Perry Rhodan-Paket 12: Der Schwarm (Teil 2) / Die Altmutanten -  - E-Book

Perry Rhodan-Paket 12: Der Schwarm (Teil 2) / Die Altmutanten E-Book

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Beschreibung

Ein kosmisches Gebilde bedroht die Zivilisationen der Milchstraße: Es ist der Schwarm, eine Ansammlung aus Tausenden von Sonnen und Planeten, der von einem Schmiegeschirm umgeben ist. Anscheinend reist der Schwarm seit Äonen durch das Universum. Eine Strahlungswelle eilt dem Gebilde voraus, die den Intelligenzen der Milchstraße den Verstand raubt. Nur wenige erweisen sich als immun, darunter Perry Rhodan. Bei ihren Einsätzen gegen die Invasoren erfahren die Terraner mehr über den Schwarm, seine Geschichte und seine Bewohner. Doch alles Engagement nützt nichts - die Übermacht des Schwarms ist zu groß. Bald tobt eine erbitterte Schlacht um die Heimat der Menschen. In dieser hoffnungslos erscheinenden Lage taucht ein sogenannter Cyno auf und bricht sein Schweigen. Der Angehörige eines uralten Volkes weist Perry Rhodan den Weg zur Macht über den Schwarm ...

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Nr. 550

Rückkehr ins Jahr 2000

Die kosmische Falle ist vorbereitet – das Solsystem wird geschluckt

von H. G. EWERS

Auf Terra und den anderen Menschheitswelten schreibt man Ende August des Jahres 3442.

Perry Rhodan hat den Sternenschwarm längst verlassen und ist mit der MARCO POLO zur Erde zurückgekehrt.

Und das gerade noch rechtzeitig! Denn lebenswichtige Aufgaben erwarten ihn und seine Männer im Solsystem – zu einer Zeit, da der Schwarm sich offensichtlich anschickt, das Muttersystem der Menschheit in sein Gefüge aufzunehmen.

Der Großadministrator kann eine solche Aktion des Gegners nicht verhindern. Er kann auch die Reparaturarbeiten an den Paratronschirmprojektoranlagen, die durch das unheilvolle Wirken des Homo superior teilweise beschädigt wurden, nicht noch weiter beschleunigen, weil ohnehin alles Menschenmögliche zum baldigen Schutz des Solsystems getan wird.

Was Perry Rhodan jedoch in die Wege zu leiten vermag – selbst gegen eine starke Opposition in den eigenen Reihen – ist folgendes: Ein gigantischer Bluff wird gestartet, der die gegnerischen Beobachter zu falschen Schlüssen kommen lassen soll.

Und dieser Bluff gipfelt in der RÜCKKEHR INS JAHR 2000 ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Großadministrator startet einen gigantischen Bluff.

Cuno Promax – Ein »Menschenschmuggler«.

Orana Sestore – Eine schöne Frau von Albemarl.

Dalaimoc Rorvic – Chef des CYD-Kommandos.

Tatcher a Hainu – Rorvics »spezieller« Freund.

Atlan

Menschliches Selbstbewusstsein ist stärker als maschinelle Logik, weil es die Logik anwenden und ihre jeweiligen formalen Systeme benutzen oder verwerfen kann.

Aus »Maschinenlogik« von Wjatscheslaw Schwetschenko (Fakultät für Elektronik des Leningrader Elektrotechnischen Instituts), Planet Erde, 20. Jahrhundert.

1.

Das Objekt besaß die ungefähre Form eines terranischen Zitterrochens, nur war es erheblich größer – und es war kein Zitterrochen. Es war überhaupt kein Lebewesen, sondern ein so genanntes Manipulatorschiff.

Der Manip, wie man diesen Schiffstyp aus dem Schwarm bei den Menschen nannte, war vor dreißig Sekunden im Solsystem aufgetaucht und trieb im freien Fall auf den Planeten Mars zu.

In Imperium-Alpha, der Zentrale der Solaren Heimatverteidigung, wurde vom Hauptcomputer ein seit einiger Zeit eingegebenes Programm aktiviert.

Hyper-D-Stille!

Das bedeutete, alle Maschinen, die dimensional übergeordnete Energie produzierten, wurden innerhalb von Sekunden mittels Fernschaltung desaktiviert. Dazu benötigte man zwar ebenfalls dimensional übergeordnete Energie, aber da man die großen Entfernungen mit Hilfe von Dakkarkomen überbrückte, durfte man hoffen, dass diese Aktivität nicht bemerkt wurde. Bisher jedenfalls war kein Fall bekannt geworden, dass Schwarmschiffe primäre Dakkarenergie angemessen hätten.

Dennoch gab es zahlreiche Fehlerquellen, die von den wenigen Immunen innerhalb des Solsystems bisher nicht hatten beseitigt werden können – und der Mann in der Hauptbefehlszentrale von Imperium-Alpha wusste das genau.

Perry Rhodan verfolgte angespannt die über Dakkarkome einlaufenden Meldungen. Es waren nicht viele, denn noch war die terranische Produktionsquote an Dakkarkomgeräten geradezu lächerlich gering. Die Verdummung hatte der Auswertung fremder Erfindungen große Hindernisse in den Weg gelegt, wenn sie sie nicht völlig verhinderte.

Ein zweiter Mann, von etwa gleicher Statur wie der Großadministrator, aber mit schulterlangem weißem Haar und rötlichen Augäpfeln, stieg aus einer der Röhren des Pneumolifts, ging zwischen den vor ihren Kontrollen sitzenden Leitoffizieren durch und blieb vor Rhodan stehen: Atlan, ehemaliger Imperator von Arkon und jetzt Regierender Lordadmiral der größtenteils lahmgelegten USO.

»Warum lässt du den Manip nicht gleich abschießen, Perry?«, fragte der Arkonide.

Perry Rhodan wandte den Kopf und blickte seinen Freund nachdenklich an.

»Weil dazu immer noch Zeit ist, wenn die Hyper-D-Stille gebrochen wird, Atlan. Außerdem würden sich die Beherrscher des Schwarms dafür interessieren, was ihrem Manip zustieß, als er dieses Sonnensystem untersuchte.«

Bevor Atlan etwas darauf erwidern konnte, erscholl aus einem der Dakkarkome die unverkennbare polternde Stimme von Staatsmarschall Reginald Bull. Rhodans Stellvertreter befand sich zur Zeit auf dem Mars.

»Beinahe wäre die Hyper-D-Stille durchbrochen worden, Perry«, meldete er. »Eine Streife entdeckte am Rand von Marsport einen Halbintelligenten, der mit einem gefundenen Minikom spielte. Sie konnte ihm das Gerät wegnehmen, bevor er es einschaltete, aber wenn ich daran denke, dass ähnliche Vorfälle jeden Moment geschehen können und dass nicht immer eine Streife rechtzeitig zur Stelle sein wird ...«

»Wir müssen die Nerven behalten, Bully«, entgegnete Rhodan ruhig.

Reginald Bull holte erregt Luft und fuhr fort: »Eben wünschte ich mir, der Verdummungsgrad hätte sich nicht verringert. Wir sitzen wie auf einem durchgehenden Reaktor. Ich werde das Rochenschiff jedenfalls nicht näher als bis auf 100.000 Kilometer an Mars heranlassen. Hoffentlich ortet es die subplanetarischen Abwehrforts nicht schon früher.«

»Hoffentlich ist es nicht hier, weil es schon von weit außerhalb die hyperdimensionalen Energieemissionen angemessen hat, die vom Solsystem ausgingen«, meinte Atlan ernst. »Du spielst ein gefährliches Spiel, Perry.«

Bull lachte grimmig.

»Alle Rhodan-Spiele sind gefährlich, Atlan.«

»Aber ohne sie existierte die solare Menschheit seit anderthalb Jahrtausenden nicht mehr«, erklärte der Großadministrator. »Bully, halte die Ohren steif. Ende.«

Er schaltete ab, aktivierte einen anderen Dakkarkom und stellte eine Verbindung mit dem Mutantenkommando her. Der Mausbiber Gucky meldete sich von Bord des CYD-Spezialschiffes BUTTERFLY, das nach verschiedenen Umbauten und Reparaturen in einem Tiefhangar auf Luna stand.

»Ich weiß Bescheid, Perry«, erklärte der Ilt. »Sobald es im HD-Bereich auch nur Pieps macht, lege ich dem Weltraumrochen ein heißes Ei in die Eingeweide.«

Rhodan verzog das Gesicht.

»Du sollst nicht ...«

»Vielleicht soll ich nicht«, unterbrach Gucky ihn, »aber ich kann – und mich kann jeder ...«

»Gucky!«, sagte Rhodan mahnend.

»Bitte, unterbrich mich nicht immer, Großadministrator«, schimpfte der Mausbiber. »Das kann zu den größten Missverständnissen führen. Ich hatte sagen wollen, mich kann jeder verstehen, der sich noch einen Funken Humor bewahrt hat.«

Der Terraner lächelte, wurde aber gleich wieder ernst.

»Schon gut, Kleiner, ich hatte mich eigentlich nur davon überzeugen wollen, dass du auf deinem Posten bist. Befindet sich CYD-Commander Rorvic an Bord der BUTTERFLY?«

»Ja und nein, Perry. Das heißt, er ist zwar körperlich anwesend, geistig aber weggetreten, wenn du verstehst, was ich meine.«

»Mit einiger Mühe kann sogar ich dir folgen, Kleiner«, sagte Rhodan sarkastisch. »Bis später.«

Er unterbrach die Verbindung und wandte sich wieder an Lordadmiral Atlan.

»Es wird höchste Zeit, dass die Hundertsonnenwelt uns die versprochenen 100.000 GrIko-Netze liefert, damit wir genügend Immune zur Besetzung der Heimatflotte und der wichtigsten Basen bekommen. Eigentlich sollte unser Kurier schon gestern dort draußen angekommen sein. Wen hast du eigentlich geschickt, Atlan?«

»Einen Captain Promax aus dem bunt zusammengewürfelten Haufen, der sich stolz Allround-Command nennt.«

Perry wölbte die Brauen.

»Captain Promax? Etwa Cuno Promax, den Metabo-Künstler?«

Der Arkonide lächelte flüchtig.

