Pflegers Diary - Metin Dogru - E-Book
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Pflegers Diary E-Book

Metin Dogru

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Beschreibung

Wenn Metin nach Feierabend mal wieder an seine Kühlschranktür klopft, weiß er, dass an diesem Tag sehr viele Patient*innen nach ihm gerufen haben – Er ist Krankenpfleger durch und durch, und ohne diese Leidenschaft geht das in seinen Augen auch gar nicht. Denn das kaputtgesparte Gesundheitssystem, der stressige Klinikalltag und die mangelnde Wertschätzung machen seinen Job zu einer Herausforderung.

Doch die Patient*innen stehen immer an erster Stelle und das Team hält zusammen. Metin kennt sie alle: Die kratzbürstige Schwester Rabiata, ihre Kollegin Uschi, die gute Seele der Station, oder die jungen Auszubildenden, die angesichts des täglichen Wahnsinns versuchen, nicht durchzudrehen.Sie alle entscheiden sich jeden Morgen aufs Neue dafür, ihrem Beruf mit Professionalität und Engagementnachzugehen.

In seinem ersten Buch erzählt Metin (@ metinlevindogru) voneinem Berufsalltag zwischen Hoffnung und Verzweiflung, von berührenden Schicksalen und urkomischen Momenten. Seine Geschichten machen deutlich, was schiefläuft, aber zeigen auch, warum Metin trotz allem nicht aufgibt – für uns alle.

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Seitenzahl: 228

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Metin Dogru

Pflegers Diary

Der beste Job der Welt – und warum er mich in den Wahnsinn treibt #nurselife

Impressum

Alle in diesem Buch veröffentlichten Aussagen und Ratschläge wurden vom Autor und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann jedoch nicht übernommen werden, ebenso ist die Haftung des Autors bzw. des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.

Für die Inhalte der in dieser Publikation enthaltenen Links auf die Webseiten Dritter übernehmen wir keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Die Ereignisse in diesem Buch sind größtenteils so geschehen, wie hier wiedergegeben. Für den dramatischen Effekt und aus Gründen des Personenschutzes sind jedoch einige Namen und Ereignisse so verfremdet worden, dass die darin handelnden Personen nicht erkennbar sind.

Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG („Text und Data Mining“) zu gewinnen, ist untersagt.

echtEMF ist eine Marke der Edition Michael Fischer

1. Auflage

Originalausgabe

© 2023 Edition Michael Fischer GmbH, Donnersbergstr. 7, 86859 Igling

Covergestaltung: Silvia Keller, unter Verwendung eines Motivs von © PTO Media, Mirko Plengemeyer

Grafiken: ©Marina Shevchenko (S.14, 28, 46, 86, 116, 132, 188, 200), ©Artco (S.62), ©vectorwin (S.156, S.168), über shutterstock.com

Layout/Satz: Silvia Keller

Redaktion: Anna Sulik

Herstellung: Anne-Katrin Brode

ISBN 978-3-7459-1939-4

www.emf-verlag.de

Liebe Politiker, liebe System-Kaputt­sparer, liebe Menschenfeinde,

wie lebt es sich denn so mit dem Wissen, uns Pflegekräfte und auch alle anderen in sozialen Berufen arbeitenden Menschen wie Dreck zu behandeln? Wie fühlt es sich an, dass Menschen leiden und sogar sterben, weil ihr eure Arbeit nicht ver­nünftig macht, euch dafür aber eine Menge Geld einsteckt? Wenn sich das gut anfühlt, solltet ihr mit Maschinen arbeiten und nicht mit Menschen.

Vorwort

Dieses Buch sollte vor allem unterhaltsam werden, es sollte witzig werden. Nur bleibt mir immer wieder das Lachen im Hals stecken, wenn ich daran denke, dass Menschen unser Land regieren, die ihre Menschlichkeit komplett ausgeschaltet haben. Menschen, die sich Taschen füllen, während andere für kleines Geld Leben retten. Ich bin sauer, wirklich stinksauer, dass wir das immer noch zulassen.

