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Nach den letzten Erfolgen der Terraner scheint die Macht der Meister der Insel schon so gut wie gebrochen, doch noch haben sie eine Reihe von gefährlichen Trümpfen in der Hand. Perry Rhodan und seine Spezialisten stehen vor der fast unlösbaren Aufgabe, die letzten und stärksten Bastionen der Beherrscher Andromedas auszuheben, die gewaltige Aufgebote an Raumschiffen und Duplos in die Schlacht schicken. Mit Tengri Lethos, dem Hüter des Lichts, taucht unverhofft ein mächtiger Verbündeter auf. Aber es bleibt Atlan vorbehalten, die entscheidende Auseinandersetzung mit Faktor I zu führen, dem bis zuletzt geheimnisvollen Chef der MdI. Es ist der schwerste Kampf im über zehntausendjährigen Leben des Arkoniden - denn Atlan tritt an gegen eine ebenso faszinierende wie skrupellose Frau: Mirona Thetin, die Herrin der Sterne...
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Seitenzahl: 623
Veröffentlichungsjahr: 2011
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Nr. 32
Die letzte Bastion
Nach den letzten Erfolgen der Terraner scheint die Macht der Meister der Insel schon so gut wie gebrochen, doch noch haben sie eine Reihe von gefährlichen Trümpfen in der Hand. Perry Rhodan und seine Spezialisten stehen vor der fast unlösbaren Aufgabe, die letzten und stärksten Bastionen der Beherrscher Andromedas auszuheben, die gewaltige Aufgebote an Raumschiffen und Duplos in die Schlacht schicken. Mit Tengri Lethos, dem Hüter des Lichts, taucht unverhofft ein mächtiger Verbündeter auf. Aber es bleibt Atlan vorbehalten, die entscheidende Auseinandersetzung mit Faktor I zu führen, dem bis zuletzt geheimnisvollen Chef der MdI. Es ist der schwerste Kampf im über zehntausendjährigen Leben des Arkoniden – denn Atlan tritt an gegen eine ebenso faszinierende wie skrupellose Frau: Mirona Thetin, die Herrin der Sterne ...
Mit diesem 32. Band der PERRY RHODAN-BIBLIOTHEK endet nun der erste wirkliche Großzyklus der Serie, der in Heftform einhundert und bei den Büchern zwölf dicke Bände gefüllt hat. Zeit für eine kleine Bilanz.
Aus vielen Zuschriften (hierfür nochmals herzlichen Dank an die Leser!) haben wir ersehen können, dass es wohl gelungen ist, auch in der Buchausgabe das besondere Flair zu wahren, das diesem Zyklus seit Mitte der sechziger Jahre bis heute anhaftet. Es war gewiss nicht immer leicht. Einzelne Romane mussten zugunsten einer straffen Handlungsführung entfallen, bei anderen war es nötig, auf mehr oder weniger größere Passagen zu verzichten. Wir haben dennoch so weit wie möglich versucht, auch »unnötige« Nebenhandlungen zu berücksichtigen, denn gerade sie (Gucky!) sind das Salz in der Suppe einer durchgehend spannenden Handlung.
Es waren weit mehr Widersprüchlichkeiten zu beseitigen als jemals zuvor, seitdem die PR-Buchausgabe existiert – allein schon bedingt durch ungeheure Komplexität des Stoffes. Auch was das Ausmaß an Raumschlachten und Zerstörungen angeht, hatten wir Schwerstarbeit zu leisten, um dies auf ein »erträgliches Maß« zu reduzieren. Das soll keine Kritik an den Originalromanen sein – allenfalls am »Zeitgeist« der Jahre, in denen diese geschrieben wurden.
Alles in allem, war es eine Freude, diese hervorragenden Romane zu einem »großen Ganzen« schmieden zu dürfen. Und mit Freude und Begeisterung sehen Franz Dolenc und ich nun dem kommenden Zyklus entgegen, der die weiteren Schritte der Menschheit ins Universum schildern und weitere Einblicke in große kosmische Zusammenhänge gewähren wird – zum Teil basierend auf der Geschichte, dessen Finale nun, nach wenigen Seiten, beginnt.
Ich bedanke mich herzlich bei allen, die zum Erfolg des MdI-Zyklus beigetragen haben – den Autoren, Johnny Bruck, G. M. Schelwokat. Und natürlich bei den Lesern, die uns immer wieder mit Kritik und Anregungen geholfen haben, der PR-BIBLIOTHEK diesen wichtigen Baustein hinzufügen zu können. Der Dank an Franz Dolenc für seine Arbeit als »Rhodan-Computer« ist zwar inzwischen schon Routine, aber nichts desto weniger ehrlich und wichtig.
Die in diesem Buch enthaltenen Originalromane sind (in dieser Reihenfolge): Die Eroberer und Der verlorene Planet von Clark Darlton; Die Herrin der Sterne von Kurt Mahr; Superfestung Tamanium und Amoklauf der Schläfer von H. G. Ewers, und Am Ende der Macht von William Voltz.
Das letzte Geheimnis der Meister der Insel wird nun gelöst – das nächste Buch wird bereits mit neuen Rätseln aufwarten. Ich würde mich freuen, wenn wir in etwa zehn bis zwölf Bänden auch deren Auflösung, wie heute, zusammen erleben könnten.
1971 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest.
1972 – Mit Hilfe arkonidischer Technik Aufbau der Dritten Macht und Einigung der Menschheit.
1976 – Das Geisteswesen ES gewährt Perry Rhodan die relative Unsterblichkeit.
1984 – Galaktische Großmächte versuchen, die Menschheit zu unterwerfen.
2040 – Das Solare Imperium ist entstanden. Der unsterbliche Arkonide Atlan taucht auf.
2102 – Entdeckung der Akonen im Blauen System.
2103 – Perry Rhodan erhält von ES seinen Zellaktivator.
2114 – Bündnis mit den Posbi-Robotern nach Kampf um die. Hundertsonnenwelt.
2326 – ES verstreut 25 Zellaktivatoren in der Galaxis.
2327 – Terraner entdecken das Zweite Imperium der Blues.
2328 – Sieg über die Blues und Friedensvertrag zwischen den galaktischen Imperien.
2400 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda und Kampf gegen die Maahks. Perry Rhodan hört erstmals von den geheimnisvollen Herren Andromedas, den Meistern der Insel (MdI).
2401 – Die Invasion der Milchstraße durch die Maahks aus Andro-Alpha (im Auftrag der MdI) wird vereitelt.
2402 – Terranischer Vorstoß in den Andromeda vorgelagerten Betanebel. Anlegung des Stützpunktes Gleam.
2404 – Mit dem neuen Flaggschiff CREST III fliegen Terraner und Verbündete unter Perry Rhodan die Andromedagalaxis an und entdecken die völlig menschenähnlichen Tefroder, das wichtigste Hilfsvolk der MdI. Die CREST wird um rund 50.000 Jahre in die Vergangenheit verschlagen. Zusammentreffen mit den Lemurern (»Erste Menschheit«), den gemeinsamen Vorfahren von Tefrodern, Terranern und der meisten humanoiden galaktischen Völker. Rückkehr in die Realzeit.
2405
Mit der Entdeckung des galaktischen Sonnensechsecks und der Transmitterstraße nach Andromeda im Jahr 2400 gerät ein Stein ins Rollen, der bereits bald darauf Perry Rhodan und das Solare Imperium an den Rand des Untergangs bringt. Während Rhodan mit seinen Getreuen in den Fallensystemen Twin und Horror ums Überleben kämpft, kann ein Großangriff der Maahks auf die Galaxis nur im letzten Moment zurückgeschlagen werden. Es stellt sich heraus, dass sowohl die vor 10.000 Jahren aus der Milchstraße vertriebenen Wasserstoff-Methan-Atmer, als auch andere Gegner im Dienst der geheimnisvollen Beherrscher Andromedas stehen, die sich selbst »Meister der Insel« nennen und mit unvorstellbarer Grausamkeit jeden Ungehorsam bestrafen.
Um die Sicherheit der galaktischen Völker zu gewährleisten und mehr über die Pläne der Meister der Insel (MdI) zu erfahren, unternimmt Perry Rhodan im Jahr 2402 einen Vorstoß nach Andro-Beta – wie Andro-Alpha eine Andromeda vorgelagerte Kleingalaxis. Die MdI vernichten zur Strafe für deren Versagen das dortige Wächtervolk (Twonoser) und zerstören den Andro-Beta-Sonnentransmitter. Dadurch ist ihnen der direkte Zugriff versagt. Perry Rhodan lässt den Planeten Gleam zum terranischen Stützpunkt ausbauen.
Im Jahr 2404 fliegt Rhodan den Andromedanebel mit dem neuen Flaggschiff CREST III direkt an, wo inzwischen heftige Kämpfe zwischen rebellierenden Maahks und Hilfstruppen der MdI toben, deren wichtigste das vollkommen menschenähnliche Volk der Tefroder stellt. Viele tefrodische Raumschiffsbesatzungen bestehen aus den so genannten »Duplos« – nach Atomschablonen ihrer Originale erschaffene Kopien, die bei Versagen durch Hypersignale der MdI getötet werden können.
Die Meister der Insel locken die CREST in die Zeitfalle Vario, die das Riesenschiff (zeitlich) um über 50.000 Jahre in die Vergangenheit und (räumlich) in die Milchstraße zurückversetzt, wo zu dieser Zeit ein galaktischer Krieg zwischen Halutern und Lemurern tobt, deren Niederlage bereits besiegelt ist. Die Überlebenden fliehen vor den Vernichtungskommandos der Haluter durch den Sonnentransmitter nach Andromeda. Schockiert muss Perry Rhodan erkennen, dass die Zentralwelt des lemurischen Reiches die Erde ist, damals noch Lemur genannt. Die Lemurer sind demnach als »Erste Menschheit« die gemeinsamen Vorfahren aller humanoiden Völker der Galaxis, wie auch die Tefroder in Andromeda, die aus den geflüchteten Lemurern hervorgingen.
