Perry Rhodan 85: Allianz der Galaktiker (Silberband) - Clark Darlton - E-Book

Perry Rhodan 85: Allianz der Galaktiker (Silberband) E-Book

Clark Darlton

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Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 3581. Das Fernraumschiff SOL ist in der Dimensionsblase der Zgmahkonen gefangen. Perry Rhodan hat keine andere Wahl, als erneut alles auf eine Karte zu setzen. Ihm bleibt nur, ein gegnerisches Raumschiff zu kapern und damit in die Galaxis der Laren vorzudringen. Denn ausschließlich dort existiert ein Aggregat, das der SOL den Rückweg durch die Dimensionen öffnen kann.

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Nr. 85

Allianz der Galaktiker

Wir schreiben das Jahr 3581. Das Fernraumschiff SOL ist in der Dimensionsblase der Zgmahkonen gefangen. Perry Rhodan hat keine andere Wahl, als erneut alles auf eine Karte zu setzen. Ihm bleibt nur, ein gegnerisches Raumschiff zu kapern und damit in die Galaxis der Laren vorzudringen. Denn ausschließlich dort existiert ein Aggregat, das der SOL den Rückweg durch die Dimensionen öffnen kann.

Vorwort

Perry Rhodan ist zeitlos aktuell. Diese Erkenntnis überkam mich jedenfalls beim Bearbeiten der Texte für dieses Buch, und das im positiven Sinn. Während das Jahr 2003 gerade erst hinter uns liegt und die Bilder des Irak-Kriegs und vieler anderer Brandherde auf unserem kleinen Planeten noch frisch in Erinnerung sind, geht die Milchstraße unserer fiktiven Zukunft endlich friedlicheren Zeiten entgegen. Atlan und die Menschen des Neuen Einstein'schen Imperiums sind die treibende Kraft. Sie arbeiten seit langem auf den Zusammenschluss der großen raumfahrenden Völker hin. Und das unmöglich Scheinende können sie schaffen, weil sie einen gemeinsamen Gegner haben ...

Auf unsere heutige Welt bezogen frage ich mich, wann endlich wir Menschen des 21. Jahrhunderts verstehen, dass auch wir Gegner haben, die alle bedrohen. In erster Linie sind das Hunger, Armut und Krankheiten. Wann werden wir erkennen, wie wichtig es ist, gemeinsam gegen diese Feinde vorzugehen und alle lächerlichen und häufig kleinlichen Streitigkeiten zu vergessen? Es gäbe so viel Großes zu tun.

Das sind ernste Sätze.

Ich wünsche Ihnen viel Unterhaltung und Spaß beim Lesen. Und vielleicht ein klein wenig Nachdenklichkeit.

Die in diesem Buch enthaltenen Originalromane sind: Kolonie der Cyborgs (723) von Clark Darlton; Geheimkonferenz der Rebellen (724) von Kurt Mahr; Allianz der Galaktiker(725) von Hans Kneifel; Die Nullbewahrer (729) von H. G. Ewers; Wege ins Nichts (730) und Die Diebe von der SOL (731) von William Voltz sowie Rückkehr fraglich (742) von Clark Darlton.

Zeittafel

1971/84 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest. Mit Hilfe der arkonidischen Technik gelingen die Einigung der Menschheit und der Aufbruch in die Galaxis. Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit. (HC 1–7)

2040 – Das Solare Imperium entsteht und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar. In den folgenden Jahrhunderten folgen Bedrohungen durch die Posbis sowie galaktische Großmächte wie Akonen und Blues. (HC 7–20)

2400/06 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Terrorregime der Meister der Insel. (HC 21–32)

2435/37 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Nach Rhodans Odyssee durch M 87 gelingt der Sieg über die Erste Schwingungsmacht. (HC 33–44)

2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben. (HC 45)

3430/38 – Das Solare Imperium droht in einem Bruderkrieg vernichtet zu werden. Bei Zeitreisen lernt Perry Rhodan die Cappins kennen. Expedition zur Galaxis Gruelfin, um eine Pedo-Invasion der Milchstraße zu verhindern. (HC 45–54)

3441/43 – Die MARCO POLO kehrt in die Milchstraße zurück und findet die Intelligenzen der Galaxis verdummt vor. Der Schwarm dringt in die Galaxis ein. Gleichzeitig wird das heimliche Imperium der Cynos aktiv, die am Ende den Schwarm wieder übernehmen und mit ihm die Milchstraße verlassen. (HC 55–63)

3444 – Die bei der Second-Genesis-Krise gestorbenen Mutanten kehren als Bewusstseinsinhalte zurück. Im Planetoiden Wabe 1000 finden sie schließlich ein dauerhaftes Asyl. (HC 64–67)

3456 – Perry Rhodan gelangt im Zuge eines gescheiterten Experiments in ein paralleles Universum und muss gegen sein negatives Spiegelbild kämpfen. Nach seiner Rückkehr bricht in der Galaxis die PAD-Seuche aus. (HC 68–69)

3457/58 – Perry Rhodans Gehirn wird in die Galaxis Naupaum verschlagen. Auf der Suche nach der heimatlichen Galaxis gewinnt er neue Freunde. Schließlich gelingt ihm mit Hilfe der PTG-Anlagen auf dem Planeten Payntec die Rückkehr. (HC 70–73)

3458/60 – Die technisch überlegenen Laren treten auf den Plan und ernennen Perry Rhodan gegen seinen Willen zum Ersten Hetran der Milchstraße. Rhodan organisiert den Widerstand, muss aber schließlich Erde und Mond durch einen Sonnentransmitter schicken, um sie in Sicherheit zu bringen. Doch sie rematerialisieren nicht am vorgesehenen Ort, sondern weit entfernt von der Milchstraße im »Mahlstrom der Sterne«. Den Terranern gelingt es nur unter großen Schwierigkeiten, sich in dieser fremden Region des Universums zu behaupten. (HC 74–80)

3540 – Auf der Erde greift die Aphilie um sich, die Unfähigkeit des Menschen, Gefühle zu empfinden. Perry Rhodan, die Mutanten und andere gesund Gebliebene beginnen an Bord der SOL eine Reise ins Ungewisse – sie suchen den Weg zurück in die Milchstraße. (HC 81)

3578 – In Balayndagar wird die SOL von den Keloskern festgehalten, einem Volk des Konzils der Sieben. Um der Vernichtung der Kleingalaxis zu entgehen, bleibt der SOL nur der Sturz in ein gewaltiges Black Hole. (HC 82–84)

3580 – Die Laren herrschen in der Milchstraße, die freien Menschen haben sich in die Dunkelwolke Provcon-Faust zurückgezogen. Neue Hoffnung keimt auf, als der Verkünder des Sonnenboten die Freiheit verspricht. Lordadmiral Atlan plant, das Exil zu verlassen, und sucht die Unterstützung alter Freunde. (HC 82, 84)

Auf der Erde im Mahlstrom zeichnet sich eine verhängnisvolle Entwicklung ab. Der Sturz in den Schlund droht. (HC 83)

3581

Prolog

Die Menschheit des 36. Jahrhunderts erlebt die bislang schwerste Krise ihrer ohnehin bewegten Geschichte. Das Solare Imperium existiert nicht mehr, seit die Erde und ihr Mond mit unbekanntem Ziel durch den Soltransmitter gingen und als verschollen gelten.

Die Milchstraße wird von den Laren beherrscht, einem Volk des Konzils der Sieben Galaxien. Unter Atlans Führung haben die Reste der freien Menschheit in der Dunkelwolke Provcon-Faust eine sichere Zuflucht gefunden und das Neue Einstein'sche Imperium gegründet. Nach Jahrzehnten des Aufbaus im Verborgenen ist nun endlich die Zeit gekommen, sich gegen die Unterdrücker zu erheben. Die großen Völker der Galaxis sind aufgerufen, alle eigenen Streitigkeiten zu vergessen und sich zusammenzuschließen. Doch bis zu einem Ergebnis ist es ein langer und steiniger Weg – und die Laren schauen nicht tatenlos zu.

Milchstraße

1.

Der Versuch Atlans, per Dakkarkom Kontakt mit Ovaron in der Galaxis Gruelfin aufzunehmen, schien fehlgeschlagen zu sein. Erneut war es nicht gelungen, Verbündete gegen die Laren zu finden, die mit dem Konzil die Milchstraße beherrschten. Doch der Untergrundkampf ging weiter. In diesem Stadium der Entwicklung wollte Atlan in größerem Umfang auf Cyborgs zurückgreifen.

Vor knapp zwei Jahrzehnten hatte er sich zu einem Experiment entschlossen, dessen Resultat noch ausstand. Um bislang unbekannte, aber lebensfreundliche Planeten für die Menschheit in Besitz zu nehmen oder zumindest als Fluchtwelten vorzubereiten, war es notwendig, sie zu erforschen und die Lebensbedingungen festzustellen. Das konnte nicht innerhalb von Monaten geschehen, dazu wurden Jahre benötigt.

Vor sechzehn Jahren der immer noch gültigen Terra-Normalzeit waren mehrere Gruppen von Multi-Cyborgs auf erdähnlichen Welten abgesetzt worden. Das war aus zwei Gründen geschehen: Diese Planeten sollten für eine spätere Besiedlung durch Menschen vorbereitet und zudem getestet werden, ob die Cyborgs befähigt waren, die Basis für eine spätere Zivilisation zu errichten.

Aus den positronischen Unterlagen suchte sich Atlan eines dieser registrierten Experimente heraus ...

Julian Tifflor dachte an die letzte Konferenz vor zwei Wochen zurück. Außer ihm und Atlan hatten mehrere Wissenschaftler teilgenommen, unter ihnen der Kosmopsychologe Dr. Huan, die Kosmobiologin Dr. Elma Hermite und der Flottenkommandant Major Serganow. Niemand hatte den Grund des Treffens gekannt, bis Atlan ihnen mit kurzen Worten das vor sechzehn Jahren begonnene Experiment ins Gedächtnis zurückgerufen hatte.

