Perry Rhodan 272: Flaggschiff in Not - H.G. Ewers - E-Book

Perry Rhodan 272: Flaggschiff in Not E-Book

H.G. Ewers

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Beschreibung

Das Milliardenheer der Verformten umzingelt die CREST - und die Terraner lernen das Grauen kennen Zeitagent Frasbur mußte sein Geheimnis preisgeben - und in einem riskanten und blitzschnellen Einsatz gelang es den Mutanten Perry Rhodans und den Landekommandos des solaren Flaggschiffs, die Zeitstation auf Tanos VI oder Pigell, dem 6. Wegaplaneten, praktisch unversehrt in die Hand zu bekommen. Die Zeitstation hat sich und die CREST mitsamt ihrer Besatzung aus der Vergangenheit des Jahres 49 988 v. Chr. um 500 Jahre weiter nach vorn versetzt. Doch ist lange noch kein Grund zum triumphieren. Die CREST hat durch diesen Zeitsprung zwar ihre Verfolger abschütteln können und ist auf Wega VI relativ sicher vor Ortungen durch lemurische oder halutische Einheiten - doch immer noch trennen die Abgründe der Jahrtausende Perry Rhodan und seine Leute von der Realzeit des Jahres 2404, wo die Menschheit des Solaren Imperiums voll Spannung auf neue Nachrichten von der Andromeda-Expedition wartet. Nach der Auseinandersetzung mit den "Geisterwolken" herrscht wieder Ruhe auf Pigell - eine trügerische Ruhe vor dem Sturm. Während die Terraner ihren Routinearbeiten nachgehen, naht eine unheimliche Gefahr. Das Milliardenheer der Verformten umzingelt die CREST - und bringt das FLAGGSCHIFF IN NOT...

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Nr. 272

Flaggschiff in Not

Das Milliardenheer der Verformten umzingelt die CREST – und die Terraner lernen das Grauen kennen

von H. G. EWERS

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Impressum

Zeitagent Frasbur musste sein Geheimnis preisgeben – und in einem riskanten und blitzschnellen Einsatz gelang es den Mutanten Perry Rhodans und den Landekommandos des solaren Flaggschiffs, die Zeitstation auf Tanos VI oder Pigell, dem 6. Wegaplaneten, praktisch unversehrt in die Hand zu bekommen.

Die Zeitstation hat sich und die CREST mitsamt ihrer Besatzung aus der Vergangenheit des Jahres 49.988 v. Chr. um 500 Jahre weiter nach vorn versetzt. Doch ist lange noch kein Grund zum triumphieren.

Die CREST hat durch diesen Zeitsprung zwar ihre Verfolger abschütteln können und ist auf Wega VI relativ sicher vor Ortungen durch lemurische oder halutische Einheiten – doch immer noch trennen die Abgründe der Jahrtausende Perry Rhodan und seine Leute von der Realzeit des Jahres 2404, wo die Menschheit des Solaren Imperiums voll Spannung auf neue Nachrichten von der Andromeda-Expedition wartet.

Nach der Auseinandersetzung mit den »Geisterwolken« herrscht wieder Ruhe auf Pigell – eine trügerische Ruhe vor dem Sturm.

Während die Terraner ihren Routinearbeiten nachgehen, naht eine unheimliche Gefahr. Das Milliardenheer der Verformten umzingelt die CREST – und bringt das FLAGGSCHIFF IN NOT ...

Die Hauptpersonen des Romans

Omar Hawk – Umweltangepasster von Oxtorne und Oberleutnant des Patrouillenkorps der Galaktischen Abwehr.

Sherlock – Omar Hawks »Spürhund« und Helfer in der Not.

Perry Rhodan – Großadministrator des Solaren Imperiums.

Atlan – Der Lordadmiral verteidigt die Zeitstation.

Lemy Danger – Generalmajor und Spezialist der USO.

Cicero – Ein »redseliges« Flatteräffchen.

Gamola

1.

»Hiih, Sherlock!«, rief der einsame Mann. Er stand bis zu den Hüften im brodelnden Schlamm, und das kochende Wasser eines Geysirs ergoss sich über seinen nackten Körper.

