Perry Rhodan 3199: Die Gordische Konstellation - Andreas Eschbach - E-Book

Perry Rhodan 3199: Die Gordische Konstellation E-Book

Andreas Eschbach

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Beschreibung

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Nun ist dieser Traum von einer friedlich geeinten Galaxis in Gefahr: FENERIK, ein sogenannter Chaoporter, ist in die Milchstraße gestürzt und hat sich mit der dort im Bau befindlichen Yodor-Sphäre, einem kosmokratischen Projekt, zu einer Chaokosmokratischen Chimäre verknotet – einem Konstrukt, das die Milchstraße in ihrem Kerngebiet gefährdet. Perry Rhodan, Atlan und ihren Teams ist es zwar gelungen, ins Zentrum FENERIKS vorzustoßen. Dort, im Reich der Chaotarchen, herrschen allerdings Bedingungen, auf die nichts und niemand sich hätte vorbereiten können. So ist es am Ende an Perry Rhodan, Entscheidungen zu treffen, vor die noch nie ein Mensch zuvor gestellt war. Und er findet sich hineingerissen in ein wahres kosmisches Mysterium: in DIE GORDISCHE KONSTELLATION ...

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Nr. 3199

Die Gordische Konstellation

Die drei Versuchungen des Terraners – es geht um die Rettung der Milchstraße

Andreas Eschbach

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Letzte Instruktionen

2. Die erste Versuchung: Macht

3. Die zweite Versuchung: Wissen

4. Die dritte Versuchung: Glück

5. Das Erwachen

6. Die eine Realität

7. Bilanz

Impressum

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.

Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.

Nun ist dieser Traum von einer friedlich geeinten Galaxis in Gefahr: FENERIK, ein sogenannter Chaoporter, ist in die Milchstraße gestürzt und hat sich mit der dort im Bau befindlichen Yodor-Sphäre, einem kosmokratischen Projekt, zu einer Chaokosmokratischen Chimäre verknotet – einem Konstrukt, das die Milchstraße in ihrem Kerngebiet gefährdet.

Perry Rhodan, Atlan und ihren Teams ist es zwar gelungen, ins Zentrum FENERIKS vorzustoßen. Dort, im Reich der Chaotarchen, herrschen allerdings Bedingungen, auf die nichts und niemand sich hätte vorbereiten können.

So ist es am Ende an Perry Rhodan, Entscheidungen zu treffen, vor die noch nie ein Mensch zuvor gestellt war. Und er findet sich hineingerissen in ein wahres kosmisches Mysterium: in DIE GORDISCHE KONSTELLATION ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner findet, ohne zu suchen.

Reginald Bull – Der ehemalige Resident findet seinen Weg.

Fenetay Rik – Der Chaotarch wird gesucht.

Addanc, der Taucher – Der Quintarch sucht Rhodan, um zu verhindern, dass dieser findet.

Prossperu und Arioll

Dann kommt der Tag,

an dem du Abschied nimmst.

Ein letzter Gruß, ein letzter Blick,

was einst die Welt dir war, ist nun zu eng.

Was kannst du andres tun?

Du kannst nur folgen,

wenn die Sterne rufen.

Wenn die Sterne rufen.

Aus der um das

Jahr 3434 alter Zeitrechnung

berühmt gewordenen Sammlung

»Lieder der Raumfahrer«

von Zodiak Goradon.

1.

Letzte Instruktionen

Die Welt hatte sich aufgelöst, doch die Stimme des Operators war noch zu vernehmen, frostig, verzerrt und leise, aber deutlich.

»Das Audhem ist das Herz FENERIKS«, wisperte die Stimme eisig und fern. »Hier sind beide Realitäten gleich wirklich. So lange, bis sich das Auge Zou Skosts auf eine davon richtet und sie damit unwiderruflich zur einzigen Wirklichkeit werden lässt, während die andere vergeht«.

Aber war es tatsächlich der Operator, den er hörte? Oder hörte er nur Echos von Erinnerungen an etwas, das dieses seltsame Wesen aus Eis gesagt hatte?

