Perry Rhodan-Paket 18: Bardioc (Teil 2) / Pan-Thau-Ra -  - E-Book

Perry Rhodan-Paket 18: Bardioc (Teil 2) / Pan-Thau-Ra E-Book

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Beschreibung

Während die Völker der Milchstraße die Macht der Laren brechen, beendet Perry Rhodan mit der SOL den Konflikt zwischen der Kaiserin von Therm und der Superintelligenz BARDIOC, die aus einem abtrünnigen Mächtigen hervorgegangen ist. Dadurch rettet er die bedrohte Erde und gewinnt zugleich tiefe kosmische Einsichten. Terra kehrt ins Solsystem zurück und wird wieder von Menschen besiedelt. Die SOL und das neue terranische Fernraumschiff BASIS fliegen in die Galaxis Algstogermat. Dort entdecken die Terraner in einem Hyperraumversteck die PAN-THAU-RA, das geraubte Sporenschiff des Mächtigen Bardioc.

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Nr. 850

BARDIOC

Er gehört zu den sieben Mächtigen – sein Verrat ist beispiellos

von WILLIAM VOLTZ

Es geschieht im Jahre 3585 terranischer Zeitrechnung! Alle Völker der Milchstraße haben Grund zu Freude und Triumph, denn inzwischen existiert die Macht des Konzils der Sieben nicht mehr. Die Laren, die Unterdrücker der Galaxis, haben die Überschweren, ihre Verbündeten, notgedrungen im Stich gelassen. Unter dem Zwang des Energiemangels stehend, erhofften sie sich eine Verbesserung ihrer Lage, als sie durch das von den Keloskern künstlich erschaffene Black Hole flogen und in die Sternenfalle gingen – mit Ausnahme von Hotrenor-Taak selbst, dem Verkünder der Hetosonen, der in den Dienst derer tritt, die ihn bekämpft haben.

Die in der Galaxis verbliebene Menschheit befindet sich gegenwärtig im Aufbruch. Terra, die Urheimat der Menschen, ist zusammen mit Luna nach langem Aufenthalt in den unendlichen Weiten des Kosmos wieder an den angestammten Platz im System des Muttergestirns Sol zurückgekehrt – und das Unternehmen »Pilgervater« läuft bereits an, um die in allen Regionen der Milchstraße verstreuten Terraner auf die praktisch menschenleere Erde zurückzuführen.

Während diese gigantische Aufgabe, die sich gewiss nicht ohne Pannen und Rückschläge vollziehen lässt, in Angriff genommen wird, blenden wir kurzfristig um zu Perry Rhodan, dem Gefangenen BULLOCS.

In der Energiesphäre der vierten Inkarnation erreicht der Terraner die Zentrale der Superintelligenz und erfährt vom Werdegang des mächtigen BARDIOC ...

Die Hauptpersonen des Romans

BULLOC – Die vierte Inkarnation erreicht ihr Reiseziel.

Perry Rhodan – BULLOCS Gefangener.

Bardioc – Einer der sieben Mächtigen übt Verrat.

Kemoauc, Lorvorc, Ganerc, Murcon, Ariolc und Partoc – Bardiocs Kollegen.

Onklantson – Ein gestrandeter Sternentramp.

DIE ENTSTEHUNG DER SUPERINTELLIGENZ BARDIOC

1. Der Verrat

Der Anblick war vertraut: Laire war da, der einäugige Roboter mit seinem Körper aus weichem Stahl. Er kauerte neben dem Sockel der Unberührbarkeit und hielt die Hand mit den viel zu kurzen und ausgeglühten Fingern vor die Höhle mit dem zerstörten Auge darin, als schäme er sich seiner körperlichen Unvollkommenheit.

Bardioc, der in einer Wolke aus blauem Wasserdampf in der Ebene materialisierte, sah die einsame Gestalt des Roboters ein paar Schritte von sich entfernt dahocken, und mit einemmal erschien ihm alles, was er in letzter Zeit geplant hatte, absurd und undurchführbar.

Bevor der Wasserdampf sich völlig verflüchtigte, schlug sich ein bisschen davon auf Laires dunkler Außenhülle nieder und verlieh ihr den vorübergehenden Anschein glänzender Neuheit.

Bardioc fühlte den Druck der unvollkommenen Sonnen draußen im Weltraum, ihre Gravitationsfelder umtosten die Ebene und zerrten an ihr, doch sie hing unverrückbar im Nichts, dort, wo sie einst von einer Macht errichtet worden war, von der Bardioc nicht einmal den Namen kannte.

Sicher war die Ebene nicht der ideale Treffpunkt, wenn man sie allein nach ihren technischen Gegebenheiten beurteilte, dazu war sie zu alt und zu unkalkulierbar. Die psychologische Wirkung dieser Umgebung war jedoch unvergleichlich.

Bardioc, der zum unzähligsten Male hierher kam, erschauerte immer wieder unter der Wucht des Eindrucks, den diese Umgebung auf ihn machte. In dieser schier endlosen Gerade mitten im Nichts schien die Zeit gefangen zu sein, dieses mächtige Gebilde schien im Rhythmus der Ewigkeit zu atmen.

Und doch würde die Ebene eines Tages zerfallen, zernagt und zermürbt von den Gewalten der nahen Sonnen, von ihren Strahlenschauern, ihren Gravitationsstürmen und ihren Hitzefluten.

Laire würde dann immer noch hier sein, zum robotischen Krüppel verstümmelt, einsam und schweigend, das eine Auge auf das Bild der Zerstörung gerichtet.

Und er würde das Geheimnis seiner Herkunft mit in den Untergang nehmen.

Ich kann es nicht tun!, dachte Bardioc.

Wahrscheinlich hätte er tatsächlich aufgegeben, wenn einer der sechs anderen bereits vor ihm dagewesen wäre. Doch er war allein.

Kaum, dass der RUF an ihn und die sechs anderen ergangen war, hatte Bardioc seinen normalen Lebensbereich verlassen und war zur Ebene aufgebrochen. Er hatte gewusst, wie ihm nach seiner Ankunft zumute sein würde, und sich entsprechend beeilt.

Nun war er allein hier und hatte Zeit, um seine Gedanken zu ordnen und die psychische Kraft zu sammeln, die er brauchte, wenn er seinen Plan realisieren wollte.

Nachdem er aus der Wasserdampfwolke hervorgetreten war, wurde Bardiocs imposantes Äußeres sichtbar. Er war eine riesige Gestalt mit wallenden Haaren und glühenden Augen, sein lichtdurchfluteter Körper ließ mit jeder Bewegung erkennen, dass sich in ihm Kraft, Mut, Intelligenz und ungezügelte Wildheit vereint hatten.

Obwohl Bardioc sicher sein konnte, zuerst auf der Ebene materialisiert zu sein, sah er sich nach allen Seiten um. Er durfte keinen Fehler begehen, denn wenn die anderen zu früh von seinen Absichten erfuhren, würden sie sie durchkreuzen und ihn gnadenlos bestrafen.

Ein ketzerischer Gedanke kam ihm in den Sinn.

Ob jemals einer der anderen einen solchen Plan ins Auge gefasst hatte?

Vielleicht der kleine Ganerc?

Oder der düstere Partoc?

Nein!, dachte Bardioc überzeugt. Keiner der anderen hätte je so viel Mut und Initiative aufgebracht. Sie lebten für sich in ihren kosmischen Burgen und meditieren, bis zu dem Augenblick, da der RUF an sie erging und sie ihren Auftrag ausführen mussten.

Bardioc machte Laire ein Zeichen.

Der einäugige Roboter erhob sich.

Er legte eine Hand auf Bardiocs Körper. Unwillkürlich zuckte Bardioc bei dieser Berührung zusammen. Vielleicht konnte Laire Gedanken lesen!

»Du bist Bardioc. Ich habe dich erkannt«, sprach Laire die Begrüßungsformel.

Bardioc nickte, ganz gegen seine frühere Gewohnheit versuchte er nicht, den Roboter in ein Gespräch zu verwickeln, denn er fürchtete, dass er sich durch eine winzige Kleinigkeit verraten könnte. Dabei hätte es ihn auch jetzt noch interessiert zu erfahren, ob jene, die den RUF ergehen ließen, Laire und die Ebene selbst erschaffen oder nur von einer anderen Macht übernommen hatten.

Bardioc wusste nichts über die Macht, der er diente, vielleicht existierte sie sogar nur jenseits der Materiequellen und würde für ihn und die sechs anderen immer unerreichbar bleiben.

Im Vergleich zu den Heimstätten der sechs anderen war Bardiocs kosmische Burg ziemlich armselig, und wenn auch nie darüber gesprochen wurde, so hatte Bardioc doch oft den Eindruck, dass er bei den sechs anderen deshalb als minderwertig galt.

Ich werde es ihnen zeigen!, dachte er grimmig.

Er war nicht gern in seiner Burg, sie beengte ihn und gab ihm ein Gefühl des Gefangenseins, so dass seine Pflichtmeditationen eher düstere Visionen als heitere Gedankenspielereien waren.

Doch nun war der RUF erneut an ihn und die sechs anderen ergangen, und Bardioc war entschlossen, niemals in seine Burg zurückzukehren.

Bardioc wandte sich von Laire ab und schritt die Ebene hinab. Sobald die anderen eintrafen, würde er schnell wieder zurück sein, um sie zu begrüßen.

Er war sich darüber im klaren, dass er zur Realisierung seines Planes unendlich viel Zeit und Geduld aufbringen musste, aber das verheißungsvolle Ziel rechtfertigte alle noch so großen Anstrengungen.

Als er zurückblickte, konnte er Laire nur noch verschwommen erkennen, die Gestalt des Roboters bildete zusammen mit dem Sockel der Unberührbarkeit einen schattenähnlichen Komplex.

Lorvorc, einer der sechs anderen, hatte oft behauptet, die Ebene sei weiter nichts als eine optische Täuschung, eine im Raum manifestierte Illusion, an der nur Laire echt sei.

