Perry Rhodan 52: Exil im Hyperraum (Silberband) - Clark Darlton - E-Book

Perry Rhodan 52: Exil im Hyperraum (Silberband) E-Book

Clark Darlton

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Beschreibung

Gleich in zwei Galaxien tobt der Kampf zwischen den Cappins aus der Galaxis Gruelfin und den Menschen: In der heimatlichen Milchstraße bringen die sogenannten Pedotransferer mit Hilfe ihrer Gedankenkraft immer mehr Menschen unter ihren Einfluss, und in Gruelfin versucht Perry Rhodan mit seinen Gefährten das Übel direkt anzugehen. Perry Rhodan und die Besatzung der MARCO POLO sind weiterhin auf der Flucht vor den Takerern, während sie gleichzeitig nach dem verschollenen Volk der Ganjasen suchen. Mit dabei: der Cappin Ovaron, der ehemalige Herrscher der Ganjasen. Ein Hyperimpuls aus dem Nichts ist der Beginn einer phantastischen Jagd - und das Signal für den "Dieb von Gruelfin". Florymonth ist der Name des unheimlichen Wesens, das Perry Rhodan und Atlan dazu zwingt, die Bewusstseine der Cappins Ovaron und Merceile aufzunehmen. Dann werden Atlan und Rhodan in die Unendlichkeit geschleudert. Auf diese Weise finden sie immerhin das Versteck der Ganjasen - aber sie treffen auf mächtige Feinde, die nichts von einer Rückkehr ihres Herrschers halten ..

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Seitenzahl: 728

Veröffentlichungsjahr: 2011

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Nr. 52

Exil im Hyperraum

Cover

Klappentext

Vorwort

Zeittafel

Prolog

Kapitel 1-10

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

Kapitel 11-20

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

Kapitel 21-39

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

31.

32.

33.

34.

35.

36.

37.

38.

39.

Impressum

Gleich in zwei Galaxien tobt der Kampf zwischen den Cappins aus der Galaxis Gruelfin und den Menschen: In der heimatlichen Milchstraße bringen die so genannten Pedotransferer mit Hilfe ihrer Gedankenkraft immer mehr Menschen unter ihren Einfluss, und in Gruelfin versucht Perry Rhodan mit seinen Gefährten das Übel direkt anzugehen.

Perry Rhodan und die Besatzung der MARCO POLO sind weiterhin auf der Flucht vor den Takerern, während sie gleichzeitig nach dem verschollenen Volk der Ganjasen suchen. Mit dabei: der Cappin Ovaron, der ehemalige Herrscher der Ganjasen. Ein Hyperimpuls aus dem Nichts ist der Beginn einer phantastischen Jagd – und das Signal für den »Dieb von Gruelfin«.

Vorwort

Am Cappin-Zyklus (mit dem wir in diesem 52. Band der PERRY RHODAN-Bibliothek ein gutes Stück weiterkommen) scheiden sich die Geister – ich habe nie etwas anderes erwartet. Das war schon Anfang der 70er Jahre so und spiegelt sich entsprechend bei der heutigen Buchausgabe wider.

Dabei geht es nicht einmal um die Handlung, sondern um die Frage, ob die Auslassungen (erste Zeitreise) wirklich nötig und vertretbar waren oder ob man nicht noch viel straffer kürzen sollte.

Glücklich sind wir über keine einzige Auslassung, ob es sich nun um einen Roman handelt oder um gleich mehrere. Ob man die erste Zeitreise mit dem Nullzeitdeformator vielleicht einmal als Sonderband der PR-Buchausgabe veröffentlichen sollte, ist eine Frage, die einmal zur Diskussion gestellt werden könnte (wobei gleiches für frühere Auslassungen von ganzen Themenbereichen gälte, etwa den Obmann-Zyklus oder Kurt Mahrs Siedlerabenteuer). Hier wäre ein starkes Leservotum sicher eine Entscheidungshilfe.

Was die Befürworter einer strafferen Handlungsführung angeht, bin ich allerdings nicht bereit, mich Vorstellungen anzuschließen, denen zufolge z.B. der komplette Altmutanten-Zyklus Ende der 500er Bände »rausfliegen« soll. Mit dem Cappin-Zyklus hatten wir, völlig erwartungsgemäß und auch an dieser Stelle vielbeschrieben, zu kämpfen. Die Mehrheit der sich äußernden Leser ist offenbar sehr zufrieden mit dem Ergebnis und dem zügigen Vorgehen. Für die Handlung ab Band 500 (Hefte), also ab Buch 55, dem Schwarm-Zyklus, kann ich guten Gewissens versprechen, dass es nicht mehr zu Auslassungen in der momentan (leider noch) stattfindenden Form kommen wird. Nicht zuletzt deshalb, weil mit diesem Zyklus die »moderne« PERRY RHODAN-Serie erst richtig beginnen wird. Der Grundstein für alles, was sich bis in die Tausender-Bände hinein zu einem faszinierenden kosmischen Gesamtbild steigern wird, wird dort gelegt.

Aber noch ist es nicht soweit, und auch die Romane, die in diesem Buch Aufnahme fanden, haben es diesmal wieder in sich. Es sind: Der letzte Mann der DOLDA (467), Der Telekinet (468) und Ganjo-Alarm (479) von Clark Darlton; Der Dieb von Gruelfin (480), Die Clique der Verräter (481) und Das Ende der ODIKON (484) von William Voltz; Im Zeichen des Ganjos (483) von H. G. Ewers.

Für alle Zuschriften mit durchweg konstruktiver Kritik, Tadel und Lob bedanke ich mich herzlich. Sie zeigen, dass wir auf schwieriger Strecke doch den richtigen Weg gegangen sind.

Zeittafel

1971 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest.

1972 – Mit Hilfe der arkonidischen Technik gelingt die Einigung der Menschheit.

1976 – Das Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit.

1984 – Galaktische Großmächte versuchen, die aufstrebende Menschheit zu unterwerfen.

2040 – Das Solare Imperium ist entstanden und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar.

2400 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Terrorregime der Meister der Insel.

2435 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Perry Rhodan wird nach M 87 verschlagen. Nach seiner Rückkehr Sieg über die Erste Schwingungsmacht.

2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben.

3430 – Um einen Bruderkrieg zu verhindern, lässt Rhodan das Solsystem in die Zukunft versetzen. Bei Zeitreisen lernt er den Cappin Ovaron kennen.

3437/38

Prolog

Seit dem Aufbruch der MARCO POLO zur über 35 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernten Galaxis NGC 4594 sind mittlerweile mehr als acht Monate vergangen. In dieser Zeit haben die achttausend Expeditionsteilnehmer bereits vieles über die Heimatgalaxis der Cappins erfahren können, doch noch immer sucht Ovaron, der nach 200.000 Jahren endlich zurückgekehrte rechtmäßige Herrscher, nach seinem verschollenen Volk, den Ganjasen. Perry Rhodans Interesse hingegen gilt hauptsächlich der solaren Menschheit, denn inzwischen kann kaum noch ein Zweifel daran bestehen, dass die Cappins eine Invasion der Milchstraße vorbereiten.

Seitdem Ovaron, der Ganjo, vor 200 Jahrtausenden zur Erde aufbrach, um dort die verbrecherischen Bioexperimente cappinscher Wissenschaftler und Verschwörer zu stoppen, hat sich in NGC 4594 vieles zum Schlechten entwickelt. Gruelfin, wie die Cappins ihre Galaxis nennen, wird von den Takerern beherrscht, einem von vielen Cappin-Völkern. Andere sind die Wesakenos, die sich als »Wahrer der Gerechtigkeit« bezeichnen, oder die Moritatoren, die von Stern zu Stern fliegen und die angeblich bevorstehende Rückkehr des Ganjos verkünden. Seltsamerweise genießen sie eine Art Narrenfreiheit, während jeder andere Aufstand gegen die Terrorherrschaft von den Takerern erbarmungslos bestraft wird.

Zeugnis davon legen zahlreiche zerstörte Planeten ab. Wo Ganjasen-Nachkommen überlebt haben, sind diese mutiert und haben sich vor der harten Strahlung unter die Oberfläche geflüchtet. Es kommt zu ersten Auseinandersetzungen zwischen Terranern und Takerern, und auf der Zentralwelt der Moritatoren decken Perry Rhodan und seine Gefährten einen von langer Hand vorbereiteten Coup der Takerer auf, der auch die Duldung der Moritatoren erklärt: Die Herrscher Gruelfins wollen sich den Ganjo-Kult zunutze machen und allen Cappins einen falschen Ovaron präsentieren. Rhodan und der echte Ganjo können diese Pläne durchkreuzen, doch der Planet der Moritatoren, Molakesch, stirbt im Atombrand.

Terranische Erkundungskommandos entdecken, dass auf dem Planeten Leffa Pedopeilstationen vom Typ des Todessatelliten hergestellt werden. Das Alter der Fertigungsanlagen deutet darauf hin, dass solche riesigen Stationen bereits in der Milchstraße installiert wurden. Das bedeutet, dass unzählige Cappins mit der Gabe der Pedotransferierung schon damit begonnen haben könnten, unbemerkt in die Menschheitsgalaxis einzusickern.

Ovaron klammert sich verzweifelt an die Hoffnung, dass sein Volk doch noch existiere, und gibt die Suche nicht auf. Perry Rhodan ist bereit, ihn nach Kräften zu unterstützen – doch seine eigenen Sorgen wachsen mit jedem Tag und jedem neuen Hinweis auf eine bereits angelaufene Cappin-Invasion. Was Pedotransferer (nicht alle Cappins sind mit der Gabe ausgerüstet) anrichten können, wenn sie Menschen geistig übernehmen, haben die Terraner schon zu spüren bekommen. Eine Pedoinvasion wäre mit nichts zu vergleichen, was je über die Völker der Milchstraße gekommen ist.