Zwei Halbkugeln, schimmernd wie violettes Glas, glommen auf und bewegten sich auf der Oberfläche des Schlamm-Meeres. Kurz darauf tauchte ein kürbisgroßer, froschähnlicher Schädel auf. Das breite Maul öffnete sich zu einem behaglichen Niesen.

Die violetten Augen auf seinen Herrn gerichtet, zerteilte der Okrill die zähflüssigen, träge sich wälzenden Wogen mit seinen acht Beinen. Das Tier hielt auf eine trichterförmige, mehrere Meter durchmessende Vertiefung im Schlamm zu. Am Grunde der Vertiefung stiegen schmatzend und gurgelnd große Blasen auf.

Der Okrill warf sich mit einem Satz über das Loch. Im selben Augenblick erreichte der Dampf seinen höchsten Druck und brach sich freie Bahn. Die etwa drei Meter durchmessende Dampfsäule schleuderte das Tier empor. Das folgende Wasser hielt den Okrill oben, bis der Druck nachließ und der Geysir wieder zusammenbrach.

Mit allen acht Beinen zugleich berührte das Tier die Oberfläche des Meeres. In einigen blitzschnellen Sprüngen erreichte es das Ufer, warf sich nieder und blickte seinen Herrn übermütig an.

Plötzlich raschelte es im nahen Dschungel, der sich gleich einer blaugrünen, dampfenden Mauer am Ufer des Schlamm-Meeres hinzog. Trübes Wasser ergoss sich von den Blättern und Zweigen auf eine schlanke Gestalt im Raumanzug, die über die glitschigen Felsen näher kam.

»Hallo, Hawk!«, schallte es aus einem Minilautsprecher des Druckhelms. »Passen Sie auf! Eine Sumpfschlange!«

Gleichzeitig damit zog der Angekommene einen Impulsstrahler und zielte damit auf das Ungeheuer, das sich über die gurgelnde Meeresoberfläche wand.

Der Angesprochene drehte sich halb um und winkte.

»Lassen Sie mir den Spaß, bitte. Nicht schießen!«

Er wandte sich wieder ab. Mit ruhigem Blick sah er der Schlange entgegen. Sie mochte zwanzig oder fünfundzwanzig Meter lang sein und einen mittleren Durchmesser von vierzig Zentimetern haben. Dicht hinter dem dreieckigen Kopf saßen zwei winzige, rudimentäre Füße mit Schwimmhäuten.

Oberleutnant Omar Hawk breitete die Arme scherenförmig aus. Er empfand keine Angst vor dem Monstrum, obwohl er nackt und unbewaffnet war. Aber er konnte auf die Kompaktkonstitution seines umweltangepassten Körpers vertrauen – des an die Verhältnisse einer klimatisch extremen 4,8-Gravo-Welt angepassten Körpers.

Hier – auf dem sechsten Wega-Planeten – herrschten dagegen »nur« 1,22 g Schwerkraft ...

Die Sumpfschlange öffnete den Rachen weit und zischte drohend. Vier dolchartige Giftzähne wurden erkennbar. Ihr Gift vermochte einen Menschen innerhalb einer halben Sekunde zu töten, und Hawk war ein Mensch, trotz allem.

Als sich das Ungeheuer zum Sprung zusammenzog, schnellte Omar Hawk vorwärts. Es krachte dumpf, als die beiden Wesen hart zusammenprallten. Die Giftzähne glitten wirkungslos an Omars Brust ab; nur ein Biss in die Gliedmaßen hätte ihn verletzen können. Doch so weit ließ er es nicht kommen. Seine Hände packten zu und pressten das Genick der Schlange zusammen.

Der glatte Rumpf peitschte sekundenlang hin und her. Dann brachen die Halswirbel der Bestie. Omar schleuderte das immer noch zuckende Tier weit hinaus ins Meer. Wo der Kadaver aufprallte, begann der Schlamm zu brodeln.

