachtexemplar mit seinem einzigen Zahn zerschabt und aufgegessen hatte, fühlte er endlich die beginnende Sättigung. Ohne seine Deckung aufzugeben, stopfte er sich die Taschen voll, bis er an einen kriechenden Kartoffelsack erinnerte.

In diesem Moment wurde er entdeckt.

Die spielenden Ilts hatten sich dem Feld genähert. Sie versuchten sich in kurzen Teleportersprüngen. Einige fielen dabei empfindlich auf die Nase, weil sie in zu großer Höhe rematerialisierten, und einer der Kleinen landete genau vor Gucky in der Ackerfurche.

Sprachlos starrten sie einander an, dann fing der Jung-Ilt an, fürchterlich zu kreischen. Gucky gab ihm ein Zeichen, still zu sein, aber das Geschrei wurde eher noch lauter.

Aus den Bungalows kamen mit Knüppeln bewaffnete Ilts. Sie entdeckten die Gestalt im Raumanzug zwischen den begehrten Mohrrüben und kamen drohend näher. Für Gucky wurde es Zeit, das Versteckspiel aufzugeben. Er erhob sich, schwenkte die Arme und öffnete den Helm.

»Ich bin Gucky, euer Stammvater, Freunde. Erinnert ihr euch nicht mehr?«

»Du bist ein Dieb, der sich für unseren Stammvater ausgibt. Er würde uns niemals bestehlen!«

»Ich hatte Hunger«, entschuldigte sich Gucky, immer noch optimistisch. »Wo steckt eigentlich mein Freund Mentos? Wie geht es Grabsch und Ötsch? Alle noch gesund?«

»Schon lange tot und nicht mehr gesund«, kam es wütend zurück. »Willst du uns noch mehr verärgern? Komm heraus und hol dir die übliche Tracht Prügel ab. Das ist die vereinbarte Strafe für Diebe. Wer bist du überhaupt, und wie kommst du an das künstliche Fell?«

Der kleine Mausbiber, dem er seine peinliche Entdeckung zuzuschreiben hatte, sah sich endlich außer Gefahr. Er sprang auf und rannte quietschend quer über das Feld zu seinen Spielgefährten.

»Ich bin Guck, euer Stammvater«, sagte Gucky schon halb verzweifelt und wünschte sich bereits, dass ES endlich seine Projektion beendete.

»Dann komm her, Stammvater, damit wir dir das Fell gerben können! Oder sollen wir dich holen? In dem Fall erhältst du die doppelte Ration.«

»Und das sind nun meine friedlichen Stammesgenossen ...« Gucky seufzte. Entschlossen klappte er den Helm zu. »Mit denen will ich nichts mehr zu tun haben – wenigstens nicht als Projektionen!«

Als ihn die Gruppe einkreiste, teleportierte er zu einer der Klippen. Aber schon trat genau das ein, was er befürchtet hatte. Die wütenden Ilts teleportierten ebenfalls.

Die Klippe war zu klein für alle. Einige seiner Verfolger rutschten ab und stürzten ins Wasser, bevor sie erneut teleportieren konnten. Die anderen drangen auf Gucky ein.

Er verzichtete auf jede Diskussion, sprang ziellos in die Höhe und hielt sich telekinetisch zwischen einigen Wolkenfetzen in Deckung. Sobald er nach unten schaute, konnte er die ganze Insel überblicken.

»Rabiate Burschen!«, murmelte er mit einer Spur von heimlichem Stolz. »Trotzdem wagen sie es nicht, mir zu folgen. ES, ich glaube, du kannst jetzt Schluss machen mit der Vorstellung. Trotzdem vielen Dank.«

Der Planet Mystery verschwamm vor seinen Augen. Gucky schwebte wieder neben Rhodan vor der leuchtenden Nebelwolke.

»Das glaubst du selbst nicht!«, protestierte Reginald Bull, nachdem der Ilt seine Geschichte erzählt hatte, höchstwahrscheinlich mit vielen eigenen Ausschmückungen. »Wie willst du das beweisen?«

»Ich bin satt! Nicht mal eine frische Möhre könnte mich noch reizen. Oh, stimmt ja!« Gucky kramte in seinen Taschen und förderte wahre Riesenexemplare zutage. »Na, was sagst du dazu?«

Nachdenklich geworden, kaute Bull auf seiner Unterlippe. »Wenn das so ist, dann möchte ich den dritten Versuch wagen.«

»Und in einem Harem landen?«, spottete Gucky.

»Abergläubisch?«, erkundigte sich der Arkonide Atlan ein wenig ironisch. »Wie wäre es, wenn wir Laire um Rat fragten?«

Rhodans Miene verriet nur für den Bruchteil einer Sekunde eine gewisse Überraschung, dann nickte er zustimmend.

»Ich muss zugeben, dass ich mit dieser Möglichkeit immer noch gezögert habe. Laire ist für uns nach wie vor wie ein Buch mit sieben Siegeln, und ich bin mir nicht einmal sicher, ob er überhaupt ein Interesse daran hat, ES zu befreien. Auf der anderen Seite steht wohl fest, dass er uns einiges zu verdanken hat. Mag sein, dass er sich dafür revanchieren wird.«

»In der Hinsicht bin ich mir ziemlich sicher«, sagte Atlan überzeugt.

Der zweieinhalb Meter große Roboter schien nicht überrascht, als Rhodan und Atlan ihn aufsuchten. Der Terraner konnte sich sogar des Eindrucks nicht erwehren, dass er sie erwartet hatte.

»Kemoauc hat es also nicht gewagt?« Laire bot ihnen Sitzplätze an. Er selbst blieb stehen, was seine körperliche Größe nur noch betonte. »Ich habe die Informationen über Interkom verfolgt. Der Versuch mit den Mutanten schlug fehl, nehme ich an.«

»Deshalb sind wir hier«, sagte Atlan. »Wir wollen deinen Rat hören. Gibt es eine Möglichkeit, den Unsterblichen zu befreien?«

»Jenes Wesen, das ihr ES nennt ...?« Laire schien zu überlegen, was mehr als seltsam wirkte.

»Wo ist das Auge?«, fragte er plötzlich.

»In meiner Kabine«, antwortete Rhodan.

Laire nickte ihm zu. »Dann hole es!«, verlangte der Roboter ausdruckslos.

»Willst du selbst versuchen, in die Materiesenke vorzudringen?«

»Wer sonst?«, erwiderte Laire.

Reginald Bull, der sich inzwischen wieder in der Leitzentrale der BASIS eingefunden hatte, stand neben Waringer vor dem riesigen Panoramaschirm, der die Rundumerfassung abbildete.

Jedes der sechs Sporenschiffe durchmaß 1126 Kilometer. Mit ihrer Kugelform erinnerten sie an kleine Monde aus Metall. Obwohl diese gewaltigen Raumschiffe keine Sporen mehr mit sich führten, waren wieder Besatzungen an Bord: humanoide Androiden, die den Terranern unbekannten Befehlshabern gehorchten.

Perry Rhodans Versuch, wenigstens in eines der Schiffe einzudringen, war von den Androiden abgewehrt worden. Um keinen Konflikt auszulösen, hatten sich die Terraner zurückgezogen.

»Da sind sie und warten – worauf?« Bully war hörbar beunruhigt.

