Perry Rhodan 61: Terra im Brennpunkt (Silberband) - Clark Darlton - E-Book

Perry Rhodan 61: Terra im Brennpunkt (Silberband) E-Book

Clark Darlton

5,0

Beschreibung

Bei einem riskanten Einsatz der Mutanten konnte das wohl größte Geheimnis der Schwarmgötzen gelüftet werden. Perry Rhodan beginnt mit einem wagemutigen Plan: Mit seiner MARCO POLO verlässt der Terraner den Schwarm und kehrt zur Erde zurück, deren Bewohner nach wie vor unter der Verdummungsstrahlung leiden. Rhodans Plan ist es, Terra vom immer näher kommenden Schwarm "schlucken" zu lassen, damit die Menschen des Solsystems ihre volle Intelligenz wiedererhalten. Im Vollbesitz ihrer Kräfte könnten die Terraner dann den Überlebenskampf gegen die Götzen führen. Damit der Plan funktioniert, müssen die Terraner zunächst eine Menschheit vorzugaukeln, die auf der technischen Stufe des ausgehenden 20. Jahrhunderts steht: mit Atomwaffen bewaffnete Nationalstaaten. Schließlich dürfen die Herrscher des Schwarms noch nicht wissen, wie stark Terra wirklich ist: Zigtausende von Raumschiffen warten in ihren Verstecken darauf, dass die Besatzungen wieder aktiv sind und mit ihrer Technik den Kampf aufnehmen können ...

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Nr. 61

Terra im Brennpunkt

Cover

Klappentext

Vorwort

Zeittafel

Prolog

Kapitel 1-10

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

Kapitel 11-20

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

Kapitel 21-33

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

31.

32.

33.

Impressum

Bei einem riskanten Einsatz der Mutanten konnte das wohl größte Geheimnis der Schwarmgötzen gelüftet werden. Perry Rhodan beginnt mit einem wagemutigen Plan: Mit seiner MARCO POLO verlässt der Terraner den Schwarm und kehrt zur Erde zurück, deren Bewohner nach wie vor unter der Verdummungsstrahlung leiden.

Rhodans Plan ist es, Terra vom immer näher kommenden Schwarm »schlucken« zu lassen, damit die Menschen des Solsystems ihre volle Intelligenz wiedererhalten. Im Vollbesitz ihrer Kräfte könnten die Terraner dann den Überlebenskampf gegen die Götzen führen.

Vorwort

Dieser 61. Band der großen PERRY RHODAN-Bibliothek ist in mancher Beziehung heikel. Ziemlich große Bedenken habe ich auch jetzt, da ich diese Einleitung schreibe, bezüglich des enthaltenen Romans »Schlachtfeld Erde«.

Nicht, dass der Autor Ernst Vlcek damit einen schlechten Roman abgeliefert hätte – im Gegenteil, der Band ist gut geschrieben. Doch der Inhalt kann so nicht unkommentiert stehenbleiben.

Es ist die Rede von einem »gespielten« Krieg auf der Erde, um die Schwarmgötzen zu verwirren. Im Verlauf dieser »Scheinmanöver« werden immerhin (scharfe) Atombomben in die Weltmeere geschossen und (entschärfte) auf Städteattrappen abgefeuert. Abgesehen von der physischen Zerstörungskraft, strahlt es auch dabei immer noch, wenngleich weniger.

Und das alles hat sich ein Perry Rhodan ausgedacht – der Perry Rhodan, der bekanntlich den Atomkrieg auf der Erde des späten 20. Jahrhunderts verhindert hat.

Auf der Erde des ausgehenden 20. Jahrhunderts hätte dieser Perry Rhodan wahrscheinlich keine Chance gehabt, seinen Wahnsinnsplan durchzuführen; in der Zukunft des Jahres 3442 schon gar nicht. Es kann doch nicht angehen, dass die Weltmeere wider besseres Wissen (nämlich aus der eigenen Vergangenheit) nuklear verseucht werden, nur um den Götzen ein beeindruckendes Schauspiel zu liefern. Dazu wäre Perry normalerweise etwas Besseres als der gespielte Weltkrieg eingefallen.

Was dazukommt, ist die Suggestion, dass, ohne die Möglichkeiten der 5-D-Technik, auf der Erde der Zukunft alles nur auf der Basis von Atomkraft funktionieren kann, von Atomzügen bis zu Atomautos und Atomöfen. Das ist nicht die Vision einer Zukunft, wie sie in der PR-Serie dargestellt (und meinetwegen: propagiert) wird. Die Atomkraft kann nicht die (einzige) Energiequelle der Zukunft sein, darin sind sich die Wissenschaftler einig. Ein solches Bild, wie es in diesem Roman (oder dem zugrundeliegenden Exposé) gezeichnet wird, ist irreal und gehört nicht in den PERRY RHODAN-Kosmos.

Dass ich diesen Roman trotz größter Bedenken ins Buch aufgenommen habe (und zwar fast ungekürzt), hat einerseits damit zu tun, dass er ein Teil von Rhodans Psychospiel mit den Schwarmherren ist, dessen Herausnahme eine Lücke hinterlassen würde, und ich andererseits nicht das Recht habe, eine »Zensur« auszuüben. Diese Zeilen zu schreiben erschien mir dennoch wichtig.

Heikel im anderen Sinn mag dieses Buch sein für jene, die ihre Probleme mit dem – speziell Ewersschen – Humor haben. Wenn Tatcher a Hainu einen Zahnarzt aus dem 20. Jahrhundert mit in die Zukunft bringt, dann mögen sich manch einem die Haare sträuben. Ich gebe es zu: Ich fand diesen Gag (und den ganzen Roman) so köstlich, dass ich damit weit weniger Probleme hatte als ... siehe oben.

Man muss auch das Unmögliche einfach einmal mit einem zwinkernden Auge sehen dürfen, oder nicht?

Die in diesem Buch enthaltenen Originalromane sind: Das Elixier der Götter (549) von Clark Darlton; Rückkehr ins Jahr 2000 (550) und Jenseits der Energiemauer (555) von H. G. Ewers; Menschheit im Test (551) und Der Sonnengigant (556) von William Voltz und Schlachtfeld Erde (552) von Ernst Vlcek.

Ich danke allen, die auf ihre Weise zum Zustandekommen dieses Buches beigetragen haben, insbesondere den momentan überaus aktiven Fans, die bereits fleißig Anregungen für den kommenden Altmutanten-Zyklus geben: Keine Angst, er wird nicht »unter den Teppich gekehrt«.

Zeittafel

1971 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest.

1972 – Mit Hilfe der arkonidischen Technik gelingen die Einigung der Menschheit und der Aufbruch in die Galaxis.

1976 – Das Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit.

2040 – Das Solare Imperium ist entstanden und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar. In den folgenden Jahrhunderten Bedrohungen durch die Posbi-Roboter und galaktische Großmächte wie Akonen und Blues.

2400 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Regime der Meister der Insel.

2435 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Nach Rhodans Odyssee durch M 87 Sieg über die Erste Schwingungsmacht.

2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben.

3430 – Um einen Bruderkrieg zu verhindern, lässt Rhodan das Solsystem in die Zukunft versetzen. Bei Zeitreisen lernt er den Cappin Ovaron kennen.

3437/38 – Expedition mit der MARCO POLO in die Cappin-Galaxis Gruelfin, um einer Invasion der Pedotransferer zuvorzukommen. Ovaron wird als Ganjo identifiziert. Beim Kampf um das Solsystem wird der Planet Pluto zerstört.

3441/42

Prolog

Als Perry Rhodan Mitte des Jahres 3441 mit der MARCO POLO von Gruelfin in die Milchstraße zurückkehrt, findet er eine ihm fremd gewordene Galaxis vor. Mit Ausnahme relativ weniger Immuner sind alle Intelligenzen verdummt – auch auf Terra herrscht das Chaos. Verantwortlich für die Verdummung ist die Veränderung der galaktischen Gravitationskonstante durch die Vorhut eines ungeheuerlichen Gebildes aus Sternen, Planeten und Raumfahrzeugen, das sich über Tausende von Lichtjahren ausdehnt und mit Transitionen in die Milchstraße schiebt: der Schwarm!

Perry Rhodan bricht mit dem Kreuzer GOOD HOPE II auf, um die Geheimnisse des Schwarms zu ergründen und letztlich dafür zu sorgen, dass in der Milchstraße wieder normale Verhältnisse einkehren. Reginald Bull konzentriert sich anfangs darauf, mit der INTERSOLAR so viele Immune wie möglich aufzulesen.

Im Herbst 3441 verlassen erstmals Objekte den Schwarm, Erkundungs- und Vermessungsschiffe. Ihnen folgen gewaltige Pilzraumer; sie landen auf Planeten, deren Bewohner keine Mittel und Waffen gegen sie finden. Es erfolgt eine so genannte Sekundäranpassung der Gravitationskonstante, in deren Verlauf die verdummten Menschen einen Teil ihrer Intelligenz zurückerhalten. Die Gattung des Homo superior, des »Übermenschen«, dagegen stirbt restlos aus. Als neue ernstzunehmende Bedrohung der galaktischen Völker erweisen sich die Cynos, deren heimliches Imperium die Geschicke der Milchstraße viele Jahrtausende lang unerkannt beeinflusst haben soll. Sie haben ihre Anonymität aufgegeben und verfolgen geheimnisvolle Ziele.

Im Frühjahr 3442 beginnen die Pilzraumschiffe auf den ersten von ihnen besetzten Planeten, die Atmosphäre aufzuheizen und die Gravitation hochzutreiben. Gleichzeitig verlassen große Flotten von Wabenraumschiffen der so genannten Gelben Eroberer den Schwarm und landen auf diesen Welten. Wie sich herausstellt, benötigen die Gelben Eroberer diese neugeschaffenen Umweltbedingungen, um sich zu teilen, während die Bewohner der Planeten qualvoll sterben.

