Pflanzliche Urtinkturen - Roger Kalbermatten - E-Book

Pflanzliche Urtinkturen E-Book

Roger Kalbermatten

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Beschreibung

Pflanzen sind die Lebensgrundlage des Menschen. Sie dienen ihm nicht nur zur unmittelbaren Erhaltung seines Lebens, sondern sind ihm auch eine Quelle von Freude und Kraft. Besonders in den Heilpflanzen ist ein grosses Potenzial an Kräften verborgen, die dem Menschen in kranken und gesunden Tagen Genesung und Vitalität schenken. Diese Kräfte können in sehr unterschiedlichem Ausmass genutzt werden. Entscheidend dafür ist die Art der Verarbeitung einer Heilpflanze zu einem Arzneimittel. Urtinkturen - das sind Frischpflanzenpräparate - mit einer hohen inneren Qualität sind die idealen Mittel, um das Wesen, die Persönlichkeit einer Heilpflanze zu vermitteln. So kann mit Urtinkturen nicht nur auf der körperlichen, sondern auch auf der seelischen Ebene gearbeitet werden. Das vorliegende Buch stellt das Wesen von 48 bekannten Heilpflanzen auf anschauliche Weise vor. Durch das Studium des Wesens wird es dem Therapeuten oder Patienten ermöglicht, eine innere Beziehung zur Pflanze aufzunehmen, wodurch sich deren Heilkräfte in hohem Masse entfalten können.

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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Pflanzliche Urtinkturen

Roger Kalbermatten Hildegard Kalbermatten

Pflanzliche Urtinkturen

Wesen und Anwendung

Wichtiger Hinweis

Die in diesem Buch aufgeführten Informationen wurden mit grosser Sorgfalt zusammengestellt, können jedoch die individuelle Beratung durch eine Fachperson (Arzt, Naturarzt, Apotheker, Drogist) nicht ersetzen. Die vorliegenden Ausführungen dienen in erster Linie einer Erweiterung des Bewusstseins beim Umgang mit Heilpflanzen und setzen Grundkenntnisse in Medizin und Pflanzenheilkunde sowie ein hohes Maß an Eigenverantwortung voraus. Bei der Eigenbehandlung von Beschwerden und Erkrankungen sollte im Zweifelsfall, wie auch bei fehlender Besserung, lange andauernden oder schweren Erkrankungen, unbedingt eine Fachperson konsultiert werden. Die Autoren und der Verlag übernehmen keinerlei Haftung für Schäden oder Folgen irgendwelcher Art, die sich direkt oder indirekt aus dem Gebrauch oder Missbrauch der hier dargestellten Anwendungen ergeben.

Fotos: Seite 11,16, 18, 19: Ceres Heilmittel AG, Kesswil;

alle übrigen: Roger Kalbermatten, Kesswil

Dieses Buch erscheint gleichzeitig in französischer und italienischer Sprache

7. Auflage, 2014

© 2005

AT Verlag, Baden und München

Lithos: AZ Print, Aarau

ISBN 978-3-03800-108-9

www.at-verlag.ch

eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Was sind pflanzliche Urtinkturen?