Ich sehe täglich dieses Leid, diese Geldmacherei am Patientenbett. Denn es geht gar nicht mehr darum, Patienten gesund zu machen und zufriedenzustellen. Es geht darum, die meisten Operationen oder die meisten Therapien durchzuführen, die Gewinn erzielen. Immer mehr Patienten liegen auf engstem Raum, immer weniger Pflegekräfte kümmern sich um sie – das ist der Normalzustand! Sparen, wo man nur kann, egal ob jemand dabei zugrunde geht.

Es fängt sogar schon bei den ganz Kleinen an: Kinderkliniken sind nicht rentabel, überall wird versucht, Profit zu machen. Selbst bei Frühchen, bei Kindern also, die zu früh auf die Welt gekommen sind. Ihr Gewicht wird oft absichtlich niedriger angegeben, denn ab einem bestimmten Körpergewicht bekommt man weniger Geld. Ich kann Tausende Dinge aufzählen, aber am Ende dreht sich immer alles um eins: Geld.

Seitdem ich in der Pflege tätig bin, habe ich zunehmend meinen Glauben an die Menschlichkeit verloren. Früher war ich immer davon überzeugt, dass man im Krankenhaus gut behandelt wird, dass dort alles hygienisch sauber ist, dass Menschenleben an erster Stelle stehen. Mittler­weile weiß ich, dass das lediglich eine Wunschvorstellung ist. Ich könnte meine Angehörigen heute nicht ohne Sorgen in solch eine Einrichtung schicken, aus der Angst heraus, dass sie kränker wieder herauskommen könnten, als sie es zuvor waren.

Das mag übertrieben klingen und schwer zu glauben sein? Nein, es ist nicht übertrieben: Ich erlebe es sehr oft, dass Patienten mit einer „Kleinigkeit“ auf die Station kommen und mit unzähligen Infektionen und Krankheiten wieder en­tlassen werden. Deine Oma konnte sich vor ihrem Krankenhaus­aufenthalt noch selbstständig versorgen? Spätestens danach wird sie dazu vielleicht nicht mehr in der Lage sein.

Ich bin Krankenpfleger, und es ist eigentlich nicht meine Aufgabe, nach Lösungen zu suchen, die Politik anzuflehen und über Missstände zu berichten. Doch leider lässt einem dieses Land keine andere Wahl. Anstatt mich auf die Patienten zu konzentrieren und das anzuwenden, was ich gelernt habe, muss ich mich mit Dingen herumschlagen, die nicht zu meinem Verantwortungsbereich gehören.

Und dann haben wir noch den Personalmangel. Das ist ein wirklich großes Problem in der Pflege. Weil der Personal­mangel so ein großes Thema ist, werden mittlerweile einfach alle möglichen Leute in die Pflege gelockt. Es geht nicht mehr darum, ob du sozial kompetent bist, sondern darum, ob du arbeiten kannst, möglichst selten krank bist, belastbar bist und einfach tust, was man dir sagt. Empathisch sein? Besser nicht! Menschlichkeit ausschalten, Anweisungen befolgen und am Ende Gewinne erzielen. Das ist zur Dienstanweisung geworden. „Bau eine Mauer um dich herum, stumpfe ab, sonst brichst du zusammen“, hat mir einst eine Kollegin gesagt. Aber ist das wirklich das, was wir uns als Menschen wünschen?

Dieses Buch ist Realtalk, und wie ihr merkt, ist vieles nicht wirklich unterhaltsam, sondern vielmehr grausam. Trotzdem möchte ich bei all dem nicht die guten, lustigen, interessanten und manchmal auch herzzerreißend traurigen Momente in der Pflege vergessen. Ich will diese Momente nicht vergessen, und ich möchte sie mit euch teilen – in Form von Tagebucheinträgen, die im Buch verteilt sind.

So bin ich eben. Ich bin menschlich und humorvoll, aber ich sage auch einfach, wenn mir etwas nicht passt.

Ich kann diese Missstände nicht einfach so vergessen und sie nicht ansprechen. Deshalb lasst mich versuchen, euch mitzunehmen in meine Welt als Pflegekraft, zwischen Hoffnung und Verzweiflung, inmitten von berührenden Schicksalen und urkomischen Momenten, die mir keiner glauben wird. Dieses Buch macht deutlich, was schiefläuft, aber es will auch zeigen, warum wir Pflegekräfte trotz allem nicht aufgeben – für uns alle!

