Pflegetherapie im Schmerzmanagement - Svetlana Geyrhofer - E-Book

Pflegetherapie im Schmerzmanagement E-Book

Svetlana Geyrhofer

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Beschreibung

Schmerz als Symptom findet sich in allen Bereichen und Fachdisziplinen der Gesundheits- und Krankenpflege wieder. Er nimmt daher einen übergeordneten Stellenwert sowohl in den pflegerischen Kernkompetenzen als auch in der Mitwirkung der medizinischen Diagnostik und Therapie ein. Eine gute Pflegetherapie im Schmerzmanagement erfordert nicht nur hohe Expertise in pflegerischen Schwerpunkten, sondern auch medizinisches Fachwissen rund um das Thema Schmerz und Schmerzmedikamente. Dieses Buch zeigt die Rolle der professionellen Pflege als therapeutische Berufsgruppe im Schmerzassessment und Schmerzmanagement auf, illustriert durch zahlreiche Fallbeispiele.

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Svetlana Geyrhofer

Pflegetherapie im Schmerzmanagement

Svetlana Geyrhofer, BA

DGKP, Akademisch geprüfte Expertin in der Anästhesiepflege, abgeschlossene Weiterbildungen Schmerzmanagement und Komplementäre Pflege – Aromapflege, Lehrerin für Gesundheits- und Krankenpflege, abgeschlossenes Bachelor-Studium der Bildungswissenschaften an der Universität Wien. Seit 2011 selbstständig tätig bei PflegeminusSchmerz, Lehrgangsleitung der Fort- und Weiterbildung Schmerzmanagement und Komplementäre Pflege. Vorstandsmitglied der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG) und Präsidentin der Gesellschaft für Schmerzmanagement der Gesundheits- und Krankenpflege (GeSGuK).

Eine geschlechtergerechte Schreibweise wird in diesem Buch vorwiegend durch die Verwendung der Schreibung mit Stern * realisiert. Ist eine korrekte, alle Endungen berücksichtigende Schreibung auf diese Weise nicht möglich oder erfordert sie Ergänzungen, die den Lesefluss hemmen, so werden – stellvertretend für alle Geschlechter – die weibliche und männliche Form abgewechselt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Angaben in diesem Fachbuch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr, eine Haftung der Autorin oder des Verlages ist ausgeschlossen.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung, sind vorbehalten.

2. Auflage 2023

Copyright © 2022 Facultas Verlags- und Buchhandels AG

facultas Verlag, Wien, Österreich

Umschlagfoto: © Tinnakorn Jorruang, istockphoto.com

Satz: Wandl Multimedia-Agentur

Lektorat: Laura Hödl, Wien

Druck: Facultas Verlags- und Buchhandels AG

Printed in Austria

ISBN 978-3-7089-2371-0

E-ISBN 978-3-99111-776-6

Vorwort

„Wo fange ich an …?“(Bilbo Beutlin in „Der Herr der Ringe“)

Als ich vom Verlag mit dem Schreiben dieses Buches beauftragt wurde, stellte ich mir sofort die Frage nach dem Ziel. Welches Ziel habe ich, ein Buch zum Thema Schmerz zu verfassen? Gerade zum Schmerzmanagement gibt es viele Bücher und Journale, in denen das Thema „umfassend“ abgehandelt wird. Es zeigt sich, dass in den Publikationen sowohl wissenschaftlich basierte Erkenntnisse als auch – und noch viel mehr – Erfahrungsberichte von Betroffenen aufscheinen. Es existieren mittlerweile nahezu zu jeder Schmerzart und Schmerzform Leitlinien, Handlungsempfehlungen und Expertenstandards.

Als Referentin vieler Inhouse-Schulungen von diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger*innen, Pflegefachassistent*innen und Pflegeassistent*innen in der Praxis frage ich zu Seminarbeginn immer, wer denn diese umfangreiche Literatur kennt. Das Ergebnis ist ernüchternd, denn auch wenn die Literatur teilweise schon seit Jahrzehnten in immer wieder aktualisierten Auflagen existiert – bekannt ist sie den Teilnehmer*innen wenig. Warum sollte ich also noch eins draufsetzen und ein weiteres Buch zum Thema Schmerz in der Pflege verfassen, das dann doch wieder niemand kennt und keine*r liest? Ich bin der festen Überzeugung, dass schon genug Literatur zu diesem Thema existiert. Es muss die Literatur endlich auch gelesen und in die Praxis umgesetzt werden.

Jetzt könnte man mutmaßen, warum die Literatur nicht gelesen wird. Vielleicht ist der Zugang eingeschränkt? Noch heute erfahre ich von Kolleg*innen, dass in einigen Institutionen nur die Ärzteschaft Zugang zu Bibliotheken und Datenbanken hat und Pflegepersonen nicht. Wie kann das sein, wo doch die Grundausbildung der professionellen Pflege in Österreich schon seit 2008 auf den Fachhochschulen erfolgt und bereits seit 2000 das Studium der Pflegewissenschaft existiert? Oder vielleicht denken professionell Pflegende immer noch, Literatur sei etwas für Theoretiker*innen? Diejenigen, die in der Praxis arbeiten, müssten ja nicht noch zusätzlich lesen, sie wissen ja, wie Pflege funktioniert. Zugegeben, ich provoziere bewusst und stelle Mutmaßungen in den Raum. Diese Aussagen im Vorwort möchte ich nicht mit Literatur belegen: Wer ein wenig recherchiert, wird genug Hinweise dazu finden.