Wesen und Qualität

Herstellung und Qualität

Anwendung von wesenhaften Urtinkturen

Einzelmittel

Absinthium Ø

Aesculus Ø

Alchemilla Ø

Allium ursinum Ø

Angelica archangelica Ø

Avena sativa Ø

Bellis perennis Ø

Betula folium Ø

Bursa pastoris Ø

Calendula Ø

Carduus marianus Ø

Centaurium Ø

Chamomilla Ø

Cichorium intybus Ø

Crataegus Ø

Cynara scolymus Ø

Echinacea purpurea Ø

Equisetum arvense Ø

Euphrasia Ø

Fraxinus excelsior Ø

Gentiana Ø

Geranium robertianum Ø

Ginkgo Ø

Glechoma hederacea Ø

Hedera helix Ø

Hypericum Ø

Imperatoria Ø

Lavandula Ø

Lupulus Ø

Lycopus europaeus Ø

Melilotus Ø

Melissa officinalis Ø

Mentha piperita Ø

Millefolium Ø

Passiflora incarnata Ø

Plantago lanceolata Ø

Ribes nigrum Ø

Rosmarinus Ø

Salvia Ø

Sambucus nigra Ø

Solidago Ø

Taraxacum Ø

Thymus vulgaris Ø

Tropaeolum majus Ø

Urtica dioica Ø

Valeriana Ø

Viola tricolor Ø

Viscum album Ø

Kombinationsmittel

Alchemilla comp.

Daucus comp.

Ginkgo-Dryopteris comp.

Hedera comp.

Hypericum comp.

Melissa comp.

Solidago comp.

Taraxacum comp.

Urtica-Sambucus comp.

Valeriana comp.

Viscum comp.

Homöopathische Dilutionen

Aconitum

Allium cepa

Arnica

Belladonna

Berberis

Chamomilla

Chelidonium

Cimicifuga

Colchicum

Convallaria

Hypericum

Mercurialis

Petasites

Vitex agnus castus

Anwendungsgebiete im Überblick

Indikationsverzeichnis

Die Autoren

Danksagung

Einleitung

Was sind pflanzliche Urtinkturen?

Eine Heilpflanze muss zubereitet werden

Pflanzen sind unsere Lebensgrundlage. Deshalb sind auch Heilpflanzen die Grundlage des Heilens. Nicht alle Krankheiten können zwar mit pflanzlichen Heilmitteln allein behandelt werden, als Basis oder Abrundung jedoch sind sie Teil jeder ganzheitlichen Therapie. Denn nur ein pflanzliches Heilmittel vermag den Menschen gleichzeitig auf den drei Ebenen von Körper, Regulation und Psyche zu erfassen.

Immer mehr Menschen übernehmen Eigenverantwortung für ihre Gesundheit und informieren sich dazu über den Gebrauch von Heilpflanzen. Viele wissen, dass Johanniskraut Licht ins Gemüt bringt, Ginkgo das Gedächtnis verbessert, Weißdorn das Herz stärkt, Sonnenhut die Abwehr steigert, Mariendistel die Leber anregt oder Rosskastanie die Venendurchblutung fördert. Einige Heilpflanzen sind gar so tief in unserer Kultur verankert, dass fast jeder um die Wirkungen von Baldrian, Kamille und Wermut weiß. Karl Heinrich Waggerl hat ein humorvolles Gedicht über die Kamille geschrieben, die wohl als Inbegriff der Heilpflanze gilt.

In diesem Gedicht wird von der Kamille an sich gesprochen. Niemand würde aber bei Bauchweh einfach so eine Kamillenblüte essen. Um eine Heilpflanze anzuwenden, muss sie zuerst in eine geeignete Form gebracht, das heißt zubereitet werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Zubereitung. Jede vermag wichtige Eigenschaften der Pflanze zu vermitteln, aber keine wird allen Eigenschaften gerecht. Es gibt unterschiedliche Schwerpunkte. Darauf wird in der Fachliteratur kaum eingegangen, deshalb versuchen wir, eine Differenzierung von verschiedenen Heilpflanzenzubereitungen vorzunehmen.

»Die Kraft, das Weh im Leib zu stillen,

verlieh der Schöpfer den Kamillen.

Sie blühn und warten unverzagt

auf jemand, den das Bauchweh plagt.

Der Mensch jedoch in seiner Pein

glaubt nicht an das, was allgemein

zu haben ist. Er schreit nach Pillen.