Aber ich möchte hier nicht gleich am Anfang schon zu einem Rundumschlag ausholen. Erst einmal möchte ich ein Missverständnis aufklären, mit dem wir in der Pflege immer wieder zu kämpfen haben. Außerdem möchte ich erzählen, wie ich überhaupt in die Pflege gekommen bin und was mich dazu gebracht hat, diesen Weg einzuschlagen.

Kapitel 1

Ambulanz

Das Märchen vom Hintern-Wäscher

Beginnen wir einfach mit einem großen Missverständnis, mit dem ich mich immer wieder auseinandersetzen muss. Denn in unserer Gesellschaft ist es leider so, dass die Pflege als Beruf nicht sonderlich hoch angesehen ist. Wenn jemand sagt, er oder sie möchte Krankenpfleger werden, kommt vom Gegenüber nicht selten sofort die Frage, warum man nicht studieren möchte, weil das doch zu wesentlich besseren Zukunftsaussichten führe.

Denn das Bild, das Laien mit der Krankenpflege verbinden, ist meist sehr einfach. Es heißt dann, dass man in der Pflege nur die Hintern der Patienten abwische, was an sich doch einfach nur eklig sei. Und abgesehen von all dem Ekligen sei eine Pflegekraft bestenfalls dazu da, Essen auszuteilen. Oder eine Pflegekraft sei eine Person, die einem Arzt hinterherläuft und einfach tun muss, was der Arzt sagt, also quasi selbst über rein gar nichts entscheiden darf oder kann.

Dabei wird unter anderem vergessen, dass wir Pflegekräfte tatsächlich auch ein Staatsexamen ablegen, das eine praktische, drei mündliche und drei schriftliche Prüfungen umfasst. Und zwar Prüfungen, die es wirklich in sich haben, die also nicht mal so nebenbei absolviert werden können, sondern durchaus ihren Schwierigkeitsgrad haben.

Außerdem umfasst unsere Ausbildung drei Jahre, während derer wir wirklich alle Fachbereiche zumindest einmal durchlaufen.

Genau vor diesem Hintergrund finde ich es schade und fast schon traurig, wenn die Pflege als „dummer Job“ abgetan wird.

Wer unseren Beruf und uns Pflegekräfte einfach so abtut, sollte vielleicht einfach mal eine Minute in sich gehen und darüber nachdenken, was es gäbe, oder vielmehr nicht gäbe, wenn es keine Pflegekräfte gäbe und wir uns nicht täglich mit vollem Einsatz in unsere Arbeit stürzen würden.

Die Oma muss ins Pflegeheim? Schade, dass das ohne uns nicht möglich ist. Denn ohne Pflegekräfte gibt es natürlich auch keine Pflegeheime. Ihr seid krank und müsst für eine Weile ins Krankenhaus, um wieder auf die Beine zu kommen? Schade nur, dass es kein Krankenhaus gibt, wenn es keine Pflegekräfte gibt. Denn ohne Pflegekräfte wären Krankenhäuser kaum mehr als riesige Bettensäle, in denen sich ab und zu ein einsamer Arzt verirrt, der ohne die Kollegen aus der Pflege auch herzlich wenig ausrichten kann.

Wer das Krankenhaus darauf reduziert, dass es ein Ort ist, an dem Ärzte ihre Künste zeigen, vergisst dabei, dass auch Ärzte im Krankenhaus eine Minderheit darstellen. Denn in jeder Klinik ist eine Vielzahl an Pflegekräften im Einsatz, während Ärzte nur in vergleichsweise geringer Zahl zu finden sind.

Außerdem: Wir Pflegekräfte sind sieben Tagen die Woche 24 Stunden bei den Patienten. Die Ärzte kommen täglich vielleicht auf eine halbe Stunde mit den Patienten – etwa im Rahmen der Visite. Oft wird in diesem Zusammenhang auch vergessen, dass wir es sind, die letztendlich auch die Verantwortung für die Patienten tragen.