Noch befindet sich die MARCO POLO im Ortungsschatten einer Sonne und beobachtet die Vorgänge im Deep-Purple-System und auf Takera, der Hauptwelt des Gegners, aus dessen Gefangenschaft Perry Rhodan und einige Gefährten erst nach vielen gefährlichen Abenteuern entkommen sind. Dabei haben sie die so genannten Vasallen kennengelernt, seltsame Roboter, von denen Tausende zu einer größeren Einheit gehören, einem so genannten Sammler – der wiederum zu einer geheimnisvollen »Urmutter« zu gehören scheint.

1.

Milchstraße

März 3117

Kurz nachdem die DOLDA den Blues-Sektor der Milchstraße verlassen hatte, begann die Katastrophe. Allerdings ahnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand an Bord den ganzen Umfang des Unglücks, das über sie hereinbrach und dem niemand entgehen würde.

Aber Regus Ferrin hatte ja von Anfang an herumgeunkt, als sie den verbotenen Blues-Sektor anflogen, um dort ihre Ladung mit wertvollen Pelzen und Rohstoffen loszuwerden. Sie kamen von dem Planeten Imax-Neo, einem der berüchtigtsten Umschlagplätze für illegale Handelswaren. Und die DOLDA führte in der Hauptsache illegale Handelswaren.

Regus Ferrin war der stellvertretende Kommandant der DOLDA, einem uralten Kugelraumer der Handelsklasse mit sechzig Metern Durchmesser und bald auseinanderfallenden Kalupkonvertern. Schon seit Jahren hätte das Schiff überholt werden müssen, aber Balton Wyt hatte immer wieder müde abgewinkt, wenn ihm jemand damit kam.

Noch hielt die künstliche Atmosphäre im Schiff, noch erneuerte sich der Sauerstoffvorrat in den entsprechenden Klimaanlagen, und noch ging das Schiff nach Bedarf in den Linearraum. Noch fiel es eben nicht auseinander, allen Voraussagen zum Trotz.

Balton Wyt lag auf seinem Bett, angezogen und unrasiert, als Regus Ferrin ohne anzuklopfen eintrat und sich in den nächstbesten Sessel warf. Er entzündete eine dicke, übelriechende Zigarre und verpestete mit ihr die Luft.

»Ich habe es ja gesagt, Balton, und du hast nicht auf mich gehört!«

Der Kommandant des Handelsschiffes, wie er den alten Kasten selbst gern nannte, drehte sich unwillig auf die andere Seite und musterte den Störenfried aus zusammengekniffenen Augen. Er war über ein Meter neunzig groß, stark gebaut und hatte schulterlange, rote Haare. Seine Stimme war schleppend.

»Was hast du gesagt, mein lieber Regus?«, fragte er.

»Dass wir nicht heil zurückkehren würden. Es ist verboten, von Terra aus den Blues-Sektor anzufliegen. Wir haben das Gesetz übertreten.«

Balton Wyt gähnte gelangweilt.

»Na und? Haben wir nicht glänzende Geschäfte gemacht? Haben wir die Eingeborenen von Imax-Neo nicht phantastisch übers Ohr gehauen? Sind unsere Laderäume nicht vollgestopft mit Gütern, für die wir auf dem nächstbesten Handelsplaneten das Zehnfache unseres Einsatzes zurückerhalten? Möchte wissen, was du hast!«

»Ich habe noch nichts, aber Bronchus hat etwas! Er ist krank!«

Balton Wyt gähnte abermals.

»Und das nennst du eine Neuigkeit? Bronchus ist doch immer krank, wenn es irgendwo nach Arbeit riecht. Hattest du ihn vielleicht aufgefordert, Staub zu wischen?«

Regus Ferrin blieb ernst.

»Er hat blauschwarze Flecken am ganzen Körper. Sieht aus wie die Pest. Erbrechen, Durchfall, Übelkeit, Schmerzen, Fieber ...«

»Hör auf, das reicht!« Balton Wyt richtete sich ein wenig auf und achtete darauf, dass er mit dem Kopf nicht gegen die Kontrollinstrumente stieß, die rings um sein Bett in sinnvoller Art und Weise angebracht waren. Er war durchaus in der Lage, die DOLDA von hier aus manuell zu steuern. »Sonst noch jemand?«

»Es sieht nicht so aus.«

»Er muss sofort isoliert werden. Sperr ihn irgendwo ein. Und da bleibt er, bis wir ihn absetzen können.«

»Und wenn er uns schon angesteckt hat?«

Balton Wyt ließ sich in die Kissen zurücksinken. Er schloss die Augen. Seine Gedanken kehrten zurück zu jenem Augenblick, in dem er auf dem Raumhafen von Imax-Neo den Kranken gesehen hatte. Der Mann musste ein Angestellter der dortigen Behörde gewesen sein, jedenfalls trug er eine Uniform und hatte mit der Abfertigung von Zollgütern zu tun. Sein Gesicht wies drei oder vier blauschwarze Flecken auf, die Balton zuerst für Geburtsmale gehalten hatte. Aber dann hatte er aus der Ferne gesehen, wie der Mann plötzlich wankte und sich setzte. Sekunden später waren zwei andere Angestellte dagewesen, hatten ihn gepackt und davongeschleppt.

Die Erinnerung an das scheinbar bedeutungslose Ereignis zog im Bruchteil eines Augenblicks an ihm vorüber.

»Blauschwarze Flecken sagst du?«

»Ja«, gab Regus zur Antwort. »Sie werden dick wie Blasen, und dann platzen sie. Schrecklich!«

»Isolieren, wie ich anordnete! Und beeile dich, Regus! Ich fürchte ...« Balton Wyt schwieg.

»Was fürchtest du?«, fragte Regus Ferrin ahnungsvoll.

»Dass wir noch Schwierigkeiten bekommen werden.«

»Die haben wir bereits«, behauptete Regus und verließ die Kabine, um den Befehl des Kommandanten auszuführen.

Bronchus starb einige Stunden später, und um eine Ansteckung zu vermeiden, öffnete Regus Ferrin einfach die Ladeluke. Die entweichende Luft riss den verunstalteten Körper des Toten mit sich.

Eine Stunde danach wurde Galla isoliert, als die ersten Anzeichen der tödlichen Krankheit sich bei ihm bemerkbar machten.

Balton Wyt hatte sich aufgerafft und rasiert. Nach dieser anstrengenden Tätigkeit streckte er sich wieder auf seinem Bett aus und schaltete den Interkom ein. Der Bildschirm war so angebracht, dass Wyt in Rückenlage den ganzen Kontrollraum überblicken konnte. Meist tat dort Regus Ferrin Dienst, und wenn der Kapitän ihn ablöste, geschah das vom Bett aus.

Regus war nicht zu sehen, aber Jenner Fox hatte seinen Posten übernommen. Balton beobachtete ihn scharf und stellte fest, dass sein alter Freund übermüdet sein musste. Seine Bewegungen waren so langsam und schleppend, als wolle er jeden Moment einschlafen.

Er machte sich bemerkbar. »He, Jenner, was ist mit dir? Getrunken?«

Jenner Fox sah in die Kamera und grinste mühsam.

»Mich hat es auch erwischt, Chef. Ich fürchte, wir sind schon alle infiziert. Die DOLDA wird den nächsten Handelsplaneten nie und nimmer erreichen. Vorher sind wir alle umgekommen ...«

»Ruhig!«, brüllte Balton Wyt ihn an. »Willst du den Rest der Männer auch noch verrückt machen? Wo steckt Regus?«

»Er hat ein Begräbnis, Chef. Jean hat es überstanden. Wenn ich dir einen guten Rat geben darf, dann diesen: Bleib in deiner Bude und versuch, irgendwo zu landen, auch wenn es ein unbewohnter Planet ist. Verlasse das verseuchte Schiff und schlag dich in die Büsche. Lieber mit Affen leben, als überhaupt nicht leben.«

»Wo stehen wir jetzt überhaupt?«

»Eastside, am Rand des Blues-Sektors. Entfernung von Terra ungefähr 37.000 Lichtjahre. Das schaffen wir nie.«

»Wollen wir auch nicht. Wenn die etwas von einer Seuche hören ...«

»Es gibt ein paar relativ unbekannte Systeme in der Umgebung von tausend Lichtjahren, Chef. Techmas Stern zum Beispiel. Soll nur einen Planeten haben, ungesund und wenig Sauerstoff. Aber Techmas Stern ist einer von fast hundert im Sternhaufen EX-2830. Unerforscht, die Sonnen stehen jedoch dicht zusammen. Ein Kinderspiel für die alte DOLDA.«

»Gib mir Bescheid, wenn Regus zurück ist«, sagte Balton Wyt und unterbrach die Verbindung.

Vielleicht war alles halb so schlimm, vielleicht waren sie nicht alle von der Seuche erfasst worden. Er würde auf alle Fälle seine Kabine nicht mehr verlassen. Im Kühlfach waren noch Lebensmittel für einige Tage, verhungern würde er also kaum. Und auch mit Jenner Fox oder Regus Ferrin würde er nur noch über Interkom Kontakt aufnehmen.

Notfalls würde er die DOLDA vom Bett aus zum nächsten Planeten bringen.