Vielleicht ist die Literatur zum Thema Schmerz auch zu langweilig oder zu abstrakt geschrieben? Theoretische Ansätze mit praktischen Fallbeispielen zu verknüpfen, ist nicht immer einfach, und die Autor*innen von Pflegebüchern sind – entgegen der Annahme – nicht immer Pflegepersonen. Das kann dazu führen, dass zwar fachlich alles richtig ist, jedoch auf die pflegerischen Kernkompetenzen, wie sie im Gesundheits- und Krankenpflegesetz in Österreich definiert sind, kaum Bezug genommen wird, bzw. scheint der pflegerelevante Praxisbezug nicht auf.

All diese Gedanken und Überlegungen haben mich sehr darin bestärkt, dieses Buch zu schreiben. Inhaltlich setze ich den Schwerpunkt auf die pflegerische Verantwortung und auf die Eigenständigkeit als therapeutische Berufsgruppe. Dabei will ich den Praxisbezug – unter „vollster“ Ausschöpfung des gesetzlichen Rahmens – mithilfe von praktischen Fallbeispielen darstellen und erörtern. Hinzu kommt, dass ich versuche, mit konkreten Formulierungen Tipps für den Pflegealltag mitzugeben.

Da das Buch einen begrenzten Umfang hat, stellte sich mir eine weitere Frage: „Wo fange ich an?“ So wie Bilbo Beutlin in dem Film „Der Herr der Ringe“ saß ich vor dem leeren Dokument und überlegte, welche Kapitel für die Pflege relevant sind. Meine Erfahrungen aus der Lehr- und Beratungstätigkeit zeigen mir, welche Mythen und Defizite in der professionellen Pflege zu diesem wichtigen Thema herrschen. Ich habe die Kapitel so gewählt und priorisiert, wie sie für die meisten in der Pflege tätigen Personen von Bedeutung sein können.

Der Titel des Buches „Pflegetherapie im Schmerzmanagement“ ist bewusst gewählt. Das Wort Pflegetherapie soll klar kommunizieren, dass die professionelle Pflege eine Berufsgruppe mit therapeutischem Auftrag ist und dass auf die pflegetherapeutischen Maßnahmen im Schmerzmanagement nicht verzichtet werden kann. Das sind keine Extraleistungen, die dem Spardruck zum Opfer fallen können, sondern wesentliche Interventionen, ohne die es keine gute Schmerzbehandlung geben kann. Selbstverständlich ist mir bewusst, dass sich nicht alle professionell ausgebildeten Pflegepersonen als Therapeut*innen sehen, sondern immer noch gerne die Rolle des Assistenzpersonals übernehmen. Das reduziert jedoch die Verantwortung und Eigenständigkeit unserer Berufsgruppe. Es können nicht alle diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger*innen, die in Österreich im Gesundheitsberuferegister aufgelistet sind – immerhin mehr als 100.000 Personen – in der Praxis als Assistenzpersonal arbeiten. Irgendjemand muss auch die Kernkompetenzen der diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger*innen übernehmen, sonst werden die Patient*innen vernachlässigt.

Ich möchte mich bei allen Teilnehmer*innen und Absolvent*innen der von mir und meinem Mann durchgeführten Weiterbildung Schmerzmanagement für ihre vielen praktischen Fallbeispiele bedanken. Dabei wird mein persönlicher Lernprozess laufend gefördert.

Unsere Weiterbildung startet 2023 bereits mit dem zwölften Durchgang, und das große Interesse daran zeigt mir, wie wichtig das Thema Schmerz in all den Jahren in der Pflege trotzdem geworden ist und dass die Bedeutung der pflegerischen Kernkompetenzen erkannt wurde.

Ich bedanke mich bei allen Teilnehmer*innen der vielen Inhouse-Schulungen in den vergangenen zehn Jahren für ihr Interesse am Thema. Inspirierend sind die vielen anregenden Diskussionen und dazu die persönlichen Gespräche in den Kaffeepausen. Ich hoffe, meine Inputs konnten dazu beitragen, dass sich der Alltag der vielen schmerzgeplagten Menschen, die von der professionellen Pflege behandelt werden, verbessert hat.

Ich möchte mich bei Frau Waltraud Wurzer, MSc, für ihren Mut bedanken, ihre Masterarbeit „Pflegetherapie – Eine dialektische Darstellung. Wunsch und Wirklichkeit“ zu nennen. Diese Arbeit zeigt, dass es eine Kollegin gibt, die ähnliche Ansätze zur Pflegearbeit verfolgt, und dadurch hatte ich Literatur, auf die ich zurückgreifen konnte.