Verschont mich, sagt er, mit Kamillen,

um Gottes willen.«

Tee

Der Tee (Heißwasseraufguss) ist die bekannteste und einfachste Zubereitung. Die arzneilich wirksamen Pflanzenteile werden zur Haltbarmachung (und zur Entfaltung von Wirkprinzipien!) getrocknet, mit heißem Wasser übergossen und abgeseiht. Dieser Auszug besitzt neben einer relativ großen Wirkstoffmenge die heilenden Eigenschaften des heißen Wassers. Ein Tee wirkt in akuten Fällen rasch und ist vor allem bei jenen Krankheiten, die durch die Zuführung von Wärme und viel Flüssigkeit positiv beeinflusst werden können, die optimale Zubereitung.

Tinktur

Tinkturen sind wässrig-alkoholische Auszüge aus getrockneten Arzneipflanzen, die mit dem Fachbegriff Drogen – von getrocknet – bezeichnet werden. Das Verhältnis von Droge zu Tinktur ist meistens 1 Teil zu 5 Teilen. Tinkturen sind heute wenig gebräuchlich, viel häufiger werden Urtinkturen (siehe unten) angewandt.

Extrakt

Extrakte – dazu gehören Fluidextrakte (flüssig), Spissumextrakte (zähflüssig) und Trockenextrakte – sind Auszüge mit Alkohol-Wasser-Gemischen oder anderen Lösungsmitteln. Sie sind konzentrierter als Tinkturen. Das Verhältnis von Droge zu Extrakt reicht von 1 zu 2 bis 5 zu 1. Mit Extrakten kann eine große Menge an Wirkstoffen pro Dosis verabreicht werden. Die modernen, hochdosierten und standardisierten Arzneipflanzenpräparate in Form von Kapseln oder Dragees enthalten meistens Trockenextrakte. Sie sind bei jenen Patienten angezeigt, bei denen die Selbstheilungskräfte vorübergehend so stark geschwächt sind, dass sie auf normale komplementärmedizinische Therapien nicht mehr reagieren können. In den letzten Jahren sind immer häufiger Neben- und Wechselwirkungen von hochdosierten Extraktpräparaten bekannt geworden. Obwohl diese unerwünschten Wirkungen ausschließlich eine Folge einer zu hohen Dosis sind und bei normaler Dosis nicht auftreten, wirkt sich dies leider negativ auf den Ruf der Heilpflanze aus.

Ätherisches Ö1

Ätherische Öle bestehen aus den flüchtigen fettlöslichen Stoffen der Pflanze und sind meistens die Träger des Geruchs. Sie werden in der Regel durch Wasserdampfdestillation oder andere Verfahren aus den frischen oder getrockneten Pflanzen gewonnen. Ätherische Öle sind unverzichtbare Bestandteile von Salben und anderen äußerlichen Anwendungsformen, in denen sie geruchliche und arzneiliche Funktionen ausüben. Häufig werden sie auch in der Aromatherapie eingesetzt.

Spagyrische Essenz

Spagyrische Essenzen gehen auf alchemistische Traditionen zurück und werden durch komplizierte Verfahren aus frischen oder getrockneten Pflanzen hergestellt. Es gibt zahlreiche mehr oder weniger unterschiedliche Herstellungsverfahren, bei denen einer oder mehrere der folgenden Schritte beteiligt sind: Fermentationsprozesse, Destillation, Veraschung. Bei der Herstellung von spagyrischen Essenzen erfährt die Pflanze eine Wesensveränderung, eine Art Vorverdauung. Dadurch wirken die spagyrischen Essenzen sehr mild und praktisch nebenwirkungsfrei. Spagyrische Essenzen sind hervorragende Mittel für die Selbstmedikation; mild und sicher in der Wirkung bei akuten und chronischen Erkrankungen.

Urtinktur

Urtinkturen (Bezeichnung mit dem lateinischen Pflanzennamen und dem Symbol Ø) werden meistens aus frischen Pflanzen – dies ist der wesentlichste Unterschied zu den Tinkturen – durch Extraktion mit Alkohol hergestellt. Zu Anfang der nachfolgenden Pflanzenbeschreibungen steht jeweils, aus welchem Teil der Pflanze sie hergestellt werden.