Nach langer Odyssee gelingt die Rückkehr in die Realzeit. Zum ersten Mal treffen die Terraner dabei auf Meister der Insel – ebenfalls völlig menschenähnliche Wesen mit ungeheuren Machtmitteln und relativer Unsterblichkeit durch Zellaktivatoren. Während in Andromeda die Auseinandersetzungen zwischen Maahks und Tefrodern immer heftiger werden, versuchen die MdI, das Solare Imperium durch gezielte Anschläge von innen heraus zu zerstören. Die Verwunderung ist groß, als bekannt wird, dass es nur sieben MdI gibt – oder vielmehr gab, denn einige von ihnen kamen schon im Laufe von Kampfhandlungen um.
Am zwölften Oktober 2405, vormittags, war Reginald Bull endlich soweit, seinen schon lange gefassten Entschluss in die Tat umzusetzen. Heimlich hatte er seine Vorbereitungen getroffen und östlich des Sternhaufens M 13 eine Flotte gesammelt. Darunter befanden sich auch fast vierzig Flottentender vom Typ DINOSAURIER, mit deren Hilfe Bull eine provisorische Brücke zum Andromedanebel errichten wollte.
Diese Tender glichen riesigen Plattformen von zwei Kilometern Länge mit entsprechenden Aufbauten und Laderäumen. In ihnen konnte man Kalupkonverter für eine ganze Armada lagern.
Bevor Reginald Bull, Rhodans Stellvertreter auf der Erde, seine letzten Anordnungen gab, wollte er zuerst mit Solarmarschall Allan D. Mercant über seine Absichten sprechen. Der Chef der Solaren Abwehr war nach ihm der wichtigste Mann des Imperiums, und er konnte ihn nicht einfach übergehen. Außerdem bat er die zur Erde zurückgekehrten Mutanten, sich in seinem Büro einzufinden.
Mercant stellte keine Fragen, als er die Aufforderung erhielt. Er kannte seinen alten Freund Bully nur zu genau, um nicht zu wissen, dass Fragen in diesem Stadium zwecklos waren. Er nickte nur, schaltete den Telekom ab, stieg aus dem Bett und nahm eine kalte Dusche. Dann zog er sich an, programmierte sich ein Frühstück in der Automatikküche und kletterte eine halbe Stunde später in den Gleiter, der auf dem Dach seines Hauses wartete. Pünktlich erreichte er das Hauptquartier in Terrania und marschierte erwartungsvoll in Reginald Bulls Büro.
Die Mutanten trafen in kleinen Gruppen ein.
Tako Kakuta unterhielt sich mit Betty Toufry und Fellmer Lloyd. Son Okura, Kitai Ishibashi und Tama Yokida gingen vor Mercant her, ohne ihn zu beachten. Sie begrüßten einander erst in Bullys Büro. Der Doppelkopfmutant und Zünder Iwan Goratschin unterhielt sich angeregt mit sich selbst. Bevor jedoch der linke Kopf mit dem rechten zu streiten begann, betrat Reginald Bull den Raum.
Er hatte sich nicht verändert, denn der Zellaktivator hatte seinen Alterungsprozess vor vielen hundert Jahren angehalten. Dünner war er auch nicht geworden, und seine roten Stoppelhaare waren noch immer rote Stoppeln.
»Meine Herren, nehmen Sie bitte Platz«, sagte er in die erwartungsvolle Stille hinein und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. »Sicher sind Sie schon gespannt, warum ich Sie rufen ließ. Ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen. Die GARIBALDI ist noch nicht zurückgekehrt, und ich bin äußerst beunruhigt. Niemand weiß, wie die Lage im Andromedanebel ist. Niemand weiß, ob unsere Schiffe dort noch existieren. Ich habe mich dazu entschlossen, selbst nachzusehen. Wir werden eine gigantische Nachschubexpedition starten und dabei gleichzeitig eine neue Verbindungsstrecke anlegen. Alle dreihunderttausend Lichtjahre werden fünf oder sechs Flottentender stationiert, deren Aufgabe es sein wird, Kalupkonverter zum Austausch bereitzuhalten. Östlich von M 13 ist die Flotte dabei, sich zu sammeln. Alle Vorbereitungen sind schon getroffen worden. Ich habe sie geheim gehalten, um keine unnötige Unruhe zu verbreiten. Darf ich nun um Ihre Meinung bitten?«
Allan D. Mercant sah aus dem Fenster. Das Häusermeer der terranischen Hauptstadt erstreckte sich bis zum fernen Horizont. In den Straßen brandete der Verkehr, Transportbänder brachten die Bevölkerung an ihre Arbeitsplätze, und in der Luft glitten die Flugtaxis zu ihren jeweiligen Bestimmungsorten.
Mercant wandte den Kopf und sah Bully an. Gerade, als er den Mund aufmachen wollte, schrillte der Telekom auf dem Tisch.
Bully machte eine entschuldigende Geste und drückte auf den Knopf.
Der Bildschirm flammte auf, und das Gesicht eines Mannes erschien darauf.
»Hyperfunkstation, Sir. Meldung von Außenstation Pluto. Die GARIBALDI hat Pluto passiert und wird in zwei Stunden auf dem Raumfeld von Terrania landen. Kommandant Taminew bittet um eine sofortige und dringende Unterredung mit Ihnen, Sir.«
Bully starrte auf den Bildschirm. Freude wich seiner ersten Enttäuschung.
»Geben Sie einen Funkspruch an Taminew durch. Ich erwarte ihn. Er soll sich beeilen. Ende.«
Mercant sagte ruhig:
»Wirft wohl einige Pläne über den Haufen.«
Die Telepathin Betty Toufry kicherte verhalten. Bully warf ihr einen warnenden Blick zu. Sein Gesicht verriet nichts, als er erwiderte:
»Mag sein, mag aber auch nicht sein. Kommt ganz darauf an, was Taminew uns für Neuigkeiten bringt. Aber wenn mich mein Gefühl auch diesmal nicht täuscht, haben wir alle durch meine Vorbereitungen eine Menge Zeit gewonnen. Sollte mich wundern, wenn es anders wäre.«
»Warten wir zwei Stunden, dann wissen wir es«, schlug Mercant vor und erhob sich. »Sie erreichen mich in meinem Büro.«
»Ich werde Sie wecken«, versprach Bully und grinste zuversichtlich.
Mercant lächelte zurück und verließ den Raum.
Bully holte tief Luft.
»Vertagen wir uns. In zwei Stunden erwarte ich Sie wieder. Tako, Sie bleiben bitte. Ich habe noch etwas mit Ihnen zu besprechen ...«
Die GARIBALDI war gelandet.
Oberst Taminew überprüfte noch einmal den Sitz seiner Uniform, strich sich über den kahlen Schädel und verließ das Schiff durch die Hauptschleuse.
Ein Flugtaxi brachte den Kommandanten zum Hauptquartier, wo er sofort von einem Offizier in Empfang genommen und in Bullys Büro geführt wurde. Taminew stutzte ein wenig, als er die Versammlung erblickte, die ihn mit gespanntem Gesichtsausdruck erwartete. Bully erhob sich und ging ihm entgegen. Er gab ihm die Hand.
»Willkommen auf der Erde, Oberst Taminew. Ich hoffe, Sie bringen gute Nachrichten.«
»Zum Teil ja, Sir.« Er nahm den angebotenen Sessel und setzte sich. »Ich bin gekommen, um Ihnen den Lagebericht und neue Anordnungen zu überbringen. Darf ich beginnen?«
Bully nickte in Richtung Mercants und der Mutanten.
»Beginnen Sie. Wir warten darauf.«
Taminew übergab Bull sämtliche Unterlagen, die er auf Gleam erhalten hatte, und gab einen knappen Bericht dazu ab. Dann kam er auf die Weltraumbahnhöfe der Maahks zu sprechen und sagte schließlich:
»Rhodan wird zuerst versuchen, Central-Station zu erobern. Danach wird er mit einem Teil seiner Flotte nach Midway vorstoßen, um diese ebenfalls in Besitz zu nehmen. Dies soll um den 14. November herum geschehen. Sie, Mr. Bull, sollen zur gleichen Zeit Lookout erobern.«
Bully sah alles andere als enttäuscht oder unzufrieden aus.
Er lächelte sogar in Richtung Mercant.
»Na, da hat mich mein Gefühl mal wieder nicht betrogen. Als ob ich das alles geahnt hätte! Die GENERAL DERINGHOUSE wartet bereits startbereit auf dem Raumhafen. Wir werden morgen in Richtung M 13 aufbrechen. Alle Mutanten begleiten mich. Ich werde Rhodan auch ein besonderes Geschenk mitbringen, nämlich das Foto seiner beiden Kinder, die am 16. August in seiner Abwesenheit zur Welt gekommen sind.«
Taminew erhob sich.
»Darf ich mich verabschieden, Sir? Aus den Unterlagen ersehen Sie alles, was notwendig sein sollte. Ich muss mich um meine Mannschaft kümmern.«
»Ich danke Ihnen nochmals«, sagte Bully und gab dem bewährten Offizier die Hand. »Wir sehen uns später noch.«
Oberst Taminew verließ den lichten Raum.
Bully war stehengeblieben.
»Also dann morgen ... Sie wissen ja, was Sie zu tun haben. Ich erwarte Sie an Bord der DERINGHOUSE. Wir starten pünktlich um zwölf Uhr mittags.«
Am Rande der Milchstraße, dort wo der Kugelsternhaufen M 13 das ehemalige Zentrum arkonidischer Macht darstellte, sammelte sich ein Teil der terranischen Flotte zum Aufbruch nach Andromeda.