»Wer weiß?« Waringer zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls verhalten sie sich passiv und stellen keine unmittelbare Bedrohung dar. Wir werden sie eben weiterhin ignorieren müssen.«

»Angesichts ihrer Größe fällt mir das alles andere als leicht«, gab Bull zu. Er wandte sich um, weil hinter ihm plötzlich Schritte näher kamen. »Du, Perry? Ich dachte, du wärest mit Atlan bei Laire.«

»Er will das Auge haben. Laire wird uns bei der Befreiung von ES helfen.«

»Der Mächtige Kemoauc wagte es nicht – wie sollte der Roboter das Unmögliche schaffen?«, meldete Waringer seine Zweifel an.

»Wenn jemand das Auge und alle seine Möglichkeiten kennt, dann doch wohl Laire. Ich halte den Roboter für unseren Verbündeten, weil das in seinem eigenen Interesse liegen dürfte. Misstrauen wäre nicht angebracht.«

»Niemand bezweifelt seinen guten Willen«, erwiderte Waringer. »Die Frage ist nur, ob der Versuch gelingt. Geht das Auge verloren, hätten wir keine Möglichkeit mehr, in die Materiesenke vorzudringen.«

»Ich pflichte deinen Bedenken bei – trotzdem werden wir es darauf ankommen lassen müssen. Wir haben keine andere Wahl mehr.«

»Worauf warten wir dann noch?« Bull wirkte plötzlich so ungeduldig, als wolle er das Wagnis möglichst bald hinter sich gebracht haben. »Gehen wir!«

Als Bull und Rhodan kurz darauf die Kabine des Roboters betraten, streckte Laire sofort die Hand nach dem Auge aus. Atlans weitere Unterredung mit dem Roboter schien ihn überzeugt zu haben, dass der Versuch nicht fehlschlagen konnte.

Rhodan übergab das Auge, und Laire betrachtete es aufmerksam.

»Es ist voll funktionsfähig. Eines Tages wird es wieder seinen ursprünglichen Zweck erfüllen – oder einen neuen.«

Welchen? Die Frage stand Bull ins Gesicht geschrieben. Am liebsten hätte er danach gefragt, aber er schwieg. Er wusste wie Rhodan und Atlan, dass er keine Antwort erhalten hätte – noch nicht.

»Du wirst von hier aus direkt in die Senke eindringen?«, wollte Rhodan wissen.

»Ich werde erst Kemoaucs Sporenschiff aufsuchen, die HORDUN-FARBAN«, antwortete Laire. »Was danach geschehen wird, hängt von vielen Begleitumständen ab, aber du kannst sicher sein, Perry Rhodan, dass ich alles unternehmen werde, um ES zu befreien. Du musst mir vertrauen.«

»Was ...?«

»Keine weiteren Fragen. Ich könnte sie dir nicht beantworten, und wir würden dabei nur Zeit verlieren, die für euch wichtiger ist als für mich.«

Niemand sträubte sich dagegen, dass der Roboter das Auge benutzte. Im nächsten Moment war Laire fort.

Die drei Männer waren schon auf dem Rückweg zur Leitzentrale, als Waringer sich über Rhodans Kombiarmband meldete. Rhodan winkelte den Arm an. »Was ist, Abel?«

»Besser, du kommst sofort her.«

»Wir sind unterwegs«, gab Rhodan zurück und wechselte auf das nächste schnellere Laufband über. Seine Begleiter ebenfalls. Nur Minuten später erreichten sie die Zentrale.

Waringer deutete auf den Panoramaschirm. »Die Sporenschiffe sind urplötzlich verschwunden!«

Ein kurzer Blick auf die Holos genügte.

»Ob Laire von den Androiden angegriffen wurde?«, fragte Atlan.

»Es wäre möglich, aber ich glaube es nicht.« Über Rhodans Nasenwurzel bildete sich eine steile Falte. »Laire war über alles informiert. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass er zusammen mit den sechs Schiffen in die Materiesenke eingedrungen ist.«

»Was will er damit?« Bull rieb sich das Kinn.

»Die Dinge beschleunigen«, riet Rhodan, nachdem er einen Blick Atlans aufgefangen hatte. »Die Sporenschiffe sind größer als die Weltenfragmente von ES. Auch davon weiß Laire. Vielleicht wollte er weitere Materie in die Senke bringen, damit die Brücke schneller fertig wird.«

Bully schüttelte den Kopf. »Um die von ES erwähnte Kausalbrücke zu erschaffen, würde viel mehr Materie benötigt. Fünfzig Sporenschiffe vielleicht, aber nur sechs ...?«

»Jedenfalls kann nur Laire für ihr Verschwinden verantwortlich sein«, behauptete der Arkonide. »Und er wird seine Gründe haben.«

»Ihr vertraut ihm sehr.« Bull seufzte ergeben. »Zu sehr für meinen Geschmack. Wer weiß, was er wirklich vorhat.«

»Ohne ihn wäre unsere Lage schon hoffnungslos, was ES anbelangt. Für den Unsterblichen spielen einige Jahre oder Jahrzehnte mehr oder weniger keine Rolle, wohl aber für seine Mächtigkeitsballung und damit für uns.« Atlan wirkte ungemein ernst, als er das sagte. »Nehmen wir einmal an, es gelingt Laire tatsächlich, ES zurückzuholen – werden unsere Probleme dann wirklich schon gelöst sein?«

Das Doppelkonzept Ellert/Ashdon stand im astronomischen Beobachtungsraum der BASIS unter der transparenten Aussichtskuppel und blickte gedankenverloren in die Schwärze hinaus.

Der Körper des Mannes, den die beiden Bewusstseine als Wirt benutzten, hatte sich nach den Strapazen gut erholt und zeigte keine Erschöpfung mehr. Da das Konzept allein in der Kuppel war, unterhielten sich die beiden Bewusstseine laut durch den Mund des Mannes.

»Nun wissen wir mit Sicherheit, dass wir nicht durch Zufall in die Materiesenke gerieten«, sagte Ellert. »Genau hier, an dieser Stelle des Universums, laufen die Fäden zusammen.«

»Du verstehst die kosmischen Zusammenhänge besser als ich«, gab Ashdon zu. »Trotzdem fange ich an zu verstehen, dass nichts ohne Grund geschieht. Aber wenn es schon Absicht war, dass wir hierher fanden, warum konnten wir dann nichts zur Rettung von ES beitragen?«

Ellert ließ kurze Zeit verstreichen, ehe er antwortete. »Vielleicht verstehst du es, wenn ich dir sage, dass ES noch nicht einmal dann gerettet sein wird, sobald ES die Materiesenke verlässt. Ich fürchte sogar, dass erst dann die wirklichen Schwierigkeiten beginnen.«

»Du meinst, wir befinden uns in einer Phase des kosmischen Umbruchs? Als ob bisher noch nicht genug Ungeheuerliches geschehen wäre.«

»Die Menschheit ist einen Weg gegangen, den keiner voraussehen konnte. Die technische Entwicklung wurde durch eine geistige abgelöst. Wir sind dem Ursprung der Schöpfung auf der Spur, Gorsty. Der Rahmen dessen, was wir jetzt erleben, ist so weit gespannt, dass wir ihn schon nicht mehr abgrenzen können.«

Sie schwiegen, jeder mit seinen eigenen abgeschirmten Gedanken beschäftigt. Sie hatten EDEN II verlassen, um dem Notruf des Unsterblichen zu folgen, und waren in der Materiesenke gestrandet.