Stell dir vor, du wärst in einer Situation, in der jemand deinen Hintern abwischen müsste. Von wem würdest du es wollen? Welche Fähigkeiten sollte diese Person mitbringen? Für Außenstehende scheint es nur eine unangenehme Aufgabe zu sein, aber für den Betroffenen ist es mindestens genauso unangenehm. Um dieser besonderen Aufgabe gerecht zu werden und die Intimsphäre des Betroffenen zu respektieren, benötigt man nicht nur jede Menge Empathie, sondern auch viel Fachwissen im Umgang mit Scham und dem Einhalten angemessener Distanzzonen.

Doch das ist längst nicht alles: Sagen wir einmal, ich bin auf der Station, dann habe ich dort meine 30 Patienten. Von diesen 30 Patienten wiederum kenne ich die Diagnosen, ich weiß welche Medikamente welcher Patient benötigt. Und: Wenn ich ein Medikament verabreiche, dann weiß ich auch, worauf ich bei diesem einen speziellen Medikament zu achten habe. Ich kenne die Nebenwirkungen, ich weiß Bescheid über die Wechselwirkungen, weiß also, welches Medikament sich eventuell nicht mit einem anderen Medikament verträgt.

Häufig arbeiten wir auch mit Assistenzärzten zusammen, die in der Realität alles erledigen. Oberärzte sind letztlich nur Ansprechpartner für diese Assistenzärzte und sie sind im Notfall erreichbar. Ansonsten lastet alles auf den Schultern besagter Assistenzärzte, die wiederum erst einmal von uns Pflegekräften angelernt werden müssen.

Da kommt es auch mal zu Fehlern, die wir bemerken müssen. Dass etwa bei einem zu verabreichenden Medi­kament eine vollkommen falsche Milligrammangabe durch den Assistenzarzt notiert wurde. Auch hier liegt es wieder in unserer Verantwortung, also der Verantwortung der Pflegekräfte, dass wir diese Fehler erkennen, dass wir sie bemerken und nicht einfach den fehlerhaften Angaben des Assistenzarztes folgen. Wir sind es dann, die mit dem Arzt noch einmal sprechen, die ihn darauf hinweisen, dass die verordnete Menge an Medikamenten eigentlich nicht richtig sein kann. Hätten wir jedoch keine Ahnung von der Materie, würden wir also tatsächlich nur Hintern abwischen, dann würden im Krankenhausalltag so viele Fehler passieren, wie es sich kaum jemand vorstellen kann. Würden wir außerdem nur die Befehle der Ärzte befolgen, dann würde das System ebenfalls nicht mehr funktionieren.

Und nehmen wir noch mal das Abwischen von Hintern. Was denken sich eigentlich Menschen, wenn sie darüber so abfällig urteilen? Glauben sie, dass wir Patienten einfach liegen lassen sollten, wenn sie völlig verdreckt sind? Ich lasse meine Patienten nicht einfach in ihrem eigenen Stuhlgang liegen.

Und dabei wird oft vergessen: Den Hintern abzuwischen bedeutet auch, dass wir den Patienten so nahe kommen wie niemand sonst. Während wir einen Patienten waschen, ihn reinigen, beobachten wir den Menschen natürlich. Wir führen also einerseits eine Hautbeobachtung durch, und können anhand dieser viele Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des Patienten ziehen. Ist seine Haut trocken, und ihre Spannung niedrig, braucht der Patient Flüssigkeit, um das Risiko für Hautdefekte und damit bspw. Druckgeschwüre zu vermindern. Wenn seine Haut bläulich schimmert, bekommt der Patient zu wenig Sauerstoff. Auf die Gefahr hin, dass sich nun mancher ekelt: Beim Saubermachen des Patienten können wir zum Beispiel auch die Konsistenz des Stuhlganges sehen oder anhand dessen Farbe und Geruch wichtige Rückschlüsse ziehen.

Hat ein Patient etwa plötzlich schwarzen Stuhlgang, wissen ich und meine Kollegen sofort, dass es sich dabei um Blut handeln könnte. Wir wissen außerdem, dass es sich um altes Blut handeln muss.

Ist es frisches und rotes Blut, wissen wir, dass es möglicherweise etwas am Darmausgang ist und es sich eventuell um eine Hämorrhoide handeln könnte. Altes und schwarzes Blut dagegen stammt eher aus dem Magen-Darm-Trakt und könnte auf eine Blutung hinweisen.