Weiters möchte ich mich bei Herrn Mag. Dr. Otto Schrenk für die jahrelange Freundschaft, die vielen Supervisionen und Korrekturen meiner Verschriftlichungen bedanken. Ihm verdanke ich einschlägiges Wissen über den Pflegeprozess und das rechtliche Sachverständnis. Ich hoffe, dass ich entgegen seinem Postulat „In 40 Jahren Berufstätigkeit ist die Pflegereform nicht gelungen, sie wird auch jetzt nicht gelingen“ hier wesentliche Schritte für eine längst fällige Reform der Praxis einleiten kann.

Ich bedanke mich bei meinem Mann Hannes Geyrhofer, BSc, für all die Jahre, die er mir mit Rat und Tat – in guten wie in schlechten Zeiten – zur Seite gestanden hat, dass er – obwohl er keine Pflegeperson ist – in dieses Fachgebiet eintauchen konnte und ein Stück weit auch zum „Schmerzexperten“ geworden ist.

Frau Esther Schauberger und Frau Christa Käferböck danke ich für das Korrekturlesen.

Ich bedanke mich beim Verlag für die Anfrage und die Geduld, das Buch entstehen zu lassen.

Das Buch soll zum Umdenken bewegen, denn gerade beim Thema Schmerz wird die professionelle Pflege zum Teil immer noch als assistierende und nicht als diagnostizierende und steuernde Berufsgruppe gesehen. Das muss sich ändern.

So hoffe ich, dass dieses Buch wesentlich dazu beitragen kann, dass die professionelle Pflege hinsichtlich ihrer Kernkompetenzen im Schmerzmanagement endlich im 21. Jahrhundert ankommt und sich daraus strukturelle Veränderungen für die Praxis ergeben.