2.

Im PEW-Block flüsterte es, doch das war kein Flüstern, das ein menschliches Ohr jemals hätte wahrnehmen können. Die in dem Block gespeicherten Bewusstseine der Altmutanten traten mental in Verbindung miteinander, und einen Kontakt mit ihnen erhielt nur der, mit dem sie kommunizieren wollten.

Es wird viel geschehen, teilte Tako Kakuta den anderen eindringlich mit. Ich spüre es und ich weiß es.

Wir alle spüren und wissen es, pflichtete ihm Tama Yokida bei. Aber weiß jemand, was es sein wird?

Nur eine Ahnung, die mit der Rückkehr des Unsterblichen zusammenhängt, gestand Kitai Ishibashi. Denn es ist sicher, dass ES zurückkehrt.

Der Späher Wuriu Sengu stimmte zu: Ja, der Zusammenhang besteht. Unsere Existenz wird sich mit seiner Rückkehr verändern. Vielleicht können wir wieder so sein wie früher und erhalten einen Körper.

Nein, es ist etwas ganz anderes, vermutete der Hypno André Noir. Aber es wird etwas ungeheuer Wichtiges sein. Wir werden eine gewaltige Aufgabe zu erfüllen haben. Ich glaube, wir haben bald unser Ziel erreicht – und den Zweck unseres Daseins.

Das klingt pessimistisch, kritisierte Ralf Marten. Sollten wir nicht glücklich darüber sein, bald schon den Sinn unseres Lebens kennenzulernen? Wer kann das sonst von sich behaupten? Viele suchen nach diesem Sinn, und was finden sie? Tausende Antworten, von denen jede richtig und falsch zugleich sein kann.

Unser Philosoph, spöttelte Son Okura. Vielleicht hat er wirklich recht ...? Ich hoffe nur, dass der Sinn unseres Daseins nicht darin besteht, zu sterben.

Sterben werden wir niemals!, teilte Betty Toufry überzeugt mit. Aber was sollen Vermutungen? Warten wir ab, bis ES zurückkehrt.

Das Flüstern in dem PEW-Block erstarb. Scheinbar leblos schimmerte seine metallische Oberfläche.

Nahezu vierundzwanzig Stunden vergingen ereignislos.

Niemand wusste, worauf er eigentlich wartete, doch das untätige Warten zehrte an den Nerven. Vor allem Rhodan litt unter der Ungewissheit. Jede Minute, in der er nichts tun konnte, schien für ihn verloren zu sein.

Zeit für die nächste Ablösung in der Zentrale. Perry Rhodan benutzte den nächsten Kleintransmitter. Als er in der Zentrale das Transportfeld verließ, winkte Atlan nur ab.

»Nichts, Perry, alles unverändert. Die Sporenschiffe bleiben verschwunden.«

»Was ist mit Laire?«

»Wir werden es bald erfahren. Hoffentlich.«

Später kam Bully in die Zentrale. »Der Roboter ist mit dem Auge auf und davon«, unkte er. »Und die Sporenschiffe hat er gleich mitgenommen.«

»Er würde gegen seine eigenen Interessen handeln«, widersprach Rhodan. »Wahrscheinlich hat er Schwierigkeiten bekommen. Wir müssen uns in Geduld üben.«

»Das tun wir schon lange genug.«

»Hast du einen besseren Vorschlag?«

»Nein«, sagte Bully missmutig, kein Wort mehr.

Rhodan prüfte routinemäßig die Kontrollen, dann schaute er wieder zu den Panoramaholos auf – und genau in der Sekunde geschah es.

Aus dem Nichts heraus materialisierten die sechs Sporenschiffe, nahmen minimale Positionskorrekturen vor und standen schließlich wieder in der Formation, die sie schon vor vierundzwanzig Stunden innehatten.

»Donnerwetter!«, entfuhr es Bull. »Endlich!«

Rhodan schwieg. Gebannt beobachtete er die sechs riesigen Stahlkugeln, konnte aber keine Veränderung an ihnen feststellen. Er fragte sich, ob Laire mit den Schiffen aus der Materiesenke zurückgekommen war oder nicht.

Und was war mit ES?

Atlan stürmte in die Zentrale, von Waringer und Kanthall gefolgt. »Und Laire?«, fragte der Arkonide.

Rhodan zuckte die Achseln.

Gleich darauf materialisierte Gucky. »Der Unsterbliche kann nicht weit sein!«, rief der Ilt. »Ich habe Impulse geespert, die nur von ES stammen können. Vorher war das unmöglich. Laire muss es also geschafft haben.«

Rhodan wandte sich ihm zu. »Bist du sicher?«

»Ziemlich sicher«, schränkte der Mausbiber vorsichtshalber ein.

»Und warum macht ES sich nicht bemerkbar?«, fragte Bully ungeduldig und ließ einen zornigen Ausruf folgen.

Eine unsichtbare Hand hatte Reginald Bull zur Seite gestoßen. Wo er eben noch gestanden hatte, stand nun wuchtig und steif der Roboter.

Laire streckte die Hand mit dem kostbaren Auge aus. »Du kannst es wiederhaben, Perry Rhodan«, sagte er ruhig.

Der Terraner nahm das Auge wieder an sich. »Warst du erfolgreich?«, erkundigte er sich erst in dem Moment.

»Der Unsterbliche hat die Materiesenke an Bord der HORDUN-FARBAN verlassen. ES befindet sich in Sicherheit.«

»An Bord des Sporenschiffs?«

»Ja.«

Rhodan atmete erleichtert auf. »Kann ich ES sehen?«

»Nein!«, sagte der Roboter.

»Glaubst du, dass die Androiden mich angreifen würden? Oder ist es der Wille des Unsterblichen, dass ich ...«

»Es ist unmöglich, das ist alles. Die Androiden verhalten sich neutral. Auch mich haben sie nicht behindert.«

»Wie sollen wir Kontakt mit ES erhalten?«

»Das Konzept Ellert/Ashdon kann ungehindert an Bord der HORDUN-FARBAN gehen«, sagte Laire. »Nur das Konzept, sonst niemand.«

»Ist das deine Entscheidung?«, fragte Rhodan argwöhnisch.

»Es ist der Wunsch des Unsterblichen«, bemerkte Laire kühl. »An deiner Stelle würde ich nicht zu lange zögern, ihn zu befolgen.«

Rhodan wog das Auge in seiner Hand, gab es Atlan weiter und wandte sich an den Ilt. »Informiere Ellert/Ashdon, Gucky! Oder noch besser: Bringe ihn hierher.«

»Dafür bin ich mal wieder gut genug«, murmelte der Mausbiber.

»Verschwinde!«, fuhr Rhodan ihn an.

Nie hätte er Gucky beleidigter gesehen, behauptete Reginald Bull später.