»Richtig. Cuno Promax, Duxant und Metabo-Künstler, wegen Menschenschmuggel vor drei Jahren für fünf Jahre nach Carlotta geschickt, nach Verdummungseintritt immun geblieben und mit einem Raumschiff des Wachkommandos geflohen, zur Erde geflogen und sich freiwillig beim Flottenkommando gemeldet.«

»Ja, ich erinnere mich an den Mann«, erwiderte Rhodan. »Deighton und Mike stellten ihn mir kurz vor. Er sah grau und unscheinbar aus. Er wurde wegen Menschenschmuggel verurteilt?«

»Nun, eigentlich hat er nur Tefrodern dabei geholfen, sie von der galaktischen Eastside ins Hoheitsgebiet des Solaren Imperiums einzuschleusen, sie mit falschen Pässen auszustatten und ihnen Arbeitsstellen zu vermitteln. Das ist natürlich gesetzwidrig, aber genau betrachtet, hat Promax niemandem geschadet.«

»Früher hätten wir härter über ihn geurteilt«, sagte Rhodan leise. »Ich glaube, der Schwarm hat uns geläutert. Viele Dinge sehen heute anders aus als ehedem.«

Er hob den Kopf, als der Interkommelder summte. Mit einem Blick aktivierte er das auf normalenergetischer Basis arbeitende Gerät. Im Trivideokubus tauchte das Bild eines Offiziers der Ortungszentrale von Imperium-Alpha auf.

»Erde wird von einem Pararaum-Richtstrahl getroffen, Sir«, meldete der Offizier. »Herkunft offenbar aus Schwarmkopfnähe. Abnahme wegen Hyper-D-Stille nicht möglich. Was sollen wir tun?«

»Das könnte eine Nachricht von Oberst Pontonac sein«, überlegte der Großadministrator. Oberst Edmond Pontonac war mit dem Kreuzer GOOD HOPE II in der Nähe des Schwarmkopfes stationiert, um die Vorbereitungen der erwarteten Massentransition rechtzeitig zu erkennen.

»Vielleicht ist der Schwarm schon gesprungen«, warf Atlan ein. »Hoffentlich verschwindet der Manip bald, damit wir Verbindung mit Pontonac bekommen.«

Perry nickte, dann blickte er zum Interkomschirm.

»Wir holen die Hyperkomimpulse nicht auf die normalenergetische Ebene zurück«, entschied er. »Jedenfalls nicht, solange der Manip sich innerhalb des Solsystems aufhält.«

Er ging zum nächsten Versorgungsautomaten und tastete sich einen Espresso. In einer der schmalen, schall- und lichtgeschützten Pausennischen lehnend, schlürfte er das starke heiße Getränk aus bestem terranischen Kaffee. Dabei schweiften seine Gedanken zur Hundertsonnenwelt der Posbis ab, auf der sich Professor Geoffry Abel Waringer und Professor Mart Hung-Chuin seit etwas über drei Wochen fieberhaft darum bemühten, mindestens 100.000 GrIko-Netze produzieren und nach Terra schicken zu lassen.

GrIko-Netze – mit vollem Namen »Gravokonstante-Intelligenzkorrektur-Netze« – waren Anti-Verdummungsgeräte, die die vom Schwarm verringerte galaktische Gravitationskonstante für ihre Träger wieder aufstockten, wodurch die Ursache der Verdummung und damit die Verdummung selbst aufgehoben wurde. Es hatte sich als nicht unproblematisch erwiesen, Menschen mit solchen Netzen auszustatten. Ungefähr vierzig von hundert Personen reagierten negativ darauf; sie liefen entweder Amok, verfielen in Depression oder völlige Teilnahmslosigkeit oder erlebten das, was man »das zweite Gesicht« nannte. Aber das musste man eben riskieren, wenn man den künftigen Ereignissen halbwegs gewappnet entgegentreten wollte. Außerdem ließ sich das Risiko für die GrIko-Träger und ihre Umwelt dadurch verringern, dass man sie so lange beobachtete, bis man ihre Reaktion entweder als negativ erkannte und ihnen das Netz wieder abnahm oder bis man sicher war, dass sie positiv darauf reagierten.

Das schrille Summen seines Armbandtelekoms riss Perry aus seinen Gedanken und aus seiner relativen Abschirmung. Er winkelte den Arm an.

»Rhodan.«

»Hier Atlan. Manip nimmt Anlauf zur Transition, will wahrscheinlich das Solsystem verlassen.«

»Ich komme.«

Der Großadministrator verließ die Pausennische, stellte die Tasse auf die Rückgabeplatte und begab sich wieder zu seinem Platz. Eine der Großortungsstationen auf Mars gab laufend die Positionsdaten des Manipulatorschiffes durch. Es war unverkennbar, dass es zu einer Transition ansetzte – und fünf Minuten später war es aus dem vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum verschwunden.

Im nächsten Augenblick stellte Perry Rhodan die Interkomverbindung zur Funkzentrale von Imperium-Alpha durch und befahl, den Pararaum-Richtstrahl ins Normalkontinuum zu transformieren, sofern er noch stand.

Der Cheffunker bestätigte.

Kurz darauf teilte er dem Großadministrator mit, der Pararaum-Richtstrahl wäre transformiert worden. Es hätte sich um eine gerichtete Hyperkomsendung gehandelt, die von der GOOD HOPE II aus über die Verstärkerschiff-Kette gegangen sei.

Als er die Meldung verlas, sahen alle Anwesenden von ihren Kontrollpulten auf.

Oberst Edmond Pontonac teilte mit, der Schwarm wäre in einer gewaltigen Massentransition um viertausend Lichtjahre tiefer in die Milchstraße gesprungen.

Perry Rhodan nahm die Sprungdaten mit undurchdringlichem Gesicht entgegen und gab sie sofort an die Hauptpositronik von Imperium-Alpha weiter. Er brauchte nur Sekunden auf das Ergebnis zu warten, denn ihn interessierte zur Zeit nur eine Frage, und die Antwort darauf ließ sich relativ leicht errechnen.

Die Hauptpositronik teilte mit, aus den beiden früheren Transitionen und der letzten ließe sich nur eine denkbare Verlängerung des Kurses berechnen, jene, die genau auf das Solsystem zeigte ...

*

Die LOVELY LUCIFER stürzte als kosmischer Feuerwerkskörper in den Normalraum zurück. Captain Cuno Promax lag hilflos in seinem zurückgeklappten Kontursessel, von der transparenten Energiekuppel über ihm sowohl geschützt als auch am Handeln gehindert.

Er konnte nur darauf hoffen, dass die robotischen Elemente der LOVELY LUCIFER allein mit den Kurzschlüssen, Schwelbränden – und was sonst noch angerichtet worden war, fertig werden würden.

Cuno verwünschte sein Pech, dass ein beinahe absolut unwahrscheinlicher Fall ausgerechnet ihm zugestoßen war. Er hatte sich bereits außerhalb der heimatlichen Milchstraße befunden, und die Positroniken seines Schiffes waren dabei gewesen, die letzte – und längste – Linearetappe in Richtung Hundertsonnenwelt an Hand der Orientierungsdaten zu überprüfen, als um die LOVELY LUCIFER herum plötzlich sechzehn Kugelgebilde vom Typ Superschlachtschiff materialisiert waren.

Bevor die LOVELY LUCIFER reagieren konnte, hatten die Superschlachtschiffe das Feuer aus schweren Impulsgeschützen und Desintegratoren eröffnet. Der Paratronschirm hatte dem Beschuss standgehalten, bis der Angreifer Gravitationsbomben einsetzte. Gravitationsbomben waren fünfdimensionale Energiewaffen, die Materie aus dem Gefüge des vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums herauslösten. Sie wurden in Form lichtschneller Spiralfelder verschossen.

Nun hätte der Paratronschirm dem Gravitationsbombenbeschuss von ein oder zwei Superschlachtschiffen sicher widerstanden, aber nicht dem von sechzehn. Als die Paratronprojektoren, durchschlugen, aktivierte die LOVELY LUCIFER ihr Linearprogramm und verschwand aus dem Normalraum, bevor die Gravitationsbomben das besorgten. Doch einige der überlasteten Paratronprojektoren hatten Hochenergieschocks erzeugt, die ihrerseits andere Aggregate beschädigten und vor allem die Steuerungselemente der Energie-Freileiter in Mitleidenschaft zogen.

Captain Promax spannte sich innerlich an, als die Energieglocke über ihm erlosch. Das konnte zweierlei bedeuten: Entweder war die unmittelbare Gefahr beseitigt – oder sie hatte überhand genommen.

Eine Automatenstimme verschaffte ihm Gewissheit.

»Hauptpositronik an Captain Promax«, schnarrte die Stimme. »Die unmittelbaren Gefahren sind abgewendet, aber das Schiff verfügt über keinen funktionsfähigen Linearantrieb mehr. Nach den Berechnungen befinden wir uns siebenhundert Lichtjahre von der Hundertsonnenwelt entfernt. Nach Objektivzeit benötigten wir demnach für den Flug zur Hundertsonnenwelt siebenhundert Standardjahre plus Beschleunigung und Verzögerung. Dabei könnte die Subjektivzeit durch Dilatation auf ein Minimum verkürzt werden. Ich bitte um Entscheidung.«

Cuno Promax richtete sich ächzend auf. Sein Blick fiel auf einen inaktiven Bildschirm, in dem sein Oberkörper sich spiegelte. Cuno sah ein schmales, faltiges Gesicht von hellgrauer Färbung, das von dünnen farblosen Haarsträhnen umrahmt wurde. Die Mundwinkel hingen nach unten.

»Du widerst mich an, Cuno«, sagte Cuno. »Aber dagegen kann man etwas tun.«

Er konzentrierte sich – und wenige Minuten später sah ihm aus dem Bildschirm ein braungebranntes jugendliches Gesicht mit energischen Zügen und braunem Lockenhaar entgegen.

»Schon besser«, stellte Cuno Promax fest. »Hauptpositronik, hörst du mich?«

»Ja, Sir«, antwortete die Automatenstimme.

Captain Promax nickte zufrieden.

»Entscheidung über Dilatationsflug wird zurückgestellt«, entschied er. »Vorrang hat die Beantwortung der Frage, wem die angreifenden Superschlachtschiffe gehören und weshalb sie uns angegriffen haben. Ich bitte um Information.«

Er wartete gespannt. Die LOVELY LUCIFER war ein nachträglich auf vollrobotische Aktion umgebauter Leichter Kreuzer der Städteklasse, ein Typ, den man auch »Schneller Kreuzer« nannte. Nach dem Umbau wäre die Bezeichnung Robotschiff treffend gewesen, aber da so etwas der menschlichen Mentalität widerstrebte, war die Bezeichnung »Leichter Kreuzer der GOLEM-Klasse« aufgekommen.

»Information!«, meldete die Hauptpositronik. »Die angreifenden Superschlachtschiffe waren mit 93,81 Prozent Wahrscheinlichkeit Robotschiffe des Großen Imperiums von Arkon, wofür unter anderem die Anwendung von Gravitationsbomben spricht. Da die Robotschiffe Arkons keine Organikzusätze haben, dürften sie niemals unmittelbar unter der Verdummung gelitten haben. Ihre aggressive Handlungsweise dagegen scheint darauf hinzudeuten, dass verbrecherische immune oder halbverdummte normale Personen sich das Kommando über die betreffenden Robotschiffe angeeignet haben. Ende.«

Cuno Promax seufzte.