Stofflich sind die Urtinkturen etwa halb so konzentriert wie Tinkturen. Bei guter Qualität haben sie jedoch eine stärkere Wirkung als diese. Urtinkturen werden bei akuten und chronischen Erkrankungen eingesetzt und entfalten ihre Vorteile vor allem in Bezug zum Wesen der Pflanze (siehe weiter unten). Urtinkturen werden auch als Ausgangssubstanzen für die Herstellung von homöopathischen Verdünnungen eingesetzt.

Homöopathische Dilution

Homöopathische Dilutionen werden aus Urtinkturen durch stufenweise Verdünnung und Verschüttelung (im Verhältnis 1 zu 10 oder 1 zu 100 hergestellt). Bei tiefen Potenzen (bis etwa D12) bestehen etwa die gleichen Wirkungen und Anwendungsgebiete wie für die oben genannten Zubereitungen. Bei höheren Potenzen wird das Spektrum der Wirkungen, das Arzneimittelbild, differenzierter und umfassender. Es treten dann auch immer mehr psychische Symptome in den Vordergrund. Diejenigen Pflanzen, die hauptsächlich als Tee, Extrakt oder Urtinktur angewandt werden, benutzt man meist in tiefen Potenzen. Höhere Potenzen werden in der Regel von giftigen Pflanzen oder sonst stark individualisierten Arzneipflanzen eingesetzt. Homöopathische Dilutionen haben eine tiefgreifende und nachhaltige Wirkung und werden je nach Potenz bei akuten und chronischen Krankheiten eingesetzt. Höhere Potenzen können zu Erstverschlimmerungen führen.

Die Eigenschaften von pflanzlichen Urtinkturen

Anwendung zur Behandlung von körperlichen und funktionellen Erkrankungen

Wie bereits erwähnt sind Urtinkturen meist Frischpflanzenpräparate. In Bezug auf ihre Anwendungsgebiete besteht eine weitgehende Übereinstimmung mit denjenigen von Tee, Extrakt, spagyrischer Essenz oder Tiefpotenz. Die in den nachfolgenden Pflanzenbeschreibungen aufgeführten Anwendungsgebiete geben in der Regel die aktuelle Kenntnis in stichwortartiger Form wieder. In vielen Büchern und Publikationen werden diese Informationen umfassender dargestellt. Es empfiehlt sich daher, die Anwendungsgebiete der Heilpflanzen durch weiteres Literaturstudium zu vertiefen. Der Schwerpunkt des vorliegenden Buchs liegt nicht auf der Anwendung bei körperlichen Indikationen, sondern auf der Darstellung des Wesens der Pflanzen. Dass dies im Zusammenhang mit Urtinkturen geschieht, hat einen besonderen Grund.

In den Urtinkturen kommt das Wesen der Pflanzen am besten zum Ausdruck

In keiner anderen Zubereitung kommt das Wesen der Heilpflanze so klar zum Ausdruck wie in einer Urtinktur. Voraussetzung ist aber die gute Qualität der Urtinktur.

Das Heilpflanzenwesen kommt vor allem im Geruch und im Geschmack der Zubereitung zum Ausdruck. (Die Beziehung zwischen Geruch und Wesen zeigt sich z. B. im französischen Begriff huiles essentielles für ätherische Öle, was »wesentliche Öle« bedeutet.) Allein die Urtinktur kann – eine gute Qualität vorausgesetzt – den Geruch und Geschmack der Pflanze in möglichst reiner Form enthalten. Beim ätherischen Öl tritt zwar der Geruch noch stärker hervor, aber der Geschmack fehlt. Bei der spagyrischen Essenz hat der Geruch aufgrund der Fermentation einen entscheidenden Wandel erfahren, und der Geschmack entspricht nicht der ursprünglichen Pflanze. Bei der homöopathischen Dilution ist aufgrund der großen Verdünnung das Aroma der Pflanze gänzlich abwesend. Beim Tee sind zwar die Geschmackskomponenten deutlich vorhanden, der Geruch ist hingegen aufgrund der Trocknung der Pflanze oft etwas flach. Beim Extrakt hat sich aufgrund der Konzentrierung bei der Herstellung der Geruch weitgehend verflüchtigt; überdies treten bei den üblichen Darreichungsformen (Dragees, Kapseln) Geruch und Geschmack gar nicht in Erscheinung.