Bully hatte vier neue Ultraschlachtschiffe und zwölf Superschlachtschiffe der Imperiumsklasse aufgeboten, die alle eine Reichweite von mehr als einer Million Lichtjahre hatten. Die weiteren Einheiten der STARDUST-Klasse und die normalen Schlachtkreuzer konnten bis zu neunhunderttausend Lichtjahre zurücklegen, ohne auf den Konverternachschub angewiesen zu sein. Da Lookout nur vierhunderttausend Lichtjahre entfernt war, blieb eine genügend große Aktionsreserve.
Der wichtigste Bestandteil der gewaltigen Flotte waren die Tender vom Typ DINOSAURIER mit den eingelagerten Zusatztriebwerken. Auch jetzt wollte Bully nicht auf sie verzichten.
In der Kommandozentrale der DERINGHOUSE überzeugte sich Rhodans Stellvertreter davon, dass die Flotte abmarschbereit war. Er gab dem Kommandanten letzte Anweisungen und setzte den Zeitpunkt des Starts fest. Durch Funk sollten die anderen Schiffe unterrichtet werden.
Außerdem hatte Bully vor, einen Spähtrupp vorzuschicken, um die Lage zu sondieren. Auf keinen Fall wollte er von den Tefrodern überrascht werden, die sich aller Voraussicht nach auf Lookout befanden.
Im Gegenteil. Die Tefroder sollten von ihm überrascht werden.
Am dreizehnten November erreichte Reginald Bulls Flotte einen Punkt im Leerraum, der knapp vierhunderttausend Lichtjahre vom Rand der Milchstraße entfernt war und genau auf der Verbindungslinie zwischen den beiden Galaxien lag. Alle nicht benötigten Energieaggregate wurden abgeschaltet, um die Ortungsgefahr zu minimieren.
Die Station Lookout schwebte fünf Lichtjahre entfernt im Nichts.
Es wurde Zeit für den ersten Spähtrupp. Morgen bereits sollte der Angriff erfolgen. Die Zeit wurde knapp.
Sehr knapp sogar.
Bully ließ den Teleporter Tako Kakuta und den Telekineten Tama Yokida zu sich kommen, um mit ihnen den Einsatz zu besprechen.
»Wir wissen nichts über die Station«, begann Bully, nachdem die beiden Männer Platz genommen hatten. »Oder doch nur sehr wenig. Die Unterlagen der Maahks sind ungenau und genau zugleich. Wir kennen nur die Position und vermuten, dass sie über starke Abwehrwaffen verfügt. Es wird nicht leicht sein, etwas über sie herauszufinden. Noch schwerer wird es aber sein, sie zu erobern. Vernichtet werden soll sie nur dann, wenn keine andere Möglichkeit besteht. Ich möchte, dass Sie einen Vorstoß in Richtung Lookout unternehmen und mir möglichst viele Einzelheiten mitbringen. Riskieren Sie nicht zuviel, aber seien Sie auch nicht zimperlich. Ich stelle Ihnen einen Raumjäger mit Piloten zur Verfügung. Kennen Sie Captain Rofipro?«
Tako schüttelte den Kopf.
»Nie gehört. Und es ist ein Name, den man nicht so schnell vergessen würde.«
»Sie werden ihn kennenlernen. Ein fähiger Offizier und Pilot. Sie können sich auf ihn verlassen.«
»Wann starten wir?«
»Sofort.« Bully erhob sich. »Wir werden hier warten und ständig mit Hyperfunk auf Empfang bleiben. Senden Sie ohne Bedenken einen Notruf, wenn Sie angegriffen werden oder etwas schief geht.«
»Hoffentlich nicht«, murmelte Tama, als er aufstand.
Zehn Minuten später trafen die Mutanten und Captain Rofipro im Hangar ein. Der Jäger stand bereit zum Abschuss. Der kleine Flugkörper fasste zur Not drei Mann und besaß einen Linearantrieb. Der Aktionsradius war erstaunlich groß.
»Captain Rofipro?«
Der Offizier, ein drahtiger junger Mann, gab den Mutanten die Hand.
»Schon viel von Ihnen gehört. Freut mich, Sie kennenzulernen.«
Tako und Tama gaben den kräftigen Händedruck zurück.
»Kann's losgehen?«
Rofipro nickte. Die drei Männer kletterten in die enge Kabine. Der Hangar war menschenleer, obwohl noch eine Luftschleuse ihn von der Außenluke trennte. Dann glitt der Jäger durch die Schleuse in den Startraum. Die Luft wurde abgesaugt, und die Außenluke öffnete sich.
Trotz der Antigravpolster spürten Tako und Tama den Ruck, als sich das kleine Schiff aus der Verankerung löste. Es schoss hinaus in den fast schwarzen Raum und beschleunigte mit phantastischen Werten. Die DERINGHOUSE, riesig wie ein Planet, schrumpfte erstaunlich schnell zusammen, wurde zu einer winzigen Kugel – und war dann plötzlich verschwunden.
»Noch zwanzig Sekunden, und dann Linearflug«, sagte Captain Rofipro ruhig. »Für zwei Minuten und zehn Sekunden. Wenn wir in den Normalraum zurückkehren, muss die Station zwei Millionen Kilometer vor uns liegen. Dann schleichen wir uns im Schutz unseres Antiortungssystems langsam näher.«
»Schleichen ist gut«, murmelte Tako und sah durch die Plastikkuppel. Von Geschwindigkeit war nichts zu bemerken, da es keine Bezugspunkte gab.
»Halbe Lichtgeschwindigkeit, was?«
»Wäre zu schnell.«
Tama beugte sich vor und tippte Rofipro auf die Schulter.
»Verzeihen Sie meine Frage, aber ich bin neugierig. Wie kommen Sie an den merkwürdigen Namen? Aus welcher Nation stammen Ihre Vorfahren?«
Der Pilot lächelte und drehte sich zu Tama um.
»Ihre Frage ist berechtigt, und ich bin Ihnen nicht böse. Eigentlich stamme ich aus Nordamerika. Meine Vorfahren auch. Aber irgend so ein Beamter auf der Behörde konnte nicht richtig schreiben. Und da kam dann der Fehler zustande. Später wurde er nicht mehr korrigiert.«
»Muss aber ein einfältiger Mann gewesen sein. Wie hießen Sie oder Ihre Vorfahren denn ursprünglich?«
Der Captain grinste breit.
»Roprofi«, sagte er sarkastisch.
Tako brach in schallendes Gelächter aus, und genau in diesem Augenblick ging der Jäger in den Linearraum. Der Unterschied war nicht groß, nur die beiden Galaxien, milchige Flecke im Schwarz des Raumes, verschwanden.
Für zwei Minuten und zehn Sekunden.
Tama sagte:
»Kein Wunder, wenn der Beamte sich vertan hat. Wir haben in Japan auch Namen, die einem Europäer oder Amerikaner merkwürdig vorkommen müssen. Sind eben so Eigenarten. Dauert noch Jahrhunderte, bis sich die Unterschiede ganz verwischen.«
Captain Rofipro starrte auf seine Kontrollen. Die automatische Robotsteuerung klickte, und dann fiel der Jäger in das Einsteinuniversum zurück.
Und diesmal war etwas zu sehen.
Etwas rechts in Flugrichtung stand ein heller Fleck, aber es war keine Sonne. Es war auch kein Planet, der von einer Sonne angestrahlt wurde.
Es war der von Maahks erbaute Weltraumbahnhof Lookout.
Auf dem Hauptschirm waren Einzelheiten zu erkennen.
Der Captain drosselte die Geschwindigkeit, bis der Jäger nur noch mit wenigen Kilometern in der Sekunde flog. So war es möglich, die Station in aller Ruhe zu studieren.
Sie bestand aus drei riesigen Scheiben, deren Durchmesser zwischen dreißig und vierzig Kilometer betrug. Sie mochten knapp zehn Kilometer dick sein und waren an den Schmalseiten verbunden. Oberflächenbauten waren nur sehr wenige zu erkennen. Der größte Teil der sicherlich vorhandenen Anlagen lag also unter der Oberfläche. Das Dreieck im Zentrum der Scheiben wurde von einer Art Brücke überspannt, die wohl Verbindungszwecken diente.
Aus den gigantischen Landeplattformen ragten Ortungsantennen und Funktürme hervor. Die Plattformen selbst waren in quadratische Landeflächen unterteilt.
Das ganze Gebilde mit mehr als hundert Kilometern Durchmesser war hell erleuchtet. Überall an den Rändern mussten riesige Scheinwerfer angebracht sein, die ungeheure Energien verschlangen.
»Das sieht ja nicht gerade verlockend aus«, stellte Tako endlich fest, nachdem er sich alle Einzelheiten eingeprägt hatte. »Ich weiß nicht, ob ich da einfach hinspringen soll.«
»Unser Auftrag lautet, Abwehrmöglichkeiten der Station festzustellen. Dazu gehören auch Parafallen und Psi-Schirme.« Tama sah ebenfalls nicht besonders erfreut aus. »Da bleibt nichts anderes übrig, als mal nachzusehen.«
»Wie weit können Sie teleportieren?«, fragte Captain Rofipro.
»Gehen Sie bis auf hunderttausend heran«, empfahl Tako. »Ich werde allein springen. Wir vereinbaren eine Frist. Bin ich bis zu ihrem Ablauf nicht zurück, fliegen Sie zur DERINGHOUSE zurück.«
»Unmöglich«, protestierte der Captain. »Ich habe den Auftrag, Sie beide wohlbehalten und mit den Informationen zurückzubringen.«
»Da können Sie unter Umständen warten, bis Sie schwarz werden«, prophezeite Tako düster, ohne den Eindruck eines Pessimisten zu erwecken. »Sagen wir: eine Stunde.«
»Einverstanden«, sagte der Captain. »Ich werde hier warten. Aber länger als eine Stunde. Kommen Sie bloß zurück, sonst haben wir Ärger.«
Tako richtete sich auf und peilte die Station mit freiem Auge an.
Dann, eine Sekunde später, war er verschwunden.