»Der Unsterbliche scheint stark geschwächt zu sein.« So knapp wie möglich informierte Perry Rhodan das Konzept. »Mir ist auch unklar, warum nur du an Bord des Sporenschiffs gehen darfst und niemand sonst. Nimm also bitte Kontakt zu ES auf und versuche herauszufinden, wie wir helfen können. Vielleicht ist der Unsterbliche sogar bereit, an Bord der BASIS zu kommen. Egal wohin ES gebracht werden will, wir werden alles in unserer Macht Stehende dafür tun.« Er wandte sich an den Roboter: »Wie sieht es aus, Laire? Besteht eine Gefahr für unseren Teleporter, sobald er das Konzept an Bord des Sporenschiffs bringt?«

»Wenn er sofort umkehrt – nicht. Er darf sich aber höchstens einige Sekunden dort aufhalten.«

»Habe schon verstanden!«, rief Gucky. »Ich setze Ellert/Ashdon ab und komme zurück. Ein Schutzanzug wird nicht notwendig sein?«

»In der HORDUN-FARBAN ist eine atembare Atmosphäre vorhanden«, sagte Laire.

Ellert/Ashdon zögerte. Das Konzept schien noch irgendwie unschlüssig zu sein, aber dann nickte es knapp und reichte dem Mausbiber die Hand.

Sie entmaterialisierten beide.

Ernst Ellert, der die Kontrolle über den gemeinsamen Körper übernommen hatte, fand sich in einem mit Dämmerlicht erfüllten Raum wieder. Es gab hier keine Einrichtungsgegenstände. Mehrere Türen führten nach verschiedenen Richtungen.

Gucky ließ die Hand des Mannes los, zögerte jedoch.

»Du musst zurück!«, erinnerte ihn Ellert scharf.

»Bin ja schon gar nicht mehr hier«, maulte der Mausbiber. »Ich werde mich wenigstens noch umsehen dürfen.«

»Hier gibt es überhaupt nichts zu sehen, soweit ich das erkennen kann. Ich würde an deiner Stelle Laires Rat befolgen und schnellstens verschwinden. Wer weiß, was sonst geschieht.«

»Gib Bescheid, sobald ich dich abholen soll. Also schirme deine Gedanken nicht ab.«

»Wir halten Kontakt.«

Sekunden später war Gucky verschwunden und Ellert/Ashdon allein. Der Mann öffnete eine der Türen. Sie führte hinaus auf einen breiten Gang.

Nur weiter!, forderte eine lautlose Stimme Ellert auf. Du bist auf dem richtigen Weg.

Ein jähes Gefühl der Geborgenheit durchströmte Ellerts Bewusstsein, und seine Unsicherheit legte sich. Sein überstürzter Aufbruch von EDEN II war also nicht umsonst gewesen. Er war es nun, der helfen konnte. Wie, das war eine andere Frage, auf die er sicherlich bald eine Antwort erhalten würde.

Der Gang mündete in eine weitere leere Halle. Das Sporenschiff schien wie ausgestorben, doch Ellert wusste von Rhodan, dass die blauen Androiden an Bord sein mussten. Vielleicht sogar jener, der sich Servus nannte.

Er durchquerte die Halle und gelangte abermals auf einen Korridor. Abrupt hielt er inne, als er die Androiden erblickte.

Sie standen zu beiden Seiten an den Wänden, als wollten sie eine Art Spalier bilden. Sie sahen ihm ausdruckslos entgegen, redeten nicht und rührten sich nicht von der Stelle.

Eine Falle?

Sie erwarten dich, teilte Ashdon lautlos mit. Geh weiter!

Stumm durchschritt Ellert das Spalier, das ihm die Richtung wies. Die Aufstellung der Androiden ließ keinen anderen Schluss zu, als dass sie entsprechende Befehle erhalten haben mussten.

Von wem? Ellert würde es herausfinden.

Gleitbänder und Antigravlifte brachten ihn schnell voran, und schließlich schien er die richtige Ebene in dem riesigen Schiff erreicht zu haben. Auch hier standen Androiden, und nun nahmen einige Ellert in ihre Mitte. Obwohl ihre Gesichter ausdruckslos blieben, wusste er sofort, dass dies keine feindselige Geste war.

Vor einer Türöffnung ließen die Androiden dem Konzept den Vortritt.

Ellert betrat einen Saal, in dessen Mitte – mehr als hundert Meter von ihm entfernt – eine grellweiß leuchtende Kugel schwebte. Während sich hinter ihm die Tür schloss, sank die Kugel langsam tiefer, bis sie den Boden berührte. Das Licht, das sie ausstrahlte, wurde allmählich schwächer.

Komm näher!, forderte ES das Konzept auf. Wie immer war die Stimme zwar lautlos, aber so deutlich wie das gesprochene Wort. Es ist gut, dass du gekommen bist, Ellert.

»Ich bin froh, dich gefunden zu haben. Dein Notruf ...«

Ich weiß – du hast ihn auf EDEN II empfangen. Wir gerieten beide in dieselbe Falle, in die erloschene Materiequelle.

»Perry Rhodan schickt mich, weil er selbst nicht kommen durfte. Jedenfalls hat Laire ihm das untersagt. Was können wir tun?«

Es dauerte eine Weile, bis ES antwortete. Ellert fand genügend Gelegenheit, die nur mehr schwach schimmernde Energiekugel zu betrachten. Ihr mattes Leuchten erinnerte ihn an das Aufflackern einer erlöschenden Kerze.

»Das Erschaffen der Weltenfragmente hat mich stark geschwächt«, teilte der Unsterbliche mit. »Früher einmal war es ausreichend, mich in die Nähe eines Sterns zu bringen, damit ich mich erholen konnte. Diesmal wird das nicht genügen. Für die bevorstehende weite Reise vielleicht, aber nicht für die Aufgabe.«

»Ich verstehe nicht ...«

»EDEN II hat sich verändert«, fuhr ES fort, ohne Ellerts Einwurf zu beachten. »Die Konzepte dort wissen nun, dass sie im Zentrum meiner Mächtigkeitsballung sind, aber ohne mich sind sie hilflos und erfüllen keinen Zweck. Und ich bin ebenso hilflos wie sie, denn mir fehlt die paranormale Substanz.«

»Paranormale Substanz ...?«

»Positive energetische Substanz paranormaler Natur«, präzisierte der Unsterbliche. »Du selbst besitzt sie, sonst wärst du niemals Ernst Ellert gewesen. Du und andere ...«

»Die Mutanten?«, fragte Ellert ahnungsvoll.

»Die Mutanten«, bestätigte ES.

Wieder entstand eine lange Pause, in der ES Ernst Ellert sich selbst überließ und ihm Zeit zum Nachdenken gab. In der Halle war es absolut still.

Ellert wusste, dass der Telepath Gucky seine Gedanken empfing und Rhodan wenigstens teilweise berichten konnte. Viel würde man in der BASIS nicht erfahren, aber wenigstens erkennen, dass er sich nicht in Gefahr befand und mit ES redete.

Vor dem Unsterblichen von Wanderer lag eine gewaltige Aufgabe, aber ES war zu schwach, sie allein durchführen zu können – so weit glaubte Ellert, die Informationen verstanden zu haben. Doch wie sollten die Mutanten dabei helfen?

»Was soll ich Rhodan berichten?«, fragte Ellert in der Hoffnung, unmissverständliche Anweisungen zu erhalten. Mit Andeutungen allein ließ sich wenig anfangen. »Er ist bereit, dir in jeder Hinsicht zu helfen.«

»Sage ihm nur das, was ich dir sagte. Perry Rhodan wird wissen, was gemeint ist. Und füge hinzu, dass alles in diesem Universum seinen Preis hat und Schuld getilgt werden muss.«

»Ich verstehe nicht ...«

»Er wird es verstehen. Und nun geh wieder, denn ich bin müde.«

Müde?, durchzuckte es Ellert. Er konnte nicht glauben, dass eine Superintelligenz, die der Menschheit aus der Wiege geholfen und sie zu den Sternen geführt hatte, müde geworden war.

