Perry Rhodan 2289: Der eiserne Finger Gottes - Gisbert Haefs - E-Book

Perry Rhodan 2289: Der eiserne Finger Gottes E-Book

Gisbert Haefs

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Beschreibung

Sie kämpfen für die geistige Freiheit - das Eisenbuch wird gesucht Die Bewohner der Erde leben unter der neu errichteten Herrschaft des angeblichen Gottes Gon-O, der aus der Verbindung eines wahnsinnigen Nocturnenstocks mit einem unsterblichen Kunstgeschöpf entstanden ist. Gon-O giert nach ARCHETIM, dem seit mehr als 20 Jahrmillionen in der Sonne existierenden "Leichnam" einer mächtigen Superintelligenz. In einer Verzweiflungstat opfern sich Myles Kantor und sein Wissenschaftler-Team, um den drohenden Untergang des gesamten Solsystems aufzuhalten. Am Entstehungsort des "Gottes", in der Großen Magellanschen Wolke, weiß die terranische Expedition unter Malcolm S. Daellians Leitung nichts von diesen dramatischen Ereignissen. Die Terraner an Bord der RICHARD BURTON mussten zuletzt sogar vor den überlegenen militärischen Kräften des Gegners fliehen. Ihr Ziel bleibt allerdings, das Übel an der Wurzel auszurotten: Die Vernichtung des Nocturnenstocks Satrugar, der das Zentrum von Gon-Os Wahn darstellt, scheint derzeit die einzige Herangehensweise zu sein. Während die RICHARD BURTON zwischen fremden Sternen kreuzt, spielen sich auf einem vergleichsweise unbedeutenden Planeten Dramen ab, die mit einem Artefakt in besonderem Zusammenhang stehen: Es ist DER EISERNE FINGER GOTTES...

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Nr. 2289

Der eiserne Finger Gottes

Sie kämpfen für die geistige Freiheit – das Eisenbuch wird gesucht

Gisbert Haefs

Die Bewohner der Erde leben unter der neu errichteten Herrschaft des angeblichen Gottes Gon-O, der aus der Verbindung eines wahnsinnigen Nocturnenstocks mit einem unsterblichen Kunstgeschöpf entstanden ist. Gon-O giert nach ARCHETIM, dem seit mehr als 20 Jahrmillionen in der Sonne existierenden »Leichnam« einer mächtigen Superintelligenz. In einer Verzweiflungstat opfern sich Myles Kantor und sein Wissenschaftler-Team, um den drohenden Untergang des gesamten Solsystems aufzuhalten.

Am Entstehungsort des »Gottes«, in der Großen Magellanschen Wolke, weiß die terranische Expedition unter Malcolm S. Daellians Leitung nichts von diesen dramatischen Ereignissen. Die Terraner an Bord der RICHARD BURTON mussten zuletzt sogar vor den überlegenen militärischen Kräften des Gegners fliehen.

Ihr Ziel bleibt allerdings, das Übel an der Wurzel auszurotten: Die Vernichtung des Nocturnenstocks Satrugar, der das Zentrum von Gon-Os Wahn darstellt, scheint derzeit die einzige Herangehensweise zu sein. Während die RICHARD BURTON zwischen fremden Sternen kreuzt, spielen sich auf einem vergleichsweise unbedeutenden Planeten Dramen ab, die mit einem Artefakt in besonderem Zusammenhang stehen: Es ist DER EISERNE FINGER GOTTES ...

Die Hauptpersonen des Romans

Tum-Tawalik – Der Erste Knecht seines Herrn wird in die Machtkämpfe in Grachtovan verwickelt.

Geon-Durn von Taraon – Der Grundherr und Wissenschaftler ist einer der Großen des Reiches.

Hy'valanna – Die Ewige Sklavin besitzt einen sehr eigenen Kopf.

Taban-Tselayu – Der Edle von Orontz verfolgt eigene Pläne.

Sarrukhat

... bessere Fertigung von (unverständlich) könnte helfen. Ob es je möglich sein wird, auf dieser Kugel einen Flatterkarren (?) zu basteln, der zwischen den oberen Lampen fahren kann, ist aber zweifelhaft. Der nisako jelubar (?) sagt, Eisen-Eisen und (klebrige biegsame Stoffe?) seien dazu nötig, und um so etwas zu bauen, müssten Jahrtausende der Entwicklung einer geziemenden argitzal (?) geschehen.

