Perry Rhodan 50: Der Einsame der Zeit - K.H. Scheer - E-Book

Perry Rhodan 50: Der Einsame der Zeit E-Book

K.H. Scheer

5,0

Beschreibung

Anfang eines neuen, faszinierenden Abenteuers - Höhepunkt der Perry-Rhodan-Serie Trotz geschickter Schachzüge im galaktischen Raum mußte Perry Rhodans Streben nach Macht und Anerkennung der Menschheit im Universum letztlich Stückwerk bleiben, denn die der Menschheit seinerzeit zur Verfügung stehenden Mittel waren, an den Maßstäben des Universums gemessen, zu klein. Seit der angeblichen Vernichtung der Erde im Jahre 1984 sind inzwischen 56 Jahre vergangen. Eine neue Menschengeneration ist herangewachsen. Wie sich seinerzeit aus der "Dritten Macht" die terranische Weltregierung entwickelte, so ist aus eben dieser Weltregierung inzwischen längst die Organisation des Solaren Imperiums entstanden. Mars, Venus, die Jupiter- und Saturnmonde sind besiedelt, und die für Besiedlungszwecke ungeeigneten Welten des Solarsystems dienen als terranische Stützpunkte oder aber als unerschöpfliche Fundgruben für Bodenschätze aller Art. Andere Intelligenzen sind im Solarsystem nicht entdeckt worden. Die Terraner sind somit die unbestrittenen Beherrscher eines kleinen Planetenreiches, dessen Mittelpunkt die Erde bildet. Dieses technisch und zivilisatorisch hochstehende Planetenreich besitzt natürlich eine schlagkräftige Raumflotte, die in der Lage sein sollte, jedem Angreifer die Stirn zu bieten. Und damit scheint für Perry Rhodan die Grundlage zu einem neuen Vorstoß in den interstellaren Raum gegeben. Doch bevor es dazu kommt, begegnet Perry Rhodan dem EINSAMEN DER ZEIT...

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Nr. 50

Der Einsame der Zeit

Anfang eines neuen, faszinierenden Abenteuers – Höhepunkt der Perry-Rhodan-Serie

von K. H. SCHEER

Trotz geschickter Schachzüge im galaktischen Raum musste Perry Rhodans Streben nach Macht und Anerkennung der Menschheit im Universum letztlich Stückwerk bleiben, denn die der Menschheit seinerzeit zur Verfügung stehenden Mittel waren, an den Maßstäben des Universums gemessen, zu klein.

Seit der angeblichen Vernichtung der Erde im Jahre 1984 sind inzwischen 56 Jahre vergangen.

Eine neue Menschengeneration ist herangewachsen. Wie sich seinerzeit aus der »Dritten Macht« die terranische Weltregierung entwickelte, so ist aus eben dieser Weltregierung inzwischen längst die Organisation des Solaren Imperiums entstanden.

Mars, Venus, die Jupiter- und Saturnmonde sind besiedelt, und die für Besiedlungszwecke ungeeigneten Welten des Solarsystems dienen als terranische Stützpunkte oder aber als unerschöpfliche Fundgruben für Bodenschätze aller Art.

Andere Intelligenzen sind im Solarsystem nicht entdeckt worden. Die Terraner sind somit die unbestrittenen Beherrscher eines kleinen Planetenreiches, dessen Mittelpunkt die Erde bildet.

Dieses technisch und zivilisatorisch hochstehende Planetenreich besitzt natürlich eine schlagkräftige Raumflotte, die in der Lage sein sollte, jedem Angreifer die Stirn zu bieten.

Und damit scheint für Perry Rhodan die Grundlage zu einem neuen Vorstoß in den interstellaren Raum gegeben.

Die Hauptpersonen des Romans

Atlan alias Phil Holding alias Skörld Gonardson – Der Einsame der Zeit.

Tombe Gmuna – Ein junger Leutnant mit viel Humor.

Generalleutnant Peter Kosnow – Der Chef der solaren Abwehr.

Perry Rhodan

1.

Das Flüstern wurde zum lauten Gelächter. Jemand erklärte, ein solcher Unsinn sei ihm noch nie unter die Augen gekommen.

Eine dunkle Frauenstimme fiel ein. Das Gelächter erstarb abrupt.