Hawk stieg mit langen Schritten ans Ufer. Unterhalb der Hüfte klebte der Schlamm graugrün und schleimig an ihm. Der Oxtorner stieg in einen Felsenkessel am Ufer, aus dem Dampfwolken aufstiegen: eine vulkanische Quelle. Als Hawk herauskletterte, war sein Körper sauber und glänzte so ölig wie immer.

Erst dann ging er dem anderen entgegen. Sein Gesicht verzog sich zu einem freudigen Grinsen.

»Hallo, Lun! Sie alter Dunkelweltler! Was treibt Sie denn an diese reizvolle Stätte?«

Baar Lun lächelte höflich. Vorsichtig nahm er die große Hand des Oxtorners und schüttelte sie.

»Was für Leute Ihres Schlages reizvoll ist, braucht für normale Menschen noch lange nicht zu sein, Hawk. Dennoch gestehe ich: Ihre Vorstellung hat mich beeindruckt. Sie könnten zweifellos als Gladiator auf einer Primitivwelt Karriere machen.«

Omar überhörte die Ironie nicht. Aber er wusste, es war freundschaftlich gemeinte Ironie. Den Modul und ihn verband eine distanzierte Freundschaft, wie sie nur zwischen geistig sehr regen Menschen mit hohen Idealen vorkommt. Außerdem wichen beide von der Norm ab; beide waren keine Terraner, wenn auch ihre Abstammung auf die gleiche Linie zurückging. Und beide besaßen sie Fähigkeiten, die sie weit über Normalmenschen hinaushob.

Der Okrill knurrte und starrte zu dem Flatteräffchen hinauf, das auf einem überhängenden Ast hockte und mit großen, roten Früchten nach ihm warf. Die Früchte waren steinhart, doch Sherlocks Schädel war noch weit härter. Krachend zersprangen die glänzendroten Kugeln. Das Flatteräffchen keckerte schelmisch, richtete sich auf und streckte den Unterleib vor. Ein dünner, silberweißer Faden schoss aus der Bauchdüse und wickelte sich um den Schädel des Okrill. Sherlock schüttelte sich. Der Faden zerriss mit einem singenden Laut. Ärgerlich riss sich Sherlock die Reste ab. Danach sprang er den nur schenkeldicken Baum an, auf dem das Äffchen saß. Knirschend gab der Stamm nach.

Das Flatteräffchen stieß einige Laute aus, die dem Knurren des Okrill verblüffend ähnelten. Es breitete die lederhäutigen Schwingen aus, stieß sich von dem stürzenden Baum ab und segelte dicht an Sherlocks Maul vorbei.

Der Okrill hätte das kaum unterarmlange Tier mühelos greifen können. Aber seltsamerweise verzichtete er darauf. Er wich sogar behände aus, als der Dschungelbewohner einen zweiten Scheinangriff flog. Kurz darauf krachten die nächsten Früchte gegen seinen Schädel. Das Spiel begann von neuem.

»So kenne ich Ihre Bestie noch gar nicht, Hawk«, wunderte sich Baar Lun. »Offensichtlich spielen die beiden Tiere miteinander, oder ...?«

Omar Hawk stieg in seine Uniformkombi aus leichtem Oxtorniumplastikgewebe. Der Anzug schloss hermetisch ab und konnte als Raumanzug dienen, wenn man die Helmkapuze überstreifte. Omar ließ jedoch meist den Verschluss bis zur Gürtellinie offen. Ihm machten die fünfundachtzig Grad Hitze nichts aus.

»Es scheint so«, beantwortete er Luns Frage. »Dieser Affe ist übrigens das einzige Tier, mit dem Sherlock sich zum Spiel herablässt – außer Gucky natürlich; aber ich möchte den Mausbiber nicht gern als Tier bezeichnen.«

Der Modul lachte.

Omar streifte die Ärmel hoch. Danach schnallte er sich den breiten Waffengurt mit dem schweren Impulsstrahler und dem kleineren Schockblaster um. Die Stiefel aus Terkonitonplastik, die er dann über die Füße zog, waren normalerweise unnötig. Der Anzug besaß eingearbeitete Schuhe. Doch die waren relativ dünn; aus diesem Grund trugen sowohl Hawk als auch Lun zusätzliche Stiefel.