Aus dem EISENBUCH, Kapitel 2

1.

In der Nacht hatte es geregnet. Wie von den Mond-Deutern vorhergesagt: Der Mond Xirth am Ostrand des Sternbilds Großes Flaumfell bedeutet göttliches Wohlwollen, vielleicht als Regen. Hier und da gab es winzige grüne Flecken im versengten Gras, und die eingerollten Blätter der Tuluz-Sträucher begannen sich zu öffnen und sonderten Duft ab.

Tum-Tawalik schloss das Tor hinter sich. Diesmal hockten keine Bettler an der Mauer. Er prüfte die Klappe vor der Zisterne; sie ließ sich einwandfrei bewegen, und auch der Lederbeutel, mit denen die Armen Wasser schöpfen konnten, war ordentlich am Seil befestigt.

Nach dem Regen hatte sich die übliche Dunstkuppel noch nicht wieder über Grachtovan aufgebaut. Wie ein riesiger Teich lag die Hauptstadt des Gottesreichs da: Reihen und Kreise dicht gedrängter Häuser und Hütten, wie Wellen, ausgelöst durch den riesigen schwarzen Finger Gottes in der Mitte. Kräuselwellen eines Lebenstümpels, dachte Tum-Tawalik, Wohnmorast. So hatte es ein wandernder Sänger beschrieben. Lange her; was wohl aus ihm geworden war?

Die Priester hatten ihm damals befohlen, die Stadt schnell zu verlassen. Aufrührerisch und lästerlich seien seine Lieder. Immerhin hatten sie ihn nicht gleich verurteilt und verbrannt. Finstere Männer in finsteren Gewändern in finsteren Gebäuden. Wie eine Insel in dem »Lebenstümpel« ragte das Labyrinth Gottes auf, mitten in Grachtovan: der hohe, spitze Finger Gottes aus unvorstellbaren Eisenmengen, daneben die verschachtelten, verwinkelten Sammelräume, Gebetskuppeln, Denkdome, Wohnhäuser und Verliese, alle zusammen »Grache« genannt. Schwarz auch unter dem rötlichen Gleißen von Dyon, der Sonne, an diesem Tag. Tum-Tawalik, der nur einen ledernen Leibschurz trug, hoffte, dass die Mond-Deuter und die anderen Priester in ihren düsteren Tüchern schwitzten.

Als er den klagenden Schrei eines Losso hörte, blickte er auf. Der dreieckige Raubgleiter schwebte über der Stadt. Plötzlich zog er sich zu einem Ball zusammen und stürzte hinab. Wahrscheinlich hatte er ein kleines Beutetier gesehen. Ratten und Mäuse und die sechsbeinigen Tempeltorger gab es reichlich.

Der Sklave Reshaq wartete im Schatten. Tum rückte die große Korbtasche zurecht, die er über der Schulter trug, und zupfte an seinem Gürtel. Der Beutel mit den Münzen klirrte leise, und der Griff des Messers drückte sich ein wenig in den Bauchpelz. Beruhigend. Ein schöner klarer Tag, und da es geregnet hatte, würden sich die Armen, die Bettler, die Streuner um die wenigen öffentlichen Zisternen drängen. Trotzdem – für den Knecht eines Reichen war es nicht ratsam, unbewaffnet auf den Markt zu gehen. In den Tümpel, den Lebensmorast.

Noch ein paar Stunden, sagte er sich; spätestens am Nachmittag würde alles wieder so dunstig sein wie gewöhnlich. Der beginnende Westwind, den er auf dem Fell spürte, brachte feinen Sand und Staub aus den Wüsten. Weit jenseits der Stadt, über den kahlen Gorissan-Bergen, stiegen die Rauchsäulen der Erzschmelzen in den rötlichen Himmel. Sand, Rauch und die Ausdünstungen der Stadt mit ihren hunderttausend Menschen würden bald die Kuppel wieder errichten, die die Sterne verbarg und neben Dyon nur die hellsten der sieben Monde übrig ließ.