»Wie bitte?«, fragte ein Mann bestürzt. »Sie wollen behaupten, das entspräche auch nur annähernd der Wahrheit?«

Ärger lag in der Stimme der Frau. Dann kam wieder das dröhnende Lachen. Es konnte nur Hiob sein. Niemand lachte so laut über irgendwelche Nichtigkeiten wie Hiob Malvers.

»Quatsch!«, stellte eine andere Stimme sachlich fest. »Halluzinationen oder was weiß ich. Man wird sie zur Landung gezwungen haben. Ihr wisst doch alle, wie das drüben gemacht wird, oder?«

Hiob ließ sich wieder vernehmen. Er lachte wieder. Wenn er doch nur einmal sein unmotiviertes Lachen unterdrücken könnte!

Ich hatte ihn nie leiden können, jetzt aber noch viel weniger. Er war ein kleiner, rundlicher Typ mit rosigen Wangen und kalten Augen. Wenn in meiner Abteilung etwas schiefging, steckte garantiert Hiob Malvers dahinter.

»Ruhe!«, sagte ich wütend, »zum Teufel, haltet endlich Ruhe. Es kann uns vorerst gleichgültig sein, ob die Landung freiwillig erfolgte oder nicht.«

»Sicher«, brummte Billy Plichter, »Okay, fangen wir an. Wie war das nun, Olaf? Wieso muss die neue Teftris-Gleichung generell unrichtig sein? He, Olaf, was ist denn? Olaf, he, Sie meine ich! Olaf, warum stimmt die Gleichung nicht? Olaf ... Olaf ... Olaf ...!«

Der Ruf wurde lauter. Mir war, als begännen winzige Glocken in meinem Schädel zu schwingen. Ich hörte mich antworten, und doch sprach ich nicht. Olaf – das war ich! Es war ganz zweifellos mein Name, der da immer wieder und in stetig steigender Lautstärke gerufen wurde. Ich fühlte, dass die Schmerzen in meinem Kopf stärker wurden. Billy Plichter war erbarmungslos mit seinem Drängen. Ich hatte die Ruhe verdient; sicher hatte ich sie verdient!

Jemand begann zu sprechen. Es dauerte eine Weile, bis ich die Worte erfasste. Sie kamen aus meinem Mund. Ich hätte lachen mögen, doch da brandete der ziehende Schmerz auf.

Dicht neben mir zischte etwas. Das kurze Ziehen in meinem Oberschenkel verging sofort. Wohlige Wärme durchrieselte meinen Körper, und ich wunderte mich über den Arzt, der mir in Gegenwart anderer Personen eine Injektion verabreichte.

Ich schämte mich! Da war doch »Willy« Fergusen im Raum! Wie konnte man mir vor ihren Augen eine Hochdruckspritze geben. Sicherlich hatte man meinen Oberschenkel entblößen müssen!

Vor meinen Augen wallten feurige Nebel. Die Schmerzen in meinem Gehirn wurden zu einem dumpfen Pochen. Es war auszuhalten.

Als mein klares Sehvermögen zurückkehrte, wusste ich plötzlich, dass »Willy« Fergusen doch nicht im Zimmer sein konnte. Hiob lachte schon wieder, aber auch er war nicht wirklich da. Dicht vor mir leuchtete der große Bildschirm in strahlender Helligkeit.

Verwundert sah ich zu dem farbigen Bild hinüber. Meine Mitarbeiter unterhielten sich über Dinge, die mir sehr wohl bekannt waren. Ich weilte mitten unter ihnen, und trotzdem lag ich hier.

Das scharfe Bild verflimmerte plötzlich. Eine moderne Uhr mit Jahresskala erschien auf dem Schirm. Jemand verkündete feierlich: »Die Zeit ist um, Gebieter.«

Wann hatte man mich wohl zum letzten Male »Gebieter« genannt? Mühsam drehte ich den Kopf.

»Wie bitte?«, fragte ich mit schwerer Zunge.

»Die Zeit ist um, Gebieter!«, drang die gleiche Stimme an mein Ohr. Diesmal klang sie nicht mehr so feierlich, sondern mehr metallisch schwingend.