»Geh!«, wiederholte ES, als das Konzept zögerte. »Du wirst schon erwartet.«

Wortlos wandte Ellert sich um, innerlich tief erschüttert und ratlos. Der Eingang zur Halle öffnete sich, als er dicht davorstand. Die Androiden bildeten wieder ein Spalier, das er stumm durchschritt, bis er die Halle seiner Ankunft an Bord der HORDUN-FARBAN erreichte.

Sie war leer wie zuvor.

Gucky!, dachte er konzentriert.

Sekunden später war der Ilt bei ihm.

Alle hatten sich in der Zentrale versammelt und sahen Ellert/Ashdon erwartungsvoll an. Das Konzept hatte darauf bestanden, dass auch Ribald Corello, Balton Wyt, Dalaimoc Rorvic, Tatcher a Hainu, Merkosh, Takvorian, Lord Zwiebus, Ras Tschubai, Fellmer Lloyd und Irmina Kotschistowa an der Besprechung teilnahmen – eben alle Mutanten. Selbstverständlich auch Gucky.

Ernst Ellerts Bitte hatte bei Rhodan einige Verwunderung hervorgerufen, doch auf seine entsprechenden Fragen erhielt er noch keine Antwort. Ellert versicherte lediglich, dass die Anwesenheit der Mutanten sehr wichtig sei, und er bat Lloyd, zu den Altmutanten im PEW-Block Verbindung zu halten. Auch sie sollten hören, was die Begegnung mit dem Unsterblichen ergeben hatte.

»Ich weiß nicht, ob das, was ich zu berichten habe, uns auch nur einen Schritt weiterbringt«, begann Ellert seinen Vortrag. »Wie üblich sprach ES in Rätseln. Die Mutanten spielen jedenfalls eine große Rolle in seinen Andeutungen. Deshalb bat ich um ihre Anwesenheit.«

Wortgetreu wiederholte Ernst Ellert sein Gespräch mit ES. »Meiner Meinung nach besteht ein Zusammenhang zwischen dieser mehrmals erwähnten positiven energetischen Substanz und den Mutanten«, schloss er. »ES behauptete, Perry würde wissen, worum es sich handelt.«

Rhodan schwieg. Wenigstens vorläufig hatte er allen Grund dazu. Alles im Universum hat seinen Preis, und alle Schuld muss getilgt werden, dachte er beklommen. Er wusste nur zu gut, dass er tief in der Schuld des Unsterblichen stand und nicht nur er. Das galt für die gesamte Menschheit.

Nun sollte er bezahlen.

Womit?

»Kann ich dich sprechen, Perry?«

Rhodan erwiderte Atlans fragenden Blick. »Ich wollte sowieso in meine Kabine. Begleite mich.«

»Nun, was meinst du?«, fragte Rhodan, als sie einige Minuten später allein waren.

Atlan saß im Sessel und hatte die Beine angezogen, als wolle er rasch wieder aufstehen. Seine Miene war ernst, beinahe verschlossen. Es war offensichtlich, dass er nach Ellerts Bericht zum gleichen Schluss wie sein terranischer Freund gekommen war.

»Wir sind uns wohl einig, Perry, dass es lebenswichtig ist, jetzt die richtige Entscheidung zu treffen. Die weitere Existenz des Unsterblichen ist identisch mit der Zukunft unserer Galaxis. ES ist auf unsere Hilfe angewiesen, nachdem wir über viele Jahrhunderte hinweg seine Hilfe beansprucht haben. Das ist die Schuld ...«

Rhodan nickte. »Wir sind einer Meinung, Atlan. Ich will auch die Rückzahlung dieser Schuld. Die Frage ist nur, auf welche Weise.«

»Paranormale Substanz«, sagte der Arkonide lakonisch.

»Und was verstehst du darunter?«, fragte Rhodan angespannt. »Sprich ruhig ganz offen, Gucky hat unsere geheimsten Gedanken längst geespert – der Halunke.«

Über Atlans Gesicht huschte der Anflug eines Lächelns. »Unser Geheimnis wird ohnehin bald keins mehr sein. Und bis dahin wird Gucky den Mund halten, sonst kann er was erleben.« Er verdrehte die Augen hinauf zur Decke. »Paranormale Substanz ...«

»Ja?«

»Ein Begriff ohne Bedeutung, Perry, wäre er nicht im Zusammenhang mit den Mutanten genannt worden. ES ist gezwungen, in seiner Mächtigkeitsballung eine stabile Aura aufzubauen, dazu ist Energie notwendig. Positive Energie! Positive energetische Substanz! Die Substanz bereitet mir einiges Kopfzerbrechen. Aber ich glaube, ich kenne die Lösung.«

»Wie sieht sie aus?«

»Die Mutanten ...«

Rhodan nickte fast unmerklich. »Ja, die Mutanten«, bestätigte er mit einem merklichen Beben in der Stimme. »Deshalb wollte ich erst einmal mit dir allein sein. Ich finde, dass sie ein ziemlich hoher Preis für unsere Schuld sind.«

»Alles ist relativ. Vielleicht sind nur einige von ihnen gemeint.«

»Nur die Altmutanten im PEW-Block?«

»Möglich, Perry. Ich weiß es nicht.«

Für eine Sekunde verlor Rhodan seine maskenhafte Beherrschung. »Das kann ES nicht von uns verlangen!«, schimpfte er. »Ich werde mich niemals von den Mutanten trennen, nicht von einem einzigen! Das wäre Verrat an ihnen.«

Beschwichtigend hob Atlan beide Hände. »Noch wissen wir nicht, ob die Vermutung überhaupt zutrifft. Und falls doch, werden die Mutanten sich selbst zu Wort melden. Du wirst keinen von ihnen auffordern müssen, glaube ich. Sie haben Ellert gehört, und die es angeht, haben auch verstanden.«

»Hoffentlich hast du recht. Aber was sollen wir tun? Einfach nur warten?«

Atlan nickte. »Es kann nicht lange dauern.«

Es war dem Mausbiber völlig klar, dass er in die natürliche Entwicklung eingriff, sobald er etwas unternahm. Es war ihm aber auch ebenso bewusst, dass er damit diese Entwicklung nicht veränderte, sondern nur beschleunigte. Seine Handlungsweise war damit gerechtfertigt.

Genau wie Perry Rhodan und Atlan glaubte er verstanden zu haben, worum es ging und was ES erwartete.

Während die beiden Aktivatorträger zur Zentrale zurückgingen, teleportierte Gucky zu dem PEW-Block der Altmutanten. Ebenso gut hätte er von seinem Bett aus Kontakt mit ihnen aufnehmen können.

Betty!, dachte er intensiv, um die Verbindung herzustellen. Betty Toufry war wie er telepathisch begabt und besonders sensibel. Seid ihr informiert, was geschehen ist?

Fellmer hielt Kontakt während der Besprechung, aber dann brach der Kontakt ab.