Jetzt, da er die Ebene hinabschritt, erschien sie Bardioc alles andere als illusionär.

Bardioc blickte zu den brodelnden und wogenden Sonnenmassen im Weltraum hinaus.

In ein kosmisches Gebiet ähnlich wie dieses würden Bardioc und seine sechs Artgenossen demnächst aufbrechen, jeder für sich an Bord seines mächtigen Sporenschiffs.

In diesem Augenblick erschien Kemoauc!

Obwohl die Materialisation sich in erheblicher Entfernung abspielte, ließ die Aura an goldenem Licht keinen Zweifel daran, dass es Kemoauc war, der da ankam.

Bardioc spürte, dass sich in seinem Innern alles verkrampfte. Wieso, überlegte er unbehaglich, kam ausgerechnet Kemoauc so früh, der stille und selbstbewusste Kemoauc, den alle anderen stillschweigend als Anführer akzeptierten?

Kemoauc war kleiner als Bardioc, aber es lag etwas in den Blicken seiner Augen, was ihn überlegen machte. Tiefer als Kemoauc, sagten die anderen, war noch keiner bei der Beladung der Sporenschiffe in die Materiequellen eingedrungen, und Kemoauc hatte dabei Dinge erblickt, die ihn gestärkt und verändert hatten.

Die Tiefe und Dunkelheit von Kemoaucs Augen war von Murcon einst mit der von Zeitbrunnen verglichen worden, und Bardioc konnte sich nicht vorstellen, dass jemand einst einen besseren Vergleich finden würde.

Bardioc beobachtete, wie Kemoauc zu Laire ging und die Begrüßungszeremonie absolvierte. Es war tröstlich für Bardioc zu wissen, dass auch der große Kemoauc sich dieser Pflichten nicht zu entziehen vermochte.

Da er wusste, dass er seine Anwesenheit nun nicht länger verborgen halten konnte, begab Bardioc sich wieder zum Sockel der Unberührbarkeit, um Kemoauc zu begrüßen.

»Seit unserem letzten Hiersein ist alles noch ein bisschen brüchiger geworden«, beklagte Kemoauc den Zustand der Ebene. Er warf einen besorgten Blick in Richtung der Sonnenwirbel. »Irgendwann werden wir uns einen anderen Treffpunkt suchen müssen.«

Erst dann kam er auf Bardiocs frühes Hiersein zu sprechen, ein Umstand, der seine Gefährlichkeit nur noch unterstrich und Bardiocs Wachsamkeit in unerträgliche Spannung steigerte.

»Täusche ich mich oder hast du den weitesten Weg von uns allen?«, fragte Kemoauc.

»Du täuschst dich nicht«, erwiderte Bardioc gelassen, obwohl er innerlich vibrierte. »Aber die Länge des Weges sagt nichts über die Geschwindigkeit aus, mit der man sich bewegt. Und Geschwindigkeit ist motivierbar.«

Ein Lächeln entstand auf Kemoaucs Gesicht.

»Kann man den Grund deiner Motivation erfahren?«

»Er entspringt einer ureigenen Meditation!«, sagte Bardioc.

Kemoauc fragte nicht weiter, denn es galt als unschicklich, über die ureigenen Meditationen eines anderen zu reden. Bardioc war zwar erleichtert, dass das Thema damit erledigt war, aber er kam sich auch nicht besonders schlau vor, denn bestimmt hatte er nun das Interesse des anderen auf sich gelenkt – und das war das letzte, was er gewollt hatte.

Bardioc war froh, als ein Schatten auf die Ebene fiel. Ariolc glitt aus dieser dunklen Wolke, eingehüllt in ein Gewand aus rotem Samt, zu dem seine hellen Haare einen reizvollen Kontrast bildeten. Die Auftritte Ariolcs waren stets Spiegelbilder seiner Eitelkeit, und als Bardioc einmal Ariolcs Burg besucht hatte, war er, angewidert von dem dort herrschenden Prunk, schnell wieder heimgekehrt.

Dabei war Ariolc selbst umgänglich und humorvoll.

Die Wolke fiel schnell in sich zusammen, während Ariolc zu Laire ging, um sich zu identifizieren.

»Wie ich sehe, hätte ich mich nicht so sehr zu beeilen brauchen«, sagte er, dann fiel sein Blick auf Bardioc. »Du bist schon hier?«

»Er war der erste«, bemerkte Kemoauc scheinbar beiläufig.

Bardioc zog es vor zu schweigen. Er durfte sich nicht länger unsicher machen lassen. Wahrscheinlich gehörten die Bemerkungen und Fragen der anderen nur zum Teil der oberflächlichen Konversation, und nur die Tatsache, dass Bardioc ein schlechtes Gewissen hatte, veranlasste ihn, diesen Worten eine tiefere Bedeutung beizumessen.

Das Erscheinen von Ganerc unterbrach das Gespräch, noch bevor es richtig in Gang gekommen war.

Ganerc unterschied sich schon äußerlich beträchtlich von den sechs anderen, denn er war nur halb so groß wie sie. Niemand wusste, ob er unter diesem Umstand litt, aber er hatte als einziger jemals bei einem Treffen gefehlt und nicht auf den RUF geachtet. Damals war das Gerücht entstanden, er wollte freiwillig aus dem Leben scheiden. Ganerc hatte nie darüber gesprochen und auch keine Erklärung für sein Fernbleiben abgegeben.

»Ich freue mich«, sagte er zu den drei anderen. »Es ist lange her, dass wir uns getroffen haben.«

»Ziemlich lange«, bestätigte Kemoauc. »Doch der RUF wird uns wieder vereinen.«

Als nächster erschien Partoc, doch wie es seiner Art entsprach, hockte er sich stumm auf den Boden und sagte kein einziges Wort. Partoc hatte einmal eine Havarie mit seinem Sporenschiff erlitten und war gezwungen gewesen, eine Zeitlang unter Sterblichen zu leben. Dieses Erlebnis hatte er niemals ganz überwunden.

Laire schaltete jetzt die Beleuchtung der Ebene ein, so dass die kochenden Sonnenmassen zurückzutreten und zu verblassen schienen.

Als hätte er nur auf diesen Augenblick gewartet, materialisierte Murcon in einer Lichtkaskade und hob zur Begrüßung einen Arm. Murcon lebte als einziger der Sieben nicht allein in seiner kosmischen Burg, aber er verriet nie, wer noch bei ihm war, und wenn ihn einer der anderen besuchte, pflegte er seinen geheimnisvollen Gast zu verstecken.

»Ich freue mich«, sagte Murcon zu den Anwesenden und schaute sich um. »Wie ich sehe, fehlt nur noch Lorvorc.«

»Vielleicht hat er den RUF überhört«, meinte Ariolc.

Es war ein schlechter Scherz, über den niemand lachte.

Zum ersten Mal fühlte Bardioc sich in diesem Kreis einsam und verlassen. Das zeigte ihm, wie sehr er sich innerlich bereits von den anderen getrennt hatte.

Und nun war die Zeit gekommen, diese Trennung auch körperlich und räumlich zu vollziehen.

Bardioc war nicht länger bereit, im Sinn seiner anonymen Auftraggeber tätig zu werden. Er hatte einen festen Plan, wie er aus dem Kreis der Sieben ausbrechen und seine eigenen Wünsche realisieren würde. Das Leben in seiner kleinen kosmischen Burg erschien ihm eintönig und unbefriedigend.

Er sehnte sich danach, ein eigenes großes Reich aufzubauen, über das er herrschen wollte.

Bardioc hatte begonnen, den Traum von unbegrenzter Macht zu träumen.

»Ob wir jemals erfahren werden, wer unsere Auftraggeber sind?«, sinnierte Ganerc und unterbrach mit dieser Frage Bardiocs Gedankengänge.

»Wer immer sie sind – sie handeln positiv«, erwiderte Kemoauc.

Ganerc sah sich im Kreise der anderen um.

»Eigentlich müsste einer von uns ihr Vertrauter sein und damit mehr wissen als wir alle«, überlegte er. »Kemoauc käme dafür in Frage. Weißt du mehr als wir, Kemoauc?«

»Nein«, antwortete Kemoauc, und jeder konnte fühlen, dass die Antwort mit großer Aufrichtigkeit gegeben wurde. »Ich weiß nicht mehr als ihr alle. Genau wie euch hat man mir ein Sporenschiff zur Verfügung gestellt, mit dem ich Lebenskeime in unbelebte galaktische Regionen transportiere.«

»Warum sind die Unbekannten, die diese Schiffe beladen, so sehr daran interessiert, dass das Leben sich auch in den verlassensten kosmischen Regionen ausbreitet? Warum geben sie sich nicht mit der natürlichen Evolution zufrieden?«

»Das ist eine philosophische Frage, über die ich schon lange nachgedacht habe«, gestand Kemoauc. »Ich nehme an, dass die Unbekannten den Sinn des Universums darin sehen, dass es überall Leben trägt. Vielleicht handeln sie ihrerseits nur im Auftrag einer anderen Macht.«

Ganerc schüttelte ungläubig den Kopf.

»Jenseits der Materiequellen befindet sich nichts mehr!«

»Wer will das wissen?«, meinte Kemoauc. »Am Beginn unserer Existenz glaubten wir auch, das Universum ende jenseits unserer Burgen. Aber hinter jeder Tür, die wir aufgestoßen haben, befand sich ein neuer Raum, mit neuen Geheimnissen darin.«

Obwohl er einerseits froh darüber war, dass das Gespräch sich in für ihn unverfänglichen Bahnen bewegte, wünschte Bardioc, dass es bald vorüber sein würde. Er dachte nicht gern über seine Herkunft nach. Sie lag – genau wie die der sechs anderen – völlig im dunkeln. Eines Tages waren sie sich alle sieben ihrer selbst bewusst geworden und hatten sich in ihren Burgen gefunden. Wenig später war zum ersten Mal der RUF ertönt. Zum ersten Mal waren die sieben riesigen Schiffe aufgebrochen, um Sporen zu transportieren, und zum ersten Mal war dann in der zweiten Phase des Entwicklungsplans ein Schwarm konstruiert worden, der auf seiner langen Reise Intelligenz zu den entstehenden Völkern tragen sollte.