Um endlich die Wahrheit über den Schwarm und dessen Herrscher zu erfahren und das Grauen zu beenden, fasst Perry Rhodan – inzwischen wieder auf der MARCO POLO – den Entschluss, eine Fünfte Kolonne in den Schwarm zu schicken. Mit der Spezial-Space-Jet GEVARI findet eine schlagkräftige Truppe ein Versteck auf dem Plasmaplaneten Kokon und erhält Kontakt mit »entarteten« Gelben Eroberern. Ein so genanntes Regulationsvirus sorgt für die Hoffnung, die gebärfreudigen Gelben Eroberer zu infizieren und an der Teilung zu hindern, wodurch unzählige Milchstraßenwelten und deren Bewohner gerettet werden könnten.

1.

August 3442

Das lange Warten war grauenhaft und zehrte an der Nervenkraft. Zwar hielt sich die MARCO POLO, Perry Rhodans Flaggschiff, bereits seit sechs Wochen in der Kopfregion des Schwarms auf, unentdeckt und unbehelligt, aber die Ortung durch die überall blitzschnell auftauchenden Wacheinheiten des unbekannten Gegners konnte jeden Augenblick erfolgen.

Man wartete auf die Ankunft der Jungen. Für jeden Gelben Eroberer, der mit der Gebärflotte den Schwarm verlassen hatte, würden sieben Neugeborene zurückkehren.

Balton Wyt, der Telekinet, hatte seine Kabine verlassen und befand sich auf dem Weg zu seinem Freund Gucky, den er – den Umständen entsprechend – auf dem Bett liegend und vor Langeweile fast vergehend anzutreffen hoffte. Da es ihm ähnlich erging, nahm er automatisch an, es müsse bei allen anderen genauso sein.

Als er in den Seitengang einbog, der zu den Kabinen führte, kam ihm ein junger Offizier entgegen, den Balton vom Sehen her kannte. An den Namen allerdings konnte er sich nicht erinnern – kein Wunder, denn die MARCO POLO hatte achttausend Besatzungsmitglieder.

»Mr. Wyt«, sagte der Leutnant höflich, »würden Sie mir einige Fragen beantworten?«

Balton wunderte sich nicht, dass man ihn kannte. Er gehörte zum Korps der Mutanten und hielt sich selbst für eine recht wichtige Persönlichkeit. Er nickte gnädig und blieb stehen.

»Bitte, Leutnant, aber machen Sie es kurz. Ich habe zu tun.«

»Ich will Sie nicht aufhalten, aber sicherlich wissen Sie mehr als wir. Halten Sie mich nicht für unbescheiden oder neugierig, aber ich spreche gleichzeitig auch im Auftrag eines Teils der Mannschaft. Um es kurz zu machen: Wir treiben uns schon seit anderthalb Monaten in diesem Sektor des Schwarms herum – wie lange soll das noch dauern? Nichts geschieht, und wir setzen uns sogar der Gefahr einer Entdeckung aus, obwohl wir doch schon mehr als einmal die Gelegenheit hatten, den Schwarm zu verlassen. Warum geschieht das nicht?«

Balton Wyt betrachtete den Leutnant etwa so, wie eine Schlange ihre Beute fixieren würde, kurz bevor sie zum entscheidenden Stoß ansetzt. Natürlich kannte er Rhodans Absichten und Pläne wenigstens zum größten Teil und in groben Zügen, aber er wusste nicht, ob er darüber sprechen durfte. Auf der einen Seite hätte er nun diesem hoffnungsvollen jungen Mann gern mit seinem eigenen Wissen imponiert, auf der anderen Seite jedoch wollte er auf keinen Fall etwas Falsches tun.

»Wir warten«, sagte er offenherzig. »Das wissen Sie doch.«

»Richtig, wir warten auf die Rückkehr der Wabenschiffe. Aber kennen wir die Gewohnheiten der Fremden? Vielleicht müssen wir drei Jahre warten.«

Balton Wyt lehnte sich gegen die Korridorwand und verschränkte die Arme auf der Brust.

»Leutnant, es mangelt Ihnen offensichtlich an Vertrauen zur Schiffsführung. Halten Sie Rhodan für derart verbohrt, dass er drei Jahre untätig im Schwarm verweilen würde? Ich muss doch sehr bitten ...«

»Ich habe absichtlich übertrieben, Mr. Wyt. Eigentlich wollte ich damit nur sagen, dass es vielleicht wichtigere Dinge zu tun gäbe. Wir aber sitzen hier und warten, bis man uns entdeckt. Und was dann los ist, können wir uns lebhaft vorstellen.«

»Was soll dann los sein?« Balton Wyt winkte verächtlich ab. »Wir verschwinden im Linearraum. So einfach ist das!«

»Und dafür warten wir so lange?« Der Leutnant schüttelte den Kopf. »Das können Sie mir nicht erzählen!«

»Habe ich aber«, meinte Balton Wyt und setzte sich in Bewegung. »Tut mir leid, mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Teilen Sie das Ihren Freunden mit. Sie werden täglich über Interkom über die Lage informiert, und wenn sich etwas Neues ergibt, werden Sie es rechtzeitig erfahren. Die Gebärflotte hat den Schwarm verlassen und drei geeignete Planeten gefunden, auf denen die Teilung erfolgte. Sie wird also bald zurückkehren, und eben darauf warten wir. Die MARCO POLO steht augenblicklich im Schutz einer blauen Riesensonne und kann nicht entdeckt werden.« Er nickte dem Leutnant freundlich zu. »Und nun entschuldigen Sie mich bitte. Ich werde erwartet.«

Der Leutnant trat zur Seite und ließ ihn vorbei.

»Danke für das Gespräch«, sagte er automatisch. »Sie haben mich ein wenig beruhigt. Ich verstehe ja, dass Sie schweigen müssen ...«

»Dann hätte ich überhaupt nichts gesagt«, belehrte ihn Balton mit höflichem Lächeln und marschierte davon, in Richtung von Guckys Kabine.

Der Leutnant verschwand in entgegengesetzter Richtung.

Als Balton vor der Kabinentür stehenblieb, öffnete sich diese zu seiner Überraschung ganz von selbst – und ehe er sich anmelden konnte. Zögernd trat er ein. Der Mausbiber lag, wie erwartet, angezogen auf seinem Bett und grinste ihm triumphierend entgegen.

»Nun komm schon rein und mach den Mund zu. Es zieht!«

Balton Wyt schluckte und trat in die Kabine. Hinter ihm schloss sich die Tür wieder.

»Du hast mal wieder gewusst, dass ich kam?«, murrte Balton und setzte sich an den Tisch, Gucky gegenüber. »Spion!«

»Deine Gedanken waren so intensiv, dass sie kaum zu überhören waren – wenn ich mich mal so ausdrücken darf. Den armen Leutnant hast du ja schön eingeseift. Der weiß jetzt noch weniger als zuvor.«

»Das war der Sinn meiner diplomatischen Worte«, behauptete Balton selbstbewusst. »Ehrlich gesagt: Mir geht die Warterei ebenfalls auf die Nerven. Ich kann den Mann gut verstehen.«

Gucky gähnte und reckte sich.

»Was habt ihr nur alle? Ich finde die Erholungspause großartig. Müsst ihr Menschen denn immer etwas tun? Könnt ihr nicht mal faulenzen und das Leben genießen, so, wie ich es auch tue?«

»Unter Leben genießen stelle ich mir etwas anderes vor, Gucky!«

Der Mausbiber nickte verständnisvoll.

»Ja, ja, ich weiß! Aber das kannst du ja auf der MARCO POLO auch haben, wenn du nicht so faul wärest und dich ein wenig umsähest. Außerdem gibt es Kinos, Messen, Bars, ein Schwimmbad, die Spielräume ...«

»Hör mir nur mit dem dreidimensionalen Schach auf! Ich bin zwar nicht gerade geistig minderbemittelt, aber ...«

»Ist ja auch nur etwas für Genies«, erklärte Gucky seinem Freund. »Man muss kubisch denken können.«

Balton fragte verdutzt: »Was muss man können?«

Gucky winkte ab. »Ach, lassen wir das! Was gibt es Neues? Mir kannst du es ja sagen.«

»Du bist doch Telepath. Esperst du nicht genug herum und liest Gedanken?«

»Dazu habe ich keine Zeit«, log Gucky unverfroren. »Also, nun red schon! Kleben wir noch immer bei der blauen Sonne und warten auf den gelben Kindergarten?«

»Du drückst es verniedlicht aus, aber es trifft den Kern der Sache auf den Kopf. Oder so ähnlich.«

»Ja, so ähnlich.« Der Ilt seufzte. »Ich habe das Gefühl, dass die schöne Wartezeit bald zu Ende ist. Ich spüre es im ...«

»Vielleicht bist du nur erkältet«, unterbrach ihn Balton. »Jedenfalls ist die Mannschaft nicht so ruhig und abgeklärt wie du und ich. Sie wird ungeduldig und stellt Fragen. Du hast es ja selbst mitgehört.«

»Der Leutnant soll doch fragen, soviel er will. Was glaubst du, was ich in den vergangenen Tagen schon für Vorträge gehalten habe? Es gibt immer noch genügend Leute, die ausgerechnet mich um Aufklärung bitten. Die Armen!«

»Das kann ich mir vorstellen«, gab Balton zu. »Wahrscheinlich hast du allen Ernstes behauptet, wir wollten den neugeborenen Gelben Eroberern das Stricken beibringen.«

»Hihi!«, piepste Gucky vergnügt. »Das ist eine ausgezeichnete Idee! Vielleicht finde ich noch jemanden, der mir das abnimmt.« Er gähnte zum wiederholten Mal. »Warum bist du eigentlich hergekommen? Nur um mich zu stören?«

Der plötzliche Umschwung überraschte den Telekineten. Er schüttelte den Kopf.