»... momentan sind die Laren mit eigenen Problemen beschäftigt und kümmern sich nicht besonders um uns. Ich halte es daher für opportun, dass wir uns mit dem Ergebnis des Versuchs befassen. Die auf Wonderfalg ausgesetzten Mucys hatten Zeit, ihre Fähigkeiten zu beweisen. Julian, ich betraue Sie mit der Aufgabe, die Details herauszufinden. Fliegen Sie mit der SPINNING WHEEL, einem Fünfhundert-Meter-Schlachtkreuzer mit Explorereigenschaften, zum zweiten Planeten des Systems Sahlenbeer. Ihnen zur Seite stehen erfahrene Wissenschaftler. Starttermin in acht Tagen, das ist ausreichend für alle Vorbereitungen. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.«

Das war alles gewesen.

Es war auch genug.

Julian Tifflor hatte sich weniger um die eigentlichen Start- und Ausrüstungsvorbereitungen gekümmert als vielmehr um die vor sechzehn Jahren gespeicherten Daten. Die Multi-Cyborgs hatten sich ohne Hilfe auf einer fremden Welt zurechtfinden müssen, obwohl sie zuvor stets auf die Unterstützung der Menschen angewiesen gewesen waren. Trotz ihres labilen Selbstbewusstseins waren sie im Fall Wonderfalg auf eigene Füße gestellt worden, wie sie es zuvor stets verlangt hatten. Echte Partner, die sie sein wollten, durften nicht von Komplexen geplagt werden.

Die Aufgabe war keineswegs so leicht, wie sie auf den ersten Blick erschien. Aus den Mucys konnte alles Mögliche geworden sein ... Daran musste Tifflor denken, als er in seiner Kabine auf dem Bett lag und die SPINNING WHEEL sich schon tausend Lichtjahre von Gäa in der Provcon-Faust entfernt hatte.

Die Mucys als echte Partner des Menschen – er kam nicht von dem Gedanken los. Wenn das Experiment positiv verlaufen war, konnten die Cyborgs auf Welten eingeschleust werden, die von den Laren kontrolliert wurden. Sie würden eine Guerillatruppe bilden, die dem Konzil großen Schaden zufügen konnte.

Wenn ... Ja, eben dieses Wenn war die große Unbekannte.

Ein Anruf erreichte ihn über sein Armband. Huans Konterfei erschien auf dem kleinen Monitor.

»Störe ich, Tifflor?«

»Keineswegs. Was steht an?«

»Ich hatte endlich Gelegenheit, mich eingehender mit den Unterlagen über die Mucys zu befassen. Psychologisch betrachtet sind sie interessanter als jeder Mensch.«

»Zumindest vielseitiger«, gestand Tifflor zu. »Aber ...«, er zögerte, »die Art ihres Entstehens begünstigt auch einen Minderwertigkeitskomplex.«

»Genau das ist der zweite Grund, weshalb sie nach Wonderfalg geschickt wurden. Auf sich allein gestellt, sollten sie sich weiterentwickeln. Ob ihnen das gelungen ist – nun, wir werden sehen.«

»War das alles, was Sie mir sagen wollten?«

Huan machte ein erschrockenes Gesicht. »Eigentlich ja ... Ich habe Sie doch gestört? Tut mir Leid, Tifflor, aber Sie müssen verstehen, dass mich Unruhe und Neugier gepackt haben, was aus dem Experiment wurde.«

»Bald werden wir mehr wissen. Spätestens in zwei Tagen erreichen wir unser Ziel.« Tifflor schaltete ab.

Im Linearraum stieß das Schiff in die Tiefe der Milchstraße vor, die der Menschheit noch vor eineinhalb Jahrtausenden unerreichbar erschienen war. Obwohl primitive Raumschiffe schon damals bis zum Mond und den Planeten des Sonnensystems gelangt waren, hatte es noch konservativ denkende Wissenschaftler gegeben, für die das Wort »unmöglich« eine faszinierende Bedeutung besessen hatte. Sich vorzustellen, dass die Menschen der Zukunft ihre Fähigkeiten für andere Dinge als Krieg und Verbrechen einsetzen und den Ausgangspunkt für eine ungeahnte Entwicklung schaffen würden, war ihnen unmöglich gewesen.

Sie hatten stets auf die gigantischen Entfernungen zwischen den Sternen verwiesen, aber dabei vergessen, dass nur wenige hundert Jahre zuvor die Reise von Kontinent zu Kontinent eine halbe Lebensaufgabe gewesen war. Als magische Grenze hatten sie die Lichtgeschwindigkeit angesehen. Doch knapp hundert Jahre zuvor war dem der Tod prophezeit worden, der sich schneller als hundert Kilometer in der Stunde voranbewegte.

Zudem hatten diese bedauernswerten Zweifler die Zeit ins Feld des Meinungskampfs geführt. Die Zeit, hatten sie behauptet, ließe sich erst recht nicht überwinden, denn gegen sie sei jeder machtlos.

Wie hätten sie ohne Fantasie ahnen können, dass es gerade die großen Entfernungen zwischen den Sternen und das Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit waren, die dem Menschen die Zeit untertan machten?

An all das musste Julian Tifflor denken, als die Entfernung zum Zielstern geringer wurde. Dank seines Zellaktivators lebte er seit den Anfängen des Solaren Imperiums, das heute nur noch im Untergrund existierte.

Das Konzil und seine Vertreter, die Laren, hatten die Vormachtstellung der Terraner in der Milchstraße zuerst erschüttert und dann so gut wie beendet. Seit Perry Rhodan die Erde über einen Sonnentransmitter versetzt hatte, galt ein Großteil der solaren Menschheit als verschollen. Trotzdem waren die Zurückgebliebenen nicht gewillt, die Hoffnung aufzugeben. Die Geschichte, davon war Julian Tifflor überzeugt, war noch lange nicht zu Ende ...

Auf dem Panoramaschirm glühte dunkelrot die Sonne Sahlenbeer. Das Schwerefeld des nur wenig Wärme abgebenden Sterns war ungewöhnlich groß und hielt fünf Planeten, von denen allein der zweite günstige Lebensbedingungen aufwies. Die anderen waren entweder glutflüssig oder zu kalt.

Der zweite Planet war Wonderfalg.

Seine mittlere Entfernung zur Sonne betrug 92 Millionen Kilometer, was relativ gering erscheinen mochte, aber seine hohe Umlaufgeschwindigkeit glich die Wirkung der Anziehungskraft wieder aus. Immerhin bewirkte die nicht sehr große Distanz zum Muttergestirn, dass der Planet genügend Wärme erhielt.

Schon die enorm hohe Bahngeschwindigkeit und die starke Ekliptik machten Wonderfalg interessant und außergewöhnlich. Hinzu kam die geringe Rotationsdauer von knapp über siebzehn Stunden. Entsprechend den kurzen Tagen und Nächten hatten sich Vegetation und Tierwelt entwickelt.

Die Schwerkraft des Planeten betrug 0,92 Gravos, sein Durchmesser 14.936 Kilometer. Der Wechsel der Jahreszeiten musste extrem sein und in schneller Folge vonstatten gehen.

Pflanzen bedeckten das Land wie ein dicker Teppich. Es gab keine richtigen Meere, aber dafür Tausende großer Seen. Die Wasserflächen überwogen dennoch; Kontinente im üblichen Sinn waren nicht vorhanden.

Als Julian Tifflor auf dem Holoschirm weit von der roten Sonne entfernt einen winzigen Lichtpunkt entdeckte, der nur Wonderfalg sein konnte, begriff er, warum Atlan ausgerechnet diesen wilden Planeten für das Experiment mit den Multi-Cyborgs ausgesucht hatte.

Langsam flog die SPINNING WHEEL in das System ein. Zwar hatten die Ortungen keine Anzeichen einer modernen Zivilisation erbracht, aber das bedeutete nicht viel. Man musste damit rechnen, dass die Cyborgs den Aufbau ihrer Zivilisation geheim hielten, denn sie kannten die Gefahren, die ihnen aus dem Weltraum drohten. Die Suchschiffe der Laren und besonders ihrer Verbündeten, der Überschweren, waren überall. Nur um unbewohnte Planeten kümmerten sie sich kaum.

Allmählich wanderte Sahlenbeer an den Rand der Bilderfassung, und Wonderfalg wurde größer und deutlicher: ein gesprenkelter Ball, dessen Oberfläche nur zum Teil von unregelmäßigen Wolkenbänken verhüllt wurde. Wasserflächen wechselten ab mit üppiger, dichter Urweltvegetation.

Und noch immer keine Anzeichen systematischer Besiedlung oder gar einer technisch fortgeschrittenen Zivilisation.

Sollten die Mucys ihren ursprünglichen Auftrag vergessen haben?

Major Serganow schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht. Sie hatten sechzehn Jahre Zeit, und ihnen standen alle Mittel zur Verfügung. Nichts hätte sie daran hindern können, zumindest eine große Siedlung aufzubauen. Immerhin handelt es sich um neunhundert Mucys.«

»Zahlenmäßig nicht viel, aber sie sind physisch praktisch unermüdlich. Abgesehen von Katastrophen und Unglücksfällen, leisten sie mehr als zweitausend Menschen. – Wir beobachten weiter und landen erst dann mit Beibooten, wenn wir etwas entdecken.«

Zwei Stunden später schwenkte die SPINNING WHEEL in den Orbit ein. Unter dem Schiff glitt die Oberfläche von Wonderfalg vorüber und gab jede Region der Oberfläche den Beobachtungsinstrumenten preis.

