Perry Rhodan 450: Aufbruch der MARCO POLO - K.H. Scheer - E-Book

Perry Rhodan 450: Aufbruch der MARCO POLO E-Book

K.H. Scheer

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Beschreibung

Ein Raumschiff geht auf die lange Reise nach NGC 4594 - der Heimatgalaxis der Cappin-Völker Auf Terra schreibt man Ende Juli des Jahres 3437. Somit sind drei Jahre seit dem Tage vergangen, als das Solsystem durch seinen Rücksturz in die Gegenwart aufhörte, das "Ghost-System" zu sein. Mit dem Ende des Versteckspiels wurde, auch das Ende des Diktators Dabrifa eingeleitet und die Gefahr gebannt, daß Menschen gegen Menschen kämpfen. Friede herrscht wieder zwischen Perry Rhodans Solarem Imperium und den anderen Sternenreichen der Terra-Abkömmlinge. Dennoch besteht für die Galaxis eine Gefahr - und für die Menschheit Grund zur Beunruhigung! Schuld daran sind die Impulse, die der Todessatellit beim ersten Rücksturz in die Gegenwart ausgestrahlt haben muß. Der Cappin Ovaron, der längst zum guten Freund der Terraner geworden ist, behauptet es jedenfalls - und er als Sextadimnavigator muß es schließlich am besten wissen. Ovaron, der bekanntlich per Nullzeitdeformator um 200 Jahrtausende in die Zukunft versetzt wurde, weiß natürlich nicht, was gegenwärtig in Gruelfin, seiner Heimatgalaxis, vorgeht. Er befürchtet aber eine gegen die Menschheit gerichtete Invasion - und gewisse Ereignisse scheinen seine Befürchtungen zu bestätigen. Perry Rhodan will sich Gewißheit verschaffen. Deshalb hat er auch ein Projekt gefördert, das alle bisherigen kühnen Unternehmungen der Terraner weit in den Schatten stellt. Ein Fernraumschiff ist entstanden - und eine Brücke zum Sternennebel NGC 4594 soll geschlagen werden mit dem AUFBRUCH DER MARCO POLO...

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Veröffentlichungsjahr: 2011

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Nr. 450

Aufbruch der MARCO POLO

Ein Raumschiff geht auf die lange Reise nach NGC 4594, der Heimatgalaxis der Cappin-Völker

von K. H. SCHEER

Auf Terra schreibt man Ende Juli des Jahres 3437. Somit sind drei Jahre seit dem Tage vergangen, als das Solsystem durch seinen Rücksturz in die Gegenwart aufhörte, das »Ghost-System« zu sein.

Mit dem Ende des Versteckspiels wurde, auch das Ende des Diktators Dabrifa eingeleitet und die Gefahr gebannt, dass Menschen gegen Menschen kämpfen. Friede herrscht wieder zwischen Perry Rhodans Solarem Imperium und den anderen Sternenreichen der Terra-Abkömmlinge.

Dennoch besteht für die Galaxis eine Gefahr – und für die Menschheit Grund zur Beunruhigung! Schuld daran sind die Impulse, die der Todessatellit beim ersten Rücksturz in die Gegenwart ausgestrahlt haben muss. Der Cappin Ovaron, der längst zum guten Freund der Terraner geworden ist, behauptet es jedenfalls – und er als Sextadimnavigator muss es schließlich am besten wissen.

Ovaron, der bekanntlich per Nullzeitdeformator um 200 Jahrtausende in die Zukunft versetzt wurde, weiß natürlich nicht, was gegenwärtig in Gruelfin, seiner Heimatgalaxis, vorgeht. Er befürchtet aber eine gegen die Menschheit gerichtete Invasion – und gewisse Ereignisse scheinen seine Befürchtungen zu bestätigen.

Perry Rhodan will sich Gewissheit verschaffen. Deshalb hat er auch ein Projekt gefördert, das alle bisherigen kühnen Unternehmungen der Terraner weit in den Schatten stellt.

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Leiter der Expedition nach NGC 4594.

Ovaron – Der Ganjo kehrt heim – nach 200.000 Jahren.