Das alles hatte sich schon sehr oft abgespielt, und nun war, nach einer längeren Pause, der RUF abermals ergangen.

»Wir sind die sieben Mächtigen«, erklärte Kemoauc. »Damit sollten wir zufrieden sein. Wir sind relativ unsterblich, und unsere Macht ist so groß, dass uns Sterbliche, denen wir begegnen, für götterähnliche Wesen halten.«

Sein Blick fiel auf Partoc, und er entschuldigte sich sofort.

»Es tut mir leid, Partoc«, sagte er. »Ich wollte mit meinen Worten keine alten Wunden aufreißen.«

Partoc starrte auf den Boden und sagte nichts.

»Trotzdem sollten jene, die unsere Schiffe beladen, uns nicht länger darüber im unklaren lassen, welcher Sinn hinter den sich stets wiederholenden Unternehmungen steckt«, sagte Ariolc.

»Vielleicht würden wir den Sinn überhaupt nicht verstehen«, mischte sich Bardioc ein, denn er befürchtete, dass allzu langes Schweigen nur das Misstrauen der anderen beflügeln würde.

Murcon sagte verbissen: »Manchmal komme ich mir vor wie der Teil einer gigantischen Maschinerie. Was wir tun, ist großartig, aber es verliert seinen Reiz, weil niemals etwas Neues geschieht! Ich gestehe, dass ich es allmählich langweilig finde.«

Diesmal wird etwas Neues geschehen!, dachte Bardioc ironisch.

Der Gedanke, dass er eine lange Kette immer wiederkehrender Ereignisse unterbrechen würde, berauschte ihn. Er empfand sogar Triumph bei dem Gedanken, dass er es als einziger der sieben Mächtigen wagen wollte, den Auftrag zu ignorieren.

Eine Lichtkugel erschien über ihren Köpfen und machte dem Geräusch ein Ende.

»Das ist Lorvorc!«, stellte Kemoauc vor.

Die Kugel zerbarst. Der vierschrötig aussehende Lorvorc stand vor den anderen und sah sie mit deutlicher Abneigung an.

»Bevor ich hierherkam, hatte ich eine negative Meditation«, sagte er, nachdem er Laire begrüßt hatte. »Ich sah deutlich vor mir, dass einer von uns zum Verräter wurde.«

Bardioc starrte den Ankömmling an. Ihm war, als schwanke der Boden unter seinen Füßen. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Er wollte sich herumdrehen und fliehen, aber er war nicht in der Lage, eine Bewegung zu machen.

»Das war eine Vision«, sagte Kemoauc ruhig. »Keine Tatsache. Jeder von uns erlebt das einmal.«

»Eigentlich«, fuhr Lorvorc unbeirrbar fort, »wollte ich nicht kommen, denn ich finde den Gedanken, Seite an Seite mit einem Verräter zu sitzen, unerträglich.«

Er weiß es nicht!, dachte Bardioc mit unsäglicher Erleichterung. Er weiß es nicht, dass ich es bin.

Trotzdem war die Situation für ihn gefährlich.

»Was kannst du uns Konkretes sagen?«, erkundigte sich Murcon.

»Nichts«, musste Lorvorc zugeben. »Aber wir sollten uns vorsehen und jedem von uns klarmachen, dass ihn eine schreckliche Strafe erwartet, wenn er uns verrät.«

»Das ist nicht nötig«, widersprach Kemoauc. »Wir haben unsere ungeschriebenen Gesetze, so dass jeder weiß, was auf ihn zukommt, wenn er nicht im Sinn unserer Auftraggeber handelt.«

»Dann lasst uns beginnen«, schlug Murcon vor.

Kemoauc wandte sich an Laire.

»Öffne die Halle für uns«, befahl er dem Roboter. »Wir wollen die Schiffe verteilen und die Koordinaten bekannt geben.«

Dies war der entscheidende Augenblick!, überlegte Bardioc. Noch war Zeit für eine Umkehr. Er konnte gestehen und um Gnade bitten. Die anderen würden ihm verzeihen. Er konnte auch schweigen und den Auftrag korrekt wie immer durchführen.

Aber er würde weder das eine noch das andere tun.

VIELE MILLIONEN JAHRE SPÄTER – PERRY RHODAN

2. Die Ankunft

Während des langen Fluges innerhalb der Energiesphäre BULLOCS war er oft in tiefe Bewusstlosigkeit verfallen, aus der er wahrscheinlich zuletzt nicht mehr erwacht wäre, wenn der Zellaktivator seinem Körper nicht immer wieder neue Kräfte zugeführt hätte.

Perry Rhodan ahnte, dass sie sich längst nicht mehr in Ganuhr, sondern in einer anderen Galaxis befanden.

Damals, als er sich an Bord der Sphäre begeben hatte, um die SOL und ihre Besatzung zu retten, hatte Perry Rhodan nicht ahnen können, welche schreckliche Reise ihm bevorstand. Der erste Teil des Fluges war gerade noch erträglich gewesen, denn Perry Rhodan hatte Gelegenheit gefunden, die Sphäre zu verlassen und so für eine Zeitlang aus der Nähe der vierten Inkarnation zu entkommen. Das war auf der Glaswelt der Fall gewesen und vorher auf dem Planeten Culhm.

Dann jedoch waren Wochen um Wochen verstrichen, in denen er pausenlos der verheerenden mentalen Ausstrahlung BULLOCS ausgesetzt blieb, ein Zeitraum, den BULLOC wahrscheinlich genutzt hatte, um den Abgrund zwischen zwei Galaxien zu überwinden.

Zunächst hatte Rhodan es verstanden, sich gegen die Impulse BULLOCS abzuschirmen, aber ihre stetige Wiederholung hatte dazu geführt, ihn zu zermürben.

Es kam der Zeitpunkt, da Perry Rhodan einen schnellen Tod dem weiteren Dahinvegetieren an Bord der Energiesphäre vorgezogen hätte.

Trotzdem war seine Hoffnung noch nicht völlig erloschen.

Irgendwann musste BULLOC sein Ziel erreichen, dann bestand Aussicht auf eine Änderung der Lage.

Dabei hatte BULLOC nicht einmal absichtlich mit der Zerstörung von Rhodans Psyche begonnen. Der seelische Zerfallsprozess, gegen den Rhodan sich zur Wehr setzen musste, wurde allein durch die Anwesenheit der vierten Inkarnation ausgelöst.

Ab und zu hatten BULLOC und er versucht, miteinander in Verbindung zu treten. Dabei hatte Perry Rhodan erfahren, dass BULLOC seine drei Vorgänger CLERMAC, SHERNOC und VERNOC endgültig ausgeschaltet hatte. Am Machthunger und an der Selbstherrlichkeit der vierten Inkarnation bestanden für Perry Rhodan keine Zweifel mehr.

Inzwischen waren die geringen Vorräte Rhodans längst aufgebraucht.

Er lag am Boden im Innern der Sphäre und spürte unterschwellig die zunehmende Geschäftigkeit der Inkarnation. Dies deutete wahrscheinlich darauf hin, dass man sich einem Ziel näherte.

Rhodan war bereits so apathisch geworden, dass er erst auf diese Veränderung reagierte, als BULLOC ihn ansprach.

»Perryrhodan!«

Die dumpfe Stimme, die scheinbar aus dem Nichts kam, ließ Perry Rhodan hochschrecken. Die letzten Stunden hatte er in einer Art Dämmerzustand verbracht.

Im Innern der Sphäre herrschte Dunkelheit. Das änderte sich nur, wenn BULLOC die Außenhülle transparent machte und auf diese Weise das Licht fremder Sonnen hereinstrahlen ließ. Aber auch dann war der Terraner nicht in der Lage, das wahre Aussehen BULLOCS zu ergründen. Die Inkarnation zeigte sich ihm als nackter und geschlechtsloser Mensch. Rhodan wusste, dass dies eine Täuschung war. Jedes Wesen, das die Inkarnation beobachtete, sah einen Artgenossen im Innern der Sphäre schweben.

»Perryrhodan!«

Rhodan richtete sich auf.

Er war zu müde und zu erschöpft, um mehr als diese schwache Reaktion zu zeigen.

»Wir befinden uns im Anflug auf BARDIOC«, berichtete BULLOC. »Ich werde dem Meister mit strahlender Macht gegenübertreten und ihm einen wichtigen Gefangenen übergeben.«

Rhodan ließ diese Worte auf sich einwirken. Er brauchte einige Zeit, um ihren Sinn zu verstehen. Zu lange hatte sein Verstand auf jeglichen Informationsfluss verzichten müssen.

Er hatte nur noch den Wunsch, endlich von hier zu entkommen.

»Sobald wir in das Sonnensystem einfliegen, werde ich dir einen Blick in die Umgebung gestatten«, fuhr BULLOC fort.

Rhodan begriff, dass die Inkarnation nur mit ihm sprach, weil sie auf diese Weise ihren Triumph noch besser auskosten konnte.

Allmählich begann Rhodans Gehirn wieder zu arbeiten. Er begriff, dass sich der lange Flug dem Ende näherte. Vor ihnen lag BARDIOC, wer oder was immer das war.

Rhodan überlegte, ob er die Superintelligenz zu sehen bekommen würde.

Vielleicht war er nicht in der Lage, sie optisch zu erfassen, weil sie zu andersartig war.

Es war auch nicht auszuschließen, dass er jetzt sterben würde.

Nach diesem langen und schrecklichen Flug war er vielleicht nicht in der Lage, die Gegenwart einer Superintelligenz zu ertragen, zumal Rhodan davon ausgehen musste, dass sie in ihren Ausstrahlungen noch schlimmer war als ihre vierte Inkarnation.

Rhodan hörte, dass BULLOC sich in seiner unmittelbaren Nähe regte.

Dann wurde es plötzlich hell.