»Ich dachte, dir wäre genauso langweilig wie mir, darum ...«

»Ach, und da meinst du, deine Gegenwart könne daran etwas ändern?« Der Mausbiber grinste von einem Pelzohr zum anderen. »Ich werde jetzt ein paar Stunden schlafen, wenn du gestattest. Bleib ruhig dort sitzen, aber schau mich nicht so an. Ich habe einen spannenden Film im System. Sieh ihn dir an, wenn du willst.«

»Filme kann ich auch bei mir sehen.«

»Und warum tust du es nicht?«

Balton Wyt sah ein, dass mit Gucky jetzt nicht viel anzufangen war. Der Mausbiber war faul und träge. Er würde kein vernünftiges Wort von sich geben, um ja keine Diskussion aufkommen zu lassen. Es war besser, ihn in Ruhe zu lassen. Sollte er schlafen, bis sich der Pelz kräuselte!

»Du bist noch langweiliger als ein Felsbrocken«, eröffnete ihm der Telekinet und stand auf. »Ich gehe in die Messe der Wissenschaftler. Dort trifft man wenigstens noch auf intelligente Lebewesen.«

»Hoffentlich kannst du mit denen etwas anfangen«, meinte Gucky teilnahmslos und ließ ihn gehen.

In der Kommandozentrale der MARCO POLO war in den vergangenen sechs Wochen von Langeweile oder untätigem Warten nicht viel zu spüren gewesen.

Rhodan und Atlan hatten sich im Kommandodienst abgewechselt, und mehr als einmal musste sich das riesige Flaggschiff durch geschickte Linearmanöver in Sicherheit bringen, wenn es von den leistungsfähigen Orterinstrumenten der fremden Wacheinheiten aufgespürt wurde. Nun stand die MARCO POLO bereits seit mehr als einer Woche im Schutz der blauen Riesensonne.

Ständig waren Korvetten und Jäger zur Beobachtung unterwegs, aber es gab keine Anzeichen dafür, dass die Gebärflotte der Gelben Eroberer zurückkehrte. Sie hielt sich demnach noch immer außerhalb des Schwarms in der Milchstraße auf.

Es war der 29. August des Jahres 3442 Terra-Normal. Bordzeit: siebzehn Uhr. Ende einer Ruheperiode im Schiff.

Atlan erschien pünktlich, um Rhodan abzulösen. Der diensthabende Pilot, der Emotionaut Mentro Kosum, lehnte sich erleichtert von den Kontrollen zurück und reckte sich.

»Keine besonderen Vorkommnisse«, meldete Rhodan routinemäßig. »Zwanzig Kreuzer und zwölf Korvetten auf Fernbeobachtung im Umkreis von zehn Lichtjahren. Keine Ortung fremder Einheiten. Alles ruhig.«

Ras Tschubai, der afroterranische Teleporter, erschien in der Tür zur Orterzentrale. Er hatte die Stimmen der Männer gehört und war offensichtlich froh über die Abwechslung.

»Keine Ortungen«, meldete er und fügte hinzu: »Sieht so aus, als wären sie alle verschwunden und hätten die Suche nach uns aufgegeben. Die Ruhe ist direkt unheimlich.«

Atlan schaute zu Rhodan, dann meinte er zögernd: »Ras' Bemerkung bringt mich auf einen Gedanken. Schon mal etwas von der Ruhe vor dem Sturm gehört, Perry?«

Rhodan nickte langsam.

»Es ist allerdings merkwürdig, dass sie uns seit einigen Tagen in Ruhe lassen. Ich glaube nicht daran, dass sie die Suche aufgeben. Immerhin sind wir in den Schwarm eingedrungen – und sie wissen das. Sie wissen auch, dass wir noch hier sind. Sie kennen die Gefahr, die wir darstellen – ein Schiff mit zweieinhalb Kilometern Durchmesser, dazu neunundvierzig Kreuzer, fünfzig Korvetten und fünfhundert Jäger. Eigentlich eine ganze Flotte, konzentriert in einem einzigen Schiff. Unsere stets erfolgreiche Flucht beweist ihnen außerdem, dass wir über hervorragende technische Möglichkeiten verfügen. Sie werden uns als einen beachtlichen Gegner eingestuft haben und uns kaum unterschätzen. Kein Grund also, uns zu ignorieren. Wenn sie es scheinbar trotzdem tun, steckt Absicht dahinter. Welche?«

Atlan sagte: »Darauf wollte ich anspielen, Perry. Die Ruhe vor dem Sturm! Was kann dieser Sturm sein? Vielleicht ein Ereignis, das sich nicht länger hinauszögern lässt, obwohl unsere Gegenwart störend wirkt und den ›Sturm‹ bisher vielleicht verhinderte?«

»Du meinst ...?«

»Ja, ich meine, die Rückkehr der Gebärflotte steht kurz bevor. Man hat sie verzögert, aber aus einem uns noch unbekannten Grund muss sie nun doch durchgeführt werden, ob man uns vertrieben hat oder nicht. Damit ergibt sich eine weitere Schlussfolgerung: Die Rückkehr der Gebärflotte ist von einem Termin abhängig! Sie muss rechtzeitig zurückkehren, oder es geschieht irgend etwas, vielleicht eine Katastrophe. Nein, stell jetzt bitte keine Fragen, Perry, ich weiß keine Antwort im Detail. Jedenfalls dürfen wir annehmen, dass die Flotte mit den Neugeborenen bald zurückkehrt, und vor allen Dingen müssen wir damit rechnen, dass sie stark bewacht wird. Man weiß, dass wir noch da sind! Man wird uns erwarten, wenn es soweit ist.«

»Das sind ja schöne Aussichten«, bemerkte Ras Tschubai.

»Allerdings«, gab Rhodan ihm recht. »Und wenn wir klug sind, treffen wir unsere Vorbereitungen. Wenn Atlans Vermutung stimmt, kann die Rückkehr jeden Augenblick erfolgen. Wir sollten dann sofort handlungsfähig sein.«

Atlan kniff die Augen ein wenig zusammen.

»Wie meinst du das, Perry? Sind wir nicht seit sechs Wochen auf das Ereignis vorbereitet? Was willst du noch mehr?«

»Unsere Diskussion hat mich davon überzeugt, dass die unbekannten Beherrscher des Schwarms keinesfalls unsere Anwesenheit ignorieren werden. Mit anderen Worten: Sie werden auf die MARCO POLO achten und entsprechende Anweisungen an ihre Hilfsvölker erlassen haben. Man rechnet also mit dem Auftauchen unseres Kugelraumers und der Beiboote. Aber man rechnet vielleicht nicht mit dem Auftauchen einer vergleichsweise winzigen Korvette und einem kleinen Einsatzkommando.«

Atlan nickte.

»Ich verstehe, Perry. Die MARCO POLO soll im Hintergrund bleiben, während wieder ein kleines Kommando versucht, den Weg der Gebärflotte zu verfolgen. Man erwartet die MARCO POLO, und vielleicht würde man sogar aus taktischen Gründen eine Korvette ignorieren.« Er stützte das Kinn in die rechte Hand. »Du meinst weiter, wir sollten das Kommando schon jetzt zusammenstellen?«

»Ja. Hättest du etwas dagegen, es zu leiten?«

»Absolut nicht – ich wollte es selbst vorschlagen. Und wenn du mich jetzt nach meinen Begleitern fragst, so könnte ich genau jene aufzählen, an die du ebenfalls denkst. Mentro Kosum als Piloten – wir benötigen auf jeden Fall einen Emotionauten dazu, weil er schneller reagiert als jeder andere Mensch. Dann Ras Tschubai und Gucky als Teleporter. Vielleicht noch einen Telekineten, also Balton Wyt.« Er sah Rhodan erwartungsvoll an. »Ja, das wäre wohl alles.«

»Ich habe sogar schon die Korvette ausgesucht, Atlan. Die KMP-36 steht unter dem Kommando von Captain Rynka Hosprunow, einem sehr fähigen Mann. Er kann seiner Stammmannschaft Urlaub geben. Er und Kosum sind leicht in der Lage, die Korvette heil zurückzubringen, falls du mit deinen Leuten einem Planeten einen Besuch abstatten musst. Und mit zwei Teleportern an der Hand dürftet ihr euch jederzeit wieder in Sicherheit bringen können, falls sich euch eins unserer Schiffe bis auf eine Viertelmillion Kilometer nähert.«

Atlan wirkte äußerst befriedigt.

»Endlich tut sich etwas. Dann wollen wir die Teilnehmer an dem bevorstehenden Unternehmen benachrichtigen und – warten. Die Rückkehr der Gebärflotte wird sich durch eine gewaltige Strukturerschütterung ankündigen. Dann müssen wir bereit sein. Ras, geben Sie den Dienst in der Orterzentrale ab und warten Sie in Ihrer Kabine. Ich werde Balton und Gucky informieren. Von jetzt an besteht für uns ständige Alarmbereitschaft.«

Gegen achtzehn Uhr etwa erschienen Gucky und Balton Wyt in der Kommandozentrale und wurden von Rhodan informiert. Atlan, Ras Tschubai und Mentro Kosum waren bereits in die KMP-36 übergesiedelt. Die Korvette stand startbereit im Seitenhangar der MARCO POLO und konnte innerhalb weniger Sekunden ausgeschleust werden, wenn das Kommando dazu erteilt wurde.

Etwas besorgt über den bevorstehenden Einsatz zeigte sich lediglich der Kommandant der Korvette, Captain Rynka Hosprunow. Der dunkelhaarige Kirgise, mittelgroß und schlank, wirkte rein äußerlich drahtig und entschlossen. Um so erstaunlicher war seine plötzliche Unsicherheit. Atlan ahnte, was in dem Mann vor sich ging.