Atlan – Der Lordadmiral übt harte Kritik.

Oberst Elas Korom-Khan – Kommandant der MARCO POLO.

Senco Ahrat und Mentro Kosum – Zwei Emotionauten.

Oberstleutnant Menesh Kuruzin – Kommandant der 1. Kreuzerflottille der MARCO POLO.

Scholschowo

1.

Zuerst hatte es gezischt; dann geknallt; schließlich hatte jemand unverständliche Worte geschrien und dann – ja, was war dann geschehen?

Mentro Kosum wusste es nicht genau. Er fühlte lediglich eine warme, klebrige Flüssigkeit über seine Stirn rinnen. Das musste wohl die Folgeerscheinung einer unsanften Berührung mit der Stahlbetonmauer sein.

»Hurra!«, sagte Kosum zu einer Person, die er nur schattenhaft wahrnehmen konnte. »Bist du menschlich oder mechanisch? Wenn ja, dann ...!«

»Keine Drohungen«, lachte jemand mit tiefer Stimme. Sie klang angenehm. »Ich bin menschlich. Junge, hast du ein Glück, dass deine Haare ohnehin so schön rot sind. Da sieht man das Blut nicht so. Übrigens nur eine harmlose Schramme.«

Kosum fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Er konnte wieder klarer sehen.

Vor ihm stand ein schwarzhäutiger Riese von über zwei Meter Körpergröße und prächtig weißen Zähnen.

»Nur eine Schramme? Vielen Dank, ich spüre es. Welcher Narr hat eigentlich den Roboter in die Luft fliegen lassen?«

Der Dunkelhäutige grinste noch breiter und deutete mit dem Daumen über die Schulter.

»Dieser völlig untalentierte Oberst der Hafenabwehr hat versucht, der Maschine einen Befehl zu erteilen. Da löste sie sich in ihre Bestandteile auf. Junge, gehst du immer so langsam in Deckung? Ich spürte bereits die Druckwelle, noch ehe unser positronischer Kampfgenosse den Geist aufgab.«

Mentro grinste jetzt ebenfalls; aber nicht über die Belehrung seines neuen Bekannten, sondern ausschließlich über das ergrimmte Gesicht jenes Mannes, der als »untalentierter Oberst« bezeichnet worden war.

Die schwelenden Trümmer des Kampfroboters wurden von anderen Exemplaren seiner Art zur Seite geräumt. Die Sicherheitsschleuse des Gobi-Raumhafens WEST wurde wieder begehbar.

»Ich darf doch sehr bitten!«, schrie der gemaßregelte Wachoffizier und kam auf die beiden Männer zu.

»Das ist die Stimme, die ich noch vernahm«, seufzte Mentro Kosum weinerlich. Er erhob dozierend einen blutverschmierten Zeigefinger.

»Quäle einen Robot nie zum Scherz, denn er hat wie du ein Herz.«

Der Chef der Sonderwache Gobi WEST blieb stehen. Offenbar wollte er heftig werden, doch dann entschloss er sich zu einer ironischen Frage.

»Ach, Sie sind wohl der neue Bordkomiker, was? Ich sehe, Sie sind verletzt. Ist eine Behandlung erforderlich?«

»Das sollten Sie einen Arzt fragen«, warf der schwarzhäutige Hüne ein. »Seit wann erkundigt man sich beim Patienten ...!«

»Beruhige dich, unbekannter Wohltäter«, unterbrach Kosum die hitzig werdende Debatte. »Ich fühle immer, wenn es mir an den Kragen geht. Der Kratzer ist unwichtig. Übrigens, Sir, dürfen wir nun endlich jenes Areal betreten, das aller Mutmaßung nach in die Geschichte der Menschheit eingehen wird?«

Der Wachoffizier wurde plötzlich sehr dienstlich. Wahrscheinlich ohne es bewusst zu wollen, drehte er den Kopf und schaute zu jenem Gebirge aus Stahl hinüber, das kilometerweit entfernt war.