Mit diesen Feststellungen sei nichts Negatives über die jeweiligen Zubereitungen gesagt. Wenn bei einer Therapie mit Heilpflanzen lediglich auf der körperlichen oder regulativen Ebene eingegriffen werden soll (siehe »Was ist das Wesen?«, Seite 10), stellt die Abwesenheit der Wesensaspekte keinen Mangel dar. Hat man jedoch das Bedürfnis, das Wesen der Pflanze zu berücksichtigen und den Patienten auch direkt auf der seelischen Ebene anzusprechen, ist die Urtinktur das Mittel der Wahl.

Sind Urtinkturen pflanzliche oder homöopathische Arzneimittel?

Urtinkturen schaffen manchmal Verwirrung, weil sie je nach Standpunkt – dem des Arzneimittelrechts oder dem des Anwenders – zu den pflanzlichen beziehungsweise homöopathischen Arzneimitteln gezählt werden.

Pflanzliche Arzneimittel enthalten gemäß Arzneimittelrecht und Behörden eine ausreichend hohe Menge Wirkstoffe, die analytisch nachgewiesen werden kann. Homöopathische Arzneimittel hingegen sind nicht über den Wirkstoffgehalt definiert, sondern durch die Herstellung nach den Vorschriften des Homöopathischen Arzneibuchs (HAB). Bei homöopathischen Verdünnungen liegen die Wirkstoffe in derart tiefer Konzentration vor, dass sich deren Analyse erübrigt. Bei den homöopathischen Arzneimitteln anerkennt man andere Wirkprinzipien als die Wirkstoffe (siehe »Information, das homöopathische Wirkprinzip«, Seite 14). Urtinkturen werden nach dem HAB hergestellt und sind Ausgangsstoffe für die Herstellung von homöopathischen Dilutionen. Deshalb zählen sie formal auch zu den homöopathischen Arzneimitteln, obwohl sie nicht verdünnt sind. Sie werden auf der Etikette als »Homöopathisches Arzneimittel« bezeichnet.

Anders ist der Standpunkt des Arztes oder Therapeuten. Ein pflanzliches Arzneimittel (im Fachbegriff Phytotherapeutikum oder Phytopharmakon) wird aufgrund von Indikationen und ein homöopathisches Arzneimittel nach dem Arzneimittelbild angewandt. Beispiel: Ein phytotherapeutisches Präparat aus Baldrian (Tee, Tinktur, Extrakt usw.) wird bei Schlafstörungen und Unruhezuständen angewandt, weil aufgrund von Erfahrungen oder Studien bekannt ist, dass Baldrian beruhigend wirkt. Ein homöopathisches Baldrianpräparat hingegen wird nach dem Arzneimittelbild angewandt. Damit bezeichnet man die Gesamtheit aller Symptome, die bei der Prüfung von Baldrian an gesunden Probanden auftreten können. Bei dieser Prüfung entstehen unter anderem auch Unruhezustände. Folglich kann auch ein homöopathisches Tiefpotenz-Baldrian-Präparat – wie ein phytotherapeutisches – bei Unruhezuständen eingesetzt werden. Es ist also letztlich eine Frage des Standpunkts und kommt im Endeffekt auf das Gleiche heraus. Der wesentliche Unterschied zwischen Phytotherapie und Homöopathie kommt erst bei den höheren Potenzen zum Tragen. Bei diesen treten immer differenziertere (auch seelische) Symptome und Modalitäten in den Vordergrund.