Balton Wyt war einer jener Freifahrer, deren oberster Gebieter einmal Roi Danton gewesen war. Das war auch der Grund, warum sie von den Schiffen des Solaren Imperiums nicht verfolgt oder kontrolliert wurden. Mit einer tödlichen Seuche an Bord veränderten sich die Verhältnisse allerdings.

Es war Balton Wyt klar, dass er mit seinem Schiff keinen bewohnten Planeten anfliegen durfte. Nicht nur die Gewissheit, keinen freundlichen Empfang zu erhalten, hinderte ihn daran, sondern der Rest von Verantwortungsgefühl, der ihm verblieben war.

Regus Ferrin meldete sich von der Kommandozentrale aus.

»Hör zu, Balton, es sieht schlecht aus. Vier weitere Männer sind erkrankt. Hoffnungslos! Ich habe sie bereits in die Todeskammer geschickt, denn es gibt keine Möglichkeit, ihnen zu helfen. Jenner hat zwar noch keine Flecken, aber ihm wurde übel. Ich fürchte, er ist auch bald soweit.«

»Und was ist mit dir?«, erkundigte sich Wyt misstrauisch.

Ferrin grinste. »Bis jetzt noch nichts, wenn du das meinst. Wir beide scheinen immun zu sein.«

»Trotzdem bleibst du dort, mein Freund. Ich habe die Tür verschlossen.«

»Keine Sorge. Aber auch das würde dir nichts helfen, denn die gesamte Atemluft der DOLDA ist infiziert.«

Wyt sah Ferrin wütend an.

»Du hast eine seltene Art, deine Mitmenschen zu erschrecken.«

»Ich sage dir nur die Wahrheit, Balton. Wenn das so weitergeht, haben wir das Ende unserer Reise erreicht.«

Wyt schüttelte den Kopf. »Noch nicht, Regus, noch nicht! So schnell gebe ich die Hoffnung nicht auf. Noch sind wir beide nicht krank. Vielleicht hast du in der Annahme recht, dass wir immun sind. Bist du in Imax-Neo-City ausgegangen?«

»Natürlich nicht! Ich werde mein Geld doch nicht ...« Regus unterbrach sich. »Mensch, Balton, das ist vielleicht unsere Rettung! Die anderen haben ...«

»Warten wir ab«, dämpfte Wyt den Optimismus seines Freundes. »Sieh dir inzwischen die Spezialkarten von EX-2830 genauer an. Nimm Kurs darauf!«

Regus Ferrin nickte.

Balton Wyt hingegen versetzte sich im Geist noch einmal in jene Zeit zurück, da er mit seiner wertvollen Ladung den Planeten Imax-Neo ansteuerte und dort landete. Er versuchte, sich an jede Kleinigkeit zu erinnern, die mit der Krankheit in Zusammenhang stehen konnte.

Er hatte zehn Mann Besatzung, obwohl die DOLDA ursprünglich für eine Besatzung von etwa fünfzig Mann konstruiert worden war. Die überflüssigen Kabinen hatte Balton in Laderäume umbauen lassen, als er seine eigene Kabine in eine Ersatz-Kontrollzentrale verwandelte. Natürlich handelte es sich dabei keineswegs nur um einen Ersatz, denn in seiner Kabine befanden sich die modernsten Kontrollinstrumente, die es damals gab. Er konnte, wenn er das wollte, sogar die Hauptzentrale ausschalten.

In Imax-Neo-City war dann der verbotene Handel getätigt worden. Wie üblich hatten seine Männer auf einen Tag Verlängerung gedrängt, um sich – wie sie es ausdrückten – die Beine zu vertreten. Da Balton mit seinem Geschäft zufrieden gewesen war, hatte er nichts dagegen gehabt.

Nur noch Regus Ferrin war bei ihm im Schiff geblieben. Sie hatten sich die Zeit mit Kartenspiel vertrieben, dabei eine Flasche allerfeinsten Bourbon verkonsumiert, den es zum Entsetzen der terranischen Vereine gegen den Missbrauch des Alkohols noch immer gab.

Erst gegen Morgen kehrten die Männer der Besatzung zurück. Erschöpft, aber bester Laune.

Das musste es gewesen sein! In dieser Nacht hatte sich die Besatzung die verdammte Seuche geholt. Der eine Mann war widerstandsfähiger als der andere, also kam die Seuche je nach körperlicher Konstitution früher oder später zum Ausbruch. Die Frage war nur, ob die Krankheit auch ohne körperliche Berührung ansteckend war, zum Beispiel durch das bloße Einatmen der verseuchten Luft.

Wenn ja, dann gab es auch für ihn keine Rettung mehr, auch wenn er sich in seiner Kabine einschloss und von den übrigen Männern isolierte. Da half nur noch frische Luft oder die seines Raumanzuges.

Die aber wiederum hielt auch nicht ewig. Also frische Luft! Eine Sauerstoffwelt!

Der Interkom summte. Balton Wyt schaltete ein. Regus Ferrin erschien auf dem Bildschirm. Sein Gesicht drückte Verzweiflung aus.

»Nun ist Jenner auch tot«, sagte er tonlos. »Es ging sehr schnell, aber er muss schreckliche Schmerzen gehabt haben. Neun Männer sind innerhalb von zwei Tagen gestorben, und wir beide sind nun die letzten.« Er zögerte einen Augenblick, dann fragte er: »Sei ehrlich, Balton, spürst du noch nichts?«

»Ich bin nur müde, aber das bin ich ja immer.«

»Stimmt, dein Dauerzustand.« Ferrin grinste. »Ich jedenfalls spüre nichts. Vielleicht haben wir Glück. Bleibt es nun bei EX-2830? Es sind noch knapp fünfhundert Lichtjahre. Die schaffen wir leicht.«

»Aber nicht mit einem Satz!«, riet Balton von allzu großen Strapazen ab. »Wir sind allein, vergiss das nicht! Kurze Etappen, damit die Kalups nicht überfordert werden.«

»Die Dinger halten sowieso mehr aus, als ich jemals angenommen habe. Eigentlich müssten sie längst auseinandergefallen sein.«

»Beim nächsten Urlaub werden sie überholt«, versprach Wyt.

»Das hast du schon mehrmals gesagt«, gab Ferrin trocken zurück. »Soll ich in der Zentrale bleiben?«

»Natürlich bleibst du dort, Regus!«

»Ich bin gesund.«

»Darauf kann ich mich nicht verlassen. Versteh mich richtig, Alter, es könnte ja auch umgekehrt sein – und da möchte ich dich nicht anstecken.«

»Ja, so kann man es auch betrachten«, gab Ferrin zu und unterbrach von sich aus den Kontakt.

Balton Wyt hatte wieder Zeit, über sich und seine Lage nachzudenken.

Drei Stunden später wachte er wieder auf. Mit einem kurzen Blick auf den Interkomschirm überzeugte er sich davon, dass Regus Ferrin noch auf seinem Posten war. Sein Freund und Stellvertreter lag im Kontrollsessel und schien vor sich hin zu dösen.

Wyt überprüfte die eigenen Kontrollen und Aufzeichnungsgeräte. Die DOLDA hatte bereits zwei Linearetappen von je fünfzig Lichtjahren hinter sich gebracht und befand sich nun in einer Ruheperiode. Das bedeutete, dass sie mit knapp Unterlichtgeschwindigkeit durch den Normalraum flog. Ferrin hatte die dritte Etappe bereits programmiert. Der Rest erfolgte automatisch in genau vierzig Minuten.

Wyt schaltete wieder ab. Er verspürte so etwas wie Hunger. Nach einigem Überlegen raffte er sich auf und kroch aus dem Bett. Er reckte sich, ging in den Baderaum nebenan und erfrischte sich. Komisch, dachte er, dass man nach einer Ruhepause meist müder war als vorher. Was nützte da der ganze Schlaf?

Er trocknete sich ab und öffnete das Kühlfach. Er fand Konserven vor, auch lebenswichtige Vitaminkonzentrate und Getränke. Er wählte ein Fertiggericht und entnahm dem Fach eine Dose Bier.

Für einige Minuten vergaß er seine verzweifelte Lage.

Es schmeckte ihm ausgezeichnet, was durchaus nicht immer der Fall war. Balton Wyt gehörte zu jener Sorte Mensch, deren Appetit automatisch durch den eigenen Metabolismus geregelt wurde. Benötigte der Körper dringend neue Vitamine und Nährstoffe, dann schmeckte ihm das Essen. Wenn nicht, dann schmeckte es ihm nicht, und er aß dann auch nichts.

Er schob den Teller von sich und widmete sich dann dem Bier. Er genoss es Schluck für Schluck, dann dachte er, dass eigentlich auch Regus Ferrin so eine Dose verdient hätte.

Er warf den Teller und die Dose in den immer noch reibungslos funktionierenden Abfalldesintegrator und schaltete den Interkom wieder ein.

»He, Regus! Noch zwei Minuten bis zur Linearetappe! Schlaf jetzt nicht!«

Regus Ferrin hob den Kopf. Er schien zu überlegen, wo er sich befand, und dann fiel es ihm wieder ein.

»Das läuft doch automatisch, Balton. Du hättest mich schlafen lassen können.«

Balton Wyt wurde misstrauisch.

»Bist du vielleicht müde?«

»Natürlich bin ich das! Ist das ein Wunder? Du hängst in deiner Falle, während ich hier die ganze Arbeit tun muss. Da soll man nicht müde werden!«

»Sonst nichts?«, forschte Balton weiter. »Ist dir vielleicht schlecht? Hast du blaue Flecken?«

Regus schüttelte langsam den Kopf. »Ich glaube nicht«, sagte er wenig überzeugend.