»Sie dürfen. Die Kontrollen sind bis auf eine letzte ID-Vergleichsaufnahme abgeschlossen. Tragen Sie bitte Ihre Kodemarken deutlich sichtbar auf der Brust.«

»Erst mal eine haben«, beschwerte sich Kosum und sah an seinem spindeldürren, dafür aber fast zwei Meter langen Körper hinunter. »Mir wird klar, durch welche unlauteren Forderungen Sie Kampfroboter zur Explosion bringen.«

Der Afroterraner neben Kosum lachte Tränen. Andere Männer folgten seinem Beispiel; nur nicht so deutlich! Schließlich waren sie dem Chef der Spezialwache unterstellt.

So lernten sich Mentro Kosum und Menesh Kuruzin kennen. Die Freundschaft begann am 1. Juli 3437 n. Chr. und sollte ein Leben lang währen. Das wussten die beiden Männer zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht.

Sie durchschritten die Strahlschleuse des Flottenhafens Gobi WEST, ertrugen geduldig die Gehirnschwingungskontrolle und verließen danach die Halle, in der diese robotisch gesteuerte Prozedur stattgefunden hatte.

Erst dann nannten sie gegenseitig ihre Namen. Mehr als eine oberflächliche Vorstellung war nicht erlaubt. Militärische Ränge, Laufbahnen und was der Dinge mehr waren, galten seit Wochen und Monaten als Geheimnis der Solaren Flotte.

Der Stammbesatzung des Riesenraumschiffes weit draußen auf dem Wüstenhafen waren die Neuankömmlinge ebenso unbekannt wie jenen die Mitglieder der bereits eingefahrenen Crew.

Selbst der Name des Kommandanten war geheim geblieben. Das überraschendste war aber für viele abkommandierte Männer die Tatsache, dass sogar ihr zukünftiges Raumschiff keinen Namen hatte. Nicht einmal eine Nummernbezeichnung war ihnen verraten worden.

So war es auch als selbstverständlich anzusehen, dass weder Kosum noch Kuruzin eine normale Uniform trugen. Ehe sie von ihren angestammten Flotteneinheiten, Stützpunkten oder Raumstationen abkommandiert worden waren, hatten sie einheitlich dunkelblaue Kunstfaserkombinationen und schmucklose Schirmmützen erhalten.

Kein Rangabzeichen deutete darauf hin, mit wem man es eigentlich zu tun hatte. Die Marschbefehle wurden in Spezialbehältern mitgeführt, die nur mit einem positronischen Impulskodeschlüssel der Solaren Abwehr geöffnet werden konnten.

Einige Neugierige hatten versucht, die flachen, einer Brusttasche angepassten Behälter zu öffnen. Die Folgen waren unangenehm gewesen. Bei der thermischen Selbstvernichtung des Inhalts war es zu schweren Verletzungen gekommen.

Kosum und Kuruzin wussten das alles. Man hatte sie nicht nur zehnmal, sondern tausendmal belehrt. Mindestens fünfzig Kontrollen verschiedener Art hatten sie überstehen müssen, ehe sie mit kleinen Spezialraumschiffen der Abwehr zur Erde befördert worden waren.

Die Prozeduren vor der Strukturschleuse im systemumspannenden Paratronschirm waren nahezu menschenunwürdig gewesen. Sie hatten jedoch alles über sich ergehen lassen, weil sie sich zu diesem Einsatz freiwillig gemeldet hatten.

Nicht jeder Freiwillige war allerdings angenommen worden. Einige zehntausend Männer, die sich für hochqualifiziert hielten und es auch beweisen konnten, waren von den Verantwortlichen zurückgewiesen worden.

Kosum blieb stehen und sah sich um. Es war heiß. Ein warmer Wind, trocken und zum Husten reizend, wehte von den Wüstenbergen der westlichen Gobi herüber.

Einige hundert Fahrzeuge verschiedenster Größenordnung und Konstruktion standen vor bunkerähnlichen Versorgungsmagazinen. Andere heulten auf ihren Energiekissen zu dem Schiffsriesen hinüber. Plötzlich schien sich niemand mehr um die beiden hundertfach kontrollierten Männer kümmern zu wollen.