Nun noch mal zurück zum Geruch: Als Pflegekraft entwickelt man irgendwann ein Gespür für bestimmte Gerüche im Stuhlgang und kann wichtige Zusammenhänge herstellen. Zum Beispiel kann der Geruch auf ein Norovirus hindeuten, da dieser einen sehr spezifischen und schwer zu beschreibenden Geruch hat. All diese Umstände sind Dinge, mit denen wir Pflegekräfte immer wieder konfrontiert sind und die wir erkennen und in den entsprechenden Kontext stellen können. Dadurch kann der Arzt entsprechend handeln, seine Handlungen anpassen und planen.

Ein weiteres Beispiel ist die Verabreichung von Infusionen: Das ist grundsätzlich eine Arbeit, die wahrscheinlich jeder Mensch nach einer kurzen Einarbeitung erledigen könnte. Nur ist eben auch das Verabreichen einer Infusion nicht gleichbedeutend mit dem bloßen Aufhängen einer Flüssigkeit. Auch hier gehört für uns zur Arbeit, dass wir sie immer in direkter Verbindung mit dem Beobachten des Patienten sehen. Uns geht es also nicht allein um die Infusion, wir beobachten natürlich auch, wie es dem Patienten gerade geht. In dem Zusammenhang ist es außerdem wichtig zu erwähnen, dass es immer wieder auch Patienten gibt, die nicht mehr sprechen können. Sie haben nicht die Möglichkeit, anderen mitzuteilen, dass es ihnen schlecht geht. In solchen Fällen liegt es einmal mehr an uns, die richtigen Schlüsse aus der Beobachtung der Patienten zu ziehen. Darüber hinaus ist es immer wieder wichtig, einen Blick auf die Haut und deren Zustand zu werfen, um mögliche allergische Reaktionen festzustellen.

In solchen Situationen geht es aber auch darum, dass wir handeln. Wir handeln bereits in dem Moment, in dem wir versuchen, einen Arzt überhaupt erst zu erreichen, der sich um den Fall kümmern kann. Im Notfall müssen wir sogar die ersten lebenswichtigen Maßnahmen ergreifen, bevor ein Arzt eintrifft.

Wenn wir feststellen, dass die Sauerstoffsättigung zu niedrig ist, müssen wir uns um die Sauerstoffversorgung kümmern. Handelt es sich beispielsweise um einen Kollaps, müssen wir das Bett beziehungsweise die Lagerung des Patienten verändern – Kopf tief und Beine hoch, wenn es Probleme mit dem Kreislauf gibt. Wenn es sich um einen allergischen Schock handelt, fragen wir bereits während des Telefonats mit dem Arzt, ob wir dem Patienten bestimmte Medikamente verabreichen sollen. Dies liegt daran, dass wir uns mit solchen Fällen auskennen und die Hintergründe sowie die Handlungsweise kennen. Auch das ist etwas, das den meisten Menschen beim Gedanken an die Pflege oder an uns Pflegekräfte gar nicht auf dem Schirm haben.

Ähnlich sieht es aus, wenn ein Patient sagt, er geht zum Arzt oder hat einen Termin beim Arzt. Nur: Wer koordiniert denn all das? Wer kümmert sich auch während einer Operation um einen Patienten? Wer übernimmt die präoperative Versorgung? Wer kümmert sich um die postoperative Versorgung, also all das, was vor der eigentlichen Operation zu geschehen hat oder eben danach? Das alles ist extrem wichtig für den Patienten und dessen Genesung. Und während dieser Phasen ist eben nicht jederzeit ein Arzt vor Ort, der das Wohlergehen des Patienten im Auge behält. Wir sind diejenigen, die vor Ort sind. Wir müssen wissen, welche Werte und Herzfrequenz normal sind. Dahinter verbirgt sich sehr viel Wissen, das wir uns erst einmal aneignen müssen. Es steckt schlicht gesagt, sehr, sehr viel Lernarbeit dahinter. Es macht mich immer wieder traurig, wenn man über uns Pflegekräfte so spricht, als wären wir nur dafür da, die besagten Hintern abzuwischen.