Montra Matite betrat seine Kommandozentrale und stellte mit Befriedigung fest, dass alle Kontrolltafeln normalen Betrieb anzeigten. Die Orterschirme waren leer, und die Zeiger der Taster standen auf Null.
Montra Matite war ein echter Tefroder, kein Duplo. Er vertrat auf der wichtigen Station die Stelle eines Meisters und übte alle dessen Funktionen und Befugnisse aus. Er war der Kommandant der Station Lookout.
Er legte den weiten Umhang ab und setzte sich in den Kontrollsessel. Wie immer war er froh, dass er allein war. Es war anstrengend, immer ein Gesicht zu tragen, das nicht dem innersten Wesen und Verlangen entsprach. Matite war ein Schauspieler, und er spielte seiner Umwelt und vor allen Dingen den Meistern jene Rolle vor, die man von ihm erwartete. Er galt als Held und vorbildlicher Flottenführer; man hielt ihn für einen zuverlässigen Offizier und vertraute ihm vollkommen.
Matite aber war in Wirklichkeit labil von Charakter und ein Feigling.
Matite war der einzige echte Tefroder auf Lookout. Alle anderen Stationsmitglieder waren Duplos, in deren Gehirnen die Reizempfänger darauf warteten, aktiviert zu werden. Sie konnten ihre Träger zu angriffslustigen Bestien machen – oder sie zerstören.
Zweiundsechzig Kampfschiffe – das war Matites gesamte Streitmacht außerhalb der Station. Das war nicht viel, wenn man die eigene Abwehrkraft von Lookout vergaß. Vergaß man sie nicht, waren die Kampfschiffe so gut wie überflüssig.
Gestern noch waren Frachtschiffe eingetroffen, die neue Vorräte und Ausrüstungsgegenstände brachten. Matite hatte einige Offiziere zu sich gebeten und sie ausgefragt. Sie berichteten nichts wesentlich Neues.
Die Lage in Andromeda habe sich nach der Vernichtung des zentralen Sonnentransmitters beruhigt, sagten sie aus. Die Terraner hätten sich wahrscheinlich zurückgezogen und ihre Absicht, den Andromedanebel zu erobern, aufgegeben.
So beruhigend diese Nachrichten auch waren, Matite konnte sich eines gewissen Misstrauens nicht erwehren. Er war misstrauisch gegen alle und gegen jeden. Und er hatte auch allen Grund dazu. Überhaupt war er eine zwiespältige Natur. Auf der einen Seite hasste er die Terraner, die sein ruhiges und gefahrloses Leben bedrohten. Auf der anderen Seite hatte er keinen sehnlicheren Wunsch, als ihnen einmal zu begegnen. Dieser Wunsch jedoch war mit Furcht verbunden, mit unbeschreiblicher, schrecklicher Furcht.
Er bewunderte die unbekannten Meister, befolgte alle ihre Befehle und war ihnen scheinbar bis in den Tod ergeben. Und gleichzeitig hasste er sie wie die Pest.
Alle diese Dinge musste er tief in seinem Herzen verborgen halten, denn selbst ein Duplo würde ihn beim geringsten Verdacht der Untreue sofort töten.
Und Matite wollte nicht sterben. Am liebsten würde er niemals sterben.
Doch nur die Meister der Insel waren unsterblich.
Matite drückte einen Knopf ein. Das Gesicht eines anderen Tefroders erschien auf dem Bildschirm des Interkoms. Es war Hondro Duffke, Matites Ratgeber, Vertrauter und heimlicher Überwacher. Matite wusste das, und er hasste den Verräter, ohne es sich jemals anmerken lassen zu dürfen. Es war eine Schande, von einem Duplo überwacht zu werden.
»Sie wünschen, Kommandant?«
Hatte die Stimme nicht zu unterwürfig geklungen, vielleicht mit heimlicher Genugtuung vermischt?
Oder war das nur Einbildung?
»Ich warte noch immer auf die Vollzugsmeldung, Duffke. Sind alle Güter ordnungsgemäß verstaut worden? Was ist mit den Ersatztriebwerken? Einige unserer Kampfschiffe benötigen eine Überholung und Austausch der Konverter. Haben Sie das in die Wege geleitet?«
Duffkes Gesicht wurde abweisend.
»Ich kenne meine Pflichten«, erwiderte er kalt, und die Betonung schien auf dem Wörtchen ›Ich‹ zu liegen. Aber das konnte auch Einbildung sein.
Matite war eben übervorsichtig und ängstlich. »Die Vollzugsmeldung dürfte jeden Augenblick erfolgen. Haben Sie sonst noch Fragen, Kommandant?«
Matite zögerte.
»Die Routineüberwachungsflüge sollen verstärkt werden. Veranlassen Sie, dass fünf Schiffe mehr ausgeschickt werden. Außerdem bereiten Sie einen Kurier zur Zentralstation vor. Die Nachrichten von dort sind längst überfällig.«
Das Gesicht des Duplos blieb abweisend.
»Das würde den Befehlen der Meister widersprechen. Sollte ein Kurier notwendig sein, wären entsprechende Anordnungen erfolgt. Ich gebe Ihnen also den Rat, den Kurier zu vergessen.«
Matite wollte aufbegehren, aber dann beherrschte er sich. Er sagte lediglich:
»Wir haben lange keine Verbindung mit den Meistern mehr gehabt. Vielleicht ist etwas geschehen, das wir noch nicht wissen?«
»Unsinn!« Das Wort kam wie aus der Pistole geschossen, und Matite zuckte zusammen. »Was sollte geschehen sein?«
»Auch von Midway fehlen jede Nachrichten.«
Duffke war wieder ganz ruhig geworden.
»Warten wir noch ab. Sie wissen so gut wie ich, dass die Meister keine Eigenmächtigkeiten dulden. Und ein Kurier wäre ein solche Eigenmächtigkeit.«
Matite beugte sich vor und sah den Duplo an.
»Wollen Sie mir eigentlich drohen?«
Zum ersten Mal verriet Hondro Duffke Unsicherheit.
»Wovon sprechen Sie?«
Matite war in einer Stimmung, die ihn jede Überlegung vergessen ließ.
»Meinen Sie, ich wüsste nicht genau, dass Sie von den Meistern zu meiner Überwachung abgestellt wurden? Sie sind ein Spitzel der Unsterblichen, ein ganz niederträchtiger, gemeiner Spitzel. Ich warne Sie, Duffke. Sie sind aufsässig, also steht mir das Recht zu, Sie zu vernichten.«
Hondro Duffke gab den Blick kalt zurück.
»Wenn Sie mich töten, wird etwas geschehen, mit dem Sie nicht rechnen können. Automatisch wird dann ein Hyperfunkspruch ausgelöst. Das Gerät ist in meinem Körper eingebaut. Die Meister sind dann augenblicklich unterrichtet, und Sie können sich vorstellen, was dann geschieht.«
Matite blieb ganz ruhig, obwohl es in ihm tobte. Wut und Furcht kämpften um die Oberhand, aber schließlich siegte die Vernunft.
»Gut, wir wissen nun beide Bescheid. Richten wir uns danach. Ich werde Sie nicht töten, und Sie werden mir keine Vorschriften mehr machen. Ich werde bei der nächsten Verbindung mit den Meistern durchblicken lassen, dass ich nicht viel von einem Spitzel halte. Vielleicht wird man Sie versetzen oder vernichten, weil Sie so ungeschickt waren, Ihre eigentliche Funktion zu verraten.«
Duffke zuckte zusammen, und dann wurde der Schirm dunkel.
Matite hatte genau den richtigen Ton getroffen, um den Duplo zu verwirren und vorerst kaltzustellen.
Er atmete auf und lehnte sich zurück. Sein schon lange bestehender Verdacht hatte sich nun endgültig bestätigt. Die Meister trauten ihm nicht. Oder trauten sie niemandem und hatten überall ihre Spitzel?
Nach fünf Minuten angestrengten Nachdenkens beugte er sich vor und drückte einen anderen Knopf der Interkomanlage ein.
Er gab den Befehl, ein Kurierschiff startbereit zu machen.
Flugziel war der Bahnhof Midway.
Tako Kakuta rematerialisierte einige tausend Kilometer vor Lookout mitten im Raum. Er trug seinen Kampfanzug mit einem Luftvorrat für fast drei Tage. Außerdem konnte die Antigravanlage ihn jederzeit schwerelos und der Deflektor ihn unsichtbar machen. Seine Bewaffnung bestand aus einem Strahler und kleinen Wurfbomben. Ein Individualenergieschirm schützte ihn vor Angriffen.
Die Station erschien riesengroß und schwebte als unförmiges Gebilde im Raum. Tako war viel zu klein, um geortet werden zu können. Höchstens ein in der Nähe vorbeifliegendes Schiff bekäme ihn auf die Orterschirme, aber auch das würde nur durch einen unwahrscheinlichen Zufall geschehen können.
Fast zehn Minuten schwebte Tako im Raum und ließ sich langsam auf die Station zu treiben. Er wagte keinen weiteren Teleportersprung, um nicht in einen Antipsi-Schirm zu geraten. Eine derartige Parafalle würde ihn mit solcher Gewalt zurückschleudern, dass er mit Sicherheit die Besinnung verlor und vielleicht sogar getötet wurde.
Er erhöhte seine Treibgeschwindigkeit und steuerte einen Teil der rechten Scheibe an, die etwas im Dunkel lag. Dann schaltete er seinen Deflektor ein. Nun fühlte er sich ziemlich sicher vor einer Entdeckung.
Die Station kam näher und wurde immer größer. Die Seitenaufbauten wurden so deutlich, dass Tako jede Einzelheit erkennen konnte. Zwei Kugelraumer starteten von einer der Plattformen und flogen in entgegengesetzter Richtung davon – wahrscheinlich einer der routinemäßigen Überwachungsflüge.