Grein, im September 2023

Inhalt

Einleitung

1 Die Rolle der Pflege als therapeutische Berufsgruppe im Schmerzmanagement

1.1 Pflegerische Kernkompetenzen

1.2 Pflegeprozess

1.3 Definition von Therapie

1.4 Interdisziplinär versus interprofessionell

1.5 Multimodale Schmerztherapie

1.6 Die therapeutische Rolle der Pflege im Schmerzmanagement

Zusammenfassung

2 Schmerzwahrnehmung und Schmerzarten – Möglichkeiten der medikamentösen Therapie und Nebenwirkungsmanagement

2.1 Unterscheidung Nozizeption und Schmerz

2.2 Kognitive und emotionale Bewertung

2.3 Schmerzarten

2.3.1 Krankheitsbilder, die mit akuten nozizeptiven Schmerzen einhergehen

2.3.2 Krankheitsbilder, die mit chronischen nozizeptiven Schmerzen einhergehen

2.3.3 Krankheitsbilder mit neuropathischen Schmerzen

2.4 Möglichkeiten der medikamentösen Schmerztherapie

2.4.1 Medikamente der Stufe 1 nach dem WHO-Stufenschema

2.4.2 Medikamente der Stufe 2 und 3 nach dem WHO-Stufenschema

2.4.3 Medikamente bei neuropathischen Schmerzen

2.4.4 Placebogaben

2.5 Verabreichung der medikamentösen Therapie durch DGKP

2.6 Nebenwirkungsmanagement durch die DGKP

Zusammenfassung

3 Das pflegerische Schmerzassessment

3.1 Definition Schmerzassessment

3.2 Das biopsychosoziale Modell nach Engel

3.3 Durchführung des Schmerzassessments

3.4 Schmerzeinschätzungsinstrumente

3.5 Eindimensionale Skalen

3.6 Ziele formulieren

Zusammenfassung

4 Kultur und Schmerz

4.1 Frage nach der Herkunft

4.2 Was ist Kultur?

4.3 Internationale Kulturregeln

4.4 Die Sprache als Merkmal einer Kultur

4.5 Kulturelle Unterschiede im Schmerzerleben

4.6 Umgang mit Schmerz in den westlich industrialisierten Ländern

4.6.1 Kausalität – Bedeutung

4.6.2 Korrelation – Bedeutung

4.7 Kein Organbefund

Zusammenfassung

5 Perioperatives Schmerzmanagement

5.1 Ausgangssituation

5.2 Mögliche Ursachen für die Defizite im perioperativen Schmerzmanagement

5.3 ERAS® Nurse oder die präoperative Pflegevisite

5.4 Einsatz von Schmerzerfassungsinstrumenten im perioperativen Bereich

5.5 Schmerzerfassung im Aufwachraum und Kriterien für die Transferierung auf die Station

5.6 Schmerzkatheterverfahren und periphere Nervenblockaden

5.7 Standardisierte Vorgehensweisen

5.8 Applikationsverfahren in der perioperativen Schmerztherapie

Zusammenfassung

6 Schmerzerfassung bei Menschen mit Demenz

6.1 BeSD-Beurteilung von Schmerzen mit Demenz

6.2 PAIC-15-Scala (Pain Assessment in Impaired Cognition)

6.3 BISAD – Beobachtungsinstrument für das Schmerzassessment bei alten Menschen mit schwerer Demenz

6.4 Doloplus-Skala

6.5 Das Konzept von See Pain

Zusammenfassung

7 Pflegetherapie im Schmerzmanagement

7.1 Wickel und Kompressen

7.2 Aromapflege

7.2.1 Fette Pflanzenöle

7.2.2 Hydrolate

7.2.3 100 % naturreine ätherische Öle

Zusammenfassung

8 Hypnotische Kommunikation – Anwendung als Pflegetherapie

8.1 Definition Hypnose und Trance

8.2 Wirksamkeit von Hypnose

8.3 Kann Hypnotische Kommunikation erlernt werden?

8.4 Wie kann Hypnotische Kommunikation in den Pflegealltag integriert werden?

8.4.1 Einsatz als Entspannungsmethode

8.4.2 Einsatz zum Erlernen von Bewältigungsstrategien

Zusammenfassung

9 Motivierende Gesprächsführung im Beratungssetting

9.1 Belehrung ist nicht Beratung

9.2 Grundlagen der motivierenden Gesprächsführung

9.3 Elemente der motivierenden Gesprächsführung

9.4 RULE

9.5 Drei Kommunikationsstile in der motivierenden Gesprächsführung

Zusammenfassung

10 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

11 Literaturverzeichnis

Einleitung

Schmerz ist ein Symptom, das sich in allen Bereichen und Fachdisziplinen der Gesundheits- und Krankenpflege wiederfindet. Daher nimmt Schmerz auch einen hohen übergeordneten Stellenwert sowohl in den pflegerischen Kernkompetenzen als auch in der Mitwirkung der medizinischen Diagnostik und Therapie der diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger*innen ein (Geyrhofer, 2019, S. 59).

Im pflegerischen Alltag sind Berufsgruppen wie Ärzt*innen, Physiotherapeut*innen, Psycholog*innen oder Psychotherapeut*innen nur wenige Stunden greifbar. Die professionelle Gesundheits- und Krankenpflege übernimmt hier im Wesentlichen Aufgaben wie Beobachtung des Gesundheitszustandes, klinische Befunderhebung, Erstellen einer Pflegediagnose und Einleiten weiterführender therapeutischer Maßnahmen bis hin zu Beratung und psychosozialer Betreuung (siehe Kap. 1) (Geyrhofer, 2021, S. 58).

Die Pflegetherapie im Schmerzmanagement erfordert großes Wissen um die pflegerischen Schwerpunkte, aber auch großes medizinisches Fachwissen rund um die Themen Schmerz und Schmerzmedikamente. Das ist die Voraussetzung für eine gute Pflegetherapie.

Schmerzen und Pflegebedürftigkeit sind zwei wichtige Faktoren, die die Lebensqualität von Betroffenen einschränken und damit den Lebenswillen reduzieren können. Da der Verfassungsgerichtshof zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Buches das Verbot von Beihilfe zum Suizid aufgehoben hat, werden diese beiden Schwerpunkte in Zukunft sehr bedeutsam werden. Genau deshalb wird es jetzt wichtig, akute Schmerzen gut zu behandeln, chronische Schmerzpatient*innen umfassend in ihrer Situation zu begleiten und die Pflegebedürftigkeit sowohl zu reduzieren als auch zu verhindern. Gesundheitsförderung und die Verlängerung von gesunder Lebenszeit müssen endlich oberste Priorität werden.

Schmerzmanagement in der Pflege orientiert sich an Leitlinien und Handlungsempfehlungen. Ein differenziertes Schmerzassessment ist Voraussetzung für eine gezielte Schmerztherapie. Ohne jenes können die Betroffenen nicht adäquat behandelt werden. Was die Leitlinien schon lange beschreiben, gilt es, in die Praxis umzusetzen. In allen Bereichen ist die professionelle Pflege mit Menschen konfrontiert, die an akuten und/ oder chronischen Schmerzen leiden. Die professionelle Pflege ist es diesen Menschen schuldig, die Leitlinien und Handlungsempfehlungen zu kennen und die Pflegetätigkeiten danach auszurichten. Ritualisierte Pflege („Das haben wir schon immer so gemacht“) sollte seit der Grundausbildung auf Fachhochschulniveau endgültig der Vergangenheit angehören.

Dieses Buch soll keine Zusammenfassung aller bereits existierenden Bücher zu diesem Thema werden, es soll nicht die ärztlichen Aufgaben beschreiben. Deshalb werden Inhalte wie die Schmerzverarbeitung und die medikamentöse Schmerztherapie so kurz wie möglich gehalten, hier darf auf viele andere Bücher verwiesen werden, wie z. B. auf das Buch von Eckhard Beubler (72020) „Kompendium der medikamentösen Schmerztherapie: Wirkungen, Nebenwirkungen und Kombinationsmöglichkeiten“ oder das Herausgeberbuch von Birgit Kröner-Herwig, Paul Nilges et al. (82017) „Schmerzpsychotherapie“.

Es können hier nicht alle wichtigen Themen in vertiefender Ausführung besprochen werden. So ist das Thema Edukation im Schmerzmanagement zwar vor allem bei chronischen Schmerzpatient*innen von großer Bedeutung, jedoch finden Beratungssettings selten in der täglichen Routine statt. Professionelle Beratungsgespräche übernehmen meist diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger*innen mit Spezialausbildung oder Studium der Advanced Nursing Practice. Somit darf hier auf das Buch von Harald Titzer et al. (2021) „Edukation in der Pflege“ weiterverwiesen werden.