Bisher war es Perry Rhodan nicht gelungen, das Antriebsprinzip der Sphäre zu ergründen. Er vermutete jedoch, dass psionische Energie im Spiel war. Womöglich stellte die Sphäre eine Kombination einer herkömmlichen Technik und paranormaler Entwicklung dar. Auch über die Schaltanlagen im Innern der Sphäre wusste Rhodan nichts. Er hatte einige Dinge berührt, aber ihre Form und ihre Beschaffenheit hatten ihm nichts über ihre Funktion verraten.

Rhodan wusste nicht, ob die Außenhülle der Sphäre jetzt tatsächlich transparent wurde oder ob mit geeigneter Mitteln lediglich das Bild der kosmischen Umwelt auf die innere Schicht der Hülle projiziert wurde. Auf jeden Fall war die Szene, die Rhodan sah, manipuliert.

Er sah eine gelbe Normalsonne mit sieben Planeten.

Doch diese Konstellation interessierte ihn erst in zweiter Linie.

Weitaus interessanter waren die Raumschiffe.

Tausende davon verließen das Sonnensystem oder kamen gerade an, andere hingen in dichten Verbänden im Raum. In erster Linie handelte es sich um Scheibenschiffe der Hulkoos, aber Perry Rhodan sah auch viele andere Konstruktionen, die vermuten ließen, dass in diesem System die Angehörigen der verschiedenartigsten raumfahrenden Völker für BARDIOC arbeiteten.

Zentrum dieser Bewegungen war zweifellos der dritte Planet des Systems, von dem ständig Raumschiffe starteten oder auf ihm landeten.

»Das ist die Welt BARDIOCS«, unterrichtete ihn BULLOC, als hätte er die Gedanken des Terraners erraten. »Vielmehr ist diese Welt BARDIOC.«

Rhodan spürte, dass von diesem Planeten ein starker mentaler Druck ausging, der jedoch leichter zu ertragen war als BULLOCS Impulse. Das würde sich vielleicht noch ändern, wenn sie näher herankamen.

Rhodan streifte die Erinnerung an die vergangenen qualvollen Wochen von sich ab und mobilisierte seine letzten geistigen und körperlichen Kräfte. Obwohl er sich darüber im klaren war, dass er den Status eines Gefangenen besaß, schöpfte er wieder Hoffnung.

Hatte er sich nicht selbst zum Ziel gesetzt, BARDIOC zu begegnen?

Die Begegnung kam zwar unter anderen Bedingungen zustande, als er sich das vorgestellt hatte, aber deshalb durfte er sich nicht von Anfang an aufgeben.

Rhodan dachte an die SOL.

Wo mochte sich das mächtige Schiff jetzt befinden?

War die Besatzung noch auf Rhodans Spur?

Rhodan bezweifelte das. Er befürchtete, dass er für alle Zeiten von der Menschheit getrennt bleiben würde.

Er schloss die Augen. Es war sinnlos, wenn er sich jetzt darüber den Kopf zerbrach, denn damit würde er sein Schicksal bestimmt nicht beeinflussen. Seine Abenteuer in Naupaum fielen ihm ein. Damals war ihm nur sein Gehirn geblieben, und er hatte sich eines fremden Körpers bedienen müssen. Trotzdem hatte er zu den Menschen zurückgefunden.

Warum sollte ihm das nicht auch diesmal gelingen?

Er musste versuchen, möglichst viel über BARDIOC zu erfahren, bevor er mit der Superintelligenz zusammentraf.

»Wer oder was ist BARDIOC?«, wandte er sich an die vierte Inkarnation. »Kannst du mir über die Superintelligenz und ihre Entstehung berichten?«

Zu seinem Erstaunen lehnte BULLOC diesen Wunsch nicht ab.

»Ich werde dir in Kürze die Geschichte BARDIOCS erzählen«, versprach die Inkarnation. »Es ist die Geschichte einer Machtentfaltung ohne Beispiel. Vor allem aber wirst du dabei auch viel über mich erfahren und erkennen, dass ich dem Meister in vielen Dingen nicht nachstehe.«

Rhodan hatte aufmerksam zugehört. BULLOCS Worte machten ihn nachdenklich.

Sprach daraus nur Eitelkeit, oder träumte die vierte Inkarnation insgeheim davon, eines Tages an BARDIOCS Stelle treten zu können?

BULLOC hatte CLERMAC, VERNOC und SHERNOC vernichtet – lauerte er jetzt vielleicht auf ein größeres Opfer?

Zwischen den Pulks von Raumschiffen hindurch glitt die Energiesphäre mit BULLOC und seinem Gefangenen darin auf den Planeten zu, wo BARDIOC nach der Aussage der vierten Inkarnation leben sollte.

Hier war nichts von der strahlenden Großartigkeit zu sehen, mit der sich die Kaiserin von Therm Besuchern aus dem Weltraum präsentierte. Doch das besagte überhaupt nichts. BARDIOC war zweifellos genauso mächtig wie die Duuhrt, wenn seine Handlungen auch oft unlogisch und verwirrend erschienen waren.

Rhodan wunderte sich, dass er weder Raumstationen noch Satelliten sah, die um BARDIOCS Welt kreisten. Angesichts der vielen Raumschiffe, die in diesem Sektor operierten, hatte er eigentlich damit gerechnet, umfangreiche technische Anlagen zu erblicken.

Wahrscheinlich befanden diese sich auf der Oberfläche des Planeten.

»Wie nennt man diesen Planeten?«, wandte er sich an BULLOC.

»BARDIOC!«, lautete die Antwort.

Rhodan war irritiert, aber er stellte keine weiteren Fragen. Er erinnerte sich an die vor wenigen Minuten gemachte Aussage BULLOCS, dass dieser Planet BARDIOC sei.

Es war natürlich absurd, sich unter einer Superintelligenz einen ganzen Planeten vorzustellen. Damit ließ sich das Rätsel nicht lösen.

Die Sphäre stieß in die obersten Schichten der Atmosphäre vor und bald darauf konnte Perry Rhodan die Oberfläche eines Kontinents beobachten.

Was er sah, überraschte ihn so stark, dass er zunächst glaubte, einer optischen Täuschung zum Opfer gefallen zu sein.

Dort unten gab es keinerlei technische Einrichtungen. Fast das gesamte Land war bewachsen. Die Schiffe der Hulkoos und der anderen Raumfahrer landeten auf unbewachsenen Ebenen oder großen Lichtungen, wo es weder Stationen noch Kontrolltürme gab.

Wenn diese vielen Raumschiffe nicht gewesen wären, hätte man BARDIOC für einen unberührten Planeten halten können, auf dem es kein intelligentes Leben gab.

Das Bild änderte sich jedoch nicht, und Rhodan musste sich zu der Überzeugung durchringen, dass er die Realität sah.

Aber wo war BARDIOC?

Wer oder was war BARDIOC?

In seinem Innern spürte Rhodan die Nähe von etwas unsagbar Fremden und Mächtigen. Dieses Gefühl wurde von irgend etwas ausgelöst, was sich dort unten befand.

Wahrscheinlich war dies ein unberührter Kontinent, eine Art Naturschutzgebiet, dachte Perry Rhodan. In anderen Gebieten dieser Welt sah es wahrscheinlich ganz anders aus. Vielleicht waren auch alle technischen Einrichtungen unter der Planetenoberfläche verborgen.

Je länger Rhodan überlegte, desto überzeugter wurde er, dass das Bild, das sich seinen Augen bot, nicht den wahren Charakter dieses Planeten offenbarte.

Die Energiesphäre überflog ein Meer. Auch dort gab es keinerlei Stationen, kein einziges Schiff war aus dieser Höhe zu sehen. An den Küsten gab es weder Häfen noch Städte, und der nächste Kontinent, den die Sphäre erreichte, glich in jeder Beziehung dem ersten.

Rhodan zweifelte nicht mehr daran, dass er eine Halluzination erlebte. Er vermutete, dass hochwertige Projektoren Besuchern aus dem Weltraum dieses Bild unberührter Natur vorgaukelten, um von den eigentlichen Einrichtungen abzulenken.

DIE ENTSTEHUNG DER SUPERINTELLIGENZ BARDIOC

3. Der Diebstahl

Einige Jahre, nachdem sein Sporenschiff beladen und in das vorgeschriebene Zielgebiet aufgebrochen war, stellte Bardioc fest, dass er nicht allein an Bord war.

Bei der Größe des Schiffes war diese Entdeckung ein Zufall, und zu Bardiocs Glück fand sie zu einem Zeitpunkt statt, bevor er den Kurs geändert hatte, um das Schiff in ein eigens dafür vorbereitetes Versteck zu entführen.

Trotzdem bedeutete diese Entdeckung für Bardioc einen ungeheuren Schock, denn er musste davon ausgehen, dass man ihm einen Spion mitgegeben hatte. Vielleicht befand sich sogar einer der sechs anderen Mächtigen an Bord, um ihn zu überwachen.

Vielleicht hatte Lorvorc mehr gewusst, als er während der letzten Zusammenkunft zugegeben hatte.

Eine Zeitlang war Bardioc unfähig, irgend etwas zu tun. Er zog sich in seine ausgedehnten Privatgemächer zurück und versuchte, sich zu entspannen. Es war ziemlich sinnlos, sich auf die Suche nach dem unheimlichen zweiten Passagier zu begeben, denn es war nichts einfacher, als sich an Bord eines Sporenschiffs zu verstecken.

Bardioc zermarterte sich das Gehirn, um eine Lösung zu finden.

Die Kursänderung musste in naher Zukunft vorgenommen werden, sonst vergeudete Bardioc zuviel Zeit und konnte nicht rechtzeitig zu der Zusammenkunft der sieben Mächtigen kommen, bei der die zweite Phase eingeleitet wurde.

Einen Augenblick erwog er, den Plan, sich einen eigenen Machtbereich zu schaffen, wieder aufzugeben.

Dann jedoch erwachte sein Trotz.