Perry Rhodan wusste es nicht, so wenig, wie er wusste, was gerade mit ihm geschah. Ein seltsam substanzloses Grau umgab ihn, das ebenso unendlich fern wie ganz nah zu sein schien, ungreifbar, konturlos. Lautlos. Geruchlos.

Unwirklich.

Zwei Realitäten, die sich überlagerten. Einstweilen. Wobei das Problem war, dass in der einen Realität Atlan und sein Team tot waren – und in der anderen Realität er, Perry Rhodan, und seine Begleiter: Gucky. Alaska. Shema. Damar. Gry. Grand4. Existenz auf Abruf, und auch nur, weil sich Zou Skost ganz und gar in FENERIK aufgelöst hatte, um zu verhindern, dass der Chaoporter auseinanderbrach und das unsagbare Verderben freisetzte, das er transportierte.

Und der andere Chaotarch, Fenetay Rik – zumindest dessen Schattenwurf – hatte sich auf eine schwer zu fassende Weise zerlegt und über die gesamte Raum-Zeit der Milchstraße verteilt ...

Wobei Rhodan schon das mit den zwei sich überlagernden Realitäten schwer zu begreifen fand. Sichu hätte damit vielleicht kein Problem gehabt. Zu Hause, bei ihren Gesprächen zu zweit, fielen oft Namen wie Schrödinger, Heisenberg, Mülyiindir, Estrandania oder Kalup. Sichu neigte dazu, Geburtstage und Jahrestage zu vergessen, aber die galaktische Wissenschaftsgeschichte hatte sie jederzeit griffbereit.

»Wir suchen nicht«, meldete sich die ferne, verzerrte Stimme erneut. »Und wir finden nicht. Wir können dir auch nicht sagen, was du finden wirst. Vielleicht findest du einen Substanzaspekt Fenetay Riks. Vielleicht auch nicht. Vielleicht ... findest auch du etwas, das du nicht gesucht hast«.

»Ungemein ermutigend«, murmelte Rhodan.

»Es mag sein«, kam es wie ein Hauch, »dass dein ... Anzug dir eine Hilfe sein wird«.

Rhodan sah an sich hinab. Damit war nicht sein SERUN gemeint, sondern der Anzug der Verheißung, den er darunter trug. Alaska Saedelaere hatte ihn ihm geliehen, da er – neben der Hieroglyphe und dem Zellaktivator – als Voraussetzung für eine erfolgreiche Suche diente. Trotzdem blieb Rhodan unklar, wie genau ihm diese drei Dinge helfen sollten. Waren sie nur Rahmenbedingungen oder Permits – oder erfüllten sie auch einen praktischen Nutzen?

Unklar war ihm auch, woher das Licht kam, das ihm erlaubte, überhaupt etwas zu sehen. Es war nicht hell und nicht dunkel, kam von überall und nirgends.

Ebenfalls unwirklich.

Womöglich bildete er sich alles sowieso nur ein? Vielleicht waren das gerade nur letzte Emanationen seines Geistes vor dem Verlöschen, weil es Zou Skost gefallen hatte, sein Auge auf die andere Realität zu richten?

Es fühlte sich jedenfalls seltsam an. Als tastete ihn jemand Atom für Atom ab. Jemand, der unschlüssig war, was er mit ihm anstellen wollte.

Und dann, auf einmal, ein kurzer, aber verdammt wirklicher Schmerz in der linken Schulter.

»Heh!«, entfuhr es Rhodan.

»Dein kosmokratischer Zellaktivator hat sich als inkompatibel mit dem Translokator erwiesen«, erklärte die klirrende Stimme aus entsetzlich weiter Ferne. »Er musste zurückbleiben«.

»Wie bitte?« Rhodan fasste sich unwillkürlich an die Schulter. »Den kriege ich aber wieder, wenn ich zurückkomme, oder?«

Und kann ich meinen Auftrag ohne den Zellaktivator überhaupt erfüllen?

Es kam keine Antwort. Und das Licht, das ihn umgab, wurde immer schwächer.