Dieses Buch behandelt ausschließlich die Pflegetherapie im Schmerzmanagement bei Erwachsenen. Die Schmerztherapie bei Kindern ist immer extra zu betrachten, und auch hier darf auf Leitlinien bzw. auf das Buch von Boris Zernikow (2015) „Schmerztherapie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen“ verwiesen werden.

Das Ziel dieses Buches ist es, die Rolle der professionellen Pflege als therapeutische Berufsgruppe im Schmerzmanagement (Kap. 1) aufzuzeigen. Mit „professioneller Pflege“ sind dabei die diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger*innen mit oder ohne zusätzliche Spezialisierung im Schmerzmanagement gemeint. Synonym wird die Bezeichnung Pflegetherapeut*in verwendet.

Die professionelle Pflege hat großes medizinisches Fachwissen, kann die unterschiedlichen Schmerzarten differenzieren und kennt die aktuellen Leitlinien und Handlungsempfehlungen (Kap. 2). Die vielen praktischen Fallbeispiele sollen die Bedeutung des pflegerischen Schmerzassessments (Kap. 3) und die Anwendung der Pflegetherapie (Kap. 7) darstellen.

Die kulturellen Aspekte (Kap. 4) und das perioperative Schmerzmanagement (Kap. 5) wurden in dieser Ausgabe neu hinzugefügt. Vorgestellte Gesprächstechniken wie die Hypnotische Kommunikation (Kap. 8) oder die motivierende Gesprächsführung (Kap. 9) sollen nicht als etwas angesehen werden, das nur andere Berufsgruppen anwenden bzw. wofür sowieso keine Zeit vorhanden ist, sondern dazu motivieren und neugierig machen, dass auch die professionelle Pflege in ihrem Arbeitsalltag bewährte Gesprächstechniken anwenden kann und soll.

Bei den Fallvignetten handelt es sich um echte Situationen, die in der Praxis stattgefunden haben. Die Namen und Biografien wurden anonymisiert und so verändert, dass keine Rückschlüsse auf die Patient*innen möglich sind.

1 Die Rolle der Pflege als therapeutische Berufsgruppe im Schmerzmanagement

In Österreich gibt es drei Berufsgruppen in der Pflege: die diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger*innen (DGKP), die Pflegefachassistent*innen (PFA) und die Pflegeassistent*innen (PA).

Bis 1997 war Pflege gesetzlich noch ein Beruf, der sich hauptsächlich um die Pflege bei Erkrankungen aller Art sowie um Hilfeleistung bei ärztlichen Verrichtungen gekümmert hat. Der Begriff Gesundheitspflege war im Berufsalltag faktisch kein Thema (siehe das Krankenpflegegesetz von 1961, https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010302).

Mit September 1997 trat das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) in Kraft und löste das Krankenpflegegesetz ab. Damit wurde die bedeutendere Stellung der Pflege im Gesundheitswesen neu formuliert und die Ausbildung an die gestiegenen Anforderungen angepasst. Ab nun liegt der Schwerpunkt auf der Gesundheitsförderung, Prävention, Prophylaxe sowie Ressourcenorientierung von Menschen aller Altersstufen. Insbesondere wird hier ausdrücklich die Förderung und Aufrechterhaltung der Gesundheit, die Unterstützung des Heilungsprozesses sowie die Bewältigung von gesundheitlicher Beeinträchtigung festgeschrieben. Dabei sind wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen. Kurative Kompetenzen werden der Pflege ebenso zugeordnet (Weiss/Lust, 2021, S. 128). Die Tätigkeiten der DGKP haben sich somit gewandelt und sind erweitert worden. Die Wandlung erfolgte von einem ärztlichen Hilfsberuf hin zu einer eigenständigen Berufstätigkeit mit therapeutischem Ansatz. Mit dem GuKG ist ein neuer Beruf – jener der DGKP – entstanden.

Stöcker vertrat 2002 die Ansicht, dass durch das Qualifizierungsziel in der generalistischen Ausbildung auf Hochschulniveau eine angepasste Abschlussbezeichnung anzudenken sei. Zum Beispiel ist die Bedeutung der griechischen Begriffe Diagnostik und Therapie ebenso in den pflegediagnostischen und pflegetherapeutischen Interventionen enthalten. Dazu gibt es unter Punkt 1.3 weitere Ausführungen (Stöcker, 2002, S. 196).

2016 wurde das GuKG novelliert und der Beruf der PFA kam neu hinzu.

In diesem Kapitel werden die pflegerischen Kernkompetenzen der DGKP und der Pflegeprozess überblicksmäßig dargestellt, und zwar nur in dem Ausmaß, wie es für das Verständnis der Rolle der Pflege im Schmerzmanagement notwendig ist. Der Pflegeprozess in seiner gesamten Komplexität unter Berücksichtigung von Pflegetheorien und Pflegemodellen kann hier nicht näher ausgeführt werden.