»Die KMP-36 gehört zu den vollautomatisierten Typen, Captain, vergessen Sie das nicht. Selbst dann, wenn Sie uns irgendwo abgesetzt haben, werden Sie mit Hilfe Kosums das Schiff durch die halbe Galaxis steuern können, auch ohne Ihre Mannschaft. Aber das geschieht ja auch nur im Notfall. Es ist durchaus möglich, dass unser Kommando an Bord bleibt und wir die Erkundung durchführen können, ohne das Schiff verlassen zu müssen. Ich würde mir also an Ihrer Stelle jetzt noch keine grauen Haare wachsen lassen.«

»Der Flug ohne Mannschaft bereitet mir weniger Sorge«, gab Hosprunow zu. »Aber ich frage mich, wie Sie an Bord der Korvette zurückkehren wollen, wenn ich durch den Angriff überlegener Feindkräfte gezwungen werde, den Rückzug anzutreten. Die Reichweite der Teleporter ist einer Begrenzung unterworfen, soweit ich das richtig verstanden habe.«

»Es ist sinnlos, jetzt schon bestimmte Planungen zu machen, da unerwartete Situationen auftreten können. Lassen wir alles auf uns zukommen. Wichtig ist, dass wir jederzeit starten können. Alles andere ergibt sich von selbst.« Er nickte Mentro Kosum zu. »Sie übernehmen den Platz des Piloten, während Hosprunow die Navigationsautomatik und die restlichen Kontrolleinrichtungen bedient. Balton, Sie kümmern sich mit Gucky um die Ausrüstung. Ich habe eine Liste aufgestellt, nach der Sie sich bitte richten. Sorgen Sie dafür, dass alles gut verpackt und leicht transportabel dort drüben in der Ecke gelagert wird. Später wird alles sehr schnell gehen müssen, und wir haben dann keine Zeit mehr, unsere Sachen zusammenzusuchen.«

Balton Wyt nahm den Zettel mit der Aufstellung entgegen und ging damit zu Gucky, der etwas von »kosmischen Möbelpackern« verlauten ließ, aber sonst keinen Einwand hatte. Atlan hielt Ras Tschubai die Hand entgegen.

»Kommen Sie, Ras, bringen Sie mich zu Rhodan in die Kommandozentrale. Wir werden dort abwarten, bis es soweit ist. Wir müssen uns nur darauf verlassen können, dass hier alles bereit ist. Es hängt in erster Linie von Gucky und Balton ab.«

»Alles hängt in erster Linie immer von mir ab«, meinte Gucky nicht ohne Genugtuung. »Keine Sorge, in einer halben Stunde stehen drüben in der Ecke vier wunderschöne Riesenpakete. Aber eins kann ich dir gleich verraten, Atlan: Ich habe das Gewicht zusammengerechnet und bin auch ohne Computer zu dem Ergebnis gelangt, dass wir den ganzen Kram unmöglich zusammen mit euch teleportieren können. Das Gewicht wird zu groß.«

»Dann teleportiert ihr eben zweimal – einmal mit Balton und mir, dann mit Gepäck. Bei einer schnellen Flucht bleibt später die Ausrüstung zurück, so dass ein einziger Sprung genügen wird.«

»Ja, wenn die Entfernung stimmt!«, sagte Gucky sarkastisch.

Atlan winkte ab und gab Ras endgültig die Hand. »In die Kommandozentrale!«

Gucky wartete, bis Atlan mit dem Teleporter verschwunden war, dann schaute er auf den Zettel, den Balton noch immer in der Hand hielt.

»Bei allen Rüben des Universums! Das ist ja ein ganzes Lagerhaus! Da wird sich aber unser Verwaltungsheini freuen, wenn wir ihm die Liste überreichen. Zum Glück hat Perry sie unterzeichnet, sonst würden wir unsere kostbare Zeit mit langen Erklärungen verschwenden müssen.«

»Fangen wir an«, schlug Balton vor.

Mentro Kosum, der längst im Kontrollsitz des Piloten Platz genommen hatte, nickte dem Captain freundschaftlich zu.

»Nun, Rynka, dann legen Sie mal mit der Instruktionsstunde los. Wie ich sehe, gibt es da einige feine Unterschiede zu den üblichen Instrumenten. Warum gibt es zum Beispiel dort unter dem Navigationskontrolltisch keinen Korrekturcomputer mit entsprechender Schaltvorrichtung ...?«

»Die KMP-36 ist vollautomatisiert. Jegliche Korrektur ist überflüssig, sie wäre sogar unmöglich. Ein einmal eingeleiteter Flugvorgang kann höchstens total abgebrochen und neu programmiert werden. Ich werde es Ihnen erklären. Sehen Sie hier, Mentro ...«

Wenig später erschien Gucky mit dem ersten Paket.

Gegen zwanzig Uhr Bordzeit registrierte die Orterzentrale der MARCO POLO die ersten Strukturerschütterungen. Die Fernorter begannen automatisch zu arbeiten, um Richtung und Entfernung des Ereignisses festzustellen. Während das geschah, wurden weitere Endtransitionen registriert.

Gleichzeitig ergab die Auswertung der Daten das Öffnen des vorderen Schmiegeschirms, eben jener gigantischen Energieblase, die den ganzen Schwarm in seiner Länge von mehr als zehntausend Lichtjahren einhüllte. Das konnte nur bedeuten, dass jemand den Schwarm verlassen oder in ihn eindringen wollte. Die festgestellten Transitionen bestätigten einwandfrei die letztere Möglichkeit.

Perry Rhodan sah Atlan mit einem Ausdruck der Erleichterung an.

»Die Gebärflotte kehrt zurück, wie wir es erwartet haben. Deshalb konnte man sich nicht mehr so intensiv um uns kümmern. Ich glaube, damit bahnt sich die Entscheidung an. Wir wissen, woher die Gelben Eroberer kommen, und wir wissen auch, dass sie bei ihrem seltsamen Teilungsprozess von den unbekannten Herrschern des Schwarms unterstützt werden. Was wir herauszufinden haben, ist einfach: Warum werden sie unterstützt? Um in dieser Hinsicht ein Ergebnis zu erzielen, müssen wir wissen, was mit den Neugeborenen geschieht.«

Atlan wollte etwas erwidern, als die Fernortung sich meldete und die ersten Ergebnisse durchgab.

Dutzende der riesigen Wabenraumschiffe wurden festgestellt, die Entfernungen waren unterschiedlich und schwankten zwischen fünfzig und dreihundert Lichtjahren. Weitere Kurztransitionen bestätigten dann jedoch die Vermutung, dass sich die Schiffe sammelten und in einem eng begrenzten Raumsektor konzentrierten.

Die Berechnungen ergaben, dass sich nun in jedem dieser Wabenschiffe vierzehn Millionen neugeborene Gelbe Eroberer aufhalten mussten. Die Frage blieb offen, was mit diesen vierzehn Millionen Lebewesen geschehen sollte, die offensichtlich innerhalb des Schwarms keine wichtige Funktion erfüllten. Wozu also dieser Aufwand? Warum diese offensichtliche Belastung der unbekannten Herrscher, die sicherlich andere Sorgen haben mussten?

»Bisher zweihundert Wabenschiffe«, meldete die Ortung nüchtern.

»Also zwei Milliarden und achthundert Millionen Gelbe Eroberer«, stellte Atlan verblüfft fest. »Wohin damit? Wozu das alles? Es gibt keine vernünftige Erklärung.«

»O doch, es gibt schon eine, wir kennen sie nur noch nicht«, widersprach Rhodan überzeugt. »Es wird jetzt deine Aufgabe sein, sie einzuholen. Wenn es dir und deinem Kommando gelingt, unbemerkt in eine der Sechskantröhren zu teleportieren und den bevorstehenden Heimflug der Gebärflotte mitzumachen, wirst du zwangsläufig ans Ziel gelangen. Das Problem wird nur sein, mit dem Ergebnis heil und gesund zu uns zurückzukehren. Jedenfalls wird sich an Bord der KMP-36 Ribald Corello befinden, wenn Kosum euch abholt. Der geistige Kontakt mit ihm vergrößert die Sprungweite der Teleporter.«

Atlan seufzte. »Ich hatte noch nie vor einem Einsatz ein so ungutes Gefühl.«

»Das haben wir alle«, gab Rhodan unumwunden zu.

Inzwischen trafen weitere Daten aus der Orterzentrale ein. Die Flotte der Wabenraumschiffe war bis auf dreihundert Einheiten angewachsen, die sich in einer Entfernung von nur sechzig Lichtjahren zum Weiterflug sammelten. Hinzu gesellten sich einige tausend Wachschiffe, die den gigantischen Pulk ständig umkreisten und unaufhörlich Orterrefleximpulse ausschickten. Die MARCO POLO hätte keine Chance gehabt, sich unbemerkt zu nähern. Sie war dazu viel zu groß und auffällig.

»Es dürfte soweit sein«, sagte Rhodan und legte Atlan die Hand auf die Schulter. »Alter Freund, ich kann dir und deinen Begleitern nur viel Glück und eine gesunde Heimkehr wünschen. Wir treffen uns im System Rubin, das auf unseren Karten verzeichnet ist. Zwei Planeten, unbewohnt. In zwei Tagen werden wir dort in Orterschutz gehen. Alle weiteren Vereinbarungen musst du je nach Lage der Dinge mit Kosum und Hosprunow treffen.« Er nickte ihm zu. »Also dann ...«

Ras Tschubai, der bisher schweigend dabeigestanden und lediglich für die Ergebnisse der Orterzentrale Interesse gezeigt hatte, reichte Rhodan die Hand.

»Auf Wiedersehen«, sagte er einfach. Dann teleportierte er mit Atlan zurück in die startbereite KMP-36.

Gucky und Balton Wyt legten gerade die vier fertigen Ausrüstungsballen zurecht. Der Telekinet meldete: »Alles fertig, Atlan! Vier Gepäckstücke von je fünfzig Kilo Normalgewicht. Wir werden zweimal teleportieren müssen, wenn die Entfernung mehr als hunderttausend Kilometer beträgt.«

Atlan dankte und wandte sich dann sofort an Kosum und Hosprunow: »Start in fünf Minuten. Alles klar?«

»Haben Sie Daten?«

Atlan gab ihm einen Folienzettel. »Koordinaten, Entfernung, Zahl der Einheiten – alles vorhanden.«

Kosum nahm den Zettel, las und nickte. »Sechzig Lichtjahre – na, dann wollen wir mal ...!«

2.

Bereits wenige Minuten nach dem Start hatten sie die mächtige MARCO POLO aus der automatischen Ortung verloren.