»Dann schau doch wenigstens mal nach!«, brüllte Balton Wyt ihn an. Niemand hätte vermutet, dass er zu einer solchen stimmlichen Anstrengung überhaupt fähig sei. »Vielleicht hast du es auch schon!«

»Quatsch!« Regus Ferrin blieb hinter den Kontrollen sitzen. »Und wennschon? Was würdest du dagegen tun?«

»Nichts, gar nichts! Ich würde dich sogar in der Zentrale lassen, die ich niemals mehr betreten werde. Du weißt, dass ich das Schiff vom Bett aus fliegen kann. Notfalls sogar landen.«

»Ein schöner Trost für mich!«, rief Ferrin verbittert. »Aber du hast schon recht, Balton. Wenn ich wirklich sterbe, was für einen Sinn hätte es schon, wenn du dir wegen meiner Beerdigung auch noch den Kopf zerbrechen solltest? Das Vernünftigste wird sein, du fliegst den Kahn in die nächstbeste Sonne, damit niemand mehr angesteckt werden kann.«

Soweit es in seiner Liegestellung möglich war, nickte Balton Wyt.

»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es kommt auf die Umstände an. Aber warum reden wir darüber? Noch bist du ja nicht krank, oder doch ...?«

Regus Ferrin sah seinen Kommandanten lange an.

»Doch«, sagte er schließlich. »Mich hat es auch erwischt. Den ersten Flecken entdeckte ich vor zwei Stunden, als ich duschte. Und seitdem kriecht die Müdigkeit in mir hoch. Ich wollte dir nichts sagen, um dir nicht den Mut zu nehmen, Balton ...«

»Das ist Unsinn!« Balton Wyt versuchte, auch äußerlich ruhig und gelassen zu erscheinen. »Warum sollten wir uns etwas vormachen? Du hast noch etwa zehn Stunden, Regus, dann bist du tot. Ich weiß nicht, wieviel ich noch habe, aber sicherlich nicht viel mehr. Die Seuche ist im ganzen Schiff, überall, in jedem Raum. Ich bleibe in der Kabine. Vielleicht lande ich irgendwo, vielleicht auch nicht. Du wirst nicht viel versäumen, wenn du vorher stirbst.«

»Gemütsmensch!«

Die DOLDA ging wenig später erneut in den Linearraum und legte diesmal eine Strecke von mehr als hundert Lichtjahren schadlos zurück, eine Leistung übrigens, auf die Balton Wyt unter anderen Umständen stolz gewesen wäre.

Noch dreihundert Lichtjahre bis zu dem Sternhaufen EX-2830.

Als Regus Ferrin nach zwei weiteren Linearetappen tot im Kontrollsessel lag, überkam Balton Wyt zum ersten Mal so etwas wie Mutlosigkeit und Verzweiflung. Er schaltete den Kontrollraum ab und übernahm selbst die Führung des Schiffes. Dabei blieb er im Bett liegen, allerdings angezogen und frisch rasiert.

Er riss die Verbindungsdrähte aus dem Interkom, um nicht noch einmal auf den Gedanken zu kommen, die Leiche seines Freundes zu sehen. Von nun an war er auf sich selbst gestellt.

Er warf einen Blick auf den automatischen Bordkalender in seiner Kabine. Es war der 6. März des Jahres 3117 Terra-Normalzeit.

Die DOLDA ging zum letzten Mal in den Normalraum. Balton Wyt entnahm der Sternkarte die Daten für die folgende und damit letzte Linearetappe und gab sie an seinen Computer weiter. Alle Instrumente funktionierten tadellos.

Dann widmete er sich eingehend dem Studium der Spezialkarte über EX-2830.

Das Gebiet war tatsächlich kaum erforscht worden. Obwohl die Explorerflotten des Solaren Imperiums dauernd unterwegs waren, um neue Welten zu erschließen, war das nicht sonderlich überraschend. Die Milchstraße war groß, unvorstellbar groß, und sie enthielt Milliarden von Sonnensystemen. Der Haufen EX-2830 war nur eine relativ winzige Ansammlung von exakt achtundneunzig Sonnen, von denen nur die wenigsten Planeten besaßen. Keiner von ihnen konnte als ausgesprochene Sauerstoffwelt gelten.

Außer Techma.

Techma war ein Explorer-Kommandant gewesen, der im Alleingang den Sternhaufen katalogisiert hatte. Er hatte Techmas Stern, wie er die rote Zwergsonne nannte, als das einzige System bezeichnet, das sich notfalls für eine Besiedlung eignete. Er gab in seinem Bericht allerdings zu, dass ihm für eine gründliche Untersuchung keine Zeit geblieben war. Seine Daten konnten nur als Anhaltspunkt gewertet werden.

Sie waren auch spärlich genug.

Techmas Stern hatte in der Tat nur einen einzigen Planeten, eine marsähnliche Ödwelt mit trockenen, kalten Wüsten, einer spärlichen Vegetation und nicht allzu hohen Gebirgen. Der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre entsprach jenem auf der Erde in achttausend Metern Höhe. Die Rotation des Planeten Techma betrug 26,4 Stunden. Da Techmas Stern nur noch minimal Hitze aussandte, wurde es tagsüber am Äquator nicht wärmer als ungefähr 14 Grad Celsius, während die Temperaturen in der Nacht bis auf minus 25 Grad absanken. Die Entfernung zur Erde betrug 36.442 Lichtjahre.

Schaudernd nahm Balton Wyt zur Kenntnis, dass Techma auch Jahreszeiten aufwies, in deren Verlauf es zu erheblichen Temperaturschwankungen kam. Im Winter, so berichtete Kommandant Techma, sanken die Temperaturen bis auf achtzig Grad Minus ab.

Aber dann sagte sich Balton Wyt, dass ihm das ja ziemlich egal sein konnte. Wenn er im Sommer landete, würde er den Winter nicht mehr erleben, und landete er im Winter, ging alles eben ein bisschen schneller.

Dann fiel ihm ein, dass er sich vielleicht besser doch in eine Sonne stürzen sollte.

Er leitete das letzte Linearmanöver ein und hatte Zeit zum Nachdenken. In zwanzig Minuten, so hatte er ausgerechnet, musste er in den Normalraum zurückkehren. Der Vorgang erfolgte automatisch.

Warum eigentlich, so fragte er sich, sollte er freiwillig den Tod suchen, wenn er noch immer nicht krank war? Sicher, er spürte die Müdigkeit in seinen Gliedern, aber das war ein gewohnter Zustand. So weit er sich zurückerinnern konnte, war er immer müde gewesen. Ohne diese Müdigkeit hätte er sich wahrscheinlich nicht gesund gefühlt.

Also war er doch gesund!

Nur sein Schiff war verseucht ...

Wenn aber die Erreger der Seuche keine neue Nahrung fanden, würden sie ... nun ja, vielleicht würden sie nicht gerade absterben, aber sie würden sich vielleicht einkapseln und so unschädlich werden. Vielleicht bekam ihnen auch die dünne Luft nicht.

Die dünne Luft von Techma, die er mit Hilfe der Atemgeräte kompensieren konnte. Er brauchte nicht einmal einen Druckhelm zu tragen, wenn er ins Freie ging.

Der Gedanke, den Freitod zu suchen, erschien ihm von Sekunde zu Sekunde unsinniger und verwerflicher. Warum sollte er die Gelegenheit nicht nutzen, sich auf einem unbewohnten und unbekannten Planeten umzusehen?

Soweit waren seine Gedanken gediehen, als die DOLDA in den Normalraum zurückfiel und die rote Sonne auf dem Bildschirm sichtbar wurde.

Balton Wyt blieb ruhig liegen und betrachtete sie. Das also hätte sein Grab werden sollen ...? Wyt gab ihr nicht mehr als noch ein paar Millionen Jahre, dann war sie ausgebrannt. Damit würde auch jedes Leben auf dem Planeten Techma erlöschen, aber das konnte ihm ziemlich egal sein. Er hatte nicht die Absicht, dort eine Kolonie zu gründen.

Womit auch?

Er konnte froh sein, wenn die Seuche ihn nicht erwischt hatte und er noch einige Tage leben würde. Auf einem unbewohnten Planeten, ganz mit sich allein. Falls er sich an die dünne Luft gewöhnen würde, was fraglich schien, vielleicht sogar Wochen und Monate ...

Und Lebensmittel ...?

Deshalb brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Die Vorräte in der DOLDA reichten leicht für einige Jahre, und bis dahin würde es ihm sicherlich gelungen sein, einige essbare Pflanzen zu finden oder gar zu züchten.

Neuer Lebenswille durchpulste Balton Wyt. Noch war nichts verloren, er durfte nicht so schnell aufgeben.

Er schaltete auf Manuellsteuerung und schob sich ein Kissen unter den Rücken, damit er besser liegen konnte. Mit Hilfe der Orter suchte er Techma, bis er den kleinen, leuchtenden Punkt entdeckte, der als einziger die rote Sonne umkreiste. Die Daten bewiesen eindeutig, dass es sich um einen Planeten handelte, der etwa halb so groß wie die Erde war, was wiederum die dünne Atmosphäre erklärte.

Seine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, als der Antrieb zu stottern begann. Noch hatte er keine Verzögerung eingeleitet, aber es wurde höchste Zeit; er flog mit dreiviertel Lichtgeschwindigkeit.

Er schaltete um, aber das Stottern blieb auch bei negativer Beschleunigung. Mit dem Normaltriebwerk musste etwas nicht in Ordnung sein.