1.1 Pflegerische Kernkompetenzen

Die pflegerischen Kernkompetenzen der DGKP (vormals eigenverantwortlicher Tätigkeitsbereich) sind im § 14 GuKG geregelt. In Absatz 1 wird die Eigenverantwortung bei der Pflegediagnostik sowie bei der Durchführung und Evaluation aller pflegerischen Handlungen hervorgehoben. Dabei wird die Gesundheitsförderung mitberücksichtigt. Eigenverantwortlich bedeutet, dass die Entscheidung für eine pflegetherapeutische Maßnahme getroffen wird: „die Eigenverantwortlichkeit ist nicht als verzichtbares Recht, sondern als unverzichtbare Pflicht bei der Berufsausübung zu sehen“ (Weiss/Lust, 2021, S. 135).

Eigenverantwortlichkeit wird in der Praxis häufig synonym mit Eigenständigkeit verwendet. Das führt zu Missverständnissen. So sind PFA und PA berechtigt, die ihnen übertragenen pflegetherapeutischen Maßnahmen eigenständig durchzuführen, sie haben jedoch nicht die Kompetenz, eigenverantwortlich zu entscheiden, ob eine Maßnahme bei Patient*innen durchgeführt werden soll. So kann z. B. eine körperwarme Ölkompresse (siehe Kap. 7) als schlaffördernde Maßnahme mit der betroffenen Person vereinbart werden. Die Durchführung dieser Ölkompresse kann an PFA und PA delegiert werden, nicht jedoch die Entscheidung darüber, ob eine Ölkompresse für die betroffene Person sinnvoll ist. Dieses Beispiel zeigt sehr gut auf, dass es keine pflegetherapeutische Maßnahme ohne die klinische Einschätzung der DGKP geben kann. Auch muss die betroffene Person von der DGKP über die Wirkungen und Indikationen der Maßnahme aufgeklärt werden. Erst danach kann die DGKP die Delegation der Durchführung in Erwägung ziehen. Nicht alle pflegetherapeutischen Maßnahmen können delegiert, viele Pflegetherapien können nur von den DGKP selbst durchgeführt werden. Hier muss jedenfalls beachtet werden, dass die PFA keine Delegationsfähigkeit besitzt, sie kann also die ihr übertragenen Maßnahmen nicht weiter an die PA delegieren. Delegation ist eine höherwertige Aufgabe, die eine entsprechende Ausbildung voraussetzt.

Zu den pflegerischen Kernkompetenzen im Schmerzmanagement zählen neben der gesamten Planung der Pflegetherapie nach dem Pflegeprozess u. a. noch:

•die Beobachtung und Überwachung des Gesundheitszustandes,

•die theorie- und konzeptgeleitete Gesprächsführung und Kommunikation,

•die Beratung zur Gesundheits- und Krankenpflege sowie die Organisation und Durchführung von Schulungen,

•die Förderung der Gesundheitskompetenz, Gesundheitsförderung und Prävention,

•das ethische, evidenz- und forschungsbasierte Handeln einschließlich Wissensmanagement,

•die Weiterentwicklung der beruflichen Handlungskompetenz,

•die Mitwirkung an fachspezifischen Forschungsprojekten und die Umsetzung von fachspezifischen Forschungsergebnissen,

•die Anwendung komplementärer Pflegemethoden und

•die psychosoziale Betreuung in der Gesundheits- und Krankenpflege.

(Weiss/Lust, 2021, S. 133 f.)

Das GuKG sieht als weitere Kompetenz die Entwicklung und Implementierung von pflegerischen Konzepten und Strategien zur Gesundheitsstärkung vor allem bei chronischen Erkrankungen vor (Weiss/Lust, 2021, S. 128).

DGKP sind durch den Einsatz des Pflegeprozesses in ihren Kernkompetenzen therapeutisch tätig. Der Pflegeprozess sieht sowohl eine Pflegediagnostik als auch pflegetherapeutische Interventionen vor.

1.2 Pflegeprozess

Seit 1997 wird die individuelle Gesundheits- und Krankenpflege im Sinne des Pflegeprozesses umgesetzt. Diese Anwendung hat zum Ziel, dem pflegerischen Handeln eine Struktur zu geben. Diese Struktur wird bei jedem betroffenen Menschen in der Dokumentation im Sinne des Problemlösungsprozesses gemäß GuKG abgebildet. Hinzu kommt, dass in den pflegerischen Kernkompetenzen Beziehungsarbeit, professionelle Beziehungsgestaltung und pflegetherapeutische Präsenz inkludiert sind (Fawcett/Desanto-Madeya, 2013; Herdmann/Kamitsuru, 2019, S. 74).