»Aber was hatten diese Schiffe ausgerechnet außerhalb der Milchstraße zu suchen?«

»Es liegen zu wenig Informationen vor, um diese Frage auch nur teilweise beantworten zu können, Sir«, entgegnete die Positronik. »Würden Sie bitte hinsichtlich des Flugzieles eine Entscheidung treffen, Sir!«

»Das ist nicht so einfach«, entgegnete Promax. »Vor allem dann nicht, wenn du weiterhin auf mich einredest. Lass mir Zeit, dann wird mir schon etwas einfallen.«

Er schnallte sich los, ging zum Versorgungsautomaten und tastete sich einen Gemüsesaft-Cocktail. Als der Becher in seine Hand glitt, ließ er ihn mit überraschtem Schrei los; er war beinahe glühend heiß gewesen. Offensichtlich hatte auch die Versorgungsautomatik Schaden genommen.

Nachdem Cuno Promax es mit Kaffee und danach mit Mineralwasser versucht hatte – wobei der Kaffee einen Ölfilm trug und das Mineralwasser in Form von Eiskristallen kam – tastete er einen dreifachen Whisky. Diese Anforderung löste eine Rückfrage der Hauptpositronik über den Verwendungszweck des Alkohols aus, die der Duxant dahingehend beantwortete, dass er den Whisky für medizinische Zwecke benötigte. Daraufhin wurde tatsächlich einwandfreier Whisky geliefert, wenn auch nur das synthetische Erzeugnis, das an Bord der Einheiten der Solaren Flotte mitgeführt wurde.

Cuno trank den Whisky langsam und mit geschlossenen Augen. Er genoss die angenehme Wärme, die sich in seinem Körper ausbreitete.

Leider konnte er sie nicht lange genießen, denn plötzlich wurden die Fusionskraftwerke abrupt hochgefahren, Schotte knallten zu und die Automatenstimme der Hauptpositronik sagte: »Achtung, Alarmstufe Gelb! Soeben tauchten fünfundzwanzig walzenförmige Großraumschiffe aus dem Überraum kommend in siebzig Millionen Kilometern Entfernung auf. Ich habe die Sicherheitsvorkehrungen der Alarmstufe Gelb eingeleitet.«

»Walzenschiffe?«, fragte Promax mit belegter Stimme, während er den Whiskybecher in den Abfallvernichter warf. »Etwa Springer oder Überschwere?«

»Diese Möglichkeiten müssen ausgeschlossen werden, Sir. Nach den Ortungsdaten kann es sich nur um maahksche Großkampfschiffe handeln.«

»Maahks?«, entfuhr es Promax.

»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Sir«, erklärte die Hauptpositronik. »Es handelt sich um walzenförmige Raumschiffe von 2500 Metern Länge und 650 Metern Durchmesser, also um Vertreter des größten bisher bekannten maahkschen Kriegsschifftyps. Die georteten Energiemuster bestätigen das.«

Cuno Promax hörte nur mit halbem Ohr zu. In seinem Gehirn jagten sich die Gedanken. Er kam zu dem Schluss, dass die Maahks ja irgendwann einmal hatten auftauchen müssen. Sie unterhielten diplomatische Beziehungen zum Solaren Imperium – und auch andere Kontakte. Diese Kontakte aber waren seit dem Eintritt der galaxisweiten Verdummung, also seit dem 29. November 3440, 0.23.00 Uhr Standardzeit, abgebrochen.

Der Duxant fragte sich, warum so wenig Menschen bisher daran gedacht hatten, dass die Maahks sich auf jeden Fall darum kümmern würden, aus welchem Grund die Kontakte zur solaren Menschheit abgebrochen waren.

Aber warum hatte bisher niemand etwas von Nachforschungen der Wasserstoffatmer gehört?

Ein neuer Gedanke kam Cuno.

»Gibt es Anzeichen dafür, wohin die Maahks sich zu wenden gedenken?«, fragte er.

»Der Anlaufkurs ist exakt auf die Hundertsonnenwelt gerichtet, Sir«, antwortete die Hauptpositronik, »aber das beweist natürlich bei einer Entfernung von siebenhundert Lichtjahren nichts. Soll ich versuchen, Kontakt aufzunehmen?«

Captain Promax antwortete nicht gleich. Er scheute vor einer Begegnung mit Maahks zurück, denn er wusste, dass den maahkschen Behörden damals seine illegale Einschleusung tefrodischer Auswanderer ins Solare Imperium bekannt geworden war. Da dieser Handel sich störend auf die maahksche Politik in Andromeda ausgewirkt hatte, musste Promax mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen.

Aber er hatte einen Auftrag zu erfüllen, von dem für die solare Menschheit sehr viel abhing. Aus eigener Kraft würde er den Auftrag nicht erledigen können, folglich musste er das Risiko eingehen, dass die Maahks ihn als den »Menschenhändler« Promax identifizierten und sein Status als Captain des Allround-Commands der Solaren Flotte ihn nicht schützte.

Er verschaffte sich mit einem Kraftausdruck Luft, dann wies er die Hauptpositronik an, die Maahks per Hyperkom anzurufen.

»Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich zuerst einen Identifizierungsimpuls senden, Sir«, erwiderte die Positronik. »Die Maahks haben nämlich insgesamt dreißig 5-Mann-Beiboote ausgeschickt, die soeben in unserem Rücken in den Normalraum zurückgekehrt sind und auf Angriffskurs gehen.«

»Natürlich habe ich nichts dagegen!«, sagte Promax hastig. Seine Stirn bedeckte sich mit Schweiß. »Du hättest die Beiboote schon beim Ausschleusen entdecken müssen.«

»Das war leider nicht möglich, Sir. Die Maahks nahmen das Manöver im relativistischen Geschwindigkeitsbereich vor, also während ihrer Anlaufphase für den Überlichtflug. Übrigens verzögern die fünfundzwanzig Großkampfschiffe wieder.«

Cuno wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn. Dabei merkte er, dass seine Finger zitterten.

»Unternimm etwas, bevor man uns aus dem Universum bläst!«, befahl er. »Mit Maahks ist nicht zu spaßen. Hast du immer noch keinen Kontakt ...«

»Kontakt!«, unterbrach die Positronik ihn. »Beiboote drehen bei. Ein Maahk mit der Bezeichnung Grek-125 will Sie sprechen, Sir. Der Translator ist dazwischengeschaltet.«

Im nächsten Augenblick erhellte sich der Trivideokubus des Hyperfunkgeräts. Das dreidimensionale farbige Abbild eines Maahks entstand. Der Wasserstoffatmer trug einen leichten Raumanzug und hatte den Helm geöffnet, so dass sein sichelförmiger Kopfwulst deutlich zu sehen war. Die vier runden grünschillernden Augen auf dem Wulstgrat blickten Cuno interessiert an.

Cuno Promax salutierte leger und sagte: »Hier Captain Promax von der Flotte des Solaren Imperiums. Ich bitte darum, Ihren Grek-1 sprechen zu dürfen.« Da der jeweils ranghöchste Maahk stets Grek-1 hieß; musste logischerweise der Kommandeur des Schiffsverbandes auch Grek-1 heißen.

»Was wünschen Sie von Grek-1, Captain Promax?«, fragte der Maahk. »Und was führt Sie in diesen Raumsektor?«

»Ich werde Grek-1 selber sagen, was ich von ihm wünsche«, erklärte Promax kühl, »und Ihre zweite Frage weise ich zurück, denn ich befinde mich nicht in Ihrem Hoheitsgebiet. Außerdem protestiere ich schärfstens dagegen, dass dreißig Ihrer Beiboote sich meinem Schiff auf Angriffskurs genähert hatten.«

»Der Anflug unserer Beiboote war eine rein präventive Maßnahme«, gab Grek-125 zurück. »Aber Sie können Grek-1 nicht sprechen, da Sie nur Captain sind. Rangmäßig befinden Sie sich damit auf einer vergleichsweise erheblich niedrigeren Stufe. Grek-1 wäre allerdings bereit, mit dem Kommandanten Ihres Schiffes persönlich zu verhandeln.«

Cuno lächelte ironisch.

»Der Kommandant bin ich, Grek-125.«

»Sie sind der Kommandant? Ich verstehe. Wegen der Verdummung hat man keinen besseren Kosmonauten gehabt. Ihr Schiff ist ein so genannter Schneller Kreuzer. Wieviel Immune haben Sie an Bord?«

»Hier sind nur Immune«, erwiderte Cuno Promax grinsend. »Dürfte ich nun Ihren Grek-1 sprechen?«

»Ich schalte um zu Grek-1«, sagte der Maahk.

Die dreidimensionale Abbildung verschwand und machte einer anderen Platz. Captain Promax sah einen überdurchschnittlich großen Maahk in buntschillernder Uniform, der auf einem wuchtigen Kontursessel saß.

»Ich grüße Sie, Captain!«, sagte der Maahk. »Unsere Computer haben errechnet, dass Sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit in Raumnot befinden. Können wir Ihnen irgendwie helfen?«

Cuno atmete auf. Grek-1 schien ein sehr verständnisvolles Wesen zu sein.

»Ich denke schon, Grek-1«, antwortete er. »Die LOVELY LUCIFER wurde beim letzten Orientierungsmanöver von arkonidischen Robotraumschiffen angegriffen und überlichtuntauglich geschossen. Ich war auf dem Weg nach der Hundertsonnenwelt der Posbis, um eine wichtige Botschaft des Großadministrators zu bringen. Wenn Sie mich zur Hundertsonnenwelt bringen könnten, wäre Ihnen das Solare Imperium zu Dank verpflichtet.«

»Das lässt sich einrichten, Captain«, sagte der Maahk. »Wir befinden uns nämlich ebenfalls auf dem Weg zur Hundertsonnenwelt. Ich werde Sie von zwei meiner Schiffe in die Mitte nehmen lassen. So brauchen Sie nicht auf eines meiner Schiffe umzusteigen, sondern können sich ohne Raumanzug in Ihrer gewohnten Atmosphäre aufhalten.«

»Das würde mir nichts ausmachen«, versicherte Promax.

»Da irren Sie sich, Captain Cuno Promax«, entgegnete der Maahk. »Ich bin nämlich gehalten, Sie unverzüglich festnehmen zu lassen, sobald Sie maahksches Hoheitsgebiet betreten – und unsere Raumschiffe sind maahksches Hoheitsgebiet.«

»Natürlich«, sagte Promax verlegen. »Vielen Dank jedenfalls für Ihr Entgegenkommen. Ich nehme Ihr Angebot an. Aber dürfte ich vielleicht erfahren, was Sie bei der Hundertsonnenwelt zu tun haben, Grek-1?«

»Selbstverständlich«, erwiderte Grek-1 und schaltete ab.