»Eine einmalige Studiengelegenheit«, stellte Elma Hermite, die Biologin, fest. »Auf dieser Welt erscheint die Entwicklung von fünfhundert Millionen Jahren auf eine Million Jahre zusammengestaucht.«

»Die Entstehung des Lebens im Zeitraffertempo.« Tifflor nickte ihr zu. »Ich verstehe, dass Sie das fasziniert. Aber wir sind aus einem anderen Grund hier als der Beobachtung extrem kurzer Jahreszeiten.«

Elma Hermite war noch relativ jung. Ungeduldig fuhr sie sich mit einer Hand durch ihr dunkles, kurz geschnittenes Haar. »Können wir das eine mit dem anderen verknüpfen?«, fragte sie. »Sicherlich werden die natürliche Umgebung des Planeten und seine Lebensbedingungen Einfluss auf das Verhalten der Mucys ausgeübt haben. Um ein Resultat prüfen zu können, sollte man alle Ursachen kennen.«

»Mit anderen Worten: Sie wollen schon bei der ersten Landeexpedition dabei sein, Elma?«

»Ich wollte Sie gerade darum bitten.« Ihr Lächeln machte die Biologin noch hübscher. Tifflor beschloss, sie in Zukunft öfter zum Lächeln zu bringen, doch er ahnte noch nicht, dass er bald Gelegenheit dazu erhalten sollte. In einer Situation jedoch, in der ein kleines Lächeln und ein wenig Optimismus zur Lebensnotwendigkeit wurden.

Der Kommandant befahl die Startvorbereitungen für zwei Beiboote.

Dr. Sven Stromberg erschien in der Zentrale und betrachtete den Planeten mit skeptischen Blicken. Als er Tifflors fragenden Blick registrierte, sagte er: »Wenn mich der erste Eindruck nicht täuscht, wartet da unten eine Menge Arbeit.« Stromberg war Kolonialexperte und Entwicklungshelfer.

»Das kann schon sein«, erwiderte Tifflor. »Aus diesem Grund möchte ich Sie bitten, sich dem ersten Landetrupp anzuschließen. Ich selbst führe das Kommando, außerdem begleiten uns Dr. Hermite und Dr. Huan. Die weiteren Teilnehmer werden noch bekannt gegeben.«

»Und ich hocke hinter dem Schirm!«, maulte Serganow.

»Das ist zu befürchten.« Tifflor grinste.

Nach zehn weiteren Planetenumkreisungen stand endgültig fest, dass auf Wonderfalg keine große Siedlung existierte. Lediglich nahe einer Flussmündung waren mehrere primitive Hütten entdeckt worden.

Es handelte sich um ein Urwaldgebiet. Vereinzelt gab es Lichtungen und Steppen, die jedoch von hohen Bergzügen begrenzt wurden. Der Fluss mündete in einen der großen Seen.

Die Hütten standen am Rande einer Lichtung, dicht beim Ufer. Die Vergrößerung zeigte eine rohe Bauweise aus unbearbeiteten Baumstämmen und aus Blättern geflochtene Dächer.

»Eingeborene ...?«, fragte Stromberg voller Zweifel. »Das sieht nicht nach den Cyborgs aus. Aber warum dann nur an dieser Stelle und sonst nirgendwo?«

»Wir haben zumindest nicht mehr entdeckt«, erinnerte ihn Serganow. »Aber damit fällt die Wahl des Landeplatzes nicht allzu schwer, meine ich.«

»Die Beiboote können ohne Mühe am Flussufer niedergehen«, bestätigte Tifflor. »Das ist mehr als tausend Meter von den Hütten entfernt. Sie werden uns bemerken – jene, die da wohnen.«

»Die Cyborgs?« Dr. Huan schüttelte den Kopf. »Das würde gar nicht zu ihnen passen. Sie wollten uns Menschen immer ein Stück voraus sein, um ihr Selbstbewusstsein aufzupolieren. Sich in solche Hütten zurückzuziehen wäre unlogisch. Wir haben es mit Eingeborenen zu tun, mit Wonderfalgern.«

»Dann kann es aber nicht viele von ihnen geben«, sagte Tifflor. »Oder sie leben in Höhlen in den Bergen. Vielleicht erfahren wir es, wenn wir Kontakt aufgenommen haben.«

»Die Boote sind bereit.«

»Gut, Major. Raumanzüge und entsprechende Ausrüstung werden nicht benötigt. Als Waffen schlage ich kleine Thermostrahler vor, die sich leicht verbergen lassen. Nur für den Notfall.«

»Waffen?« Huan reagierte leicht schockiert. »Wozu das?«

»Wenn es sich um Eingeborene handelt, was Sie ja glauben, lässt sich nicht vorhersagen, wie sie auf unser Erscheinen reagieren werden. Ich habe keine Lust, mich von Pfeilen durchbohren zu lassen und in einem Kochtopf zu landen. Wenn es sich aber um die Cyborgs handelt, ist es natürlich selbstverständlich, dass auch bei unvorhergesehenen Ereignissen keine Waffen eingesetzt werden dürfen. Wir wissen aus Erfahrung, dass man uns leicht für Spione des Konzils hält. Ein solches Missverständnis kann auch ohne Gewalt aufgeklärt werden.«

»Das beruhigt mich nur wenig«, stellte Dr. Huan fest.

Acht Personen stiegen in die beiden Beiboote. Die SPINNING WHEEL näherte sich indessen von Osten her der Flussmündung.

»Start in zwei Minuten!«, erklang Major Serganows Stimme. »Viel Glück!«

Das Hangarschott öffnete sich. Nur langsam entfernten sich beide Boote von dem massigen Kugelraumer und sanken der Oberfläche von Wonderfalg entgegen.

Weit voraus erkannte Julian Tifflor den großen See und die Flussmündung, dahinter die Urwälder, Steppen und glitzernden Sumpfseen. Der nahe Horizont wurde von zerklüfteten Gebirgen begrenzt.

Der Fluss bildete ein Delta, dessen Inseln und Halbinseln mit schilfähnlicher Vegetation überwuchert waren. In einiger Entfernung waren Stromschnellen und Wasserfälle zu erkennen, dahinter weitläufige Wasserflächen. Eine einfache Zivilisation hätte sich hinreichend mit elektrischem Strom versorgen können, ohne jemals Energiekrisen befürchten zu müssen.

Die SPINNING WHEEL war inzwischen hinter der Planetenkrümmung verschwunden. Julian Tifflor rief den Piloten des zweiten Bootes: »Dr. Hattings! Wir setzen zur Landung an. Sehen Sie den äußeren linken Arm des Flussdeltas?«

»Genau.«

»Die anschließende Lichtung erscheint mir günstig. Wir haben dann zwischen den Hütten und uns einen Waldstreifen von mehr als achthundert Metern Breite. Das sollte genügen, uns Zeit für Vorbereitungen zu geben, bevor wir Besuch erhalten.«

»In Ordnung. Wir bleiben dicht bei Ihnen.«

In geringer Höhe glitten die beide Boote auf das Delta zu und setzten zur Landung an. Die Hütten verschwanden hinter den Bäumen. Wenig später registrierten die Außenmikrofone nur das Rauschen von Blättern im sanften Nordwind.

2.

Sechzehn Jahre vorher:

Die Multi-Cyborgs verließen das Schiff. Nach ihnen wurde eine komplette Siedlungsausrüstung ausgeladen: Fertigbauteile für Häuser, Kultivierungsroboter und entsprechende Maschinen, ein leistungsfähiger Reaktor, Waffen, Lebensmittel und Werkzeuge. Alles wurde auf der Lichtung gestapelt und mit wasserdichten Planen abgedeckt.

Danach startete der Transporter wieder und verschwand im dämmrigen Himmel der unbekannten Welt. Zurück blieben die neunhundert Mucys und ihre Ausrüstung.

Sie hatten es nicht gern, wenn man sie »Mucys« nannte, doch sie tolerierten den Begriff. Sie waren synthetische Lebewesen mit ausreichender Intelligenz, die sie befähigte, selbstständig zu handeln und zu denken.

Sie besaßen menschliche Fähigkeiten, positive wie negative, obwohl die Zellgewebe ihrer künstlichen Gehirne mit hochwertigen positronischen Bauteilen siganesischer Mikroanfertigung angereichert worden waren. Ihre Schöpfer hatten außerdem Wert darauf gelegt, dass kein Cyborg das Gefühl hatte, als Außenseiter oder gar Monstrum angesehen zu werden. Sie sollten Partner sein, keine Werkzeuge oder Roboter.

Doch das alles konnte nicht verhindern, dass sich die Cyborgs benachteiligt fühlten. Sie waren Geschöpfe einer über ihnen stehenden Zivilisation.

Als der Transporter zwischen den Wolken am Himmel verschwand, trat einer der absolut humanoid aussehenden Multi-Cyborgs vor und rief mit lauter Stimme: »Ihr habt mich zu eurem Anführer gewählt, als wir von unserer Aufgabe erfuhren und hierher unterwegs waren! Ich bin auch jetzt noch bereit, diese Aufgabe zu übernehmen, aber aus unseren Gesprächen habe ich Meinungsverschiedenheiten herausgehört. Wir sollten sie klären, bevor wir unser Leben auf Wonderfalg beginnen. Um unsere Eigenständigkeit zu demonstrieren, legen wir uns neue Namen zu. Ich heiße jetzt Helium. Bis die Sonne wieder aufgeht, erwarte ich eine Liste mit euren Namen, die wir den Elementen entnehmen, und da diese nicht ausreichen, auch anderen vertrauten Begriffen aus Technik und Wissenschaft. Wir haben bis morgen Zeit, unseren im Schiff gefassten Entschluss zu überdenken. Die Nacht ist mild, wir brauchen vorerst keine Unterkünfte.«

Die erste Nacht verbrachten sie auf der Lichtung. Sie wussten, dass es auf Wonderfalg außer ihnen keine intelligenten Lebewesen gab, nur Tiere, aber mit denen würde man schon fertig werden.