»So!«, sagte der Oxtorner, als er auch die Schultergurte befestigt hatte. »Das Bad hat wieder einmal erfrischt. Nun geht es ein Stück in den Dschungel. Kommen Sie mit, Lun?«

Baar Lun ging nicht sofort darauf ein.

»Eigenartige Ansichten haben Sie über Bäder und Erfrischungen, das muss ich schon sagen. Mich bekäme niemand dazu, freiwillig in diesem Schlammtümpel zu baden – schon gar nicht ohne Raumanzug. Ich frage mich nur, wie darin überhaupt Lebewesen existieren können.«

»Anpassung!«, erwiderte Omar trocken. »Die Tendenz der Entwicklung geht anscheinend überall zum Leben hin, und der Einfallsreichtum der Natur ist unerschöpflich. – Aber ich hatte Sie etwas gefragt ...«

Der Modul wandte sich um und blickte durch die Infrarotsichtscheibe seines Helms dorthin, wo blutrote Lichter durch den Nebel glühten: die Infrarotpositionsscheinwerfer der CREST III.

»Gut, ich komme mit, Hawk. Aber nicht allzu weit. Ich möchte eigentlich nicht über den Funktionsbereich meines Helmtelekoms gehen.«

Hawk lachte rau.

»Von den ›Geisterwolken‹ haben wir nichts mehr zu befürchten.«

Ein Schatten huschte über sein Gesicht. Es war noch nicht lange her, erst knapp sechs Stunden, seit zwischen jenen lockeren Zellverbänden, die man Geisterwolken nannte, und den Menschen Frieden geschlossen wurde. Vorher hatten diese Gebilde ihnen schwer zu schaffen gemacht und beinahe eine Katastrophe herbeigeführt. Die Wolken, zusammengesetzt aus jeweils durchschnittlich 5000 Milliarden »Neuroiden« – Nervenzellenähnlichen –, die einzeln wegen ihrer mikroskopischen Größe für menschliche Augen unsichtbar waren, besaßen Intelligenz und die Fähigkeit, wie Fiktivtransmitter zu wirken. Zusammen mit Perry Rhodan war Hawk von einer solchen Wolke »abgestrahlt« und zu einem fernen Inselkontinent teleportiert worden. Dort stießen sie mit den Tankan zusammen, einer Rasse halbintelligenter, telepathisch begabter Echsen. Die Tankan erwiesen sich als Sklaven ihrer telepathischen Fähigkeit; sie nahmen die Gedanken und Gefühle der Menschen auf und verstärkten sie unter Ausschaltung des eigenen Verstandes. Dachte ein Mensch aggressiv, wurden die Echsen von einem unüberwindbaren Aggresionszwang befallen und griffen an.

Es hatte auf Seiten der Tankan viele Tote gegeben, bevor der Irrtum erkannt worden war. Danach wurden Rhodan und Hawk von den Geisterwolken gefangen genommen und angeklagt. Die Supergehirne warfen den Menschen Brutalität, Vernichtungswut und Herrschsucht vor – und die Menschen vermochten diesem Argument nichts entgegenzusetzen. Dennoch erhielten sie eine Chance, denn auch die Geisterwolken waren nicht unfehlbar. Im Gegensatz zu den Menschen sahen sie das ein und ließen ihre Gefangenen frei.

Seitdem herrschte Ruhe auf Pigell, wie der sechste Wegaplanet hieß. Aber es war keine echte Ruhe. Während der letzten Geschehnisse waren die Menschen auf Hinweise gestoßen, die auf die Anwesenheit einer noch unbekannten Gefahr deuteten. Irgendwo in den Dschungeln, Sümpfen und Bergen verbarg sich ein Feind – und er würde angreifen, sobald er es für richtig hielt.