Sämtliche Impulsreflexe gingen im Energiestrom der blauen Riesensonne unter.

Ras Tschubai überwachte die Orterinstrumente, während sich Balton Wyt um die Funkzentrale kümmerte und versuchte, mit Hilfe des zwischengeschalteten Translators Befehle und Anordnungen des Schwarms aufzufangen und auszuwerten.

Mentro Kosum steuerte, von gelegentlichen Ratschlägen des eigentlichen Kommandanten der KMP-36 unterstützt. Atlan saß im dritten Kontursessel vor den Kontrollanlagen und beobachtete den Panoramaschirm. Der einzige, der sich im Augenblick höchst überflüssig vorkommen mochte, war Gucky. Er hockte mit mürrischer Miene zwischen den Gepäckstücken und schien sich danach zu sehnen, dass endlich etwas geschah, was seine Unentbehrlichkeit drastisch demonstrierte.

»Erste Linearetappe über fünfzig Lichtjahre beginnt in zehn Sekunden«, unterbrach Kosum das bedrückende Schweigen. »Danach läuft die Exaktortung an. Wir werden uns das Schiff aussuchen müssen, in das wir teleportieren.«

»In das wir teleportieren«, korrigierte ihn Atlan. »Sie haben das Glück, zur MARCO POLO zurückfliegen zu dürfen. Aber vergessen Sie nicht: In zwei oder drei Tagen sehen wir uns wieder. Mit Hilfe des vereinbarten Rafferimpulses werden wir unsere derzeitige Position durchgeben. Mehrmals, damit Sie uns nicht überhören ...«

Noch während Atlan sprach, ging das Schiff in den Linearraum und entzog sich somit jeder normalen Beobachtungsmöglichkeit. Gleichzeitig stieg die relative Fluggeschwindigkeit um das Millionenfache, ohne dass es eine Zeitverschiebung gegeben hätte. In knapp achtzig Minuten legte die KMP-36 die programmierten fünfzig Lichtjahre zurück und kehrte dann in das Einstein-Universum zurück.

Sowohl Ras wie auch Balton saßen voller Spannung vor ihren Geräten, denn jede Funk- und Orterstille war mit einem Schlag vorbei. Die Sendungen der Wabenflotte kamen auf den unterschiedlichsten Frequenzen und wurden sofort von dem Translator übersetzt, aber sie ergaben trotzdem keinen Sinn. Balton Wyt schüttelte nach zehn Minuten verzweifelt den Kopf und lehnte sich zurück.

»Es ist absolut verrückt, wenn ihr mich fragt! Die einzelnen Meldungen stecken voller Widersprüche, ein Befehl hebt den anderen wieder auf. Nur eines scheint klar zu sein: Man legt äußersten Wert darauf, dass die gesamte Gebärflotte oder zumindest der größte Teil von ihr ganz bestimmte Systeme anfliegt und dort landet. Es ist mir allerdings noch nicht gelungen, die Koordinaten herauszufinden, obwohl sie laufend erwähnt werden.«

»Das ist im Augenblick auch nicht so wichtig«, beruhigte ihn Atlan. »Wichtig ist, dass wir nahe genug an eins der Wabenschiffe herankommen, um teleportieren zu können. Im übrigen scheinen mir die unterschiedlichen Zielangaben daher zu rühren, dass es nicht nur einen, sondern vielleicht sogar dreihundert Zielplaneten gibt. Die Neugeborenen werden also erwartet. Und zwar werden sie sehr dringend erwartet.«

»Ortung soweit klar«, meldete sich nun auch Ras Tschubai. »Die Flotte der Wabenschiffe sammelt sich, bewacht von den Einheiten der Schwarmbeherrscher. Zweifellos bereitet man sich auf eine größere Transition vor, alles deutet wenigstens darauf hin. Vielleicht wäre es an der Zeit, näher an die Ansammlung heranzugehen.«

»Genau das haben wir vor«, erklärte Atlan. »Kosum und Hosprunow programmieren längst die nächste und hoffentlich letzte Linearetappe.«

»Das kann man auffassen, wie man will«, warf Gucky mürrisch aus seiner Ecke ein. »Ich persönlich hoffe, dass ich noch eine ganze Menge von Linearetappen erleben werde ...«

Niemand achtete auf seine Zwischenbemerkung.

»Neun Lichtjahre und zweihundertachtundsiebzig Lichttage«, gab Kosum das Ergebnis der Auswertung bekannt. »Dann sind wir praktisch mittendrin.«

»Das ist unsere Absicht«, sagte Atlan.

Die Vorbereitungen nahmen trotz der Vollautomation eine gewisse Zeit in Anspruch. Längst war nach Bordzeit der nächste Tag angebrochen, der dreißigste August. Gucky nutzte die unfreiwillige Wartezeit und knabberte an einigen Trockenkonzentraten herum, deren Genuss ihm jedoch offensichtlich nicht behagte. Er enthielt sich allerdings jeglicher Kritik und schwieg.

Atlan inspizierte die Orterschirme, die in Form winziger Lichtpunkte die Flotte der Wabenschiffe zeigten. Obwohl fast noch zehn Lichtjahre entfernt, verursachten die Echos der Reflexionsstrahlen optisch sichtbare Impulse.

»Die Wacheinheiten sind zu klein, ich kann sie nicht auf den Schirm bekommen«, entschuldigte sich Ras. »Aber auf der anderen Seite gibt uns das die Gewissheit, dass auch wir nicht geortet werden können.«

»Wenn wir mitten zwischen der Gebärflotte auftauchen, wird man uns schnell genug entdecken«, dämpfte Atlan seinen Optimismus. »Wir werden schnell und entschlossen handeln müssen, damit Kosum und Rynka mit der Korvette entkommen können, ehe man sie jagt.« Er schaute auf die Kontrollen. »In zehn Minuten ist es soweit. Dann gehen wir in die letzte Etappe.«

»Den Göttern sämtlicher Gemüseplaneten sei Dank«, entfuhr es Gucky unwillkürlich, während er den Rest seiner Konzentrate in den Taschen seines Kampfanzuges verstaute. »Die Warterei hält ja kein Mensch aus, geschweige denn ein Ilt.«

»Du wirst dich noch in deine Gepäckecke zurücksehnen«, prophezeite Atlan.

Die Minuten vergingen langsam, so als tropfe die Zeit nun zähflüssiger ins Meer der Ewigkeit. Mit knapper Lichtgeschwindigkeit raste die Korvette dem Berechnungspunkt entgegen, dessen Koordinaten im automatischen Linearcomputer verankert waren.

Dann verließ die KMP-36 den Normalraum.

Wenige Minuten vor dem Rücktauchmanöver ordnete Atlan höchste Alarmbereitschaft an. Kosum programmierte einen Notstart für das Schiff und speicherte die Daten in die Automatik. Falls ein überraschender Angriff erfolgte, würde ein Knopfdruck genügen, die Korvette innerhalb weniger Sekunden in die Sicherheit des Linearraumes zu bringen.

Selbst Gucky gab seine bisher zur Schau getragene Gleichmütigkeit auf. Er kam aus seiner Ecke und gesellte sich zu den anderen, die fasziniert auf den Panoramaschirm sahen. Jeden Augenblick würden dort die Sterne auftauchen – und mit ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Wabenraumschiffe der Gelben Eroberer, die in Wirklichkeit nur die Schachfiguren im rätselhaften Spiel der Schwarmgötzen waren.

»Noch dreißig Sekunden«, sagte Kosum.

Der exakte Koordinatenschnittpunkt der Rematerialisation im Normalraum war bekannt, aber niemand konnte wissen, wer dort auf sie wartete. Nur eines war sicher: Im Umkreis von mehreren Lichtmonaten stand kein Stern. Die Korvette würde somit auf jeden Orterschutz verzichten müssen. Es blieb demnach dem Zufall überlassen, ob man sie gleich entdeckte oder ob Atlan und seinen Begleitern genügend Zeit blieb, den gewagten Einsatz vorzubereiten.

»Jetzt!«, sagte Kosum und schob die Hand in die Nähe der Notstartkontrolle.

Der Bildschirm belebte sich von einem Augenblick zum anderen. Sieben riesige Wabenschiffe standen in der bisherigen Flugrichtung, seitlich waren weitere in größerer Entfernung zu erkennen. Dazwischen zogen kleine Wacheinheiten dahin, umkreisten die Pulks der sich allmählich sammelnden Wabenraumer und sorgten dafür, dass sie zusammenblieben.

Balton Wyt und Ras Tschubai hatten alle Hände voll zu tun, die Funkgeräte und Orter zu bedienen. Kosum entspannte sich und zog die Hand von der Notstartautomatik zurück. Atlan konnte seine Erleichterung nicht verbergen. Bis jetzt war soweit alles gut verlaufen.

»Ein einziges Chaos, was die Funkmeldungen angeht«, meldete Balton sich von der Funkzentrale her. »Widersprechende Befehle und unsinnige Anweisungen – alles wie bereits gehabt. Vielleicht haben wir es diesem Umstand zu verdanken, dass man uns bisher noch nicht entdeckte. Ich frage mich nur, was da eigentlich los ist. Man könnte fast meinen, auch die unbekannten Herrscher seien verdummt, aber das dürfte wohl recht unwahrscheinlich sein. Es muss etwas mit ihnen geschehen sein.«

Atlan nickte nur zur Bestätigung, dass er Baltons Information verstanden hatte. Zu dessen Vermutungen gab er keinen Kommentar.

»Wie weit ist das nächste Wabenschiff entfernt, Ras?«

Die Antwort kam schnell und präzise: »Dreieinhalb Millionen Kilometer. Geschwindigkeit knapp ein Zehntel Licht, Richtung identisch.«

Das bedeutete, dass die Wabenraumer in der gleichen Richtung flogen wie die KMP-36, nur etwas langsamer. Man würde sie allmählich einholen. Die Chance, nicht entdeckt zu werden, war dabei verhältnismäßig groß.