Am anderen Tag dachte keiner der Cyborgs an Arbeit. Sie versammelten sich auf der großen Lichtung, um ihre Beschlüsse zu fassen. Helium kletterte auf das noch verpackte Atomkraftwerk, um einen besseren Überblick zu haben und von allen gesehen zu werden. Er sagte: »Unsere Schöpfer brachten uns aus vielen Gründen hierher, und es liegt an uns, die gestellte Aufgabe zu meistern. Wir sollen auf dieser Welt eine Kolonie gründen, nach eigenem Ermessen und Dafürhalten und den Lebensbedingungen entsprechend. Ich bin mit euch der Meinung, dass wir hier die einmalige Gelegenheit erhalten, uns ohne die Hilfe unserer Schöpfer eine Heimat zu schaffen. Hier gibt es niemanden, der uns Befehle erteilt. Wir können die Herren des Planeten werden, wenn wir wollen!«

Sie jubelten ihm zu – ein Gefühlsausbruch, der ihre Verwandtschaft mit den Menschen dokumentierte. Helium gebot mit erhobenen Händen Schweigen, dann fuhr er fort: »Ich habe mich mit einigen von euch eingehend über das Problem unterhalten und festgestellt, dass wir alle nur den einen Wunsch hegen, unabhängig zu sein. Wir sind Cyborgs und fremd auf diesem Planeten, aber wenn wir für immer hier bleiben sollen, müssen wir Wonderfalger werden, Eingeborene dieser Welt ...«

Weiter kam er nicht, denn der erneute Jubel übertönte seine Worte. Nur mühsam konnte die Ruhe wiederhergestellt werden.

»Ich sehe«, rief Helium, von dem begeisterten Beifall beeindruckt, »dass wir einer Meinung sind! Wir werden unseren Schöpfern beweisen, dass wir fähig sind, eine eigene Welt zu errichten und uns anzupassen! Wir werden Wonderfalg für uns gewinnen und die Lebensbedingungen akzeptieren, die der Planet uns bietet. Integration soll unsere Parole sein. Integration!«

Erneuter Beifall und Zustimmung.

»Das bedeutet aber, dass wir nackt und ohne die uns mitgegebenen Hilfsmittel unserer Schöpfer auskommen müssen. Wir müssen wie neugeborene Geschöpfe sein, die nur kraft ihrer Intelligenz und ihres Könnens überleben und aus dieser Wildnis ein Paradies machen. Das bedeutet auch, dass wir alle Dinge, die man uns mitgab, im See versenken oder gleich hier vernichten. Wir brauchen sie nicht!«

Diesmal kam Helium minutenlang nicht mehr zu Wort, so laut war der Jubel. Einige Cyborgs drängten vor und rissen die Planen von den Kisten mit Lebensmitteln und Werkzeugen, aber wieder waren es die Besonneneren unter ihnen, die alle anderen zurückhielten. Denn selbst Zerstörung ist ohne Systematik nicht vollkommen.

»Hört mich an!«, verschaffte sich Helium schließlich abermals Gehör. »Ich lasse euch wieder einen Tag und eine Nacht Zeit, euch zu entscheiden. Fällt diese Entscheidung in meinem Sinn aus, werden wir schon morgen mit dem Bau von Flößen beginnen. Wir werden nichts behalten, gar nichts! Alles, was wir zum Überleben brauchen, gibt uns dieser Planet – er muss es uns geben, sonst haben wir ihn nicht verdient. Und erst dann, wenn wir alles von ihm erhalten, dürfen wir stolz auf uns sein, denn dann sind wir den Schöpfern ebenbürtig geworden. Vielleicht ist es sogar das, was sie von uns erwarten.«

An diesem ersten Tag auf dem Planeten taten sie nichts. Einige kleinere Gruppen drangen in den Wald ein und begegneten fremdartigen Geschöpfen, die vor ihnen flohen. Es waren Tiere, wie es sie auf dem Planeten Gäa nicht gegeben hatte, und sie schienen harmlos zu sein. Die Pflanzen, die von den Cyborgs ebenfalls als Lebewesen eingestuft wurden, verhielten sich neutral. Das schien ein gutes Vorzeichen zu sein.

Am Abend brannten Lagerfeuer auf der Lichtung. Helium machte seine Runde von Gruppe zu Gruppe, und es war der Cyborg Meson, der ihm sagte: »Helium, du wirst hoffentlich bemerkt haben, dass wir das Feuer aus eigenen Kräften machten. Wir haben die Elektroanzünder bereits fortgeworfen und trockenes Holz benutzt. Und das Fleisch, das du über den Flammen siehst, stammt nicht aus den Vorräten. Unsere Jäger haben Wild erlegt und es verteilt. Ich glaube, das ist in deinem Sinn ...«

Ganz sicher war Meson sich seiner Sache nicht, aber er lächelte, als Helium antwortete: »Ihr habt gezeigt, dass ihr auch ohne unsere Schöpfer auf dieser Welt leben könnt, wie ich es euch empfahl. Die zweite Nacht ist die letzte Probe vor der endgültigen Entscheidung. Morgen stimmen wir ab.«

Ein anderer Cyborg kam herbei. Er nannte sich Oxygen.

»Helium, einige von uns haben Bedenken geäußert, weil die Jäger Tiere töteten. Sie glauben, dass wir ohne Gewalt leben sollten.«

Helium nickte und führte den Mann beiseite. »Oxygen, sag ihnen, dass sie sich von uns trennen können, wenn sie das wünschen. Aber sage ihnen auch, dass die Gesetze der Natur die Auslese fordern. Wenn uns die Lebewesen dieser Welt töten und wenn ihnen das auch gelingt, so sind sie die Stärkeren, und diese Welt soll wieder ihnen gehören. Falls sie jedoch ohne Erfolg versuchen, uns zu vertreiben, müssen sie es sich gefallen lassen, dass wir die Schwächeren von ihnen als Nahrung nutzen. So will es die Evolution.«

Oxygen nickte zustimmend. »Ich werde das sagen, Helium. Die Gruppe wird es verstehen.«

Helium beendete seinen Rundgang, denn es wurde Nacht. Er streckte sich auf seinem einfachen Graslager aus und legte Blätter über sich. Der rote Schein am Himmel erlosch, die Sterne wurden deutlicher sichtbar. Es waren Sterne, die er nie zuvor gesehen hatte. Doch bald würden sie ihm und seinem Volk vertraut sein, denn sie standen über Wonderfalg, der neuen Heimat.

Drei Tage benötigten sie, um zwei große Flöße zu bauen. Helium achtete darauf, dass keine der Frachtkisten geöffnet wurde. Die ausgewählten Baumstämme wurden am Flussufer mit geflochtenen Gräsern zusammengebunden, während andere Cyborgs damit beschäftigt waren, einen primitiven Schmelzofen zu bauen. Sie benötigten Metall.

Als die Öfen glühten, ließ Helium schließlich doch einige Kisten öffnen. Die Flöße waren fertig und warteten am Flussufer auf ihren Stapellauf. Aus den Kisten wurden Werkzeuge geholt, Nägel, Beile, einfache Waffen und Eisenbehälter. Alles wurde zu den Öfen geschleppt und hineingeworfen, damit es schmolz.

Aus der Schmelzöffnung kam das flüssige Eisen, wurde aufgefangen und sofort verarbeitet. Neue Beile, Nägel und Messer entstanden, nicht von den Menschen und ihren Robotern, sondern einzig und allein von Cyborgs hergestellt.

Am vierten Tag fuhren sie mit der ersten Fracht auf den See hinaus, dessen Horizont mit dem Himmel verschmolz, und versenkten alles im Wasser. Sie kehrten zurück zum Ufer und übernahmen die zweite Ladung. So lange, bis nichts mehr geblieben war.

Als die rote Sonne unterging, gab es fast nichts mehr, was sie an die Menschen hätte erinnern können. Sie waren auf sich selbst gestellt, und wenn sie überlebten, gehörte diese Welt allein ihnen und keinem anderen.

Vier Wochen später begegneten sie den ersten Lebewesen, die ihnen die neue Heimat streitig machen wollten ...

Mit den selbst hergestellten Werkzeugen waren Bäume gefällt und erste Hütten errichtet worden, die als Massenunterkünfte dienen sollten, falls das Wetter schlecht zu werden drohte. Helium hatte Arbeitsgruppen eingeteilt, um bis zum Einbruch des Winters die Ernährungslage zu sichern. Mehr als siebzig Prozent der Cyborgs waren damit beschäftigt, die benachbarten Lichtungen urbar zu machen. Ihnen standen nur primitive Pflüge zum Ziehen der Ackerfurchen zur Verfügung.

Das war der zweite Kompromiss: Helium hatte zwei Kisten mit Saatgut vor der Vernichtung bewahrt.

An diesem Tag brach er mit zehn Cyborgs, darunter Oxygen, Hydrogen und Plumbum, zu einer Expedition in die Berge auf. Bisher hatten sie sich nie weiter als drei Kilometer von ihrem Lager entfernt, und auch das nur am Flussufer entlang. Bis zur ersten Stromschnelle waren sie vorgedrungen und hatten festgestellt, dass der Fischreichtum enorm war. Verhungern würden sie auf Wonderfalg jedenfalls nicht. Ihre Bewaffnung bestand aus Speeren und Messern, Pfeil und Bogen.

»Das genügt für die grasenden Vierbeiner«, sagte Oxygen, als sie an den Stromschnellen Rast machten. »Hoffentlich begegnen wir keinen größeren Raubtieren.«

In gewaltigen Kaskaden stürzten die Wassermassen über Felsstufen in die Tiefe. Ihr Donnern übertönte jedes andere Geräusch, und Helium musste brüllen, als er antwortete: »Vielleicht gibt es überhaupt keine Raubtiere auf Wonderfalg. Und wenn, so werden wir uns auch ohne Energiestrahler und Vibrationsmesser wehren, falls sie angreifen.«

Sie drangen in den Wald ein und umgingen den Katarakt. Als sie weiter oben wieder das Ufer erreichten, erstreckte sich vor ihnen der natürliche Stausee mit kristallklarem Wasser, in dem es von Fischen wimmelte. Helium deutete auf eine sandige Bucht.