»Kein Wunder«, fuhr Gucky laut fort, denn hier konnte ihn sonst niemand hören. »Perry und Atlan haben sich kurzzeitig zurückgezogen. Ihr wisst trotzdem, worum es geht?«

Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen, bestätigte die Mutantin sofort. Das wissen wir schon lange. Um ehrlich zu sein: Wir haben darauf gewartet, und nun ist es so weit. Wir werden bald den PEW-Block verlassen dürfen, der uns die Unsterblichkeit in Gefangenschaft brachte.

»Dürfen?«, vergewisserte sich der Ilt.

Ja, dürfen, nicht müssen! Ich spreche für uns alle, Gucky!

»Perry wird erleichtert sein, wenn er das hört. Er hat Angst davor, es euch zu sagen. Was meinst du, Betty ... wird es eine Trennung für immer sein?«

Das weiß keiner von uns, aber wir glauben es nicht. Wir werden weiterexistieren, wenn auch in anderer Form. Vielleicht werden wir in ES aufgehen, denn wir alle sind positive paranormale Energie und Substanz.

»Ihr werdet die von ES benötigte stabile Aura in der Mächtigkeitsballung bilden«, versicherte Gucky überzeugt.

Er sprach es ruhig und gelassen aus, obwohl die Konsequenz den Rahmen des Begreifens sprengte. Der damalige »Tod« der Altmutanten war also nicht umsonst gewesen, er hatte seinen Sinn gehabt, schon von Anfang an. Was anfangs wie eine furchtbare Katastrophe ausgesehen hatte, diente heute dem Unsterblichen und vielleicht einigen Galaxien als Rettung. Jemand, der die Zukunft kannte, hatte alles geplant und durchgeführt.

ES selbst ...?

Wir sind bereit, unterbrach Betty Toufry die Überlegungen des Mausbibers. Wir wissen nur noch nicht, wie es geschehen soll.

»Das weiß keiner. Perry wird Kontakt mit euch aufnehmen wollen. Darf ich euch bitten, meinen Besuch zu verschweigen?«

Warum?

»Ich halte es für besser«, sagte der Ilt leise. »Eigentlich wollte ich euch überreden, ES zu helfen, aber ich sehe jetzt, dass ihr schon bereit seid. Mein Besuch war überflüssig.«

Das war er nicht, Gucky. Er hat uns sogar die letzten Zweifel genommen. Wir sind bereit. Alle!

»Ich danke euch, Freunde. Und ich bin mir sicher, dass wir uns wieder begegnen werden – irgendwo, irgendwann und irgendwie.«

Auf EDEN II, sagte Betty Toufry lautlos.

»In dem Unsterblichen!«, berichtigte der Mausbiber.

Als Perry Rhodan vom PEW-Block in die Zentrale zurückkehrte, wusste er nicht, ob er noch bedrückter als zuvor oder erleichtert sein sollte. Die Altmutanten hatten keinen Zweifel daran gelassen, dass sie erleichtert waren, ihr Gefängnis endlich verlassen zu können.

Sie waren froh, sich von ihrer bisherigen Existenz zu trennen – das war der für Rhodan traurige Aspekt.

Rhodan sah seine Freunde der Reihe nach an. »Die Altmutanten sind bereit«, sagte er gepresst. »Sie werden uns verlassen, sobald ES dies wünscht. Sie sind es leid, in dem PEW-Block eingeschlossen zu sein und nur in Notfällen in einen Gastkörper wechseln zu dürfen. Ihr Dasein sei sinnlos geworden, meinen sie, aber plötzlich hätte es einen neuen Sinn erhalten.«

»Sie haben recht, Perry«, bemerkte Atlan. »Nimm es ihnen nicht übel und sei froh, dass sich der richtige Weg ergeben hat. Die Frage ist nur: Wie soll der Transfer vor sich gehen?«

»Die Bewusstseine der Altmutanten können den Block jederzeit verlassen – oder nicht?«, fragte Waringer.

»Das können sie«, bestätigte Rhodan. »Wir werden aber wohl noch einmal Kontakt zu ES aufnehmen müssen. Nur ES kann entscheiden, wie es geschehen soll.«

Diesmal teleportierte Ras Tschubai mit Ellert/Ashdon in die HORDUN-FARBAN, und eine halbe Stunde später kehrten beide gemeinsam zurück. Der Teleporter hatte in dem leeren Raum gewartet, ohne dass er auch nur einem Androiden begegnet wäre.

»ES war sicher, dass ihr die richtige Antwort finden würdet«, berichtete Ellert. »Mir scheint, mit alldem war wieder so etwas wie ein Test verbunden, wenigstens kann ich mich dieses Eindrucks nicht erwehren. Der Unsterbliche schlägt vor, dass er an Bord der BASIS gebracht wird, direkt zum PEW-Block.«

»ES will in die BASIS?«, fragte Rhodan verblüfft.

»Laire soll den Unsterblichen abholen.«

Mit dem distanzlosen Schritt begab sich der Roboter in das Sporenschiff und stand wenig später vor der matt schimmernden Energiekugel. ES' Gedanken erreichten ihn, obwohl er eine Maschine war.

Gut, dass du gekommen bist, denn mir bleibt nicht mehr viel Zeit. Die negativen Kräfte nähern sich meiner Mächtigkeitsballung und bedrohen sie. Bringe mich in die BASIS, Laire!

Der Roboter zögerte. »Ich weiß, wer du bist und was du bist«, sagte er langsam und mit eigenartiger Betonung. »Ich weiß auch, dass die Zukunft dir nicht völlig verborgen ist. Wie sieht die meine aus?«

Eine Weile kam keine Antwort, dann ...

Eines Tages wird dein sehnlichster Wunsch in Erfüllung gehen, Laire, aber ich bin mir nicht sicher, ob du glücklich darüber sein wirst. Mehr kann ich dir nicht sagen. Sei loyal zu den Terranern, dann sind sie es auch zu dir. Das ist alles.

»Mehr wollte ich nicht wissen«, sagte der Roboter.

Die schimmernde Kugel schrumpfte bis zur Größe eines Tennisballs, ohne heller oder dunkler zu werden. Langsam stieg sie in die Höhe, bis sie dicht vor dem Oberkörper des Roboters schwebte.

Laire streckte die rechte Hand aus. Die kleine Kugel sackte noch etwas tiefer, dann berührte ES die flache Hand und blieb liegen.

Laire registrierte keinerlei Gewicht, eigentlich nicht einmal eine Berührung.

Schließe die Hand und kehre zur BASIS zurück ...

Es war seltsam und unbegreiflich, erkannte der Roboter, dass er nun das künftige Schicksal mehrere Galaxien, vielleicht sogar des halben Universums, in seiner Hand hielt. Ein eigentümliches Prickeln durchrieselte ihn, doch er schüttelte die seltsame Empfindung ab. Vorsichtig zog er mit der Linken das Auge aus dem Gürtel und hob es hoch.

Vor sich sah er die Zentrale der BASIS und die besorgten Gesichter der Menschen.

Der Unsterbliche von Wanderer ruhte wenig später in Perry Rhodans hohlen Händen. Die Energiekugel schimmerte nur noch in einem satten Schwarz und erinnerte in ihrem Aussehen an Harno, wenn er sich kleinmachte.

War das wirklich nur ein Zufall?

Ein verwirrender Gedanke durchzuckte Rhodan, doch er führte ihn nicht zu Ende. Stumm blickten alle in der Nähe auf die kleine Kugel in seinen Händen.