»Wie komme ich überhaupt zurück?«

Keine Antwort; nur, als es ganz dunkel wurde, ein kurzes, fernes Zischen. Ein Geräusch wie von einer Kerze, deren Flamme erlosch.

Dann ... kam Rhodan an.

Irgendwo. Irgendwann.

*

Es fühlte sich an, als träte er unmittelbar aus einer blanken Metallwand. Und als gäbe ihm der Stahl im letzten Moment einen Stoß, der ihn taumeln ließ und zu Fall brachte.

So fand er sich auf dem Boden wieder – und kurz davor, zu ersticken!

Alle Anzeigen seines SERUNs waren dunkel, tot. Was ging da vor? Rhodan setzte sich mühsam auf, sah sich keuchend um. Er saß in einer Art Zelle mit stählernen Wänden, die genauso grau waren wie das Kontinuum, aus dem er kam, nur ungleich realer. Auch das blendend helle Licht, das aus einem rechteckigen Element an der Decke fiel, war real; es warf Schatten.

Doch was für eine Atmosphäre herrschte eigentlich? Gab es überhaupt Atmosphäre? Er wusste es nicht, die Messinstrumente an seinem Handgelenk zeigten nichts an. Und die Luft im Inneren seines Schutzanzugs wurde rapide schlechter.

Was nur heißen konnte, dass die Aufbereitungsanlage ausgefallen war. Ganz und gar ungewöhnlich. Rhodan hatte dergleichen noch nie erlebt. Selbst in den allerkritischsten Fällen war diese Einheit die letzte, die ausfiel, und wenn es so schlimm kam, war der Träger des betreffenden SERUNS in aller Regel längst tot. SERUNS zählten zu den höchstentwickelten und ausgereiftesten technischen Geräten, die die Menschheit besaß; narrensicher war gar kein Ausdruck für den Grad ihrer Zuverlässigkeit.

Und dennoch ...

Unwillkürlich verfiel er ins Hecheln. Er hatte keine Wahl, er musste es riskieren, den Helm zu öffnen. Was natürlich nicht mehr auf Stimmbefehl oder Tastendruck funktionierte; er musste den Notverschluss aufzerren.

Was für eine Wohltat, als atembare Luft einströmte!

Glück gehabt.

Rhodan atmete japsend durch, wartete, dass die schwarzen Schleier am Rand seines Sichtfelds verschwanden. Wo war er gelandet? Ein Geruch lag in der Luft, der ihm bekannt vorkam. Und auch diese Art Licht hatte er schon einmal gesehen ...

Er stand auf. Das ging erheblich mühsamer, als er erwartet hatte. Herrschte eine höhere Schwerkraft? Nein, daran lag es nicht. Es war der SERUN. Wie ein sperriges, steifes Gewicht hing das Ding an ihm. Normalerweise unterstützten zahllose, mikroskopisch kleine Kraftverstärker im Material des Anzugs jede Bewegung – unauffällig, aber effizient. Doch dadurch, dass die Energieversorgung total ausgefallen war, hatten sich diese in bremsende Widerstände verwandelt, gegen die er mit Muskelkraft ankämpfen musste.

Rhodan griff nach seinem Kombistrahler und war nach all dem nicht überrascht, diesen ebenfalls tot und funktionslos vorzufinden. Es war nur noch ein kompliziert geformtes Stück Metallplastik, das er in Händen hielt.

Es half nichts, er musste den SERUN ausziehen. Zunächst jedenfalls. Vielleicht fand er später heraus, wie er ihn wieder aktivieren konnte. Falls der Anzug nicht einfach durch den Transport zerstört worden war.

Der Transport, ja richtig ...! Rhodans Hand zuckte an seine linke Schulter, dorthin, wo er die belebenden Impulse seines Zellaktivatorchips ... nicht mehr spürte! Bestürzend, wie sehr er daran gewöhnt war, dass ihm unentwegt Kraft aus diesem Gerät zufloss. Eines von den Dingen, an die man sich so gewöhnte, dass man sie erst bemerkte, wenn sie fehlten.