Ricos Plastikgesicht hatte sich verbindlich gefaltet. Er lächelte! Ich blinzelte zu ihm hinauf, bis ich seine starren, unpersönlichen Augen gefunden hatte.

»Hallo«, sagte ich schwach, »ist das Rico?«

»Das ist Rico, Gebieter. Die Zeit ist um. Ich war gezwungen, dich aufzuwecken. Genau neunundsechzig Jahre, Gebieter.«

Ich ärgerte mich über den devoten Ausdruck. Man sollte hochwertige Roboter nicht so schalten, dass sie bei jeder Gelegenheit eine unterwürfig klingende Anrede gebrauchen. Wie war das aber mit den erwähnten 69 Jahren gewesen?

Der Gedanke daran ließ mich zusammenfahren. Es war so, wie es immer gewesen war: Die Erkenntnis kam mit schmerzhafter Eindringlichkeit. Ich richtete mich auf.

Rico griff sofort zu. Ich spürte den harten Stahl unter der leicht elastischen Plastikverkleidung seiner Hand. Ich stöhnte unterdrückt. Meine Gelenke schienen Rost angesetzt zu haben. Schließlich sah ich wieder zu der Uhr auf dem Bildschirm hinüber.

»Nur neunundsechzig Jahre? Ich hatte für siebzig justiert. Was ist los?«

Rico war so stur, wie es nur eine Maschine sein konnte.

»Nur neunundsechzig Jahre, Gebieter«, erklärte er unbewegt. »Ich erhielt den Kommandoimpuls vor genau sechsunddreißig Stunden, drei Minuten und achtzehn Sekunden.«

Also hatte man diesmal runde 36 Stunden benötigt, um mich aus dem todesähnlichen Bio-Tiefschlaf aufzuwecken.

Zu lange, viel zu lange!, signalisierte mein Gehirn. Dann fragte ich mich wieder, welcher winzige Schaltfehler zu einer Zeitdifferenz von einem Jahr geführt hatte. Sicherlich war es meine eigene Schuld gewesen. Es war damals alles so schnell gegangen; damals, als sie oben mit dem atomaren Unfug begannen.

Eine mechanische Sprecheinheit meldete sich. Ich fuhr wieder zusammen. Die Uhr verschwand vom Bildschirm. Die Bildton-Spule hatte ihren Zweck erfüllt. Leute von meiner Art benötigten im Augenblick des Aufwachens akustische und optische Eindrücke aus der Zeit unmittelbar vor Beginn der biomedizinischen Einschlaf-Prozedur. Ich erinnerte mich, dass ich die vorsorglich angefertigte Spule in die Zeitautomatik geschoben hatte.

Hiobs aufdringliches Gelächter hatte mir gut geholfen. Wahrscheinlich wäre ich sonst nicht so rasch munter geworden.

Ricos runder Plastikschädel schob sich in mein Blickfeld. Er gehörte zu den wenigen Robotern, die speziell für die Überwachung und Wartung der Kuppel-Maschinen konstruiert worden waren. Seine Sprachbegabung war eine positronisch-logistische Spielerei mit seinem ultraschnell arbeitenden Auswertungssektor, der mathematische Ergebnisse in verständliche Laute umwandelte. Es war ein Hilfsmittel zur Anreizung meiner nur langsam munter werdenden Sinne. Immerhin musste ich jetzt mit jemand sprechen, auch wenn der Partner nur eine Maschine war. Ricos Sprachschatz war ohnehin begrenzt.

Rechts neben dem Ruhelager war die vom Zentralgehirn ferngesteuerte Aktivierungsdusche aufgefahren. Der kleine Raum glich einem modernen Operationssaal, nur dass es hier keine Ärzte gab. Die auf meine Körperzellen einwirkenden biochemischen Reizstoffe wurden teils eingespritzt, teils in der Form variabler Strahlungen abgegeben. Über meinem Kopf lastete noch die glitzernde Haube des Schwingungsgenerators, der mir wohl die ersten Sinneseindrücke vermittelt hatte.

Ich blieb eine Stunde lang still liegen und dachte dabei über die Gründe nach, die mich zu diesem Tiefschlaf verleitet hatten.