Als ES sich mitteilte, hörte jeder in der Zentrale der BASIS die mentale Stimme.

Die positive Aura der paranormalen Substanz umgibt mich bereits, aber der Transfer hat noch nicht begonnen. Dies ist die Stunde der Entscheidung, Perry Rhodan. Geh mit mir zum PEW-Block, nur du allein. Dann erst werden wir erfahren, ob die kosmische Wende herbeigeführt werden kann.

Der Erfolg war also noch nicht sicher, erkannte der Terraner erschrocken.

Matt schimmerte der Block aus Parabio-Emotionalem-Wandelstoff im Kunstlicht. Behutsam legte Rhodan die kleine Energiekugel auf die glatte Oberfläche und trat einen Schritt zurück. Viel hatte er in den vergangenen eineinhalb Jahrtausenden erlebt, aber plötzlich wusste er, dass er jetzt, in diesen Sekunden, einen der entscheidendsten Momente erlebte.

Die kosmische Wende ...

Was bedeutete sie, und was würde sie mit sich bringen?

Es wäre zu früh für eine Antwort, teilte ES mit. Ich habe nun Kontakt ...

Die Altmutanten hatten Verbindung mit dem Unsterblichen aufgenommen und gingen in ihm auf. Ihre unbegreifliche Energie, die sie so lange am Leben erhalten hatte, floss in die Energiekugel über. ES wuchs und wurde heller.

Die Bewusstseine der Altmutanten verließen ihren ungeliebten Kerker. Eines nach dem anderen wechselten sie in eine Umgebung, die ihnen wie ein fantastisches fremdes Universum erschien. Sie waren von Milliarden anderen Bewusstseinen umgeben, und eine riesige Welle positiver Emotion schlug ihnen entgegen. Sie erkannten, dass sie endgültig ihre Heimat gefunden hatten.

Lass mich bitte allein.

Rhodan schrak zusammen, und seine Gedanken, die ihm weit in die Zukunft vorausgeeilt waren, kehrten in die Gegenwart zurück.

»Wann wirst du uns verlassen?«, fragte er.

Sobald ich bereit bin, Perry Rhodan.

Auf dem Weg zurück zur Zentrale grübelte Rhodan darüber nach, wieso ES noch nicht bereit sein konnte. Neue Ungewissheit stieg in ihm auf. Vergeblich versuchte er, sich von dem Gedanken zu befreien, dass etwas vergessen worden sei.

Atlan versuchte, ihn zu beruhigen.

»Wir haben alles getan, was zu tun war. Wir haben die Bewusstseine der Altmutanten geopfert, was könnten wir außerdem tun? Warten wir einfach in Ruhe ab und nicht voller Ungeduld, wie terranische Barbaren immer schon waren.«

»Ich erhalte keine Antwort mehr von den Altmutanten«, erklärte Fellmer Lloyd. »Sie haben ihren Block verlassen.«

Rhodan seufzte. Er hatte plötzlich das unerträgliche Gefühl, viele Tage und Nächte nicht mehr geschlafen zu haben. Er war müde.

3.

Einer der unzufriedensten Männer in der BASIS war Barenter, Kommandant eines Leichten Kreuzers der Hundertmeterklasse. Bis vor Kurzem hatte er es nicht gewagt, mit jemandem über seine heimlichen Pläne zu sprechen, um sie jedoch durchführen zu können, benötigte er zuverlässige Vertraute.

Da kam ihm der Zufall zu Hilfe.

Bei der routinemäßigen Inspektion seines Schiffes vernahm er das Flüstern, als er den Hangar betrat. Rein instinktmäßig verhielt er sich leise und ging der Ursache der Geräusche nach. Was er entdeckte, kam seinen eigenen Absichten entgegen.

»... sind wir uneingeschränkt deiner Meinung, Dirkon, und wir machen auch mit. Aber glaubst du nicht, dass die Entfernung zu groß für einen Leichten Kreuzer ist?«

Dirkon war einer der technischen Leiter der Hangars. »Ein Leichter Kreuzer verfügt über Nugas-Reaktoren und den Waringschen Linearkonverter«, erwiderte er. »Seine Reichweite ist so gut wie unbegrenzt. Aber das ist nicht das Hauptproblem, Freunde. Wichtig ist, dass wir eine zuverlässige Besatzung auf unsere Seite bringen. Technisches Personal allein genügt nicht. Wir brauchen einen guten Navigator. Der Feuerleitstand muss besetzt sein, die Lebenserhaltungssysteme dürfen keine Fehler aufweisen, und vor allen Dingen benötigen wir einen Kommandanten.«

»Du bist das!«, rief jemand.

»Leiter der Operation vielleicht, aber nicht Kommandant des Schiffes, das wir uns nehmen.« Dirkons Stimme verriet seine Entschlossenheit. »Nur ein erfahrener Pilot kann uns ans Ziel bringen, wie immer es heißen mag.«

»Terra!«

»Das wissen wir nicht, aber wir werden es versuchen. Die Hauptsache ist, dass wir aus diesem Gefängnis entkommen. Die BASIS ist schon lange nichts anderes mehr.«

Meuterer!, dachte Barenter. Oder nur Menschen, die Heimweh nach der Erde haben?

So wie er selbst ...

Entschlossen betrat er den Raum, eine Nebensektion des Hangars. Die Versammelten erkannten ihn, und einige Gesichter wurden plötzlich sehr blass.

Zwei oder drei Hände fuhren zum Gürtel, obwohl niemand eine Waffe trug. Es war eine Reflexbewegung.

»Keine Sorge«, sagte Barenter. Erst dicht vor Dirkon blieb er stehen und streckte seine rechte Hand aus. »Ich glaube, ich bin euer Mann, Dirkon. Ihr sucht einen Kommandanten – mein Kreuzer steht zu eurer Verfügung.«

»Barenter!« Dirkons Erschrecken verwandelte sich in Erleichterung. »Sie sind auf unserer Seite?«

»Wenn es so ist, eigentlich schon lange. Ich wusste nur nicht, dass außer mir noch wer Fluchtpläne hegt. Bestimmt wird auch ein Teil meiner Stammbesatzung mitmachen.«

»Können wir ihm vertrauen?«, fragte jemand im Hintergrund.

Barenter suchte den Zweifler und sah ihn durchdringend an. »Können wir dir vertrauen?«, gab er die Frage zurück.

Einige lachten. In dem kleinen Raum waren etwa zwanzig Männer und zwölf oder dreizehn Frauen versammelt. Sie gehörten fast ausnahmslos zum technischen Hangarpersonal der BASIS. Barenter schätzte, dass er noch gut zwei Dutzend Leute beisteuern konnte, wenn er ein offenes Wort mit seiner Besatzung sprach.

»Wann versuchen wir es?«, fragte Dirkon.

»So bald wie möglich, denn die Situation ist schon unerträglich genug. Niemand von uns weiß, was wirklich in diesem Riesenkasten geschieht. Natürlich kommen Informationen über Interkom, trotzdem bin ich sicher, dass uns vieles verschwiegen wird. Mitunter habe ich sogar den Eindruck, dass niemand zur Erde zurückkehren will.«

»Ganz meine Rede«, bestätigte Dirkon. »Es wird Zeit, dass wir handeln.«

»Ich gebe euch noch Bescheid«, versprach Barenter und drückte Dirkons Hand. »Noch ein paar Stunden, nicht viel länger, dann ist es so weit. Wenn wir zu lange warten, könnte ein Verräter geboren werden.«

»Er würde es nicht überleben«, sagte Dirkon kalt.