»Hier übernachten wir. In einer Stunde beginnt die Dämmerung. Plumbum, fang ein paar Fische, wir entzünden inzwischen ein Feuer.«

Der Angesprochene watete mit seinem Speer ins flache Wasser hinaus und wartete. Hydrogen nahm aus einem Tragbeutel zwei trockene Hölzer und Zunder. Schon nach wenigen Minuten stieg Rauch auf, dann züngelten die ersten Flammen und setzten den kleinen Holzstoß in Brand.

Dicht hinter ihnen ragte der Wald wie eine undurchdringliche Wand auf. Umgestürzte Bäume und Unterholz erschwerten das Vorwärtskommen und boten eventuellen Angreifern gute Deckung.

Als es dämmerte, brieten die Fische über dem Feuer. Das Tosen des Wasserfalls klang fern und wirkte auf gewisse Weise sogar beruhigend. Es war ein gleichmäßiges Geräusch, an das man sich mit der Zeit gewöhnte, sodass es andere Laute nicht mehr überlagerte. Deshalb war es nicht weiter erstaunlich, dass Helium plötzlich einen Finger auf die Lippen legte. Die anderen sahen ihn erstaunt an.

Im Wald knackte das Unterholz, in unregelmäßigen Abständen und sich langsam nähernd. Etwas näherte sich dem Lagerfeuer oder wollte zum See, um zu trinken.

Die Cyborgs griffen zu ihren Waffen, blieben aber ruhig sitzen. Sie sprachen nicht. Vielleicht war es nur ein harmloses Tier, an dessen Tränke sie saßen und das bei ihrem Anblick die Flucht ergreifen würde, vielleicht aber auch nicht.

Helium nickte Oxygen und Hydrogen zu. Er flüsterte: »Kommt mit, wir verbergen uns. Die anderen bleiben sitzen, als hätten sie nichts bemerkt.«

Die drei zogen sich nur wenige Meter seitlich zurück. Ein Gebüsch entzog sie den Blicken der acht am Feuer sitzenden Mucys. Die Geräusche aus dem Wald wurden lauter, als schiebe sich eine gewaltige Masse durch das vertrocknete Unterholz.

Dann ein durchdringendes Splittern, einer der hohen Wipfel neigte sich zur Seite, ein mittelgroßer Baum stürzte krachend um und fiel mit der Krone in den See, kaum dreißig Meter vom Lagerfeuer entfernt. Für die Cyborgs am Feuer gab es kein Halten mehr, sie sprangen auf und suchten flussabwärts Schutz vor dem Monstrum, das Bäume umwerfen konnte. Helium hielt sie auf und beendete ihre überstürzte Flucht. Zitternd vor Angst, beobachteten sie die kleine Lichtung bei der Bucht.

Ein weiterer Baum stürzte, dann erschien der massige Schädel eines gepanzerten Monstrums, das auf vier kurzen Beinen auf den Sand zukroch. Gut sieben Meter lang, erinnerte es an die Saurier vieler Planeten.

»Eine Echse!« Plumbum erschrak nachträglich, weil er so weit in den See hinausgewatet war.

Helium bog prüfend einen Pfeil. »Damit können wir nicht viel anrichten, wenn sie angreift.«

Die Echse schob sich weiter vor. Ihre Zehen verrieten den Landbewohner, denn ihnen fehlten die Schwimmhäute. Sie ignorierte das Feuer und kroch weiter bis ins seichte Wasser. Als sie das Maul zum Trinken öffnete, erblickten die Cyborgs zwei Reihen scharfer Zähne, die das Tier als Fleischfresser identifizierten.

»Verschwinden wir lieber!«, raunte Hydrogen.

Helium schüttelte den Kopf und ließ die Echse nicht aus den Augen. Er wollte mehr über das Tier erfahren, bevor er sich zurückzog. Wenn die Cyborgs für immer auf Wonderfalg bleiben wollten, mussten sie auch mit den Echsen der Urzeit leben.

»Wir warten!«, sagte er kurz und ein wenig zu laut.

Ruckartig wandte das Ungeheuer den Kopf in ihre Richtung. Es witterte mit einer langen, an der Spitze gespaltenen Zunge. Langsam und schwerfällig setzte sich die Echse auf das Versteck der Cyborgs zu in Bewegung.

Helium rief seinen Gefährten eine Warnung zu und stand auf.

»Du bist wahnsinnig!«, widersprach Oxygen entsetzt.

»Vielleicht – aber wir müssen wissen, woran wir sind. Wenn das Tier mich angreift, haben wir Anlass zur Gegenwehr. Zielt mit den Speeren auf den ungeschützten Bauch. Der Rücken ist zu stark gepanzert.«

Die Echse kroch auf ihn zu, das Maul weit aufgerissen. Kein Zweifel, sie hielt Helium für eine willkommene Beute. Wütend peitschte der verhältnismäßig kurze und dicke Schwanz das Wasser und den Ufersand.

Helium zögerte nicht länger. Entschlossen trat er vor und schleuderte seinen Speer mit aller Kraft in den geöffneten Rachen des Untiers, ehe es ihn vollends erreichen konnte. »Los, angreifen!«, rief er gleichzeitig seinen noch versteckten Gefährten zu.

Sechs oder sieben Speere erreichten ihr Ziel, aber nur drei von ihnen bohrten sich in den Leib der Echse, die plötzlich unschlüssig wurde. Einen Angriff von zwei Seiten schien sie nicht erwartet zu haben.

Sie schloss das Maul, der darin steckende Speer Heliums zerbrach. Mit einem zornigen Fauchen änderte sie die Richtung und kroch auf die Büsche zu, hinter denen sich die Angreifer verbargen.

Helium zog sein Messer, wagte aber nicht, das Untier damit zu attackieren. Er hoffte, die schon vorhandenen Wunden würden ausreichen, das Tier kampfunfähig zu machen, aber er irrte sich.

Die Cyborgs rannten in alle Richtungen davon, während die Echse ihr Tempo erhöhte. Sie zog eine blutige Spur nach, aber ihre Kraft erlahmte nur langsam – viel zu langsam jedenfalls für einen der Cyborgs, der in seiner Verzweiflung in den See floh.

Im Wasser war das Biest schneller als der Flüchtling. Helium und die anderen sahen nur noch einen blutigen Wasserwirbel, als das Ungeheuer sein Opfer in die Tiefe zog und für lange Zeit verschwunden blieb. Als es wieder auftauchte, schwamm es mit dem Bauch nach oben. Von dem Cyborg war nichts mehr zu sehen.

Helium nahm einem der Männer den verbliebenen Speer ab und watete in die Bucht hinaus. Kraftvoll stieß er die Waffe in den ungepanzerten Leib, erzielte aber keine Gegenreaktion. Danach zog er den toten Gegner an Land.

»Sie sind also unsere Feinde«, stellte er fest, erwähnte aber den Toten mit keinem Wort. »Holt euch die Speere zurück, wir müssen damit rechnen, dass wir weiteren Echsen begegnen werden!«

Während der Nacht, die inzwischen vollends hereingebrochen war, hielt ständig einer von ihnen Wache.

Am nächsten Tag wanderten sie am Flussufer entlang weiter, bis sie eine zweite Stromschnelle erreichten. Immer wieder vernahmen sie aus dem Wald unheimliche Geräusche, die auf die Anwesenheit größerer Lebewesen schließen ließen.

Sie lagerten auf einer geschützten Felsplatte, die sie nur nach einer halsbrecherischen Kletterpartie erreichten. Hier wähnten sie sich vor nächtlichen Überraschungen sicher. Einige holten Holz, und bald flackerte ein Lagerfeuer auf.

»Wir haben einen unserer Freunde verloren, das ist bedauerlich«, sagte Helium endlich. »Aber wir haben auch bewiesen, dass wir mit den Gefahren auf Wonderfalg fertig werden. Und zwar aus eigener Kraft, nicht mit den Waffen unserer Schöpfer. Das Leben dieser Welt muss uns anerkennen. Wir werden friedlich bleiben und Gewalt nur dann anwenden, wenn keine andere Möglichkeit bleibt. Wir dürfen die Fehler unserer Schöpfer nicht wiederholen.«

Die anderen nickten ihm zu. Sie waren mit seinen Ausführungen einverstanden.

In dieser Nacht geschah nichts.

Drei Tage später erreichten sie den Fuß des Gebirges.

Der Fluss war zu einem reißenden Wildbach geworden, mit eiskaltem Wasser. Auch hier gab es Fische, sodass die Cyborgs genug zu essen hatten. Einer Echse waren sie nicht mehr begegnet.

Staunend sahen sie zu den schneebedeckten Gipfeln hinauf.

»Hat wenig Sinn, wenn wir sie zu besteigen versuchen«, stellte Hydrogen fest. »Was wollen wir da oben schon finden?«

»Wir bleiben unten«, entschied auch Helium. »Noch brauchen wir die Berge nicht, aber wir kennen den Weg zu ihnen. Morgen kehren wir um. Danach machen wir es uns einfacher und bauen ein Floß.«

»Was ist mit den Stromschnellen?«, erkundigte sich einer.

»Wir gehen vorher an Land und bauen ein neues Floß unterhalb der Schnelle. In zwei Tagen sind wir wieder bei den anderen.«

So geschah es. Der Fluss trug sie schnell in Richtung des kleinen Binnenmeers. Als sie endlich die Siedlung erreichten, mussten sie feststellen, dass sie nicht die Einzigen waren, die inzwischen die Bekanntschaft der Raubechsen gemacht hatten.