Wenn tatsächlich einer der sechs anderen an Bord war, konnte er Bardioc nichts beweisen. Das Schiff war vorschriftsmäßig an der Materiequelle mit Sporen beladen worden und befand sich auf dem richtigen Kurs. Für jeden Beobachter musste der Eindruck entstehen, dass Bardioc das Schiff in jenes Gebiet steuerte, um durch die Ausstreuung von Lebenskeimen die natürliche Evolution, die sonst erst sehr viel später oder überhaupt nicht eingesetzt hätte, einzuleiten und zu beschleunigen.

Bardioc beschloss, die Initiative zu ergreifen.

Er musste den Unbekannten zur direkten Konfrontation zwingen.

Nun, da er entschlossen war, den ursprünglichen Plan in jedem Fall zu realisieren, legte sich seine Panik schnell. Wer immer sich an Bord befand, war ihm bestenfalls ebenbürtig – auf keinen Fall aber überlegen.

Dann jedoch kam ihm ein bestürzender Gedanke.

Befand sich ein Passagier an Bord, der von jenseits der Materiequellen kam?

Ein Gesandter der geheimnisvollen Auftraggeber, die die Sporenschiffe beladen und jedes Mal an die sieben Mächtigen den RUF ergehen ließen, wenn es galt, neu entstandene galaktische Gebiete für organisches Leben zu präparieren?

Unmöglich!, dachte Bardioc.

Noch nie war jemand von der anderen Seite gekommen, und alle Gesetze des Universums sprachen dagegen, dass dies jemals geschehen könnte. Aber vielleicht hatten Bardiocs Auftraggeber irgend jemand an Bord geschleust, der zum Raum-Zeit-Kontinuum gehörte, in dem Bardioc seine Arbeit verrichtete.

Es wäre leicht gewesen, dies bei der Beladeaktion zu bewerkstelligen.

Ich muss es herausfinden!, dachte Bardioc grimmig.

Trotzdem ließ er sich Zeit. Er durfte nichts überstürzen. Wenn er zu schnell angriff und unterlag, würde er den Grund für seine Aggressivität später nur schwer erklären können.

Schließlich machte er sich daran, eine Bombe zu bauen. Mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln war das sehr einfach. Er hielt seine Idee für genial, denn der zweite Passagier rechnete bestimmt nicht damit, dass der Schiffsbesitzer einen primitiven Trick anwenden würde.

Und der andere wusste nicht, dass man ihn entdeckt hatte!

Oder doch?

Hatte der Unbekannte seine Spur vielleicht absichtlich hinterlassen, um Bardioc auf sich aufmerksam zu machen und ihn aus der Reserve zu locken?

Das Problem wurde immer vielschichtiger, und Bardioc wusste, dass er aufgeben würde, wenn es ihm nicht gelang, es innerhalb kurzer Zeit zu lösen.

Er deponierte die Bombe in das bewegliche Kontroll- und Wartungssystem des Schiffes und transportierte sie auf diese Weise in eine Sekundärzentrale. Dieser Vorgang erforderte Geduld, denn das System arbeitete mit konstanter Geschwindigkeit, die zu ändern Bardioc nicht wagte.

Bevor er die Bombe losgeschickt hatte, war er bei drei verschiedenen Rechnern gewesen, um sich unabhängig voneinander den Zeitpunkt der Ankunft des Sprengkörpers in der Sekundärzentrale ermitteln zu lassen.

Entsprechend der identischen Ergebnisse hatte er den Zünder eingestellt.

Die Bombe explodierte zum vorgesehenen Zeitpunkt in der Sekundärzentrale. Das Kontroll- und Wartungssystem gab für diesen Teil des Schiffes Alarm.

Bardioc schaltete alle Triebwerke ab.

Das war sicher eine übertriebene Vorsichtsmaßnahme, aber sie ließ sich vertreten.

Bardioc hatte Zeit gewonnen.

Wenn der andere einer der Mächtigen war oder in ihrem Auftrag handelte, musste er jetzt aktiv werden.

Bardioc zog sich in seine Privatgemächer zurück und wartete. Das Sporenschiff war wesentlich größer als die kosmische Burg Bardiocs, deshalb fühlte er sich an Bord wohl. Zunächst hatte er auch nur daran gedacht, das Schiff zu stehlen und damit von Galaxis zu Galaxis zu fliegen, ohne ein festes Ziel. Doch das wäre für sein Machtbedürfnis ziemlich unbefriedigend gewesen. Er brauchte einen festen Standort, von dem aus er regieren und seine Macht ausdehnen konnte.

Deshalb musste er das Schiff an einem sicheren Ort verstecken, damit er es später für seine eigenen Zwecke benutzen konnte. Doch dazu musste er zunächst einmal Phase Zwei abwarten.

Im Vergleich zu der Aufgabe, die er sich in Zusammenhang mit Phase Zwei gestellt hatte, war der Diebstahl des Sporenschiffs eine einfache Sache.

Es war jedoch verfrüht, jetzt schon an den Schwarm und dessen Manipulation zu denken.

Während seine Gedanken um die zukünftige Entwicklung kreisten, wurde Bardioc immer ungeduldiger und erregter.

Niemand zeigte sich.

Die Reparaturarbeiten hatten längst begonnen und würden bald abgeschlossen sein. Danach hatte Bardioc keine andere Wahl, als die Triebwerke wieder einzuschalten und den Flug fortzusetzen.

Bardioc erhob sich von seinem Lager und ging unruhig von Raum zu Raum.

Wahrscheinlich steckte der kluge Kemoauc hinter allem. Schon auf der Ebene hatte Bardioc geargwöhnt, der andere könnte ihn durchschauen. Und Kemoauc war genau der richtige Gegner, um einen Nervenkrieg erfolgreich zu bestehen.

Plötzlich hörte Bardioc Schritte.

Sie drangen aus einem der unzähligen Korridore rund um seine Privatgemächer.

Die große Gestalt hielt mitten in ihren Bewegungen inne, ihre glühenden Augen richteten sich auf den Eingang.

»Bardioc«, sagte eine müde Stimme, die ihm vertraut erschien.

Bardioc war unfähig zu antworten. In diesem Augenblick wünschte er, niemals den Verrat geplant zu haben.

Die Schritte näherten sich, dann trat der zweite Passagier in den Raum.

Bardioc starrte ihn fassungslos an.

»Laire«, sagte er mit grenzenloser Überraschung.

Der Roboter sah ihn an – wachsam, wie es Bardioc erschien. Er spürte, wie sich grenzenlose Enttäuschung in ihm ausbreitete.

Laire!

Das bedeutete, dass die Auftraggeber, von denen der RUF ergangen war, von seinem Verrat wussten und Laire zu ihm geschickt hatten.

Alles war aus.

»Nachdem die Explosion erfolgt war und die Triebwerke ausgeschaltet wurden, wusste ich, dass du mich entdeckt hast«, sagte Laire bedächtig. »Es hat also keinen Sinn mehr, mich noch länger zu verbergen.«

»Ja«, stimmte Bardioc tonlos zu.

»Wirst du mich jetzt zurückschicken?«, wollte Laire wissen.

»Zurückschicken?«, echote Bardioc verwirrt. »Was willst du damit sagen? Bist du nicht hier, um mich zu überwachen? Wer hat dich geschickt, Laire?«

»Niemand schickt mich! Ich bin aus eigenem Antrieb hier. Auf der Ebene war es unerträglich für mich geworden. Ich konnte das nicht mehr aushalten.«

Bardiocs Augen weiteten sich, dann begann er lauthals zu lachen.

»Wir fürchteten uns voreinander!«, rief Bardioc erheitert. »Verstehst du das, Laire? Dabei sind wir Verbündete!«

»Ich kann also bleiben?«

»Natürlich kannst du bleiben! Ich bin froh, dass du hier bist, denn ich kann jede Unterstützung gebrauchen. Weißt du, was ich tun werde?«

»Nein!«

»Ich stehle dieses Schiff!«

In dem einen Auge, das dem Roboter noch verblieben war, schien es aufzublitzen.

»Wir stehlen es«, sagte er. »Wir stehlen das Schiff.«

Bardioc hätte den Roboter am liebsten umarmt, aber das wäre sicher ein völlig unangebrachter Freundschaftsbeweis gewesen. Das Gefühl der Erleichterung überwältigte Bardioc. Er zitterte und ließ sich rückwärts auf eine Liege sinken.

Eine Zeitlang lag er schweigend da, während Laire ihn stumm beobachtete.

»Wird nur dieses eine Schiff gestohlen?«, erkundigte sich Laire.

Bardioc grinste ihn an.

»Ich glaube, du würdest eine ganze Flotte entführen!«

»Nach so langer Zeit völliger Tatenlosigkeit ist das doch kein Wunder«, antwortete Laire leise.

Bardioc erinnerte sich der Arbeit, die nun vor ihm lag. Die Triebwerke mussten reaktiviert und das Schiff auf den neuen Kurs gebracht werden. Er hatte gerade noch so viel Zeit, dass er rechtzeitig zurück sein konnte, um mit den sechs anderen die Zweite Phase zu besprechen. Außerdem hatte er in Laire einen zuverlässigen Helfer gefunden.

Bardioc teilte die Arbeit auf und sagte dem Roboter, was alles zu tun war. Es war für ihn völlig ungewohnt, einen Partner zu haben, doch das bedeutete kein Problem. Dass Laire mit den Auftraggebern jenseits der Materiequellen in Verbindung stehen könnte, brauchte Bardioc nicht zu befürchten, denn eine solche Kommunikation ließ sich technisch nicht realisieren. Sollte der Roboter im Auftrag eines der sechs anderen Mächtigen hier sein (was Bardioc entschieden bezweifelte), gab es erst bei der nächsten Zusammenkunft Probleme. Bardioc war jedoch entschlossen, Laire daran zu hindern, dieses nächste Treffen zu besuchen – nötigenfalls mit Gewalt.

Laire stellte keine Fragen, die in Zusammenhang mit Bardiocs Plänen standen. Er schien zufrieden zu sein, dass er an Bord des Sporenschiffs geduldet wurde.