Cuno Promax rieb sich das Kinn, während er darüber nachdachte, ob die letzte Antwort des Maahks von Humor oder dessen Fehlen zeuge. Er kam zu dem Schluss, dass die Entscheidung für oder wider das Vorhandensein maahkschen Humors pauschal und daher unzulässig wäre, war sich jedoch sicher, dass jenes »Selbstverständlich« rein sachlich zu verstehen sei und aussagte, dass er, Captain Promax, durchaus erfahren dürfe, was die fünfundzwanzig Großraumschiffe der Maahks bei der Hundertsonnenwelt zu tun hatten – und dass er es erfahren würde, wenn er tatsächlich danach fragte.

Die Mentalität von Maahks unterschied sich ebenfalls in vielen Dingen von der der Menschen, wenn auch nicht in allen, was ebenfalls durch Grek-1 bewiesen worden war.

Cuno zuckte die Schultern, tastete sich noch einen Whisky und setzte sich dann vor die Kontrollen, um Verbindung mit den Kommandanten der beiden Walzenschiffe aufzunehmen, die die LOVELY LUCIFER abschleppen sollten.

Knapp drei Stunden später jagte der Kreuzer zwischen den beiden Walzenschiffen und mitten im Pulk der Maahks auf jenen Punkt im intergalaktischen Raum zu, an dem die Überlichtfahrt beginnen sollte.

*

Captain Cuno Promax nickte dem Trivideobild des Mannes zu, der in seinem Hyperkom-Trivideo erschienen war.

»Ich grüße Sie, Professor Waringer. Der Großadministrator schickt mich mit einer Botschaft für Sie. Die Maahks waren so freundlich, mich und mein beschädigtes Schiff mit nach der Hundertsonnenwelt zu nehmen.«

Es war Geoffry Abel Waringer nicht anzusehen, ob ihn Cunos Eröffnung überraschte. Der Hyperphysiker lächelte verlegen, wie es seine Art war.

»Da die Maahks mit fünfundzwanzig Großraumschiffen gekommen sind, nehme ich an, die Hundertsonnenwelt war schon vor der Begegnung mit Ihnen ihr Ziel. Können Sie mir sagen, was die Maahks hier wollen, Captain?«

Cuno Promax verzog das Gesicht.

»Das habe ich die Maahks mehrmals gefragt, Professor. Sie antworteten jedes Mal, dass sie es mir sagen könnten – aber sie sagten es mir nicht. Vielleicht haben Sie mehr Erfolg bei ihnen, es sei denn, Sie würden ebenfalls von der maahkschen Justiz steckbrieflich gesucht wie ich.«

»Wie Sie ...?«

Cuno seufzte.

»Vor der Verdummung verdiente ich meinen Lebensunterhalt damit, aus Andromeda emigrierte Tefroder, mit falschen Pässen versehen, ins Solare Imperium einzuschmuggeln und ihnen Arbeit zu verschaffen. Die Maahks sahen das nicht gern, weil sie befürchteten, als solare Bürger getarnte Tefroder könnten Einfluss auf die solare Politik nehmen und irgendwann zum Krieg gegen die Wasserstoffatmer treiben. Die solare Bürokratie dagegen nahm mir hauptsächlich die formellen Verstöße gegen veraltete Gesetze übel. Ich wurde für fünf Jahre nach Carlotta verschickt, konnte nach dem Eintritt der Verdummung fliehen und war so dumm, mich dem solaren Flottenkommando zur Verfügung zu stellen.«

Waringer runzelte die Stirn.

»Warum nennen Sie das dumm, Captain Promax? Ich denke, die Menschheit hat es verdient, dass man sich um sie bemüht.«

»Das denke ich auch, Professor, auch wenn ich keinen Grund dafür sehe, warum die Menschheit gerettet werden sollte.«

»Sie dürfen eben nicht zuviel nachdenken, Captain«, entgegnete Waringer ironisch. »Bitte, versuchen Sie den Grek-1 dieses maahkschen Verbandes dazu zu bewegen, eine Konferenzschaltung mit Ihnen und mir einzugehen.«

Promax nickte. Er gab der Hauptpositronik seines Schiffes einen entsprechenden Befehl. Kurz darauf vergrößerte sich der Trivideokubus des Hyperkoms scheinbar; Cuno gewann den Eindruck, als befände er sich plötzlich selber im Kubus – und säße Grek-1 und Professor Waringer unmittelbar gegenüber. Er kannte diesen gewollten Täuschungseffekt seit langem, dennoch faszinierte er ihn jedes Mal aufs neue. »Ich grüße Sie«, sagte der Maahk, nachdem Cuno ihm den Hyperphysiker vorgestellt hatte. Er sprach diesmal ein beinahe akzentloses Interkosmo. »Meine Regierung schickt mich mit einem kleinen Flottenverband, um den befreundeten Völkern des Solaren Imperiums im Kampf gegen den verdummenden Schwarm beizustehen.«

»Sie sind über den Schwarm und die durch ihn verursachte Verdummung informiert?«, fragte Waringer. Er beantwortete die Frage selbst. »Natürlich sind Sie informiert, Grek-1. Es war dumm von mir, anzunehmen, die Völker der Maahks hätten nicht zu ergründen versucht, aus welchem Grunde vor fast zwei Jahren Standardzeit die diplomatischen und wirtschaftlichen Kontakte zwischen Ihnen und uns abbrachen.«

»Dieser plötzliche Abbruch aller Kontakte gab uns ein gewaltiges Rätsel auf«, erklärte der Maahk. »Normalerweise hätten wenigstens einige unserer geheimen Beobachter melden müssen, was in der Menschheitsgalaxis vorging. Als sich auch nach geraumer Zeit niemand meldete, dachten wir logischerweise an eine Naturkatastrophe. Wir schickten ein Erkundungskommando über die Weltraumbahnhöfe in die Menschheitsgalaxis.

Die Angehörigen dieses Kommandos kehrten völlig verstört zurück. Sie berichteten, dass sie bei Annäherung an Ihre Galaxis einer rapiden Intelligenzminderung unterlegen wären. Der Grek-1 der Gruppe behielt seine Intelligenz gerade noch lange genug, um die Rückkehr-Programmierung zu aktivieren.«

Cuno nickte verstehend. Gerade für Maahks musste es schrecklich sein, von einer Minute zur anderen verdummt zu werden. Die Wasserstoffatmer aus Andromeda waren Lebewesen, die stärker als Menschen von logischem Denken beherrscht wurden. Bei Menschen übernahmen Instinkte und Emotionen die Lebens- und Arterhaltung, wenn der Intellekt geschädigt wurde; bei Maahks waren die unrationalen Antriebe zugunsten der rationalen Logik zu sehr geschwächt, um in die Bresche springen zu können.

»Daraufhin«, fuhr Grek-1 fort, »starteten wir unbemannte Erkundungsschiffe. Sie stellten fest, dass in der Menschheitsgalaxis ein grauenhaftes Chaos herrschte – und dass ein Riesengebilde von den Ausmaßen einer Kleingalaxis eingedrungen war. Aus aufgefangenen Hyperkomsendungen ging unter anderem hervor, dass die nicht verdummten Menschen das Gebilde DEN SCHWARM nannten. Die Tatsache, dass sich überall verdummungsimmune Menschen organisierten, ließ uns hoffen, dass es auch bei uns Personen gab, die von Natur aus immun waren.

Wir starteten neue Erkundungen. Diesmal verloren wir einige Raumschiffe samt Besatzungen, aber auf anderen Schiffen blieben mehrere Maahks immun.

Bei systematischen Versuchen stellten wir fest, dass die Altersgruppe zwischen zwanzig und vierzig Standardjahren eine Immunenquote von fünf Prozent aufwies. Wir bemannten Großraumschiffe mit Maahks jener Altersgruppe und schickten nach und nach viele Millionen Raumfahrer in die Randzone des Verdummungsbereichs. Dort wurden die Immunen ermittelt und bei ihrer Rückkehr zu Sonderkommandos zusammengefasst.«

»Das muss eine gewaltige Arbeit gewesen sein«, sagte Waringer. »Wir hatten im ersten Jahr nach Verdummungseintritt schon befürchtet, Andromeda wäre von einer ähnlichen Katastrophe heimgesucht worden wie unsere Galaxis, aber jetzt ist mir natürlich klar, dass Sie viel Zeit brauchten, um die Lage zu sondieren und genügend Immune auszusieben.«

»Wie viele Personen befinden sich auf Ihren Schiffen, Grek-1?«, fragte Cuno Promax.

»Hundertfünfundzwanzigtausend«, antwortete der Maahk. »Auf jedem Schiff fünftausend geschulte und trainierte Kämpfer. Außerdem führen wir Waffen und Ausrüstungen für jeden nur denkbaren Kampfeinsatz mit. Wir haben Befehl, unter der Regie des solaren Flottenkommandos mit höchstem Einsatz bis zur Vernichtung des Schwarms zu kämpfen.«

»Nicht so hastig!«, wehrte Geoffry Abel Waringer ab. »Wir wissen inzwischen mehr über den Schwarm als anfänglich. Es scheint so, als ob die negativen Wirkungen des Schwarms ihre Ursache in krankhaften Veränderungen innerhalb dieses Riesengebildes hätten. Wahrscheinlich wäre ein heilender Eingriff effektiver und weniger aufwendig als eine Vernichtung des Schwarms.«

Er blickte Captain Promax fragend an.

Cuno nickte.

»So ist es, Professor. Die neuesten Erkenntnisse deuten in diese Richtung.« Er räusperte sich. »Dürfte ich meinen Auftrag loswerden, Professor?«

»Sie sollen mir von Perry Rhodan ausrichten, ich möchte so schnell wie möglich die erste Sendung GrIko-Netze zum Solsystem schicken, nicht wahr?«

»Woher wissen Sie das?«

»Jeder Schulanfänger hätte sich das zusammenreimen können«, erwiderte Waringer, leicht verärgert. »Stellen Sie also nicht so dumme Fragen, Captain Promax.«

Cuno grinste respektlos.

»Ich möchte bloß wissen, weshalb der Großadministrator mich zu Ihnen geschickt hat, wo Sie doch offenbar alles wissen, ahnen oder sich denken können. Sie haben sich doch schon gedacht, dass Rhodan außerdem alle auf der Hundertsonnenwelt stationierten Kampfschiffe anfordert, oder?«

»Nein«, sagte Waringer eisig, »und ich fordere Sie hiermit auf, mir Rhodans Anweisungen ohne weitere Verzögerung vollständig zu übermitteln.«

»Das war bereits alles. Natürlich wünscht der Großadministrator, dass Sie die Schiffe mit qualifizierten Personen besetzen.«

Der Hyperphysiker dachte nach.