»Siehst du, Junge, siehste«, erklärte der Afroterraner resignierend. »Da wird man vorher halbwegs auseinandergenommen, mit modernsten Teufelsmaschinen schikaniert, und dann ...?«

Er ließ die Antwort offen.

Kosum gähnte ungeniert. Die Hände in den Beintaschen seiner Kombination vergraben, den Kopf in den Nacken gelehnt, zeigte er einem vorüberfahrenden Offizier der Abwehr sein Gebiss. Der Mann hielt den Gleiter an. Er schien Humor zu haben.

»Möchten die Herren laufen oder zu Fuß gehen?«

Kosum machte den Mund zu. Das Aufeinanderschlagen seiner Zähne war deutlich zu hören.

»Freund Kuruzin, wir müssen es mit einem Mathematiker zu tun haben. Bemerkst du die Gesetzmäßigkeit in seiner Begriffsfassung?«

Der Afroterraner lachte erneut. Er schien überhaupt gerne und herzhaft zu lachen. Kosum fand den Riesen immer sympathischer.

»Meine Vorfahren hätten dich einen zahnlosen Löwen genannt. Harmlos in der Tat, aber gefährlich durch die Weisheit und Erfahrung seines Alters. In Ordnung, Captain, bringen Sie uns hinüber?«

»Warum, denken Sie wohl, habe ich vor euch schmucklosen Gestalten angehalten? Ich bringe Sie bis zum TS-Ring.«

»Zum was?«

»TOP SECRET. Der Begriff stammt aus einer terranischen Ursprache. Schon mal was davon gehört?«

»Ich bin vielleicht ein Historiker«, erklärte Kosum gelassen. »Verstehen Sie diese Sprache? Was bedeutet: ›Have you die Kappe left on the Ohr?‹«

Der Captain zögerte mit der Antwort. Sein Blick wurde argwöhnisch.

»Stimmt das, oder ist das nur Gerede aus irgendeinem carsualschen Idiom?«

»Das kann Ihnen niemand beantworten. Ich weiß nur, dass ich mich historisch korrekt ausgedrückt habe. Also gut, können wir prallern?«

»Was ...?«

»Auf Ihrem Prallfeld gleiten. Freund Kuruzin, das ist doch kein Mathematiker.«

Schnaufend und die Hitze verwünschend, zwängte sich Mentro Kosum auf die hintere Sitzbank des offenen Prallfeldgleiters. Der Dunkelhäutige lachte nur noch. Er schien es mit Behagen zu tun. Offenbar hatte er während der letzten Monate nichts zu lachen gehabt.

*

Sie fuhren Kilometer auf Kilometer. Das Gebirge aus Stahl wurde immer größer und mächtiger. Schließlich erreichten sie den so genannten TS-Ring; eine rotmarkierte Zone, die einige Meter weiter durch ein Energiegatter abgeschlossen wurde. Der Gleiter hielt.

»Ende der Reise, meine Herren. Die letzten Kilometer müssen Sie nun wirklich laufen. Sie können aber auch versuchen, einen zugelassenen Lastengleiter zu erwischen. Viel Erfolg und«, er zögerte, »vielleicht auch etwas Vergnügen. Wir beneiden euch nicht. Nein, fragen Sie bitte nicht. Erstens habe ich selbst keine Ahnung, was da gespielt wird, und zweitens dürfte ich keine Auskünfte geben, selbst wenn ich etwas erfahren hätte. Ihr Gepäck ist bereits an Bord. Sie können sicher sein, dass bei der perfekten Organisation nichts vergessen wurde, was Sie eines Tages benötigen werden. So können Sie als gegeben annehmen, dass die Organbank der Medizinisch-Biologischen-Abteilung mit passenden Ersatzgliedern und Innenorganen für Ihre ganz persönlichen Belange ausgerüstet wurde. Die Positronik der Zahnbank wird haargenau wissen, wieviel Wurzeln Ihre letzten Backenzähne besitzen; wie sie eingepflanzt werden müssen und wie Ihre vielleicht zu Bruch gehenden Kiefer ausgetauscht werden sollen. Man kennt Sie da drüben besser als Sie sich selbst. Genügt das als Auskunft?«

Selbst Mentro Kosum, sonst vorlaut in seiner Art, war beeindruckt. Sie stiegen aus. Der Wagen surrte davon.