»Was haben wir zu besorgen?« Reshaq, der ebenfalls eine Korbtasche trug, blickte von seinem Fuß auf. Die scharfe Kante des Schattens schien die vier Zehen vom dunklen Rest zu schneiden. Mit der zu lange nicht gestutzten Kralle des zweiten Zehs begann er im trockenen Gras zu scharren.

»Alles für das große Fest morgen«, sagte Tum. »Und ein paar andere Dinge.«

»Für das Fest? Das können wir aber gar nicht alles tragen.«

»Wir werden ein paar Träger mieten.«

Die verschränkten, verflochtenen Zweige der Zezo-Bäume sorgten dafür, dass die Reichen, die um den Hügel herum wohnten, der sengenden Sonne nicht unmittelbar ausgesetzt waren – wenn sie die eigenen Beine statt einer Sänfte benutzten. Diesen Vorzug genossen oft auch Bettler, die sich in den Schatten flüchteten, bis herbeigerufene Büttel sie vertrieben. Aber an diesem Morgen waren Tum und Reshaq allein.

Es gab wirklich sehr viel zu besorgen. »Hier ist ein Blatt mit den nötigen Dingen, Tum«, hatte der Herr gesagt. »Gehe Er und beschaffe alles.«

Er. Tum grinste vor sich hin. Wenn der edle Geon-Durn von Taraon schlecht gelaunt war, redete er seinen Knecht so an. Oder wenn Tum ihn durch irgendetwas verärgert hatte. Oder wenn der Herr lange ungestört sein wollte.

An diesem Morgen war der Herr heiter gewesen, und Tum-Tawalik hatte ihn nicht verärgert. Er konnte also davon ausgehen, dass der Edle von Taraon sich ausgiebig mit seinen merkwürdigen Geräten und Berechnungen befassen wollte, oben im Haus, in den Werkräumen. Oder mit den anderen Zerstreuungen, im Keller. Unter den Knechten, Mägden und Sklaven war Tum der Einzige, der ihn dabei stören durfte. Abgesehen von Hy'valanna natürlich, aber an die wollte Tum nun nicht denken.

*

Auf dem Markt herrschte das übliche Gedränge. Die Fronbauern aus den mühsam bewässerten Gärten östlich der Stadt schrien durcheinander und boten die Gemüse und Früchte feil, die sie dem Tempel und den Innungen nicht hatten abliefern müssen. Neben den Tischen der Schlachter pries ein Händler getrocknete oder in Salz eingelegte Fische an. Männer, die ihre Körperfelle unterschiedlich gefärbt oder gar schraffiert hatten – wahrscheinlich Leute einer Karawane aus dem fernen Südwesten –, hatten über mitgebrachte Böcke Bretter gelegt und darauf ihre Schätze getürmt: Salzbrocken, Säckchen mit hundert verschiedenen Gewürzen, seltene getrocknete Obstarten, Tierfelle, Krummdolche mit verzierten Griffen.

Und zwischen all den Verkäufern und Kunden, den jammernden Bettlern, quäkenden Kindern, dem Duft von Blumen und Beeren, dem Ruch schwitzender Körper, dem Gestank von faulem Fisch und mürben Sand-Algen, dem Feilschen und Rufen und Schimpfen gab es die beweglichen Inseln der Stille und Farblosigkeit: Büttel mit geschwärztem Fell, schwarzen Brustpanzern und kurzen dunklen Leibröcken, die schweigend umhergingen und alles beobachteten.

Am Rande des Markts begann die Große Tempelgasse, die zur Grache führte. Auf den Hinterbeinen hockten dort ein paar Sirips. Sie hatten die schuppigen Schwänze um die eigenen Schultern gelegt und blickten missmutig. Man sagte, sie könnten Gedanken lesen – vielleicht war das der Grund für den Missmut. Jedenfalls wenn ihr meine Gedanken lesen könnt, dachte Tum. Er hasste die langzahnigen, mannsgroßen Echsen. Als eines der Tragetiere ihn anblickte, stellte er die Ohren auf und bemerkte, wie sich seine Schnurrborsten sträubten.