Allmählich bremste Tako die Fallgeschwindigkeit, denn die Anziehungskraft der Station machte sich bemerkbar und beschleunigte ihn. Nach weiteren zehn Minuten landete er sanft auf der rechten Scheibe.
Im ersten Augenblick fühlte er sich auf einen Planeten versetzt, so gewaltig waren die Ausmaße des künstlichen Gebildes, das vierhunderttausend Lichtjahre vor der Milchstraße im Nichts schwebte. In der Nähe stand ein Tausend-Meter-Kugelraumer. Er wirkte wie ein riesiges Hochhaus auf einer absolut fugenlosen und glatten Metallebene – und genau das war die Ebene auch. Sie bestand aus massivem Metall.
Tako widerstand der Versuchung, einfach blind in das Innere der Station zu teleportieren. Die Gefahr einer Entdeckung war zu groß, und die Tefroder durften nicht gewarnt werden. Außerdem beschäftigte ihn ein ganz anderes Problem:
Die Station war nicht durch Parasperren abgesichert!
Warum nicht?
Fühlten sich die Meister so sicher, dass sie Parasperren für unnötig hielten? Dann würden sie aber bald eine unangenehme Überraschung erleben.
Eigentlich, dachte Tako, ist meine Mission beendet. Außerdem war die vereinbarte Zeit bald um.
Ehe ihn jemand entdeckte, teleportierte er wieder in den Raum hinaus und orientierte sich. Der wartende Jäger war hunderttausend Kilometer entfernt. Die Richtung war nur zu ahnen, niemals sicher zu bestimmen. Trotzdem wagte es Tako.
Als er wieder rematerialisierte, schwebte er im Nichts. Die Station war nur noch ein heller Stern, sonst war außer den beiden Galaxien nichts zu sehen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als über Hyperfunk ein kurzes Peilsignal abzugeben.
Dann, Minuten später, sah er den Raumjäger heranrasen.
Als Mercant den Bericht Takos gehört hatte, warf er innerhalb von Sekunden seinen Angriffsplan über den Haufen.
»Es hat wenig Sinn, wenn wir mit den Schiffen angreifen. Entscheidend dürfte sein, dass die Station keinen Psi-Schirm hat. Damit kann Plan II zur Ausführung gelangen. Wir werden Tako und Tama vorschicken, die mit Spezialbomben die Besatzung ausschalten. Mit den sicherlich vorhandenen Kampfrobotern werden wir dann leichter fertig. Sobald Tako uns das vereinbarte Zeichen gibt, werden wir mit der Flotte folgen.«
»Jedenfalls scheinen die Tefroder nicht mit einem Überfall zu rechnen, sonst sähe es anders aus«, bemerkte Bully.
»Das kann eine Täuschung sein«, gab Mercant zu bedenken. »Aber ich glaube es nicht. Die Tatsache, dass auf Lookout keine Parafallen aktiviert sind, kann nur bedeuten, dass die Besatzung – aus welchen Gründen auch immer – noch keine Informationen darüber besitzt, was sich inzwischen bei Central-Station ereignet haben muss. Wenn der Terminplan eingehalten wurde, müsste Rhodan inzwischen diesen Bahnhof längst erobert haben. Die Tefroder rechnen, aufgrund fehlender Information, also nicht damit, dass wir Lookout angreifen könnten. Ich denke daher, dass wir sie überraschen können.«
Natürlich konnte Mercant nicht wissen, was sich bei Central-Station tatsächlich zugetragen hatte, und dass dieser Weltraumbahnhof nicht mehr existierte.
»Ich bringe Tama und Tako in die Nähe der Station«, erbot sich Bully. »Mercant, Sie warten. Ich kehre zu Ihnen zurück, sobald die beiden Mutanten abgesetzt wurden. Wenn dann das Hypersignal eintrifft, greifen wir an. Mit allen Schiffen!«
Mercant nickte.
»Dann wäre ja wohl alles klar. Wann?«
Sofort, hätte Bully am liebsten gesagt. Aber er sagte nur:
»In zwei Stunden.«
Die Vorbereitungen liefen an. Noch immer gab es keine Anzeichen dafür, dass die Tefroder die in fünf Lichtjahren wartende terranische Flotte geortet hatten.
Dann war es soweit.
Im Hangar der DERINGHOUSE stand der Jäger bereit. Bully saß am Steuer, hinter sich die beiden Mutanten mit ihrer Spezialausrüstung.
Der Jäger wurde ausgeschleust.
Als Bully die DERINGHOUSE kleiner werden sah, spürte er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder das Gefühl absoluter Ungebundenheit und Freiheit. Seine Pflichten ließen es nicht zu, dass er mehr als unbedingt notwendig im Weltraum und von der Erde fort war. Und wenn schon im Raum, war sein Aufenthaltsraum meistens die Zentrale eines großen Ultraschlachtschiffes. Für die Einzelunternehmungen gab es genügend fähige Offiziere.
Diesmal aber war alles ganz anders.
»Sie müssen die Belüftungsanlage finden«, sagte er, indem er sich zu den beiden Mutanten umdrehte. »Am besten den Verteiler. Hinein mit den Bomben, ehe die Tefroder Verdacht schöpfen, das ist eine Methode, die wir schon oft anwandten, und sie hat fast immer zum Erfolg geführt.«
»Ist auch die einfachste Methode«, meinte Tako und klopfte auf den Beutel mit Gasbomben, den er am Gürtel seines Kampfanzuges trug. »Wenn ich das Signal abstrahle, werden Sie dann mit der ganzen Flotte angreifen?«
Bully schüttelte den Kopf.
»Damit würden wir unsere Schiffe in Gefahr bringen. Mercant hat sich da etwas anderes ausgedacht. Er wird das Transmitterschiff herschicken.«
»Die kleine Korvette?«
Korvetten waren Kugelraumer mit einem Durchmesser von nur sechzig Metern.
»Sie ist groß genug, einen Transmitter aufzunehmen. Wenn das Schiff erst hier gelandet ist, kann der Empfänger die Spezialtruppen ausspucken. Die tefrodischen Schlachtschiffe werden sich hüten, dann noch ihre eigene Station anzugreifen. So wenigstens hoffen wir.«
»Ich auch«, sagte Tako und seufzte. Nachdem der Jäger den Linearraum verlassen hatte, kam die Station schnell näher. Als Bully noch hunderttausend Kilometer entfernt war, nickte er den Mutanten zu.
»Viel Glück. Wir warten auf das Signal.«
Tako nahm Tamas Hand, um den Körperkontakt zur Teleportation herzustellen.
»Glück muss dabei sein«, sagte er.
Und dann war Bully plötzlich allein in der Kabine.
Er wendete und raste mit höchster Beschleunigung davon, um Minuten später in den Linearraum einzutauchen.
Tako hatte den Sprung so berechnet, dass er irgendwo im Innern der Station rematerialisierte. Es war ein blinder Sprung. Aber im Schutz der Deflektoren konnten die Mutanten sich einigermaßen sicher fühlen.
Der Raum, in dem sie auftauchten, war weit und niedrig. Eine Halle mit Maschinen und Ersatzteilen. Kisten standen überall herum, und alles sah sehr unordentlich aus. Immerhin boten sich genügend Verstecke an, falls das notwendig sein sollte.
Kein Tefroder war zu sehen. Tako schaltete die Mikrophone ein, die jedes Geräusch außerhalb des abgeschlossenen Anzugs aufnahmen. Ein leises, gleichmäßiges Summen war zu hören. Es kam von der Decke. Der Boden vibrierte.
»Wie wollen wir die Verteileranlage finden?«, fragte Tama über den auf geringste Reichweite gestellten Helmsender.
»Sie muss genau im Zentrum der drei Scheiben liegen. Dort suchen wir zuerst.«
Es war nicht schwer, in der richtigen Richtung vorzudringen. Tako verzichtete darauf, einfach ins Zentrum zu springen. Nach einigen vorsichtigen Teleportationen, die sie immer näher an den Mittelpunkt brachten, begegneten ihnen immer öfter Tefroder. Sie wichen ihnen aus, um nicht frühzeitig entdeckt zu werden.
Zwei Kilometer vom inneren Rand der Scheibe entfernt, legten sie eine Ruhepause ein. Es war ein dunkler, unbenutzter Raum.
»Mir ist, als würde die Luft hier frischer«, sagte Tama, der für Sekunden den Helm geöffnet hatte. »Wir nähern uns der Luftversorgung.«
»Der Verteiler kann nicht mehr weit sein«, meinte Tako und hantierte an dem Bombenbeutel. »Wenn wir das ganze Zeug hineinwerfen, muss der Außenrand der Station eine halbe Stunde später verseucht sein. Solange benötigt meiner Schätzung nach der Luftstrom. Hoffentlich wird nicht vorher Alarm gegeben. Sonst war alles umsonst.«
»Sie werden keine Zeit dazu haben. Die Aras sollen einen ganz besonderen Stoff hergestellt haben. Wirkt blitzschnell und hält lange an.«
Tako wollte antworten, aber noch ehe er Luft holen konnte, flammte das Licht in dem Raum auf. Eine Tür öffnete sich, und ein Roboter kam herein. Er ortete die beiden Eindringlinge nicht sofort. Er schien eine bestimmte Aufgabe erhalten zu haben und führte sie nun stur aus.
Tama wagte nicht zu atmen. Er konzentrierte sich auf die Maschine. Jetzt war der Augenblick gekommen, in dem er seine telekinetischen Fähigkeiten einsetzen konnte. Vorsichtig tastete er den Roboter ab, und er fand sofort die entsprechenden Schaltungen in seinem Innern. Aber noch wartete er.
Der Roboter durchquerte den Raum, wobei er Tako fast mit dem Fuß streifte. Er ging zu einem metallenen Schrank und öffnete die Tür durch ein elektronisches Signal. Dann ließ er die Hände plötzlich sinken und drehte sich um. Seine starren Augen sahen genau in die von Tako.