Als sie sich dem für das Schiff vorgesehenen Versteck näherten, sagte Bardioc zu dem Roboter: »Wenn die Zweite Phase beginnt, werde ich dich dringender benötigen als jetzt.«

»Gut«, sagte Laire und stellte auch diesmal keine Fragen.

Das Versteck war von Bardioc sorgfältig ausgewählt worden. Niemand würde das Schiff an diesem Ort finden, so dass er es später jederzeit wieder holen und für seine eigenen Zwecke einsetzen konnte. In diesem Schiff schlummerte ein unermesslicher Schatz: Bardiocs spätere Sklaven! Er würde die Sporen ausstreuen, aber nicht dort, wo man es von ihm erwartete, sondern in seinem späteren Machtbereich.

Auf keinen Fall würde er in diese armselige kosmische Burg zurückkehren, wo sein Leben bewusst begonnen hatte.

»Was hältst du von diesem Versteck?«, fragte er seinen stählernen Partner, nachdem das Schiff an seinem Ziel angekommen war.

»Ein guter Platz«, meinte Laire in seiner knappen Art.

Bardioc blickte zu den Sternen hinaus und lächelte bei dem Gedanken, dass Kemoauc und die fünf anderen in diesem Augenblick dabei waren, den Inhalt ihrer Schiffe zu entladen. Sicher zweifelten sie nicht daran, dass Bardioc mit der gleichen Tätigkeit beschäftigt war.

Zum ersten Mal empfand Bardioc so etwas wie Trauer, denn er war sich darüber im klaren, dass er sich mit seinem Schritt für alle Zeiten aus der Gemeinschaft der anderen ausgeschlossen hatte. Er musste den Weg, den er selbst gewählt hatte, bis zum Ende gehen.

»Du bleibst hier an Bord, Laire«, entschied Bardioc. »Ich nehme dich nicht mit zum nächsten Treffen.«

»Die anderen werden sich wundern, dass ich nicht da bin!«

Bardioc schüttelte den Kopf.

»Darüber brauchen wir uns keine Gedanken zu machen. Vergiss nicht den Zustand der Ebene. Du bist ein Teil davon. Die anderen werden glauben, dass du ausgefallen bist.«

Laire drehte sich um die eigene Achse und schaute sich lange um.

»Ich werde hier so einsam sein wie auf der Ebene.«

»Aber nicht für so lange! Ich werde zurückkommen und dich holen.«

Es war ein Versprechen, dass er niemals einhalten würde.

Doch das wusste er jetzt noch nicht.

VIELE MILLIONEN JAHRE SPÄTER – PERRY RHODAN

4. Die Erkenntnis

BULLOC hörte unvermittelt auf zu sprechen, und Perry Rhodan, der die Umgebung beobachtete, stellte fest, dass die Energiesphäre allmählich an Höhe verlor. Trotz seiner Müdigkeit hatte Rhodan dem Bericht der vierten Inkarnation fasziniert zugehört. Noch gab das, was er erfahren hatte, keinen rechten Zusammenhang, aber zweifellos war der Bardioc, von dem die Inkarnation sprach, nicht mit der Superintelligenz zu vergleichen, mit der die Menschen es jetzt zu tun hatten.

»Warum schweigst du?«, fragte er die vierte Inkarnation. »Ich würde diese Geschichte gern zu Ende hören.«

»Später«, vertröstete ihn BULLOC. »Jetzt werden wir landen. Ich muss mich mit Bardioc in Verbindung setzen.«

Rhodan war froh, dass BULLOC jetzt mit technischen Abläufen beschäftigt war, das minderte den mentalen Druck, der von ihm ausging.

Ein Blick durch die transparente Hülle bewies dem Terraner, dass die Sphäre in einem Gebiet niederging, wo auch Schiffe der Hulkoos gelandet waren.

Die Ankunft der vierten Inkarnation schien kein großes Aufsehen zu erregen, denn was immer die Hulkoos dort unten zu tun hatten – sie unterbrachen ihre Arbeit nicht.

Je tiefer BULLOCS seltsames Flugobjekt sank, desto leichter konnte Perry Rhodan Einzelheiten unterscheiden und desto offensichtlicher wurde auch, dass er keiner Halluzination zum Opfer gefallen war.

Auf dieser Welt gab es keine eigenständige Technik, weder auf, noch unter der Planetenoberfläche.

Der Himmel war von einem düsteren Blau, nur unmittelbar über dem Horizont leuchtete er in helleren Farben. Links vor Rhodan glitzerte eine rätselhafte Lichterscheinung, vielleicht eine Wolke oder eine Art Nordlicht.

Aber noch viel phantastischer war das bewachsene Land. Von dem Plateau, auf dem die Sphäre zur Landung ansetzte, erstreckte sich ein merkwürdiger Wald bis weit in die Ferne. Die Bäume und Büsche, die dort dicht nebeneinander wuchsen, wurden von einer Struktur überwuchert, die fast überall zu sein schien und die Perry Rhodan an irgend etwas erinnerte.

Alles wirkte still und erhaben und vor allem völlig fremdartig.

Die Hulkoos, die ihre Schiffe verlassen hatten, bewegten sich langsam und offenbar völlig lautlos in diesem rätselhaften Land. Sie erinnerten Rhodan an Marionetten auf einer Bühne.

Rhodans Augen verengten sich, sein Verstand arbeitete angestrengt. Er fühlte, dass er der Lösung sehr nahe war. Gleichzeitig spürte er, dass sein Herzschlag sich beschleunigte. Die Ahnung von dem, was sich dort draußen befand, drohte ihn zu überwältigen. Er fürchtete plötzlich die Konfrontation mit der Wahrheit.

Die Sphäre setzte auf dem Plateau auf. Die Bäume in der Nähe sahen im Gegensatz zu allen anderen kahl aus, an den Spuren im Boden erkannte Rhodan, dass kürzlich hier ein Schiff der Hulkoos gestanden haben musste.

In diesem Augenblick verdunkelte sich die Außenhülle.

Rhodan kam sich vor, als sei er gerade aus einem unwirklichen Traum erwacht.

»Was ... was geschieht dort draußen?«, stammelte er. »Was tun die Hulkoos und alle anderen Raumfahrer – und wo ist BARDIOC?«

»Still!«, befahl BULLOC, der offenbar konzentriert mit anderen Dingen beschäftigt war. Er unterstrich den Befehl mit einem mentalen Hieb, der Rhodan aufstöhnen ließ. Der Gefangene sank zu Boden und wand sich.

Sein Hass gegen die Inkarnation, die ihn während des Fluges bewusst und unbewusst gequält hatte, steigerte sich. Er hatte jedoch gelernt, dass es sinnlos war, diese Gefühle zu artikulieren, denn in der Regel führte das nur zu noch schlimmeren psychischen Misshandlungen durch BULLOC.

Auch jetzt war es besser, sich nach den Anordnungen der Inkarnation zu richten.

Wahrscheinlich suchte sie Kontakt zu BARDIOC oder hatte ihn bereits gefunden. Danach würde sich die Außenhülle wieder öffnen. Vielleicht durfte Rhodan die Energiesphäre sogar für eine Weile verlassen. Es gab nichts, wonach er sich mehr sehnte, obwohl die Umgebung dort draußen nicht sehr einladend aussah.

Rhodan sah noch immer das fremdartige Bild vor seinem geistigen Auge.

Was war das für eine seltsame Struktur, die sich wie ein Netz über fast alle Pflanzen erstreckte? Ein Netz schier endloser Windungen und Verästelungen.

Handelte es sich vielleicht um ein Kommunikationssystem BARDIOCS?

Innerhalb der Sphäre war es still geworden. BULLOCS Ausstrahlungen hatten sich auf ein paar kaum noch wahrnehmbare Impulse reduziert. Rhodan registrierte diese Veränderung mit Erleichterung, obwohl er aus Erfahrung wusste, dass die Inkarnation ohne jede Vorbereitung wieder aktiv werden konnte. Jetzt schien sie jedoch so in ihren Kontakt mit BARDIOC versunken zu sein, dass der Gefangene in Vergessenheit geraten war. Rhodan gab sich keinen Illusionen hin. Auch in diesem Zustand war die Inkarnation unangreifbar, jedenfalls solange er sich ohne Waffen im Innern der Sphäre befand.

Rhodan glaubte nicht, dass BARDIOC sich um ihn kümmern würde. Warum sollte die Superintelligenz von dem einsamen Gefangenen überhaupt Notiz nehmen?

Wenn es überhaupt zu einer Kontaktaufnahme kommen konnte, musste die Initiative von Rhodan ausgehen.

Licht fiel in die Sphäre und blendete Rhodan.

Diesmal war nicht nur die Hülle transparent geworden, sondern BULLOC hatte das Flugobjekt geöffnet. Feuchtwarme Luft strömte herein. Rhodan erhob sich zögernd, denn er konnte nicht glauben, dass BULLOC ihn ohne Auflagen und Befehle ins Freie entließ.

Die Inkarnation verhielt sich jedoch passiv, so dass Rhodan es schließlich riskierte, aus der Sphäre zu klettern. Er wurde nicht daran gehindert.

Das Plateau fiel nach der Seite, die Rhodan von der Sphäre aus nicht hatte sehen können, steil ab. Süßlicher Duft stieg Rhodan in die Nase. Ein antilopenähnliches Tier stand ein paar Schritte von dem Terraner entfernt zwischen niedrigen Büschen und äugte misstrauisch zu ihm herüber.

Rhodan beobachtete es. Täuschte er sich, oder trug es auf seinem Rücken ein Stück jener netzartigen Struktur, die sich fast überall ausgebreitet hatte?

Rhodan machte einen Schritt auf die Kreatur zu, doch sie warf sich herum und floh den Steilhang hinab, wo sie wenig später zwischen den Bäumen verschwand.

Rhodan wusste nicht, was man von ihm erwartete, aber er wollte es vermeiden, sich vorläufig zu weit von der Sphäre zu entfernen. Er konnte nicht wissen, wie BULLOC auf ein solches Verhalten reagierte.