Neben einer Zisterne drängten sich Dirnen und die zahlreichen Träger, Packer und sonstigen Tagelöhner, die auf ein wenig Arbeit und ein paar kleine Münzen hofften.

Tum-Tawalik wählte zehn Männer, die so aussahen, als könnten sie eine Last bis zum Anwesen seines Herrn tragen, ohne zusammenzubrechen. Jedem von ihnen versprach er zwei Bronzetropfen am Ende des Weges; dann machte er sich daran, die Liste abzuarbeiten, die Geon-Durn ihm mitgegeben hatte. Nach und nach wurde sein Beutel leichter: ein paar Bronzetropfen hier, ein oder zwei Kupferod dort, selten ein Silberling und nur einmal, an einem Stand mit teuren, exotischen Gewürzen und Kräutern, ein Goldsam. Die teuerste Münze, das Eisentum, blieb anderen Dingen vorbehalten. Kräuter, Gewürze und einige besonders köstliche Pilze – Yaqas – hatte Reshaq in seinen Korbtaschen zu tragen.

Als alles für das Fest beschafft war, wies Tum die Träger an, zum Anwesen des Edlen von Taraon zu gehen und vor dem Tor, im Schatten der Zezos, auf ihn zu warten. Er begab sich mit dem Sklaven zu einem anderen Teil des Markts, um die restlichen Besorgungen zu erledigen.

*

Auf dem breiten Tisch lagen ein paar Bücher, in Axilim-Leder gebunden, mehrere bunte Karten der gesamten Welt, einige, die je einen der sieben Kontinente zeigten, und zwei besonders fein ausgeführte des Gottesreichs. Außerdem allerlei Schreibzeug.

Der alte Händler musste mindestens zweihundert sein. Zweihundertmal hundertzwanzig Tage Erfahrung, dachte Tum-Tawalik; er schaute in die kühlen gelben Augen und versuchte, in den Fältchen ein Muster zu sehen.

»Und was ist dein Begehr?«, fragte der Alte. Er sprach nicht laut, aber trotzdem waren die Worte im Lärm und Gedränge des Markts gut zu hören.

»Blätter«, sagte Tum. »Fünfhundert Blätter. Tintenstein. Zwanzig gute Stifte. Und diese Weltkarte.«

Der Alte streckte die Hand aus. »Lass mich deine Hände sehen!«

»Wozu?«

Über das fahle Gesicht kroch ein Lächeln, das zwischen den Fransen des grauen Fells zu versickern schien. »Sei nachsichtig mit einem alten Mann. Es ist ein Spiel – sehen, ob ich nicht nur sehen, sondern auch noch erkennen kann.«

Reshaq seufzte leise. Tum-Tawalik streifte den Sklaven mit einem Seitenblick. »Geduld«, sagte er. Dann hielt er dem Alten die Rechte hin.

Der Mann betrachtete die Nägel der vier Finger, drehte Tums Hand um und musterte die Innenseite. »Daumen, Deuter, Halter, Schließer«, sagte er. »Alle vier sind kräftig und hart, aber nicht schwielig. Du schreibst nicht selbst, aber du tust auch keine harte Arbeit.« Er ließ die Hand los.

»Das ist nicht schwer zu sehen.«

Der Alte nickte. »Es ist auch erst der Anfang. Du bist Knecht eines Reichen.« Die scharfen Augen schienen Tum abzutasten, vom dunklen Kopfpelz über das Brustfell und den ledernen Leibschurz bis hinunter zur Hornhaut der Sohlen. Dabei weitete er die Nüstern; vielleicht konnte er bestimmte Eigenschaften anderer riechen.