»Geschwindigkeit erhöhen, Kosum«, ordnete Atlan an. »Wir nehmen den Wabenraumer rechts außen.«

Das Schiff besaß die Ausmaße eines kleinen Asteroiden. Der Durchmesser des stumpf walzenförmigen Gebildes betrug vier Kilometer, seine Länge das Doppelte. Aufeinandergestockt saßen die zusammengekoppelten Sechskantröhren wie Waben auf der riesigen Plattform, die Antriebsaggregate und Navigationszentralen beherbergte. Es war ein Raumschiff, wie es nur von einer Superzivilisation gebaut werden konnte.

Die kleinen Wachschiffe, darunter auch die rochenförmigen Manips mit ihrem gefährlichen Stachel, wirkten gegen die Giganten wie winzige Mücken.

Atlan saß noch immer neben Kosum im Kontursessel. Er winkte Ras Tschubai zu. »Halten Sie sich von nun an ganz in meiner Nähe auf, Ras. Es muss dann alles blitzschnell vor sich gehen, denn es kann jetzt nicht mehr lange dauern, bis wir geortet werden. Gucky, kümmere dich um Balton. Ihr bringt uns zuerst in den Wabenraumer hinein, dann holt ihr die restliche Ausrüstung. Gucky, kannst du die Gedankenimpulse der Neugeborenen empfangen?«

»Für Säuglinge denken die schon ganz hübsch fortgeschritten«, erläuterte der Mausbiber. »Ich werde mich auf ein ganz bestimmtes Exemplar konzentrieren, um sein Muster kennenzulernen. Beim zweiten Sprung müssen wir die Sechskantröhre wiederfinden, in der wir euch zurücklassen. Ras, wir halten Körperkontakt, damit wir uns nicht verlieren.«

Atlan nickte. Ras stand nun neben ihm. Gucky und Balton waren ebenfalls bereit. Sie sahen auf den Bildschirm.

Der Wabenraumer stand nur noch wenige hunderttausend Kilometer vor ihnen, blau schimmernd und riesig. Seitlich zogen Wachschiffe vorbei, ohne die heranrasende Korvette zu bemerken. Diese Tatsache ließ sich nur mit dem unbeschreiblichen Chaos erklären, das aus unerklärlichen Gründen bei den unbekannten Befehlshabern zu herrschen schien.

»Dreihunderttausend«, sagte Hosprunow mit Betonung.

Atlan drehte sich um. »Was ist, Gucky?«

Der Mausbiber nickte, ohne sich in seiner Konzentration ablenken zu lassen.

»Ich habe ein Gedankenmuster. Es ist typisch und unverkennbar. Ich würde es selbst nach Jahren wiedererkennen. Wir können teleportieren. Balton, reich mir deine Hand ...«

Zweihunderttausend Kilometer ...

»Kosum ... Sie verschwinden, sobald Gucky und Ras das Gepäck abgeholt haben. In zwei Tagen erwarten Sie unseren Rafferspruch auf der MARCO POLO. Alles andere ist klar.«

»Alles klar«, bestätigte Kosum. »Ich werde mit Ribald Corello zurückkehren.«

»Wer weiß, wo wir dann sind?«, bemerkte Balton Wyt leise.

Niemand hätte es auch nur ahnen können.

Atlan stand langsam auf, ohne den Wabenraumer aus den Augen zu lassen. Er überzeugte sich davon, dass sie alle vier durch körperlichen Kontakt verbunden waren. Dann nickte er.

»Los!«

Kosum und Hosprunow sahen sie spurlos verschwinden ...

Sie rematerialisierten in einem matt erleuchteten engen Raum.

Atlan löste seine Hand aus der Ras' und Baltons. Mit einem Blick überzeugte er sich davon, dass sie allein waren. Die Teleporter hatten bei ihrem Sprung darauf geachtet, dass sie nicht unmittelbar bei dem Gelben Eroberer herauskamen. Die Sechskantröhre war groß genug, den drei Männern und dem Ilt ein sicheres Versteck zu bieten, ohne von den sieben Gelben bemerkt zu werden.

Gucky peilte Kosum an, festigte seinen Griff um Ras Tschubais Hand, nickte Atlan und Balton beruhigend zu – und entmaterialisierte mit dem Teleporter. Wenn der Sprung misslang oder sonst etwas Unvorhergesehenes eintrat, waren die Zurückbleibenden rettungslos verloren.

Die Korvette hatte sich bereits wieder um eine halbe Million Kilometer entfernt und wurde von mehreren Wacheinheiten verfolgt, die sie nun doch geortet hatten. Mit verbissenem Gesicht hockte Kosum hinter den Kontrollen, die Hand wieder in der Nähe der Notstartanlage. Die Automatik war noch immer auf Blitzflucht programmiert. Es sah ganz so aus, als sei das nicht umsonst geschehen.

Gucky öffnete für einen Moment seinen Helm.

»Bei uns ist alles klar, Mentro. Viel Glück!«

»Habt ihr noch mehr nötig! Und nun nehmt euren Kram und verschwindet! Hier ist gleich die Hölle los ...«

»Nettes Kerlchen«, knurrte der Mausbiber und nickte Ras zu.

Sie nahmen jeder zwei Gepäckstücke und konzentrierten sich auf den Rücksprung. Ras musste nun allein teleportieren, aber da er den Zielort kannte, bedeutete das kein allzu großes Risiko. Allerdings benötigte er zur größeren Sicherheit den Sichtkontakt. Er würde also wahrscheinlich den Sprung unterbrechen und sich optisch neu einpeilen müssen. Gucky hingegen hatte es leichter. Er peilte einfach die Gedankenimpulse Atlans an, um sicher ans Ziel zu gelangen. Der vier Gepäckstücke wegen war es unmöglich, sich die Hand zu geben, um so einen Kontakt herzustellen.

Sie entmaterialisierten.

Kosum atmete erleichtert auf. In diesen wenigen Sekunden hatte er zu schwitzen begonnen, denn die verfolgenden Wacheinheiten eröffneten bereits gezieltes Energiefeuer auf die Korvette, die ohne Schutzschirm flog, um die Teleportation zu ermöglichen.

Die ersten Energiebündel rasten mit Lichtgeschwindigkeit knapp vorbei.

»Wir verschwinden besser«, riet Hosprunow nervös.

Kosum drückte ohne Kommentar auf den Notstartknopf. Sekunden später war die KMP-36 in der Sicherheit des Linearraums.

Zurück blieb die große Ungewissheit.

Gucky rematerialisierte bei Atlan und Balton Wyt. Erleichtert ließ er die Gepäckstücke los und sah sich um.

»Ist Ras noch nicht da?«, fragte er besorgt. »Macht wohl wieder einen Extraausflug und sieht sich das Säuglingsheim an.«

»Peil ihn gefälligst an!«, riet Atlan. »Wahrscheinlich muss er die Teleportation mehrmals unterbrechen, weil die Entfernung zu groß geworden ist. Hast du es vielleicht in einem Sprung geschafft?«

»Natürlich nicht! Aber es ging blitzschnell.«

»Gedankenimpulse?«

Gucky gab keine Antwort. Er konzentrierte sich, und schon Sekunden später hellte sich sein Gesicht merklich auf.

»Habe ihn, großer Arkonide! Setzt gerade zur letzten Etappe an. Schwebt im freien Raum und bewundert die Aussicht – sieht ihm mal wieder ähnlich.«

Immerhin war die Feststellung trotz allem beruhigend. Es dauerte auch nicht lange, und Ras materialisierte in der Röhre. Er ließ die Gepäckstücke einfach los und setzte sich darauf. Als er sah, dass die anderen ihre Helme geöffnet hatten, folgte er ihrem Beispiel.

»Das war knapp«, stellte er fest. »Der Wabenraumer hat stark beschleunigt. Ich musste hinter ihm herteleportieren. Er wird bald eine Transition vornehmen.«

»Die Luft hier ist verbraucht, und wenn ich mich nicht täusche, wird auch das Leuchten in der Wandung matter. Sieht so aus, als gebe es nicht mehr genug Energie.« Atlan ging zu einem der Gepäckstücke und öffnete es. »Wir brauchen die Hyperkomgeräte, damit wir auf dem laufenden bleiben, was außerhalb unserer Röhre geschieht.«

Er fand das Gesuchte und schaltete den Empfänger ein. Eingebaut war der kleine und leistungsfähige Translator, der sämtliche unverschlüsselten Meldungen simultan übersetzte.

Es hatte sich nichts geändert. Die Meldungen und Befehle überstürzten sich. Sie zeugten von einer unvorstellbaren Panik der Befehlshaber, aber auch der untergeordneten Kommandostellen. Die immer wiederkehrende Aufforderung, gewisse Zielkoordinaten einzuhalten und »endlich zu kommen«, war derart dringend abgefasst worden, dass Atlan kopfschüttelnd meinte:

»Da befindet sich jemand in der Klemme. Und die neugeborenen Gelben Eroberer sollen helfen! Ich begreife das nicht mehr, ehrlich gesagt.«

»Wenn wir Glück haben, erfahren wir es aber noch«, erklärte Gucky optimistisch. »Jedenfalls tun mir die Gelben verdammt leid. Ich empfange schließlich ihre Gedankenimpulse. Die wissen noch weniger als wir, und das ist schon wenig.«

»Was denken sie?«, erkundigte sich Balton Wyt neugierig.