Richtig – vor 69 Jahren, Anfang Juli 1971, hatten die Verantwortlichen der drei großen Staatenblöcke die Nerven verloren. Ich war in meiner unterseeischen Kuppel verschwunden, als in Asien die ersten Atomraketen starteten. Wahrscheinlich hatte ich es gerade noch geschafft, der sinnlosen Vernichtung zu entgehen. Was war aber aus den vielen Menschen auf allen Kontinenten der Erde geworden? Die Vorstellung um das Schicksal von Milliarden war zu grauenhaft, um kalt und nüchtern durchdacht zu werden. Ich wusste in diesen Augenblicken nur, dass ich wahrscheinlich der letzte Mensch auf der Erde war.

Mensch!, lachte ich bitter auf.

Rico kam sofort näher. Wenn seine mechanischen Sehwerkzeuge Besorgnis verraten konnten, dann taten sie es jetzt.

Ich blieb still liegen und genoss die zugreifenden Weichplastik-Hände der vielarmigen Massage-Maschine. Die Knetkur war unbedingt erforderlich, wenn ich meinen Körper wieder unter Kontrolle bekommen wollte.

Es dauerte nochmals einige Stunden, bis ich mich vom Lager erheben konnte. Ein Pressluftstrom fauchte durch die feinen Poren des Schaumstoffes. Dort, wo ich im Laufe von 69 Jahren Vertiefungen eingelegen hatte, entstand wieder eine glatte Oberfläche.

Nackt, noch völlig geschwächt und von wirren Gefühlsstürmen geschüttelt, ließ ich mich von Rico aus dem Schlafraum führen. Draußen, im freundlich eingerichteten Vorzimmer, war die Farborgel in Tätigkeit getreten. Sinnesberuhigende Wellenmuster überfluteten die Wände. Die zarten Klänge einer alten Komposition drangen wohltuend auf mich ein.

Die wenigen Meter waren kolossal anstrengend. Seufzend ließ ich mich in die weichen Polster des Vibratorsessels sinken, der die harte Knetmassage der Robothände wesentlich unaufdringlicher fortsetzte.

Rico reichte mir die ersten flüssigen Nährstoffe. Noch durfte ich meinem Magen keine festen Substanzen anbieten. Überhaupt würde ich noch mindestens drei bis vier Tage benötigen, um wieder einigermaßen fit zu sein.

Rico schob den fahrbaren Spiegel näher und richtete das Ruhelager auf. Ich war kaum abgemagert, ein Zeichen dafür, dass mein Körper sehr gut auf den Tiefschlaf reagiert hatte.

Ich winkte kurz ab und sah zu, wie er den Spiegel in die Wandvertiefung zurückschob. Dann blieb die Maschine dicht vor mir stehen. Ricos Gesicht hätte menschlich wirken können, wenn es nicht so farblos und wächsern gewesen wäre.

»Freund, ich gäbe etwas dafür, wenn an deiner Stelle ein wirklicher Mensch stünde«, sagte ich schwach. »Wie sieht es oben aus?«

»Sehr viel Wasser, Gebieter«, antwortete mein Leibdiener diplomatisch.

Ich beobachtete ihn scharf. War die Antwort nun ein psychologischer Trick zur Entfachung eines gewissen Zorngefühles gewesen, oder wusste es Rico nicht besser?

»Natürlich viel Wasser. Wir befinden uns auf dem Grund des Atlantischen Ozeans, südlich der Azoreninsel Sao Miguel. Hier beginnt der bekannte Azorengraben mit seinen gewaltigen Meerestiefen. Also ist über uns ausschließlich Wasser. Ich will jedoch wissen, wie es auf dem europäischen Festland aussieht. Wie hat sich der Atomkrieg in Spanien und Frankreich ausgewirkt?«

»Unbekannt, Gebieter.«

Nun schoss mir das Blut ins Gesicht. Ricos untertäniges Plastiklächeln erschien mir plötzlich als höhnische Grimasse.