Rhodan bewegte sich auf den Rand des Plateaus zu, um das Land darunter zu überblicken. Was er sah, ließ seinen Atem stocken. Die Pflanzen in der vor ihm liegenden Ebene waren von der rätselhaften Struktur wie von einem Teppich überzogen.

Dazwischen gab es Lichtungen, auf denen Raumschiffe standen.

In unmittelbarer Nähe schräg unter sich sah Rhodan einige Hulkoos, die ihr Schiff verlassen hatten. Sie bewegten sich zwischen den Bäumen, als seien sie auf der Suche nach etwas. Eine Gruppe von ihnen schwebte mit Hilfe kleiner Antriebsprojektoren, die in Rückentornistern untergebracht waren, zu den Wipfeln der Bäume hinauf.

Dort begannen sie zu arbeiten.

An verschiedenen Stellen der netzartigen Struktur waren große knollenförmige Auswüchse entstanden. Die Raumfahrer begannen damit, sie vorsichtig von der übrigen Masse zu lösen und in mitgeführte Behälter zu legen.

Es sah ganz so aus, als würden diese Verdickungen regelrecht abgeerntet.

Rhodan stöhnte auf, als er mit einem Schlag begriff, was die Knollen waren.

Junge Kleine Majestäten!

Die Erkenntnis traf den Terraner wie ein Schlag.

Nun wusste er auch, woran ihn diese Struktur erinnerte, die alles wie ein wucherndes Gewebe bedeckte.

Er hatte die Wahrheit die ganze Zeit über geahnt, sie aber immer wieder verdrängt.

Dieses allumfassende Netz gehörte zu den Windungen eines unvorstellbar großen Gehirns, das den gesamten Kontinent, nein, den gesamten Planeten überzog.

Das war BARDIOC.

Rhodan taumelte. Er wich in Richtung der Sphäre zurück. Sein Verstand rebellierte gegen diese Wahrheit, denn er vermochte sie kaum zu fassen.

Ein globales Gehirn oder ein gehirnähnlicher monströser Organismus, der die gesamte Fauna und Flora dieses Planeten zu einer gigantischen Symbiose vereinigt hatte – das war BARDIOC.

Das war nicht der Bardioc aus BULLOCS Erzählung, das konnte er nicht sein!

Wie konnte ein derartiges Wesen leben, wie konnte es Bewusstsein entwickeln?

Von dieser Welt aus wurden die Ableger BARDIOCS in alle Galaxien seiner Mächtigkeitsballung transportiert, wo sie als Kleine Majestäten ihren unheilvollen Auftrag erfüllten.

Rhodan hatte den Landeplatz der Sphäre erreicht. Erst jetzt bemerkte er, dass das Flugobjekt, mit dem BULLOC und er angekommen waren, nicht mehr auf dem Plateau stand. Es schwebte jenseits des Steilhangs über einigen Bäumen.

BULLOC befolgte offensichtlich einen von BARDIOC erhaltenen Auftrag.

Wie trat man mit einem Gehirn in Verbindung, das eine ganze Welt umspannte und mit der Natur eine Symbiose eingegangen war?, fragte Rhodan sich unwillkürlich.

Er ahnte, dass das überhaupt nicht möglich war.

Seine Vermutung, dass BARDIOC keinerlei Notiz von ihm nehmen würde, stellte sich jetzt als richtig heraus. Die Superintelligenz war sicher nicht in der Lage, ein einzelnes Wesen wie Perry Rhodan bewusst wahrzunehmen.

Wie lange mochte es gedauert haben, bis BARDIOC sich zu dem entwickelt hatte, was er jetzt war?

Jahrtausende mussten dabei vergangen sein.

Aber wie war es zu dieser Entwicklung gekommen? Rhodan konnte sich nicht vorstellen, dass er das Ergebnis eines von BARDIOC gewollten oder gar natürlichen Prozesses vor sich sah. Es mussten sich Dinge ereignet haben, die so schrecklich waren, dass Perry Rhodan sie sich nicht einmal in seiner Phantasie vorstellen konnte.

Eine Zeitlang stand er reglos an der verlassenen Landestelle. Angesichts dieser unvorstellbaren Wesenheit begann er nur langsam wieder an seine eigenen Probleme zu denken. BULLOC hatte ihn hierher gebracht – nach BARDIOC.

Rhodan begann erst jetzt zu begreifen, wie berechtigt die Wahl dieses Namens für den gesamten Planeten war.

Der Terraner zwang sich dazu, BARDIOC zunächst aus seinen Gedanken zu verdrängen. Es ging jetzt um sein Überleben. Er musste sich in der näheren Umgebung umsehen und herausfinden, ob er seine lebenswichtigen Bedürfnisse befriedigen konnte. Er musste essen und trinken, denn auf die Dauer konnte ihn der Zellaktivator allein auch nicht am Leben erhalten. Danach musste er sich überzeugen, ob dieses Land so still und friedlich war, wie es auf den ersten Blick wirkte. Die Raumfahrer, die mit ihren Schiffen auf BARDIOC landeten, stellten keine unmittelbare Gefahr für Rhodan dar, aber es war durchaus möglich, dass hier Tiere existierten, die ihm gefährlich werden konnten, auch wenn sie Teil einer Symbiose waren.

Rhodan fragte sich, ob er sich auf einen längeren Aufenthalt einrichten musste.

Von wem hing sein weiteres Schicksal ab?

Bestimmt nicht von BARDIOC, denn die Superintelligenz war zweifellos mit Dingen beschäftigt, von denen Rhodan nichts wusste. Auch BULLOC würde neue Befehle erhalten und in erster Linie damit beschäftigt sein, BARDIOCS Sklaven im Kampf gegen die Kaiserin von Therm zu unterstützen.

Vielleicht kümmerte sich niemand mehr um ihn, dachte Rhodan.

Sollte er versuchen, sich heimlich an Bord eines der vielen Raumschiffe zu begeben? Ein solcher Fluchtversuch war bestimmt nicht gefährlicher als ein ständiger Aufenthalt auf diesem Planeten.

Im Augenblick jedenfalls sah es so aus, als hätte man ihn vergessen. Er war auf sich allein gestellt.

Am Fuß des Steilhangs entdeckte er einen kleinen Bach. Dort konnte er zunächst einmal seinen Durst löschen. Rhodan kletterte den Hang hinab. Sein Körper war von der langen Reise in der Energiesphäre BULLOCS geschwächt und an anstrengende Bewegung nicht mehr gewöhnt. Ein paar Mal verlor Rhodan den Halt und rutschte über den harten Untergrund, wobei er sich Hände und Gesicht aufschürfte. Schließlich erreichte er den Bach und tauchte beide Hände hinein. Als er den Kopf über das Ufer beugte, erschauerte er bei dem Anblick, den ihm das klare Wasser bot. Von der anderen Seite des Baches wucherten Ausläufer BARDIOCS bis auf den Grund hinab, wo sie die Wasserpflanzen überzogen. Rhodan hätte sich nicht gewundert, wenn Fische aufgetaucht wären, die ebenfalls kleine Klumpen der gehirnähnlichen Struktur auf ihren Körpern trugen.

Das Wasser war kühl und sauber, aber Rhodan scheute unwillkürlich davor zurück, aus dem Bach zu trinken. Sein Durst erwies sich jedoch stärker als seine Abneigung.

Als er sich aufrichtete, fühlte er sich erfrischt. Seine Blicke suchten Büsche und Bäume in der Umgebung ab. Vielleicht entdeckte er ein paar genießbare Früchte.

Die Energiesphäre BULLOCS hatte er aus den Augen verloren. Er vermutete, dass sie weggeflogen war, vielleicht zu einer zentralen Stelle dieser Superintelligenz.

Rhodan fand ein paar essbare Früchte und stillte seinen Hunger. Danach entkleidete er sich und nahm ein Bad an einer breiten Stelle des Baches. So gut wie im Augenblick hatte er sich nicht mehr gefühlt, seit er die SOL an Bord der Energiesphäre verlassen hatte.

BARDIOC schien nicht jene bösartige Ausstrahlung zu besitzen wie seine vierte Inkarnation, trotzdem war seine Anwesenheit spürbar. Sie machte sich mit einem dumpfen Druck im Gehirn bemerkbar, der jedoch nicht so unerträglich war wie die Impulse BULLOCS. Bestimmt verfügte BARDIOC über paranormale Kräfte, die denen seiner jüngsten Inkarnation weit überlegen waren. BARDIOC war nicht darauf angewiesen, damit gegen ein einzelnes Wesen wie Perry Rhodan vorzugehen. Die Anwesenheit ganzer Raumflotten bewies Rhodan nur allzu deutlich, wozu BARDIOC seine Fähigkeiten einsetzte.

Rhodan kletterte aus dem Bach und rieb sich mit großen Blättern trocken. Nach dem Stand der Sonne zu schließen, war der Abend nicht mehr fern.

Rhodan dachte mit Unbehagen an die bevorstehende Dunkelheit, denn er wusste nicht, was in diesem Land im Verlauf der Nacht geschehen konnte.

Er beschloss, wieder auf das Plateau hinaufzusteigen und seine Erkundungen erst am nächsten Morgen fortzusetzen. Dort oben befand er sich an einem relativ abgelegenen und ruhigen Platz.

Der Aufstieg war beschwerlich, aber Rhodan spürte, dass seine Körperkräfte bereits wiederkehrten. Hoffnung und Zuversicht machten sich in ihm breit. Er glaubte nicht daran, dass man ihn töten wollte, denn das hätte man schon unmittelbar nach seiner Ankunft tun können. Vielmehr hatte er den Eindruck, dass er sich selbst überlassen war.