»Ich könnte etwa hundert Kampfschiffe in Marsch setzen und sie mit rund fünfzigtausend Personen bemannen, die einschlägige Erfahrungen besitzen. Allerdings frage ich mich, warum ich sie ins Solsystem schicken soll, wo wir froh waren, dass wir unter größten Anstrengungen hundertfünfzigtausend Menschen zur Hundertsonnenwelt verlegen konnten!«

Waringer wandte sich wieder an den Maahk.

»Wir werden selbstverständlich noch ein ausführliches Gespräch führen müssen, Grek-1, aber wären Sie grundsätzlich damit einverstanden, zur Erde zu fliegen und hunderttausend so genannte GrIko-Netze mitzunehmen, durch die Menschen immunisiert werden können?«

»Ja«, antwortete der Maahk schlicht.

Waringer nickte zufrieden und sagte zu Promax: »Hat Rhodan Ihnen eine Informationsspule für mich mitgegeben, Captain?«

»Ja, Professor.«

»Gut. Ich schicke Ihnen einen Flottentender der REVISOR-Klasse, der Ihr Schiff instand setzen soll. Sie landen bitte mit einem Beiboot auf der Hundertsonnenwelt, Sektor C-III-24, übergeben mir Rhodans Nachricht und unterstützen mich bei der Zusammenstellung des Personals für die hundert Schiffe. Die Maahks werden mit den ersten hunderttausend GrIko-Netzen losfliegen, und die hundert Kampfschiffe folgen ihnen sobald wie möglich.«

»Stehen für die Besatzungen der Schiffe ebenfalls GrIko-Netze zur Verfügung?«, erkundigte sich Cuno.

»Ja, natürlich«, antwortete Waringer. »Rund vierzig Prozent werden zwar irregulär wirken, aber es genügt, wenn sechzig Prozent der Besatzungen im Wirkungsbereich der Verdummung ihre volle Intelligenz behalten.«

Er blickte den Captain scharf an.

»Rhodan hat nichts davon gesagt, dass er die Errichtung eines Zweigwerkes zur Herstellung von GrIko-Netzen auf der Erde wünscht?«

»Nein.«

»Sehr vernünftig. Er scheint zu wissen, dass das Ergebnis den Aufwand nicht lohnen würde – es sei denn, wir hätten einige Jahre Zeit.«

Cuno Promax gähnte, deutete mit dem Kopf auf Grek-1 und sagte: »Ich schlage vor, Sie kümmern sich jetzt erst einmal um die Maahks, Professor. Ich komme schon allein zurecht, vorausgesetzt, Ihr Flottentender holt meine LOVELY LUCIFER bald ab.«

»Habe ich recht gehört: LOVELY LUCIFER?«, fragte Waringer.

Promax lächelte matt.

2.

Captain Tatcher a Hainu blickte verbittert auf den beleibten Albino Dalaimoc Rorvic, der meditierend auf einem abgewetzten Teppich hockte.

»Er döst seit vier Stunden vor sich hin«, sagte er zu Bescrilo Nonderver, »und das, obwohl der Schwarm jeden Augenblick erneut in Transition gehen kann.«

»Seien Sie still, Sie marsianischer Giftzwerg!«, fuhr der epsalische Kosmonaut den kleingebauten Marsianer an. »Wenn der Commander meditiert, hat das seine guten Gründe. Achten Sie lieber auf die Anzeigen der Hyperortung!«

Tatcher schluckte, um das Taubheitsgefühl zu vertreiben, das Nondervers Stimmkraft in seinen Ohren verursacht hatte.

»Rorvic und ich, wir können tun oder lassen, was wir wollen«, maulte er gekränkt, »immer wird man ihm recht und mir unrecht geben.«

Oberstleutnant Peltrow Batriaschwili, früherer Kosmokriminalist und Psychologe der Solaren Abwehr, sah von seinem Platz vor den Funkgeräten auf.

»Captain a Hainu, wären Sie wohl so nett, nach Leutnant Kalowont zu sehen?«

Tatcher erhob sich.

»Selbstverständlich.«

»Sollte seine Temperatur weiter gestiegen sein«, fuhr Batriaschwili fort, »injizieren Sie ihm am besten eine Doppeldosis Breitbandserum. Vielleicht hilft das.«

Der Marsianer nickte und verließ die Steuerkanzel der BUTTERFLY. Er schwebte im Antigravschacht zum darunterliegenden Deck und betrat Kalowonts Kabine.

Der Leutnant lag mit hochrotem Kopf in seinem Pneumobett. Er öffnete die Augen, als er a Hainu bemerkte. Seine Lippen schlossen sich fester um den Gummisauger, und sein Adamsapfel bewegte sich, als er den kühlenden Fruchtsaft aus der Trinkflasche sog.

Tatcher beugte sich über die Anzeigen der Messapparatur. Riev Kalowonts Körpertemperatur betrug 40,7 Grad Celsius. Vor zwei Stunden hatte sie nur 40,5 Grad betragen.

Der Marsianer schaltete abermals den Diagnosecomputer ein. Wie bisher auch, zeigte das Gerät eine Infektion des Organismus mit mutierten Grippeviren an. Keines der bekannten Kosmobiotika hatte darauf angesprochen.

»Wie fühlen Sie sich?«, fragte Tatcher und nahm Kalowont den Sauger aus dem Mund.

»Wie ein gegrilltes Steak«, antwortete der Kranke mit schwerer Zunge. »Wo sind wir?«

»Abkommandiert in die Nähe des Schwarmkopfes, Riev. Damit befinden sich außer der GOOD HOPE II insgesamt zehn Space-Jets in diesem Raumsektor. Seit der letzten Transition des Schwarms wurden mehrere Verbände von Wabenraumschiffen ›ausgeschleust‹, aber seit zwei Tagen herrscht Ruhe. Unsere Messungen lassen den Schluss zu, dass der Schwarm sich auf eine weitere Transition vorbereitet.«

Er sah, dass Kalowont ihm nicht mehr zuhörte und beeilte sich, die Breitbandseruminjektion vorzubereiten. Dabei fragte er sich, was sie unternehmen sollten, wenn auch das Breitbandserum nicht anschlug und das Fieber vielleicht noch weiter anstieg. Seine anderen Gefährten schienen Kalowonts Erkrankung nicht ernst zu nehmen. Normalerweise brauchte man sich im 35. Jahrhundert einer Grippe wegen auch den Kopf nicht zu zerbrechen, sofern die infizierten Personen sich nicht schon vorher in bedenklichem Zustand befunden hatten und ausreichend Kosmobiotika zur Verfügung standen.

Selbstverständlich waren immer wieder modifizierte und mutierte Erregertypen aufgetreten, doch dauerte es für gewöhnlich nicht lange, bis eines der vorhandenen Kosmobiotika beziehungsweise eine Kombination verschiedener Mittel die Erreger angriffen.

Die Erreger, die Riev Kalowont krank gemacht hatten, schienen jedoch eine bisher nicht erreichte starke Mutation zu sein. Es blieb nur zu hoffen, dass das Breitbandserum Abwehrstoffe dagegen enthielt.

Nachdem Tatcher seinem Gefährten das Serum injiziert und die Anzeigen der Messapparatur überprüft hatte, ging er in die so genannte Nasszelle, in der sich sowohl individuelle Pflege- und Reinigungseinrichtungen als auch Anschlüsse für die gemeinschaftliche Waschautomatik und den Desinfektor befanden. Tatcher a Hainu zog sich aus und ließ seine Kleidung in der Eingabeöffnung der Waschautomatik verschwinden, dann tastete er die Duschnische auf »Desinfektion« um und ließ sich von allen Seiten mit heißer, scharf riechender und schäumender Flüssigkeit absprühen.

Nach einigen Minuten unter der Heißluftdusche und dem Massageroboter verließ der Captain die Nasszelle durch einen separaten Ausgang, lief in seine eigene Kabine und streifte sich frische Kleidung über. Danach kehrte er in die Steuerkanzel der BUTTERFLY zurück.

Dalaimoc Rorvic öffnete die Augen, als Tatcher a Hainu aus der runden Öffnung des Antigravschachtes schoss und sich an der Notleiter festklammerte, um nicht gegen die Kanzeldecke zu prallen.

»Eines Tages werden Sie sich mit Ihrer krankhaften Hast noch den Schädel einrennen, Tatcher«, sagte Rorvic mit tiefer, gelangweilt wirkender Stimme.

»Ja, Sir«, erwiderte a Hainu mit unterdrücktem Zorn.

Der Tibeter lächelte, streckte seine Hand aus und schaltete die kleine elektrische Gebetsmühle ein. Dann nahm er seine gelbe Mütze ab, wischte sich damit den Schweiß von der Stirn und setzte sie wieder auf.

»Sie sind ein schwieriger Mensch, Tatcher. Wie geht es Riev?«

»Ziemlich schlecht, Sir. Wenn das Breitbandserum nicht anschlägt, müssen wir ihn zu einer Spezialklinik bringen.«

»Vielleicht sogar nach Tahun«, warf Bescrilo Nonderver mit dröhnendem Bass ein. »Wegen einer Grippe ...!«

»Jawohl, wegen einer Grippe!«, entgegnete Tatcher. »Wie alle Terraner hat Riev nie in seinem Leben eine natürliche Immunität gegen Krankheiten erworben. Husten, Schnupfen, Masern, Pocken, Grippe – gegen alles gab es Pillen und Injektionspflaster, die innerhalb weniger Stunden die Krankheit besiegten. Ich fürchte, wenn Rievs Temperatur nicht bald sinkt, ist sein Leben bedroht.«

»Warum haben Sie sich eigentlich bisher nicht bei Riev angesteckt?«, fragte Peltrow Batriaschwili. »Auf Mars kennt man gefährliche Krankheiten ebenso wenig wie auf der Erde.«

Tatcher a Hainu lächelte herablassend.

»Ich hatte Eltern, die vorausschauend genug waren, mich einer Natur-Immunisierung unterziehen zu lassen. Natürlich war das keine schöne Zeit, aber ...«

»Man merkt es Ihnen an, Tatcher«, unterbrach Rorvic ihn. Der Albino wandte sich an Batriaschwili. »Stellen Sie eine Hyperkom-Richtstrahlverbindung mit der GOOD HOPE II her, Peltrow. Ich möchte Oberst Potomac sprechen.«

»Er heißt Pontonac«, wandte Batriaschwili ein, während seine Finger über die Schaltungen des Hyperkoms glitten.

»Das sagte ich ja: Portulak.«

Tatcher a Hainu stieß seinen Zeigefinger in Rorvics Richtung, sah Batriaschwili an und rief: »Da merken Sie es selbst, wie sehr der fette Albino einen Menschen peinigen kann, Peltrow!«

Peltrow Batriaschwili schüttelte den Kopf.