Meson, der Helium vertreten hatte, berichtete: »Sie kamen am hellen Tag, ungefähr zehn von ihnen, und griffen uns ohne Warnung an. Die Feldarbeiter hatten keine Zeit mehr, ihre Waffen zu holen, die sie am Waldrand niedergelegt hatten. Bei ihnen lag eins der Ungeheuer und hielt Wache. Hörst du, Helium? Es hielt Wache! Sie verfügen über eine gewisse Intelligenz und betrachten uns als ihre Feinde! Sie scheinen die Herren dieser Welt zu sein.«

»Kann sein, dass sie sich dafür halten, aber bald werden wir es sein. Wenn man den Gegner kennt, kann man sich seiner besser erwehren. Ich hatte gehofft, wir könnten hier in Frieden leben, doch nun sehe ich ein, dass es ohne Kampf diesen Frieden nicht geben kann. In der Hinsicht haben die Schöpfer Recht behalten.«

»Die Bestien haben zehn von uns getötet, Helium. Dann erst gelang es, sie zu vertreiben. Drei Echsen erwischten wir. Ihre Lederhaut kann für uns sehr wertvoll werden.«

»Ein Grund mehr, sie zu töten.« Helium ahnte nicht, dass er mit dieser Feststellung haargenau in die Fußstapfen seiner Schöpfer trat, von denen er sich so sehr zu distanzieren wünschte.

Der Winter kam schnell und überraschend. Eine meterdicke Schneeschicht bedeckte die Felder mit der Saat, und der Fluss fror zu. Zum Glück gab es genügend Brennholz. Vierbeiner ließen sich immer wieder sehen und konnten erlegt werden; Gefrierfleisch bedeutete Vorrat.

Arbeit gab es in diesen kalten Monaten nicht. Helium ließ lediglich Bäume fällen und eine große Hütte errichten, denn die vorhandenen boten zu wenig Platz. Hier warteten nun die Cyborgs und träumten dem Frühling entgegen, der bald kommen musste.

Die rote Sonne Sahlenbeer stieg mittags schon wieder höher. Es wurde wärmer, Eis und Schnee schmolzen. Dann brachen die ersten grünen Spitzen der Saat aus der Erde; sie wuchs und gedieh. Schließlich stand das Getreide fußhoch auf den Äckern. Die Cyborgs feierten nicht nur die gelungene Aussaat, sondern zugleich ihre Unabhängigkeit von den Menschen. Doch am nächsten Morgen waren die grünen Halme verschwunden. Zurückgeblieben waren nur die aufgewühlten Felder, Spuren vierbeiniger Lebewesen mit Klauenzehen – und Kot.

Helium berief eine Versammlung ein. Sie fand in der im Winter erbauten Hütte statt, in der sie alle Platz fanden. Draußen regnete es in Strömen.

»Wir haben also außer den Echsen noch weitere Feinde, aber wir kennen sie noch nicht. Das Wild, das wir bislang jagten, hinterlässt andere Spuren. Es ist nur noch wenig Saatgut geblieben, und wenn wir nicht verhungern wollen, müssen wir wild wachsende Früchte finden. Neutron wird den morgigen Suchtrupp führen.«

»Und die Klauenzeher? Was ist mit ihnen?«, fragte jemand.

»Um die kümmern wir uns, sobald Zeit dafür ist. Ein zweites Mal werden sie unsere Ernte nicht vernichten! Wir müssen die Äcker umzäunen.«

Damit schien das Problem gelöst zu sein. Neue Felder wurden bestellt und Zäune aus Holzstämmen errichtet. Das letzte Saatgut verschwand in der Erde.

Der Sommer kam.

Die Saat wuchs und gedieh. Kurz bevor sie reifte und geerntet werden konnte, schlugen die beiden ständigen Wächter vor dem Morgengrauen Alarm. Eine Herde gedrungen gewachsener Vierbeiner war dabei, mit ihren kräftigen Körpern die Umzäunung einzureißen. Sie gingen dabei so systematisch vor, dass man ihnen eine gewisse Intelligenz nicht absprechen konnte. Noch bevor die aufgeschreckten Cyborgs die Felder erreichten, waren diese bereits zerwühlt und die Ernte bis auf einen dürftigen Rest vernichtet.

Zwar gelang es, ein Dutzend der Tiere zu erlegen, die restlichen flohen jedoch in Wald und Steppe. Helium stand erbittert vor dem zertrampelten Getreide und den getöteten Tieren, die fett und wohlgenährt aussahen. Es war nicht allein der Hunger, der sie getrieben hatte, sondern zweifellos die Absicht, die fremden Zweibeiner zu verjagen.

An diesem Abend versammelte Helium seine Cyborgs in der großen Hütte und sagte zu ihnen: »Wir geben nicht auf, aber wir müssen unsere Methode ändern. Das Saatgut stammte nicht von dieser Welt, sondern von unseren Schöpfern. Deshalb brachte es uns kein Glück. Von nun an wird uns dieser Planet allein ernähren. Das Fleisch der Klauenzeher ist schmackhaft, aber schon morgen werden drei Gruppen von uns in verschiedene Richtungen aufbrechen, um die Früchte Wonderfalgs zu suchen und zu testen. Vom Fleisch allein können wir nicht leben, dafür wurden wir nicht geschaffen. Diese Welt hat alles, was wir brauchen, wir müssen es nur finden und erobern. Unsere Schöpfer könnten das auch, und wir sind so gut wie sie. Vielleicht sind wir sogar besser ...«

Sie spendeten ihm nur noch schwachen Beifall. Die anfängliche Begeisterung war nicht mehr vorhanden. Trotzdem gab es keinen, der Helium widersprochen hätte.

Noch nicht.

Die Expeditionen brachen anderntags auf. Helium blieb im Lager, denn er spürte die unterdrückte Unruhe und Unsicherheit der Cyborgs und wollte sie nicht allein lassen.

Zwei der Expeditionen kehrten mit brauchbaren Ergebnissen zurück, die dritte blieb verschollen. Alles Suchen half nichts, keiner der zehn Teilnehmer wurde je wieder gesehen.

Sie waren nicht die letzten Cyborgs, die auf unerklärliche Weise verschwanden. Helium machte sich seine eigenen Gedanken, wagte es jedoch nicht, seine Vermutung laut auszusprechen. Er wollte die anderen nicht noch mehr beunruhigen.

Immerhin gelang es vor Anbruch des Winters, mehrere Tonnen essbarer Früchte einzulagern und eine wilde Getreideart anzubauen, die von den Klauenzehern nicht vernichtet wurde. Als der erste Schnee fiel und der Boden gefror, veranstaltete Helium eine Treibjagd auf die drei schmackhaftesten Arten der Vierbeiner und schuf so einen ausreichenden Fleischvorrat für den ganzen Winter.

Die Riesenechsen tauchten nur noch selten auf. Sie hatten die Gefahr erkannt, die ihnen von den Zweibeinern drohte, und ließen sie in Ruhe. Ihr Verhalten durfte indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie die Cyborgs nach wie vor als Eindringlinge betrachteten, die auf dieser Welt nichts zu suchen hatten. Das äußerte sich in vereinzelten Überfällen der Echsen auf Jäger, wenn diese nicht damit rechneten. Nur die Siedlung ließen sie in Ruhe.

Im fünften Jahr bestand Heliums Dorf noch aus fünfhundert Bewohnern. Die anderen waren im Kampf mit der feindseligen Natur Wonderfalgs getötet worden oder einfach verschwunden.

»Sie sind nicht tot«, behauptete Neutron eines Tags, »sondern nur konsequenter als wir. Ich weiß es.«

»Wie meinst du das, konsequenter ...?«, wollte Helium wissen.

»Du weißt, was ich meine. Sie haben uns verlassen und sind in die Wälder und Steppen gegangen, um der Natur noch näher zu sein. Sie glauben, dass wir uns hier von den Gesetzen Wonderfalgs absondern und uns deshalb nicht integrieren. Wir sind den Schöpfern noch zu ähnlich. Wir leben in Hütten, nicht aber unter den Bäumen oder gar in ihnen. Wir benehmen uns wie Menschen, aber nicht wie sich echte Wonderfalger benehmen würden, darum werden wir auch nicht akzeptiert.«

Helium starrte in die Flammen des offenen Feuers. Die anderen Cyborgs, die noch in Heliums Hütte hausten, lagen auf ihren Fellen und schliefen, oder sie hörten zu.