Doch das war nicht das Schlimme. Das Schlimme war, dass er ohne den Zellaktivator nur noch 62 Stunden zu leben hatte.

Andererseits blieb ihm vielleicht sowieso nicht so viel Zeit, um die totale Katastrophe zu verhindern, denn mit jeder verstreichenden Stunde wurde die Verknotung zwischen FENERIK und der Yodor-Sphäre stärker. Bald würde ein Zustand erreicht sein, von dem es kein Zurück mehr gab.

Und wo immer er gelandet war, er stand quasi mit bloßen Händen da.

Der Raum, in dem er sich befand, maß etwa vier auf sechs Schritte, war gute drei Meter hoch und völlig leer. Eine Tür ohne erkennbaren Öffnungsmechanismus befand sich auf seiner Seite, lediglich ein passgenau eingefügtes Stück Metall mit abgerundeten Ecken ... und auch solche Türen hatte er schon einmal gesehen! Nur wo?

Rhodan drückte gegen die glatte Fläche, doch sie gab nicht nach.

Wäre ja auch zu einfach gewesen ...

Er trat einen Schritt zurück, hob die Hände und betrachtete die kupferfarbenen Handschuhe, die er trug. Sie waren Teil dieses mysteriösen Anzugs der Verheißung, den ihm Alaska für diese Mission geliehen hatte. Es handelte sich um ein hochgeschlossenes, den ganzen Körper bedeckendes und sich ihm erstaunlich vollkommen anpassendes Kleidungsstück, das auf den ersten, flüchtigen Blick wie eine Montur aus feinem Leder wirkte, auf die quadratische Kupferstücke appliziert waren. Auf eine fremdartige Weise elegant, gewiss – doch Rhodan musste immer daran denken, wie ähnlich dieser Anzug dem Anzug des Todes sah, mit dem einst der Diener der Materie Ramihyn die Erde angegriffen hatte. Rhodan konnte diesen Anzug nicht mit demselben Gleichmut tragen, mit dem Alaska Saedelaere es tat.

Aber – angeblich war er ein Hilfsmittel, ein Machtmittel sogar, und Rhodan konnte gerade jede Hilfe und jedes bisschen Macht brauchen. Dass man mit diesem Anzug anderen einen Schritt voraus sein konnte, wenn man wollte, würde ihm derzeit zwar nichts nützen, aber vielleicht – hoffentlich! – die Handschuhe. Die, so hatte Alaska ihm erklärt, verstärkten die Sensibilität der Fingerspitzen enorm. Geräte, die man damit abtastete, enthüllten einem bisweilen ihre Funktionsweise, und Schlösser und Verriegelungen ließen sich damit oft öffnen.

Illustration: Swen Papenbrock

Skeptisch legte er die behandschuhten Fingerspitzen auf die Innenseite der Tür. Und spürte – nichts. Nichts Besonderes jedenfalls. Die Handschuhe leiteten, ähnlich wie die Handschuhe moderner SERUNS, alle Tastimpulse weiter, was einem das Gefühl vermittelte, gar keine Handschuhe zu tragen oder höchstens hauchdünne. Rhodan ertastete kühles Metall ... aber das war schon alles.

Dann fiel ihm wieder ein, was Alaska ihm einzuschärfen versucht hatte: »Du musst es wollen.« Es sei der Wille seines Trägers, der den Anzug aktiviere.

Rhodan schloss die Augen und konzentrierte sich. Fühlte die Stärke seines Wunsches, diese Zelle zu verlassen. O ja, er wollte es, wollte es unbedingt. Es kam selten vor, dass er etwas für sich selber wollte, oft dagegen, dass er etwas wollte, weil er es für das Richtige hielt. In solchen Fällen konnte sein Wollen bisweilen so stark sein, dass er andere damit regelrecht überwältigte.