Einen Augenblick lang überlegte er, ob es ratsam war, seine Kabine zu verlassen, um sich an Ort und Stelle ein Bild zu machen, aber dann entschied er sich dagegen. Selbst wenn er den Fehler fand, blieb ihm kaum Zeit, ihn zu reparieren. Er musste versuchen, mit einem schadhaften Triebwerk zu landen, so oder so.

Die Kursänderung gelang. Nun flog er genau auf Techma zu. Es kam nur noch darauf an, die Geschwindigkeit rechtzeitig zu drosseln, damit er nicht auf der Oberfläche zerschellte.

Ab und zu funktionierte der Antrieb fehlerfrei. Das waren für Balton Wyt die Gelegenheiten, den Kurs zu korrigieren und die Geschwindigkeit mit Höchstwerten zu drosseln. Aber er stellte anhand von schnellen Computerberechnungen fest, dass es noch nicht zur sicheren Landung reichte.

Wenn überhaupt, dann würde es eine prachtvolle Bruchlandung werden. Er konnte von Glück reden, wenn er sie lebendig überstand.

Er sank in die Kissen zurück und betrachtete den Bildschirm, auf dem Techma nun klar zu sehen war. Große Wüsten waren deutlich zu erkennen. Sie wurden von grauen Flächen unterbrochen, wahrscheinlich Gebirgen oder Hochebenen. Dazwischen gab es grünliche Flecken – sicherlich Vegetation. Ein Meer konnte er nicht erkennen.

Die letzte Kurskorrektur war vorzunehmen. Sie gelang.

Die DOLDA würde, wenn alles auch weiterhin so klappte, in der Nähe des Äquators landen. Das schien Balton Wyt die günstigste Region zu sein.

Die Geschwindigkeit war noch immer zu hoch, als Techma genau hunderttausend Kilometer entfernt war. Der Antrieb stotterte in regelmäßigen Abständen, die vorauszuberechnen waren. Das war Balton Wyts Glück. Er nutzte jede Sekunde, von der er wusste, dass die Triebwerke ansprangen. So gelang es ihm, die Geschwindigkeit weiter zu drosseln.

Auf dem Bildschirm zeigte die Vergrößerung die riesigen Wüsten und mit grünen Pflanzen bedeckte Flächen. Also doch Chlorophyll! Das bedeutete immerhin genügend Einfall von Sonnenlicht, um den entsprechenden Lebensformen die Existenz zu ermöglichen.

Die Umlaufbahn wurde zu eng, aber zum Glück war die Geschwindigkeit der DOLDA hoch genug, das Schiff wieder in den Raum hinauszutragen. Balton Wyt flog erneut an, diesmal langsamer und vorsichtiger.

Er umrundete Techma genau am Äquator.

Einmal stutzte er, als er eine Stadt zu erblicken glaubte, aber die Erscheinung zog zu schnell auf dem Bildschirm vorbei, so dass er an eine Täuschung glauben musste. Eine Stadt wäre auf einer unbewohnten Welt auch unwahrscheinlich gewesen. Vielleicht handelte es sich um besonders auffällige Felsformationen, die an eine Stadt erinnerten. Jedenfalls war sich Balton Wyt sicher, einer optischen Täuschung zum Opfer gefallen zu sein.

Nach der zweiten Umrundung konnte er an derselben Stelle die ›Stadt‹ oder Felsen nicht mehr entdecken.

Balton Wyt atmete erleichtert auf. Die Existenz einer Stadt hätte seinen Plan, hier zu landen, vereitelt. Niemals hätte er die tödliche Seuche auf eine bewohnte Welt bringen dürfen! Er hätte wieder beschleunigt und einen anderen Planeten gesucht, und wenn er Monate dafür benötigt hätte.

Zwei weitere Umkreisungen.

Die Geschwindigkeit war so abgesunken, dass er endlich eine Landung riskieren konnte. Wenn der Antrieb allerdings im letzten Augenblick nicht reibungslos arbeitete und programmgemäß aussetzte, konnte es noch immer zu einer Katastrophe kommen.

Die DOLDA drang in die obersten Schichten der viel zu dünnen Atmosphäre ein und wurde kaum abgebremst.

Balton Wyt wischte den Schweiß von der Stirn. Zum ersten Mal hing alles wirklich von ihm allein ab. Sonst hatte er sich immer auf seine Leute und vor allen Dingen auf Regus Ferrin verlassen können, der nun tot in der Kommandozentrale lag. Er war allein auf sich gestellt. Sein Phlegma blieb vorerst noch, aber sein Wille zum Leben verstärkte sich in seinem Unterbewusstsein derart, dass er das Unmögliche möglich machte.

Zwar raste das Schiff mit noch immer zu hoher Geschwindigkeit der unregelmäßig geformten Oberfläche entgegen, aber Balton Wyt verstand es, allen Hindernissen auszuweichen und die DOLDA immer wieder im letzten Augenblick noch einmal hochzureißen. Aber dann ging auch das nicht mehr.

Die Bauchseite der DOLDA berührte zum ersten Mal die Oberfläche Techmas.

Aber nur für einige Sekunden, dann wurde sie dank der hohen Geschwindigkeit und trotz des geringen Luftwiderstandes wieder emporgehoben und raste in wenigen Metern Höhe weiter, einem am Horizont auftauchenden Gebirgszug entgegen.

Noch einmal zündete Balton Wyt die Bremstriebwerke. Sie sprangen nicht an.

Mit unverminderter Geschwindigkeit näherte sich die DOLDA dem Gebirge, einer in den schwarzblauen Himmel ragenden Reihe von zerklüfteten Gipfeln ohne eine Spur von Vegetation.

Balton Wyt gab auf. Heftig atmend sah er auf den Bildschirm und machte sich auf den Aufprall gefasst, der das Schiff unweigerlich zerschmettern würde. Immerhin lag er im Bett, ein unschätzbarer Vorteil – wie er hoffte. Mit hastigen Bewegungen schnallte er sich an und überließ sich und die DOLDA einem höchst ungewissen Schicksal.

Abermals berührte das Schiff den Boden und blieb unten. Die Berührung und der Widerstand verlangsamten die Geschwindigkeit erheblich, aber nicht genug, um einen Aufprall zu verhindern.

Obwohl die DOLDA Kugelgestalt besaß, rollte sie nicht. Sie glitt vielmehr wie ein Torpedo über die sandige Wüstenfläche, bis ein größerer Felsen ihr den Weg versperrte.

Die Wucht des Aufpralls spaltete den Felsen in zwei große Teile und in tausend Einzelstücke, während die DOLDA einigermaßen heil blieb. Sie rutschte noch ein Stück weiter, zwar an verschiedenen Stellen stark beschädigt, aber durchaus nicht – wie erwartet – völlig zertrümmert und zusammengequetscht.

Diesen Eindruck hatte Balton Wyt allerdings im ersten Augenblick nicht. Der plötzliche Ruck schleuderte ihn in seine Ruhekissen zurück und ließ ihn an einen Weltuntergang denken. Dann stellte er zu seinem Erstaunen fest, dass er noch lebte und sich anscheinend nichts gebrochen hatte. Außerdem konnte er noch atmen, also war zumindest die Kabine dicht geblieben. Einige Kontrollgeräte hatten sich aus ihren Halterungen gelöst und lagen zerschmettert am Boden.

Balton Wyt befreite sich aus den Haltegurten und kam nach einigen Überlegungen zu dem Schluss, dass er nicht länger im Bett liegen bleiben konnte. Abgesehen davon, dass er auf einmal einen unbändigen Durst verspürte, musste er die Schäden am Schiff überprüfen. Auch wenn es nicht mehr zum Flug taugte, so bot es immerhin noch einen sicheren Schutz gegen eventuelle Gefahren. Außerdem beherbergte es die notwendigen Lebensmittel und Wasservorräte – und natürlich den Erreger der tödlichen Seuche.

Der Gedanke an die Seuche und ihre Erreger dämpfte seinen Optimismus. Das beste für ihn würde wohl sein, das Schiff vorerst einmal zu verlassen und sich im Gebirge einen Unterschlupf zu suchen. Kalt, aber gesund – das war besser als warm und krank.

Nach einigem Zögern öffnete er die Kabinentür und trat hinaus auf den Korridor. Die DOLDA lag ein wenig schräg, und die künstliche Bordschwerkraft war ebenfalls ausgefallen. Balton Wyt musste sich an der Wand abstützen, um nicht zu fallen. Er trug die leichte Kombination, die ihn nicht gegen die niedrigen Temperaturen von Techma schützen konnte. Er musste die Pelzkombination anlegen, dazu das Atemgerät. Und natürlich würde er einen Strahler mitnehmen. Man konnte nie wissen ...

Der Verpflegungsraum lag nahe der Ausstiegsschleuse B, so dass er jederzeit an dieser Stelle ins Schiff zurückkehren konnte, ohne vielleicht verseuchte Abteilungen betreten zu müssen. Er fand die Bekleidungskammer trotz der erheblichen Beschädigungen ringsum einigermaßen heil vor. Mit einem Griff holte er sich die Pelzkombination aus dem Schrank und legte sie an. Die Heizvorrichtung funktionierte, wie er sich überzeugen konnte. Er nahm das Atemgerät und hängte es sich um. Er brauchte das Gesichtsstück nur auf die Nase zu klemmen, dann erfolgte alles Weitere automatisch und in der richtigen Dosis. Die Patrone reichte mehrere Tage.