Urtinkturen und auch Tiefpotenzen werden meistens nach Indikationen angewendet. Deshalb rechnet der Anwender sie zu den pflanzlichen Arzneimitteln. Homöopathika im eigentlichen Sinne sind für den Therapeuten erst die höheren Potenzen.

Urtinkturen (und Tiefpotenzen) sind also von der Anwendung her pflanzliche, arzneimittelrechtlich hingegen homöopathische Arzneimittel.

Wesen und Qualität

Was ist das Wesen?

Das Wesen ist der verborgene Grund, der verborgene Sinn. Es ist die Kraft, die hinter der Erscheinung liegt. Das Wesen ist für die äußerlichen Sinne nicht wahrnehmbar. Es ist das, wovon Antoine de Saint-Exupéry mit den bekannten Worten spricht: »Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.« Das Herz ist ein inneres Sinnesorgan für den verborgenen Sinn hinter dem Äußeren. Wenn sich der Mensch nur auf die äußeren Sinneseindrücke und den Verstand abstimmt, vermag er wohl die Gesetze der Materie zu erkennen, aber nicht die des Lebens. In Bezug zur Materie wird er zwar zu großartigen Leistungen befähigt, den Lebensgesetzen hingegen wird er oft Gewalt antun. Über und hinter den materiellen Gesetzen stehen höhere Gesetze. Sie leiten und beeinflussen die materiellen Zustände, ohne dabei die physikalischen Gesetze zu verletzen. Die wesentlichen Lebensgesetze, der verborgene Grund und Sinn will von unseren Herzen erkannt werden, will zu unserer Seele sprechen. Der Mensch steht in seinem Entwicklungsweg vor der Aufgabe, Bewusstsein von den verborgenen Kräften und Gesetzen zu erwerben. Eine neue Welt öffnet sich, wenn er sich seiner eigenen Seele und des Wesens von Pflanzen, Tieren und Dingen bewusst wird. Diese Bewusst werdung ist höchst aktuell. Das zeigt sich unter anderem in dem in den letzten Jahren erwachten großen Interesse vieler Menschen für psychologische Zusammenhänge.

Kräutergarten mit harmonikaler Struktur

Der verborgene Sinn spricht zu uns, aber nicht abstrakt, nicht medial, sondern konkret, über die sinnlich erfahrbaren Erscheinungen. Das wird oft vergessen, denn der Mensch neigt zum Polarisieren. Viele, die früher auf die Materie ausgerichtet waren und nun etwas von geistigen Prinzipien ahnen, verlegen ihren Schwerpunkt aufs Immaterielle. Sie betrachten dann die materiellen Erscheinungen als minderwertig. Aber der Mensch ist ein Erdenwesen. Er ist dazu berufen und befähigt, in der äußeren Erscheinung das dahinter liegende geistige Gesetz zu erkennen. Es ist unsere Chance, mit dem Herzen zu erkennen, dass alle äußeren Erscheinungen von einem inneren Gesetz weise geleitet sind. Sie sind der Ausdruck, die Offenbarung dieses Höheren. Die Lebensformen und äußerlichen Umstände sind wie die Spuren eines Menschen im Sand. Ein guter Spurenleser kann in den Abdrücken etwas über Herkunft, Geschwindigkeit, Rhythmus und Ziel des Strandläufers erkennen. Genauso müssen wir zu Spurenlesern werden. Haben wir nicht gelernt, in einem guten Buch das Wesentliche zwischen den Zeilen herauszulesen, in der Stimme und Gebärde eines Sprechers die hinter ihm wirkende wesentliche Kraft herauszuhören? Genauso kann unser Herz aus Gestalt, Farbe, Geruch und Geschmack einer Pflanze ihr Wesen erkennen.