»Sie haben eben keinen Sinn für Humor, Tatcher.«

Der Hyperkom-Trivideokubus wurde hell; eine Frau in der Uniform eines Funktechnos war zu sehen.

»CYD-Commander Rorvic möchte mit Oberst Pontonac sprechen«, sagte Peltrow.

»Jetzt nicht mehr«, sagte Rorvic. »Ich habe es mir anders überlegt.«

»Er hat es sich anders überlegt«, erklärte Batriaschwili verlegen.

Die Frau runzelte die Stirn. Offenbar überlegte sie, ob der ganze Anruf nur ein Scherz war, dann schüttelte sie den Kopf und sagte: »Richten Sie Commander Rorvic aus, er möchte das nächste Mal zuerst nachdenken, wenn er einen Entschluss gefasst hat und sich überlegen, was er eigentlich will. Ende.«

Der Trivideokubus erlosch.

Batriaschwili räusperte sich und fragte: »Haben Sie gehört, was die Dame sagte, Commander?«

Aber Dalaimoc Rorvic hatte die Augen halb geschlossen und war offensichtlich wieder in Meditation versunken.

Bescrilo Nonderver schlug sich mit den flachen Händen auf die Schenkel und öffnete den Mund zu dem von Normalmenschen gefürchteten Lachen. Doch etwas kam dazwischen.

Das Universum schien sich von einem Augenblick zum anderen in reines Licht zu verwandeln und gleichzeitig aus den Fugen zu gehen.

Tatcher a Hainu wurde von einer imaginären Hand fortgewischt und in die Bodenöffnung des Antigravschachts geschleudert, während das Krachen durchschlagender Sicherungen seine Ohren marterte und grelle Blitze die Augen blendeten. Sein Kopf schlug mehrmals gegen die Schachtwandung.

Und im nächsten Augenblick war alles wieder normal.

Captain a Hainu stieß mit den Füßen gegen den Grund des Schachtes im unteren Deck und erhaschte einen kurzen Blick auf den vor der Öffnung abgestellten Flugpanzer, dann ließ ihn der Abstoßimpuls wieder emporsteigen.

Als er die Steuerkanzel erreichte, sah er durch die transparente Panzertroplonwandung die typischen lautlosen Leuchterscheinungen, eingebettet in wesenloses Grau.

Die BUTTERFLY befand sich im Zwischenraum.

Dalaimoc Rorvic saß vor dem Kontrollpult von Max, wie die Männer von CYDCO ihre Bordpositronik nannten. Er war offenbar sehr schnell auf die Beine gekommen und aktiv geworden.

»Der Schwarm ist in eine Gemeinschaftstransition gegangen«, berichtete Nonderver. »Da die dabei auftretenden Strukturschocks das Schiff gefährdeten, aktivierte Max von sich aus den Waring-Konverter.«

Tatcher rieb sich die Stellen, die in unsanfte Berührung mit der Schachtwandung gekommen waren.

»Inzwischen müssten die Strukturerschütterungen abgeklungen sein«, meinte er. »Sollten wir nicht in den Normalraum zurückkehren?«

Max spie mit leisem Rascheln eine Symbolfolie aus. Der Tibeter nahm sie, warf einen Blick darauf und sagte: »Unser Positronengehirn ist der gleichen Meinung wie Sie, Tatcher. Schalten Sie den Waring ab, Bescrilo!«

Sekunden später fiel die Space-Jet ins vierdimensionale Raum-Zeit-Kontinuum zurück. Unwillkürlich hielten die vier Personen in der Steuerkanzel Ausschau nach dem Schwarm – und er war tatsächlich zu sehen.

Aber der vordere Teil des Kristallschirms fehlte!

Tatcher öffnete den Mund zu einem Entsetzensschrei, bevor ihm klar wurde, dass genau das zu erwarten gewesen war.

Selbstverständlich befand sich der Schwarm nicht mehr dort, wo sie ihn sahen. Er war transitiert – und zwar wahrscheinlich über Tausende von Lichtjahren hinweg. Doch das von ihm ausgehende Licht würde noch lange zu sehen sein, ein winziger Rest sogar etwa elftausend Jahre lang, denn der Schwarm besaß eine Länge von ungefähr elftausend Lichtjahren.

Zum Zeitpunkt der Massentransition war die BUTTERFLY rund anderthalb Lichtminuten vom Schwarmkopf entfernt gewesen, 27 Millionen Kilometer.

Als die Space-Jet wieder aus dem Zwischenraum auftauchte, waren seit dem Verschwinden des Schwarms etwa zwei Minuten verstrichen. Folglich hatte das Licht der Frontseite des Kristallschirms die BUTTERFLY schon passiert, und da es nicht erneuert wurde, gähnte für die Männer des CYD-Kommandos im Schwarmkopf ein riesiges Loch, das sich immer stärker weitete und in den nächsten Stunden auch die ersten Himmelskörper »verschlingen« würde.

Batriaschwili aktivierte den Hyperkom, als das Rufsignal leuchtete. Im Trivideokubus erschien das Abbild von Oberst Edmond Pontonac.

»Wie meine Ortung feststellte, sind alle zehn Space-Jets wieder im Normalraum«, sagte Pontonac gelassen. »Die Spezialstrukturtaster der GOOD HOPE haben feststellen können, dass der Schwarm diesmal fünftausend Lichtjahre tief in die Galaxis gesprungen ist – und zwar genau in Richtung Sol.«

Er hob abwehrend die Hand.

»Mehrere Schiffskommandanten versuchen, Fragen zu stellen. Ich bitte darum, vorläufig darauf zu verzichten. Commander Rorvic, bitte melden Sie sich!«

Dalaimoc Rorvic drehte sich mit seinem Sessel, so dass sein Gesicht im Aufnahmebereich des Hypersenders lag.

»Hier Rorvic. Eine Frage, Oberst: Steht die Verbindung zur Erde?«

»Noch nicht wieder«, antwortete Pontonac ernst. »Zwei der dabei eingesetzten Space-Jets sind während der Transition des Schwarms ausgefallen. Da sie wahrscheinlich verloren sind, habe ich angeordnet, dass die verbliebenen Relaisschiffe neue Positionen beziehen.«

Er räusperte sich und zog die Augen zu Schlitzen zusammen.

»Aber ich habe nicht Ihre Fragen beantworten wollen, Rorvic, sondern Sie sollten mir meine Fragen beantworten.«

Das fleischige Gesicht des Albinos blieb ausdruckslos, als er erwiderte: »Wie kann ich das, wenn Sie mir keine Fragen stellen, Oberst. Doch falls Sie meine Meinung darüber interessiert, warum der Schwarm nicht mit der zweiten Transition wartete, bis die ausgeschleusten Wabenschiffe mit den neugeborenen Gelben Eroberern zurückkehrten, so lautet meine Antwort, dass die so genannten Götzen inzwischen über so viel Aktivierungselixier verfügten, dass sie längere Zeit ohne Nachschub auskommen können.«

Um Edmond Pontonacs Mundwinkel spielte die Andeutung eines Lächelns.

»Vielen Dank für die Beantwortung meiner unausgesprochenen Frage, Commander Rorvic.«

»Bitte«, sagte der Albino.

Pontonac holte tief Luft.

»Bitte, denken Sie darüber nach, warum der Schwarm sich so lange im Grenzgebiet der Milchstraße aufhielt und nun plötzlich innerhalb weniger Tage zweimal transitiert, wobei er neuntausend Lichtjahre zurücklegte.«

Dalaimoc Rorvic lächelte freundlich.

»Ich werde darüber nachdenken, Oberst. Folgen wir dem Schwarm?«

»Ja, und zwar sobald von allen zehn Space-Jets Klarmeldungen vorliegen. Meine Hauptpositronik errechnet inzwischen schon die Linearflugdaten. Wir werden uns wieder einige Lichtminuten vor den Schwarmkopf setzen.«

»Danke«, erwiderte der Albino.

Er bedeutete Batriaschwili durch einen Wink, den Hyperkom abzuschalten, dann wandte er sich an a Hainu und sagte: »Sie kümmern sich um Riev, Tatcher, und zwar ein bisschen schnell. Warum sind Sie nicht gleich nach dem Strukturschock zu ihm gegangen?«

Tatcher a Hainu feuchtete seine Hand mit Spucke an und verrieb etwas davon auf der größten Schwellung an seinem Kopf.

»Wegen gewisser Sekundärwirkungen dieses Strukturschocks, Sir. Ich hole es sofort nach.« Damit sprang er in den Antigravschacht.

Es dröhnte dumpf, als sein Schädel mit der Schachtwandung zusammenstieß ...

*

Perry Rhodan betrat die Kommunikationszentrale der Hauptpositronik von Imperium-Alpha, setzte sich vor das Eingabepult und stellte eine Verbundschaltung mit der lunaren Inpotronik NATHAN her.

Er überspielte die Informationen zahlreicher Ortungen und Messungen, die in den vergangenen vier Wochen im Einzugsbereich des Schwarms durchgeführt worden waren. Danach erteilte er den Auftrag, die Informationen mathelogisch auszuwerten.

Als Lordadmiral Atlan sich zehn Minuten später zu ihm gesellte, waren die beiden Supergehirne immer noch an der Arbeit. Doch die ersten Analysen, Schlüsse und Vorschläge lagen bereits vor.

Atlan ließ sich seufzend in einen Sessel fallen, massierte seine Schläfen und sagte dann: »Die Aktivität der Schwarmflotte nimmt in unserem Raumsektor von Tag zu Tag zu, Perry. Ein Glück, dass die Maahks uns fünfundzwanzig Großkampfschiffe geschickt haben. Sieben von ihnen habe ich zum Sektor Alpha Orionis geschickt, damit sie dort eine unüberhörbare Aktivität entwickeln. Das veranlasst die Herren des Schwarms hoffentlich, ihre Erkundungsschiffe dort zu konzentrieren und uns noch einige Tage lang in Ruhe zu lassen.«

Perry nickte lächelnd. Die beiden Männer verstanden sich ohne große Worte. Atlan hatte das Richtige getan, folglich brauchte man nicht weiter darüber zu sprechen. Es war ungeheuer wichtig, dass die Erkundungsschiffe des Schwarms das Solsystem noch einige Zeit in Ruhe ließen, einmal, weil die Aktion GrIko noch nicht abgeschlossen war und zum anderen, weil in nächster Zeit hundert Kampfschiffe von der Hundertsonnenwelt erwartet wurden.

Die Herren des Schwarms, die man Götzen nannte, wussten inzwischen sicher, dass im Solsystem eine intelligente Art lebte und eine hochstehende Zivilisation aufgebaut hatte. Nach Rhodans Willen sollten sie aber vorläufig nicht erfahren, wie hochstehend die menschliche Zivilisation tatsächlich war.