»Wieso?«, rief ich scharf aus. Meine Stimmbänder begannen bereits wieder einwandfrei zu funktionieren. »Warum erfolgte nicht die von mir angeordnete Oberflächenbeobachtung?«

»Durch deine Schuld, Gebieter. Alle drei Fernseh-Relaisstationen wurden von Flugzeugen abgeschossen. Wir waren darüber informiert, dass ein Start der Aufnahmesphären sinnlos sein müsse, da die Luft des Planeten von Kriegsmaschinen wimmelte. Wir hatten jedoch deinen Befehl erhalten.«

Enttäuschung, Schreck und Zorn über meine eigene Unvorsichtigkeit überfluteten mich wie eine Woge. Selbstverständlich hatten die Robots nicht anders handeln können, nachdem ich Narr voreilig die Anweisung erlassen hatte, die wichtigsten Kontinente sofort zu beobachten. Ich hatte direkt nach meinem planmäßigen Aufwachen erfahren wollen, was während des Krieges geschehen war.

Nun war ich völlig abgeschnitten! Ich war nicht nur das einsamste Lebewesen auf der Erde, sondern auch noch das unwissendste. Über dem stählernen Gewölbe meiner Tiefsee-Druckkuppel lastete eine gewaltige Wassermauer. Natürlich hatte sie mich vor den tödlichen Strahlungen der zahllosen Kernreaktionen bewahrt, aber damit war mir kaum gedient.

Brennendes Verlangen nach einem einzigen Wort aus menschlichem Munde überfiel mich mit solcher Stärke, dass mir leicht übel wurde.

Ächzend richtete ich mich auf. Unwillig sah ich über die scheußlichen Operationsnarben kreuz und quer über meiner Magendecke hinweg. Daran ließ sich kaum noch etwas ändern, zumal mir neugierige Fragen mehr als unwillkommen gewesen wären.

Außerdem: Welcher Arzt hätte die teils völlig verknoteten Überbleibsel haarsträubender Eingriffe jetzt noch beseitigen sollen! Wahrscheinlich gab es auf der ganzen Erde keinen guten Chirurgen mehr. Vor 69 Jahren war das atomare Unheil über die Menschheit hereingebrochen. Die Ärzte, die damals ihre Ausbildung schon abgeschlossen hatten, mussten längst verstorben sein; selbst dann, wenn sie dem allgemeinen Weltuntergang durch glückliche Umstände entronnen waren.

»Meine Kleider!«, fuhr ich den Robot an.

»Welche, Gebieter?«

»Die, die ich zuletzt getragen habe.«

»Du bist noch zu schwach, Gebieter. Die zweite Stärkungsperiode beginnt eben erst.«

Ich resignierte. Gegen die logischen Einwände einer hochwertigen Maschine kommt man nur selten an.

Ich tappte mit Ricos Hilfe zu den Zentralschaltungen hinüber und ließ mich in dem bequemen Drehsessel nieder. Punkt für Punkt ging ich die vorgeschriebenen Wartungskontrollen durch.

Auf dem großen Bildschirm erschienen die einzelnen Abteilungen meiner absolut bombensicheren Tiefsee-Stahlkuppel. Hier unten war auch von einem Atomkrieg nichts zu spüren gewesen.

Die Energie-Hauptstation war seit jeher mein Sorgenkind. Die Reaktoren II und III standen auf Ruheschaltung. Nummer I lief mit knapp 20 Prozent des Maximalwertes.

Ich schaltete die Untersee-Bildbeobachtung ein. Die außerhalb der Kuppel montierten Infrarot-Taster zeigten ein klares, scharfgestochenes Abbild meiner Behausung auf dem Grund des Meeres.

Vor dem Südausgang hatten sich gewaltige Schlammengen angelagert. Die obere Kuppelschleuse war jedoch in Ordnung. Ich ließ Reaktor I auf volle Leistung klettern, um genügend Energie für die Stoßfeld-Projektoren zur Verfügung zu haben.

Zum ersten Male seit 69 Jahren liefen die großen Maschinen an. Weit unter mir klangen Geräusche auf. Das dumpfe Brummen traktierte meine Gehörnerven, aber draußen geriet der angeschwemmte Schlamm in Bewegung.

Der konzentrierte Strahldruck von vierzigtausend Tonnen Schubleistung pro Kubikmeter wurde leicht mit dem Material fertig. Innerhalb von wenigen Minuten war auch die große Südschleuse einwandfrei geräumt.