Da handelte Tama.
Er desaktivierte den Roboter mit einem einzigen Impuls.
Das Leuchten in den Linsenaugen erlosch sofort, und der Roboter machte keine weitere Bewegung mehr. Er blieb einfach stehen, positronisch tot und unschädlich.
Tako atmete auf.
»Ausgezeichnet«, lobte er. »Ist das immer so einfach?«
»Nicht immer, leider. Aber ich kenne ja die Schaltungen der Tefroder zur Genüge. Zu dumm, dass die Duplos keine solchen Abstellvorrichtungen haben.«
Tako grinste breit, sagte aber nichts. Er deutete hoch zur Decke, wo das Gitter der Luftversorgung war. Tama verstand und erhob sich.
»Also weiter.«
Nach vier Sprüngen standen sie in der Luftversorgungsanlage.
Sie wurde von Robotern überwacht. Einzelne Duplos wiederum überwachten die Roboter. Wenn es Kameras gab, so waren diese nicht auf den ersten Blick zu entdecken.
Tako und Tama duckten sich hinter einen Vorsprung der großen Kontrolltafel, die mitten im Raum stand. Von hier aus hatten sie eine gute Übersicht.
Tako studierte die Anlage. Sie unterschied sich ein wenig von denen der Terraner, aber das Prinzip war das gleiche. Man musste die gezündeten Bomben nur in den Zentralschacht werfen. Von dort gelangten sie dann in den Verteiler, wo das Gas in alle Zufuhrkanäle gedrückt wurde. Der Luftstrom würde es mit sich nehmen und in der ganzen Station verteilen.
Aber die Sache hatte einen Haken: Zuerst mussten Tefroder und Roboter in der Luftversorgungsanlage so ausgeschaltet werden, dass niemand in der Station Verdacht schöpfte.
Tako duckte sich tiefer. Er hatte den Helm geöffnet und flüsterte:
»Wie stellen wir es an, Tama?«
Auch der Telekinet verzichtete auf Funkverkehr.
»Ich nehme mir die Roboter von hier aus vor. Sobald sie desaktiviert sind, werden sich die Tefroder um sie kümmern. Sie können natürlich nicht ahnen, warum die Panne eintritt. Während sie mit den Robotern beschäftigt sind, betäuben wir sie durch eine Bombe. Der Rest ist dann leicht.«
»Kinderleicht«, wisperte Tako und verbiss sich ein Grinsen.
Tama konzentrierte sich auf die Roboter und stellte bald einen nach dem anderen kalt. Sie blieben in ihrer ursprünglichen Tätigkeit wie erstarrt stehen und rührten sich nicht mehr.
Zuerst merkten die Tefroder nichts, aber dann fiel ihnen die plötzliche Bewegungslosigkeit ihrer Hilfskräfte doch auf. Sie verständigten sich durch Zurufe und versammelten sich in der Mitte der Anlage, um zu beraten. Tako nahm eine der Spezialbomben aus dem Beutel und schärfte sie. Längst hatten Tama und er die Helme wieder geschlossen, um nicht selbst von dem Gas betäubt zu werden.
Tako warf die Bombe mitten unter die Tefroder-Duplos.
Das Wurfgeschoss detonierte mit einem leisen Zischen, und Sekunden später sanken die völlig überraschten Duplos auf den Boden. Ein Tefroder, der fast dreißig Meter entfernt auf einem Podest stand, wollte noch eine Bewegung machen, aber da erreichte auch ihn das Gas. Es musste sich mit unvorstellbarer Geschwindigkeit verbreiten und vom natürlichen Luftzug unabhängig sein.
»Das wäre es«, sagte Tako und richtete sich auf. Tama folgte ihm. Sie entsicherten ihre Bomben und warfen sie dann in den Ansaugstollen, dessen Kontrollklappe sie vorher öffneten. Die Bomben wurden von dem vorbeirasenden Luftstrom ergriffen und mitgeführt.
»Und wohin jetzt?«, fragte Tama.
»Wir teleportieren nach draußen. Hier haben wir nichts mehr zu suchen.«
Tako nahm Tamas Hand. Sekunden später standen sie auf einer der gigantischen Plattformen und strahlten das Hyperfunksignal ab.
Montra Matite schreckte aus seinem Halbschlaf hoch. Auf dem Bildschirm erkannte er Duffkes verhasstes Gesicht. Es drückte Erschrecken und Ratlosigkeit aus.
»Was ist denn?«
»Kommandant, die Duplos sind ausgefallen. Es muss ein Fehler in der Luftversorgung sein, die Außenbezirke sind noch nicht betroffen. Lassen Sie das sofort überprüfen! Überzeugen Sie sich selbst.«
Matite unterdrückte seine verständliche Abneigung gegen den Spion.
»Erklären Sie mehr!«
Duffke erklärte es. Er benötigte dazu fast drei Minuten.
Das waren ein paar Sekunden zuviel.
Matite sah, wie Hondro Duffke plötzlich ohne einen Laut in sich zusammenzuckte und hart mit dem Kopf auf der Tischplatte aufschlug. Er schloss dabei die Augen – und wirkte so, als sei er eingeschlafen.
Für Sekunden war Matite ratlos, dann sprang er auf und schaltete die Luftversorgung der Zentrale ab. Er wusste plötzlich, was geschehen war. Er wusste auch, dass die Giftgase zu ihm unterwegs waren, wenn er ihnen nicht den Weg blockierte.
Die Zentrale besaß einen eigenen Luftvorrat für viele Tage.
Er atmete erleichtert auf. Immerhin hatte er nun dem Verräter Duffke einiges zu verdanken. Nicht viel, aber einiges. Vielleicht würde er es ihm eines Tages anrechnen und ihn am Leben lassen.
Die Bildanlage bestätigte Matites Verdacht. Nur in den Außenbezirken an den Rändern der Station waren die Duplos noch aktionsfähig.
Matite gab Alarm und befahl das Anlegen der Schutzanzüge, die von der Luftversorgung unabhängig waren. Seiner Meinung nach mussten die Saboteure noch in der Station sein, denn sie hatten bestimmt keine Zeit gehabt, so schnell wieder zu verschwinden. Die Roboter erhielten den Kampfbefehl.
Nachdem alles geschehen war, lehnte sich Matite beruhigt zurück. Aber er war nur für eine knappe Minute beruhigt, dann überwältigten ihn die Sorgen. Und vor allen Dingen sprang ihn die Furcht an wie ein wildes Tier. Der Gegner war unsichtbar, und er hielt sich irgendwo in der Station verborgen. Er fand vielleicht die Zentrale und drang in sie ein.
Matite sprang auf und versiegelte das positronische Schloss an der Tür. Von außen war die Tür nun nicht mehr zu öffnen, nicht einmal mit Gewalt. Niemand konnte jetzt noch zu ihm vordringen.
Niemand – außer einem Teleporter.
Als ein Kreuzer der Tefroder die Flotte Bullys entdeckte, warf Mercant erneut den Schlachtplan um. Er veränderte ihn in Sekundenschnelle und befahl den sofortigen Angriff auf die Verteidigungsflotte der Station. Alles andere blieb so, wie es vereinbart war.
Während das Transmitterschiff Kurs auf die Station nahm, wurde der Kreuzer der Tefroder vernichtet. Der Kommandant, ein Duplo, hatte aber noch genügend Zeit gefunden, die anderen Schiffe zu warnen. Der Zusammenstoß wurde unvermeidlich, und bald entbrannte eine heftige Schlacht, bei der Bully drei kleine Einheiten verlor. Die gesamte Flotte der Tefroder wurde vernichtet.
Das Transmitterschiff wurde nicht aufgehalten. Bully selbst war an Bord und leitete das Landemanöver. Er zögerte auch nicht, Funkverbindung zu den beiden Mutanten aufzunehmen.
»Die Abwehrpositronik, Tako! Sie muss von Tama lahmgelegt werden. Die Flotte ist erledigt. Von ihr haben wir nichts mehr zu befürchten. Wir können uns auf Mercant verlassen. Aber die Station selbst. Sie ist erfahrungsgemäß durchaus in der Lage, uns abzuschießen, ohne dass auch nur ein Tefroder einen Finger rührt.«
»Wie sollen wir sie finden – die Positronik, meine ich.«
»In der Kommandozentrale oder in ihrer Nähe. Wir nehmen an, sie wird von einem Robotgehirn programmiert und geleitet. Tama soll es telekinetisch außer Gefecht setzen und darauf achten, dass es nicht vernichtet wird. Wir wollen die Station übernehmen, nicht vernichten.«
»Geht in Ordnung. Wir werden alles tun, was möglich ist. Wann landet das Transmitterschiff?«
»In dreißig Minuten. Solange habt ihr Zeit.«
Die Verbindung wurde unterbrochen.
Tako sah Tama an.
»Da haben wir die Bescherung! Abwehrpositronik! Eine Ahnung, wo die sein könnte?«
»Wir werden sie finden«, erklärte Tama bestimmt. »Wer außer Robotern sollte uns an der Suche hindern? Und mit denen werden wir schon fertig.«
Tako sprang und nahm Tama mit.
Sie materialisierten in einem Raum, in dem sich ein Dutzend Kampfroboter befanden, die rasch reagierten und die Mutanten angriffen. Nur ihren Individualschutzschirmen verdankten sie es, diesem Angriff nicht zum Opfer zu fallen. Dennoch schlug ein Teil der Energiefront durch und beschädigte die Aggregate ihrer Anzüge. Im letzten Moment gelang es Tako, mit seinem Begleiter zu springen. Diesmal hatten sie Glück und kamen in einer leeren Halle heraus. Eine sofortige Überprüfung ihrer Anzüge ergab, dass nur die Geräte zur Erzeugung der Deflektorfelder unbrauchbar waren. Sie würden sich nicht mehr unsichtbar machen können.
Nach einer kurzen Pause teleportierten sie wieder.