Aus pflegewissenschaftlicher Sicht ist der Pflegeprozess als Grundlage des pflegerischen Handelns anerkannt und wurde als weltweite Vereinigung der Fachsprache der Pflegefachpersonen bezeichnet (Schrems, 2018, S. 34). Der Pflegeprozess ist auch Bestandteil aller Pflegemodelle. In der Fachpraxis sollen anhand des Pflegeprozesses die zu setzenden Pflegeinterventionen bzw. -maßnahmen personenbezogen an die jeweilige Situation der Betroffenen angepasst werden. Pflegemaßnahmen werden somit nicht mehr nach Uhrzeit und Organisationsvorgaben ritualisiert – hier seien beispielhaft die morgendlichen Waschrundgänge zu erwähnen –, sondern sie werden bedürfnisorientiert und individuell ausgeführt. Die Pflegetätigkeiten beschränken sich auch nicht darauf, z. B. einem kranken, alten Menschen Essen und Trinken zu verbreichen und ihn zu waschen, wie in der Bevölkerung leider häufig geglaubt wird. Diese verklärten Vorstellungen des Pflegeberufs führen dazu, zu meinen, für die Pflege sei doch jede*r geeignet, die/der nur ein wenig Herz hätte. Die Diskussionen darüber, ob es für das Waschen tatsächlich ein Studium braucht, macht eine/n als Pflegetherapeut*in in der Gesundheits- und Krankenpflege sprachlos.

Das Ausführen von pflegetherapeutischen Tätigkeiten ist grundsätzlich an Pflegediagnosen geknüpft, die die individuelle Situation der pflegebedürftigen Person im Pflegeplan beschreiben. Häufig wird aus scheinbar ökonomischen Gründen und aufgrund eines „noch“ fehlenden wissenschaftlich belegten Wissens ohne Verknüpfung mit dem Erfahrungswissen zu wenig auf die individuelle Situation der zu pflegenden Person eingegangen. Hinzu kommt, dass es auch in der eigenen Berufsgruppe Vertreter*innen gibt, die den therapeutischen Ansätzen in der Pflege kaum Bedeutung beimessen. Aus diesen Gründen wird unreflektiert postuliert, dass sich die DGKP mit pflegewissenschaftlicher Ausbildung „nur noch“ mit Dokumentation beschäftige und somit nicht mehr mit den Patient*innen arbeite. Dabei wird übersehen, dass eine Pflegeprozessdokumentation in der Regel erst möglich ist, wenn mit den Patient*innen gemeinsam ihr Gesundheitsstatus besprochen, eine Pflegediagnose gestellt und die Pflegetherapie gemeinsam entschieden wurde. Die Arbeitsmethode „Pflegeprozess“ ist auch nach mehr als 20 Jahren in der Praxis immer noch lückenhaft (Schrems, 2021, S. 9).

Die Pflegeausbildung muss sich auf den aktuellen pflegewissenschaftlichen Erkenntnisstand beziehen. Problematisch ist es, wenn Studierende in der fachpraktischen Ausbildung die Systematisierung des pflegerischen Handelns durch den Pflegeprozess als zu gering erfahren. Hier spielt das Prinzip der Situationsorientierung eine große Rolle. Pflegehandlungen werden individualisiert – das heißt auf den Fall bezogen – und nicht ritualisiert durchgeführt.

Um eine Pflegehandlung durchzuführen, bedarf es einer Systematik bei der Informationssammlung. Eine Validierung der Daten hat zu erfolgen und es werden gegebenenfalls die richtigen Assessmentinstrumente, wie z. B. die unterschiedlichen Schmerzskalen, ausgewählt und eingesetzt. Im nächsten Schritt erfolgt die Interpretation der Daten. Das heißt, das Assessment ist keine starre Routine, die zu einer bestimmten Zeit und nach festgelegtem Muster erfolgt, sondern vielmehr eine fortlaufende Aktivität, die auf die jeweiligen Umstände der gepflegten Person zugeschnitten wird. Beim Anamnesegespräch ist die schriftliche Einwilligung der betroffenen Person maßgebend. Die gestellten Pflegediagnosen werden erörtert und es folgt die Aufklärung über zu setzende Pflegeinterventionen bzw. -maßnahmen. Das heißt, die pflegerische Vorgehensweise ist rechtlich und fachlich mit dem (komplexen) ärztlichen Behandlungsprozess vergleichbar.

Hierzu findet sich im GuKG folgende Aussage:

„Die Ausübung des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege beinhaltet die patienten- bzw. klientenorientierte Pflege nach dem Pflegeprozess, der mit der Einschätzung der Pflegebedürfnisse beginnt und mit der Auswertung der Resultate der Pflegemaßnahmen endet.“ (Weiss/Lust, 2021, S. 136 f.)

In § 4, Abs. 1 GuKG wird darauf hingewiesen, dass jede eigenmächtige Heilbehandlung zu unterlassen ist. Das bedeutet nicht, dass Pflegepersonen keine Heilbehandlungen durchführen dürfen, sondern es bezieht sich auf die Einholung der Einwilligung der zu behandelnden Person. Dadurch wird klar, dass jede Pflegediagnostik und Planung von pflegetherapeutischen Maßnahmen sowohl eine Aufklärung als auch eine Einverständniserklärung der Patient*innen benötigt (Weiss/Lust, 2021, S. 102 f.).

Abbildung 1 (siehe nächste Seite) zeigt, wie die pflegerische Aufklärung und Einverständniserklärung aussehen könnte.