Nun, in diesem Moment und an diesem Ort, wollte er diese Tür öffnen, wollte es gerade mehr als alles andere, weil es nichts anderes zu wollen gab, solange er eingesperrt blieb. Und als er all das in sich spürte, streckte er die Hände aus, berührte das Metall und ... fühlte etwas. Sah etwas vor sich. Nein, er sah es nicht, er erspürte es, verstand es, fühlte, wo er mit einer winzigen Bewegung seiner Finger ein Magnetfeld erzeugen, wo er einen Energiefluss bewirken konnte ...

Als er ein leises Klicken hörte, öffnete er die Augen und trat einen Schritt zurück, um der Tür Platz zu machen. Die schwang lautlos nach innen auf und gab den Weg frei in einen Gang mit gleichfalls metallischen Wänden.

Rhodan zögerte keinen Augenblick. Leise und sich nach allen Seiten umsehend trat er hinaus – und hatte wieder das Gefühl, dass er diese Art Architektur schon einmal gesehen hatte, vor langer, langer Zeit. Nur, dass er nicht über das fotografische Gedächtnis eines Atlan verfügte, nicht einmal ansatzweise.

Auf jeden Fall befand er sich in einem Raumschiff, darauf hätte er gewettet. Einem Raumschiff eines Typs, den er kennen musste.

Er drehte sich um, um die Tür wieder zu schließen. Dabei fiel sein Blick auf das aus massivem Metall gefertigte Schild daneben, auf dem in arkonidischer Schrift stand: Ersatzteillager 15-9.

Darunter, kleiner, prangte der Name des Schiffes.

2.

Die erste Versuchung: Macht

Es kam ausgesprochen selten vor, dass etwas Perry Rhodan vollkommen überraschte, aber in diesem Moment war es der Fall. Er starrte das Schild an, blickte dann nach rechts und nach links und wieder auf diesen Namen, und einen für seine Verhältnisse endlosen Moment lang konnte er es nicht fassen.

Aber – ja! Durch genau solche Gänge waren Bully und er damals geirrt, maßlos beeindruckt, ach was, völlig überwältigt. Es war die erste Begegnung von Menschen mit außerirdischen Intelligenzen gewesen, haushoch überlegenen noch dazu. Eine Stimme, die ein makelloses BBC-Englisch gesprochen hatte, hatte sie geleitet: die Stimme Crests ...

Crest hatte sie gebeten, den Antigravschacht zu benutzen – und was war das für ein furchterregendes Konzept gewesen, selbst für Raumfahrer, die die Schwerelosigkeit kannten: ein Hunderte von Metern weit in die Höhe und Dutzende von Metern in die Tiefe reichender Schacht, in dem man frei schwebte!

Rhodan riss sich aus seinen Erinnerungen los, versuchte zu begreifen, was passiert war. Er befand sich auf der AETRON! Das hieß, es hatte ihn nicht einfach irgendwohin verschlagen, sondern tatsächlich in die Vergangenheit, und zwar weit in die Vergangenheit, an einen Ort und in eine Zeit, die für ihn persönlich von ungeheurer Bedeutung waren.

Oder war es nur Zufall? Gab es in seiner Gegenwart irgendwo ein anderes Schiff, das zufällig ebenfalls AETRON hieß?

Grundsätzlich möglich, aber ... nein! Er erkannte den Stil der damaligen Zeit wieder. Die Form der Türen, die unnötigen Leisten am Boden entlang der Wände ...

Die Bauweise arkonidischer Raumschiffe war damals nicht von funktionalen Notwendigkeiten bestimmt gewesen, sondern hatte ästhetische Prinzipien verfolgt. Zu jener Zeit hatte man einen Stil gepflegt, den man auf der Erde am ehesten Brutalismus genannt hätte: übermäßig dicke Gelenke an Robotern, verspielte und verzierte Antennen an Geräten, die auch ohne ausgekommen wären, übertrieben große Schalthebel und unpraktisch geformte Sichtschirme. Heutige arkonidische Raumschiffe sahen längst nicht mehr so aus.

Wenn es ihn tatsächlich so weit in die Vergangenheit verschlagen hatte, befand er sich in einer Zeit, in der im Universum eine niedrigere Hyperimpedanz geherrscht hatte als in der Zeit, aus der er kam. War das der Grund, aus dem sein SERUN so komplett versagte? Er wusste es nicht, dazu verstand er zu wenig von den technischen Einzelheiten. Aber denkbar war es.