Menesh Kuruzin warf einen Blick nach oben.

»Bemerkst du etwas?«

»Tausenderlei fremdartige Dinge«, entgegnete Kosum überraschend ernst. »Der Triebwerkswulst ist verändert. Stärker und höher. Seltsame Halbrundungen mit erkennbaren Schleusentoren an der Abschlusskante.«

»Und die Impulsstrahlabweiser?«

Kosum ließ seine Blicke tiefer wandern. Es war ein Kunststück, am gewölbten Rumpf dieses zweieinhalb Kilometer durchmessenden Kugelungeheuers überhaupt Details entdecken zu können.

Beide Männer waren noch einige hundert Meter von einem der säulenartigen Landebeine entfernt. Die unteren Hydraulikglieder waren nur zu zehn Prozent ausgefahren. Die klaffenden Einfuhröffnungen lagen bereits dreihundert Meter höher. Noch weiter oben, mindestens zwölfhundert Meter über den Betrachtern, erkannten sie die graublau schimmernden Strahldüsen der Korpuskulartriebwerke, die nur bis zur einfachen Lichtgeschwindigkeit reichten.

»Mich interessieren mehr die Projektoren für die Umlenkfelder. Siehst du sie? Seitlich hinter dem unteren Hochenergie-Verdichtungskranz. Mensch, das musst du doch sehen! Das ist neu, völlig neu!«

Kuruzin wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ahnungsschwer meinte er: »Junge, pass auf, wir kommen auf das unwahrscheinlichste Schiff, das Terraner jemals gebaut haben. Das ist zweifellos ein Ultraschlachtschiff der Galaxisklasse. Vieles aber stimmt nicht damit überein. Mir scheint, als hätte man lediglich auf die bewährte Kugelzelle zurückgegriffen, um daraus ein neuartiges Etwas zu machen. Den Kahn möchte ich nicht in manueller Notsteuerung fliegen; bestimmt aber nicht alleine.«

Plötzlich stand ein Leutnant vor ihnen. Er verbeugte sich leicht und salutierte.

»Habe ich die Ehre mit den Herren Kuruzin und Kosum?«

Mentro versuchte, seine ausgedörrte Kehle durch kräftiges Schlucken geschmeidig zu machen.

»Freund Kuruzin, der junge Mann hat dich zuerst erwähnt. Daraus folgert mein Verstand, dass du vielleicht ein Oberst bist und ich unter Umständen ein Kochsergeant. Wie vereinbart sich das mit unserer Duzerei?«

Der Dunkelhäutige lachte schon wieder. Er winkte ab. Dabei konnte er es aber nicht unterlassen, ständig nach neuen Einzelheiten zu suchen. Viel konnte er nicht erblicken. Ihm erging es wie einem Bergsteiger, der am Fuße eines Dreitausenders steht und versucht, von dort aus einige Einzelheiten, zweitausend Meter über sich, zu erkennen.

Der Leutnant tastete mit einem Identifizierungsgerät die beiden Impulsmarken ab. Auf und in ihnen waren Namen und sämtliche Individualdaten gespeichert. Er schien zu wissen, dass man soeben angekommene Raumfahrer bei diesem Anblick nicht zu klaren Auskünften bewegen konnte. Die Eindrücke waren übermächtig.

»Danke, meine Herren. Die Schleuse ist für Sie offen.«

Kosum und Kuruzin passierten schweigend die letzte Absperrung. Über ihnen wölbte sich der äquatoriale Ringwulst mit seinen zwanzig gigantischen Impulstriebwerken.

Kosum blieb unvermittelt stehen und schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. Ein Laut, fast ein Seufzer, wurde hörbar.

»Schmerzen?«, erkundigte sich Kuruzin besorgt.