In dieser Situation stellten maahksche Großkampfschiffe eine unschätzbare Hilfe dar. Sie konnten die Aufmerksamkeit der Götzen vorübergehend von der Menschheit ablenken – und ihre artspezifische Schiffsbauweise würde verhindern, dass die Herren des Schwarms sie mit der solaren Menschheit in Verbindung brachten.

»Der Kurs zeigte unverändert in unsere Richtung, nicht wahr?«, erkundigte sich Atlan.

Perry nickte.

»Ja. Ich glaube auch nicht, dass sich daran etwas ändert, mein Freund. Ich weiß nicht einmal, ob ich darauf hoffen sollte.«

Der Arkonide lächelte flüchtig.

»Ich weiß, dass du genau das Gegenteil hoffst, Perry. Du hoffst, die Herren des Schwarms möchten sich dazu entschließen, das gesamte Solsystem in den Schwarm aufzunehmen.«

»Du kennst dich verblüffend gut in meinen Gedankengängen aus«, erwiderte Rhodan. »Es stimmt. Ich weiß, dass die Übernahme durch den Schwarm uns eine realisierbare Möglichkeit geben würde, diese Gefahr zu beseitigen. Innerhalb des Schwarms würden alle fünfundzwanzig Milliarden Menschen ihre volle Intelligenz, ihr volles Wissen und alle ihre Erfahrungen zurückgewinnen.«

»Eine ›fünfte Kolonne‹ von fünfundzwanzig Milliarden Menschen!«, sagte Atlan bedeutsam. »Dieser Brocken könnte sich tatsächlich für den Schwarm als unverdaulich erweisen. Aber bist du sicher, dass du mit einer Entscheidung dafür durchkommst – ich meine bei den Gremien der provisorischen Solaradministration?«

»Nicht, ohne die Widerstände vom Tisch zu fegen. Sicher werde ich mir in der nächsten Zeit viele Feinde schaffen. Doch vorläufig erfährt niemand, was ich vorhabe, und du schweigst bitte Dritten gegenüber.«

»Ich werde schweigen wie ein Stein.« Er deutete auf eine Signalreihe. »Dort kommen die ersten Ergebnisse.«

Perry Rhodans Finger glitten über mehrere Sensortasten. Klickend schaltete sich der Transformer ein und verwandelte die hyperinpotronischen Impulse in gedrucktes Interkosmo.

Der Großadministrator überflog die erste Druckfolie.

»Wie wir es uns gedacht hatten«, sagte er. »Der Schwarm hatte sich deshalb so lange im Randsektor der Milchstraße aufgehalten, weil die ihn beherrschenden Götzen infolge von Entbehrungen, die die Reise von Galaxis zu Galaxis mit sich brachte, beinahe handlungsunfähig geworden waren.

Während der intergalaktischen Reise war den Götzen das Aktivierungselixier ausgegangen, da einerseits außerhalb des Schwarms keine Himmelskörper zur Teilung der Ockergelben zur Verfügung standen und andererseits innerhalb des Schwarms keine Teilungsprozesse stattfinden dürfen.

Folglich mussten die Götzen relativ handlungsunfähig warten, bis nach dem Erreichen der Milchstraße etwas stattfand, was die beiden Gehirne als ›Zwangsgeburt der Frühreifen‹ bezeichnen. Damit sind die Teilungen jener Gelben gemeint, die den während der großen Reise gehemmten Gebärzwang als erste reaktivierten. Erst nachdem die Götzen den Neugeborenen das Elixier abgezapft hatten, erlangten sie die volle Gewalt über den Schwarm zurück. Damit begannen die Transitionen.«

»Dennoch begreife ich nicht«, wandte Lordadmiral Atlan ein, »dass die Herren des Schwarms es plötzlich so eilig haben und nicht einmal warten, bis die ausgeschleusten Wabenschiffe nach vollzogenem Gebärprozess zum Ausgangspunkt zurückkehren. Es kostet doch unvorstellbare Mengen an Energie und verzettelt Kräfte, wenn die Neugeborenen dem Schwarm nachfliegen müssen.«

Rhodan nickte.

»Es hat tatsächlich den Anschein, als wollten die Götzen die Zeit, die sie seit Erreichen der Milchstraße vergeudet haben, wieder aufholen. – Aber das beschäftigt mich viel weniger als die Frage, ob die Herren des Schwarms die solare Menschheit für wichtig und tüchtig genug halten, um als Hilfsvolk vereinnahmt zu werden – oder ob sie uns gar für zu tüchtig halten und als mögliche Gefahr auszuschalten versuchen.«

Er runzelte unwillig die Stirn, als der Summer des Interkoms aufdringlich schrillte. Rhodan hatte Anweisung erteilt, ihn im Kommunikationsraum nicht zu stören, doch das flackernde rote Signallicht zeigte ihm, dass ein Fall der Dringlichkeitsstufe Alpha vorlag.

Er schaltete den Interkom ein.

Sein Sohn Mike – alias Roi Danton – sah ihm vom Bildschirm entgegen.

»Meldung von Outersolar VIII, Vater«, sagte Mike. »Der angekündigte Verband von hundert Großkampfschiffen passierte soeben den geheimen Kontrollpunkt, identifizierte sich und bittet um die Erlaubnis, mit einem letzten Linearmanöver ins Solsystem vorzustoßen.«

»Was melden unsere Hypertaster, Mike?«

»Das Solsystem ist frei von Schwarmschiffen. Unsere Fernstrukturtaster auf Neptun meldeten vor fünfzehn Minuten schwere Strukturerschütterungen in Schwarmnähe und gleich darauf im Sektor Alpha Orionis. Die Auswertung besagt, dass ungefähr fünfhundert schwere Einheiten per Transition zur Beteigeuze geschickt wurden.«

Rhodan blinzelte dem Arkoniden verstohlen zu, dann sagte er zu seinem Sohn: »Ausgezeichnet, Mike. Gib bitte durch, die hundert Schiffe sollen so schnell wie möglich ins Solsystem kommen – und zwar wünsche ich, dass sie zwischen den Bahnebenen von Venus und Erde in den Normalraum zurückkehren.«

»In Ordnung, Vater«, sagte Mike und unterbrach die Verbindung.

Perry Rhodan lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er dachte an die Aufgaben, die in der nächsten Zukunft bewältigt werden mussten, und an die Schwierigkeiten, die sich ihnen dabei in den Weg stellen würden.

Sobald die hunderttausend GrIko-Netze an positiv reagierende Personen verteilt worden waren, mussten die rund 50.000 Einheiten der Heimatflotte geborgen werden. Bisher bewegten sie sich antriebslos und mit stillgelegten Aggregaten auf so genannten Notparkbahnen, die in geringen Höhen um Planeten und Monde des Solsystems führten. Dadurch waren sie den Erkundungsschiffen des Schwarms entgangen. Sie mussten bemannt und versteckt werden, bevor der Schwarm seine Aufmerksamkeit voll auf das Solsystem richtete.

Sodann würden die auf Olymp stationierten Kampfschiffe des Solaren Imperiums und des Kaisers der Freifahrer ins Solsystem verlegt werden. Gewaltige Mengen an teilverdummten Raumsoldaten und Spezialisten, Nachschubgütern, Nahrungsmitteln und »fliegenden Hospitälern« mussten über die Containertransmitterstrecke von Olymp zur Erde befördert werden.

Über diesen Aufgaben durften aber die so genannte Innensektorflotte und die Außensektorflotte nicht vergessen werden. Zur Innensektorflotte gehörten rund 20.000 Kampfschiffe, die innerhalb einer Raumkugel von fünfzig Lichtjahren Radius um Sol stationiert waren. Seit einem Jahr waren Sonderkommandos von Immunen und speziell programmierten Robotern damit beschäftigt, die erst verdummten und später halbintelligenten Besatzungen geduldig auf die geplante Bergung vorzubereiten.

Am schwierigsten würde die Rückführung der Außensektorflotte werden, da deren Verbände weit verstreut waren. Von vielen Schiffen hatte man nie wieder etwas gehört; sie waren offenbar kurz nach dem Eintritt der Verdummung verloren gegangen. Rhodan hoffte trotzdem, von dieser Flotte ebenfalls mindestens 20.000 Schiffe zurückführen zu können.

»Woran denkst du, Freund?«, fragte Atlan leise.

Perry lächelte gedankenverloren.

»Daran, dass etwas Unwahrscheinliches realisiert werden muss, wenn die Menschheit überleben soll: mindestens 40.000 Raumschiffe sollen sich aus allen möglichen Ecken der Milchstraße ins Solsystem zurückschleichen, ohne dass die Aktion von den Schiffen des Schwarms entdeckt wird.«

Der Arkonide seufzte.

»Es wird ein Balanceakt am Rande eines Vulkans werden, Perry – und niemand weiß, wohin uns ein Erfolg führen wird.«

Rhodan wölbte die Brauen.

»Wie meinst du das?«

»Angenommen, das Solsystem wird vom Schwarm übernommen – wohin wird er es entführen ...?«

Perry Rhodan presste die Lippen zusammen – und schwieg. Auf diese Frage gab es keine Antwort – jedenfalls nicht in absehbarer Zeit.

*

Captain Cuno Promax übergab die reparierte LOVELY LUCIFER an den Techniker, der die Unterbringung der hundert Kampfraumschiffe von der Posbiwelt überwachte. Danach verließ er sein Schiff und sah von einer Galerie aus zu, wie fünfzigtausend Männer und Frauen ihre Füße wieder auf irdischen Boden setzten. Viele Personen trugen GrIko-Netze; sie blickten wach und intelligent umher. Der Rest wirkte unsicher und musste ständig durch Lautsprecherdurchsagen geleitet werden; das waren die Halbintelligenten, bei denen die GrIko-Netze negativ angesprochen hatten und deshalb wieder entfernt worden waren.

»Captain Promax?«

Cuno blickte sich nach dem Mann um, der seinen Namen ausgesprochen hatte. Es war ein etwa 1,80 Meter großer dunkelhäutiger Terraner mit schwarzem Kraushaar und einem stillen Grinsen in den Augen. Auf seiner Uniformkombination befanden sich die Rangabzeichen eines Leutnants und das Symbol der MARCO POLO.

»Ja ...?«, sagte Cuno.

Der Leutnant tippte mit den Fingern der Rechten an sein Mützenschild.

»Leutnant Goshe Marun, dank Gripskopfnetz wieder im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, Captain. Ich komme im Auftrag des Großadministrators und soll Sie zu ihm bringen.«

Cuno Promax musste über den Ausdruck »Gripskopfnetz« grinsen. Dieser Goshe Marun schien ein Spaßvogel zu sein, der den Mund auf dem rechten Fleck hatte.