In einem Seitenkorridor fanden sie einen Mann, der keinerlei Anstalten machte, sich zur Wehr zu setzen. Tako hielt ihn fest, als er flüchten wollte.
»Wo liegt die Steuerzentrale der Abwehr?«, fragte er auf Tefrodisch. »Wenn du redest, rettest du dein Leben.«
Der Duplo war zu Tode erschrocken, als er die beiden Fremden auftauchen sah. Er zitterte vor Angst. Zögernd beschrieb er die Lage der Abwehrpositronik, aber Tako musste ihn mehrmals ermahnen, als er sich in Widersprüche verwickelte. Trotzdem schien es so, als spräche der Tefroder die Wahrheit.
Die Mutanten ließen ihn laufen und setzten die Suche fort.
Sie fanden die Anlage.
In einer riesigen Halle stand ein gigantisches Positronengehirn mit allen notwendigen Anschlüssen. Von hier aus wurden die einzelnen Waffenzentralen mit Befehlen gesteuert. Eine direkte Leitung führte zur Oberfläche in die Beobachtungsstation, die immer noch von aktiven Tefrodern besetzt war.
Tama unterbrach als erstes diese Leitung. Dann tastete er das Positronengehirn ab, bis er die gesuchten Schaltungen fand. Er war sehr vorsichtig, um keinen Fehler zu begehen. Auf keinen Fall durfte er das Gehirn so beschädigen, dass eine schnelle Reparatur unmöglich gemacht wurde.
»Geht es?«, fragte Tako gespannt.
Tama nickte.
Dann konzentrierte er sich und packte zu. Das Brummen erstarb, und schließlich rührte sich nichts mehr in der Anlage.
Der Telekinet atmete auf.
»Ich denke, das wär's. Das Transmitterschiff kann landen.«
»Gut. Dann zurück an die Oberfläche. Hier fühle ich mich ungemütlich.«
Sie teleportierten zurück, mussten aber gleich nochmals springen, denn überall rannten schwerbewaffnete Tefroder und kampfbereite Roboter herum und suchten nach den Saboteuren. Es wurde höchste Zeit, dass Bully eingriff, sonst war alles umsonst gewesen.
Aus dem dunklen Himmel herab kam das kleine Kugelschiff und setzte hart auf. Alle Luken öffneten sich, noch bevor der Antrieb ausgeschaltet wurde, und dann stürmten die Spezialeinheiten heraus. Es handelte sich um erprobte Offiziere und Männer mit Sonderausbildung.
Der Endkampf um die Station der Tefroder hatte begonnen.
Montra Matite saß in seinem Kontrollsessel und beobachtete das Vordringen der Terraner. Er war nicht in der Lage, sie daran zu hindern. Die Zentralpositronik steuerte alle internen Bereiche der Station, einschließlich aller Roboter, doch die Waffen und Fallensysteme der Station selbst entzogen sich ihrer Kontrolle. Die von der Zentralpositronik unabhängige Abwehrpositronik war desaktiviert worden, so dass die entsprechenden Mittel von der Zentrale aus nicht gegen die Eindringlinge eingesetzt werden konnten.
Matite fühlte sich hilflos.
Als er hinter sich ein Geräusch hörte, drehte er sich langsam und voller böser Ahnungen um. Ungläubig beobachtete er den Mann, der dicht hinter ihm stand, einen terranischen Strahler auf ihn gerichtet.
Es dauerte lange Sekunden, ehe er begriff.
Ein Teleporter!
Tako Kakuta sagte:
»Wenn Sie vernünftig sind, geschieht Ihnen nichts. Wir haben nicht die Absicht, den Kommandanten dieser Station zu töten. Kommen Sie freiwillig mit – oder besser noch: Öffnen Sie das Positronenschloss. Lassen Sie uns in die Zentrale. Die Station ist ohnehin fest in unserer Hand.«
Matite unterdrückte sein Panikgefühl. Die Meister sind selbst schuld, sagte er sich immer wieder. Sie haben mich verraten, im Stich gelassen. Hätten sie mich rechtzeitig gewarnt oder mir geholfen, wäre das alles nicht geschehen. Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Und wenn mir die Terraner das Leben anbieten, so wäre ich ein Narr, würde ich es ausschlagen.
Er blieb ganz ruhig sitzen.
»Ich nehme Ihren Vorschlag an.«
Das ging Tako fast ein wenig zu leicht und schnell. Er war kein Telepath, und so konnte er auch Matites Gedanken nicht lesen. Das würde Fellmer Lloyd besorgen.
»Gut, dann öffnen Sie die Tür. Aber ich warne Sie. Machen Sie keine falsche Bewegung.«
»Sie brauchen keine Sorge zu haben«, sagte der Tefroder und stand langsam auf. »Ich weiß, wann ich verloren habe. Ich werde nicht so verrückt sein, mich für die Meister zu opfern.«
Er ging zur Tür und öffnete sie.
Bully und einige Terraner kamen herein. Sie ließen die Waffen sinken. Fellmer bestätigte, dass Matite die Wahrheit sprach und es ehrlich meinte.
Der Tefroder trug keine Waffe. Bully verzichtete darauf, ihn fesseln zu lassen. Er wusste von Fellmer, dass es keinen ernsthaften Widerstand mehr geben würde. Aber er wusste auch, dass Matite seine geheimen Kenntnisse möglichst teuer verkaufen wollte.
»Setzen Sie sich«, sagte Bully höflich, aber bestimmt. »Wir wollen uns unterhalten. Und ich möchte Sie bitten, mir alle Fragen schnell und wahrheitsgemäß zu beantworten. Das erleichtert Ihnen und mir die künftige Zusammenarbeit. Und Sie können mir glauben, dass wir noch viel zusammenarbeiten werden – wenn Sie wollen.«
Matite nahm wieder in seinem Sessel Platz. Vor ihm waren die Kontrollen der Station. Er betrachtete sie nachdenklich, aber er sah keinen Ausweg aus seiner Lage. Vielleicht wollte er auch keinen mehr.
»Was wollen Sie wissen?«, fragte er ruhig, als Bully sich neben ihn auf die Kante des Kontrolltisches gesetzt hatte.
»Eine ganze Menge. Hatten Sie Gelegenheit, die Meister zu alarmieren, als wir die Station angriffen?«
Matite lächelte.
»Nein. Ist wohl mein Glück, nicht wahr?«
Bully lächelte zurück.
»Kann schon sein. Jedenfalls gewinnen wir so Zeit. Können Sie die Roboter dazu veranlassen, den letzten Widerstand einzustellen? Sie würden uns damit unnötige Verluste ersparen. Sinn hat es sowieso keinen mehr. Die Station ist so gut wie in unserer Hand. Und was die restlichen Duplos angeht, so werden wir sie noch finden und überwältigen.«
Matite nickte resignierend und machte sich an den Kontrollen zu schaffen. Vier Bildschirme flammten auf. Sie zeigten verschiedene Abteilungen der Station. Noch war der Widerstand der Roboter nicht völlig gebrochen, und auch vereinzelte Duplos mischten kräftig mit. Matite drückte auf einen Knopf, und die Roboter rührten sich nicht mehr. Sie erhielten vom Zentralgehirn keine Befehle mehr.
Die Tefroder zogen sich zurück, als sie die Unterstützung der Roboter verloren.
Matite sah Bully an.
»Haben Sie noch Fragen?«
Bully nickte.
»Später, aber nicht jetzt. Unsere Schiffe werden die Station von nun an kontrollieren. Einige werden landen. Weitere Anweisungen erfolgen nach der Vollzugsmeldung an Perry Rhodan.« Er betrachtete Matite einige Sekunden lang. »Sie haben uns sehr geholfen, Kommandant. Ihr Name?«
»Montra Matite.«
»Sie sind frei, Matite. Wohin können wir Sie bringen?«
Matite starrte Bully entgeistert an. Sein Verstand schien nicht begreifen zu wollen, was seine Ohren gehört hatten. Seine Vorstellung von den Terranern war schon arg ins Schwanken geraten, aber das jetzt übertraf seine optimistischsten Erwartungen. Zumindest hatte er mit Gefangenschaft gerechnet.
»Frei? Sie wollen mich freilassen? Aber – wohin sollte ich denn gehen? Man wird bald überall wissen, dass ich Ihnen geholfen habe. Man wird mich verfolgen und töten. Nein, ich kann hier nicht fort. Ich muss Sie bitten, mich zu behalten. Meinetwegen als Gefangenen.«
Bully begriff, in welcher Gefahr der Tefroder schwebte, und er verstand auch dessen Angst. Er lächelte.
»Sie können natürlich auch bei uns bleiben, aber nicht als unser Gefangener. Betrachten Sie sich als frei und als unseren Freund. Ich werde dafür sorgen, dass Sie auf einem unserer Schiffe eine Kabine für sich erhalten. Genügt das?«
Montra Matite bekämpfte seine aufsteigende Rührung über soviel Großmut. Er musste irgend etwas tun, um seine Dankbarkeit zu beweisen. Es musste doch möglich sein, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Außerdem ...
»Haben Sie schon jemals den Namen Multidon gehört?«, fragte er.
Bully schüttelte den Kopf.
»Nein, niemals. Was ist das?«
Matite lächelte.
»Ich werde Ihnen das größte Geheimnis der Meister zeigen«, sagte er und erhob sich. »Kommen Sie mit mir.«
Er ging zur Tür.
Fellmer sagte zu Bully:
»Sie können ihm vertrauen. Er will uns seine Dankbarkeit beweisen und meint es wirklich ehrlich.«
Matite führte die Terraner in die streng geheime Positronikzentrale der Station, die nur für den Kommandanten zugänglich war. Hier waren alle jemals errechneten Daten und Fakten in einem riesigen Erinnerungsspeicher gestapelt und konnten jederzeit abgerufen werden.