Im Moment hatte er ohnehin andere Sorgen. Denn wenn das hier die AETRON war ... dann hieß das womöglich, dass Crest an Bord war. Und ... Thora!

Der Gedanke, sie wiederzusehen, verschlug ihm den Atem.

Aber er durfte sie nicht wiedersehen. Er durfte sie auf keinen Fall treffen, denn das würde ein Zeitparadoxon schaffen! Man durfte ihn überhaupt nicht sehen, durfte nicht einmal merken, dass er an Bord war ... Er musste einen Weg finden, das Raumschiff unauffällig zu verlassen!

Ein jäh aufblitzender Gedanke ließ ihn erstarren. Wenn das die AETRON war ... hatte seine Versetzung in die Vergangenheit überhaupt etwas mit seiner Suche nach einer Rettung für die Milchstraße zu tun? Oder hieß sein Auftauchen an Bord womöglich etwas ganz und gar anderes? Etwa, dass es ihm bestimmt war, den damaligen Absturz des Forschungsschiffs auf dem Erdmond auf irgendeine Weise überhaupt erst zu verursachen? Und damit den Kreis zu schließen zum Anfang von allem?

Hatte er, in der Tradition des Chaoporters, gefunden, was er nicht gesucht hatte? War er an diesem Ort, um jenen Unfall herbeizuführen, der seine Begegnung mit den Arkoniden und den nachfolgenden Aufstieg der Menschheit zu einer galaktischen Macht überhaupt erst ermöglicht hatte?

*

Sofort war ein Plan da. Vor allem anderen musste er herausfinden, welches Datum man schrieb und wohin die AETRON unterwegs war. Dazu brauchte er ein Terminal. Es war zwar lange her, dass er den Umgang mit den damals üblichen Positroniken gelernt hatte, aber es war so ziemlich das Erste gewesen, das er über arkonidische Technologie gelernt hatte: Er würde ziemlich sicher damit zurechtkommen.

Wenn sein Verdacht stimmte, hatte er von der Besatzung nicht viel zu befürchten. Das Schiff war damals vor allem von dekadenten, spielsüchtigen Hohlköpfen bevölkert gewesen, die man kaum dazu hatte bewegen können, auch nur den Blick von ihren Fiktivspielen abzuwenden, geschweige denn irgendeine Art von Initiative zu ergreifen.

Nur die Roboter – vor denen musste er sich in Acht nehmen.

Gut. Er befand sich in einem Ringgang, der Krümmung nach dem innersten. Terminals hatte man üblicherweise an Kreuzungspunkten mit den Radialgängen vorgefunden. Also musste er einfach nur in irgendeine Richtung gehen, bis er an eine Kreuzung gelangte. Und wenn das gerade ein Ersatzteillager gewesen war ... ein leeres Ersatzteillager, ja, genau! Crest hatte ihm damals offenbart, dass vor dem Start des Forschungsschiffes versäumt worden war, den üblichen Vorrat an Ersatzteilen an Bord zu nehmen. Weil das Große Imperium in einem erbärmlichen Zustand gewesen war und nichts mehr geklappt hatte. Deshalb hatte sich das Schiff nach der Bruchlandung auf Luna nicht selbst helfen können.

Seine Mission war die Suche nach dem Planeten des ewigen Lebens gewesen: Das erinnerte Rhodan daran, dass er die Impulse seines Zellaktivators nicht mehr spürte. Ein seltsam hohles Gefühl. Besser, er beeilte sich.

Er schritt forsch aus. Im Materialbereich war die Wahrscheinlichkeit, jemandem zu begegnen, minimal. Und selbst wenn dies die AETRON war, bestand die Möglichkeit, dass sie noch unter einem ganz anderen Kommando stand und zu einem gänzlich anderen Ziel unterwegs war ...

Rhodan blieb abrupt stehen. Halt mal. Nein. Dieses Schiff war überhaupt nicht