»Worum handelt es sich?«

Marun zuckte nur die Schultern, wandte sich um und sagte: »Das will Perry Rhodan Ihnen persönlich beibringen, Sir.« Er setzte sich in Bewegung.

Cuno folgte ihm, begab sich an seine Seite und erklärte: »Du brauchst mich nicht so förmlich anzureden, Kamerad; ich bin nichts weiter als ein ausgebrochener Sträfling, der seine durch unverdiente Immunität geschützte Intelligenz der Regierung zur Verfügung stellt. Wenn ich nicht mehr gebraucht werde, wird man mich wahrscheinlich nach Carlotta zurückschicken.«

Goshe Marun schüttelte leicht den Kopf.

»Sie stehen dienstrangmäßig über mir, Captain Promax«, erwiderte er, »sonst würde ich Ihnen sagen, dass Sie mir mit Ihrem Selbstmitleid beinahe leid tun. Man hat Ihre Hilfe angenommen, also wird man Sie nicht wieder nach Carlotta zurückschicken – es sei denn, Sie hätten einen Mord begangen.«

Die beiden Männer stiegen in einen pneumatischen Lift und fuhren aus den subplanetaren Anlagen an die Oberfläche und dort achtzig Stockwerke hoch. Marun führte den Captain in einen Raum, der wie eine riesige Käseglocke auf die Spitze des Gebäudes gesetzt war. Am östlichen Horizont sah Promax den Raumhafen von Terrania.

Ein hochgewachsener, hagerer Mann stand mit dem Rücken zu den Eintretenden. Er wandte sich um. Es war Perry Rhodan.

Der Großadministrator streckte Captain Promax die Hand entgegen und sagte: »Ich danke Ihnen, dass Sie Ihren Kurierauftrag so gut erfüllt haben, Captain. Bitte, halten Sie mich nicht für unhöflich, wenn ich mich kurz fasse und sofort zur Sache komme.«

Er deutete auf eine Sesselgruppe.

»Bitte, setzen Sie sich. Die Servorobotik ist aktiviert; wenn Sie irgendwelche Wünsche haben, brauchen Sie sie nur auszusprechen.«

»Ich hätte gern einen dreifachen Bourbon!«, sagte Cuno.

Rhodan runzelte missbilligend die Stirn, lächelte aber gleich darauf wieder freundlich. Eine Servoeinheit brachte den Bourbon, und während Promax trank, sagte Perry Rhodan: »Was ich Ihnen jetzt verrate, ist streng geheim, Captain. Sie haben darüber strengstes Stillschweigen zu bewahren. Ich rechne damit, dass das Solsystem in absehbarer Zeit vom Schwarm übernommen wird.«

Cuno verschluckte sich, hustete, wischte sich das Wasser aus den Augen und sagte: »Ich bin sonst nicht schreckhaft, Sir. Bitte, entschuldigen Sie, dass ich diesmal doch erschrocken bin.«

In kühlem, geschäftsmäßigem Ton fuhr Rhodan fort: »Eine Einverleibung in den Schwarm ist die beste von drei Möglichkeiten, Captain. Da wir auf der Flugstrecke des Schwarms liegen, werden wir entweder durch eine gezielte Transition aus der Flugbahn befördert oder unbehelligt gelassen, indem der Schwarm uns mit einer Eigentransition überspringt. Die zweite Möglichkeit ist die, dass die Erde für einen Geburtsprozess der Ockergelben ausgewählt wird; dann müsste die Menschheit um ihre nackte Existenz kämpfen.«

Cuno Promax nickte.

»Eine weitere Möglichkeit wäre«, sagte der Großadministrator, »dass die Beherrscher des Schwarms die Menschheit als wertvoll genug in ihrem Sinne ansehen, sie in den Schwarm aufnehmen und als Hilfsvolk dienen lassen.«

»Sie meinen als Lieferant für die Söldner der Schwarm-Kampftruppen, Sir?«, erkundigte sich Cuno.

»Richtig«, antwortete Rhodan ungerührt. »Es kommt also darauf an, dass das Denken der Schwarmherren in diese Richtung gelenkt wird, falls es sich nicht selbst in dieser Richtung bewegt. Selbstverständlich dürfen die Götzen nicht erfahren, dass wir außer den normalen energetischen Kernenergien auch die Quintadim- und Sextadimenergien beherrschen. In dem Fall würden sie uns als gefährlich einstufen und angreifen.«

»Das ist mir klar, Sir«, meinte Promax. »Sie möchten die Menschheit nicht gerade als einen Haufen von Steinzeitwilden präsentieren, aber auch nicht als Supermänner. Welche Rolle in diesem Spiel haben Sie mir zugedacht?«

Perry Rhodan lächelte.

»Sie werden Kommandant eines atomgetriebenen Frachtraumschiffes, das zwischen Erde und Mond pendelt.«

»Zwischen der Erde und dem Mond welches Planeten, Sir?«, fragte Cuno.

»Und dem Erdmond«, antwortete der Großadministrator.

»So schlecht höre ich doch sonst nicht«, sagte Promax. »Ich habe doch tatsächlich ›Erdmond‹ verstanden. Das kann wohl nur ein Scherz sein. Bevor ich die Maschinen hochgeschaltet habe, bin ich längst am Erdmond vorbei.«

»Nicht mit dem Schiff, das Lordadmiral Atlan für Sie ausgesucht hat, Captain Promax«, widersprach Rhodan. »Es handelt sich um ein ferronisches Frachtschiff, das bis vor kurzem auf dem Gelände des Völkerkunde-Museums in Terrania gestanden hat. Da die Bewohner des achten und neunten Wega-Planeten niemals die dimensional übergeordneten Kräfte beherrschen lernten, haben sie immer nur Raumschiffe mit normalen Atomkraftmaschinen gebaut. Allerdings erreichten sie auf diesem Gebiet ein hohes Maß an Perfektion, weshalb Atlan ein ferronisches Schiff für Ihren Einsatz aussuchte.«

Er ließ sich einen Orangensaft bringen, leerte den Becher mit einem Zug und fuhr fort: »Leutnant Marun, führen Sie den Captain zu seinem Schiff. Ich nehme an, Leutnant Hinzeman überwacht die Startvorbereitungen persönlich.«

Goshe Marun stand auf.

»Ja, Sir.«

Der Großadministrator erhob sich, wartete, bis Cuno Promax ebenfalls stand und schüttelte ihm dann die Hand.

»Machen Sie sich mit dem Schiff vertraut. Lordadmiral Atlan befindet sich zur Zeit auf Olymp, weshalb ich Sie an seiner Stelle eingeweiht habe. Er wird aber in einigen Stunden zurückkehren. Von ihm erhalten Sie den Startbefehl und weitere Informationen. Viel Glück, Captain.«

»Danke, Sir«, erwiderte Cuno.

Als er mit Marun wieder in die Luftkabine trat, schüttelte er den Kopf und sagte: »Mondschiffskapitän Promax! Wer hätte das gedacht, dass ich einmal so tief sinken würde!«

3.

Captain Tatcher a Hainu betätigte die Öffnungsautomatik, als der Türmelder summte.

»Bitte einzutreten!«, sagte er.

CYD-Commander Dalaimoc Rorvic schob sich ächzend und schnaufend herein. Plötzlich verstummten die Geräusche.

»Was soll das?«, flüsterte der Albino.

Tatcher blickte hoch und sah, dass sein Vorgesetzter auf den kompakten Atomofen starrte, der mitten in der Kabine stand. Das Gerät war eigentlich nur für längere Märsche außerhalb des Schiffes in unbesiedelten Gegenden vorgesehen. Auf der heißen Platte stand ein Topf, aus dem stark duftende Dämpfe stiegen.

»Ich bereite eine Medizin für Riev«, erklärte Tatcher. »Zwiebelsaft mit Zucker, eingedickt zu einer sirupartigen Masse, hilft vorzüglich gegen grippale Infekte.«

»Es stinkt«, sagte Dalaimoc.

»Sie sollten mal die Wäsche wechseln, Dalai«, entgegnete der Marsianer. Er rührte die Masse im Topf mit einem Glassitlöffel um. »Es müsste gut sein. Leider konnte ich dafür nicht die Küchenautomatik benutzen; sie enthält kein entsprechendes Programm.« Er schaltete den Ofen aus.

Der Tibeter lächelte.

»Sie sind schon ein sonderbarer Mensch, Tatcher. Immerhin können Sie es einmal mit Ihrer Zwiebelbrühe versuchen. Schaden wird es wohl kaum, und in einigen Stunden erhält Riev fachmännische Behandlung. Wir sind nämlich nach Olymp abkommandiert.«

Tatcher a Hainu nahm den Topf vom Ofen und trug ihn in die Küche der Space-Jet. Dort schüttete er den Inhalt in einen Kühlautomaten, stellte das Gerät auf dreißig Grad Celsius ein und drückte den Aktivierungsknopf.

»Was sollen wir auf Olymp?«, erkundigte er sich mürrisch. »Die Freifahrer haben auch ohne uns Probleme genug. Oder kommen Sie nicht mit, Sir?«

»Das habe ich nun davon«, sagte Rorvic ärgerlich. »Ich komme extra herunter, um Ihnen Bescheid zu sagen, und Sie machen mich schlecht.« Er drehte sich um und ging.

Tatcher grinste und pfiff leise vor sich hin. Er freute sich, dass er den fetten Albino geärgert hatte. Doch im nächsten Moment tat es ihm schon leid.

Er eilte zum zentralen Liftschacht steckte den Kopf hinein und rief: »Ich habe nur Spaß gemacht, Dalaimoc.«

Danach kehrte er in die Küche zurück. Der Zwiebelsirup war inzwischen auf die eingestellte Temperatur abgekühlt. Tatcher füllte etwas in eine Schnabeltasse und begab sich in Riev Kalowonts Kabine.

Der Ingenieur lag teilnahmslos in seinem Pneumobett. Seine Temperatur war zwar nach der Serumgabe nicht mehr gestiegen, aber auch nicht gesunken.

Captain a Hainu stellte den Kopfteil des Bettes höher und flößte dem Kranken, geduldig den Inhalt der Schnabeltasse ein. Dann tätschelte er ihm die Wangen und sagte: »Wenn das nicht hilft, müssen wir Sie in ein paar Tagen bestatten, Riev. Also halten Sie die Ohren steif.«

»Zyniker!«, lallte Kalowont.

»Ich bin kein Zyniker, sondern ein Marsianer, Riev. Übrigens fliegen wir nach Olymp; notfalls können Sie dort in der Interstellar-Klinik der Aras behandelt werden.«

Er stellte den Kopfteil des Bettes wieder tiefer, überprüfte die Geräte, die den Kranken intravenös ernährten und seine Ausscheidungen beseitigten, sowie die medizinische Ausstattung und unterzog sich anschließend wieder der Prozedur der Desinfektion und des Kleiderwechsels.