»Außerdem«, fügte Omar Hawk seiner Entgegnung hinzu, »soll ich selbst im Funkbereich bleiben. Ich gehöre zu den Leuten, die die Umgebung der Zeitstation abpatrouillieren müssen.«

»Oh ...!« Lun gab seinen Worten einen sarkastischen Tonfall. »Und ich dachte, Sie trieben Freizeitgestaltung!«

Omar lächelte, sagte aber nichts dazu. Sein Auftrag war tatsächlich etwas ungewöhnlich. Er hatte sich so zu geben wie ein Mann, der sich die freie Zeit vertreibt. Das sollte eventuelle feindliche Späher dazu verleiten, ihn zu überfallen und sich damit zu verraten. Sie würden kaum ahnen, auf welches riskante Abenteuer sie sich damit einließen, denn Hawk sah äußerlich fast wie ein normaler Mensch aus, und auch sein Okrill machte keinen sonderlich gefährlichen Eindruck.

Aber dieser Auftrag war geheim, und als Offizier der Galaktischen Abwehr hatte Omar auch dem besten Freund gegenüber zu schweigen.

»Also gehen wir endlich!«, murmelte Lun verärgert. »Wollen Sie Ihren ›Schoßhund‹ mitnehmen?«

Omar Hawk nickte flüchtig und pfiff so gellend, dass das Flatteräffchen im Flug die Schwingen zusammenfaltete und in den Schutz des Blätterdaches huschte. Gleich darauf erschien es jedoch wieder und imitierte Hawks Pfiff so naturgetreu, dass Omar lachen musste.

»Vielleicht kann man ihn sogar richtige Worte nachsprechen lassen«, bemerkte Baar Lun.

Omar zuckte die Schultern.

»Was hätte das schon für einen Sinn?«

Er klopfte dem Okrill, der inzwischen herangekommen war, auf das breite Maul und kommandierte: »Voran, Sherlock! Hiih!«

Sherlock brach wie ein Bulldozer durch das Unterholz. Seine Vorderpranken rissen sperrige Lianen und Zweige herab und schufen so eine schmale Gasse für die nachfolgenden Männer.

Omar Hawk ließ den Modul vorausgehen. Auf dieser Welt brauchte ein physisch Normaler eine Rückendeckung, wenn er überleben wollte ...

*

Herrschte schon im Freien ein ständiges Halbdunkel, so schlug blaugrün schimmernde Finsternis über den Männern zusammen, sobald sie einige Meter in den Urwald eingedrungen waren.

Die Orientierung bereitete ihnen dennoch keine Schwierigkeiten. Sie benötigten nicht einmal die auf der Brust baumelnden Scheinwerfer, um etwas sehen zu können. Die Vegetation selbst verströmte überreichlich Wärmestrahlung, so dass jeder einzelne Zweig deutlich durch die Infrasichtscheiben zu erkennen war. Bei Baar Lun befand sich die Spezialscheibe innerhalb des Druckhelms, Omar Hawk dagegen trug eine Art Taucherbrille mit der entsprechenden Einlage.

Der Boden wäre wahrscheinlich ein einziger Morast gewesen, hätte nicht eine schwammige Pflanzenart die meiste Feuchtigkeit aufgesogen. Trotz ihres schwammigen Aussehens waren die Bodenpflanzen jedoch hart und zäh; nicht einmal Omars Gewicht vermochte sie mehr als einige Zentimeter zusammenzudrücken. Nur wenn Sherlocks Krallen darüberglitten, rissen sie auf, und schleimige Flüssigkeit verströmte.

Der Okrill stürmte unaufhaltsam vorwärts. Es erweckte den Anschein, als blicke er dabei weder rechts noch links. Doch das erwies sich als Täuschung.

Ein brauner, borkiger Ast von Mannesstärke ragte in knapp zwei Metern Höhe über den verwucherten Wildpfad. Sherlock ließ sich davon nicht täuschen. Er versetzte dem »Ast« mit seiner Zunge einen elektrischen Schlag, worauf dieser sich als Raubsaurier mit verblüffender Mimikry entpuppte. Er stürzte zu Boden, krümmte sich vor Schmerz und Panik und raste dann fauchend davon.