»Du meinst, wir sollten jede Bequemlichkeit aufgeben?«

»Nicht unbedingt, Helium, aber wir sollten anders beginnen. Wir müssen vergessen, was einst war und woher wir kommen. Unsere Schöpfer brachten uns auf diese Welt, damit wir eine Zivilisation in ihrem Sinne errichten, eine menschliche Kolonie, die sie später nur zu übernehmen brauchen. Würden wir das tun, blieben wir auch weiterhin von ihnen abhängig und wären nichts als Werkzeuge. Wir aber wollen, dass sie eines Tages, wenn sie zurückkehren, Wonderfalgern begegnen, die ihnen Bedingungen stellen können.«

»Wie soll das geschehen? Glaubst du nicht, Neutron, dass wir schon alles getan haben, um von den Menschen unabhängig zu werden?«

»Wir haben viel getan«, gab Neutron zu. »Aber noch nicht alles. Was würde geschehen, falls morgen ein Schiff der Terraner hier landet? Hättest du nicht ein Gefühl der Schuld ihnen gegenüber, weil wir ihren Auftrag nicht erfüllten? Ich sehe dir an, dass es so ist, und das beweist, dass wir unser eigentliches Ziel noch nicht erreicht haben. Wir müssten ihnen stolz entgegengehen können. Dies ist unsere Welt, und die Schöpfer wären nur unsere Gäste. Doch zuvor muss diese Welt uns anerkennen. Dann wird sie uns auch helfen.«

Helium schwieg lange, während er über Neutrons Worte nachdachte. Endlich nickte er. »Du hast Recht, mein Freund, aber wie sieht das in der Praxis aus? Tun wir nicht alles, um Wonderfalger zu werden? Wir besitzen nichts mehr, was an unsere Herkunft erinnert. Selbst die Werkzeuge der ersten Tage wurden im See versenkt, nachdem wir im Gebirge Erzadern fanden. Wir leben voll und ganz von dem, was uns die Natur gibt, und wir sind vom Menschen unabhängig geworden. Was wollen wir mehr?«

»Ich weiß es nicht, aber ich fühle, dass noch viel fehlt, bis uns Wonderfalg wirklich akzeptiert. Erst gestern wurden zwei Jäger von einer Laufpflanze erwürgt. Nennst du das Integration und Anpassung?«

»Leben mit der Natur bedeutet Kampf! Das hat nichts mit Anerkennung oder Integration zu tun. Wir müssen die Stärkeren sein, das ist alles. Und wir sind es!«

Neutron legte ein Stück Holz nach. »Vielleicht sind wir die Stärkeren, und darum werden wir bekämpft und erleiden Rückschläge. Die Natur kommt zu uns als Gegner. Wir sollten zu ihr gehen, und zwar als Freunde.«

»So wie die anderen von uns? Zurück auf die Bäume, wie die Vorfahren unserer Schöpfer?« Helium schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass es der richtige Weg wäre.«

»Wir müssen von vorn anfangen, anders geht es nicht!«

Helium gab keine Antwort. Die halbe Nacht saß er vor dem Feuer und konnte nicht schlafen.

Am anderen Morgen fehlten Neutron und weitere fünfzig Cyborgs.

In den folgenden elf Jahren geschah viel und nichts.

Neutron war es gelungen, die meisten der verschwundenen Cyborgs zu einem Stamm zu verschmelzen, der am Ufer des Stausees lebte. Dort gab es Felsenhöhlen, die das Wasser aus dem Gestein gewaschen hatte und in denen sie vor den Echsen sicher waren.

Unendlich langsam fing Wonderfalg an, sie zu akzeptieren, wenn auch nicht in dem von Neutron erhofften Maß. Das Leben war hart und entbehrungsreich, voller Gefahren und Rückschläge. Pflanzen und Tiere blieben Gegner der Cyborgs.

Einmal wäre es sogar beinahe zum Krieg zwischen den Gruppen um Neutron und Helium gekommen. Der Grund war der geplante Bau eines primitiven Kraftwerks am Wasserfall. Seit Jahren hatte sich Helium mit diesem Projekt befasst, bis er sich endlich entschloss, es zu verwirklichen. Mit Neutrons Stamm gab es lose Kontakte. Man tat einander nichts, ging sich aber nach Möglichkeit aus dem Weg. Als jedoch der erste Bautrupp anrückte und einen Teil der Stromschnellen mit Baumstämmen isolierte, erschien Neutron und erkundigte sich wütend, was das zu bedeuten habe. Helium versuchte, es ihm zu erklären:

»Wir brauchen elektrischen Strom, und Wasser gibt es genug. Inzwischen ist es uns gelungen, Geräte und Maschinen zu entwickeln, mit denen sich Energie erzeugen lässt. Morgen bringen wir die Turbine.«

»Ihr werdet sie nicht bringen!«, widersprach Neutron.

Helium gab sich verwundert. »Warum nicht? Wir bleiben unterhalb der Fälle und kommen nicht zum See hoch. Wir nehmen euch kein Wasser weg und lassen euch in Ruhe.«

»Aber wir euch nicht!«, drohte Neutron. »Wir werden nicht zulassen, dass ihr unseren Frieden mit Wonderfalg stört. Die Natur wird sich rächen.«

»Unsinn, Neutron. Wir wollen überleben, das ist alles.«

»Das geht auch ohne Maschinen, die ohnehin nur das geistige Erbe der Schöpfer sind, die wir vergessen müssen. Wir sind Wonderfalger, keine Menschen! Verleugne deine eigenen Grundsätze nicht!«

Das Palaver dauerte mehrere Tage. Oben am Wasserfall standen die Höhlenbewohner mit Waffen in den Händen. Wenn Neutron ihnen zugewinkt hätte, wären sie über den Bautrupp hergefallen. So weit wollte es Helium jedoch nicht kommen lassen.

Er gab nach. Vielleicht sah er auch ein, dass Neutron im Recht war. Auf jeden Fall wollte er keinen Krieg zwischen den beiden Stämmen, denn wenn sie ihre Schöpfer vergessen wollten, durften sie nicht auch noch deren Fehler übernehmen.

Helium und Neutron reichten sich zum Zeichen des Friedens die Hände, und als sie sich gerade trennen wollten, kam einer der Cyborgs am Flussufer heraufgelaufen. Er war so außer Atem, dass er nicht sprechen konnte, sondern immer nur in Richtung des ehemaligen Dorfes deutete.

Sie ließen ihm Zeit, denn niemand argwöhnte, dass außer einem neuerlichen Angriff der Echsen oder der Klauenzeher etwas Besonderes geschehen sein könnte. Und damit würden die im Dorf Zurückgebliebenen schon fertig werden. Wie stets.

Endlich keuchte der Cyborg: »Die Schöpfer sind gekommen! Beim Delta sind zwei kleine Schiffe gelandet. Was sollen wir tun?«

Helium und Neutron sahen sich erschrocken an. Hydrogen, der herbeigekommen war und alles mit angehört hatte, sagte: »Das ist die Entscheidung, Freunde! Jetzt müssen wir ihnen zeigen, dass wir auch ohne sie auskommen und überleben können. Wir sind Wonderfalger, und die Menschen sind die Fremden auf dieser Welt, die allein uns gehört. Sagen wir es ihnen!«

»Und wenn sie es nicht glauben?«, fragte Helium zweifelnd.

»Dann zeigen wir es ihnen auch!«, schlug Hydrogen vor. »Wenn sie nur mit zwei kleinen Schiffen kamen, können sie nicht viele sein.«

»Du willst gewaltsam gegen sie vorgehen?«

»Ich schlage es nur vor«, gab Hydrogen vorsichtig zurück.

Helium sah Neutron an. »Was meinst du? Werdet ihr uns helfen?«

»Wir helfen euch, sobald sie in unser Seegebiet eindringen.«

»Na schön«, sagte Helium. »Wir sagen es ihnen. Vielleicht hören sie auf uns und fliegen wieder ab. Ich werde ihnen erklären, dass wir sie nicht mehr brauchen und dass sie uns verlassen sollen. Wonderfalg ist unsere Welt, nicht ihre! Gib mir wenigstens einen deines Stammes als Boten mit.«

»Xenon wird dich begleiten«, stimmte Neutron zu und kehrte zu seinem Stamm zurück.

3.

Julian Tifflor verließ als Erster das Beiboot, gefolgt von Dr. Huan, Dr. Sven Stromberg und Elma Hermite. Die Besatzung des zweiten Beiboots würde vorerst an Bord bleiben, um einen eventuellen Rückzug zu sichern.

Nichts regte sich auf der Lichtung, aber Tifflor glaubte, am Waldrand etwas entdeckt zu haben. Einige Zweige bewegten sich dort, obwohl sie im Windschatten wuchsen. Entweder handelte es sich um Tiere, oder die Cyborgs hielten sich dort verborgen und belauerten sie.

Aber warum?

Tifflor befahl über Armbandfunk: »Dr. Hattings, begleiten Sie uns doch mit Ihren Leuten, aber verschließen Sie die Schleuse! Acht Personen wirken beeindruckender als nur vier.«

Sie warteten, bis die anderen herbeigekommen waren. Leutnant Gene als Angehöriger der ehemaligen Explorerflotte hielt sich für besonders geeignet, eine solche Situation zu meistern. Schließlich hatte er früher oft fremde Welten betreten.

Dr. Gernot war Kybernetiker und eigentlich zufällig an Bord der SPINNING WHEEL gelangt. Sein aufbrausendes Temperament machte ihn zu einem wenig zuverlässigen Bundesgenossen.

Smithern galt als hervorragender Fremdvölkerkundler, der noch immer von seinen reichhaltigen Erfahrungen profitierte. Tifflor war froh, ihn bei sich zu haben. Als sie alle acht beisammen waren, sagte er: »Die Cyborgs müssen drüben im Wald sein. Gehen wir! Lasst die Waffen nicht sehen, aber vergesst sie auch nicht. Ich habe ein merkwürdiges Gefühl ...«

»Warum sollten die Mucys uns gegenüber feindlich eingestellt sein?«, wunderte sich Hattings. »Sie kennen ihre Aufgabe, und selbst wenn sie versagt haben sollten, wäre das kein Grund, uns anzugreifen.«

»Sechzehn Jahre sind eine lange Zeit. Fragen Sie Dr. Huan, was er von der psychologischen Basis eines Cyborgs hält. Sie werden sich wundern.«

Elma Hermite, die neben ihm ging, fragte: »Befürchten Sie Schwierigkeiten, Julian?«

»Allerdings, Elma. Niemand kann wissen, was in den Gehirnen der Mucys vor sich gegangen ist, als sie hier abgesetzt wurden. Auf jeden Fall ist nicht das geschehen, was Atlan sich erhoffte. Mit der ausgezeichneten Ausrüstung hätten terranische Kolonisten in diesem Zeitraum eine beachtliche Kolonie aufgebaut. Haben wir hier etwas davon bemerkt? Nein! Wir haben nur einige verfallene Hütten gesehen, sonst nichts. Ich bin gespannt, welche Überraschung uns bevorsteht.«

»Können sich Mucys einem Befehl widersetzen?«

»Sie sind keine Roboter, sondern eigenständige Wesen, wenn sie auch synthetisch herangezüchtet wurden, sozusagen vollkommene Androiden. Aber sie haben ihre eigene Psyche, ihren eigenen Verstand. Doch es ist besser, wenn wir jetzt unsere Unterhaltung beenden. Wir sind nur noch hundert Meter vom Waldrand entfernt.«

Fünfzig Meter weiter blieben sie stehen.