Er ging zum äußersten Plateau und ließ sich dort nieder. Ein paar hundert Meter unter ihm waren ein paar Hulkoos damit beschäftigt, einen Ableger BARDIOCS aus dem gehirnähnlichen Netzwerk zu lösen. Es sah so aus, als würden Tag für Tag Dutzende solcher Kleiner Majestäten »abgeerntet« und wegtransportiert. BARDIOCS Mächtigkeitsballung war groß und dehnte sich weiter aus. Das Ziel der Superintelligenz schien es zu sein, alle Planeten ihres Herrschaftsbereichs mit Kleinen Majestäten zu besetzen.

Rhodan nahm an, dass die Hulkoos, die hier arbeiteten, noch nie etwas von der Menschheit gehört hatten. Sie arbeiteten in anderen kosmischen Gebieten als jene Raumfahrer, die die Erde angegriffen und besetzt gehalten hatten.

Die Hulkoos, die nach BARDIOC kamen, mussten Perry Rhodan für einen Raumfahrer halten, der im Dienste BARDIOCS stand und ebenso wie sie hier arbeitete. Von den Schwarzpelzen drohte Rhodan keine Gefahr.

Rhodan sah auch Angehörige anderer Völker – Wesen, wie er sie bisher niemals zu Gesicht bekommen hatte. Auch sie gehörten zur Mächtigkeitsballung BARDIOCS und waren seine Sklaven.

Rhodan erkannte, wie sehr sich das Prinzip der Machtausbreitung bei den ihm bekannten Superintelligenzen ähnelte. Während die Kaiserin von Therm ihre Kristalle verteilte, sorgte BARDIOC für die Verbreitung der Kleinen Majestäten.

Und ebenso wie die Kaiserin von Therm mit ihrem kristallinen Körper einen gesamten Planeten umhüllte, hatten sich die Ausläufer von BARDIOCS Gehirn über diese ganze Welt ausgebreitet.

Rhodan durfte nicht annehmen, dass dieser Entwicklungsprozess für alle Superintelligenzen charakteristisch war (zumindest ES bildete darin eine Ausnahme), aber nach allem, was Rhodan von BARDIOC und der Kaiserin von Therm wusste, waren sie sich in vielen Dingen ähnlich.

Lag darin der Grund für den Konflikt der Superintelligenzen verborgen?

Rhodan war in tiefes Nachdenken versunken. Erst als die Sonne am Horizont untertauchte und den Himmel mit eigenartigen Leuchterscheinungen überzog, richtete Rhodan sich auf und schaute sich nach einem geeigneten Platz für die Nacht um. Er entdeckte eine Mulde unter einem Baumstumpf. Dieser verrottete Baum war längst abgestorben und aus der globalen Symbiose BARDIOCS entlassen worden. Trotzdem suchte Rhodan den gesamten Umkreis nach Gehirnwindungen der Superintelligenz ab. Sein Verstand sagte ihm, dass diese Vorsichtsmaßnahme sinnlos war, denn wann immer BARDIOC von ihm Besitz ergreifen wollte, konnte er das sicher mühelos tun, aber seine Abscheu, von diesen Ausläufern berührt zu werden, war so groß, dass er seinen Gefühlen nachgab.

Als er sich endlich niederließ, war es fast dunkel.

Es wurde schnell Nacht auf BARDIOC.

Trotz der Strapazen, die Rhodan hinter sich hatte, fand er keinen Schlaf. Seine Gedanken kreisten unablässig um die Ereignisse der letzten Stunden.

Dann – Rhodan war in unruhigen Halbschlaf gefallen – tauchte plötzlich ein Licht in der Dunkelheit auf. Sofort war Rhodan wieder hellwach. Er kroch aus seinem Versteck.

Das Licht kam näher, und Rhodan sah, dass es die Energiesphäre der vierten Inkarnation war. Obwohl Rhodan BULLOC hasste, fühlte er doch eine gewisse Beruhigung, als die Sphäre auf dem Plateau landete.

»Perryrhodan!«, rief die inzwischen schon vertraute Stimme.

Ohne zu zögern, begab der Terraner sich an Bord. Im Innern der Sphäre würde er sich unter den gegebenen Umständen während der Nacht sicherer fühlen als im Freien.

»Du sollst mehr über BARDIOC erfahren«, kündete BULLOC an.

Rhodan wunderte sich über diese Bereitwilligkeit. Er wurde den Eindruck nicht los, dass BULLOC die Superintelligenz herabwürdigen wollte, indem er alles erzählte, was er über sie wusste. Schon einmal hatte Rhodan vermutet, dass das Verhältnis zwischen BARDIOC und seiner vierten Inkarnation nicht so einhellig war, wie man vielleicht hätte annehmen sollen.

Rhodan beschloss, darauf zu achten, denn von eventuellen Meinungsverschiedenheiten konnte er vielleicht profitieren.

»Eines möchte ich noch klarstellen«, drohte BULLOC, bevor er zu berichten begann. »Du bist und bleibst mein Gefangener. Vergiss das nie, sonst werde ich dich vernichten.«

Angesichts der Sachlage kam Rhodan diese Drohung merkwürdig vor. Wieder fragte er sich, ob der erste Kontakt zwischen BARDIOC und seiner bisher mächtigsten Inkarnation nicht so verlaufen war, wie beide Seiten sich das eigentlich vorgestellt hatten.

DIE ENTSTEHUNG DER SUPERINTELLIGENZ BARDIOC

5. Phase Zwei

Die Ebene erschien Bardioc noch trostloser als beim letzten Besuch, aber er fand wenig Zeit, sich mit den äußeren Umständen zu beschäftigen, denn die sechs anderen waren bereits eingetroffen. Obwohl er sich beeilt hatte, war er durch den Zwischenfall mit Laire und dem Anflug des Verstecks länger aufgehalten worden als ursprünglich beabsichtigt. Die zufriedene Stimmung, in der Bardioc zur Ebene aufgebrochen war, verflüchtigte sich, denn er ahnte, dass er sich sofort der verfänglichen Fragen Kemoaucs und der anderen erwehren musste.

»Du kommst spät«, bemerkte Murcon. »Wir befürchteten schon, deine Mission sei gescheitert.«

»Unsinn!«, rief Bardioc unwirsch. »Was soll schon passieren? Ich habe die Arbeit noch gründlicher erledigt als gewohnt und einige Welten bedacht, die eigentlich nicht vorgesehen waren.«

Kemoauc sah ihn nachdenklich an.

»Seltsam«, meinte er. »Beim letzten Mal warst du lange vor uns hier, nun kommst du mit großer Verspätung.«

Bardioc lächelte und zuckte mit den Schultern, um den anderen zu zeigen, wie bedeutungslos diese Feststellungen waren.

»Wir fragen nicht ohne Grund«, fügte Lorvorc hinzu. »Laire ist weg.«

Bardioc hätte fast aufgelacht. Deshalb also machten sie sich Gedanken. Es ging weniger um ihn als um den alten Roboter.

»Was habe ich damit zu tun?«, wollte er wissen. »Ihr wisst doch, wie es um die Ebene bestellt ist. Früher oder später werden wir uns einen neuen Treffpunkt suchen müssen. Der Verfall hier schreitet fort, und Laire ist genauso davon betroffen wie alles andere.«

»Für mich«, sagte Ganerc langsam, »ist Laire ein Bestandteil unserer Arbeit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er ausfällt. Es muss ihm etwas zugestoßen sein.«

Er ist euch und eure widerliche Wichtigtuerei über!, dachte Bardioc wütend. In dieser Beziehung geht es ihm offenbar wie mir.

»Ganerc meint, dass wir vielleicht heimliche Gegner hätten«, bemerkte Ariolc kichernd.

Bardioc starrte die in ihr rotes Samtgewand gehüllte Gestalt an und fragte sich, warum er früher fast so etwas wie Sympathie für Ariolc empfunden hatte.

»Ich lasse mich nicht davon abbringen: Wir haben einen Verräter in unserer Mitte«, warf Lorvorc ein. Er blickte in Richtung des düsteren Partoc, der wie immer schweigend abseits hockte. »Er hat lange Zeit bei Sterblichen gelebt. Ist es nicht denkbar, dass er sich ihnen noch verbunden fühlt und mit ihnen gemeinsame Sache macht?«

Partoc reagierte überhaupt nicht auf diese Verdächtigung, sondern starrte weiter ins Leere.

»Dann müssen wir auch Murcon verdächtigen, weil er einen Unbekannten in seiner Burg beherbergt«, verteidigte Ganerc den Düsteren.

»Hört auf damit!«, befahl Kemoauc. »Ich glaube, dass es so ist, wie Bardioc vermutet. Laire hat einfach aufgehört zu funktionieren. Wir brauchen ihn längst nicht mehr. Was wir als seine Kontrollfunktion ansahen, war nur noch ein Teil einer überholten Zeremonie, an die wir uns gewöhnt hatten. Seht euch doch um!«

Bardioc sah, dass Ganerc erschauerte.

»Ich habe ein ungutes Gefühl, wenn ich daran denke, dass wir Phase Zwei ohne ein Zusammentreffen mit Laire beginnen.«

»Du bist ja abergläubisch!«, rief Ariolc in gespieltem Entsetzen. »Ein unsterblicher Mächtiger, der in einer kosmischen Burg wohnt.«

»Ich schlage vor, dass wir trotzdem in die Halle gehen«, schlug Kemoauc vor. »Wir kennen den Weg dorthin und wissen, wie sie zu öffnen ist. Auch dazu brauchen wir Laire längst nicht mehr.«

Die anderen waren einverstanden. Kemoauc setzte sich an die Spitze der kleinen Gruppe. Es war ein beeindruckendes Bild, das die sieben Mächtigen boten, als sie vor dem Hintergrund der wild durcheinander wirbelnden Sonnenmaterie über die Ebene schritten. Unwillkürlich wurde Bardioc noch einmal von dem alten Zusammengehörigkeitsgefühl ergriffen. Er erinnerte sich, wie großartig er sich vorgekommen war, als er den RUF zum ersten Mal vernommen hatte. Lange Zeit hatte er sich bedeutsam und mächtig gefühlt, bis ihm klar geworden war, dass er nur als Werkzeug einer übergeordneten Macht fungierte.