Anschließend versuchte ich, meinen kleinen Fernsehsatelliten über Funk zu erreichen. Das nur zwei Meter durchmessende Kugelgebilde hatte noch vor Beginn des Krieges auf einer kurzen zwei-Stundenbahn die Erde umkreist. Die sehr guten Einrichtungen hatten solche Vergrößerungsschaltungen erlaubt, dass das einwandfreie Erkennen eines menschengroßen Objektes möglich war.

Ich erhielt keine Verbindung. Das im Satelliten eingebaute Mikrogehirn meldete sich nicht.

»TEK-1 ist damals abgeschossen worden, Gebieter«, berichtete Rico sachlich. »Es geschah zwei Tage nach deinem Einschlafen. Ein Jäger der russischen Raumabwehr-Brigade hielt unseren Satelliten für ein amerikanisches Erzeugnis.«

Ich winkte wortlos ab. Selbstvorwürfe peinigten mich. Ich hatte viele Fehler begangen, als ich in panischer Angst um mein Leben in die Tiefsee geflüchtet war.

Jetzt war ich von der Oberfläche abgeschnitten. Ich erkundigte mich beim Zentralgehirn nach Messergebnissen. Wenn die Kontinente radioaktiv verseucht waren, so bestand die Möglichkeit, dass auch die Meeresströmungen schädliche Partikel mit sich führten.

»Keine Gefahr in unmittelbarer Umgebung«, gab das Positronengehirn meiner Kuppel durch. »Feintaster stellen jedoch eine starke Strahlungsquelle im Azorengraben fest. Wert schwankt je nach Meeresströmung zwischen sechseinhalb und fünfunddreißig Milliröntgen, Ende.«

Ich stöhnte unterdrückt auf. Fünfunddreißig Milliröntgen waren gefährlich – und das in einer Tiefe von 2852 Meter unter der Meeresoberfläche!

Ich versuchte, einen relativistischen Vergleich zur Strahlungsintensität auf dem Festland zu finden. Wenn wir hier unten schon fünfunddreißig Milliröntgen hatten, dann musste es oben fürchterlich sein!

Mit welchen radioaktiven Isotopen hatte man da nur gearbeitet? Meinen Berechnungen gemäß, war die Halbwertszeit der meisten Isotope so kurz, dass mit einer nennenswerten Strahlung nach 69 Jahren kaum noch zu rechnen war!

Nachdem ich alle Anlagen meiner Kuppel kontrolliert hatte, wusste ich, dass ich auf dem schnellsten Wege nach oben musste! Vielleicht konnte ich noch helfen; vielleicht konnte ich einige Überlebende mit Nahrungsmitteln und Medikamenten versorgen. Ich war in jeder Hinsicht gut versorgt. Wenigstens tausend Menschen hätte ich ernähren, kleiden und schulen können. Unter Umständen lag es an mir, dem Rest der Menschheit einen neuen Start zu ermöglichen. Dabei fragte es sich nur, inwieweit die schädigende Strahlung auf die Erbmasse der Überlebenden eingewirkt hatte. Vielleicht hatte es furchtbare Mutationen gegeben.

Von tiefer Unruhe erfüllt, verließ ich den Kontrollsektor meiner Stahlkuppel. Eins stand fest: Ich musste so schnell wie möglich nach oben, um zu sehen, was aus den Menschen geworden war.

Helfen!, hämmerte es in meinem Schädel. Ich dachte an meine Freunde und Bekannten zurück. Sogar Hiob Malvers hatte zu ihnen gezählt, obwohl er mir oftmals auf die Nerven gegangen war. Wie sehr vermisste ich nun sein lautes Gelächter!

Ich entschloss mich, die alte Tonbild-Spule nochmals ablaufen zu lassen.

2.

Die Zusammenstellung meiner Ausrüstung war ein einfaches Rechenexempel gewesen. In einer Einöde benötigt man weder Angriffswaffen noch spezielle Mittel zur Abwehr.

Dagegen hatte ich aber für einen einwandfreien Schutz gegen radioaktive Strahlungen gesorgt und meinen Anzug-Reaktor voll aufgeladen. Energie würde ich wohl reichlich benötigen.

Der Zellschwingungsaktivator, mein kostbarster Besitz überhaupt, war von der positronischen Feinautomatik neu abgestimmt worden. Infolge des langen Bioschlafes hatten sich die Individualfrequenzen meiner Zellmoleküle etwas verändert.