Noch mal: Ohne uns wäre das alles undenkbar! Ohne uns könnten keine Operationen durchgeführt werden. Weil einem Arzt eben immer auch OP-Schwestern assistieren. Weil ein Arzt mit seinem weißen Kittel eben nicht in einem luftleeren Raum agiert, in dem sich alles nur um seine Herrlichkeit dreht.

Ich kenne zum Beispiel kaum einen Assistenzarzt, der weiß, wie man eine Infusion richtig auflöst. Oder auf den Intensivstationen: Die meisten Ärzte kennen sich nicht mit den Dosierpumpen, den sogenannten Perfusoren, aus. Das führt in Notfällen immer wieder zu Situationen, in denen ein hoffnungslos überforderter Arzt uns fragt, was er tun soll. Er muss sich dann auf eine Schwester beziehungsweise Pflegekraft verlassen können, die ihm genau erklärt, was zu tun ist. Diese Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegekräften ist gerade in solchen Notfällen – aber nicht nur dort – von enormer Bedeutung. Denn wenn zwei Personen vor Ort sind und beide keine Ahnung habe, was zu tun ist, kann das schnell zu einer Katastrophe führen und für den Patienten tödlich enden. Aber wenn eine Person keine Ahnung hat, sich jedoch von einer anderen belehren oder etwas erklären lassen kann, dann lässt sich auch ein wirklicher Notfall ohne ernsthaftere Folgen überstehen.

Genau das ist es, was Menschen erkennen müssen, weil es wirklich wichtig ist: Ärzte sind Ärzte und Pflegekräfte sind Pflegekräfte. Klar, ein Arzt gibt Anweisungen, die wir dann ausführen. Aber die Pflegekraft ist ein eigenständiger Beruf, genauso wie der Arzt ein eigenständiger Beruf ist. Und der Chef der Pflegekraft ist eben nicht der Arzt, sondern die Pflegedienstleitung. Wenn ein Arzt also anordnet, dass ich ein bestimmtes Medikament verabreichen soll, dann folge ich natürlich der Anordnung. Gleichzeitig muss ich aber immer überprüfen, ob die Anordnung Sinn macht, ob sie richtig ist. Denn am Ende habe ich die Durchführungsverantwortung. Wenn mir also der Arzt sagt, ich soll dem Patienten ein Medikament in einer bestimmten Dosierung geben, dann muss ich erst einmal überlegen, ob das gerechtfertigt ist, ob ich diese Anweisung wirklich ausführen kann oder ob es besser ist, es nicht zu tun. Genau deshalb ist es so wichtig, dass wir diese Ausbildung durchlaufen, die uns das nötige Wissen und die Werkzeuge gibt, um solche Entscheidungen zu treffen oder solche Überlegungen anzustellen. Und genau deshalb wünschen wir uns auch die Anerkennung, die wir unserer festen Überzeugung nach verdienen.

Zäpfchen? Guten Appetit!

Es gibt Momente auf der Station, da denkt man sich einfach nur „Oh! Mein! Gott!“. Zum Beispiel: Patient hat Temperatur, Pfleger hat Stress. Dann sagt man zum Patienten: „Hier, das ist für Sie, nehmen Sie das bitte“, und wendet sich schon wieder dem nächsten Patienten zu. Vielleicht hat man in diesem Moment tatsächlich auch vergessen zu sagen, dass es sich bei dem Medikament um ein Zäpfchen handelt – aber ein erwachsener Mensch sollte normalerweise den Unterschied zwischen einer Tablette und einem Zäpfchen kennen. Also wendet man sich wieder der Arbeit zu, versucht sich durch den alltäglichen Stress zu manövrieren, bis man schließlich wieder bei diesem einen Patienten ankommt und ihn fragt, ob er sein Zäpfchen denn auch genommen hat. Worauf die Antwort nun lautet dann: „Häh? Zäpfchen?“ und der Pfleger antwortet betont ruhig: „Ich habe Ihnen doch eben erst ein Zäpfchen gegeben, das haben Sie doch nicht vergessen, oder?“. Das wiederum führt beim Patienten zu einer erstaunten Reaktion: „Das war ein Zäpfchen? Ach so … hab ich runtergeschluckt.“