Die Insekten, die sich anschließend auf die kleine Gruppe stürzte, war bedeutend unangenehmer. Obwohl ihre Stacheln weder Luns Raumanzug noch Hawks harte Lederhaut durchdringen konnten, wurden sie sehr lästig. Sie krochen über Augen, Nase und Mund, summten zudringlich in den Ohren und hinterließen klebrige Flecken, wenn man sie tötete. Gegen sie vermochte selbst der Okrill nichts auszurichten.

Glücklicherweise zog der Schwarm nach wenigen Minuten weiter, offenbar enttäuscht. Wütendes Sauriergebrüll zeigte kurz darauf an, wen er sich als nächstes Opfer auserkoren hatte.

Nach einer halben Stunde erreichten die beiden Männer und der Okrill eine kleine Lichtung. Omar Hawk kannte die drahtigen Stängel mit den perlenartig schimmernden Tropfen daran: Es waren ausgesprochene Sumpfpflanzen, die dem Kundigen verrieten, wie der Boden beschaffen war.

Der Okrill fauchte warnend.

»Schon gut, Sherlock«, sagte Omar lächelnd. »Wir wissen Bescheid. Führe uns auf dem kürzesten Wege herum!«

Als das Tier nicht sofort darauf reagierte, pfiff er auffordernd.

»Hiih, Sherlock!«

»Hiih, Sherlock!«, tönte es verblüffend echt von der anderen Seite des Sumpfes herüber.

Der Okrill nieste begeistert. Seine runden Augen funkelten.

Hawk starrte kopfschüttelnd auf das Flatteräffchen, das lautlos herbeigeflogen kam. Das kleine Tier kreiste über Sherlock und rief abermals: »Hiih, Sherlock!«

»Was habe ich Ihnen gesagt!«, flüsterte Baar Lun. »Das Tier kann sprechen.«

»Es soll auf Terra große Vögel geben, die ebenfalls sprechen«, entgegnete Omar. »Außerdem kenne ich persönlich vier andere Tierarten, die menschliche Laute nachahmen. Aber das alles ist bloßes Nachplappern; vielleicht könnten sich alte Jungfern daran ergötzen. Ein ernstzunehmender Mensch dagegen ...«

»Hatschie!«, machte das Flatteräffchen.

»Los, Sherlock! Ab!«, befahl Omar ungeduldig.

Der Okrill riss sich offensichtlich nur widerwillig vom Anblick des possierlichen Affen los. Fauchend zerstampfte und zerriss er die im Wege stehenden Pflanzen. Das Flatteräffchen folgte noch ein kurzes Stück, dann schraubte es sich in den verhangenen Himmel hinauf und verschwand.

Plötzlich vollführte Sherlock einen gewaltigen Satz. Er sprang mit weit von sich gestreckten Beinen empor und krallte sich am Stamm eines Baumes fest. Warnend zischte er seinen Herrn an.

Omar Hawk konnte Lun im letzten Augenblick zurückreißen, bevor der Modul in dem klaffenden Loch versank, das sich urplötzlich im Boden gebildet hatte. Einen Atemzug später hielten die beiden Männer ihre Waffen in den Händen.

Sherlock landete auf der anderen Seite des Loches. Der Boden zitterte, als seine Pranken aufprallten. Polternd lösten sich einige Steine vom Rand und verschwanden in der schwarz gähnenden Tiefe.

Baar Lun griff blitzschnell zu.

Als er sich umwandte, hielt er einen rechteckig geformten Stein in der Hand. Sein Gesicht hinter der Helmscheibe wirkte sehr nachdenklich.

Omar lachte gepresst.

»Das ist aber ein Zufall, was?«

Lun hielt ihm den Stein hin, ohne etwas zu sagen. Zögernd griff Omar Hawk zu – und zuckte zusammen.

»Nun ...?«, fragte der Modul ironisch.

Omar warf den Stein hoch und fing ihn wieder auf.

»Federleicht. Das ist kein Naturstein, würde ich sagen.«

»Ich würde sagen: Es ist Plastik!«

Omar schluckte hörbar.

»Vielleicht der Rest eines Materialschuppens. Als die Zeitstation gebaut wurde, muss man das Material ja irgendwo gelagert haben.«