PFA und PA können einzelne – von der DGKP übertragene Pflegemaßnahmen – eigenständig (PFA) oder mitwirkend (PA) durchführen. Die DGKP schätzt primär den Gesundheitszustand der zu pflegenden Person ein und stellt Pflegerisiken fest. Dann entscheidet sie, welche Pflegetherapien sie selbst durchführt und welche sie delegieren kann. Bei diesem Vorgehen ist zusätzlich einschlägiges medizinisches Fachwissen erforderlich, um Prävention und Prophylaxe planen und entsprechend durchführen zu können.

Die Gesamtverantwortung für die Pflegediagnostik und Planung der Maßnahmen obliegt allein der DGKP. Sie wird in der Praxis (Teil-)Tätigkeiten wie z. B. die Beobachtung von Schmerzen an die PFA bzw. PA delegieren. Die Pflegediagnostik ist jedoch nur auf Basis der Beobachtungen von PA und PFA nicht durchführbar, weil – wie schon erwähnt – die Schmerzpatient*innen aufzuklären sind sowie die Einwilligung zu den Pflegeinterventionen bzw. Maßnahmen einzuholen ist.

Der Pflegeprozess durchbricht das ritualisierte Handeln in der Pflege. Der Pflegeprozess ist direktes Patientenmanagement. Ohne Patientenkontakt gibt es keinen Pflegeprozess. Mithilfe der Struktur des Pflegeprozesses werden die Pflegehandlungen eingeleitet, und dabei entsteht eine Priorisierung des Pflegeablaufs. Wenn z. B. Patient*innen ein weiterführendes Entlastungsgespräch verlangen, werden die pflegerischen Aufgaben hierarchisiert und es wird anhand der Zielsetzung vorgegangen. Das heißt, hier kann man nicht zu Routinetätigkeiten wie Körperpflege oder

Abbildung 1: Einverständniserklärung (adaptiert nach Hindrichs/Rommel, 2018, S. 35)

Durchführung ärztlich übertragener Tätigkeiten übergehen, da dies der Pflegeprozess nicht vorsieht. Wird nach Pflegeprozess vorgegangen, ist klar, welche Tätigkeiten zuerst durchgeführt werden müssen.

Bei der Anwendung des Pflegeprozesses sind Kommunikationskompetenz und Beziehungsarbeit Voraussetzung. Bei der Schaffung der Beziehungsqualität spielt die Beziehung als „Aushandlungsgeschehen“ zwischen Fachlichkeit, den Bedürfnissen der pflegebedürftigen Person und ihrer Zugehörigen sowie ethischen Leitlinien eine große Rolle.

Um akkurate Pflegediagnostik zu betreiben, sind theoriegeleitete Konzepte in der Gesprächsführung (siehe Kap. 8 und 9) maßgeblich. Primär richtet sich der Fokus auf die Gesprächspartner*innen, und dabei wird das ehrliche Interesse an deren Person verdeutlicht. Dieses Vorgehen erfordert im praktischen Lernprozess persönliche Begleitung mit Coaching der Auszubildenden. In diesem Prozess wird auch das vernetzende Denken gefördert, um insbesondere in komplexen Pflegesituationen bestehen zu können. Folglich sind sehr gute Sprachkenntnisse in Wort und Schrift sowie eine einheitliche Fachsprache Voraussetzung, um den Pflegeprozess für alle nachvollziehbar und fachlich auf hohem Niveau darstellen zu können.

Das Studium der Gesundheits- und Krankenpflege an einer Fachhochschule schafft die Voraussetzungen, um die Herausforderungen der pflegerischen Arbeit zu meistern. In der Pflege sind Theorie und Praxis zu verbinden und – im Sinne „besonderen“ reflektierenden Denkens – im Lichte des wissenschaftlichen Handelns wesentlich.

Menschen mit Schmerzen verdienen eine hohe Qualität in der Durchführung von Pflegetätigkeiten.

Man geht davon aus, dass das gesellschaftliche Ziel besteht, hohe Pflegequalität primär durch den Einsatz von diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen zu garantieren. Das heißt: Um dieses Ziel zu erreichen, muss in der Praxis gewährleistet sein, dass die Erstbegutachtung ausschließlich durch DGKP erfolgt und dass auch die Durchführung von komplexen Pflegemaßnahmen von DGKP erfolgt oder unter Fachaufsicht von den PFA oder PA übernommen wird. Regelmäßige Evaluierungen durch DGKP überprüfen die Notwendigkeit, die korrekte Durchführung und die Wirksamkeit der pflegerischen Interventionen bzw. Maßnahmen. Hier ist Bewusstseinsbildung notwendig, um zu verstehen, dass professionelle Pflege nicht bloß einige Verrichtungen wie z. B. Körperpflege, An- und Auskleiden oder Hilfe bei der Verrichtung der Notdurft abdeckt.

Insbesondere bei der Pflege von kranken und alten Menschen wird sensibles, reflektiertes Vorgehen erwartet. Das heißt, die Basis der Pflege ist das Eingehen auf individuelle Bedürfnisse (siehe Kap. 6