Bei so einem Fall könnte man jetzt vielleicht sagen, dass nicht jeder Patient ein Zäpfchen auch als Zäpfchen erkennt, dass wir letztlich also zumindest so etwas wie eine Mitschuld an der Sache haben. Aber ein verschlucktes Zäpfchen ist nicht das einzige Missgeschick, das bei der Kombination aus Patient und Medikament passieren kann. Es gibt zum Beispiel Schmerzmedikamente beziehungsweise Schmerztabletten, die wir den Patienten in ihrer Verpackung geben. Die Tablette befindet sich also in einer Hülle, dem sogenannten Blister. Das machen wir unter anderem, damit wir bei Patienten, die oft mehrere Medikamente verabreicht bekommen, immer wissen, welches Medikament sich in welcher Verpackung befindet. Aber immer wieder kommt es vor, dass die Patienten ihre Ta­bletten nicht erst auspacken, sondern sie samt der Plastik­­­ver­packung runterschlucken. Gerade bei wichtigen Medikamenten bedeutet das dann, dass das Medikament eine Wirkung von Null-Komma-Null hat. Der Körper kann Plastik nicht verdauen, also bleibt das Medikament in seiner Verpackung, bis es auf die eine oder andere Weise wieder den Körper verlässt. Manchmal haben die Patienten Glück und erbrechen das verschluckte Medikament zusammen mit der Plastikhülle. Es kann aber auch dazu kommen, dass ein Ultraschall gemacht werden muss, um herauszufinden, wo sich diese Plastikhülle mit dem Medikament im Körper befindet.

Problematisch ist das Ganze auch, weil wir einfach nicht wissen, was die Patienten tatsächlich gemacht haben. Wir wissen also nicht, ob die Kunststoffhülle noch intakt ist, oder ob der Patient vielleicht doch reingebissen und sie beschädigt hat, sodass das Medikament trotzdem im Körper aufgelöst wird. Das heißt, wir können nicht einfach noch eine weitere Tablette verabreichen, weil die erste vielleicht doch schon wirkt.

Und übrigens, die Patienten, denen so etwas passiert, sind in der Regel gar nicht desorientiert. Es handelt sich meistens um ganz normale Menschen, die eigentlich klar denken können, aber trotzdem solche Fehler begehen. Es gibt auch Patientinnen, die ihre Zäpfchen zwar nicht schlucken, sondern sie vaginal statt anal anwenden. Kleiner Tipp für alle Leserinnen: Auch das sollte man nicht tun, das ist nicht gut!

Ja, wir waschen – weil wir es können

Noch einmal kurz zurück zum Thema waschen: Wenn es darum geht, dass wir Patienten waschen, also ihnen quasi den Hintern putzen, müssen wir immer auch berücksich­tigen, dass es viele verschiedene Arten von Patienten gibt. Es gibt zum Beispiel sehr alte Patienten, die sich kaum oder gar nicht bewegen können. Sie liegen also praktisch die ganze Zeit regungslos in ihren Betten. Je länger jedoch ein Mensch auf einem Körperteil liegt, desto schlechter ist die Sauerstoffversorgung in diesem Bereich. Das kann letztlich dazu führen, dass das Gewebe abstirbt. Und genau das wiederum ist ein wichtiger Faktor, der nicht vergessen werden darf, wenn es darum geht, Patienten zu waschen. Wir sehen dabei, ob die Haut in Ordnung ist und ob es Verletzungen gibt. Möglicherweise benötigen wir eine Wechseldruckmatratze, um den Druck entsprechend zu regulieren und bestimmte Körperregionen zu entlasten.

Außerdem ist das Waschen oder Gewaschenwerden auch eine basale Stimulation, also ein Reiz, den Menschen benötigen, die den ganzen Tag im Bett liegen – sie benötigen ihn, um gesund zu werden. Denn der Mensch ist nicht nur ein Körper, sondern auch Seele und Geist und hat Bedürfnisse, die erfüllt werden müssen, um gesund zu sein. Berührung gehört dazu.

Aber noch einmal zurück zum eigentlichen Waschen: Beim Waschen bemerken wir auch, ob ein Patient Schmerzen hat. Selbst wenn dieser Patient nicht mehr reden kann, spüren wir, wie er auf unsere Handlungen reagiert, ob er vielleicht wegen etwaiger Schmerzen das Gesicht verzieht.