Barenter ging mit äußerster Vorsicht an die Dinge heran, dabei erwies es sich als vorteilhaft, dass er seine Besatzung sehr gut kannte. Natürlich wusste er, welches Risiko er einging, schließlich gab es Telepathen an Bord der BASIS. Aber wer überwachte schon ständig die Gedanken von zwölftausend Menschen.

Der Erste Offizier war für Barenter eine ziemliche Überraschung. Kaum hatte er einige vorsichtige Andeutungen gemacht, als der Erste ihn schon unterbrach.

»Schon gut, Barenter, das erspart uns eine Menge Arbeit. Wir hätten Sie rechtzeitig eingeweiht und im Notfall auf Eis gelegt, wenn Sie nicht mitgemacht hätten. Mit mir sind es zwanzig Frauen und dreißig Männer, die bereit sind, die BASIS zu verlassen und in dieser Galaxis eine neue Heimat zu suchen, die der Erde ähnlich ist. Wir glauben nicht, dass wir den Sprung zurück zur Milchstraße schaffen.«

»Aber Dirkons Leute glauben daran, Pergil«, gab Barenter zu bedenken.

»Das ist vorerst nicht ausschlaggebend. Wichtig ist, dass sie entschlossen sind, das Risiko einzugehen.«

»Das sind sie bestimmt«, versicherte Barenter.

»Dann sollten wir keine Zeit mehr verlieren. Meine Vorbereitungen laufen seit Wochen, aber ich habe immer noch gezögert. Schon deshalb, weil ich nicht wusste, wie du ... wie Sie darüber denken würden.«

»Meinetwegen das ›Du‹, Pergil. Du weißt jetzt, wie ich darüber denke. Ich schlage vor, dass wir uns heute im Schiff treffen.«

»Wie vermeiden wir, dass jemand Verdacht schöpft?«

»Das überlasse mir. Besorge mir nur eine Liste mit den Namen deiner Vertrauten. Eine Aufstellung erhalte ich auch von Dirkon. Dann kann ich ganz offiziell eine technische Aussprache einberufen.«

Pergil nickte. »Ja, das könnte gehen. Ich habe keine Bedenken.«

So geschah es, dass sich ein Ereignis anbahnte, das nichts mit den schicksalsschweren Entscheidungen zu tun hatte, die in der Zentrale der BASIS gefällt werden mussten. Barenter hatte richtig kalkuliert, was die Telepathen anging. Selbst Gucky, von Natur aus überdurchschnittlich neugierig, hatte keine Zeit und Gelegenheit, die Gedanken der Besatzung auszuforschen.

Es gehörte zur täglichen Routine, sämtliche Schiffe der BASIS in Startbereitschaft zu halten. Die Beiboot-Kommandanten hatten Handlungsfreiheit im weitesten Sinn. Sie konnten nach eigenem Ermessen Besprechungen ansetzen und Alarmübungen durchführen.

Barenter nahm sich die Zeit, die Gesichter der fünfzig Männer und dreiunddreißig Frauen zu studieren, die sich in der Messe seines Leichten Kreuzers versammelt hatten. Viele von ihnen kannte er persönlich sehr gut, andere nur flüchtig. Dirkon und Pergil hatten ihn davon überzeugt, dass sie alle ohne Ausnahme entschlossen waren, ihn als den Kommandanten des gewagten Unternehmens anzuerkennen.

»Ich werde der Hauptzentrale einen Probealarm melden«, sagte er schließlich. »Von dieser Alarmübung werden nur Sie unterrichtet sein, sonst niemand vom technischen Personal und der Schiffsbesatzung. Wir gehen an Bord und werden die Ausflugschleuse öffnen. Von diesem Augenblick an muss alles sehr schnell gehen und reibungslos verlaufen, denn bei einer solchen Alarmübung ist der Start des Schiffes nicht vorgesehen. Es ist damit zu rechnen, dass sofort Gegenmaßnahmen ergriffen werden, also auch eine Verfolgung. Wir müssen den Kreuzer schnellstmöglich in den Linearraum bringen, wenn das auch mit einigen Risiken verbunden ist.«

»Kurs?«, fragte einer der Männer.

Barenter zuckte mit den Schultern.

»Es ist unmöglich, das jetzt schon zu sagen. Die Milchstraße ist rund 43 Millionen Lichtjahre entfernt, eine ungeheure Strecke. Aber wir haben ein Hilfsmittel, sie zu finden. Der Jetstrahl weißer Energie, der von Erranternohre aus zweihunderttausend Lichtjahre in den Raum hinausreicht, zeigt in Richtung unserer Heimatgalaxis. Sobald wir in Sicherheit sind, wird er uns die Suche erleichtern.«

»Hoffentlich«, murmelte jemand.

Pergil griff die Bemerkung auf. »Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass wir die Milchstraße nie erreichen. Trotzdem werden wir es versuchen. Gelingt es uns nicht, werden wir auf einer Welt landen, die der Erde ähnlich ist. Wir sind Leute genug, um einen Neubeginn zu wagen. Jede Welt ist auf die Dauer diesem stählernen Gefängnis vorzuziehen.«

Einige Zurufe verrieten Zustimmung.

»Es ist immer noch früh genug, sich gegenteilig zu entscheiden«, sagte Barenter. »Wer Zweifel hegt, kann zurücktreten, es wird ihm deshalb nichts geschehen. Um jeden Verrat auszuschließen, werden wir ihn lediglich narkotisieren. Er wird erwachen, wenn wir die BASIS verlassen haben.«

Schweigen war die Antwort.

»Gut!«, fuhr Barenter zufrieden fort. »Das ist ein einmütiger Entschluss. Wir werden den Kreuzer jetzt nicht mehr verlassen. Er ist voll verproviantiert und ausgerüstet. Niemand hält sich im Hangar auf und kann zu Schaden kommen, sobald wir die Schleuse öffnen. Ich werde der BASIS-Leitung in einer halben Stunde den Probealarm melden. Wir handeln nach Vorschrift – bis zur letzten Sekunde.«

Pergil fügte hinzu: »Die Stammbesatzung begibt sich sofort auf ihre Stationen. Das technische Personal hält sich zur Verfügung. Weitere Anweisungen nach dem Start.«

Der Sektionsleiter des Hangars Nord nahm die Anmeldung des Probealarms mit der üblichen Gelassenheit entgegen. Jo Canter war der Meinung, dass derartige Übungen Langeweile verhinderten und die Moral der Besatzung förderten.

Er speicherte Barenters Ankündigung im Logbuch und erteilte seine Einwilligung. Minuten später hatte er den Vorfall schon wieder vergessen.

Bis der Leichte Kreuzer CASSANDRA startete, die BASIS verließ und mit Höchstwerten beschleunigte.

Die erste Anfrage aus dem Kontrollzentrum erreichte Sektionsleiter Canter, der nur einen Probealarm, aber keinen Start bestätigen konnte.

Das Kontrollzentrum informierte die Leitzentrale.

Jentho Kanthall, der Kommandant der BASIS, war sicher, dass niemand den Start eines Kreuzers angeordnet hatte. Ohnehin bestand kein Anlass für einen solchen Start.