»Nun? Was siehst du noch?«

»Knecht«, wiederholte der Alte. »Vielleicht Hausmeister. Dein Herr ist reich und vermutlich edel. Dein Fell ist dicht, ohne Verfärbungen; das heißt, du musst nicht hungern oder dürsten. Genug Wasser; wer hat das schon? Und ... du bist nicht aus Grachtovan.«

Tum lächelte. »Das stimmt, aber wie kommst du darauf?«

»Der Blauton deines Schopfs«, sagte der Alte. »Im Süden, an den Bergseen, laufen viele herum, die so aussehen. Zwanzig, dreißig Jahre unter der Wüstensonne, und dein Pelz wird ausgeblichen sein.«

Reshaq scharrte mit den Füßen. »Wir sollten heimgehen«, knurrte er. »Die Träger könnten sich verlaufen.«

»Gleich. – Kannst du mir noch mehr über mich sagen?« Tum gluckste. »Vielleicht lerne ich mich dann endlich kennen.«

»Wie du sprichst«, sagte der Alte, »spricht man im Süden. Tiguga zum Beispiel oder Abalzan oder Taraon?«

»Taraon.« Tum seufzte leise.

»Ah! Die Berge, die grünen Täler, die Seen!« Der Alte wackelte mit den Ohren. Die Schnurrborsten machten die Bewegung mit.

»Spreche ich wirklich so? Ich dachte, ich hätte mich an Grachtovan gewöhnt.«

»Wer gewöhnt sich schon ... an all das?!« Der Händler bewegte den Arm, als wolle er die Stadt und das umliegende Land umarmen. »Taraon«, sagte er, mit einem Unterton von Sehnsucht. »Zehn Tagereisen, nicht wahr? Vor einem halben Jahr war ich dort. Die Blätter sind von da.« Er wies auf den Stapel getrockneter und einheitlich zugeschnittener Blätter des Aruza-Baums.

»Fünfhundert«, sagte Tum-Tawalik.

Der Alte nickte. Mit geschickten Fingern trug er Schicht um Schicht von dem Stapel ab. Die Blätter wurden gewöhnlich in kleineren Mengen verkauft und waren so gestapelt: fünfundzwanzig längs, fünfundzwanzig quer. »Hast du noch Familie in Taraon?«

»Einen Bruder und zwei Schwestern«, sagte Tum. »Die Eltern sind schon lange tot.«

»Brüder werden in Taraon zuweilen vermindert.« Der Alte nahm eine Schicht von einem anderen Stapel, dann weitere vier vom ersten. »Fünfhundert«, sagte er. »Tintenstein – einen?«

»Ach, gib mir zwei.«

Der alte Mann wickelte zwei klebrige schwarze Steine in ein schmieriges Blatt. »Und wie alt bist du denn wohl?«, fragte er dabei.

»Siebenundsiebzig.«

»Ah, die Jugend, die ferne!« Er fauchte leise und legte vier Schwammstifte mit Bronzefedern neben die Steine, dazu sechzehn einfache Stifte ohne Schwämme. »Dann solltest du, wenn du es noch nicht getan hast, ein Mädchen suchen und mit der Fortpflanzung beginnen.«

Reshaq murmelte etwas Unverständliches und grinste.

Der Händler kicherte. »In neun Tagen ist Ein-Mond; eine wunderbare Nacht, um derlei zu beginnen. Aber auch Paarung ohne Zeugung schadet dann nicht. Wann denn auch!«

»Vielleicht findet sich bis dahin eine Schöne«, sagte Tum. »Was schulde ich dir?«

»Zwei und zwei und zwei und zwei – selten kommt so ein Preis zustande.«

Tum-Tawalik kramte im Beutel und zog eine Eisenmünze heraus. Er erhielt zwei Bronze-, eine Kupfer-, eine Silber- und eine Goldmünze zurück. Die zusammengerollte Weltkarte kam in eine von Reshaqs Taschen, die anderen Waren verstaute Tum in seiner. Er nickte dem Alten zu und wandte sich zum Gehen.

»Was war das denn?«, fragte Reshaq, als sie aus dem Gewirr der Stände heraus waren.

»Ein Spiel. Alte Männer sind manchmal merkwürdig. Aber hast du die Preise verglichen? Billiger als im Laden; ich nehme an, das kommt vom Eingehen auf sein Spiel.«

Der Sklave legte die Stirn in Falten. Er schien zu rechnen oder angestrengt nachzudenken. Jedenfalls schwieg er länger.