In der Waffenkammer nebenan suchte er sich einen Strahler aus. Er überprüfte gewissenhaft die Ladung und stellte befriedigt fest, dass sie in Ordnung war. Bei aller Schlamperei an Bord der DOLDA legte man Wert auf funktionsfähige Waffen.

Er nahm noch einen kleinen Beutel, der sich bequem auf dem Rücken tragen ließ, füllte ihn mit Lebensmitteln und einem ausreichenden Vorrat an Trinkwasser. Er konnte nicht wissen, ob er gleich einen Bach fand, dessen Wasser trinkbar war. Derart ausgerüstet, verließ er das Schiff.

Es war genau auf dem Äquator gelandet. Die Sonne stand fast senkrecht über ihm. Er brauchte die Heizung nicht einzuschalten, und selbst auf das Anlegen der Handschuhe konnte er verzichten.

Er machte die ersten zögernden Schritte vom Schiff weg und kletterte auf den abgespaltenen Teil des Felsens, der den Landevorgang der DOLDA so jäh unterbrochen hatte. Auf dem Gipfel hoffte er eine bessere Übersicht zu erhalten. Als er sich auf halbem Weg umdrehte und sein lädiertes Schiff sah, begann er sich zu wundern, dass er so heil davongekommen war. Die Hülle war an mehreren Stellen geborsten und regelrecht aufgespalten worden. Man konnte an manchen Stellen ins Innere sehen. Trotzdem hielten die luftdichten Verbindungstüren der lebenswichtigen Abteilungen.

Balton Wyt ging weiter, bis er den Gipfel erreichte. Er stand knapp hundert Meter über der Wüstenfläche. Nach Osten zu erstreckte sie sich bis zum Horizont, ebenso nach Norden und Süden. Nichts behinderte die Sicht, außer einigen flachen Hügeln, auf denen Balton Spuren einer spärlichen Vegetation zu erkennen glaubte.

Im Westen lag das Gebirge.

Sein Fuß lag knapp zwanzig Kilometer entfernt. Dazwischen war Wüste, an manchen Stellen mit kleinen und größeren Felsen bedeckt. Auch eine flache Senke entdeckte er, knapp fünf Kilometer entfernt. Ihr Grund schien feucht zu sein, denn der Pflanzenwuchs wurde üppiger an ihrem Rand. Wenn er zum Gebirge wollte, würde er sie sich ansehen.

Er überlegte, was wohl hinter den Bergen liegen mochte. Wahrscheinlich wieder Wüste. Aber er hatte ja Zeit. Der Marsch würde ihm gut tun, und er konnte die Berge noch leicht heute erreichen. Vielleicht fand er ja wirklich eine schützende Höhle. Falls ja, würde er den Weg mehrmals machen müssen, um sich einen sicheren Vorrat an Lebensmitteln anzulegen.

Plötzlich blieb er stehen, um angestrengt zu lauschen. Ihm war, als hätte er ein Geräusch vernommen. Auf einer unbewohnten Welt kam ihm das so seltsam vor, dass er sich nicht mehr von der Stelle zu rühren wagte. Vorsichtig sah er sich nach allen Seiten um, aber er konnte außer einigen losen Gesteinsbrocken und einer dürftigen Pflanze nichts entdecken. Sie wuchs aus einer Felsspalte heraus.

Balton Wyt überlegte krampfhaft, was ihm an dieser Pflanze verdächtig vorkam, aber er fand keine Antwort. Sie erinnerte ein wenig an einen Osterstern, wie er ihn von seiner Heimatwelt her kannte. Eine einfache, anspruchslose Pflanze, die selbst im kärglichen Felsboden genügend Nahrung fand, um existieren zu können.

Das Geräusch hatte einem Flüstern geähnelt, mehr einem schüchternen Pfeifen. Es war ganz aus der Nähe gekommen, aber Balton konnte kein Versteck entdecken, in dem sich das Tier – oder was immer es auch war – verbergen konnte. Immerhin blieb er stehen und wartete auf eine Wiederholung des Tons.

Aber es blieb still.

Die Luft war viel zu dünn, um einen spürbaren Wind aufkommen zu lassen. Sie war außerdem so klar, dass Balton jede Einzelheit der Gebirgsformationen selbst auf zwanzig Kilometer genau erkennen konnte. Diese Welt gehörte ihm allein, niemand konnte sie ihm streitig machen und ...

Da fiel ihm das Geräusch wieder ein. Vielleicht war er doch nicht so allein auf Techma ...?

Als die Sonne weiter nach Westen sank, verließ er den Felsen und wanderte genau auf das Gebirge zu. Das Gehen fiel Balton nicht schwer, obwohl er es nicht gerade gewohnt war, aber die geringere Schwerkraft half ihm. Er kam schnell voran, und bald erreichte er den Rand der Mulde, die er von seinem Aussichtspunkt aus bemerkt hatte.

Sie war nicht besonders tief, in der Mitte lag sie höchstens fünf Meter unter Wüstenniveau. Aber sie musste feucht sein, wie er es vermutet hatte. An den flachen Abhängen schimmerte es grünlich – eine Spur von Gras, das sich schüchtern an die Oberfläche wagte. Dazwischen wuchsen wieder die Ostersterne und andere Blumen, wie sie Balton noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Aber das erschien ihm weiter nicht verwunderlich, denn jede Umgebung brachte andere Lebensformen hervor. Wenn diese Pflanzen von der Photosynthese lebten, erzeugten sie auch Sauerstoff, wenigstens tagsüber, aber natürlich viel zuwenig, um die Atmosphäre spürbar anzureichern.

Genau in der Mitte der Mulde war ein See, eigentlich mehr ein kleiner Teich mit grasbedeckten Ufern und richtigen Kolonien der verschiedenen Pflanzenfamilien. Balton war damit zufrieden. Pflanzen bereiteten keine Schwierigkeiten, mit ihnen konnte man jederzeit zurechtkommen.

2.

Was zuerst leicht und erholsam gewirkt hatte, kam Balton Wyt plötzlich sehr beschwerlich und anstrengend vor. Als er unten in der Mulde vor dem kleinen Teich stand und das klare Wasser probierte, entschloss er sich, hier zu bleiben. Wenigstens bis morgen früh.

Der Platz war nicht schlecht. Das Gras wuchs so üppig und dicht, dass es wie ein weicher Teppich wirkte und zur Rast einlud. Eine Einladung, die Balton unmöglich abschlagen konnte, weil er dabei an sein Bett denken musste. Für einen Augenblick kam ihm die verrückte Idee, das Bett aus der Kabine zu holen und hier aufzuschlagen. Er konnte sich zugleich ein Zelt mitnehmen und sich in der Mulde wohnlich einrichten. Dann schüttelte er den Kopf und lachte.

Die Sonne verschwand hinter dem westlichen Rand der Mulde, und es wurde sehr schnell kühl. Er schaltete die Heizaggregate ein und unternahm noch einen kleinen Spaziergang, nachdem er eine Konserve geöffnet und gegessen hatte, was allerdings wegen des Atemgerätes mit einigen Schwierigkeiten verbunden war. Immerhin war die Luft nicht so dünn, dass er gleich erstickte, wenn er das Gesichtsstück abnahm. Sie reichte, ihn hastig und schnell atmen und essen zu lassen.

Er blieb stehen und sah verwundert auf den Boden.

Er konnte sich genau erinnern, dass hier noch vor zehn Minuten die Kolonie der Ostersterne gestanden hatte. Er hatte bemerkt, dass sich ihre Blüten schlossen, als die Sonne verschwand. Aber das erschien ihm natürlich und verständlich. Die Pflanzen mussten sich gegen die Nachtkälte schützen.

Aber nun waren sie verschwunden.

Er bückte sich, als er die Löcher im feuchten Boden bemerkte. Die Vermutung, die sich ihm unwillkürlich aufdrängte, erschien ihm dann doch zu phantastisch. Aber sie bot die einzige logische Lösung. Vorsichtig bohrte er seinen rechten Zeigefinger in eins der Löcher, und er tat es nur, weil er Handschuhe trug. Er spürte einen geringfügigen Widerstand, der aber gleich darauf verschwand.

Und dann hörte er hinter sich wieder jenes Geräusch, das ihm auf dem Felsen solches Kopfzerbrechen bereitet hatte. Er fuhr hoch und drehte sich um.

Nichts zu sehen, gar nichts!

Nicht einmal Pflanzen. Die waren verschwunden. Nur die kleinen Löcher im Boden waren geblieben.

Erneut bückte er sich und versuchte, das begonnene Loch zu vergrößern, was ihm auch schließlich gelang. Er schob das weiche Erdreich beiseite, bis er mit der ganzen Hand hineinfahren konnte.

Was er dann zutage förderte, versetzte ihm einen regelrechten Schock, obwohl er es erwartet hatte.

Er hielt einen Osterstern in der Hand, wie er die Blume bei sich noch immer nannte. Die Blüte hatte sich geschlossen und regelrecht eingekapselt. Der Stängel war elastisch, aber nicht etwa schlaff. Die Wurzel ...

... er hatte die Blume samt der Wurzel aus dem Boden gezogen.

Verwundert betrachtete er sie. Es war keine gewöhnliche Wurzel, gradlinig oder verzweigt, sondern wirkte in ihrer beweglichen Struktur fast wie eine organische Schraube, mit der sich die Pflanze nach Sonnenuntergang in den weichen Boden gebohrt hatte.

Das also war des Rätsels Lösung! Bei Nacht zogen sich die seltsamen Gewächse unter die Planetenoberfläche zurück, um nicht der eisigen Kälte ausgesetzt zu sein. Balton begann sich zu fragen, was sie wohl im Winter taten.