»Eine ganze Menge und doch nichts. Sie sind ahnungslos und verzweifelt. Eigentlich verfallen sie allmählich einer unbeschreiblichen Lethargie. Ihnen ist alles egal, aber sie ahnen, dass sie für irgendeinen rätselhaften Zweck missbraucht werden sollen. Woher aber wollen sie das wissen? Eine Art Generinnerung?«

»Das scheint schon deshalb möglich, weil sie im Grunde nicht richtig geboren wurden, sondern durch die Teilung des Muttertieres entstanden«, gab Atlan zu bedenken. »Damit bekamen sie einen Teil der Erinnerung mit. Und die scheint alles andere als erfreulich zu sein. Ich bin gespannt, was wir herausfinden werden.«

Die Sechskantröhre war fünfundzwanzig Meter lang. Die sieben Gelben Eroberer waren im Vorderteil zusammengepfercht und hockten, wie Gucky telepathisch feststellen konnte, teilnahmslos zusammen, ohne sich um das zu kümmern, was um sie herum vorging. Sie bildeten keine Gefahr für das Einsatzkommando. Auf der anderen Seite schien eine Entdeckung von außen genauso unwahrscheinlich. Die noch weitgehend unbekannten Beherrscher des Schwarms und ihre Hilfsvölker befanden sich in einer echten Notlage, deren Natur Atlan und seinen Begleitern allerdings rätselhaft war. Jedenfalls hatten sie genug mit sich selbst zu tun. Als Beweis für diese Vermutung diente die Tatsache, dass die MARCO POLO so lange unbehelligt geblieben war.

Atlan überließ Ras Tschubai die Bedienung des Hyperkomempfängers. Er untersuchte noch einmal den Raum, in dem sie sich befanden, und fand weder wichtige Instrumente noch Anlagen. Es schien sich um einen inzwischen total geleerten Vorratsraum zu handeln.

»Wir werden Erkundungen vornehmen müssen«, sagte er.

»Das wäre doch eine Aufgabe für einen tapferen und unerschrockenen Ilt wie mich?«, meinte Gucky zuversichtlich. »Ich bin klein und unauffällig, bescheiden in meinem Auftreten und ...«

»Ich dachte dabei auch an dich«, eröffnete ihm Atlan trocken. »Aber nicht wegen deiner nahezu sprichwörtlichen Bescheidenheit, sondern wegen deiner Fähigkeiten als Teleporter und Telepath. Du kannst dich jederzeit in Sicherheit bringen, wenn du in eine Klemme gerätst, was ja fast zur Regel bei dir geworden ist. Inspiziere den Wabenraumer, identifiziere die Mannschaft und kehre zurück, ehe wir in die Transition gehen. Schalt den Deflektorschirm ein, damit du nicht gleich gesehen wirst. Ich glaube kaum, dass man die geringe Energieabstrahlung bei dem Durcheinander bemerken wird.«

Gucky stelzte ein paar Mal in dem engen Raum hin und her. Er machte den Eindruck eines scharf nachdenkenden Oberbefehlshabers einer gewaltigen Streitmacht, der wichtige Entschlüsse zu fällen hatte.

Endlich blieb er stehen und nickte beifällig.

»Ein kluger Entschluss, Atlan, mich mit dieser schwierigen Aufgabe zu betrauen. Ich werde zurück sein, ehe dieser Röhrenkasten die Transition vornimmt. Balton könnte inzwischen ein ordentliches Frühstück vorbereiten. Wer weiß, wann wir wieder zum Essen kommen ...«

»Deine Sorgen möchten wir auch haben«, knurrte Balton und schielte verlangend auf die Gepäckstücke.

»Heuchler!«, schimpfte Gucky aufgebracht und näherte sich dem Vorderteil des durch eine einfache Luke abgeschlossenen Raumes. »Zuerst sehe ich mir aber unsere Säuglinge an ...«

Er teleportierte durch die Luke, ohne den Helm zu schließen.

Die Luft war schlechter als vorher. Sie war total verbraucht. Auf engstem Raum lagen oder saßen die sieben Gelben Eroberer, ohne sich zu rühren. Gucky, der mitten zwischen ihnen materialisierte, wollte sofort wieder verschwinden, aber dann stellte sich bei ihm die Gewissheit ein, dass ihm von diesen bedauernswerten Kreaturen keine Gefahr drohte. Sie schienen ihn nicht einmal bemerkt zu haben. In aller Ruhe konnte er sie beobachten und ihre Gedanken lesen.

Sie waren so groß wie die ausgewachsenen Exemplare ihres Volkes. Mehr als zwei Meter hoch; wenn sie standen, erinnerten sie in der Form an Birnen. Ihr Unterteil war glatt abgeschnitten, und sie bewegten sich in der Art irdischer Schnecken voran, indem sie ihre Körper langsam mit den beweglichen und elastischen Rippen voranschoben. Ihre Hautfarbe war ockergelb.

Gucky empfand unwillkürlich Mitleid, als er die Lebewesen betrachtete. Er hatte nicht die geringste Ahnung, in welcher Form sie eigentlich missbraucht wurden oder werden sollten, aber er ahnte es ebenso wie die Ockergelben selbst.

Kurz entschlossen teleportierte er in den unteren Teil des Wabenraumers, in dem er zahlreiche Gedankenimpulse ortete. Er hatte den Helm wieder geschlossen und den unsichtbar machenden Deflektorschirm eingeschaltet. Die gute und frische Atemluft der Eigenanlage tat dem Mausbiber gut. Vorsichtig regulierte er die Heizung seines Anzuges. In den Räumen des Wabenschiffes war es empfindlich kalt.

Als er materialisierte, drückte er sich schnell gegen die Wand, um nicht über den Haufen gerannt zu werden. Einige Roboter, die wie auf Stelzen laufende Kugeln aussahen, wanderten dicht an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken. Am liebsten hätte Gucky ihnen ein Bein gestellt, aber dann fand er den Zeitpunkt für solchen Unsinn doch nicht gerade geeignet. Also verhielt er sich ruhig und abwartend.

Es musste eine der vielen Kontrollstationen sein, in die er gesprungen war. Im Hintergrund sah er undeutlich einige der Purpurnen, die das fähigste Hilfsvolk der unbekannten Herrscher zu sein schienen. Sie saßen in allen wichtigen Positionen und gaben Befehle weiter, die von anderen untergeordneten Hilfsvölkern widerspruchslos befolgt wurden. Die soziale Struktur des Schwarms war denkbar einfach, wenigstens musste man bei oberflächlicher Betrachtung diesen Eindruck haben. Die Götzen herrschten, alle anderen hatten zu gehorchen. Aber jetzt schienen diese Götzen in Not zu sein.

Vorsichtig ging Gucky an den vorbeihastenden Robotern vorbei, um mehr in die Nähe der eigentlichen Kontrollgeräte zu gelangen, die von den Purpurnen bedient wurden, deren Gedanken ebenfalls von dem immer mehr um sich greifenden Chaos zeugten.

Dabei stieß er gegen eine der auf Stelzen laufenden Kugeln. Das Ding verlor das Gleichgewicht, was aufgrund der sicherlich vorhandenen Stabilisierungskreisel eigentlich nicht hätte sein dürfen.

Die Robotkugel kippte um und polterte mit viel Lärm auf den Boden, rollte ein Stück und blieb dann bewegungslos liegen. Der Hauptstromkreis musste unterbrochen sein.

Gucky wich schnell wieder an die relativ sichere Wand zurück und beobachtete, was daraufhin geschah. Zu seiner maßlosen Überraschung war es nicht sehr viel. Niemand kümmerte sich um den ausgefallenen Roboter. Die anderen, denen er im Weg lag, wichen einfach aus, das war alles. Sie ließen ihn liegen, als gäbe es wichtigere Dinge zu tun.

Dieses Verhalten allein schon bewies das Durcheinander und die Hilflosigkeit der Besatzung. Technische Ausfälle schienen an der Tagesordnung zu sein. Niemand machte sich die Mühe, nach der Ursache zu forschen oder zumindest die eingetretenen Schäden zu beheben.

Gucky wurde das Gefühl nicht los, zusammen mit dem Wabenschiff einer Katastrophe entgegenzufliegen. Unter diesen Umständen musste eine Transition lebensgefährlich sein. Wenn die sie bedienenden Intelligenzen versagten, war auch auf die raffinierteste Automatik kein Verlass mehr.

Aber zu einer Umkehr war es nun zu spät.

Er teleportierte blindlings zu einem anderen Teil der Plattform, zwei Kilometer entfernt und mehr dem Zentrum zu gelegen.

In dem riesigen und halbrunden Saal fielen dem Mausbiber als erstes die mehreren hundert Bildschirme auf, die in langen Doppelreihen die Wände schmückten. Genau in der Mitte des Raumes, an der Basisseite, stand ein Kontrollpult in der Form eines hufeisenförmigen Tisches. Davor saß auf einem in Schienen gleitenden Stuhl ein etwa zwei Meter großes Lebewesen, das mit geschickten Händen diese Kontrollen bediente. Es ähnelte nur entfernt einem Menschen. Gucky dachte an ein Insekt, obwohl es bestimmt keines war.

Der Deflektorschirm war noch immer eingeschaltet, so dass der Mausbiber unbemerkt näher an den Tisch herangehen konnte. Er versuchte die Gedanken der Bienenameise, wie er den Unbekannten bei sich getauft hatte, zu lesen. Zu seiner Überraschung musste er feststellen, dass er klare und vernünftige Impulse auffing, die einen Sinn ergaben.

Der Fremde erhielt die Raumkoordinaten verschiedener Sternsysteme und ordnete sie, indem er die eintreffenden Daten in eine mechanische Auswertungsmaschine schob, wo sie positronisch verteilt wurden. Gucky konnte nicht feststellen, nach welchen Gesichtspunkten das geschah, aber das Ergebnis wurde laufend auf den Bildschirmen sichtbar. Jedes Mal dann, wenn ein feines Summsignal ertönte, leuchtete einer der Schirme auf und zeigte einen Stern. Darunter erschien in Leuchtschrift der genaue Standort.

Viel konnte Gucky mit dieser Erkenntnis nicht anfangen, aber er war davon überzeugt, dass Atlan in der Bildzentrale wertvolle Informationen erhalten würde. Es war somit wichtig, hierher zurückzufinden.

Ganz ruhig blieb er stehen und fixierte den Fremden, der unermüdlich seine eintönige Arbeit verrichtete. Seine Gedankenmuster waren kompliziert und daher gut zu merken. Das klang zwar paradox, war jedoch für einen Telepathen wie Gucky ganz selbstverständlich. Es gab Gedankenmuster, die er nie in seinem Leben vergessen würde – eben weil sie kompliziert und außergewöhnlich waren.