Das gab Tum-Tawalik die nötige Zeit, seinerseits nachzudenken. Neun Tage bis Ein-Mond – am Abend des Tages, so hatten die Mond-Deuter errechnet, würden alle sieben Monde hintereinander am Himmel stehen und dann nach und nach wieder hinter Iseka, dem nächsten Mond von Dyons Erde, hervortreten. Tag des trefflichen Beginnens, Nacht der Verheißungen. Man schärfe die Krallen, verlasse die Höhle und jage mit dem Rudel erlesene Beute.

Tum schob wie nebenbei die rechte Hand in die Korbtasche. Das unterste Blatt der fünftletzten Schicht fühlte sich ein wenig anders an. Vier Schwammstifte mit Federn statt der gewöhnlichen Stifte – Schwämme in Ledersäckchen, für einen Vorrat an Tinte oder anderer Flüssigkeit. Der Preis war zu günstig, aber vier mal zwei ergab acht. Und Tum-Tawalik hatte keine Geschwister.

*

Gegen Mittag stand Dyon fast senkrecht über Grachtovan. Die Träger, die im Schatten gekauert hatten, folgten Tum und Reshaq zum Tor des Hauses, durch den Garten, zum Lagerraum neben der Küche. Als alles verstaut war, erhielt jeder die zwei verheißenen Bronzetropfen und außerdem einen Becher mit frischem Brunnenwasser; dann gingen sie zurück in die glühende Stadt.

Ein paar Augenblicke sah Tum der Köchin und den Küchensklaven zu, die mit dem Ordnen der Vorräte begannen. Körbe voller Pilze und Beeren, Säcke mit weißem und grauem Mehl, frisches und getrocknetes Obst, bastumwickelte Schinken, Kisten voller Gemüse, zwei Säcke mit Bierpulver, ein Dutzend Korbflaschen mit Wein, zwei halbe Axilim, deren Fleisch, am Spieß gebraten, allein ausreichen würde, vierzig Männer zu sättigen ...

Aber Geon-Durn von Taraon hatte an die hundert Gäste geladen, sich am nächsten Tag abends bei ihm einzufinden. Zu schmausen und zu lauschen. Ein teures Fest.

Es kostete Tum-Tawalik ein wenig Mühe, seine Gesichtszüge zu beherrschen, damit das, was er empfand, nicht für alle sichtbar wurde. Er nahm die Karte aus Reshaqs Tasche, wandte sich ab, durchquerte die große Diele und kratzte an der Tür des Herrensaals.

Und während er darauf wartete, dass man ihn einließ, zog er das eine Blatt, das sich anders anfühlte, aus der Korbtasche, faltete es, schob es seitlich in seinen Leibschurz und nannte sich einen Trottel, weil er nicht eher daran gedacht hatte.

Es dauerte einige Zeit, bis Hy'valanna öffnete. Wortlos nickte sie ihm zu, drehte sich um und ging zurück zum Kopfende der langen Tafel, an der Geon-Durn von Taraon sich über ein dickes Buch beugte.

Sie trug nur den hellen Leibrock, der alles zwischen Schultern und Oberschenkeln verhüllte. Eine Freie, gar eine Herrin, hätte das Gewand geschlitzt getragen, bis zum Gesäß, und den wunderbar weichen Pelz wachsen lassen, um dort unten einen Schweif zu binden. Zu flechten, mit Bändern und Schleifen geschmückt und vielleicht mit Steinen oder Eisenspangen geziert.

Hy'valanna mochte die schönste Frau des Reichs sein. Makellos weiße Haut ohne Maserungen, wie frischer Schnee auf den Bergen des Südens. Das ovale, zerbrechliche Gesicht mit den vollen Lippen. Herrlich scharfe Zähne und entzückende Lücken dort, wo die Reißzähne entfernt worden waren. Feine Tastborsten, mit denen sie wahrscheinlich die Beschaffenheit von Früchten oder rohem Fleisch feststellen konnte. Die Augen gelb mit schwarzen Punkten, wie köstliche Tuqalli-Beeren, aber bodenlos. Der schimmernde rötliche Schopf, am Körper schon Pelz, aber auf dem Kopf noch fast jugendlicher Flaum, obwohl sie mit ihren zweiundfünfzig bereits seit zwei Jahren volljährig war und eigentlich die Zeit von Flaum und Flegelei hinter sich gelassen hatte.