»Unsinn, du Vielleicht-Oberst. Weißt du, was wir beide übersehen haben? Freund, schau dir die Farbe des Zellenmaterials an! Das ist die neue Ynkelonium-Terkonit-Legierung. Seit wann glänzen die Wandungen terranischer Schiffe in einem rötlich-blauen Farbton?«

Sie schauten sich eine Weile schweigend an. Dann gingen sie weiter. Der Schlagschatten des Ringwulstes schirmte sie jählings vor den Glutstrahlen der Sonne ab. Sie mussten vierhundert Meter weit laufen, ehe sie die untere Rundung des eigentlichen Schiffskörpers erreichten.

Wieder blieben sie stehen. Eine Flut von Fragen drängte sich ihnen auf. Sie fanden keine Antwort. Plötzlich jedoch riss Kuruzin die Augen so weit auf, dass sie hell aus dem dunklen Gesicht hervorleuchteten.

»Das – das gibt es doch gar nicht. Junge, ich muss wahnsinnig geworden sein. Das ist doch ...!«

Obwohl Kosum dem Blick des Freundes folgte, bewahrte er die Fassung. Alleine das war bewunderungswürdig!

Schließlich war es nicht alltäglich, mitten im Fünfunddreißigsten Jahrhundert einem blauen Pferd mit ockergelbem Schweif zu begegnen, auf dem obendrein noch ein düsterblickender Mann und ein lächelndes Mädchen mit kupferfarbenen Haaren ritten.

Und das unter dem Triebwerksringwulst eines terranischen Ultraschlachtschiffes, dessen Schubaggregate längst nicht mehr mit dem Begriff »Pferdestärken« gemessen werden konnten. So viele Pferde hatte es auf dem Planeten Erde niemals gegeben.

»Diese Raumfahrt, die wird lustig«, meinte Kosum. »Als historisch geschulter Mensch mit prähistorischen Sprachkenntnissen würde ich dieses vierbeinige Lebewesen als Gaulewitsch, als den Sohn des Gauls bezeichnen, verstehst du? Unsere Vorfahren hängten damals immer ein ›witsch‹ hintendran. Ich – ach du Schande ...!«

Diesmal schwieg sogar der unerschütterliche Mentro. Der Anblick verschlug ihm die Sprache.

Hinter dem elegant trabenden Pferd tauchte ein dunkelbehaarter Neandertaler auf. Nur mit einem Lendenschurz bekleidet, eine riesige Holzkeule geschultert, rannte er zähnefletschend neben dem Reiterpaar her.

Das war aber noch nicht alles!

Ein Individuum, der Figur nach offenbar menschlicher Abstammung, umkreiste die fremdartige Gruppe mit Hilfe feuersprühender Rollschuhe. Kosums technischer Instinkt verriet ihm sofort, dass der buntgekleidete Kerl zwei Mikro-Strahltriebwerke in diese Sportgeräte eingebaut hatte. Sie fauchten, zischten und pfiffen zusammen mit den überbeanspruchten Rollenlagern derart heftig, dass sogar das Anlaufgeräusch eines schiffseigenen Hilfsaggregates übertönt wurde.

Kosum begann zu grinsen.

»Freund, den da kenne ich. Das ist Roi Danton alias Michael Rhodan, dem man nachsagt, er wäre vor etwa tausend Jahren erschossen worden. Plötzlich war er wieder da. Und wie er erschien! Erst raubte er seinem werten Vater, den wir als Großadministrator des Solaren Imperiums kennen, den letzten Nerv und behauptete anschließend, für ihn wären nur ein paar Wochen verstrichen. Ich – he, wo willst du hin?«

Menesh Kuruzin, gewiss bärenstark, unerschrocken und tausendfach erfahren, ergriff die Flucht. Er rannte zu einem Landeteller hinüber und ging dahinter mit einer derartigen Schnelligkeit in Deckung, dass Kosum endgültig begriff, weshalb der Afroterraner bei der Explosion des Kampfroboters unverletzt geblieben war.

Der Rollschuhläufer hatte den Vorgang bemerkt. Er sauste auf Kuruzin zu, fuhr einige verwegene Achter und schwang dabei affektiert den pelzbesetzten Federhut sowie in wechselseitiger Anhebung beide Beine durch die Luft.