Das Geräusch fiel ihm wieder ein. Nein, es konnte unmöglich von den Pflanzen stammen! Womit hätten sie es erzeugen sollen? Ein entsprechendes Organ besaßen sie nicht.

Oder doch?

Er hielt den ausgegrabenen Osterstern dicht vor die Augen, denn es wurde schnell dunkel. Ein Feuer konnte er nicht anzünden, dazu fehlte genügend Sauerstoff. Außerdem hätte er sich plötzlich vor dem Gedanken gescheut, auf dieser Welt Holz oder Pflanzen zu verbrennen, selbst wenn es beide in genügender Menge gegeben hätte.

Er kehrte zu seinem Lagerplatz zurück und setzte sich auf seinen Vorratsbeutel. Er betrachtete den Osterstern nachdenklich und entschloss sich dazu, ihn in sein Loch zurückzustecken.

Dann schaltete er die Heizung höher und streckte sich aus, um ein paar Stunden zu schlafen. Die Pelzkombination war dicht und ließ weder Kälte noch Feuchtigkeit an seine Haut dringen. Außerdem fühlte er sich in der Mulde sicher. Trotzdem entsicherte er seine Waffe und legte sie neben sich ins Gras.

Dann schlief er ein.

Zuerst glaubte er an eine Täuschung oder einen Traum, aber dann, als er richtig wach war und das melodische Summen und Pfeifen andauerte, blieb er ganz ruhig liegen und lauschte.

Es war wie ein Wind, der durch Bäume und Felsspalten strich. Nur – es gab hier keinen Wind, und schon gar keine Bäume oder Felsspalten. Das Singen kam von den Hängen der Mulde, ganz aus seiner Nähe.

Es drang aus den Löchern, in denen die Pflanzen Schutz vor der Nachtkälte gesucht hatten.

Als Balton diese Erkenntnis kam, konnte er nicht mehr ganz die abergläubische Scheu unterdrücken, die von ihm Besitz ergriff. Dass sich die Ostersterne unter die Oberfläche zurückzogen, hatte er noch akzeptieren können, aber dass sie nachts auch noch sangen oder sich gar unterhielten, war zuviel für ihn.

Mit einem Satz war er auf den Beinen. Er nahm seinen Strahler, ließ den Beutel mit den Vorräten aber liegen, stieg den Hang empor und atmete auf, als er oben am Rand der Mulde stand. Das Singen und feine Piepsen hatte nicht aufgehört, sondern sich vielmehr verstärkt. Es war, als kommentierten die Pflanzen seinen Rückzug.

Er blieb noch einige Minuten stehen, dann ging er den Weg zum Schiff zurück, den er gekommen war, denn der Gedanke an sein sicheres Bett war stärker als alle Bedenken.

Er war immun gegen die Seuche, davon war er nun überzeugt.

Als er die DOLDA vor sich in der Nacht auftauchen sah, atmete er erleichtert auf. Er fand den weit geöffneten Einstieg und kletterte ins Innere des Schiffes.

Die Notbeleuchtung funktionierte noch. Nichts war in der Zeit seiner Abwesenheit berührt oder gar verändert worden. Über Trümmer und Verstrebungen hinweg erreichte er schließlich seine Kabine und verschloss die Tür. Er fühlte sich wieder sicher.

Und jetzt, da er sicher war, begann er sich über seine kindische Furcht zu ärgern. Er war vor harmlosen Pflanzen geflohen, die lediglich ›anders‹ waren. Aber: Sie unterhielten sich, sie sangen, summten und piepsten! Sie besaßen Anzeichen von Intelligenz.

Und Intelligenz war immer gefährlich. Vielleicht hatte er sich den Aufenthalt auf Techma zu einfach vorgestellt, und vielleicht war Techma schlimmer als die Seuche, die den Tod brachte.

Für einen Augenblick stieg eine Vision vor ihm auf: Er marschierte durch die Wüste nach Westen, aber nicht allein. Regus Ferrin und Jenner Fox lebten noch und waren bei ihm. Und dann, als sie eine Kolonie seltsamer Laufpflanzen durchquerten, wurden sie von den riesigen und unglaublich beweglichen Wurzeln eingefangen, während sich die prächtigen Blüten näherten, lauernd und gefräßig, weit geöffnet, hungrig ...

Unsinn!

Er streckte sich auf seinem Bett aus, nachdem er den Pelz ausgezogen hatte. Bevor er das Licht löschte, betrachtete er das Funkgerät. Es hatte Schaden davongetragen, aber er war davon überzeugt, dass er mit dem Hyperkom einen Notruf ausstrahlen konnte. Wenn das Signal von einem zufällig in der Nähe stehenden Kreuzer der Explorerflotte empfangen wurde, konnte er mit Hilfe rechnen. Sicher, sie würden vorsichtig sein müssen, schon wegen der Seuche, aber mit sprechenden Blumen würden sie schon fertig werden.

Sein Entschluss stand fest: Morgen würde er um Hilfe funken.

Er schlief ein, tief und fest und traumlos. Als er erwachte, zeigte der eingeschaltete Bildschirm wieder die vertraute Landschaft mit der Wüste und dem Felsen. Und überall wuchsen wieder die Blumen.

Balton betrachtete sie misstrauisch, aber dann lächelte er über sich selbst. Weshalb sollte er Angst vor ihnen empfinden? Der Gedanke an sein nächtliches Erlebnis erinnerte ihn an das, was er tun wollte. Er stand auf, wusch sich und machte sich dann an die Untersuchung des Funkgerätes. Der Hyperkom selbst befand sich in der Kommandozentrale der DOLDA, und die würde er unter keinen Umständen betreten. Es musste auch mit dem Anschluss in seiner Kabine gehen, sobald er alle Schäden behoben hatte.

Nach einer Stunde war er sicher, dass der Apparat einwandfrei arbeitete. Auch die Energiezufuhr funktionierte. Zwar standen ihm nur noch die Notaggregate zur Verfügung, aber das würde reichen. Wenn sich im Umkreis von tausend Lichtjahren ein Schiff aufhielt, musste es seinen Ruf aufnehmen können, den er dreimal abstrahlte.

Da er weiter keinen Hunger verspürte, zog er die Pelzkombination wieder an und verließ das Schiff. Nach einer halben Stunde stand er am Rand der Mulde und sah in sie hinab. Neben dem Teich standen die Blumen, als sei nichts geschehen. Sein Gepäck lag unberührt im Gras. Nichts hatte sich verändert.

Langsam stieg er in die Senke hinab und achtete darauf, dass er keine Pflanze mit seinen Stiefeln zertrat. Er wich ihnen aus, denn von nun an bedeuteten sie für ihn intelligentes Leben.

Er frühstückte in aller Ruhe und stellte fest, dass er die dünne Luft nun schon besser vertrug. Ohne die Sauerstoffmaske würde er natürlich nicht auskommen, wenigstens vorerst nicht, aber er war in der Lage, in immer geringeren Zeitabständen auf sie zu verzichten. Das Essen fiel ihm nicht mehr so schwer wie am Tag zuvor.

Dann stand er auf und ging zu der Kolonie der Ostersterne.

Sie waren aus ihren Löchern hervorgekommen, sicher kurz nach Sonnenaufgang. Sie standen da, als sei nichts geschehen – ruhig, bewegungslos und ohne einen Laut von sich zu geben.

Er bückte sich und sah sie an.

»Ihr habt mich gestern ganz schön erschreckt«, sagte er und grinste. »Wer hat eigentlich den Lärm veranstaltet? Ihr doch wohl nicht, oder ...?«

Natürlich erhielt er keine Antwort.

Kopfschüttelnd erhob er sich wieder, schwang den Vorratsbeutel auf den Rücken und verließ die Mulde. Es wurde schnell warm.

Rüstig schritt er aus, und als die Sonne am höchsten stand, erreichte er die Ausläufer des Gebirges. In der Wüste hatte er keine Pflanzen bemerkt, aber hier wuchsen sie nun wieder. Ein sicheres Zeichen, dass der Boden Feuchtigkeit enthielt. Ab und zu also, so schloss er daraus, regnete es sogar hier. Als er zum Himmel emporblickte, konnte er allerdings nicht eine einzige Wolke bemerken.

Er studierte den Gebirgszug, um eine möglichst bequeme Stelle für den Übergang zu finden. Es gab genügend Gipfel und Pässe dazwischen, aber von der Wüste aus war schwer festzustellen, welcher der beste sein würde. Balton hatte keine andere Wahl, als es in der Praxis auszuprobieren.

Nach einer kurzen Verschnaufpause marschierte er weiter, immer genau nach Westen, der sinkenden Sonne nach. Der Weg wurde steiler und anstrengender, aber immerhin stellten sich Balton keine nennenswerten Hindernisse entgegen.

Der Pass wirkte wie ein steiler Einschnitt, den jemand mit einem riesigen Beil in den Grat geschlagen hatte. Für einen Augenblick wurde Balton Wyt von dieser Vorstellung regelrecht überwältigt, aber dann schalt er sich einen Narren. Hier gab es schließlich auch eine Verwitterung, selbst wenn sie wahrscheinlich mehr Zeit in Anspruch nahm als auf anderen Welten mit genügend Wasser und Luft. Alles hatte seine natürliche Erklärung, und eines Tages würde er auch hinter das Geheimnis der singenden Blumen kommen.

Von der Passhöhe her kam der kleine Bach, der seinen Weg geebnet hatte. Sein Wasser war frisch und klar. Vorsichtig trank Balton ein wenig und bemerkte keinen verdächtigen Beigeschmack. Dann marschierte er weiter. Bald würde die Sonne untergehen, aber er wollte noch heute einen Blick in die Ebene werfen, die hinter den Bergen liegen musste.