Der Tefroder stand eine Weile überlegend vor dem gigantischen Gebilde, ehe er damit begann, Tasten zu drücken und Befehle zu programmieren. Im Innern des Robotgehirns begann es zu arbeiten. Die Impulse, gesteuert von der Programmierung, fanden ihre Ziele und stellten die Kontakte her.
Matite sagte zu Bully:
»Was ich tue, ist doppelt verboten. Nicht einmal ich darf diese Daten kennen – aber ich kenne sie. Ich kenne sie deshalb, weil ich zu einer Gruppe von Tefrodern gehöre, die mit den Maßnahmen der Meister nicht ganz einverstanden sind. Obwohl wir ... die Macht der Herrscher auch irgendwie bewundern. Aber sie missbrauchen sie. Wir leben in einem Konflikt und sind eine Widerstandsgruppe, wenn Sie so wollen. Oder glauben Sie, sonst wäre ich so schnell bereit gewesen, Ihnen zu helfen?«
»Es war sicherlich nicht der einzige Grund«, vermutete Bully.
»Richtig. Ich hatte auch Angst, weil ich feige bin – aber wer ist das nicht? Die geheimen Daten also sind hier in diesem Gehirn verankert, und eben kommen sie heraus. Sehen Sie dort die Lochstreifen? Der Entschlüsseler steht da drüben.« Er deutete in eine andere Richtung. »Kennen Sie ja.«
Genau in diesem Augenblick registrierte die Positronik des Speichers eine Veränderung der Gehirnwellenmuster Matites. Der Individualabtaster des Robotgehirns alarmierte die Sicherheitsschaltung und die automatische Abwehr.
Für die Maschine hatte ein völlig fremdes Wesen an die Geheimnisse der Meister gerührt.
Sie befahl die Abwehraktion.
»Wer oder was ist Multidon?«, fragte Bully.
»Ein geheimer Planet, das Zentrum der Macht der Meister«, gab Matite Auskunft. »Die Position des Planeten ist streng geheim. Nur wenige kennen sie.« Er seufzte. »Sie werden bald zu diesen wenigen gehören, und ich ...«
In dieser Sekunde geschah es.
Ein greller Blitz zuckte aus der Maschine und traf Matite.
Einen Augenblick später war von ihm nur ein davonwehendes blaues Wölkchen übrig.
Die Informationsausgabe hörte auf zu arbeiten.
Der Kommandant der Tefroderstation, Montra Matite, war tot.
Er hatte keinen Schmerz gespürt, und er war gestorben, ohne es überhaupt zu wissen.
Mercant stationierte den Großteil der Flotte im Raum, mit dem Rest landete er auf der Station.
Die Meister der Insel hatten eine Bastion verloren. Lookout war fest in der Hand der Terraner, mit allen wichtigen technischen Installationen und Ersatzteilen.
Bully hatte den Lochstreifen der Positronik durch die Entschlüsselungsmaschine gehen lassen und den Klartext studiert.
Die Information war nicht vollständig, aber sie würde genügen, den geheimnisvollen Planeten zu finden. Die Meister würden eines Tages auch Multidon verlieren.
Tama programmierte die Abwehrpositronik um. Von nun an würde sie kein Schiff in die Nähe Lookouts lassen, das nicht die Merkmale eines terranischen Schiffes trug.
Mercant traf Bully auf der Außenfläche der Station. Gemeinsam kehrten sie in die gelandete GENERAL DERINGHOUSE zurück.
»Wir müssen Rhodan unterrichten«, sagte Mercant. »Wir sollten ein Kurierschiff schicken.«
Bully schüttelte den Kopf.
»Ich habe eine bessere Idee. Wir rüsten dreißig unserer Großschiffe – einschließlich der GENERAL DERINGHOUSE – mit dreistufigen Zusatztriebwerken aus und fliegen zur 700.000 Lichtjahre entfernten Midway-Station. Die restliche Flotte bleibt vorerst hier zurück. In zehn Tagen können wir Midway erreichen.«
»Einverstanden.« Mercant grinste. »Sie können es nicht lassen. Sie müssen Ihren Willen durchsetzen. Sie haben nun einmal Ihr eigenes Unternehmen geplant, nun wollen Sie es auch durchführen. Nun, von mir aus, es macht keinen Unterschied.«
»Nein, das macht es auch nicht. Aber es ist durchaus möglich, dass es bei der Eroberung von Midway Probleme gegeben hat, und dass Rhodan Verstärkung benötigt. Ich frage mich nämlich inzwischen, ob es ihm tatsächlich gelungen ist, die beiden Maahk-Bahnhöfe programmgemäß zu erobern. Er hatte mehr Zeit für die Vorbereitungen als wir und müsste es eigentlich längst geschafft haben.«
»Das Entscheidende sind nicht immer die Vorbereitungen. Wir hatten Glück dazu. Und wir hatten gute Männer, Bully.«
»Einige verloren wir im Einsatz. Sie haben recht, Mercant. Die Art des Unternehmens selbst ist entscheidend. Es ist nur zu schade, dass dieser Matite sterben musste. Er hätte uns noch wertvolle Dienste leisten können. Er war ein Feigling, aber er benahm sich zuletzt wie ein anständiger Kerl.«
»Vielleicht sind das viele Feiglinge, Bully. Es ist nur eine Auffassungssache. Mehr nicht.«
»Ich liebe sowieso keine Helden«, gab Bully zu. »Heldentaten entstehen meist durch Zufall. Jemand sitzt in der Klemme und handelt in Verzweiflung. Ihm bleibt einfach keine andere Wahl – und da wird er plötzlich zum Helden. Hinterher wird er niemals zugeben, warum das so war. Nur der wirkliche Held wird das tun, und deren gibt es nur wenige.«
Mercant nickte.
»So ungefähr könnte es sein.« Er sann eine Weile vor sich hin, dann sah er Bully an. »Wann starten wir?«
»Morgen.« Er lächelte.
Mercant erhob sich.
»Sie gestatten, dass ich mich nun um meine Angelegenheiten kümmere. Ich habe noch etwas zu tun.«
Bully sah ihm nach.
»In vierundzwanzig Stunden also – wenn nichts dazwischenkommt.«
Es kam nichts dazwischen.
Pünktlich zur festgesetzten Zeit setzte sich die aus dreißig Schiffen bestehende Flotte in Bewegung.
Es waren nur vierunddreißig Schiffe, die Rhodan zurückbehalten hatte. Mit ihnen eine Station wie Midway erobern zu wollen, grenzte schon an Tollkühnheit. Aber es blieb keine andere Möglichkeit, wollte man keine frühzeitige Entdeckung riskieren.
Central-Station war explodiert und die dabei entstandene Atomsonne inzwischen erloschen. Rhodan hatte alle anderen Schiffe in den Betanebel zurückgeschickt. Sie hatten Order, sich möglichst oft im Betanebel zu zeigen, um die Meister zu täuschen. Die Meister mussten davon überzeugt werden, dass Midway vorerst noch nicht das Ziel der Terraner wäre.
Bei den vierunddreißig Schiffen handelte es sich um sechs Ultraschlachtschiffe der Galaxisklasse, Durchmesser zweieinhalb Kilometer. Die anderen achtundzwanzig Einheiten waren Schlachtschiffe der Imperiumsklasse. Durchmesser anderthalb Kilometer. Ihre Reichweite betrug eine Million und zweihunderttausend Lichtjahre. Hinzu kamen dreistufige Zusatztriebwerke mit einer Reichweite von 1,8 Millionen Lichtjahren.
Die terranische Flotte hatte den Bereich Central-Station längst verlassen und war in Richtung Midway vorgestoßen, wo sie sich nun – 50.000 Lichtjahre vom Bahnhof entfernt – in Warteposition befand. Für die Entfernung Andro-Beta–Central-Station, die 350.000 Lichtjahre betrug, sowie für den Flug bis zum gegenwärtigen Standort, etwa 650.000 Lichtjahre, war bei allen vierunddreißig Schiffen eine Zusatzstufe zur Gänze verbraucht und abgestoßen worden. Die zweiten Stufen besaßen noch eine Kapazität von 200.000 Lichtjahren. Zusammen mit den verbleibenden dritten Stufen und den schiffseigenen Triebwerken noch genug, um größtmöglichen Spielraum zu besitzen und nach Gleam zurückkehren zu können.
Die Zeit verging nur langsam, aber es blieb Rhodan keine Wahl, den vereinbarten Termin abzuwarten. Die Wartezeit wurde natürlich genutzt, und bald hatte Rhodan alle Informationen gesammelt, die für das Gelingen des Unternehmens wichtig waren. Durch Beobachtungsflüge einzelner Schiffe kontrollierte man den Raum bis hin nach Midway. Einige stießen sogar bis unmittelbar nach Midway vor.
Am zwölften November rief Rhodan führende Offiziere, die Mutanten und seine Freunde zu sich. Noch zwei Tage bis zum Angriff.
Atlan, der unsterbliche Arkonide, setzte sich ihm gegenüber. Sein Gesicht zeigte die übliche Zurückhaltung und heimliche Bewunderung, die er noch immer für die Terraner hegte. Neben ihm hatte John Marshall, der Chef des Mutantenkorps, Platz genommen. Gucky hockte mitten auf der Tischplatte, um ja nicht übersehen werden zu können. Der Hypno André Noir streichelte sein Fell und unterhielt sich leise mit den Wellensprintern Tronar und Rakal Woolver. Major Redhorse, der sich in letzter Zeit immer mehr hervortat, nahm ebenfalls an der Besprechung teil.
»Wir haben nun genau feststellen können«, begann Rhodan, als es ruhig geworden war, »an welcher Stelle die ankommenden Frachter der Tefroder, deren Ziel Midway ist, aus dem Linearraum kommen und ihre letzte Ortsbestimmung vornehmen. Wenn sie dann abermals in das Normaluniversum zurückkehren, geschieht es in unmittelbarer Nähe der Station, also zu nahe für unser Vorhaben.«