Was das Wesen hinter den Kontrollen der Bildzentrale dachte, war für Gucky nicht so wichtig.

Wichtig allein war die Tatsache, wie es dachte.

Immerhin – etwas fand Gucky bei seinem Studium der Gedankenmuster doch heraus: Die auf den Bildschirmen stehenden Sternsysteme symbolisierten die verschiedenen Zielgebiete der Wabenschiffe mit den neugeborenen Gelben Eroberern. Die Entfernungen vom jetzigen Sammelpunkt der Flotte schwankten zwischen zehn und achthundert Lichtjahren.

Eigentlich, so kombinierte der Mausbiber, müsste es nun auch möglich sein, den Zielstern des Wabenschiffes herauszufinden, in dem er sich aufhielt. Atlan würde ihm für eine solche Information dankbar sein – oder zumindest für den Hinweis, wo er diese Information bekommen konnte. Welcher der vielen Bildschirme war jener, der »ihren« Stern wiedergab?

Die Gedanken des Fremden hinter den Kontrollen sagten nichts in dieser Richtung aus. Vielleicht wusste er es auch nicht. Jedenfalls erfüllten sich Guckys heimliche Wünsche nicht, aber er konnte auch so mit dem Ergebnis seines zufälligen Sprunges hierher zufrieden sein.

Nachdem er davon überzeugt war, jederzeit in die Bildzentrale zurückteleportieren zu können, konzentrierte er sich auf Atlan und kehrte in die Sechskantröhre einige Kilometer über der Plattform zurück. Mit erstaunlicher Sachlichkeit berichtete er.

»Die Bildzentrale sehe ich mir später an, jetzt würde es uns auch nichts nützen, wenn wir den Zielplaneten kennen.« Atlan bemerkte die Enttäuschung des Mausbibers und beruhigte ihn sofort: »Deine Information ist wichtig, sehr wichtig sogar. Ich wollte deine Verdienste nicht schmälern, Kleiner, ich wollte nur sagen, dass es im Augenblick keine Rolle spielt, wohin man uns bringt. Wir könnten die Information noch nicht an die MARCO POLO weiterleiten. Sobald das möglich ist, können wir natürlich Zeit gewinnen. Außerdem wüsste Rhodan dann, wo er uns im Notfall finden kann.«

Ras Tschubai saß auf einem der Gepäckstücke und kaute ein Konzentrat. Er sagte: »Lässt sich eigentlich die Entfernung bei einer Transition von hier aus feststellen?«

Atlan verneinte durch eine knappe Kopfbewegung. »Das ist ohne entsprechende Spezialinstrumente unmöglich, Ras. Wir könnten die zurückgelegte Strecke nicht einmal abschätzen.«

»Dann wäre es also doch ganz interessant, den Zielstern schon jetzt zu kennen. Wir wüssten, wie weit er entfernt ist.«

Atlan lächelte.

»Wir würden damit nur unsere verständliche Neugier befriedigen, mehr nicht. Wenn wir dort sind, ist es noch immer früh genug, die Daten herauszufinden. Ich möchte auf alle Fälle vermeiden, dass wir vorzeitig entdeckt werden, darum meine übertrieben erscheinende Vorsicht.«

Damit mussten sie sich abfinden.

Gucky machte sich über die von Balton zubereitete Zwischenmahlzeit her. Der Telekinet hatte seinem kleinen Freund mit viel Liebe und Sorgfalt aus Konzentraten und Gemüsesaft einen schmackhaften Brei zubereitet, den dieser mit wahrem Heißhunger verschlang. Als er damit fertig war, klopfte er Wyt voller Anerkennung auf die Schulter.

»Gut gemacht, Balton, meine vollste Anerkennung. Ich werde Rhodan bitten, dich zum Chefkoch der MARCO POLO zu ernennen. Dabei kämen dir deine Fähigkeiten als Telekinet sehr zustatten. Du wärst nicht auf die zweifelhafte Hilfe der Robotköche angewiesen, sondern könntest deine Zutaten telekinetisch herbeifliegen lassen. Selbst vermischen könntest du den Kram, ohne auch nur einen Finger krumm machen zu müssen.« Er setzte sich wieder und rülpste. »Mann, bin ich satt! In den nächsten zwei Stunden darf mir niemand mehr von Essen reden, sonst gehe ich über.«

»Herrliche Aussichten hier in unserem engen Versteck«, stellte Atlan trocken fest. »Und jetzt würde ich vorschlagen, dass wir uns ein Stündchen auf die Ohren legen. Später könnten wir nicht dazu kommen.«

»Ich melde mich zur ersten Wache, weil ich ohnehin nicht schlafen kann«, erbot sich Gucky rasch.

Atlan sah ihn skeptisch an. »Freiwillig zur Wache?« Er machte kein Hehl aus seinem Misstrauen. »Das ist aber äußerst verdächtig, Gucky. Soweit ich mich erinnern kann, hast du dich erst einmal freiwillig zu einer Wache gemeldet, und prompt hast du die Gelegenheit ausgenutzt, eine Exkursion zu unternehmen, die schlimme Folgen hatte. Planst du heute auch etwas Ähnliches ...?«

Gucky setzte seine Unschuldsmiene auf. »Wo denkst du hin, großer Arkonide? Ich bin faul und zufrieden, nur eben nicht müde. Und außerdem will ich euch einen Gefallen tun.«

»Wie menschenfreundlich!« Atlans Misstrauen blieb. »Ich bin einverstanden, aber wehe, du machst dich selbständig! Diesmal verstehe ich keinen Spaß. Du kannst deine Ausflüge unternehmen, wenn wir wach sind, aber nicht gerade dann, wenn wir schlafen. Und weck uns auf, sobald wir in Transition gehen.«

»Da werdet ihr von selbst wach«, behauptete der Mausbiber sicher. »Nun legt euch schon hin, ihr seht ja schon ganz blass aus.«

Sie ließen sich nicht lange nötigen. Sie versäumten nichts, denn ihnen blieb nur das Warten. Wenn sie schliefen, sammelten sie neue Kräfte für das Unbekannte, das drohend vor ihnen lag. Und die Zeit verging schneller, wenn auch nur scheinbar.

Gucky hockte auf einem der Gepäckstücke und bekam Bauchschmerzen.

Er hatte wirklich zuviel gegessen. Seufzend veränderte er seine Sitzlage und verspürte Erleichterung.

3.

Die MARCO POLO stand zwei Tage später noch immer im Orterschutz der blauen Sonne.

Perry Rhodan hatte natürlich damit gerechnet, vorerst ohne Nachricht von Atlan zu bleiben, aber die Ungewissheit war trotzdem alles andere als beruhigend. Insbesondere schon deshalb, weil die KMP-36 noch immer nicht zurückgekehrt war, ganz entgegen der ursprünglichen Abmachung.

Als er sich in der Kommandozentrale davon überzeugt hatte, dass die Flotte der Wabenraumer, wie erwartet, in Transition gegangen und verschwunden war, kehrte er in seine Kabine zurück.

Im Umkreis von vielen Lichtjahren gab es keine Verbände der Schwarmbeherrscher mehr.

Die Orterzentrale gab wenige Stunden später die Meldung durch, dass ein Rafferspruch von der KMP-36 aufgefangen worden sei. Das Schiff näherte sich dem Stern Rubin und wartete auf weitere Anweisungen.

Rhodan verließ erst daraufhin mit der MARCO POLO den bisher so bewährten Orterschutz der blauen Riesensonne und legte die kurze Strecke bis nach Rubin in einer Linearetappe zurück. Dann ließ er durch die Funkzentrale das Erkennungszeichen ausstrahlen.

Der gesamte Vorgang hatte kaum zwei Stunden in Anspruch genommen. Mentro Kosum antwortete sofort, und nach weiteren dreißig Minuten wurde die Korvette eingeschleust.

Sowohl Rynka Hosprunow wie Mentro Kosum begaben sich sofort in die Kommandozentrale, um Rhodan Bericht zu erstatten. Sie schlossen ihren Bericht mit der Feststellung:

»Sie kamen heil in den Wabenraumer, mehr wissen wir nicht. Wir wurden verfolgt und mussten fliehen. Die Flotte der Wabenschiffe beschleunigte mit hohen Werten, wahrscheinlich wurde eine Transition vorbereitet. Es traf keine Nachricht mehr ein. Wir selbst haben zwei Tage benötigt, um die hartnäckigen Verfolger irrezuführen und abzuschütteln. Was aus Atlan und den anderen geworden ist, wissen wir nicht.«

»Das war eingeplant«, blieb Rhodan ruhig. »Sie legen einen Tag Ruhepause ein, dann starten Sie erneut, wie mit Atlan vereinbart.«

»Wir können auch sofort starten ...«

»Nein, Kosum! Die Ruhepause, dann eine kurze Besprechung und dann erst der Start, denn wir wollen nichts überstürzen. Außerdem wird das Wabenschiff, in dem Atlan und seine Begleiter sich aufhalten, auch nicht so schnell sein Ziel erreichen ...«

»Was ist mit Corello? Es bedeutet keine Schwierigkeit, ihn in der Korvette unterzubringen.« Kosum sah Rhodan an. »Er kann wahrscheinlich auch Kontakt mit Gucky aufnehmen, aber wie soll er ihm und Ras bei der beabsichtigten Teleportation helfen?«

»Durch die Unterstützung ihrer geistigen Fähigkeiten. Denken Sie an die Verbindungskette der Mutanten, wenn Gucky besonders schwierige Kontaktversuche unternahm. Obwohl die anderen Mutanten keine Telepathen waren, vermochten sie dem Mausbiber in seinem Bemühen zu helfen. Sie verstärkten seine eigenen Fähigkeiten durch den körperlichen und geistigen Kontakt. So ähnlich ist es mit Corello.«

»Ich verstehe«, sagte Kosum. »Wir werden Nachricht von Atlan erhalten?«

»Selbstverständlich. Es kann nur eine kurze Rafferinformation mit den Koordinaten des vermutlichen Landeplatzes sein, nicht mehr.«

»Das würde genügen.«