Tifflor rief: »Kommt heraus, Cyborgs, wir haben euch längst bemerkt! Eure Schöpfer und Freunde sind zurückgekehrt, um euch heimzuholen. Die Probezeit ist beendet. Auf euch warten neue Aufgaben.«

Keine Reaktion.

Dr. Sven Stromberg trat neben Tifflor. »Darf ich mit ihnen sprechen? Vielleicht sollten wir sie vorsichtiger behandeln. Sie waren zu lange auf sich allein gestellt.«

»Sie mögen Recht haben, Doktor. Versuchen Sie es ruhig ...«

Stromberg ging ein paar Schritte weiter. Dann rief er: »Uns interessieren eure Erfahrungen. Wollt ihr sie uns mitteilen, damit wir daraus lernen können? Wir bringen Nachschub an Material und Ausrüstung. Hört ihr mich?«

Ein Cyborg kam aus dem Gebüsch. Er war nur mit einem Fell bekleidet und trug einen Speer in der Rechten. Hinter ihm schoben sich Pfeilspitzen durch die Blätter. Das war ein Empfang, der selbst für Tifflor reichlich überraschend kam.

Der Cyborg blieb zehn Meter entfernt stehen, den Speer wurfbereit. »Was wollt ihr?«, fragte er.

Tifflor übernahm die Verhandlungsführung.

»Wir wollen euch abholen. Aber jene, die bleiben möchten, hindern wir nicht daran; sie erhalten Ausrüstungsmaterial und Nachschub. Wir wollen mit euch reden und herausfinden, warum auf Wonderfalg keine Kolonie entstand, wie es beabsichtigt war.«

Der Cyborg senkte den Speer, blieb jedoch wachsam.

»Eine Kolonie? Gab es je einen solchen Auftrag?«

»Ihr habt es vergessen?« Tifflor schüttelte den Kopf. »Wir haben euch gute Gehirne gegeben, die nichts vergessen. Ich erwarte eine Erklärung.«

»Wir sind Eingeborene des Planeten Wonderfalg«, sagte der Cyborg stolz. »Als Fremde stört ihr unseren Frieden. Wir haben nichts mit euch zu tun und brauchen keinen Nachschub. Wir gehören zu Wonderfalg, ihr aber nicht.«

Tifflor verdaute das Gehörte schnell.

»Ihr seid also Wonderfalger?«

»Ja!«

»Warum habt ihr dieser Welt dann nicht ihren eigenen Namen gegeben, sondern jenen beibehalten, den wir einst wählten? Ist das eure Selbstständigkeit, eure Unabhängigkeit?«

Für einen Augenblick wurde der Cyborg unsicher, dann sagte er: »Der Name schien uns passend, warum auch immer. Wir bitten euch, unsere Welt wieder zu verlassen und nie wiederzukommen. Ihr seid fremd hier. Wonderfalg gehört uns, sonst niemandem!«

Dr. Huan ergriff Tifflor am Ärmel. »Darf ich weiterreden? Ich glaube zu wissen, worum es geht.«

Tifflor nickte zustimmend und trat zurück.

»Wie heißt du?«, fragte Huan den Cyborg.

»Mein Name ist Helium, ich bin der Häuptling aller Wonderfalger.«

»Ein merkwürdiger Name für einen Eingeborenen dieser Welt, nicht wahr?«

Helium ließ sich nicht beirren. »Genauso merkwürdig wie jene Namen, die eure menschliche Geschichte kennt. Es sind Namen, die nicht von euch stammen. Ihr habt sie jenen gestohlen, die euch vor vielen Jahrtausenden auf eurem Heimatplaneten besuchten. Damals wart ihr wie wir, der Natur verbundene Intelligenzen einer einsamen Welt unter vielen anderen, die ihr nicht kanntet. Geht nun!«

»Wir werden nicht gehen, ohne die Wahrheit zu kennen, Helium! Du wirst uns alles sagen und dann mit uns kommen. Ihr alle!«

Tifflor wandte schnell ein: »Darüber entscheiden wir später. Wir wollen keinen Streit mit euch, Helium. Ihr wisst, wer wir sind; uns verdankt ihr eure Existenz. Vergesst das nicht! Ihr seid Cyborgs, nicht mehr und nicht weniger! Und nun hole die anderen, wir wollen mit ihnen sprechen.«

Helium trat einige Schritte zurück und blieb stehen.

»Ihr habt uns nichts mehr zu befehlen, denn wir sind Wonderfalger! Verlasst diese Welt, oder wir töten euch!«

Tifflor erkannte, dass er mit Argumenten nichts ausrichten konnte. Er wusste zugleich, dass er keine Gewalt anwenden durfte. »Wir warten bis morgen«, sagte er. »Ihr habt also Zeit, euch zu entscheiden. Zwingen werden wir euch nicht, Helium, aber wir werden euch immer und immer wieder an eure Herkunft erinnern. Ihr seid Cyborgs, keine eingeborenen Wonderfalger. Wir erschufen euch, damit ihr uns gehorcht. Ihr seid nicht vollkommen!«

»Ihr seid es ebenso wenig«, erwiderte Helium bockig und zog sich weiter zum Waldrand zurück. »Morgen reden wir weiter. In dieser Nacht werden wir unseren Entschluss fassen.«

»Macht keinen Fehler!«, riet Tifflor noch, ehe Helium im Wald untertauchte, dann wandte er sich an seine Begleiter: »Was ist geschehen? Wie konnten sie sich derart verändern? Dr. Huan, haben Sie eine Erklärung?«

»Sie wollten sich von uns unabhängig machen, das ist alles. Auf Wonderfalg erhielten sie die beste Gelegenheit dazu, ihre Selbstständigkeit unter Beweis zu stellen. Nur glaube ich, dass ihnen das nicht so recht gelungen ist. Sie haben alles vernichtet, was wir ihnen mitgaben, aber sie schafften es nicht, eine eigenständige Kolonie aufzubauen. Ihre ohnehin vorhandenen Minderwertigkeitskomplexe können nur noch größer geworden sein. Ich wittere Komplikationen.«

»In welcher Form?«

»Sie werden versuchen, uns zu verjagen. Mit Gewalt.«

»Was wollen sie gegen uns ausrichten? Wir haben die besseren Waffen. Und vergessen Sie die SPINNING WHEEL nicht!«

Ein wenig ratlos kehrten sie zu den Beibooten zurück. Julian Tifflor nahm Funkkontakt mit Kommandant Serganow auf und berichtete mit knappen Worten. Er schloss: »Wir warten bis morgen. Falls wir Hilfe benötigen, sage ich es Ihnen, Major. Das Problem ist heikel, denn wir werden ihm nicht nur hier gegenüberstehen. Atlan hat auf vielen Welten Cyborgs abgesetzt, und wenn dort ähnliche Reaktionen stattfanden ...« Den Rest ließ er offen.

Einige hundert Meter vor der ersten Stromschnelle, hinter der Neutrons Stamm in den Höhlen wohnte, führte eine Holzbrücke über den Fluss. Helium erreichte sie gegen Mitternacht und schickte einen Boten zu Neutron. Der Führer der Höhlenbewohner erschien eine halbe Stunde später. Helium unterrichtete ihn und fragte: »Was sollen wir tun? Die Menschen wollen, dass wir Wonderfalg verlassen. Gehorchen wir ihnen?«

»Natürlich nicht, Helium, denn wir sind Wonderfalger. Sie sind die Fremden, und wir werden sie zwingen, uns zu verlassen. Ich helfe dir dabei. Wir haben nichts mehr mit ihnen zu schaffen.«

»Sie haben Waffen ...«

»Wir haben uns!«, erwiderte Neutron zuversichtlich. »Nimm sie gefangen, schnell und überraschend, ehe sie etwas ahnen. Töte sie nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Dann tauschen wir sie gegen unsere Freiheit ein. Ich weiß, das ist Rebellion gegen die Schöpfer, aber wir haben keine andere Wahl, wenn wir unser Ziel erreichen wollen. Sie müssen begreifen, dass wir ihnen ebenbürtig sind.«

»Gut, Neutron, ich stimme dir zu. Morgen früh werde ich sie gefangen nehmen. Sie sind ahnungslos. Wirst du zu uns kommen, sobald die Sonne aufgegangen ist?«

»Wir werden alle kommen«, versprach Neutron.

Helium kehrte zu den Hütten zurück, um noch einige Stunden zu schlafen. Er wusste, dass mit dem neuen Tag eine wichtige Entscheidung fallen würde. Die wichtigste seit seiner »Geburt« ...

Dr. Huan und Smithern diskutierten noch lange über das Verhalten der Cyborgs, das nur einem ausgeprägten Minderwertigkeitskomplex entstammen konnte.

»Wenn wir sie zwingen, Wonderfalg zu verlassen, gibt es eine Katastrophe«, versicherte Huan. »Zumindest sind sie dann für uns wertlos, denn sie werden eine solche Niederlage niemals verwinden können. Ihr Stolz wäre verletzt.«

»Wir dürfen aber auch nicht nachgeben«, wandte Leutnant Gene ein, der die Unterhaltung bislang nur schweigend verfolgt hatte. »Das wäre ein noch größerer Fehler. Wir müssen ihnen zeigen, dass wir bestimmen, was geschieht!«

»Aber keinesfalls mit Gewalt!«, widersprach Smithern energisch.

»Wie denn?«