In einem Heilmittel aus Pflanzen ist die Gestalt nicht mehr und die Farbe kaum mehr vorhanden. Zurück bleiben der Geruch und der Geschmack, die zu uns sprechen. Es ist eine wechselseitige Kommunikation. Wir erhalten über Geruch und Geschmack einen Zugang zum Wesen, und das Pflanzenwesen hat auch einen Zugang zu uns. Es will uns erreichen. Das Herz der natürlichen Dinge will unser Herz, unsere Seele erreichen.

Es ist die Bestimmung, der verborgene Sinn einer Heilpflanze, einen Gegenpol zum kranken Menschen (oder Tier) zu schaffen und damit wieder ein Gleichgewicht anzustreben. Die Pflanze sucht also die Krankheit und findet ihre höchste Bestimmung darin, wenn sie als Heilmittel Verwendung findet. Sie will auf der körperlichen Ebene die geschwächten Funktionen von Leber, Niere, Herz usw. unterstützen, sie will aber auch von uns bewusst wahrgenommen und assimiliert werden. Dieser Prozess geschieht bei einer zum Heilmittel veredelten Heilpflanze am besten über den Geruch und Geschmack. Da Geruch und Geschmack, wie gesagt, nur bei den Urtinkturen in voller Ausprägung vorhanden sein können, sind dies für unsere Zeit sehr wichtige Zubereitungen.

Nun könnte die Frage auftauchen: Es gibt auch Zubereitungen ohne Geruch und Geschmack, wie z. B. homöopathische Dilutionen (Hochpotenzen) oder Bachblüten oder andere energetische Präparate, die eindeutig auf die Psyche wirken. Steht das nicht im Widerspruch zu den obigen Aussagen? Es ist völlig richtig, dass auch die erwähnten Zubereitungen auf die Psyche wirken. Aber nicht unmittelbar über das Bewusstsein, denn das Bewusstsein wird durch die Sinneswahrnehmung ermöglicht und entzündet. Ohne Sinne hätten wir kein Bewusstsein. Die erwähnten Mittel wirken über die Regulation auf die Psyche. Die Regulation ist die leitende, höhere Instanz im Organismus, die alle biochemischen, stofflichen Prozesse reguliert. Sie steht auch in einer unmittelbaren Beziehung zur Psyche, sie vermittelt zwischen Körper und Psyche. Diese Mittel wirken also indirekt – über die Regulation – auf die Psyche, eine Urtinktur hingegen wirkt über die Sinneswahrnehmung und das Bewusstsein – also direkt – auf die Psyche. Durch die unmittelbare Einwirkung entsteht ein Gewinn für das Bewusstsein.

Dazu möge folgender Vergleich dienen: Wenn ein Mensch infolge einer schmerzlichen Erfahrung leidet und sich in tiefer Ratlosigkeit befindet, kann ihm auf verschiedene Arten geholfen werden. Er kann zum Beispiel Rat und Trost in einem Buch finden und sich damit wieder aufrichten. Auch positive Gedanken von nahestehenden Menschen können hilfreich sein. Wenn aber ein Freund physisch anwesend ist, mit seinem aufmunternden Lächeln, seiner wärmenden Berührung und seinen liebevollen Worten Rat und Trost spendet, dann fließt nicht nur eine Information, sondern auch eine Energie, mit der sich der Leidende viel wirkungsvoller aufrichten kann. Vor allem aber – und dies ist das Wesentliche – ist sein Bewusstsein, seine Seele mit Wärme beschenkt worden.

Bei der Anwendung von Urtinkturen in guter Qualität ist das Wesentliche die Übertragung einer Wärmequalität. Ein sinnlich wahrnehmbares pflanzliches Heilmittel vermag unser Bewusstsein, unsere Seele mit den heilenden Kräften der Natur zu durchwärmen.

Die Beziehung zwischen Wesen und Qualität