Außerdem bewegen wir beim Waschen auch die Gelenke und können daher feststellen, ob sie versteifen. Das kann bedeuten, dass wir möglicherweise mit mehr Physiotherapie arbeiten müssen.

All das müssen wir anschließend natürlich auch dokumentieren. Wir halten also fest, wie der Hautzustand ist, wie es um den Allgemeinzustand des Patienten steht, ob der Patient unter Schmerzen leidet, wie sich die Atmung anhört und so weiter und so fort. Das Waschen oder das, was die Menschen als Hinternabwischen abtun, liefert also wichtige Hinweise, die für das weitere Wohlergehen und die Genesung des Patienten wertvoll sind.

Sicher, jeder Mensch kann sich waschen oder sollte es zumindest können und auch tatsächlich auch tun. Doch das professionelle Waschen von Patienten, bei dem es gleichzeitig um vielfältige und am Ende des Tages sehr wichtige Beobachtungen rund um die Gesundheit eines Menschen geht, ist etwas ganz anderes. Nicht jeder kann einfach so diese Aufgabe übernehmen.

Und genau deshalb raste ich regelrecht aus, wenn Leute sagen: „Du willst nur Pfleger sein? Warum studierst du nicht und wirst ein richtiger Arzt?“ Ich wiederhole es gerne noch mal: Was wir tun, ist wichtig. Unser Berufsstand verdient endlich Respekt von der Gesellschaft. Der Arzt, der oft regelrecht auf ein Podest gehoben wird, kann im Grunde gar nichts tun, wenn er nicht von uns über den aktuellen Zustand des Patienten informiert wird. Der Arzt muss sich auf uns verlassen können, er muss sich sicher sein, dass wir ihm die richtigen Werte liefern, damit er entsprechend handeln kann.

Ich wasche dich – du wäschst mich?

Ich habe bereits ausführlich darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass wir Patienten waschen, um ihren Körper und den Zustand der Haut zu prüfen. Es gibt aber auch Situationen, in denen wir die Patienten nicht nur waschen, sondern auch dazu ermutigen, selbst beim Waschen mitzumachen. In solchen Fällen stülpen wir ihnen also einen Waschhandschuh über und los geht’s.

Eines Tages wusch ich eine ältere Patientin und war völlig in meine Arbeit vertieft, als ich plötzlich etwas Kaltes auf meinem Arm spürte. Gleichzeitig hörte ich die Patientin sagen, dass das nicht in Ordnung sei, wo ich mich herumgetrieben hätte. Wahrscheinlich hat sie mich mit ihrem Enkel verwechselt, aber das war letztlich unwichtig. Denn vor allem ging es darum, dass sie an meinem Arm Verfärbungen bemerkte, die ihr seltsam vorkamen und die sie nun mit dem Waschlappen versuchte zu beseitigen. Was sie jedoch nicht wusste, war der Umstand, dass es sich bei den merkwürdigen Verfärbungen auf meinem Arm um Tätowierungen handelte, die sich selbst mit größter Anstrengung nicht mit einem Waschlappen entfernen lassen. Ich versuchte der Patientin zu erklären, dass es sich um Tattoos handelt, dass die Farbe in der Haut ist, und dass Wasser sie nicht entfernen kann. Die Patientin ließ sich jedoch nicht davon abbringen, es weiter zu versuchen. Natürlich ohne Erfolg

Kapitel 2

Allgemein­medizin

Mein Weg: Wie alles begann

Bevor ich jetzt noch tiefer in das Thema Pflege und all die damit verbundenen Probleme eintauche, möchte ich erst einmal erzählen, wie alles angefangen hat und warum ich diesen Weg eingeschlagen habe. Letztlich begann alles mit meiner Großmutter. Meine Oma ist Chirurgin und hat mir schon als Kind eine Menge über Medizin und den Krankenhausalltag erzählt, was mich total fasziniert hat. Da ich außerdem viel Zeit mit meiner Oma verbracht habe, hat das sicherlich einen großen Einfluss auf mich gehabt.