Es gab immer weniger Vegetation. Wahrscheinlich würde es hier oben nachts doch zu kalt, außerdem war der Boden zu steinig. Die Pflanzen konnten sich nicht mehr verkriechen, wenn die Sonne untergegangen war.

Als er die Passhöhe erreichte, ging Techmas Stern gerade unter. Balton Wyt blieb stehen und wunderte sich ein wenig über den zuckenden Lichtblitz, der dabei auftrat. Für zwei oder drei Sekunden hatte er über dem Horizont gestanden, so als hätten die schrägen Sonnenstrahlen ein größeres Objekt getroffen, das sie nach Osten reflektierte.

Die Dunkelheit brach rasch herein.

Balton Wyt konnte nicht mehr viel erkennen. Sicher, nach Westen zu war wieder eine ebene Fläche, aber er wusste nicht, ob es eine Wüste war, oder ob es auf dieser Seite des Gebirges mehr Feuchtigkeit und damit mehr Vegetation gab.

Doch das hatte nun Zeit bis morgen.

Zuerst einmal musste er sich um einen guten Platz für die anbrechende Nacht kümmern. Eine Höhle wäre gut gewesen, aber für eine intensive Suche danach war es inzwischen zu dunkel geworden. So begnügte er sich mit einem schmalen Felseinschnitt, der Schutz gegen die größte Kälte zu bieten versprach.

Er packte die Konserven aus und wählte eine, die schnell zubereitet war. Ein Druck auf den Heizknopf genügte, sie erwärmte und öffnete sich selbständig. Obwohl hier oben in knapp anderthalbtausend Metern Höhe die Luft noch dünner war als unten in der Ebene, bereitete das Essen weiter keine Schwierigkeiten. Satt und zufrieden streckte er sich aus und versuchte zu schlafen.

Am anderen Morgen wartete er, bis die Sonne hoch genug gestiegen war. Dann erst frühstückte er, schulterte seinen Vorratsbeutel und ging vor zur Westseite. Seinen ursprünglichen Plan, eine Höhle zu suchen und zu bleiben, hatte er inzwischen aufgegeben. Das Aufblitzen gestern bei Sonnenuntergang hatte ihn neugierig gemacht.

Aber nun wurde er enttäuscht.

Unter ihm, bis zum Horizont, lag eine grüngelbe Ebene, keine richtige Wüste, aber auch nicht das, was er als Steppe bezeichnet hätte. Es war beides gemischt, mit einigen kleinen Wasserflächen, die durch natürliche Kanäle verbunden schienen. Die Vegetation wucherte üppig auf den Grünflächeninseln, die sich wie Oasen von der gelblichen Wüste abhoben.

Genau vor ihm, am Horizont, sah er nun wieder ein Leuchten, aber diesmal schwächer als gestern. Es schimmerte sehr schwach, aber zweifellos an derselben Stelle, an der gestern die Sonne untergegangen war. Nur kamen die Strahlen diesmal aus entgegengesetzter Richtung und wurden dadurch nach Westen reflektiert. Jedenfalls war es Balton nun klar, dass sich dicht unter dem Horizont etwas verbarg, das Lichtstrahlen im Auffallwinkel reflektierte.

Vielleicht ein See?

Die Entfernung musste gut vierzig Kilometer betragen, das bedeutete ein bis zwei Tagesmärsche, wenn er kein schnelleres Tempo als bisher einschlug. Dafür jedoch sah er keine Veranlassung. Ihm stand, wie er meinte, alle Zeit dieser Welt zur Verfügung.

Er ahnte nicht, wie recht er hatte.

Der Abstieg war leicht. Auch auf der Westseite hatte ein Bach im Verlauf der Jahrtausende einen Graben gearbeitet, dessen Ränder sich als leicht begehbar erwiesen. Stellenweise glaubte Balton sogar so etwas wie einen Pfad erkennen zu können, aber er entdeckte keinerlei Spuren von Tieren oder sonstigen Lebewesen.

Je tiefer er kam, desto mehr Pflanzen sah er. Aber es waren nicht nur Ostersterne, sondern neue Formen, die er bisher noch nicht beobachtet hatte. Wenn er an ihnen vorbeiging, glaubte er bemerken zu können, dass sich ihre Blüten nach ihm drehten.

Die Blumen sahen ihm nach!

Er versuchte, diese erstaunliche Tatsache zu ignorieren, und konzentrierte sich mehr auf seinen Weg. Das Gelände wurde flacher, und bald erreichte er den Fuß des Gebirges. Von nun an gab es keine erwähnenswerten Erhebungen mehr, aber er würde damit rechnen müssen, einige Flüsse zu durchqueren. Ziemlich unangenehm bei der Pelzkombination, deren Innenfutter jedoch wasserdicht war.

Der Bach teilte sich in mehrere kleine Läufe auf. Einige von ihnen versickerten schon nach kurzer Zeit in dem lockeren Boden, andere bildeten Teiche, an deren Rändern üppige Vegetation wucherte, nicht nur Blumen, wie Balton sie nun bereits kannte, sondern auch farnähnliche Gewächse und regelrechte Büsche.

Rastlos marschierte er weiter, genau nach Westen, wo dicht unter dem Horizont sein geheimnisvolles Ziel liegen musste.

Er umging mehrere der Teiche, aber zu seiner Beruhigung stellte er fest, dass keiner von ihnen tiefer als ein halber Meter war. Das Wasser würde ihm gerade bis zu den Knien reichen, falls einer zu groß zur Umwanderung sein würde.

Gegen Mittag hatte er zwanzig Kilometer zurückgelegt. Vor ihm lag ein flacher Hügel, auf dem er eine Rast zu machen gedachte.

Als er bergan stieg, fiel ihm auf einmal das Atmen schwerer.

Zuerst schob er es auf die verstärkte Anstrengung und machte sich weiter keine Gedanken. Und dann, als er oben auf dem Hügel stand, vergaß er es.

Er sah die Stadt.

Die Stadt hatte fast zweihunderttausend Jahre geschlafen.

Natürlich hatte sie nicht richtig geschlafen, sondern ein Teil von ihr hatte ständig Wache gehalten, um die gestellte Aufgabe erfüllen zu können. Aber es war nichts geschehen, was ein Eingreifen gerechtfertigt hätte.

Die Stadt lag friedlich und ruhig unter dem Licht der sterbenden Sonne. Die breiten Straßen waren sauber und ohne Fehl. Die silberschimmernden Türme und Dome erhoben sich bis zu fünfzig Meter hoch, dazwischen schwangen sich kühne Brückenbauten mit Fahrbahnen, auf denen kein Verkehr rollte. Seltsam geformte Antennen ragten hoch in den Himmel empor, streckten sich nach allen Richtungen, so als suchten sie etwas. Sie wirkten wie empfindliche Sinnesorgane, die der Stadt sehen und hören halfen.

Vielleicht sogar auch fühlen ...

Es gab keine eigentlichen Häuser, in denen Menschen hätten bequem wohnen können, nur diese kuppelartigen Gebäude, deren formvollendete architektonische Schönheit das Auge und die Sinne faszinierte – hätte es Augen und Sinne gegeben.

Die Stadt war leer.

Aber sie lebte, schlief und wachte zugleich. Sie wachte über das Vergehen der Zeit.

Als Balton Wyt die Stadt erblickte, glaubte er zu träumen. Er vergaß seine Atemschwierigkeiten und sah fasziniert nach Westen. Er konnte jede Einzelheit erkennen, obwohl die Stadt noch fast zwanzig Kilometer entfernt sein musste. Die klare Luft konnte auch täuschen.

Wie kam diese Stadt auf einen unbewohnten Planeten? Wer hatte sie gebaut? Wo waren die Intelligenzen, die in ihr wohnten oder gewohnt hatten?

Balton Wyt fand keine Antwort auf seine Fragen, aber ihm blieb keine andere Wahl, als die Existenz des Unmöglichen anzuerkennen und die Tatsache des Vorhandenseins der Stadt zu akzeptieren.

Er setzte sich, ohne den Blick von der Stadt zu wenden. Geistesabwesend öffnete er eine Konserve und aß. Zwischendurch setzte er das Gesichtsstück der Atemmaske auf, bekam aber kaum Luft. Er musste schneller atmen als zuvor.

Nach dem Essen untersuchte er die Patrone des Atemgeräts und stellte zu seinem Erstaunen fest, dass ihr Vorrat nahezu erschöpft war. Erst jetzt kam ihm zu Bewusstsein, dass er keinen Ersatz mitgenommen hatte. Seine ursprüngliche Absicht war es gewesen, nur bis zum Gebirge vorzudringen. Normalerweise reichte die Patrone für drei bis vier Tage.

Er musste umkehren.

Aber dann rechnete er sich aus, dass der Weg zur Stadt kürzer war, und vielleicht konnte ihm dort jemand helfen.

Jemand ...?

Egal, er musste es wagen. Die Stadt konnte er erreichen, nicht mehr sein Schiff. Die Wahl fiel also nicht schwer.

Er packte seine Sachen und stand auf. Vor ihm lag wieder die Ebene mit ihren Teichen, Bächen und Oasenflächen. Und noch immer sahen ihm die Blumen nach, wenn er an ihnen vorüberging. Sie begannen auch wieder zu singen, aber immer erst dann, wenn sie hinter ihm waren. Wenn er sich umdrehte, war es ruhig.